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#10 God save the queen

Mordlust
Hallo und herzlich willkommen zu einer neuen Folge von Mordlust.
Mein Name ist Laura Wohlers.
Und ich bin Paulina Kraser.
Vor ziemlich genau zwei Jahren hakte sich ein blondes Mädchen, das ich damals gar nicht kannte, einfach in meinen Arm ein.
Es war ein kühler, feuchter Abend unter der Woche und ein paar Arbeitskollegen von unserer Firma hatten ein Pizzaessen organisiert, damit wir die neuen Volontäre kennenlernen konnten.
Und weil es so fies nieselte, bot ich an, jemanden in meine Richtung mit nach Hause zu nehmen.
Ach, da wohne ich ja ganz in der Nähe, sagte das blonde Mädchen glücklich und hackte sich eben wie schon gesagt ein.
Eine komische Geste fand ich, einhaken, weil das ist ja zu viel Körperkontakt.
Ich kenne die ja gar nicht.
Dann können wir ja auch mal zusammen zur Arbeit fahren, schlug das blonde Mädchen vor.
Der Anfang vom Ende, dachte ich, und presste ein Ja heraus.
Jetzt nicht unhöflich sein, das sagt man ja auch oft einfach mal so wie, lass uns mal einen Kaffee zusammen trinken gehen.
Aber diese Verabredung sollte keine von denen werden.
Fast jeden Morgen wartete das blonde Mädchen an einer Kreuzung auf mich.
Und zumindest während des ersten Jahres überlegte ich mir dann Strategien, wie ich das jetzt wieder rückgängig machen kann.
Wie schaffe ich es, dass ich wieder alleine in meinem Auto sitze, abgeschottet von all dem, was da draußen ist, laut die Musik aufdrehen kann und vor allem eins nicht mehr höre?
Ich habe auch zu den Mädchen gesagt, wenn dein Volo vorbei ist, dann hole ich dich nicht mehr ab.
Nee, hat das Mädchen dann gesagt.
Doch, habe ich dann gesagt und mir gedacht, die glaubt das jetzt nicht, aber ich mache das.
Ich mache das echt.
Und jetzt sind zwei Jahre Volo um und an der Kreuzung wartet niemand mehr.
Ich habe das ganze Auto für mich alleine.
Kein Geschnattere.
Das blonde Mädchen steht nämlich nicht mehr an der Kreuzung.
Das blonde Mädchen hat mich nämlich allein gelassen und ist einfach umgezogen.
Genau, ich stehe jetzt nicht mehr an der Kreuzung, weil ich nach London gezogen bin, um hier jetzt weiter zu arbeiten.
Ja, und jetzt hat Paulina ihr Auto wieder für sich alleine.
Ja, und ich muss jetzt immer mit der Tube fahren.
Das gefällt dir nicht so gut, was?
Nee.
Das war das, was wir euch schon letzte Woche angekündigt haben, was wir euch halt verraten wollten oder auch mussten jetzt,
dass wir eben nicht mehr in einer Stadt wohnen.
Aber das bedeutet nämlich nicht, wie jetzt vielleicht einige denken, dass der Podcast jetzt nicht mehr produziert wird.
Denn wir sitzen gerade zusammen in London.
Paulina hat mich schon so doll vermisst, dass sie gleich rüber gejettet ist.
Wir wollen es mal nicht übertreiben.
Weil wir uns natürlich auch weiterhin sehen.
Und deswegen gibt es in dieser Folge ein Special.
Und zwar ein England-Special.
Genau.
Und wie es in England üblich ist, regnet es natürlich gerade.
Also lasst euch von dem Rauschen im Hintergrund nicht stören.
Das gehört eben alles zu einer authentisch-britischen Folge dazu.
Und ich freue mich diesmal schon ganz besonders auf Lauras Fall.
Denn die hat den angekündigt mit, mein Fall ist das Schlimmste, was du dir vorstellen kannst.
Ich freue mich schon so darauf, dir davon zu erzählen.
Und zwar geht es um den Fall von James Bolger.
Eine Hörerin hatte uns auch schon den Fall vorgeschlagen.
Und als ich die Nachricht gesehen habe, habe ich sie sofort gelöscht, weil ich ja nicht wollte, dass du sie siehst.
Weil ich den Fall halt unbedingt machen wollte und auch eben wollte, dass du ihn nicht kennst.
Denn der Fall ist einer, der mich sehr, sehr lange beschäftigt hat.
Und das Kuriose ist, dass ich ihn aus der Uni kenne.
Und wir den da durchgenommen haben.
In einem der wenigen Kurse, die ich interessant fand.
Und der hieß übrigens Überwachungsräume.
Und in dem Fall bekommt ein Überwachungsvideo nämlich eine entscheidende Bedeutung.
Und ich glaube, dass ich keine einzige Vorlesung so gründlich nachbereitet habe wie diese.
Also, viel Spaß damit.
James Patrick Bolger wird am 16. März 1990 in Kirkby, einer kleinen Stadt nahe Liverpool, geboren.
Heute wäre er also drei Wochen älter als du.
James ist das erste Kind von Denise und Ralph Bolger und ihr größter Stolz.
1993 ist er zwei Jahre alt und ein fröhliches, aktives und neugieriges Kind.
Ich möchte, dass du weißt, wie er aussieht.
Und deshalb zeige ich dir jetzt ein Foto und das stellen wir natürlich auch auf Instagram.
Magst du ihn einmal beschreiben?
Er sieht aus wie ein glückliches Kind und blonde, fast rötliche Haare so ein bisschen, grinst über beide Backen in die Kamera, hat süße Hauerchen und sieht aus wie Kinder 1993 immer aussahen.
Also, er sieht ungefähr aus wie ich damals.
Und der ist schon ziemlich süß, oder?
Oft nimmt Denise ihren Sohn mit zum Einkaufen.
So auch am 12. Februar 1993.
Ein paar Wochen vor James' drittem Geburtstag.
Denise und James gehen gegen Nachmittag in ein nahegelegenes Einkaufszentrum, das New Strand Shopping Center in Butel.
Denise hat einiges zu erledigen, geht von einem ins andere Geschäft, James ist dabei immer direkt hinter ihr.
Dann muss Denise noch zum Schlachter.
Zu dem Zeitpunkt ist es circa Viertel nach drei.
Als die junge Mutter ihre Bestellung aufgibt, wendet sie sich der Verkäuferin zu.
Dieser Moment dauert circa 30 Sekunden.
Als sie sich danach zu ihrem Sohn umdreht, ist James verschwunden.
Denise bekommt Panik.
Sie rennt aus dem Schlachterladen, aber kann James nirgendwo entdecken.
Sie läuft die ganze Mall ab, aber keine Spur von ihrem zweijährigen Sohn.
Aufgelöst meldet sie sich bei der Security und die helfen bei der Suche nach dem Jungen.
Er hat sich bestimmt irgendwo versteckt, glauben die Sicherheitsbeamten.
Vielleicht unter einem Tisch oder in einem Schrank und da kommt er jetzt alleine nicht mehr raus.
Doch James bleibt verschwunden.
Dann wird die Polizei benachrichtigt, die ins Einkaufszentrum kommt und ebenfalls sucht.
Als die Mall an diesem Freitag um 5 Uhr schließt, wird die Suche auf das umliegende Gebiet ausgeweitet.
Aber keine Spur.
Nichts.
Am Abend wendet sich die Polizei noch einmal an das Einkaufszentrum.
Die Bilder der Überwachungskameras sollen ausgewertet werden.
Vielleicht zeigen die Bänder, wo James abgeblieben ist.
Noch bis in die Nacht hinein schauen sich die Polizisten die Bilder an,
bis sie James plötzlich auf einem der Videos entdecken.
Darauf sehen sie, wie der kleine Junge aus dem Schlachterladen heraus und aus dem Bild läuft.
Auf einem anderen Band, aufgezeichnet von einer anderen Kamera, sieht man ihn dann plötzlich in Begleitung zweier Teenager.
Die Beamten schätzen die zwei Jungs auf ca. 14 Jahre.
Der eine nimmt James an die Hand und sie spazieren gemeinsam aus dem Einkaufszentrum.
Aufatmen bei den Ermittlern.
Kein verdächtiger Mann hat James mitgenommen oder so.
Als Denise und Ralph am nächsten Tag hören, dass James möglicherweise noch mit den zwei Jungs unterwegs ist, sind sie erleichtert.
Jetzt geht es für die Polizei darum, die zwei zu finden, sie zu identifizieren.
Dafür schicken sie die Bilder der Überwachungskameras an verschiedene Fernsehsender.
Sogar die US-amerikanische Ausgabe von Aktenzeichen XY greift den Fall direkt auf.
Am nächsten Tag kriegen die Beamten einen Anruf.
Eine Gruppe Jugendlicher hat beim Spielen auf den Bahngleisen ein totes Kind gefunden.
Es ist James.
Zunächst sieht es nach einem tragischen Unfall aus.
Der Zweijährige wurde von einem Zug durchtrennt.
Doch als die Polizisten genauer hinsehen, gibt es erste Zweifel.
Der Junge ist halb ausgezogen.
Seine Schuhe, Socken und die Hose liegen neben den Schienen.
Außerdem finden die Beamten neben der Fundstelle eine 20 Kilo schwere Eisenstange und blaue Farbe.
James kommt in die Rechtsmedizin.
Als der Gerichtsmediziner den kleinen Körper auf seinen Obduktionstisch legt, muss er weinen.
Ihm wird das ganze Ausmaß von James' Martyrium deutlich.
Das Kleinkind hat 42 Verletzungen, die Hälfte davon am Kopf, darunter mehrere Schädelbrüche.
Denise und Ralph sind am Boden zerstört, als sie vom Tod ihres kleinen Sohnes hören.
Und eine ganze Stadt schockiert.
An der Fundstelle der Leiche entsteht nach kurzer Zeit ein riesiges Blumenmeer.
Für die Beamten geht es jetzt darum, herauszufinden, was genau mit James passiert ist und wer dafür verantwortlich war.
Die Polizisten bekommen in den nächsten Tagen immer wieder Hinweise auf Jungs, die denen auf den CCTV-Bildern ähneln.
Sie verhören Dutzende Jugendliche im Alter zwischen 12 und 18 Jahren.
Am 18. Februar, also sechs Tage nach dem Verschwinden von James, bekommen sie frühmorgens wieder einen anonymen Tipp.
Die zwei Freunde John Venables und Robert Thompson sollen am Tattag nicht in der Schule gewesen sein
und den Jungs auf den Bildern der Überwachungskamera sehr ähneln.
Als die Ermittler hören, dass es sich um zwei Zehnjährige handelt,
schwindet ihre Hoffnung, dass dieser Besuch irgendetwas Neues bringen könnte.
Aber sie sollen ja jedem Hinweis nachgehen.
Also teilen sie sich auf.
Ein Polizist fährt zu dem Haus der Familie Thompson, ein anderer zur Familie Venables.
Zunächst soll Robert Thompson befragt werden.
Als der Polizist im Flur steht, kommt der Junge gerade die Treppe runter, fertig gemacht, um in die Schule zu gehen.
Der Polizist sagt zu ihm, er soll sich aufs Sofa setzen und kniet sich auf den Boden,
damit er auf Augenhöhe mit Robert sprechen kann.
Als der Beamte sagt, dass er wegen dem Mord an James hier ist, fängt Robert direkt an zu schreien.
