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#100 Das verbrechen, das mein leben veränderte

Wir sitzen hier heute, körperlich noch ein wenig am Ende, aber sehr glücklich.
Wir sind nämlich zurück, nicht nur aus der Sommerpause, sondern auch von unserer ersten riesigen Deutschland-Tour.
Uns geht es ja ganz gut, nur ein bisschen müde, aber uns geht es gut, weil wir eine mega geile Zeit hatten und weil wir euch getroffen haben, obwohl wir euch ja nicht so nah sein durften, aber es war mega, euch mal wieder live zu sehen und das Feedback zu bekommen.
Voll. Also das war das, was uns auch natürlich die Energie gegeben hat die ganze Zeit. Also weiß ich nicht, wie ihr denn da mitgefiebert habt und mit uns gelacht habt und ja, das war einfach sehr bewegend auch für uns.
Ja, danke dafür. Aber für die, die nicht dabei waren, da gibt es ja auch einige, für die können wir ja mal kurz die Tour auch nur ganz kurz so ein bisschen Revue passieren lassen, damit es sich für euch vielleicht so anfühlt, als wäre ihr doch dabei gewesen.
Genau, also wir haben über BetrügerInnen gesprochen, haben das allerdings ein bisschen anders aufgebaut als eine Podcast-Folge.
Das heißt, wir haben auch ein paar Sachen gezeigt und es gab ein bisschen Interaktion und meinen Fall, den müsst ihr euch jetzt auch nicht selber zusammenlesen oder so, sondern den könnt ihr angucken auf RTL Plus, falls ihr das noch nicht getan habt.
Und zwar habe ich über den Albtraummann gesprochen. Das ist eine ganz, ganz spannende, vierteilige Dokumentation, die man unbedingt gesehen haben sollte, weil sie wirklich richtig gut gemacht ist.
Und eine der Hauptbetroffenen von diesem Betrüger hat auch mit uns gesprochen, war auch bei einem Auftritt in Hamburg und bei beiden in Berlin dabei.
Ja, Julia heißt sie. Und das fand ich wirklich so krass. Also sie da live zu hören und zu sehen, wie das Publikum sie so feiert.
Ja, und das war für Julia natürlich auch total schön, das mal so erleben zu können, dass sie halt nicht nur Opfer ist in dem Moment, sondern dann auch für ihre Stärke bewundert wird vom Publikum.
Und Laura hat über die Beltrackis geredet.
Genau, quasi den größten Kunstfälscherskandal unserer Geschichte. Also über Helene und Wolfgang Beltracki, ein Pärchen, das zusammen jahrzehntelang Kunstwerke gefälscht hat und die dann in dem Kunsthandel für Millionen verkauft haben.
Und für den Fall habe ich mit der Kunstanwältin gesprochen, die den Beltrackis so auf die Schliche gekommen ist, mit einem Kunsthistoriker, der das so ein bisschen einordnen konnte, weil wir ja jetzt auch nicht die Kunstexpertinnen sind, und mit dem leitenden Ermittler, der die hinter Gittern gebracht hat.
Also ich habe halt gedacht, so der Auftritt an sich wird schön, aber alles drumherum macht dann nicht so viel Spaß und wird nervig, weil wir ja auch noch arbeiten mussten und viel vorbereiten mussten während der Tour und immer erst an dem Tag angereist sind, wo der Auftritt war.
Dann war der Auftritt und morgens früh dann wieder weiter zur nächsten Stadt, also gar keine Zeit auch in der jeweiligen Stadt gehabt, irgendwie was zu machen und wir dann auch noch so 24-7 aufeinander.
Aber es war halt irgendwie gar nicht schlimm. Ich erinnere mich an einem Tag, da sind wir gerade in das eine Hotelzimmer gekommen und da habe ich Laura so angeguckt und so angeblinzelt und dachte so, und dann habe ich das ja auch gesagt, du gehst mir halt gar nicht auf die Nüsse.
Ja, ich fand es tatsächlich auch, es hat sich so ein bisschen auch wie Klassenfahrt angefühlt, aber eben nur mit einer Person.
Und ich habe mir dann überlegt, andere Leute, die auf Tour gehen, sind oft alleine und das hätte mich, glaube ich, richtig runtergezogen.
Es war schon wichtig, dass da diese andere Person ist, mit der man das dann teilen kann, also diese Freude da dran.
Also war eigentlich alles echt cool und wir vermissen die Zeit auch jetzt schon ein bisschen.
Die einzige Sache, die natürlich so ein bisschen schwierig war, ist, dass Laura nicht so gut schlafen konnte, weil ich dich ja nicht gelöffelt habe.
Und das wäre uns ein bisschen zu close gewesen.
Wir haben uns schon über den Ritz in der Matratze gefreut.
Da gab es oft auch, einmal gab es auch nur eine Bettdecke.
Naja, also nächstes Jahr gibt es leider erstmal keine Tour.
Wir setzen jetzt erstmal aus und wir sagen aber rechtzeitig Bescheid, wenn wir die nächste machen.
Das machen wir auch auf jeden Fall.
Das steht fest.
Und damit herzlich willkommen bei Mordlust, ein Podcast der Partner in Crime.
Wir reden hier über wahre Verbrechen und ihre Hintergründe.
Mein Name ist Paulina Kraser.
Und ich bin Laura Wohlers.
In jeder Folge gibt es ein bestimmtes Oberthema, zu dem wir zwei wahre Fälle nachher erzählen,
darüber diskutieren und auch mit Menschen mit Expertise sprechen.
Wir reden hier auch ein bisschen lockerer miteinander.
Das hat aber nichts damit zu tun, dass uns die Ernsthaftigkeit hier fehlt,
sondern das ist für uns zwischendurch immer mal eine Art Comic-Relief, damit wir auch mal aufatmen können.
Das ist aber natürlich nicht despektierlich gemeint.
Das hier ist ja die hundertste Folge, also ein Jubiläum.
Und da wollten wir natürlich auch irgendwas Besonderes machen.
Und weil euch die Betroffenen-Folge
61
61 so gut gefallen hat, wollten wir das nochmal machen und haben ja nach Geschichten von euch gefragt.
Also Fälle, wo ihr selbst irgendwie betroffen wart.
Wir haben ganz viele Nachrichten bekommen, tausend Dank dafür.
Wir waren echt komplett überwältigt und es war total bewegend.
Wir haben auch auf den Zugfahrten teilweise geweint, weil wir so ergriffen waren von den Dingen,
die halt einigen ZuhörerInnen passiert sind.
Ich finde, das zeigt auch nochmal so, dass wir hier viele Leute haben,
die halt ebenfalls Opfer von Verbrechen geworden sind.
Und dass uns das auch natürlich wieder gezeigt hat, dass wir hier eine Aufgabe und eine Verantwortung haben,
dass wir den Geschichten von Betroffenen gerecht werden sollen.
Möchten die jetzt mit uns reden oder nicht, davon mal abgesehen.
Es gab eine Geschichte, die uns zugesandt wurde, die wir noch nicht ganz erzählen können,
die uns aber wahnsinnig mitgenommen hat, obwohl wir echt so dachten, das kann ja nicht wahr sein.
Wir können die jetzt aber noch nicht so richtig erzählen, weil es noch kein Urteil in dem Fall gibt.
Und das ist eigentlich auch schon das Problem.
Lisa Marie hat sich nämlich an uns gewandt und hat uns Folgendes erzählt.
Irgendwann gegen Ende 2020 fällt der 28-Jährigen auf, dass ihr 46-jähriger Bruder ihr nicht mehr auf WhatsApp antwortet
und sie halt nur noch dieses eine Häkchen bei ihrer Nachricht sieht.
Also ist sie nicht durchgegangen.
Erstmal nichts Ungewöhnliches, denn Marco hat zu der Zeit keinen Vertrag fürs Internet,
sondern nur so eine Prepaid-Karte.
Ihre Anrufe gehen aber auch nicht durch.
Und irgendwann wird sie dann doch beunruhigt und geht dann alle Facebook-Kontakte von Marco durch
und schreibt auch alle diese Kontakte an mit demselben Text,
ob sie irgendwie was von ihrem Bruder wissen.
Tatsächlich antwortet ihr auch jemand und zwar einen Florian,
der in einem Haus, das Marco gehört, zur Miete lebt.
Und der schreibt, dass Marco eine Frau kennengelernt habe und sich mit der jetzt eine Auszeit nimmt.
Auch das für Lisa Marie jetzt erstmal nichts Ungewöhnliches,
weil Marco war schon immer so, ja mal hier eine, mal da eine.
Also so kennt Lisa Marie ihren Bruder auch.
Doch Wochen vergehen und Marco meldet sich immer noch nicht zurück
und deswegen stellt Lisa Marie dann irgendwann eine Vermisstenanzeige.
Sie bekommt dann auch Zugang zu dem Haus, das Marco gehört.
Und da lernt sie Patrick kennen, der gemeinsam mit Florian,
also der, mit dem Lisa Marie auch schon über Facebook Kontakt hatte,
im Dachgeschoss des Hauses wohnt.