Er weint nicht, aber er gerät in Panik.
Der Polizist sagt später, dass er gemerkt hat, dass Robert unfassbare Angst hatte.
Als er nach der Kleidung des Jungen fragt, findet er blaue Farbe an Roberts Jacke.
Der Junge muss mit auf die Wache.
Ein paar Kilometer entfernt verhaftet ein anderer Polizist zur selben Zeit John Venables.
Für die Polizisten ist die Festnahme eines Zehnjährigen etwas komplett Neues und sehr verstörend.
Lawrence Lee, der Anwalt von John, erzählt später, wie ungewöhnlich es für ihn war,
diesen kleinen Jungen in einem solchen Umfeld zu sehen.
In einer Polizeistation, wo sonst ja nur Erwachsene sind.
Er war so klein, sah viel jünger aus als ein Zehnjähriger, mehr wie ein Achtjähriger und er hatte so ein Engelsgesicht.
Auch Lee konnte sich nicht vorstellen, dass dieser Junge etwas mit der Tat zu tun haben könnte.
Also geht es darum, was wissen die Jungs?
In der Polizeistation werden zunächst die Fingerabdrücke genommen.
John ist total neugierig.
Er fragt unter anderem, ob man Fingerabdrücke auf der Haut eines anderen Menschen nachweisen könnte.
Dann werden John und Robert in Anwesenheit ihrer Anwälte verhört.
Robert gibt im zweiten Verhör zu, dass er dabei war, als das Baby, wie sie James nennen, aus der Mall geführt wurde.
Aber er schiebt alles auf seinen Freund.
John hingegen lügt die ersten vier Verhöre, sagt, er wäre nie in dem Einkaufszentrum gewesen.
Als die Ermittler ihm dann sagen, dass Robert bereits gestanden hat, dass John dabei war, wird er nervös.
Er sagt, ja okay, wir waren in dem Einkaufszentrum, aber wir haben das Baby nicht mitgenommen.
John springt auf, umarmt seine Mutter und sogar die Ermittler.
Er schreit immer wieder, wir haben das Baby nicht mitgenommen.
Er behauptet, dass Robert lügt.
Es ist schwierig, die Informationen aus den Kindern herauszubekommen.
Die Polizisten glauben, dass John sich nicht traut, die Wahrheit zu sagen, weil er Angst vor seinen Eltern hat.
Deshalb soll seine Mutter ihm in einer Verhörpause sagen, dass sie ihn lieben wird, egal was er getan hat.
Und es funktioniert.
John gibt zu, ja, ich habe das Baby getötet.
Es tut mir sehr leid.
Können Sie meiner Mama sagen, dass es mir sehr leid tut?
Und mit diesem Geständnis kommen immer mehr Details zur Tat ans Licht.
Und die Polizei kann den Tag rekonstruieren.
John ist an dem Morgen auf dem Weg zur Schule, als er Robert begegnet.
Robert sagt zu ihm, komm, wir gehen klauen.
Dann gehen die beiden los in das Einkaufszentrum.
Zunächst lassen sie ein paar Kleinigkeiten aus Geschäften mitgehen.
Dann kommen sie auf die Idee, ein Kleinkind zu entführen, um es vor der Mall in den Verkehr zu stoßen und es wie ein Unfall aussehen zu lassen.
Gegen zwölf Uhr sehen sie dann eine Mutter mit drei Kindern.
Sie suchen sich den Kleinsten aus, um ihn mitzunehmen.
Sie haben es schon bis draußen geschafft, als die Mutter es bemerkt und den Kindern hinterherläuft.
Ohne es zu wissen, rettet sie damit das Leben ihres kleinen Sohnes und ebnet das Schicksal für James.
Ach, die haben sich ersten anderen ausgesucht.
Mhm.
Oh Gott.
Ein paar Stunden später entdecken John und Robert dann James, der alleine vor dem Schlachterladen steht.
John nimmt ihn an die Hand und gemeinsam spazieren sie nach draußen.
Nein.
Der Plan hat sich aber jetzt geändert.
Sie wollen James nicht in den Verkehr schubsen, sondern ihn zum naheliegenden Kanal bringen, um ihn ertrinken zu lassen.
Nein.
Es ist ein ganzes Stück von der Mall bis zum Kanal.
Auf dem Weg werden sie von einigen Gebäudekameras aufgezeichnet.
Auf den Bildern sieht man, wie die Jungs James mit sich zerren.
James hat mittlerweile eine Platzwunde am Kopf, die stark blutet.
Die Jungs setzen ihm die Kapuze seiner Jacke auf, damit man die Wunde nicht so sehr sieht.
Als sie irgendwann am Kanal ankommen, sagen sie zu James, er soll runter zum Wasser gehen und sich sein Spiegelbild anschauen.
Aber James hat Angst.
Er möchte nicht so nah ans Wasser.
Dann setzen sie ihren Weg fort.
Insgesamt werden die drei Jungs auf ihrem Weg zu den Bahngleisen von 38 Menschen gesehen.
Manchen von ihnen fällt die Wunde am Kopf des kleinen Kindes auf.
Eine Frau erkundigt sich, ob alles in Ordnung sei.
Die Jungs antworten, dass James nur gefallen sei und sie ihn jetzt nach Hause bringen.
Zu einer anderen Frau sagen sie, dass sie das Kind gefunden haben und jetzt zur Polizei bringen wollen.
Die Frau zeigt ihnen dann sogar noch den Weg zur naheliegenden Polizeistation.
Doch ihr Weg führt sie nicht dorthin.
Insgesamt gehen sie mit dem Jungen fast fünf Kilometer.
Das dauert circa drei Stunden.
Nicht mal hundert Meter von der nächsten Polizeistation entfernt machen sie Halt an den Gleisen.
Hier fangen John und Robert an, James mit herumliegenden Ziegelsteinen zu bewerfen.
James wird durch die Wucht des Aufpralls umgeworfen, steht aber immer wieder auf.
Nein!
Die Jungs werden sauer und rufen, du blödes Baby, bleib liegen.
Oh, nennt ihn nicht Baby. Das finde ich das Schlimmste, dass sie ihn Baby nennen.
Ja.
Sie treten ihm immer wieder gegen den Kopf.
Dann werfen sie ihm blaue Farbe ins Gesicht, die sie ein paar Tage zuvor gekauft hatten.
James sagt immer wieder, dass er zu seiner Mama möchte.
James soll Batterien in den Mund nehmen.
Sie treten und schlagen das Kind immer wieder.
Im Prozess spricht die Staatsanwaltschaft außerdem davon,
dass James' Vorhaut nach hinten geschoben wurde, nachdem sie ihn ausgezogen hatten.
Die Verletzungen, die wohl am Ende zum Tode führten,
wurden mit der 20 Kilo schweren Eisenstange herbeigeführt.
Um das Ganze dann wie einen Unfall aussehen zu lassen,
schleifen John und Robert den noch lebenden James auf die Gleise.
1-Jährige eine 20 Kilo Eisenstange.
Da müssen wir aber ganz schön kraftmobilisiert haben.
Bevor der Zug das Kind in zwei Hälften schneidet,
stirbt James an den schweren Kopfverletzungen.
Von einigen Verhören gibt es die Originalaufnahmen.
Und ich würde dir gerne eine kurze Stelle zeigen,
damit du dir die Situation besser vorstellen kannst.
Es ist ein Verhör von John Venables,
der mittlerweile zwar zugibt, dabei gewesen zu sein,
aber noch nicht sagen will, dass auch er James getötet hat.
Da es natürlich auf Englisch ist
und wegen der Qualität auch nicht so gut zu verstehen,
sage ich jetzt kurz, worum es da geht.
Also am Anfang erzählt John,
dass sie James vor dem Schlachter gefunden haben
und mit ihm herumspaziert sind.
Das sei seine Idee gewesen.
Die Idee, James zu töten, sei aber von Robert gekommen.
Dann gibt der Ermittler vor, zu wissen, was passiert sei,
um ihn zu einem Geständnis zu bringen
und John fängt an zu weinen.
Er ist ein Verhör von James.
Woher did you find James?
Aufsit der Butchers.
So we walked up to him
und wir waren walking around
with him und I took his hand.
Whose idea was it to walk towards him?
Mine.
Was it?
Was it?
Then it was Robert's idea to kill him.
Oh Gott, wie klein!
Wie tragisch, ja.
War halt selber ein Kind, ne?
Man hört es da so krass raus.
Deswegen wollte ich dir das zeigen.
Neben dem Geständnis finden die Ermittler
auch Blut von James an den Schuhen von John und Robert
und blaue Farbe an der Kleidung,
was die beiden überführt.
Als bekannt wird,
wer für den Tod des kleinen James verantwortlich ist
und in welcher Weise er getötet wurde,
können die Bewohner der Stadt es nicht fassen.
Als Reaktion bekommen die Bulgers tausende Briefe.
Um ihr Mitgefühl auszudrücken oder Buße zu zeigen,
geben Menschen Teddys in den Polizeistationen ab.
In der ersten Woche sind es tausende.
Außerdem kommt eine ganze Menge Geld zusammen.
In einer Gegend, die damals zu den ärmsten Westeuropas zählt
und in der jeder dritte Mann arbeitslos ist,
wird versucht, der Familie von James irgendwie zu helfen.
Als James in dem kleinen weißen Sarg beerdigt wird,
ist die ganze Stadt anwesend.
Die Briten sind verzweifelt und werden sauer.
Als jemand herausbekommt, wo einer der Jungs wohnt,
wird das Haus attackiert.
Steine werden geworfen,
die Mütter der Jungs werden angegriffen
und letztendlich müssen beide Familien die Stadt verlassen.
Als die Jungs zehn Tage nach dem Mord ihren ersten Gerichtstermin haben,
versammeln sich vor dem Gerichtsgebäude mehrere hundert Menschen.
Ein aggressiver Mob verdankt die Auslieferung der beiden.
Bringt sie raus zu uns, rufen sie.
Als dann die Wagen mit den Kindern das Gebäude verlassen,
gibt es kein Halten mehr.
Die Menschen versuchen, die Autos zu stürmen,
schmeißen Steine.
Am Ende gibt es mehrere Festnahmen.
Von den Tätern werden zunächst keine Namen veröffentlicht.
Für die Öffentlichkeit heißen sie Child A und Child B.
Aber wer sind diese Kinder,
die von der Öffentlichkeit als geborene Monster bezeichnet werden?
John und Robert kommen beide aus einer der heruntergekommensten Gegenden Englands.
Robert kommt aus einem zerrütteten Familienhaus.
Er ist das fünfte von sechs Kindern.
Sein Vater hat die Familie verlassen, als er sechs Jahre alt war.
Seine Mutter ist starke Alkoholikerin.
Einige seiner Geschwister sind bereits in der Obhut des Staates.
Mitschriften des Jugendamts beschreiben die Familiensituation als entsetzlich.
Die Kinder bissen, schlugen und quälten sich gegenseitig.
In dem Bericht wurde auch aufgeführt,
dass Philipp, ein Bruder von Robert,
seinen älteren Bruder Ian mit einem Messer bedroht hatte.
Ian wollte daraufhin in ein Kinderheim aufgenommen werden.
Als er wieder zu seiner Familie zurückkehren musste,
versuchte er sich mit Schmerzmitteln das Leben zu nehmen.
Auch Roberts Mutter und Robert selbst
hatten schon Selbstmordversuche hinter sich.
Robert wird in der Schule von den meisten Kindern gemobbt.
Nicht von John, der vor kurzem auf dieselbe Schule gekommen ist.
Johns Eltern sind auch getrennt.
Seine Mutter hat schwere Depressionen und auch Selbsttötungstendenzen.
Er hat zwei Geschwister,
beide sind lernbehindert und deshalb auf einer Sonderschule.
John ist ein aggressiver Junge,
der immer im Mittelpunkt stehen will.
Von seiner letzten Schule wurde er geschmissen,
weil er einen Mitschüler fast erwürgt hatte.
Beides demnach Kinder, die es, wie so viele Mörder in ihrer Kindheit, nicht einfach haben.
Am 1. November 1993, neun Monate nach dem Tod von James,
beginnt die Gerichtsverhandlung.
Die zwei Jungs, die da auf der Anklagebank sitzen, sind so klein,
dass ihre Stühle erhöht werden mussten,
damit sie überhaupt über die kleine Balustrade vor ihnen gucken können.
Ansonsten wird die Verhandlung aber wie eine Gerichtsverhandlung für Erwachsene geführt.
Immer wieder wird über das Benehmen der Jungs in den Medien berichtet.
Es wird geschrieben, dass es scheint, als würde Robert die Tat nicht bereuen.
John fängt während der dreiwöchigen Verhandlung immer wieder an zu weinen und zu schreien.
Denise Bulger kommt nicht zum Prozess.
Nur am letzten Tag betritt sie den Gerichtssaal.
Als das Urteil verkündet wird, fängt John an zu weinen.
Robert bleibt zunächst ungerührt.
Als er sieht, dass sein Freund weint, fängt er auch an.
Eine Entschuldigung für Denise und Ralph gibt es nicht.
Am Ende steht das Urteil.
Zehn Jahre Freiheitsentzug.
Bei guter Führung bedeutet das,
dass John und Robert nach acht Jahren wieder auf freiem Fuß wären.
Das sorgt für einen Aufschrei.
Das heißt, sie wurden wegen Totschlags verurteilt?
Nee, wegen Mordes.
Insgesamt unterschreiben mehr als 300.000 Menschen eine Petition,
die vom damaligen Innenminister Michael Howard fordert, die Strafe zu erhöhen.
Und tatsächlich wird die Strafe auf 15 Jahre erhöht.
1997 wird diese Entscheidung allerdings revidiert und als rechtswidrig aufgehoben.
1999 beantragen die Anwälte von John und Robert vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte Revision.
Sie kritisieren, dass die Verhandlung nicht objektiv gewesen sei,
da die beiden Jungs zu jung gewesen wären, um die Vorgänge zu verstehen.
Natürlich, also wie, weil die saßen da und wussten gar nicht, was da jetzt gerade passiert.
Das Gericht entscheidet zugunsten von John und Robert.
Dies führt am Ende dazu, dass die Strafe auf das Mindestmaß festgesetzt wird, also von zehn auf acht Jahre,
bei denen es auch am Anfang wahrscheinlich eh geblieben wäre.
Die acht Jahre Freiheitsstrafe bedeuten für John und Robert aber nicht wirklich Gefängnis.
Sie kommen in sogenannte Secure Units, Einrichtungen für Kinder und Jugendliche, jeder in eine andere.
Die kann man sich ungefähr wie ein Internat vorstellen, aus dem die Bewohner in der Regel nicht ohne Aufsicht raus können.
Dort haben John und Robert die nächsten acht Jahre alles, was sie brauchen.
Jeder hat ein eigenes Zimmer.
Sie dürfen Fernsehen gucken, Videospiele spielen und Mitglied in Sportvereinen sein.
Klingt erstmal nicht so schlecht.
Sie gehen in die Schule und bekommen Therapie.
Klingt sogar besser als das, was sie zu Hause hatten.
Richtig.
Ich wollte dich nämlich eh fragen jetzt, findest du diese Strafe angemessen?
Nee, das klingt eher nach geregeltem Familienleben und als würde es denen jetzt besser ergehen als vorher zu Hause.
Ja, und das hat auch eben für viel Aufsehen gesorgt, weil viele Leute gesagt haben, die haben da ein besseres Leben als viele arme Kinder.
Natürlich, ja.
In den acht Jahren dort entwickeln sich die zwei, berichten zufolge gut.
Sie haben gute Schulleistungen und dürfen immer wieder unter Aufsicht die Units verlassen.
Im Juni 2000 wird dann vom Bewährungsausschuss entschieden, dass sie keine Gefahr mehr für die Gesellschaft darstellen.
Ein wichtiger Punkt ist für den Ausschuss auch, dass sie nicht wollen, dass die Jungs in eine Jugendstrafanstalt kommen.
Das müssten sie nämlich, wenn sie noch länger unter Freiheitsentzug stehen würden.
Dies hätte einen schlechten Einfluss auf die Jugendlichen, heißt es.
Sie kommen also mit 18 Jahren frei und bekommen neue Identitäten.
Sie stehen aber weiterhin unter der sogenannten Life License, eine lebenslange Bewährung,
die eine sofortige Einweisung ins Gefängnis ermöglicht, sobald sie eben als Gefahr für die Öffentlichkeit gelten.
Der Richter verfügt, dass über die neuen Identitäten nichts an die Öffentlichkeit geraten darf.
Allerdings gilt diese Regel nur für England und Wales.
Nach der Freilassung von Venables & Thompson wird erwartet,
dass die Identitäten und der Aufenthaltsort schnell durch das Internet bekannt werden.
Entschuldigung.
Die Identitätssperre geht nur für England und Wales?
Also wenn zum Beispiel eine deutsche Zeitung rausfinden würde, wie die heißen,
dann dürften sie das schon veröffentlichen.
Und James' Vater Ralph hatte vor der Freilassung öffentlich gesagt, dass er die beiden jagen wird.
Es werden tatsächlich in der Folgezeit einige Menschen verdächtig, Venables oder Thompson zu sein.
Ein 36er Brite erhängt sich sogar, nachdem Gerüchte in Umlauf gelangt waren, er sei Robert Thompson.
Und Thompson und Venables selber?
Sie wurden, soweit bekannt ist, nie angegriffen.
James' Mutter Denise schafft es einmal, Robert Thompson aufzuspüren.
Sie will ihn anschreien,
2006 wird bekannt, dass Thompson eine schwangere Freundin hat und dass sie nichts von seiner Geschichte weiß.
Dies löst einen Skandal aus, da viele die Meinung vertreten, die junge Frau habe ja wohl das Recht,
über die Vergangenheit ihres Freundes informiert zu werden.
Stell dir mal vor, du bist mit einem Mörder zusammen und weißt nichts davon.
Findest du es eigentlich gerecht, dass sie neue Identitäten bekommen haben?
Erstmal kurz so eine Sache zur Freundin.
Ich finde, an sich müsste man ja sagen,
ich weiß ja vielleicht auch nicht alles von der Vergangenheit meines Freundes oder meiner Ex-Freunde
und du weißt vielleicht auch nicht alles.
Bei solchen Sachen allerdings finde ich, also ich würde es natürlich wissen wollen.
Und was war deine Frage?
Ob du es eigentlich gerecht findest, dass die neue Identitäten bekommen haben?
Ich finde, wenn man seine Strafe abgesessen hat und das eine Strafe ist, die nicht nur dafür sorgt,
dass du keine Gefahr mehr für die Öffentlichkeit darstellst, sondern auch wirklich eine Strafe abgesessen hast,
deine Schuld, ich will nicht sagen beglichen hast, weil das hast du am Ende nie,
aber dass du gebüßt hast dafür.
Natürlich, sie müssen auch neue Identitäten bekommen, weil sie sonst nie in diese Gesellschaft wieder hätten eingeführt werden können.
Ja, da bin ich auch voll deiner Meinung.
Ich sehe das genauso.
Vor allen Dingen, wenn man bedenkt, wie sauer da alle waren.
Also das war wie so ein Mob.
Ich habe da ja auch eine Doku zu gesehen.
Eine Hetzjagd.
Ja, die waren verrückt da.
Und es war, finde ich, schon fahrlässig, überhaupt die Namen zu veröffentlichen damals.
Natürlich.
Genau.
Und du möchtest bestimmt wissen, ob sich die zwei nochmal was zu Schulden haben kommen lassen.
Natürlich.
Was tippst du denn?
Ich würde sagen, das kommt darauf an, in welchem Umfeld die nachher gelandet sind.
Ja, ich hoffe mal nein.
Ja, da muss ich dich leider enttäuschen.
Ich hätte gedacht, wenn einer vielleicht irgendwie eine Freundin gefunden hat und sich mit der jetzt ein Leben aufbaut,
dass der dann vielleicht Stabilisierung findet.
Ich kann dir ja verraten, einer wird nicht rückfällig oder bleibt quasi straffrei.
Anfang März 2010 wird der mittlerweile 27-jährige John Venevers wegen des Besitzes von kinderpornografischem Material verhaftet.
57 einschlägige Bilder soll er im Internet runtergeladen und weiterverbreitet haben.
Er wird zu zwei Jahren Haft verurteilt.
Hä, wieso zwei Jahre?
Äh, er ist doch jetzt auf Bewährung.
Und kriegt jetzt nur zwei Jahre, muss dann aber halt jetzt sofort hinter Gittern, weil er ja...
Ich finde es auch nicht so viel.
Zwei Jahre ist nichts, ja.
Nee, es hat auch gar nichts gebracht, denn im Februar 2018 wird John Venevers nochmal verurteilt.
Und zwar wieder für den Besitz und die Verbreitung von Kinderpornografie für drei Jahre und vier Monate.
Dieses Mal, weil er tausende kinderpornografische Bilder und sogar eine Anleitung zum Kindesmissbrauch besitzt.
Also weg mit ihm für immer, ja.
In dem Prozess bezeichnet der Richter die Bilder, die den Missbrauch kleiner Jungen zeigen, als herzzerreißend für jeden normalen Menschen.
Kommen wir zu meinem Aha.
Wie kann es zu so einer Tat kommen?
Warum töten zwei Kinder ein anderes Kind?
Bei der Suche nach dem Motiv haben sich die Psychologen damals die Zähne ausgebissen.
Es wurde viel spekuliert.
Haben vielleicht Gewaltfilme John und Robert darauf gebracht, ein anderes Kind zu töten?
Oder war es doch die soziale Umgebung, in der sie aufgewachsen sind?
Kinder, die zu Mördern werden, sind zwar selten, aber es gibt sie immer wieder.
Auch in Deutschland.
In den vergangenen Jahrzehnten lag der prozentuelle Anteil von kindlichen Tatverdächtigen im Bereich von Mord und Totschlag in Deutschland bei durchschnittlich 0,16%.
Im Jahr 2016 waren es zum Beispiel zehn Jungen und ein Mädchen.
Wahrscheinlich sind diese geringen Zahlen der Grund dafür, warum Tötungen durch Kinder wissenschaftlich fast keine Beachtung finden.
Aber ein Buch, das ich gefunden habe, beschäftigt sich wissenschaftlich mit kindlichen Mördern.
Und zwar »Wenn Kinder töten« von unserem Altbekannten Stefan Harbord.
Wenn Kinder töten, dann passiert es in zwei Drittel der Fälle folgendermaßen.