Auch dieser Patrick gibt vor, sich schon lange um Marco zu sorgen.
Der führt Lisa Marie dann auch durch das Haus, was komplett verwahrlost aussieht.
Nur der Keller ist irgendwie seltsamerweise aufgeräumt und der einzige Raum, der halt keine Baustelle da ist.
Mit dem Mieter hält Lisa Marie auch dann noch weiter Kontakt und hält den auf dem Laufenden.
Bis sie dann irgendwann von einer Bekannten einen Artikel per WhatsApp zugeschickt bekommt
und darin steht, 46-Jähriger verschwunden in Bremen, drei mutmaßliche Täter festgenommen.
Fünf Minuten später klingelt dann das Telefon, da ist die Polizei dran
und die sagt Lisa Marie, dass die Leiche ihres Bruders gefunden wurde.
Die hat sich zu dem Zeitpunkt auch tatsächlich dann schon damit abgefunden,
dass ihrem Bruder wahrscheinlich was Schlimmes zugestoßen ist, hat sie uns erzählt.
Ja, ich war, ich will nicht sagen, ich war darauf vorbereitet,
aber ich habe auf jeden Fall sehr stark damit gerechnet, dass irgendwann auch dieser Anruf kommt.
Aber dass es letztendlich so schlimm gekommen ist,
dass mein Bruder nicht nur umgebracht wurde, sondern auch noch zerstückelt wurde,
ist noch mal schlimmer.
Also das ist noch mal, ich weiß nicht, dafür hat man, glaube ich, keine Worte.
Das kann man nicht wirklich beschreiben.
Da stoßen so viele Emotionen aufeinander, die schwierig sind, unter einen Hut zu bekommen,
weil das alles auch nicht akzeptabel für mich ist.
Was die Polizei in einem Wald in Bremen gefunden hat, war im Grunde nur Markus Thor so.
Von anderen Körperteilen, wie zum Beispiel seinem Kopf, da fehlt bis heute jede Spur.
Und unter den drei Festgenommenen sind sowohl Florian, der Facebook-Freund,
und Mieter von Marco, der diesen Hinweis auf die neue Frau gegeben hatte,
als auch der Mieter, der Lisa Marie im Haus rumgeführt hatte.
Eine Nachbarin hatte nämlich ein verdächtiges Gespräch mit angehört und das dann der Polizei gemeldet.
Offenbar hat es wohl einen Streit zwischen den Mietern und Marco gegeben,
woraufhin Florian und Patrick gemeinsam mit noch einem anderen Freund
erst die Pinnnummern aus Marco herausprügelten und ihn dann getötet haben sollen.
Lisa Marie hatte also die ganze Zeit Kontakt mit den Menschen, die jetzt verdächtigt sind,
ihren Bruder getötet zu haben, ohne davon zu wissen.
Und das war ein totaler Schock für sie, sagt sie.
Ich habe mir nur die Frage gestellt, wie kann man jemandem sowas antun und dann der Schwester so ins Gesicht lügen.
Und die haben mir ja wirklich ihre Sorgen vorgespielt.
Also das geht nicht in meinen Kopf rein, wie die Menschen so falsch sein können.
Und so auch, so wie, ja, wie kann man das beschreiben?
Ohne schlechtem Gewissen habe ich das Gefühl gehabt.
Also als wäre wirklich nichts passiert, als wäre nichts vorgefallen.
Die drei landen dann also in Untersuchungshaft.
Der dritte mutmaßliche Täter legt sogar ein Teilgeständnis ab.
Und die Staatsanwaltschaft klagt dann wegen gemeinschaftlich begangenen Mordes aus Habgier an.
Erste Prozesstermine werden auf April datiert und dann plötzlich abgesagt.
Offenbar wegen neuer Beweise, die aufgetaucht sind und ausgewertet werden müssen.
Und von Seiten des Landgerichts heißt es auch noch, es sei überlastet.
Nun ist es aber so, dass in Deutschland Verdächtigen, die in U-Haft sitzen,
eigentlich innerhalb von sechs Monaten der Prozess gemacht werden muss.
Man kann dann einen Antrag auf Fortdauer der U-Haft stellen,
der in diesem Fall aber vom Oberlandesgericht abgelehnt wird,
weil eine Verfahrensverzögerung den Angeklagten quasi nicht unnötig schaden darf.
Und diese hier, so das Oberlandesgericht, sei auch noch vermeidbar gewesen.
Und jetzt kommt's.
Die Konsequenz ist, dass die drei aus der U-Haft entlassen werden.
Das ist so krass.
Ja, und man muss ja auch bedenken, die sind ja immer noch verdächtig.
Also die Kammer, die prüft jetzt halt noch die Zulassung der Anklage.
Das macht man immer, wenn die Staatsanwaltschaft die Klage eingereicht hat.
Und wenn die dann durchgeht, wovon Lisa Marie und auch ihr Anwalt jetzt mal ausgehen,
und das ist tatsächlich ja auch meistens so,
dann wird es halt diesen Prozess ja auch noch geben.
Lisa Marie hat immer diesen einen Satz im Kopf.
Es gibt ein Leid, das duldet keinen Trost.
Und für sie ist es absolut unverständlich,
wie die Männer, die halt mutmaßlich ihren Bruder auf dem Gewissen haben,
draußen frei rumlaufen, so wie du und ich.
Ihr Anwalt, Roman von Alvinsleben, hat uns in einem Interview erklärt,
wieso das überhaupt sein kann.
Wenn jemand in Untersuchungshaft ist,
dann ist sein Freiheitsgrundrecht betroffen.
Das ist natürlich das, was uns Menschen ausmacht.
Freiheit, Menschenwürde, Ehre und so weiter.
Und das wird auf die eine Seite der Waagschale gelegt.
Und auf die andere Seite der Waagschale wird eben dieses Strafverfolgungsinteresse,
das Aufklären von Straftaten, gelegt.
Und da hat das Bundesverfassungsgericht klargestellt,
das darf eben über diese im Gesetz festgelegten sechs Monate
nicht deutlich hinausgehen,
wenn nicht gewichtige Gründe eine Rolle spielen.
Und zu den Gründen zählen eben leider nicht,
dass die Schwere der vorgeworfenen Tat eine Rolle spielt.
Also das Bundesverfassungsgericht sagt,
es ist egal, ob es um Mord geht oder um Diebstahl oder Einbruchdiebstahl.
Wenn jemand in Untersuchungshaft ist,
dann muss der damit rechnen können, dass er in sechs Monaten abgeurteilt ist.
Oder zumindest sollte die Hauptverhandlung bis dahin begonnen haben,
so von Alvins Leben.
Weitere Beweisanträge kann man ja auch in der laufenden Verhandlung noch stellen.
Dass die Verdächtigen jetzt entlassen wurden, hält er für einen Justizskandal.
Die Justiz darf an dieser Stelle nicht so versagen.
Und für mich ist das auch irgendwie ein Stück weit Versagen,
dass solche Dinge dann so aus dem Ruder laufen,
dass im Grunde ja, stellen wir uns vor,
am Ende kommt das Ergebnis raus,
die drei haben das getan oder einer von denen oder wie auch immer,
die werden dann wegen Mordes verurteilt,
dass die jetzt irgendwie durch die Gegend trennen.
Die nächste Frage ist ja,
was wird denn da gemacht, um zu sichern,
dass sie überhaupt sich dem Verfahren stellen,
wenn sie observiert, was kostet das eigentlich und so weiter.
Also da sind ja viele, viele weitere Fragen mit verbunden.
Wie gefährlich ist das denn für mögliche Zeugen?
Wir haben ja hier gelesen können, es gibt ein Teilgeständnis.
Was ist mit dem, der das vielleicht gemacht hat?
Wie wird auf den eingewirkt?
Und so weiter und so fort.
Das sind ja viele, viele Fragen, die noch angeknüpft sind
an die Tatsache, dass jemand aus der Uhr freigelassen wird.
Kann der verdunkeln?
Kann der verdecken?
Kann der untertauchen?
Und so weiter.
Neue Termine soll es offenbar für September geben.
Offiziell sind die aber noch nicht.
Wir haben jetzt noch mal beim Landgericht Bremen nachgefragt
und hoffen, dass das bald neue Termine dann bestätigt,
damit Lisa Marie dann auch endlich mal ihren Bruder beerdigen kann.
Denn das ist halt so,
das, was bisher von ihm gefunden wurde,
ist immer noch nicht freigegeben.
Und natürlich hat sie aktuell auch wenig Vertrauen in die Justiz.
Und vielleicht gibt ihr ein baldiger Prozess das ja dann zurück.
Ja, das hoffe ich auf jeden Fall sehr für diese Marie,
weil ich meine, so ein Prozess, der kann ja schon,
auch wenn er jetzt natürlich den geliebten Menschen niemals zurückbringen kann
oder irgendwas aufwiegen kann oder so,
kann der ja schon dafür sorgen,
dass so ein paar Sachen wieder so ein bisschen gerade gerückt werden.
und halt, das wissen wir ja auch aus anderen Fällen,
einfach bei der Verarbeitung helfen.