Ein Junge im Alter von 10 bis 13 Jahren trifft auf ein ihm persönlich bekanntes, etwa gleichaltriges oder jüngeres Opfer und erschießt, erschlägt oder erdrosselt es.
Die Tat passiert zwischen 12 Uhr mittags und 20 Uhr in einer dem Täter wie dem Opfer vertrauten Umgebung und dauert nicht länger als fünf Minuten.
Es handelt sich in der Regel nicht um Affekthandlungen, sondern um geplante Tötungen.
Oft werden diese gemeinschaftlich durchgeführt, also von mehreren Kindern.
Diese Taten dauern dann mitunter wesentlich länger und sind durch extreme Gewaltanwendungen gekennzeichnet, wie im Fall von John und Robert.
Kinder, die töten, sind in der Schule eher durchschnittlich oder unterdurchschnittlich und verhaltensauffällig.
Sie haben vor den Tötungen oft schon mal was geklaut oder willentlich zerstört und sind unfähig, sich in ihr Gegenüber hineinzuversetzen.
Weshalb es auch oft vorkommt, dass Kinder nach der Tat eben keine Reue empfinden, wie das eben auch bei Robert der Fall war.
Harbert hat zwei unterschiedliche Persönlichkeitsprofile herausgearbeitet, die mit bestimmten Motivationen verknüpft sind.
Die eine Gruppe sind Kinder, die willens- und durchsetzungsschwach, unsicher, konfliktscheu gehemmt und introvertiert sind.
Diese Täter treten überwiegend bei Beziehungstaten im familiären oder persönlichen Umfeld auf.
In der anderen Gruppe sind Kinder, die gefühlskalt, aggressiv, verantwortungslos, egoistisch oder sogar egozentrisch sind.
Sie haben eine geringe Frustrationstoleranz und töten aus Habgier, sexualisierter Gewalt oder Rache.
Was vielen Kindern, also aus beiden Gruppen gemein ist, ist eine gestörte Eltern-Kind-Beziehung.
Das tritt bei etwa 60 Prozent auf.
Kinder, die von ihren Eltern beispielsweise emotional vernachlässigt werden und einer gestörten Beziehung zur Mutter leiden,
elterliche Gewalt ausgesetzt sind und Probleme mit ihren Geschwistern haben, neigen viel eher und viel häufiger zur Gewalt
und akzeptieren diese dann auch als Problemlösung.
So erlernen sie die spätere Täterrolle quasi im eigenen Familienhaus.
Wenn man die für Erwachsenen anzuwendenden Mordmerkmale auf die Taten der Kinder übertragen würde,
werden sie in zwei Drittel der Fälle übrigens als sonstige niedrige Beweggründe zu qualifizieren, meint Harbert.
Wie gesagt, wurde bei John und Robert kein Motiv festgestellt.
Sie haben auch selbst nie, auch nur annähernd erklären können oder wollen, warum sie James getötet haben.
Ja, aber als Kind kannst du das vielleicht auch nicht wirklich erklären, ja?
Du weißt ja, woher es kommt, wenn du in die Kindheit guckst.
Aber erklären können sie es vielleicht nicht mal später, weil sie es schon zu dem Zeitpunkt nicht verstanden haben.
Und dieses Mordmerkmal aus niedrigen Beweggründen, finde ich, macht einen auch besonders verrückt.
Bei deinem letzten Fall kann man, wenn auch schwierig, die Tat nachvollziehen.
Mutter und Sohn waren eben so von Habgier zerfressen, dass sie Christine aus dem Weg räumen wollten, um das Geld einzutreiben.
Oder bei meinem Fall der Vergewaltigung von Susanne Preusker, ganz klares Motiv.
Aber bei den beiden, bei den zwei Kindern ist es halt einfach so unglaublich und unverständlich, weshalb dieser Fall auch so lange bei mir nachgehalten hat.
Ich glaube, das Schlimme an diesen Fällen ist, dass man und vor allem die Eltern nie so eine richtige Antwort auf das Warum bekommen werden, was es schwieriger macht, das zu verarbeiten.
Und es ist so seltsam, dass du dir diesen Fall ausgesucht hast.
Ich kenne den nämlich deswegen, weil er oft in Zusammenhang mit meinem Fall erzählt wird.
Und freiwilligerweise haben wir nämlich heute offenbar nicht nur ein England-Special.
Mein Fall spielt in Newcastle, einer Kleinstadt im Norden Englands.
Heute ist es eine schöne Universitätsstadt mit Sehenswürdigkeiten.
Aber in dem Jahr, in dem diese Geschichte spielt, also 1968, leben dort gerade einmal 17.000 Menschen und die Arbeitslosenquote beträgt über 50 Prozent.
Gefühlt ähnlich in dem Milieu, in dem deine Täter aufgewachsen sind.
Die Nachbarn kennen sich da untereinander und helfen sich gegenseitig.
Fremde werden hier sofort erkannt und deswegen spielen die Kinder auch unbedacht auf der Straße.
An einem Samstagmittag läuft der kleine Martin Brown durch die Straßen der Stadt.
Er ist vier Jahre alt, hat blonde Haare und blaue Augen.
Er läuft rüber zu einem kleinen Laden, um sich einen Lutscher zu kaufen.
20 Minuten später finden drei Schuljungen seine Leiche beim Spielen in einem leerstehenden Haus in einem heruntergekommenen Sozialwohnungsviertel.
Martin liegt auf dem Boden, die Wangen und das Kinn mit Blut und Speichel verschmiert.
Die Nachricht von Martins Tod verbreitet sich schnell durch die kleine Stadt.
Als Martins Mutter June und seine Tante Richard zum Fundort kommen, wissen sie sofort, dass er tot ist, obwohl die Rettungskräfte noch versuchen, ihn wieder zu beleben.
Alles, was ich wollte, ist, mich zu ihm zu legen und zu sterben, sagt Martins Mutter später.
Die Polizei findet keine Anzeichen von Gewalt und im Schutt neben Martin finden sie leere Medikamentendosen.
Die Polizei geht also von einem Unfall aus.
Ein paar Tage später wird etwas Seltsames in einer Kindertagesstätte in der Umgebung gefunden.
Es wurde eingebrochen.
Putzmaterial ist überall verschüttet, Schulinventar ist zerstört und jemand hat Zettel verteilt.
Auf ihnen steht, wir haben Martin Brown ermordet.
Verpisst euch, ihr Bastarde.
Die Polizei wettet das als bösen Scherz und kümmert sich nicht weiter drum.
Neun Wochen später, am 31. Juli an einem heißen Sommerabend, ist die Stadt wieder in Aufruhr.
Der kleine Brian wird vermisst.
Er ist drei Jahre und vier Monate alt.
Seit Stunden suchen ihn die Einwohner der Stadt.
Und überall hört man Polizeisirenen.
Die Nachricht von seinem Tod verbreitet sich wie ein Lauffeuer von Haus zu Haus, von Straße zu Straße.
Die Polizei findet ihn zwischen Betonklötzen, den linken Arm von sich gestreckt und auf seinem Hals sind Druckspuren und Kratzer zu sehen.
Seltsam dabei ist, dass die Spuren nur leicht und recht klein sind.
Seine Genitalien sind teilweise gehäutet und auf seinem Bauch ist ein M und ein N eingekratzt.
Oh Gott.
Sein Körper ist mit Gras und Blumen bedeckt.
Unter keinen Umständen kann das ein Unfall gewesen sein.
Da sind sich die Polizisten sicher.
Neben seinem Körper finden sie außerdem eine kaputte Schere.
Der Kriminalinspektor des Falls, Dobson, notiert in seinem Notizheft, man konnte eine schreckliche Verspieltheit, fast eine Sanftheit spüren.
Die Verspieltheit machte den Anblick nicht beruhigender, sondern erschreckender.
Es war so unverständlich.
Wie konnte so etwas passieren und warum?
Bei den Ermittlern hegt sich schon der Verdacht, dass es sich bei dem Mörder um ein Kind handeln muss.
Den Hinweis, dass sie zwischen Betonklötzen suchen sollen, bekam sie von Bryans Schwester.
Ein kleines Mädchen hatte ihnen gesagt, dass sie Brian genau dort hat spielen sehen.
Und der Name dieses Mädchens ist Mary Bell.
Mary Bell ist kurz nach Martins Tod elf Jahre alt geworden.
Sie hat große, intensiv blaue Augen und eine Stupsnase und kurzes, dunkelbraunes Haar.
Sie spielt oft mit ihrer Freundin Norma Bell, die übrigens nur zufällig den gleichen Nachnamen haben.
Die wohnt zwei Häuser weiter.
Norma ist 13 und einen Kopf größer als Mary.
Trotz des Altersunterschiedes verstehen sich die beiden aber gut.
Und Mary ist für elf nämlich ziemlich pfiffig.
Und sie ist von den beiden die dominantere.
Sie gelten als untrennbar und sehen sich sogar etwas ähnlich, weshalb sie manchmal als Schwestern bezeichnet werden.
Weil die Ermittler sicher sind, dass die Spuren auf Bryans Körper von Kinderhand stammen müssen,
geraten Mary und Norma unter Verdacht.
Am 6. August vernehmen die Ermittler Mary Bell, kommen aber mit dem Verhör nicht weiter.
Auch Norma wird befragt.
Seltsamerweise lächelt sie dabei ständig.
Einen Tag später ist Bryans Beerdigung.
Kriminalinspektor Dobson will dabei sein, um zu sehen, ob sich jemand auffällig verhält.
Als sie Brian gerade aus dem Elternhaus tragen, fällt sein Blick auf Mary Bell.
Die beobachtet, wie der kleine Sarg rausgetragen wird und lacht dabei und reibt sich die Hände.
So ein verrückter Anblick muss das gewesen sein, oder?
Das ist schlimmer als in jedem Film.
Das ist ein Horrorfilm.
Das würde dir jeder aus einem Drehbuch rausstreichen, weil es zu grotesk war.
In dem Moment denkt sich Dobson, nicht eine Sekunde lasse ich sie nochmal aus den Augen.
Ich muss dem jetzt ein Ende bereiten, sonst stirbt bald ein weiteres Kind.
Mary wird erneut befragt.
Sie erkennt jetzt, dass sie unter Verdacht steht.
Diesmal erinnert sie sich nämlich plötzlich, am Todestag von Brian ihn mit einem achtjährigen Jungen aus der Stadt gesehen zu haben,
angeblich geschlagen haben soll.
Schnell finden die Ermittler heraus, dass sich aber genau dieser Junge zu dem Zeitpunkt am Flughafen aufgehalten hat.
Mary Bell berichtet außerdem, dass sie den Jungen mit einer kaputten Schere gesehen hat.
Was Mary nicht weiß ist, dass die Schere ein Beweismittel war, was sie bisher unter Verschluss gehalten hatten.
Sie spricht hier also von einer Information, von der nur die Polizei weiß und natürlich jemand, der am Tatort war.
Später wird bekannt, dass an dem Tag, an dem in den Kindergarten eingebrochen wurde, Mary Bell versucht hatte, die kleine Schwester von Norma zu erwürgen.
Normas Vater erwischte Mary dabei, schlug ihr fest ins Gesicht und schickte sie heim.
Außerdem erzählt June Brown, also die Mutter des ersten Opfers, dass vier Tage nach Martins Tod Mary und Norma bei ihr vor der Tür standen und fragten, ob sie Martin sehen könnten.
Martin ist tot, Mary, hatte sie geantwortet.
Darauf erwiderte Mary, ja, das weiß ich doch, dass er tot ist, und grinst dabei.
Ich wollte ihn in seinem Sarg sehen.
In der Stadt gilt Mary Bell als notorische Lügnerin.
Anderen Kindern gegenüber hatte sie schon erzählt, den kleinen Martin umgebracht zu haben und hatte dabei immer auf das Haus gedeutet, in dem er gefunden wurde.
Glaubt hatte ihr aber niemand.
Weder Mary noch Norma Bell will aber zugeben, dass sie es waren.
Und stattdessen schieben sie sich gegenseitig immer die Schuld hin und her.
Die beiden werden des Mordes an Martin Brown und Brian Howe angeklagt.
Der Gerichtspsychiater beschreibt Mary Bell als intelligent, aber manipulativ und gefährlich.
Norma Bells Version von dem, was geschehen ist, klingt plausibler als Mary's.
Sie erzählt, Mary habe Martin alleine umgebracht und dann vor ihr mit dem Mord geprahlt und ihr den toten Körper gezeigt.
Beim zweiten Mord soll Norma nur zugesehen haben.
Marys absurdes Verhalten nach der Tat wertet das Gericht ebenfalls als Beweismittel dafür, dass Mary die Haupttäterin ist.
Außerdem hatte sie in Notizbüchern Aufzeichnungen zu den Morden eingetragen.
Auch so gemalt.
Auch während des Prozesses benimmt sich Mary seltsam.
Manchmal wird sie aggressiv.
Mary verfolgt den ganzen Prozess wachsam und wirkt interessiert an dem, was gesagt wird.
Norma hingegen kann sich nicht richtig konzentrieren und driftet oft mit den Gedanken ab.
Also sie benimmt sich halt einfach wie ein Kind.
Normas Eltern stehen ihr bei Gericht bei.
Sie umsorgen sie.
Als Außenstehender sieht man sofort, dass keiner in ihrer Familie sie für eine Mörderin hält.
Marys Mutter hingegen benimmt sich alles andere als angemessen.
Sie schimpft oft mit Mary, trägt eine lange blonde Perücke, die ihr ständig vom Kopf rutscht und wendet sich Mary nur zu, wenn sie beobachtet wird.
Für Marys Mutter ist das Ganze ihre Tragödie.
Teilweise stürmt sie während des Prozesses melodramatisch aus dem Gerichtssaal.
Einer Polizistin, die sie bewacht, erzählt Mary,
Ich glaube, das ist alles ein Traum.
Es ist nie passiert.
Ich wünschte, ich könnte in meinem eigenen Bett schlafen.
Glauben Sie, ich bekomme 30 Jahre?
Wenn ich ein Richter wäre und ich hätte ein elfjähriges Mädchen vor mir, das so etwas getan hat, ich würde ihr 18 Monate geben.
Mord ist gar nicht so schlimm.
Wir sterben alle irgendwann.
Mary Bell wird am 13. Dezember 1968 des zweifachen Totschlags von einem Schwurgericht für schuldig befunden und zu lebenslanger Haft verurteilt.
Sie wird nicht wegen Mordes zur Rechenschaft gezogen, weil das Gericht sie für eine Psychopathin und deswegen für vermindert schuldfähig hält.
Norma wird freigesprochen, aber wegen des Einbruchs in den Kindergarten zu drei Jahren Haft auf Bewährung verurteilt und unter psychiatrische Aufsicht gestellt.
Eines kann das Gericht aber nicht klären.
Wie werden zwei kleine Mädchen zur eiskalten Mörderin?
Diese Frage beantwortet Mary Bell selbst, 30 Jahre nach den Morden an Martin Brown und Brian Howe.
Mary Bell ist die älteste von vier Geschwistern.
Als sie geboren wird, ist ihre Mutter Betty 17 Jahre alt.
Acht Monate später wird die schon wieder schwanger, allerdings von einem anderen Mann, der Mary später erzieht.
Sein Geld verdient er mit Klauen.
Als sie Geburtshelfer Mary nach der Geburt in Bettys Arm legen wollen, schreit die, haltet das Ding von mir fern.
In den ersten Jahren wird Mary Bell zweimal wegen einer Vergiftung ins Krankenhaus eingeliefert.
Offenbar hatte ihre Mutter versucht, sie mit Tabletten zu vergiften, von denen sie Mary erzählte, es seien Süßigkeiten.
Als Mary drei Jahre alt ist, rettet ihr ihr Onkel in letzter Sekunde das Leben.
Ihre Mutter war gerade dabei, sie aus dem Fenster zu werfen.
Oh Gott.
Es ist ja noch schlimmer, als Robert und John behandelt wurden.
Pass auf.
Mindestens zweimal hatte Betty Mary einfach an wildfremde Frauen auf der Straße verschenkt.
Ihre kleine Schwester hatte Mary dann zurückgeholt.
Ihrer Familie erzählte Betty in der Zwischenzeit, dass ihre älteste Tochter verstorben sei.
Mary wird fast jeden Tag von ihrer Mutter verprügelt.
Die Verwandten haben später übrigens behauptet, die Mutter hätte dieses Münchhausen-Stellvertreter-Syndrom.
Dass sie immer Aufmerksamkeit will.
Deswegen hatte sie auch schon gesagt, Mary ist verstorben.
Musste das dann aber nachher natürlich wieder dann erklären, warum sie doch wieder da ist.
Mary wird fast jeden Tag von ihrer Mutter verprügelt.
Ihre Familie ist ständig im Streit mit der Polizei.
Mary schläft nur auf einer durchgelegenen Matratze ohne Laken.
Sie nest fast jede Nacht ein und wenn ihre Mutter sie dabei erwischt, reibt sie Marys Gesicht in ihren Urin
und stellt die nasse Matratze so vor die Haustür,
dass jeder in der Nachbarschaft sehen kann, was sie gemacht hat.
Schön.
Im Alter von zwei Jahren ist Mary Bell bereits auffällig aggressiv und emotionslos.
Kannst du mit zwei Jahren emotionslos sein, weil du schon so viel erlebt hast? Wahnsinn.
Betty verdient ihr Geld irgendwann mit Prostitution.
Die Freier kommen zu ihr nach Hause.
Betty zwingt Mary unter anderem zum Oralsex mit ihnen.
Laut Mary selbst wird sie im Alter von fünf bis acht Jahren von den Freiern sexuell missbraucht.
Ebenfalls mit fünf Jahren sieht Mary, wie ihre Freundin von einem Bus überfahren wird.
Danach knüpft sie keine Freundschaften mehr eigentlich, also zumindest nicht im Kindergarten.
Und genau da wird sie das erste Mal dabei erwischt, wie sie ein anderes Kind wirkt.
Bei dem, was sie da vorher erlebt hat, kann man sich ja ungefähr vorstellen, woher sie diese Art von Gewalt hat.
Als Mary dann ihre Haftstrafe später im Gefängnis absitzt, besucht ihre Mutter sie.
Aber jedes Mal danach wirkt Mary verstört und aggressiv.
Marys betreuender Arzt möchte eigentlich nicht, dass diese Besuche weiter stattfinden.
Aber eine Mutter von ihrem Kind fernzuhalten war in der Zeit nicht denkbar.
Unsere Zuhörer wollen ja immer wissen, was passiert in einem Leben, dass man zum Mörder wird.
Marys Vergangenheit ist jetzt sicherlich keine Entschuldigung für das, was passiert ist.
Aber es ist ja vorhersehbar, dass dieses Mädchen keinen normalen Platz in der Gesellschaft finden wird.
Ja, oder zumindest vermindert schuldfähig ist, weil sie nie irgendwie gelernt hat, wie man sich überhaupt verhält.
Woher sollte sie wissen, was Recht und was Unrecht ist, wenn ihr die Mutter schon von Anfang an nur Gewalt gegen sie ausübt und sogar an Freier verkauft sozusagen.
Mary Bell wird mit 23 Jahren aus der Haft entlassen.
Zwölf Jahre hat sie also sitzen müssen und sie lebt unter anderem nahm.
1984 heiratet sie und bekommt eine Tochter.
Ihr Bewährungshelfer beschreibt sie als sehr, sehr liebende Mutter, die immer für ihr Kind da ist.
1988 lässt sich Mary scheiden, findet aber schon bald einen anderen Mann, mit dem sie glücklich ist.
Mary, der neue Mann und ihre Tochter leben in einem kleinen Dorf im Nordosten Englands.
Als die Nachbarn aber erfahren, mit wem sie da Tür an Tür wohnen, sammeln sie Unterschriften und marschieren mit Plakaten durch das Dorf, auf denen Mörder raussteht.
Also auch so eine Hetzjagd.
Marys Zuhause wird von Reportern belagert.
Sie und ihre Tochter müssen unter Schutz der Polizei mit Laken über dem Kopf um vier Uhr nachts das Haus verlassen.
Ihre Tochter wusste bis zu diesem Zeitpunkt nichts von der Vergangenheit ihrer Mutter.
Wie krass ist das?
Bitte stell dir mal vor, du würdest das herausfinden.
Und wenn die Mutter wirklich so liebend war, wie der Bewährungshelfer gesagt hat, dann fällt ja für dich auch alles außereinander.
Du glaubst das ja im ersten Moment auch gar nicht.
Stell dir mal vor, man sagt dir, du Mama hat mal zwei Kinder getötet.
Also eigentlich war die Anonymität ihrer Tochter bis zum Erreichen des 18. Lebensjahres geschützt.
2003 aber gewinnt Maribel einen Gerichtsprozess, in dem es um die Zusicherung ihrer eigenen und der Anonymität der Tochter auf Lebenszeit geht.
Was ich völlig okay finde, was hat die Tochter damit zu tun?
Ja, total.
Und seitdem gibt es in England nämlich die Mary-Bell-Order, einen Gerichtsbeschluss zum dauerhaften Schutz der Identitäten von Kindern und deren Vormündern, die an Gerichtsverfahren beteiligt sind.
Deswegen war das bei mir auch so am Anfang, dass sie nur Child A und Child B genannt wurden.
Aber es war dann so und während des ganzen Prozesses wurde nie der Name, also die Namen wurden nie rausgegeben und die Newspaper und so weiter haben auch immer nur das A und B geschrieben.
Aber bei der Urteilsverkündung hat der Richter das entschieden, diese Namen zu nennen.
Das wurde danach dann auch kritisiert und so weiter.
Aber dann hat er sozusagen im selben Atemzug eben gesagt, ab jetzt darf nichts über die Kinder und deren weiteren Verbleib an die Öffentlichkeit auf keinen Fall.
Und dann, als sie herausgekommen sind, haben sie ja neue Identitäten bekommen.
Bei Mary-Bell ging es ja hauptsächlich um ihre Tochter, weil die ja gar nichts damit zu tun hatte.
Aber es ging ja nicht hier darum, die Identität der Täterin zu schützen, sondern der Tochter der Täterin, die ja ein eigenes Leben verdient hat und nichts dafür kann, was ihre Mutter irgendwann mal gemacht hat.
Total. Und ich muss ja auch sagen, dass es ja, wenn jetzt nicht noch irgendwas Schlimmes kommt, was du mir jetzt erzählen willst, dann total schön ist, dass sie es geschafft hat, ein Kind zu bekommen und auch eine gute Mutter zu sein, ihrem Kind.