Ich hoffe halt, dass es jetzt nicht weitere Prozessverzögerungen gibt,
weil die Angeklagten jetzt nicht mehr gefunden werden können.
Ja, bei den zwei Fällen, die wir euch heute ein bisschen ausführlicher erzählen können,
weil es bei denen eben schon zu Urteilen gekommen ist,
da machen wir das jetzt wie bei der letzten betroffenen Folge
und erzählen euch das aus der Ich-Perspektive.
Die Trigger-Warnung zu meinem Fall findet ihr in der Folgenbeschreibung.
Alle Namen habe ich geändert.
Mit 3,75 Prozent wurde damals die Wahrscheinlichkeit bemessen,
dass ich oder jemand anderes einmal Opfer meines Täters wird.
3,75 Prozent klingt ziemlich wenig.
Und trotzdem ist es passiert.
Die Gefährlichkeit von Menschen lässt sich eben nicht anhand von Vergleichszahlen einschätzen.
Was in jener Nacht mit mir passiert ist, als ich zu dieser Prozentzahl wurde,
liegt lange Zeit im Dunkeln.
Wir alle haben uns die Frage gestellt, was ist mir widerfahren?
Heute habe ich zumindest größtenteils eine Antwort darauf.
Mein eigentlicher Name, den Paulina mir gegeben hat, ist Hannah.
Und meine Geschichte beginnt im Januar letzten Jahres,
als Deutschland schon wieder halb im Lockdown ist
und ich, wie viele andere auch, auf fast alle Freizeitaktivitäten verzichten muss.
Normalerweise gehe ich total gerne auf Konzerte und Festivals.
Außerdem bin ich Pfadfinderin und deswegen auch oft auf Fahrt,
also Wandern und in der Natur unterwegs.
Wegen der Kontaktbeschränkung ist das aktuell aber nicht möglich
und deswegen bin ich nach der Arbeit oft in meiner Zwei-Zimmer-Wohnung
und verbringe die Zeit mit meinem Freund Patrick.
Im Gegensatz zu vielen anderen, die in dieser Zeit aus dem Homeoffice arbeiten,
sitze ich nie zu Hause am Computer.
Meine Arbeit kann man nicht von zu Hause erledigen.
Ich bin Erzieherin.
Dass ich mal was Soziales machen will, wusste ich schon immer.
Deswegen habe ich nach meinem Abi auch mein FSJ in einer Wohngruppe für kleinere Kinder gemacht.
Danach habe ich dann gleich die Ausbildung zur Erzieherin hintendran gehangen
und bin währenddessen schon in der Wohngruppe gelandet, in der ich auch übernommen wurde.
Die Gruppe hat mich irgendwie gereizt, weil ich schon Erfahrungen im Umgang mit psychisch erkrankten Jugendlichen hatte
und nach etwas gesucht hatte, was mich noch ein bisschen mehr herausfordert.
Und in dieser Gruppe gibt es Jugendliche mit ganz unterschiedlichen Hintergründen,
die wir entweder auf ein eigenständiges Leben vorbereiten oder auf die Rückführung in ihre Herkunftsfamilien.
Einige von ihnen haben ADHS, eine Autismus-Spektrumsstörung und andere sind schon straffällig geworden.
Vor allem mit letzteren würde ich in Zukunft gerne weiter zusammenarbeiten.
Deswegen habe ich jetzt mit 22 Jahren auch ein berufsbegleitendes Studium angefangen
und will danach eine Weiterbildung in der Täterarbeit mit sexuell grenzverletzenden Jugendlichen machen.
Das sind dann quasi die Jugendlichen, die übergriffig waren, aber noch nicht verurteilt wurden.
Eine Arbeit, die viele nicht machen wollen, die ich aber sehr wichtig finde.
Heute ist der 6. Januar 2021.
Ich laufe in meiner Wohnung herum, um meine Sachen für die Arbeit zusammenzusuchen.
Ich greife nach Schlafanzug und Plüschsocken und werfe die in meine Tasche.
Heute geht mein Dienst nämlich von 13 bis 13 Uhr am darauffolgenden Tag.
Was heißt, dass ich in meiner Schicht auch in der Wohngruppe schlafe?
Bevor ich mich aufmache, werfe ich noch einen Blick in den Spiegel.
Meine Sommersprossen verteilen sich auch in diesen ungemütlichen Wintermonaten übers ganze Gesicht
und meine Nase ziert ein kleiner Ring.
Meine dunkelblonden, schulterlangen Haare binde ich oft zu einem wilden Vogelnest hoch.
Dann setze ich mich für 20 Minuten hinter Steuer.
Ich fahre wie immer die lange Zufahrt zum Haus hoch und stelle das Auto vor einer Scheune ab.
Ihr müsst wissen, das Bauernhaus, in dem die Jugendlichen leben, ist recht alt und steht ganz alleine.
Umgeben ist es nur von weiten Feldern, hinter denen sich ein dichter Wald auftut.
Also nicht gerade vertrauenserweckend.
Aber hier kriegen viele Jugendliche genau das, was sie brauchen.
Das Haus und wir ErzieherInnen sorgen für Stabilität und einen geregelten Alltag.
Sechs junge Männer wohnen hier aktuell.
Es gibt ein großes Wohnzimmer für alle, eine Essküche, einen Garten, den die Bewohner pflegen müssen
und Zimmer für jeden natürlich.
Die sind auf drei Etagen aufgeteilt, unter anderem den Keller.
Der Kellerbereich fällt bei unserer Risikobewertung des Hauses immer wieder auf,
weil der so verwinkelt und dunkel ist.
Sollten sich da also mal zwei Bewohner in die Haare kriegen, ist die Chance nicht sehr hoch,
dass wir im Büro im Erdgeschoss was davon mitbekommen.
Bisher ist da aber nichts passiert.
Ich schließe die Eingangstür auf und gehe erstmal ins Büro.
Auf der Tür grinse ich mir selbst entgegen.
Wir haben Fotos von den ErzieherInnen, die Dienst haben, dort angebracht,
damit man immer weiß, wer Ansprechpartner oder Ansprechpartnerin ist.
Den Tagdienst teile ich mir heute mit meiner Kollegin Simone.
Simone mag ich aus meinem Team am liebsten.
Sie ist Mitte 20 und auch die, mit der ich am meisten zu tun habe.
Unsere Arbeit besteht zum größten Teil daraus, dass wir den Bewohnern bei ihrem Alltag helfen.
Also heißt, sie beim Küchendienst unterstützen, ihnen Hilfsstellungen,
bei Behördenterminen oder Hausaufgaben geben oder sie bei Projekten betreuen,
wie einen Adventskalender zu basteln oder so.
Ganz banale Dinge also.
Die Bewohner, die in der Vergangenheit mit sexuell grenzverletzendem Verhalten
aufgefallen sind, begleiten wir zur Therapie.
Mein Arbeitstag verläuft ganz normal.
Um 19.30 Uhr verlässt mich Simone dann.
Die Nachtschicht macht immer nur eine von uns.
In der Zeit gibt es dann auch nicht mehr wirklich viel zu tun,
weil im Haus dann Nachtruhe ist.
Deswegen telefoniere ich ab halb elf noch mit meinem Freund Patrick.
Wir sind seit 2019 ein Paar,
wohnen zwar noch nicht offiziell zusammen,
er verbringt trotzdem fast jeden Tag bei mir in der Wohnung.
Gerade seit der Corona-Zeit hat sich unsere Beziehung deswegen auch nochmal intensiviert.
Während wir telefonieren, ziehe ich mir meine Jacke über,
gehe auf den Hinterhof und zunde meine letzte Zigarette für heute an.
Ich stoße den Rauch aus.
Da erkenne ich hinter der Rauchwolke, wie sich zwei Gestalten auf das Haus zu bewegen.
Es ist bereits 23 Uhr und eigentlich darf keiner mehr raus.
Die beiden hatten sich offenbar rausgeschlichen, um nochmal zur Tankstelle zu gehen.
Sie sehen, dass ich sie sehe.
Ich überlege kurz, entscheide dann aber, sie erst morgen auf den Verstoß anzusprechen.
Eigentlich drohen den beiden dann Konsequenzen.
Einem von ihnen werden die aber herzlich egal sein.
Alexander, der Ältere, hat vor kurzem nämlich entschieden, nächste Woche wieder zu seiner Mutter zurückzugehen.
Und dem hatte das Jugendamt jetzt zugestimmt.
Da er bereits volljährig ist, kann er das jetzt auch selber entscheiden.
Die letzten Tage hatte er sich eh kaum mehr an irgendwas gehalten.
Alexander ist kognitiv etwas eingeschränkt.
Das merkt man vor allem dann, wenn er einem Lügengeschichten auftischt,
die offensichtlich nicht stimmen können, um sich aus schwierigen Situationen zu befreien.
Also einmal hatte er eine Bekannte per WhatsApp nach Nacktbildern gefragt.
Und als ihm aufgefallen war, dass das keine gute Idee war,
hat er behauptet, jemand hätte sein Handy geklaut, als er gerade auf dem Klo saß
und die Nachricht in seinem Namen verfasst.