Und das halt schützen wollte und so weiter. Und das wundert mich halt total, weil ich eher davon ausgehen würde, dass man nicht geheilt in Anführungszeichen werden kann von dem, was Mary-Bell zugestoßen ist als Kind.
Und dass sie nie Emotionen hatte und so weiter, dass sie sich davon erholt hat, vielleicht, weil sie noch so jung war und dass es halt total schön ist und dass das ein Beispiel dafür ist, dass sich Menschen doch ändern können, dass sich Täter ändern können.
Und in meinem Fall, Robert Thompson hat sich nie wieder was zu Schulden kommen lassen.
Bei Mary-Bell hatte das viel mit der Mutter zu tun, mit der sie dann ja nicht mehr so richtig Kontakt hatte. Da komme ich aber gleich nochmal zu.
Ja, und dann war es ja auch quasi jetzt bei dir so, wie in dem Fall, in dem Buch, wenn Kinder töten, dass es halt so ist, Kinder, die eine gestörte Beziehung zur Mutter haben.
Ja, total.
Und das hatten jetzt alle drei.
Woher sollen die Kinder das auch sonst haben? Also entweder ist irgendetwas im Kopf dann nicht in Ordnung, irgendein gesundheitlicher Defekt oder es muss halt in der Erziehung sein.
Also ich glaube ja eh daran, dass niemand von Grund auf böse geboren wird. Also dann stimmt halt einfach mit dir irgendetwas nicht, ja?
Ja.
Okay, der damalige Innenminister Jack Storr ist der Meinung, dass Mary-Bell selbst schuld an der Veröffentlichung ihrer Identität sei.
Denn in dem Jahr, in dem ihre Identität bekannt wird, 30 Jahre nach den Morden, spricht sie das erste Mal über die Umstände, die sie geprägt haben.
Ihre Geschichte erzählt sie der Autorin Gitta Sereny, die sich mit der moralischen Frage auseinandersetzt, wie man das Böse erklären kann.
In Zusammenarbeit mit Mary schreibt sie das Buch Cries on Hurt, was ich auch zur Vorbereitung gelesen habe.
Und öffnen kann sich Mary erst, nachdem ihre Mutter verstorben ist.
Das sagt ja einiges dann.
Sereny hatte bereits 1972 ein Buch über Marys Fall geschrieben, das Betty Bell gehasst hat.
Denn schon da hatte sich Sereny mit Marys Kindheit auseinandergesetzt.
Die Autorin war auch in den Gerichtsprozessen mit dabei.
Und hatte halt eben sehr viel davon beobachtet, deswegen hat sie sich so damit beschäftigt.
Betty sagte damals, die Autorin würde Lügen über die Familie verbreiten und drehte in jedem Buchladen der Stadt die Bücher so um,
dass man den Namen ihrer Tochter nicht so groß auf dem Cover sehen konnte.
Das Buch gefiel Betty nicht.
Aber Betty hatte natürlich kein Problem damit, Marys Geschichte, als die im Gefängnis saß, an verschiedene Boulevardzeitungen zu verkaufen.
Außerdem wollte sie, dass ihre Tochter Briefe und Gedichte schreibt, die sie ebenfalls verkaufen wollte.
Betty war der Meinung, dass die ganze Welt sehen sollte, wie sehr sie darunter leidet, dass ihre Tochter eine Mörderin ist.
So klagte sie, Jesus wurde nur ans Kreuz genagelt.
Ich wurde dran gehämmert.
Oh Gott.
In Christ Unheard erzählt Mary auch das erste Mal über den sexuellen Missbrauch.
Das ist aber übrigens das Einzige, was Familienangehörige von Mary Bell nicht bestätigen.
Aber zugesehen hat dabei ja auch keiner.
Ich will nur sagen, wie die Mutter war und diese ganzen Sachen mit weggeschenkt und so.
Das wurde alles später bestätigt von Familienangehörigen, die das halt mitbekommen haben.
Mary erklärt in dem Buch, dass sie als Kind die Vorstellung vom Tod irgendwie unwirklich und unverständlich fand.
Das Buch sorgt aber nicht nur wegen seiner kontroversen Inhalte für Diskussionen.
Mary Bell bekommt für ihr Mitwirken an dem Buch nämlich anteilig ein Honorar.
Das wird von der Boulevardpresse auf das Schärfste kritisiert.
Von genau denen, die Mary Bell selbst ein hohes Honorar für Exklusivinterviews angeboten haben, so Serenny.
Die Regierung versuchte damals, die Veröffentlichung zu verhindern, mit der Begründung, dass Verbrecher nicht von ihren schlimmen Taten profitieren sollen.
Und in Folge 8 hatten wir ja schon mal von Tätern berichtet, die ihre Straftaten dann später vermarktet haben.
Und damit sowas in Deutschland nicht mehr passiert, wurde, darauf hat uns unser Zuhörer Nick aufmerksam gemacht,
1999 ein Gesetz erlassen, das dafür sorgen soll, dass Täter keinen Profit aus ihren Taten schlagen dürfen.
Durch das Opferanspruchssicherungsgesetz haben die Opfer von Straftaten einen Zuspruch auf die Zahlung der Presse oder Dritter an den Täter,
wenn der durch die Vermarktung seiner Story Geld bekommt.
Das klingt erstmal fair, das Gesetz gilt aber nicht, wenn zwischen der Tat und der Veröffentlichung mehr als fünf Jahre liegen.
Quatsch, ne?
Ja.
Trotz der Kritik an dem Buch dient es heute vielen Spezialisten, die mit traumatisierten Kindern arbeiten, als Standardwerk.
Weil Mary Bell ein anderer Mensch geworden zu sein scheint, ist Gitta Sereny der Ansicht, dass sie so eine Art moralisches Erwachen gehabt haben muss.
Und auch June Brown, also die Mutter des ersten Opfers, war bis zur Veröffentlichung des Buches der Meinung, dass es die Mary Bell von damals nicht mehr gibt.
Für mich ist Mary Bell gestorben, als sie aus dem Gefängnis kam und eine neue Identität annahm.
Ich habe gelernt, sie nicht mehr zu hassen, weil sie gestorben und jemand anderes geworden ist.
Jetzt aber hat Gitta Sereny sie ausgegraben.
Warum?
Als im Jahr 2009 bekannt wird, dass Mary Bell Oma geworden ist, sagt June,
Ja, man kann die eben auch sehr gut verstehen, die Opfer.
Jetzt geht es nur noch um Mary und Mary kriegt ein 400 Seiten langes Buch gewidmet.
Und ich glaube auch, dass es tatsächlich für die Opferfamilien schwierig ist, wenn so lange Zeit vergeht, 30 Jahre, und du hast vielleicht irgendwie gelernt, mit diesem Schmerz zu leben.
Und dann wird es halt tatsächlich alles wieder ausgebildet.
Ich finde, es ist schwierig.
Ich verstehe die Opferseite.
Ich finde es aber auch gleichzeitig wichtig, dass solche Bücher geschrieben werden, weil man auch daraus lernt.
Deswegen dient das ja auch heute als Standardwerk.
Ja, was sind Anzeichen dafür?
Die Täter können ja am besten selbst beschreiben, warum sie zu dem geworden sind, was sie sind.
Genau, und dass der Fall überhaupt als Beispiel dargestellt wird, dass man sich eben verbessern kann.
Dass Kinder, dass man darüber nachdenken sollte, wie lange man Kinder wirklich hinter Gittern steckt, weil sie sich noch ändern können.
Und deswegen sind ja auch die Jugendstrafanstalten in Deutschland so wichtig, dass man sich da um die Jugendlichen kümmert.
Darüber haben wir ja schon geredet, weil die kann man noch ändern, die können sich noch ändern.
Mary Bell war übrigens zeitweise auch in so einer Art Internat, wo sie dann das erste Mal so eine richtige Vaterfigur hatte, dieser Internatsleiter.
Und da ist die total aufgeblüht.
Und da musste sie aber nachher weg und in so ein Frauengefängnis.
Und dann wurde sie wieder so ein bisschen verhaltensauffällig.
Hm, daran sieht man das ja.
Mein Aha.
Was mich so ein bisschen umgetrieben hat, ist die Rolle, die Mary Bells Auftreten vor Gericht gespielt hat.
Mary Bell hatte sich ja im Gegensatz zu Norma für ein Kind recht seltsam verhalten.
Wie Mary selbst gesagt hatte, hatte sie eigentlich nur versucht, den Anweisungen von Betreuern und Anwälten zu folgen.
Ich habe mich gefragt, wie wichtig ist das Auftreten eines Angeklagten vor Gericht.
Und das ist umso wichtiger, wenn eine Jury anwesend ist.
Denn eine Jury ist eher als ein Richter dazu geneigt, sich vom ersten Eindruck emotional leiten zu lassen.
Und der wird natürlich von dem beeinflusst, was man sehen kann.
Was ich paradox finde, denn die Justitia, also die Göttin der Gerechtigkeit, die man auch in vielen Gerichten sehen kann, trägt in der linken Hand eine Waage, in der rechten das Richtschwert.
Und sie trägt meistens eine Augenbinde, was eigentlich ein Symbol für die Unparteilichkeit, also für das Richten ohne Ansehen einer Person sein sollte.
Trotzdem hat die Jury Augen und die wird sie auch benutzen, um den Angeklagten zu bewerten.
Die Geschworenen werden von den kleinsten Dingen beeinflusst.
Und wie wir auch im Fall von Mary Bell gesehen haben, nicht nur das Auftreten des Angeklagten wirkt auf sie, sondern auch das des Anwalts oder der Zeugen.
Ein schlampig gekleideter, fluchender und desinteressierter Angeklagter kann nicht auf Sympathien hoffen.
Und so gibt es Gerichtsberater, die sich auf das Auftreten vor Gericht spezialisiert haben.
1993 beschäftigte sich ein Artikel in der LA Times mit dem Auftreten vor Gericht von Amy Fischer.
Die wurde als Long Island Lolita bekannt, als sie im Alter von 17 Jahren der Frau ihres Geliebten in den Kopf schoss.
Vor Gericht, achso, die hat aber überlebt, die Frau.
Oh, wow.
Ja, total, total absurd.
Vor Gericht trug sie einen grünen Oversize-Pulli und ihre langen, fizzeligen Haare hingen ihr ins Gesicht.
Falsch, falsch, falsch, sagen Experten zu diesem Erscheinungsbild.
Man hätte sie lieber in ein Schulmädchenkleid stecken, ihr das Haar mit einer Schleife zusammenbinden und sie ungeschminkt auf die Anklagebank setzen sollen, sagt ein Prozessberater.
Lass sie so jung und unschuldig wie möglich aussehen.
Eine Studie der Cornell University hat außerdem ergeben, dass Menschen, die allgemein als attraktiver gelten als andere, im Durchschnitt ein weniger hohes Strafmaß bekommen.
Das kann ich mir vorstellen.
Also was das Äußere angeht, wird Mary Bell sicherlich nicht im Nachteil gewesen sein, weil wer sieht unschuldiger aus als ein elfjähriges Mädchen?
Und die sah wirklich süß aus.
Ja, wirklich süß.
Aber wenn ein Kind eben halt völlig empathielos und kalt wirkt, dann hilft das ihr eben auch nicht weiter.