Alexander und Tim, der neben ihm geht, sind beide schon länger in der Einrichtung,
weil sie in der Vergangenheit sexuell übergriffig geworden sind.
Alexander ist sogar wegen Vergewaltigung schon vorbestraft und gerade auf Bewährung.
Falls ihr euch jetzt genau wie Paulina fragt, ob einem das immer im Kopf ist,
wenn man dort arbeitet, dann wäre es wohl gelogen zu antworten,
dass man in diesem Bereich anfangs nicht vorsichtiger oder aufmerksamer ist.
Allerdings vergisst man das in der Arbeit dann auch schnell wieder.
Alexander zum Beispiel ist im Umgang eigentlich wirklich angenehm,
höflich und nett.
Bei ihm merkt man, dass er gerne jemand sein will,
der fürsorglich und hilfsbereit ist.
Wenn er sich nicht an Regeln hält, zeigt er sich dann auch einsichtig.
Wobei man diese Einsicht hinterfragen muss.
Jugendliche wie Alexander, die schon so lange in hochfrequentierter Therapie sind,
sind sehr angepasst und wissen, was man von ihnen hören will.
Das nennen wir Pädagogenkekse.
Heißt, wenn sie etwas falsch gemacht haben, werfen sie uns Erzieher in eine Floske hin,
die uns dann das Gefühl geben soll, dass sie sich mit ihrem Fehlverhalten auseinandersetzen,
sodass wir dann aufhören, nachzufragen.
Generell bin ich aber davon überzeugt, dass jeder, der hier ist, eine Chance verdient hat.
Diese Jugendlichen sind nicht ohne Grund im System gelandet.
Meist kommen sie aus kaputten Familien und hätten vielleicht ein ganz anderes Leben,
wenn sie in einem anderen Umfeld aufgewachsen wären.
Es ist kalt draußen.
Ich gehe wieder ins Haus, mache mich Bett fertig und schließe dann das Betreuungszimmer hinter mir ab.
Danach wird es ruhig im Haus und ich dämmere in den Schlaf.
Plötzlich weckt mich das Haustelefon.
Es ist 3.37 Uhr.
Noch halb verträumt nehme ich ab.
Es ist Alexander.
Schon wieder.
Die Bewohner wissen zwar, dass sie uns immer anrufen können, deswegen sind wir ja hier.
Aber der Einzige, der davon regelmäßig Gebrauch macht, ist Alexander.
Das letzte Mal, als er mich weckte, meinte er panisch, dass ein Bekannter seines Stiefvaters
ihn gerade angerufen habe, um ihm mitzuteilen, dass der auf dem Weg hierher sei, um ihn zu töten.
Geglaubt habe ich Alexander, das war schon in dem Moment nicht.
Ich habe aber natürlich trotzdem die Polizei gerufen.
Als die dann kam, hat sie relativ schnell festgestellt, dass es den Anruf nicht gegeben hat.
Diesmal hat er sich aus seinem Zimmer ausgesperrt, sagt er.
Ich werfe mir etwas über, schnappe mir den Generalschlüssel und trete aus dem Büro.
Dort steht Alexander schon und wartet auf mich.
Ich schiebe mich an ihm vorbei, laufe auf meinen Plüschsocken die Steintreppe zum Keller herunter,
wo sich Alexanders Zimmer befindet.
Er geht hinter mir.
Vor seinem Zimmer komme ich zum Stehen, will mit dem Schlüssel öffnen,
doch plötzlich reißt mich etwas aus meiner Bewegung.
Alexander hat seinen Arm von hinten um meinen Hals gelegt
und drückt so doll zu, dass ich keine Luft mehr bekomme.
Ich schreie.
Ich wehre mich, ich kratze, aber Alexander ist zu groß und kräftig und hat mich fest im Griff.
Da komme ich mit meinen 1,58 Meter gar nicht gegen an.
Ich versuche mit aller Kraft gegen ihn anzukämpfen, aber es hilft nichts.
Und dann langsam wird alles schwarz.
Was in den Stunden darauf passiert, bekomme ich nicht mit.
Das Gefühl, ohnmächtig zu werden, ist ein bisschen wie Einschlafen,
nur dass ich mich nicht daran erinnern kann, mich hingelegt zu haben.
Bei mir gibt es auch keinen Moment des Aufwachens.
Also alles dümpelt vor sich hin.
Wo ist Patrick?
Ich nehme einzelne Momente auf der Intensivstation wahr.
Mein Hals schmerzt, ich kann nicht schlucken.
Mein Körper schmerzt, ich düse weg.
Wo ist Patrick?
Schläuche pumpen Medikamente in meinen Körper.
KrankenpflegerInnen betüdeln mich.
Habe ich schon nach Patrick gefragt?
Ja, sagt die Schwester.
Darf nicht kommen, ist ja Corona.
Er gehört nicht zur Familie.
Ach ja.
Meine Eltern sitzen neben mir am Bett.
Beide tragen Schutzkleidung.
Wirken besorgt.
Dann bin ich wieder weg.
Als ich das erste Mal wieder klar werde,
weiß ich schon, was passiert ist.
Allerdings weiß ich nicht mehr von wem.
ÄrztInnen, meine Eltern, Polizei,
keinen Schimmer, wer es mir erzählt hat.
Alexander hatte mich auf Arbeit angegriffen.
Als ich bewusstlos war,
hatte er mich vermutlich an den Armen,
die Treppenstufen zum hinteren Notausgang entlang,
raus in den Hof geschliffen
und mich dort in der Kälte abgelegt.
Irgendwann nach vier Uhr
hatte er dann selbst den Notruf gerufen
und behauptet, mich dort liegend gefunden zu haben.
Was zwischen dem Moment,
als ich bewusstlos wurde
und dem Eingehen des Notrufs passiert ist,
weiß ich nicht,
denn das wird noch ermittelt.
Alexander hatte abgestritten,
mir das angetan zu haben.
Allerdings hatten ihn die Kratzer,
die ich ihm zugefügt hatte,
verraten.
Jetzt sitzt er in Untersuchungshaft.
Mir tut wirklich alles weh.
Wieso hat er das getan?
Ich denke an Alexanders Vorstrafen
und in mir zieht sich alles zusammen.
Hat er auch mich vergewaltigt?
Davor habe ich wahnsinnige Angst.
Das wäre das Schlimmste,
was er hätte machen können.
Ich suche in meinem Gedächtnis nach Erinnerungen,
aber da ist nichts,
egal wie sehr ich mich anstrenge.
Ich lasse meinen schweren Kopf
wieder aufs Kopfkissen fallen,
drücke meinen Plüschfuchs,
den mir meine Eltern mitgebracht haben,
dicht an mich.
Tränen laufen mir über meine Wangen.
Es brennt,
als das Salzwasser
auf die Schürfwunden trifft.
Mein Gesicht ist voll davon.
Alexander hatte mir,
während ich bewusstlos war,
mindestens zwei Faustschläge
mit voller Wucht
ins Gesicht gegeben.
Als akut lebensbedrohlich
bezeichnet der Arzt meinen Zustand,
bevor ich nach einem Tag
aus dem Koma wieder aufgewacht bin.
Als der Rettungswagen kam,
fanden die NotfallsanitäterInnen
mich nur unregelmäßig atmend vor.
Da mein Gehirn einige Zeit
ohne Sauerstoff blieb,
hatte man große Sorge,
dass ich dauerhafte,
schwerwiegende Schädigungen
davon tragen könnte.
Man führte mir einen Schlauch ein,
um mich künstlich zu beatmen.
Die nächsten Tage verbringe ich damit viel,
fernzusehen und Leute anzurufen
und mich abzulenken,
jemand weiß, was passiert ist.
Das ist eines der schlimmsten Dinge,
nicht zu wissen,
was er mit mir gemacht hat.
Jemand raubt dir das Bewusstsein
und stellt danach Dinge mit dir an,
die du am Ende nicht mal verarbeiten kannst,
weil du nicht weißt, was es war.
Wollte er den Generalschluss,
um ins Büro zu kommen?
Wollte er Geld klauen?
Alexander hatte Schulden.
Hat er mich in sein Zimmer mitgenommen
oder gleich draußen abgelegt?
Ich brauche Antworten auf diese Fragen.
Deswegen habe ich große Hoffnung
in das Gespräch mit der Polizei,
die sich angekündigt hat,
und mir die neuesten Erkenntnisse mitzuteilen.
Keine Anzeichen für ein Sexualdelikt.
Zuerst setzt Erleichterung bei mir ein,
die recht schnell von Ratlosigkeit abgelöst wird.
Was heißt das?
Weshalb hat er mich denn dann angegriffen?
Das weiß man nicht, antworten sie.
Nonstop zerbreche ich mir jetzt den Kopf darüber,
was ich falsch gemacht haben könnte.
Habe ich was gesagt oder getan,
was Alexander so verärgert hatte,
dass er beschlossen hatte, mich zu töten?
Was habe ich denn gemacht?
Bin ich überhaupt richtig in meinem Job,
wenn ich das jetzt nicht mal erkennen kann?
Vielleicht habe ich mich in meiner Berufswahl getäuscht
und ich sollte lieber was anderes machen.
Nee, natürlich mache ich weiter.
Aber was, wenn ich nicht weitermachen kann?
All diese Fragen beschießen mein Gehirn unaufhörlich.
Ich bin mit allem maßlos überfordert und durch den Wind.
Nur nach außen zeige ich das nicht so.
Ich breche jetzt nicht vor dem Krankenhauspersonal zusammen oder so,
liegt aber auch daran,
dass es in mir so viel arbeitet
und ich alles alleine machen will.
Ich will meine Selbstständigkeit
so schnell wie möglich zurück.
Plötzlich muss ich an Silvester denken.
Patrick und ich hatten wegen der steigenden Corona-Zahlen
Silvester allein bei meinen Eltern verbracht
und Glückskekse geöffnet.
In meinem Stand,
du wirst viel Abwechslung im Beruf haben.
Wow.
Ich schreibe Simone,
der ich noch letzte Woche auf der Arbeit
von dem Keks erzählt hatte.
Sie antwortet,
oh Gott, sollen wir ihn rituell ins Feuer werfen?
Besser wäre das wohl.
Entgegen der Erwartungen der Ärztinnen
erhole ich mich schon innerhalb weniger Tage.
Das freut mich.
Allerdings verängstige ich mich die Vorstellung,
allein zu Hause zu sein.
Besonders abends, wenn es dunkel ist,
bekomme ich Panikattacken.
Deswegen ziehe ich erstmal zurück zu meinen Eltern.
Obwohl das natürlich erstmal wieder eine Umstellung ist.
Meine Eltern waren schon immer sehr behütende Menschen
und ich war schon immer sehr eigenständig.
Bei ihnen kann ich mich aber besser
auf meine Heilung konzentrieren.
Zwei Wochen muss ich mit meinem schmerzenden Körper kämpfen.
Die seelischen Wunden werden länger für die Heilung brauchen.
Patrick ist oft bei mir, gibt sein Bestes,
um mich zu unterstützen.
In der Zeit nehme ich auch Kontakt zum Weißen Ring auf.
Dort legt man mir nahe,
als Nebenklägerin beim Prozess gegen Alexander dabei zu sein.
Ich beginne eine Psycho- und eine Physiotherapie.
Ich nehme mir viel Zeit für die Dinge,
die mir gut tun.
Spazieren gehen,
malen,
lesen,
Podcasts hören.
Und an diesem Morgen will ich einen Kuchen backen.
Doch der Plan wird von der Polizei durchkreuzt.
Sie möchte noch mal vorbeikommen,
um etwas zu besprechen.
Meine Eltern sind nicht da,
als die beiden Beamtinnen vor mir sitzen
und mir sagen,
wieso sie gekommen sind.
Sie brauchen Patricks DNA.
Man habe nun doch Anhaltspunkte
für ein Sexualdelikt gefunden.
In dem Abstrich,
der aus dem Innenbereich
meines Lips gemacht wurde,
wurde eine männliche DNA nachgewiesen.
Allerdings wissen sie nicht,
um welches Genmaterial es sich handelt.
Also woher diese DNA kommt.
Jetzt liegt das Schlimmste,
was hätte passieren können,
doch plötzlich wieder so nah.
Die Info erwischt mich eiskalt.
In meinem Kopf hatte ich mir bereits
hundert andere Motive ausgemalt.
Die nächsten Tage muss ich jetzt also
wieder umsortieren,
um mich vorzubereiten.
Nach ein paar Tagen erfahren wir dann,
dass die DNA nicht von Patrick,
sondern von Alexander stammt.
Bei ihm wurden auch DNA-Spuren,
die von Scheidenflüssigkeit rühren,
unterm Fingernagel gefunden.
Irgendwie fühle ich mich leer,
als ich das erfahre.
Ich weiß nicht so richtig,
mit wem ich darüber reden soll.
Das ist für Patrick
nochmal eine Ecke härter zu verarbeiten
als ein Angriff aus welchem Grund auch immer.
Zum Glück habe ich die Therapeutin.
Sie fragt mich,
was ändert das jetzt eigentlich für dich?
Und ich erkenne
nicht sonderlich viel.
Das hilft mir.
Ende Juli,
also sieben Monate nach dem Angriff,
beginne ich dann die stufenweise
wieder Eingliederung in meinen Job.
Allerdings in einer anderen Wohngruppe.
Meine wurde aufgelöst.
Es war immer klar,
dass der Keller ein Risiko
in dem Haus ist
und nachdem, was mir passiert ist,
konnte der Träger die Wohngruppe
so nicht mehr verantworten.
Die neue Arbeit ist auch nett,
aber ich trauere dem alten Team
etwas hinterher.
Was mich ein bisschen ärgert,
ist,
dass es im Unternehmen
zwischendurch wirklich Diskussionen
darüber gab,
wie eine kleine,
zierliche junge Frau
diese Schicht allein übernehmen kann
und ob ich überhaupt
kompetent genug wäre.
Fühlt sich irgendwie so an,
als würde man mir vorwerfen,
dass die Tatsache,
dass ich ich bin,
die Tat erst ermöglicht hatte.
Wie stellen die sich das denn vor?
Soll es Alters,
Größen und Gewichtsvorgaben
für den Nachtdienst geben?
Weiß doch jeder,
dass das so nicht läuft.
Nachtdienste gehören in dem Job
einfach dazu.
Es ist der 28. September 2021
und ich bin wahnsinnig aufgeregt.
Wochenlang hatte ich mich
mit meiner Therapeutin
auf diesen Tag vorbereitet,
habe mir mit ihrer Begleitung
etliche Male bildlich vorgestellt,
wie genau das passiert,
was jetzt passiert
und trotzdem gibt mir mein Körper
zu verstehen,
dass er für diese Situation
nicht bereit ist.
Alexander wird in den Gerichtssaal gebracht.
Sein Verteidiger führt ihn an der Hand,
weil er durch den vorgehaltenen Ankenordner
nicht sieht, wo er hinläuft.
Und ich beginne zu zittern.
Ich hasse es,
dass ich das nicht beeinflussen kann.
Ich will nicht,
dass Alexander sowas in mir auslöst.
Er sitzt mir direkt gegenüber.
Mir und meiner Verteidigerin
und der Prozessbegleiterin.
Ich gucke absichtlich an ihm vorbei.
Angucken geht nicht.
Die Staatsanwaltschaft
wirft Alexander
besonders schwere Vergewaltigung vor.
Sie geht also davon aus,
dass er mit dem Finger
in mich eingedrungen ist.
Offenbar hatte er in der Nacht der Tat
erst Pornos konsumiert
und hatte dann sexuell erregt
den Plan geschmiedet,
mal eine Frau in echt nackt zu sehen,
was er bis dahin noch nicht hatte.
Er wollte herausfinden,
wie sich der Genitalbereich
einer Frau anfühle,
um seine sexuelle Orientierung
herauszufinden.
So hatte er es dem Psychologen
und der Polizei erzählt.
Meine Eltern sind beim Prozess
nicht anwesend.
Ich wollte nicht,
dass sie sich das alles anhören müssen.
Das wäre für sie kaum zu ertragen gewesen.
Was an diesem ersten Prozesttag passiert,
bekomme ich ehrlicherweise nur halb mit.
Oft höre ich nicht zu,
weil ich total aufgewöhnt bin.
Der erste Tag dauert aber zum Glück
auch nicht lange.
Heute wird nur die Anklage verlesen
und da Alexander nicht mehr sagen will,
als er der Polizei schon erzählt hatte,
war es das dann auch für den ersten Tag.
Die nächsten verlaufen besser.
Ich gewöhne mich an den emotionalen Stress
und kann einem gut folgen.
Allerdings ist so ein Prozess
trotzdem belastend.
Manchmal rege ich mich echt auf.
Es steht nämlich für einen Moment
zur Debatte,
ob die Fotos,
die die Gerichtsmedizin von mir gemacht hat,
als ich nackt und bewusstlos war,
vor Alexander und der Presse gezeigt werden.
Oh Gott.
Geht's noch?
Und ich hasse die Fragen,
die sie mir am Zeugenstand stellen.
Befragt werde ich von den RichterInnen,
von Alexanders Anwalt,
von der Gerichtsmedizinerin
und von dem Psychiater.
Unter anderem auch,
wann ich das letzte Mal Sex hatte
und ob ich meiner Arbeit
weiter nachgehen kann.
Ich verstehe schon,
warum die das wissen wollen,
aber ich verstehe nicht,
wieso Alexander das mit anhören darf.
Er hört sich das alles an,
wie es mir geht,
was sein Übergriff mit mir gemacht hat
und meiner Meinung nach
geht ihm das gar nichts an.
Ich will mich halt nicht vor ihm öffnen.
Richtig emotional wird's aber erst,
als sie nach Patrick fragen
und da kann ich meine Tränen
nicht mehr zurückhalten.
Dass wir uns getrennt haben,
ist erst eine Woche her
und ich hab das noch gar nicht
richtig verarbeitet.
Wir hatten schon vorher
in der Beziehung Probleme,
aber die Tat war dann
einfach zu viel.