Und ich denke auch, dass sie die richtige Entscheidung getroffen haben, Mary Bell damals so lange Zeit wegzusperren.
Seltsam, dass wir uns beide jetzt so Kindermörder rausgesucht haben.
Finde ich aber echt spannend, die Thematik.
Weil es ist so unschuldig, ja.
Auf einmal werden unschuldige Kinder zu solchen Monstern.
Ich gucke ja keine Horrorfilme.
Aber wenn man welche sieht, dann finde ich immer am schlimmsten, wenn Kinder so als Stilmittel gebraucht werden,
Weil sie eben eigentlich ja das komplette Gegenteil vom Böse sind.
Sie sind unschuldig.
Sie sind die pure Reinheit.
Und die dann immer mit diesen Bösen zusammenzubringen, das finde ich halt richtig fies.
Und umso fieser ist es halt eben auch in der Realität.
Da die Folge heute ja ein Englandsspezial ist, müssen wir uns natürlich auch mit dem britischen Rechtssystem befassen
und wollen euch das kurz vorstellen.
Denn das regelt sich anders als das Deutsche.
Denn es stützt sich nicht nur auf Gesetze, wie das Civil Law,
sondern auch auf maßgebliche richterliche Urteile der Vergangenheit.
Das Ganze nennt sich dann Common Law und bezeichnet das Gewohnheitsrecht.
Gewohnheitsrecht entsteht also durch die wiederholte Anwendung von Rechtsvorstellungen oder Regeln,
die als verbindlich akzeptiert wurden.
Sogenannte Präzedenzfälle.
Ein Präzedenzfall ist ein Fall, dessen Entscheidung sich zum Maßstab anderer Fälle entwickelt hat,
die so ähnlich sind.
Um euch ein Beispiel zu geben, stelle ich euch den Fall Schnecke in der Flasche vor,
den alle britischen Jurastudenten kennen müssen.
Am Abend des 26. August 1928 wird May Donahue von einem Bekannten in einem Lokal in Schottland
zu einer Flasche Ginger Beer eingeladen.
Da die Flasche selbst undurchsichtig ist, bemerkt sie erst, nachdem sie die Hälfte getrunken hat,
dass sich darin eine bereits verwesende Schnecke befindet.
Nach diesem Pappbesuch erkrankt May an einer Magen-Darm-Entzündung.
Sie ist sich zumindest sicher, dass ihre Krankheit mit der Schnecke zusammenhängt
und wendet sich an einen Anwalt.
Mithilfe des Anwalts verklagt sie den Gingerbier-Fabrikanten.
Bis dato konnten Schadensersatzklagen nur bei Vertragspartnern auftreten.
May hatte aber ja erstens keinen Kaufvertrag mit dem Pappbesitzer gemacht,
da er ihr Freund die Flasche gezahlt hatte.
Und einen Vertrag mit dem Gingerbier-Produzenten hatte sie ja erst recht nicht.
Der Anwalt von May sprach von einer Verletzung der Sorgfaltspflicht des Gingerbier-Herstellers,
der sich ja darum hätte kümmern müssen, dass keine Schnecke in die Flasche geraten.
Ja.
Der Richter, ein Herr Lord Atkins, gab der Klägerin recht
und setzte mit diesem Urteilsspruch neue Maßstäbe.
Seitdem besteht nämlich in England eine Sorgfaltspflicht gegenüber jedem,
dessen Schädigung durch das eigene Verhalten vorhersehbar ist.
Dadurch, dass es seit dem Fall nicht mehr auf den Vertrag,
sondern auf die Vorhersehbarkeit des Schadens ankommt,
wurde der kreis der haftenden Personen natürlich extrem ausgeweitet.
Ähnliche Fälle wurden danach also immer im Hinblick auf den Schnecke-in-der-Flasche-Fall entschieden.
Dass manch ein Kläger und dessen Anwalt dies ausnutzen, ist allen klar,
nachdem eine Frau, die sich an einem McDonalds-Kaffee verbrannt hat,
mehr als eine halbe Million Dollar bekommen hat.
Und jetzt müssen sie immer raufschreiben, Vorsicht heiß.
Genau.
Aber ich habe ja noch was Kleines für dich.
Ich möchte jetzt bitte keine Flasche mit einer Schnecke bekommen.
Ich habe mich vorhin schon gewundert, warum du den Kühlschrank nur so halb aufgemacht hast.
Was ist das?
Eine Flasche Gingerbier.
Ohne Schnecke?
Weiß nicht, sie ist ja undurchsichtig.
Ihhh, das will ich nicht trinken.
Dankeschön.
Das war so eine Art Gingerbier.
Genau.
Apropos Schnecken und gar nicht so witzig.
Ich habe in der englischen Presse gelesen, dass ein Australier gestorben ist, nachdem er eine Nacktschnecke gegessen hatte.
Und zwar war er als 19-Jähriger auf einer Geburtstagsparty gewesen, auf der er mit seinen Freunden Wahrheit oder Pflicht gespielt hatte.
Nein.
Und zwar Pflicht war dann eben für ihn eine Nacktschnecke aus dem Garten zu essen.
Daraufhin hat er eine Hirnhautentzündung bekommen, lag im Koma und war danach auf Pflege angewiesen.
Und jetzt, also irgendwie vor zwei Wochen, ist er nach acht Jahren gestorben.
Nur wegen so einer blöden Idee.
Stell dir das mal vor, du hast deinem Freund gesagt, hier, haha, lustig, einmal die Schnecke bitte essen.
Und dann war er ab da behindert.
Und davor war er wirklich so ein super Typ, der ein super Sportler war und total beliebt auf der Uni und alles.
Was ist mit den Schnecken? Die Franzosen müssen ja ständig in Lebensgefahr schweben.
Nein.
Die Nacktschnecken essen den Kot von Ratten und dadurch sind da dann irgendwie Parasiten drin.
Ah.
Also, liebe Hörer, bitte nicht auf die Idee kommen, Schnecken zu essen und auch euren Kindern bitte sagen, auf keinen Fall Nacktschnecken essen.
Ich glaube, unsere Hörer mampfen lieber was an.
Was ich aber noch sagen muss, damit das hier nicht falsch verstanden wird, auch in England gibt es natürlich geschriebene Gesetze und es werden auch immer mehr.
Und es ist heute auch möglich, von einer bisher etablierten Bewertung, also einem Präzedenzfall, abzuweichen.
Aber das Heranziehen bisheriger Urteile in ähnlichen Fällen ist maßgeblich für die Arbeit eines Gerichts.
Bei den beiden Rechtssystemen, also beim Common Law und beim Civil Law, gibt es übrigens ganz unterschiedliche Auffassungen davon, wie viel Einfluss ein Staat auf die Rechtsordnung haben sollte.
Im Civil Law, also dem System, was wir auch in Deutschland haben, soll der Staat einen aktiven Part einnehmen.
In England hingegen soll er nicht unbedingt übergeordnet sein bei der Rechtsprechung.
Menschen sollen über Menschen richten und nicht der Staat über Menschen.
Und während in Deutschland vom Allgemeinen auf die Fälle geschlossen wird, schließt man in England halt eben von Fall auf Fall.
Ja, und nicht nur das System unterscheidet sich von dem in Deutschland, auch die einzelnen Gesetze und richterlichen Entscheidungen sind oft anders.
In Bezug auf meinen Fall wären John und Robert, wären sie Deutsche gewesen, auf jeden Fall ganz anders behandelt worden.
Zwar sind Menschen sowohl in Deutschland als auch in Großbritannien erst juristisch gesehen schuldfähig,
wenn sie die Fähigkeit haben, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln.
Das können Menschen in Deutschland aber erst ab 14 Jahren, somit hätten John und Robert nicht verurteilt werden können.
Vermutlich wären sie trotzdem in eine psychiatrische Anstalt gekommen, sie wären aber nicht rechtlich belangt worden.
In England eben schon, denn da beginnt die Strafmündigkeit mit der Vollendung des 10. Lebensjahres.
Das Einsetzen der Strafmündigkeit ist international übrigens sehr unterschiedlich festgelegt.
In vielen mittel- und westeuropäischen Staaten kann ein Kind erst mit 14 bestraft werden.
In Israel übrigens ist erst vor ein paar Jahren das Alter auf 12 gesenkt worden.
Und in den USA kann ein Kind in einem Bundesstaat erst ab 12 belangt, in dem daneben aber schon mit 6 Jahren verurteilt werden.
Die Staatsanwaltschaft muss in jedem Fall und in jedem Land herausfinden, ob die Kinder fähig sind, Recht und Unrecht voneinander zu unterscheiden.
Und was würdest du sagen, ab wann können Kinder Recht von Unrecht unterscheiden?
Ich habe absolut keine Ahnung.
Also ich würde sagen, ich konnte Recht von Unrecht erst mit 25 Jahren unterscheiden.
Also nein, natürlich nicht, aber ich finde es aber auch echt unrichtig, wenn ein 13-Jähriger was richtig Fieses macht, anderen Menschen wehtut und du kannst den nachher nicht dafür belangen.
Also 12 finde ich schon okay, glaube ich.
Im Fall von Robert und John waren sich die Ermittler relativ schnell sicher, dass die beiden wussten, dass es Unrecht war, den Jungen zu entführen und zu töten.
Denn beide hatten ja anfangs gelogen, die Schuld dem anderen in die Schuhe schieben wollen und ja ganz klar vorsätzlich gehandelt.
Sie hatten ja eine Absicht, als sie die Maul nach den Kindern absuchten.
Auch der Fakt, dass sie James noch auf die Gleise geschliffen hatten, zeigte den Ermittlern ja, dass die beiden ihre Tat verheimlichen wollten.
So was tut man ja nur, wenn man weiß, dass etwas falsch war.
Deshalb würde ich, da ich jetzt auch keine anderen vergleichbaren Fälle kenne, auch sagen, dass Kinder mit zehn Jahren schon entscheiden können, was Recht und was Unrecht ist.
Aber das muss halt in einem Verfahren, das gerecht ist, das objektiv ist und das nicht ist wie bei John und Robert, wo die Kinder gar keine Ahnung hatten, entschieden werden.
Und dann, ja.
Du kannst ja die Person dann auch immer noch als vermindert schuldfähig einstufen, das geht ja schon, aber du sollst sie schon rechtlich dafür belangen können, ja.
Und deswegen finde ich, dass, wenn in Deutschland ein Kind erst mit 14 belangt werden kann, das ein bisschen lasch irgendwie.
Ich meine, wenn ich überlege, was ich mit 14 schon alles gemacht habe, da ist man ja schon halb erwachsen irgendwie.
Du bist kein Kind mehr, solltest du zumindest nicht sein.
Bei Strafverfahren entscheidet in England übrigens meist eine Jury über die Schuldfrage.
Also ob der Angeklagte schuldig, unschuldig oder unschuldig der Anklage, aber schuldig eines weniger schwerwiegenden Verbrechens ist.
Also beispielsweise können sie sagen, wir, die Jury, sprechen den Angeklagten des Mordes unschuldig, aber des Totschlags schuldig.
In England müssen sich übrigens nur 10 von 12 Geschworene über das Urteil einig sein.
Das ist ja in den USA anders, da muss es einstimmig sein.
Über das Strafmaß entscheidet die Jury hier aber nicht.
Sie kann höchstens eine Empfehlung aussprechen, den Angeklagten wegen spezieller Umstände entsprechend nachsichtig zu behandeln.
Der Richter muss das aber nicht berücksichtigen, wird es aber in den meisten Fällen tun.
Wie finden wir das eigentlich, Jury-System?
Ich wusste nicht, dass das so ist, dass da nicht einstimmig entschieden werden muss.
Das finde ich ja schon mal sehr gut, weil in Amerika, das funktioniert einfach nicht.
Weil so ganz oft, das sind ja ganz normale Menschen, die das sind und die haben auch keinen Bock, so viel Zeit da rein zu investieren
und sich dann die ganze Zeit zu streiten, weil der eine der Meinung ist, die Person ist unschuldig
und der andere eben, die ist schuldig und dann haben die einfach keinen Bock darüber, so lange zu diskutieren.
Ja, nur ganz kurz dazu.
Das ist übrigens ja auch ein ganz großer Kritikpunkt, weil sich somit meistens die Zeit bis zur Verurteilung ewig streckt
und das ganze Verfahren damit natürlich auch viel teurer wird.
Ja, das stimmt. Und ich finde den Ansatz eigentlich gut, dass Menschen über Menschen entscheiden sollten und nicht der Staat über Menschen.
Aber wir wissen alle, wie Menschen sind und sie sind sehr emotional und lassen sich schnell beeinflussen, wie du auch schon gesagt hast, mit der Attraktivität zum Beispiel.
Und deswegen finde ich es eigentlich besser, wenn es jemand macht, der sich wirklich damit auskennt.
Und der eben auch nicht so empfänglich ist für Eindrücke, so wie es ganz normale Menschen sind.
Ich finde es zu unberechenbar und ich glaube, dass für diese Leute der emotionale Druck viel zu groß ist.
Die müssen auf einmal über ein Menschenleben entscheiden. Ich finde es nicht so gut.
Und ich finde auch, dadurch, durch dieses Jury-System ist es halt viel krasser, auch zum Beispiel in Amerika, dass die Verteidigung und dass die Staatsanwaltschaft Geschichten erzählen.
Um die zu beeinflussen.
Um die total zu beeinflussen. Und da stehen dann Strafverteidiger, so richtige Starverteidiger, ja, die wissen ganz genau, was sie machen sollen, um die Jury zu überzeugen.
Die machen dann Kassballe-Theater draus.
Genau, das ist gefährlich, ja.
Das Jury-System bietet eben, weil es auch so unvorhersehbar ist, viel Stoff für Filme, in denen eben alles versucht wird, um die Geschworenen zu überzeugen.
Wie zum Beispiel bei der Jury, das Urteil oder einer meiner Lieblingsfilme, Eine Frage der Ehre.
Kennst du den?
Da geht es um eine Strafaktion, ein Code Red, den zwei Marines bei einem Kollegen ausgeführt haben.
Und dabei ist dann halt jemand gestorben.
Und das haben sie nur gemacht auf Anweisung eines oberen Befehlshabers.
Und um das Gericht zu beeindrucken, wählt der Ankläger vor einem Zeugen, der ebenfalls bei der Marine ist, mit Regelbüchern rum.
So nach dem Motto, nun zeigen Sie mir doch mal, wo das drinstehen soll mit dem Code Red.
Sie wollen mir doch nicht erzählen, dass so eine wichtige Anweisung, die ich als Marine befolgen muss, nirgends festgehalten wird.
Da sie dann aber wirklich nicht in dem Buch stehen, beendet er sein Verhör und schon hat er Eindruck bei der Jury hinterlassen, die sich dann ja denkt, wenn das nirgendwo drinsteht, dann kann das unmöglich Vorschrift sein.
Aber dann kommt Tom Cruise.
Oh Gott.
Und reißt dem Gegenanwalt, als der gerade gehen will, das Buch aus der Hand und bittet genau den gleichen Zeugen, die Seite aufzuschlagen, wo geschrieben steht, wo sich die Mensa befindet.
Hm.
Und das steht natürlich auch nicht im Buch geschrieben.
Sie wollen mir doch nicht erzählen, dass Sie in der ganzen Zeit im Dienst keine einzige Mahlzeit hatten.
Doch, drei am Tag.
Ich verstehe nicht.
Also wenn das nicht im Buch drinsteht, woher wissen Sie dann, wo die Mensa ist?
Na, ich bin der Herde gefolgt.
Und weil die Geschworenen eben keine Juristen sind, ist es so wichtig, ihnen anschaulich und leicht verständlich Dinge zu zeigen, die Eindruck hinterlassen.
Und so war es eben ein einfacher Handschuh-Trick, der damals dazu beigetragen hat, dass O.J. Simpson freigesprochen wurde.
Vor Gericht zieht er sich ja die Handschuhe über, die nachweislich der Mörder getragen hatte und dreht sich zur Jury um und sagt, der Handschuh passt einfach nicht, er ist viel zu klein.
Was ja nicht, also man sieht einfach, dass es auch gespielt ist und er hatte halt noch diese Gummihandschuhe da drunter.
Naja, und beim Schlussplädoyer sagt O.J.'s Verteidiger dann ja auch noch, if it doesn't fit, you must acquit.
Und das bleibt dann bei der Jury hängen.
Du musst es so einfach wie möglich für die machen und dann ist es aber manchmal nicht die ganze Wahrheit und dann wissen sie nicht alles.
Kommen wir zum Schackendorff-Fall.
Wir erinnern uns, Volker L. ist ja wegen Mordes an seiner Frau Nadine angeklagt.
Er beteuert seine Unschuld und jetzt wird eben im Indizienprozess entschieden, ob er der Täter ist oder nicht.
Am dritten Prozestag, der war übrigens am 15. November, wurden insgesamt fünf Zeugen gehört, darunter auch die Mutter der Getöteten.
Sie erzählt, dass Nadine Volker kennenlernte, als der noch verheiratet war und dass Nadine dann sogar bei dem Ehepaar einzog und mit ihnen in einer Dreiecksbeziehung lebte.
Die Ehefrau ist dann später mit dem gemeinsamen Kind, also Volker hat auch ein Kind mit dieser Frau, ins Frauenhaus gezogen und Volker und Nadine haben dann geheiratet.
Frauenhaus?
Was mich wundert, weil ein Frauenhaus ist ja eigentlich eine soziale Einrichtung, wo in der Regel Frauen und Kinder unterkommen, die physisch oder psychisch misshandelt wurden.
Naja, die Zeugin meint auf jeden Fall, dass sie Volker als, Zitat, eigentlich ganz netten Mann kennengelernt hat.
Zwei Monate vor Nadines Tod erzählte Nadine ihrer Mutter aber dann, dass es nur noch Streit gäbe.
Volker L. fand wohl, dass Nadine zu viel arbeitet, zu viel Sport macht und eben nie zu Hause ist.
Und damit sie zu Hause bleibt, habe er ihr sogar einmal ein Medikament ins Getränk gemischt, damit sie einen Kreislaufkollups bekommt.
Also das hat Nadine ihrer Mutter so erzählt.
In der Tatnacht hatte die Zeugin Volker L. um halb sechs in der Früh angerufen und gefragt, ob Nadine schon wieder aufgetaucht sei.
Und Volker L. meinte daraufhin dann, dass er noch auf der Suche ist.
Und dabei hat er wohl extrem geröchelt, Zitat, als hätte er irgendetwas Schweres gemacht, so die Schwiegermutter.
Außerdem sei Volker L. oft eifersüchtig gewesen, vor allem auf Nadines Sporttrainer, das hatten wir ja schon mal gehört.
Das bestätigte dann auch die Schwester des Opfers, die auch an dem Tag als Zeugin auftrat.
Neben den beiden Familienmitgliedern wurden noch die Ex-Frau, ein Familienfreund und eine Frau verhört, die im selben Hotel Urlaub gemacht hatte wie das Paar.
Volker L.'s Verteidiger Jonas Hennig hatte alle Zeugen gefragt, ob es irgendwann einmal zur körperlichen Gewalt oder Anruhung von Gewalt gekommen sei.
Und das wurde von allen verneint.
Die Mutter von Nadine hatte aber erzählt, dass Volker auf Anregung ihrer Tochter ein Anti-Aggressionstraining mitgemacht habe.
Außerdem ging es wieder um das Sexleben der beiden.
Nadine L. hat ihrer Mutter wohl erzählt, dass ihr Mann bei SM-Spielen immer den devoten Part einnehme.
Ja, das ist auch was, was man gut mit seinen Eltern bereden kann.
Typisches Mama-Kind-Gespräch.
Ist klar.
Ja, und der Freund des Paares, der als letztes dran war, war die erste Person, die durchweg positiv über den Angeklagten gesprochen hat.
Und der Meinung ist, dass Volker L. nicht der Täter ist.
Drei Zeugen mussten übrigens wieder nach Hause geschickt werden.
Die werden dann wohl am nächsten Prozesstag vernommen.
Ich hoffe so sehr, dass beim nächsten Prozesstag jetzt endlich mal der Zeuge vernommen wird, der mit Volker L. zusammen diese Leiche gefunden hat.
Denn das finde ich ja besonders spannend.
Voll.
Der war eigentlich ja schon für den ersten Prozesstag angesetzt, aber wurde jetzt immer wieder verschoben.
Auf den war ich schon ganz aufgeregt.
Ja, weil der halt eben sagen kann, wie Volker da reagiert hat.
Naja, also der nächste Prozesstag ist am 27. November.
Ich wurde übrigens neulich zu unserer ersten Folge zurückversetzt.
Da hatte ich dir doch von dieser Geburtstagsleiche erzählt.
Ja.
Und ich hatte den Mörder, der so blond-rothaarig war, mit einer bestimmten Person verglichen.
Ja, von DSDS.
Alfie Hardcore, der immer Hyper-Hyper singt.
Und Alfie Hardcore stand neulich vor unserer Arbeit.
Nein.
und wollte ein Foto mit mir machen.
Und das Ding ist, ich, also der war super nett und ich habe mich, weil er auch so nett war,
nicht getraut, ihn zu fragen, ob er unseren Podcast hört, weil dann hätte ich ja sagen müssen,
dass ich ihn mit einem Mörder verglichen habe.
Aber ich habe das Foto.
Ich zeige es dir.
Geil.
Das packen wir übrigens auch auf Instagram.
Ja.
Da kriegt ihr von uns immer Hintergrundinformationen und wir freuen uns, euch da immer mit einbeziehen
zu können.
Also schaut gerne da vorbei.
Da heißen wir übrigens Mordlust, der Podcast.
Und worüber wir uns noch freuen würden, ist, wenn ihr uns bei Apple Podcast bewerten würdet.
In Folge 11 sprechen wir übrigens über In the Dark.
Das ist ein True-Crime-Podcast aus Amerika.
Der ist der Hammer.
Ja.
Und damit ihr uns dann folgen könnt, würden wir vorschlagen, dass ihr euch den Podcast
bis dahin anhört.
Also ihr habt jetzt zwei Wochen Zeit, aber ich bin sicher, dass ihr das innerhalb von zwei
Tagen durch habt.
Der hat nämlich höchstes Suchtpotenzial.
Wenn ihr es aber nicht schafft oder weil ihr keinen Bock drauf habt, weil er halt auf Englisch
ist, werden wir den in der nächsten Folge aber natürlich auch nochmal erklären.
Genau.
Das war's dann schon mit unserem England-Spezial.
Goodbye.
God save the cream.
And ginger beer.