Immer wieder frage ich mich,
ob wir uns getrennt haben,
weil wir es eh irgendwann getan hätten
oder war die Tat jetzt
dafür verantwortlich.
Letzteres wäre wirklich schlimm für mich.
Ich will nämlich,
dass die Entscheidung,
eine Beziehung zu beenden,
komplett bei mir liegt
und nicht,
dass diese von Alexander
beeinflusst wird.
In den Verhandlungstagen
sagen ArbeitskollegInnen
von mir aus,
ein Bewohner,
der nachts einen Schrei gehört hatte,
den er nicht zuordnen konnte,
die Kripo-BeamtInnen
und unter anderem
auch der Gefängnispsychologe.
Dann wird eine Frau aufgerufen.
Sie ist von der Statur her ähnlich wie ich.
Sie wirkt aufgelöst
und in sich zusammengefallen.
Ich weiß, wer sie ist.
Von ihr hatte ich
bei Alexanders Einzug
in seiner Akte gelesen.
Im März 2016
hatte sie
in der Intensivgruppe gearbeitet,
in der Alexander
zu der Zeit untergebracht war.
An einem Tag
musste sie zu einer Psychiatrie
in der Nähe fahren,
wusste aber nicht,
wo sich diese befand
und weil sie an dem Tag
kein Ladekabel
für ihr Navi dabei hatte,
nahm sie Alexander mit,
der ihnen den Weg zeigen sollte.
Als die beiden dann gerade
auf dem Rückweg waren,
hatte Alexander geäußert,
dass ihm schlecht sei.
Sie hatte dann den Wagen
auf den Seitenstreifen gelenkt
und angehalten.
In einem unachtsamen Moment
zog Alexander dann
den Autoschlüssel ab
und verriegelte die Türen von innen.
Er forderte dann mehrfach auf,
dass sie sich ausziehen solle,
was sie natürlich nicht wollte.
Sie hatte wahnsinnige Angst
vor Alexander,
konnte ihr Zittern aber
vor ihm verbergen,
indem sie ihre Hände
unter ihre Oberschenkel schob.
Nach einer Weile erkannte Alexander,
dass er wohl keinen Erfolg haben wird,
gab den Schlüssel zurück
und entschuldigte sich.
Sie weint während ihrer Aussage.
Wir machen eine Pause.
Die Frau verlässt den Saal
und ich renne ihr hinterher.
Ich brauche gerade
den Austausch mit ihr.
Wir reden noch ein wenig.
Sie erzählt mir,
dass sie das alles
noch immer nicht verarbeitet hat,
dass sie noch lange danach
Albträume hatte
und dass sie ihren Job
kündigen musste.
Mir tut sie wahnsinnig leid
und ich habe Angst davor,
dass es mir genauso gehen wird wie ihr.
Ich will das für mich nicht.
Ich habe das Gefühl,
dass es für sie seltsam ist,
dass ich bei meinem eigenen Prozess
gefasster bin als sie.
Wieder im Gerichtssaal.
Ich erfahre,
dass das nicht Alexanders
erste Tat war.
2015 hatte er
in einer Wohngruppe
für Jüngere
mit einem Neunjährigen
mit geistiger Behinderung
erst mit Legosteinen gespielt
und ihm danach angeboten,
dass er ihm mehr Steine geben würde,
wenn der Junge mit ihm
Sex haben würde.
Nee.
Der wollte das aber nicht,
worauf Alexander
ihn anal vergewaltigte.
Oh nee.
Weil Alexander zu dem Zeitpunkt
erst 13 war,
wurde das Verfahren
gegen ihn eingestellt.
Das ist mir tatsächlich neu.
Davon hatte ich in seiner Akte
vom Jugendamt nichts gelesen.
Allerdings wusste ich,
dass er auf Bewährung war,
weil er im September 2017
einen 14-jährigen Mitbewohner
seiner damaligen Wohngruppe
an einem dunklen Waldweg
von hinten mit dem rechten Arm
um den Hals packte,
ihn zu Boden warf
und ihn dann ebenfalls
anal vergewaltigte.
Wegen dieser Tat
musste er dann
als Bewährungsauflage
in eine Klinik
für sexuell auffällige
Jugendliche,
die er nur mit Begleitung
verlassen durfte.
Im Abschlussbericht
dieser Klinik
wurde ihm ein Rückfallrisiko
mit 3,75 Prozent
bescheinigt.
Die 3,75 Prozent
ist eine Vergleichszahl.
Aus Studien geht hervor,
dass Jugendliche
in Alexanders Alter,
die die gleiche Therapie
wie er durchlaufen haben,
nur zu 3,75 Prozent
nochmal Sexualstraftaten
begehen werden.
Erst nach dem Prozestag
denke ich intensiver
über die Zahl nach.
Also wenn Alexanders
Rückfallwahrscheinlichkeit
so gering war,
was hilft dann noch?
Mich regt das irgendwie auf,
weil ich ja weiß,
dass Alexander oft
einfach sagt,
was man hören will,
damit er dann bekommt,
was er will.
Eben keine weitere Therapie.
Pädagogenkekse halt.
In der Empfehlung
von der vorherigen Klinik
stand wegen der
geringen Rückfallquote
übrigens auch,
dass er auf seine
Delikte bezogen
nicht verpflichtend
weitere Therapien braucht,
weshalb er auch
keine machen musste.
Und dann wurden aus mir
die 3,75 Prozent.
Das ist jetzt nur
meine Meinung,
aber ich denke eben nicht,
dass man jemand wie
Alexander,
der etliche Male
straffällig wurde
und dann eine Weile
unauffällig bleibt,
aber eben ausgerechnet
in der Zeit,
in der er in einer
hochstrukturierten
Klinik untergebracht war,
die ihm über Monate
keine unbeaufsichtigten
Freigänge erlaubte,
nahezu ungefährlich
für andere ist.
Fast die einzige
Konstante in
Alexanders Leben ist,
dass er keine
Stabilität hat.
Das wird mir noch mal
bewusst, als es im
Prozess um seinen,
nennen wir es mal,
Lebenslauf geht und ich
und die anderen
Prozessbeteiligten so
in die Zeit gezogen
werden, wo Alexander
nicht Täter, sondern
Opfer von
Vernachlässigung und
Verwahrlosung war.
Seine Kindheit.
Seine Mutter bekam
ihn mit 18,
sein Vater beging
Suizid.
Eine seiner
Halbschwestern kam mit
einer schweren
Behinderung auf die Welt
und verstarb.
Einer der Männer,
mit dem seine Mutter
einen weiteren Sohn
bekam, missbrauchte
seine Halbschwester
sexuell.
Alexander war also
schon als Kind immer
wieder in Heimen
untergebracht.
Und auch wenn das
einige von euch
sicherlich nicht
verstehen werden
können, aber
selbst von hier
aus, von der
Nebenklagebank, von
der Opferseite, tut
er mir deswegen
leid.
In meinem Job
habe ich schon einige
wie Alexander
kennengelernt, die in
instabilen, familiären
Verhältnissen groß
geworden sind, vernachlässigt
wurden und dann
falsch abgebogen
sind.
Ich weiß, warum
diese Menschen so sind,
wie sie sind und ich
weiß, warum sie die
Dinge tun, die sie tun.
Das Verständnis dafür ist
ein Grund, warum ich diesen
Beruf machen wollte.
Und das kann ich nicht
mal als Geschädigte
vergessen.
Später an diesem
Prozestag sitze ich mit
meiner Verteidigerin und
einer Freundin draußen auf
der Treppe vor dem
Gerichtsgebäude und ziehe
an meiner Zigarette.
Mich überkommt ungeheure
Wut.
Darüber, dass Alexander
nicht richtig geholfen
wurde.
Dass er eigentlich noch
Therapien hätte machen
müssen, diese aber
einfach verweigern konnte.
Da muss man das System
der Jugendhilfe auch mal
in Frage stellen.
Das System hätte
Alexander helfen müssen,
weil er sich selbst
nicht helfen kann und hat
dabei versagt.
Deswegen sind er und ich
jetzt hier.
Dass er wegen Vergewaltigung
verurteilt wird, habe ich
schon abgeschrieben.
Die Gutachterin sagte im
Prozess aus, dass die DNA,
die in meiner Unterhose
gefunden wurde, nur belegt,
dass er mir unter den Slip an
den Intimbereich gefasst
hatte, nicht aber, dass er mit
dem Finger auch in mich
eingedrungen ist.
Nach acht Verhandlungstagen
finden wir uns am 11.
November im Landgericht
Köln zur Urteilsverkündung
zusammen.
Das ist schon seltsam.
Ganz Köln feiert den
Karnevalsbeginn um uns
herum und im Gerichtssaal
ist die Stimmung komplett
anders.
Alexander wird wegen
besonders schwerer sexueller
Nötigung zu sieben Jahren
und sechs Monaten Haft
verurteilt.
Das Gericht will sich die
Unterbringung in einer
Sicherungsverwahrung
vorbehalten.
Die Kammer konnte das
Eindringen also letztlich
nicht belegen, heißt
aber nicht, dass es nicht
passiert ist.
Alexander nahm für seine
Erkenntnis, dass er auf
Frauen steht, meinen Tod
billigend in Kauf.
Dafür bekommt er aber keinen
versuchten Mord oder
Totschlag, weil er von dem
Versuch ja zurückgetreten ist,
indem er den Notruf
gewählt hat.
Und das wirkt sich dann ja
strafbefreiend aus.
Und Überraschung, das
Gericht bescheinigt
Alexander eine hohe
Rückfallwahrscheinlichkeit.
Ich bin echt erleichtert
über das Urteil, auch weil
mit dem Strafmaß gewürdigt
wird, wie schlimm es für
mich war.
Ich bin aber auch
erleichtert, weil es jetzt
vorbei ist.
Erstmal.
Aber was kommt danach?
Was passiert, wenn Alexander aus
dem Gefängnis kommt?
Wird er dann wieder Straftaten
begehen?
Kann ihm danach geholfen
werden?
Vielleicht fragt ihr euch, ob ich
gerne wissen würde, was er
genau mit mir gemacht hat.
Lange Zeit hätte ich das
bejaht.
Aber im Nachhinein denke ich,
es ist vielleicht besser, wie
es ist.
Ich will mich auch nicht daran
erinnern, wie es ist, Todesangst
zu haben.
Ich habe damit zu leben
gelernt und das, was mir
passiert ist, mithilfe einer
tollen Therapeutin gut verpacken
können.
Natürlich werde ich manchmal
noch zurückgerissen.
Abends zum Beispiel, wenn ich
Panik bekomme, nicht einschlafen
kann und mich ins Wohnzimmer auf
die Couch legen muss, damit
nebenbei der Fernseher laufen
kann.
Diese Momente gibt es.
Wo wir hier schon bei
Prozenten sind, würde ich
sagen, sie nehmen 10% meines
Lebens ein.
Heute bin ich einfach froh
darüber, dass ich meinen Job
weitermachen kann.
Wenn ich an die Frau denke, die
Alexander im Auto eingesperrt hat,
weiß ich, dass es auch mir im
Nachhinein so hätte gehen
können.
Nachdem ich die Zweifel über
meinen Job beiseite packen
konnte, habe ich erkannt, dass
Quatsch ist, meine
Berufswahl zu hinterfragen, weil
ich klein und zierlich bin.
Ich würde immer noch mit
sexuell grenzüberschreitenden
Jugendlichen zusammenarbeiten,
wenn sie in meiner Gruppe sind
und lasse mir auch nicht
einreden, dass ich dem
nicht gewachsen bin.
Allerdings unterstütze ich
keine Jugendlichen mehr mit
Sexualvorstrafen, die sich
einer Therapie verweigern.
Das hätte man auch bei
Alexander anders machen
müssen.
Natürlich gucke ich
heute mehr auf Risiken, was
mich zu einer sehr
nervigen Kollegin für
einige macht.
Ich will immer noch später
Täterarbeit machen, vor allem
mit Sexualstraftätern.
Als Beteiligte habe ich
natürlich nochmal eine andere
Motivation, weil ich weiß, wie
es sich anfühlt, betroffen zu
sein.
Und deswegen ist die Arbeit
wichtig.
Ohne sie würde es nur noch
mehr von mir geben, noch mehr
Betroffene.
Täterarbeit ist Opferschutz.
Beides sollte uns am Herzen
liegen.
Ich muss immer heulen, wenn du heulst.
Sonst kriege ich es hin.
Ich hätte auch jetzt nicht
gedacht, dass es mich so
catcht, aber das ist halt was
anderes, wenn man das so aus der
Person, aus der Sicht hört.
Und es tut mir einfach so leid
für Hannah, dass sie sowas
erleben musste.
Und ich finde es so stark, dass
sie das so reflektiert sehen
kann, dass der Alexander, also
dass er ihr auch irgendwie leid
tut.
Das finde ich.
Und ich kann das auch verstehen
und ich finde, das macht das
alles nochmal viel schlimmer.
Man kann natürlich mega sauer
sein und man ist auch sauer.
Aber man denkt sich auch, warum
hat man ihm nicht geholfen?
Vielleicht wäre das dann auch
nicht passiert und dann dieses
Gedankenkarussell irgendwie angeht.
Was wäre, wenn?
Also, dass sie das so sieht, wie
sie es sieht, das war natürlich
auch ein Grund, warum wir uns
dachten, wir würden ihre
Geschichte gerne erzählen, weil
das natürlich auch nochmal eine
ganz andere, so ganz andere
Gegenpole im Gehirn setzt.
Also eines dieses, ich bin sein
Opfer gewesen und es macht mich
wahnsinnig wütend, dass die
Gefahr so groß war, dass du mir
ganz viele Dinge auch hättest
nehmen können im Leben und
vielleicht auch genommen hast,
wie diese Beziehung.
Was mir wirklich, und das können
wir jetzt ja euch nicht zeigen,
aber die Hanna hat uns auch die
Fotos gegeben von sich im
Krankenhaus und das war halt echt
schlimm.
Also sie ist halt 22 Jahre alt und
sitzt da wie so ein kleines
Vögelchen im Bett mit diesen
Verletzungen im Gesicht und ihrem
Plüschfuchs.
Und man denkt sich so, sie macht
schon diese Arbeit mit denen und
dann wird sie halt auch Opfer.
Das ist halt so scheiße.
Also ich finde, es ist immer noch
mal irgendwie was, was da so eine
Lage drauf liegt, dieses sie ist
eigentlich da, um zu helfen, dieser
Person.
Ja.
Das ist für mich immer dieses, ja,
jemand hilft dir damit, dass du
besser mit dir selber umgehen
kannst und dieser Person musst du das
dann antun.
Also ich fand halt auch so krass und
das finde ich halt bei den
Verbrechen so das Schlimmste.
Das hat sie mir ja auch dann in den
Gesprächen erzählt, ist, dass das so
furchtbar ist, dass jemand anders
jetzt entscheidet, wie dein Leben
weitergeht.
Jetzt hat sie ja zumindest den Job
behalten können und so, aber diese
andere Frau zumindest, die wollte
ihren Job nicht wechseln.
Die wollte keine Todesangst haben.
Die wollte nicht, dass all das
passiert und jemand anders und das
bei allen Verbrechen, die wir
besprechen, entscheidet darüber, wie
dein Leben in Zukunft weiterlaufen
wird.
Und das ist einfach, das macht mich so
wütend, weil, weil dir so diese
Kontrolle genommen wird über das, was
du aus allem machen kannst und ob du
glücklich bist oder nicht, ob du in
eine Depression fällst oder nicht, das
entscheidest dann in dem Moment nicht
mehr du.
Ja.
Da muss man kurz ausschnauben jetzt.
Ja, ich auch.
Die Geschichte, die ich euch heute
erzähle, zeigt eindrücklich, wie
furchtbar es ist, einen geliebten
Menschen durch ein Verbrechen zu
verlieren.
Mein Wecker reißt mich unsanft aus
meinen Träumen.
Aber das ist okay, denn heute sehe ich
Max wieder.
Zwei lange Wochen liegen hinter mir,
seitdem ich das letzte Mal zu Hause
war.
Ich ziehe ein schwarzes Kleid mit
weißen Kätzchen drauf an, das er so
gerne mag und die neuen Schuhe.
Ich schicke ihm ein Spiegel-Selfie
von mir und schreibe, guten Morgen.
Ich mache mich jetzt fertig und hoffe,
wir sind schnell durch, damit ich zu
dir kann.
Aber die Nachricht geht nicht durch.
Das wundert mich.
Genauso, dass gestern gar kein
Ich-bin-zu-hause-gute-Nacht-Text
mehr kam.
Max hatte, als er auf den Bus
wartete, nur noch geschrieben,
Schlaf gut, Prinzessin, wir haben
noch das ganze Wochenendezeit.
Dass das nicht stimmt, konnte er nicht
wissen, als er sie in sein Handy
tippte.
Ich auch nicht.
Die Wahrheit ist, dass wir kein
ganzes Wochenende mehr hatten.
Die Wahrheit ist, dass wir keine
einzige Sekunde mehr hatten.
Als ich Max zum ersten Mal in meinem
Leben sehe, bin ich 14 und er 16.
Der Rahmen unseres relativ unspektakulären
Kennenlernens ist ein Anime-Hinterhof-Treffen
in einem Jugendheim am Arsch der Welt.
In dem Internetforum Animex, in dem sich Fans
aus ganz Deutschland tummeln, werden immer
mal wieder Treffen organisiert, an denen man
zusammen Animes schaut, Spiele spielt, sich
austauscht und einfach abhängt.
An diesem Tag im März 2012 sind ca. 30 junge
Leute gekommen und unter ihnen eben auch Max.
Als der schlachsige große Junge mit den
schlecht gefärbten schwarzen Haaren im
Justin Bieber-Verschnitt vor mir steht und
sich schüchtern vorstellt, bin ich eher
unbeeindruckt.
Als er mir im Laufe des Abends dann auch
noch erzählt, dass er die Serie My Little
Pony toll findet, in der Zeichentrickpferde
die Fantasiewelt der Freundschaft
entdecken, sinkt er auf der Coolheitsskala
nochmal einen ganzen Kilometer weit nach
unten.
Mit meinem dicken schwarzen Emo-Kajal und
den bunten Haaren kann ich gefühlt schon
lange nichts mehr mit Ponys anfangen und bin
bereits bei ganz anderen Serien angekommen.
Aber Max und ich unterhalten uns
trotzdem weiter, denn eigentlich ist er
super nett und lieb.
Nach dem Treffen bleiben wir in Kontakt und
sehen uns in den nächsten Monaten immer
wieder bei solchen Anime-Zusammenkünften,
gehen irgendwann auch mal zusammen auf
Messen und zu Konzerten.
Es entwickelt sich eine Freundschaft zweier
Teenager, die einfach ein bisschen anders
sind als andere, die auf Animes, Rock,
Punk und verrückte Frisuren stehen.
Ein Jahr, nachdem Max in mein Leben
getreten ist, komme ich mit meinem ersten
Freund zusammen.
Es ist eine typisch stürmische
Teenage-Beziehung und so dramatisch wie sie war,
so endet sie nach eineinhalb Jahren auch.
Der Herzschmerz ist groß, die Wut größer und so
schmeiße ich nicht nur seine Klamotten aus dem
Fenster, sondern wasche auch dreckige Wäsche
bei Facebook, sodass jeder mitbekommt, wie es
mit mir geht und dass ich wieder Single bin.
Auch Max, den ich seit sechs Monaten nicht mehr gesehen hatte.
Er meldet sich und wir treffen uns für ein Fotoshooting, weil er gerne
fotografiert und ich mich gern Cosplay-mäßig verkleide.
Irgendwann im Laufe des Abends sagt Max plötzlich,
Du bist Single, ich bin Single, lass uns doch mal ausgehen.
Ich bin geschockt über seine Offensive, kenne ihn gar nicht so selbstbewusst.
Aber ich freue mich.
Und weil wir beide große Herr-der-Ringe-Fans sind, bietet sich ein bestimmtes Date ganz
besonders an.
Der Hobbit ist nämlich gerade ins Kino gekommen.
Geil!
Und so machen sich Max und ich auf zu unserem ersten offiziellen Date.
Ich bin total aufgeregt und aufgedreht.
Emanzipiert, wie ich mich schon mit 15 Dreiviertel fühle, zahle ich für die Tickets und bringe
Max damit aus dem Konzept, der sein ganzes Gespartes mitgeschleppt hat, inklusive
Kleingeld-Klingelbeutel.
15 Dreiviertel, so eine Altersangabe, das macht man halt bis genau 18 Jahre.
Der Film ist ein Erlebnis.
In den 182 Minuten des Hobbits wird gelacht, geschrien, mit Popcorn geworfen und sich
darüber aufgeregt, wie schlecht der Film im Gegensatz zum geliebten Buch ist.
Es ärgert mich in dem Moment wirklich, aber als der rebellische Teenager, der ich bin,
rege ich mich halt einfach auch gerne auf.
So schimpfe ich auch noch auf dem Rückweg über die eine Stelle, die sie so ganz anders
gemacht haben als in der literarischen Vorlage.
Da unterbricht mich Max plötzlich und sagt, ey, du bist so schön.
Moment, was?
Ich bin total perplex.
Was bist du denn für ein Typ?
Ich habe hier eine Krise wegen des Hobbits und du sagst mir das einfach so.
Umgehend entscheide ich mich dafür, Max mit nach Hause zu nehmen.
Nicht, um unanständige Dinge zu treiben, sondern einfach, um zu reden und zusammen zu sein.
Also schleuse ich ihn heimlich an meiner Mama vorbei in mein Kinderzimmer.
Wir quatschen über Serien und Filme, essen Tiefkühlpizza, liegen auf meinem Bett und schnarrn
die Decke an und küssen uns zum ersten Mal.
Max bleibt bis 5 Uhr morgens und ab dem Tag, dem 15. Dezember 2012, sind wir zusammen.
So richtig.
So richtig.
Freund und Freundin, obwohl diese Bezeichnung gefällt uns nicht.
Das hört sich irgendwie so an, als würde man es nicht richtig ernst meinen.
Wir sind PartnerInnen.
PartnerInnen fürs Leben.
Max und ich verbringen diese besonderen letzten Jahre der Schulzeit miteinander, in der man
jedes Wochenende in dem jeweils anderen Kinderzimmer schläft und die Hausaufgaben im Zug macht.
Denn Max wohnt in Düsseldorf und ich in Köln.
Max' Eltern, besonders seine Mutter Moni, fällt es anfangs nicht leicht, mich als Freundin
ihres Sohnes zu akzeptieren.
Mich, die laute, bunte Judith, die immer den Toilettendeckel oben lässt.
Aber weil Max glücklich ist, ist es Moni irgendwann auch.
Wir erleben Abenteuer zusammen, sind zu lange aus und schlafen zu wenig.
Wir schleichen uns heimlich ins Bad, wenn wir uns doch ein bisschen zu viel billiges Bier
reingestellt haben, teilen uns auf dem Spielplatz eine Flasche Wein und reden stundenlang über
Gott und die Welt.
Wir gehen auf Messen, Konzerte, Demos und in Clubs.
Wir helfen uns gegenseitig bei Klausuren und fahren gemeinsam in den Urlaub.
Die Zeit mit Max ist die schönste meines noch jungen Lebens.
Max, der von seinen Freundinnen immer Kätzchen genannt wird, ist der besonderste und echteste
Mensch, dem ich je begegnet bin.
Er hat sein Herz immer auf der Zunge und die sanfteste Seele.
Wo ich selbst nur ausbrechen und randalieren möchte, ist er immer bereit, mich mit offenen
Armen zu empfangen.
Er ist mein Ruhepol, wenn ich mal wieder rotiere.
Max wird zu meinem Vorbild.
Ich bewundere sein unverstelltes und fertiges Ich.
Er spricht über seine Gefühle, weint ehrlich.
Sowas kenne ich nicht.
In der Steuerberaterfamilie, in der ich aufgewachsen bin, liebt man mich zwar, das
weiß ich, aber Gefühle?
Was ist das?
Max weiß, wer er ist, obwohl er selbst noch so jung ist.
Schon mit 18 hat er seine Träume zusammen und eine politische Meinung.
Ganz anders als ich.
Schnell wird mir klar, dass Max für immer ein wichtiger Mensch in meinem Leben sein wird.
Auch wenn wir vielleicht irgendwann nicht mehr zusammen sein sollten, wird er da bleiben.
Das weiß ich ganz tief in mir drin.
Die Verbindung wird nie aufhören.
Nach seinem Abi beginnt Max in Düsseldorf ein IT-Studium.
Er will nicht weit weg, ganz im Gegensatz zu mir.
Als ich mit der Schule fertig bin, zieht es mich in die Ferne.
Also bewerbe ich mich für ein Praktikum in Berlin, am Theater, denn am liebsten möchte ich Kostümschneiderin werden.
Die Zusage kommt kurze Zeit später und damit die Gewissheit, dass ich mindestens sechs Monate von Max getrennt sein werde.
Wir reden darüber, fühlen uns sehr erwachsen und entscheiden deshalb, dass es besser sei, uns nicht nur räumlich zu trennen.
Vor allem ich forciere diesen Entschluss.
Denn ich weiß, dass Max eine Bezugsperson braucht, die da ist und weil ich ihm das jetzt nicht mehr bieten kann, finde ich es nur fair, Platz für andere zu machen.
Ein Monat später kann ich dann das erste Mal für ein Wochenende von Berlin nach NRW fahren.
Ich melde mich bei Max, frage ihn, ob wir einen Kaffee am Düsseldorfer Hauptbahnhof trinken wollen, weil ich da umsteigen müsse.
Er sagt ja.
Ich freue mich heimlich unglaublich, ihn zu sehen und die Zeit am Bahnhof vergeht im Flug.
Nachdem wir uns verabschieden und ich zum Gleis gehe, bereue ich es.
Ich drehe mich um und laufe zu ihm zurück.
Ich wusste, dass du nicht gehst, sagt Max, als er mich sieht.
Sagst du jetzt endlich einfach, dass alles wieder gut wird, fragt er und ich umarme ihn.
Max und ich sind wieder zusammen, wieder PartnerInnen.
Eigentlich hatten wir beide immer gewusst, dass wir nicht ohne einander sein wollen.
Am 19. Juni 2015 komme ich dann mal wieder in die Heimat.
Mittlerweile arbeite ich nicht mehr in Berlin, sondern in Hamburg, als Logistikerin in einer Firma, die Anime-Figuren vertreibt.
Max und ich sind mittlerweile seit zweieinhalb Jahren zusammen und können immer noch nicht genug voneinander bekommen.
So besuchen wir uns, so oft es geht.
Max hat deshalb vor kurzem auch seinen ersten Aushilfsjob angefangen, nachts Pakete sortieren.
Und das macht er auch an diesem Freitagabend, an dem ich erst gegen 22 Uhr nach einer langen Zugfahrt bei meiner Mama in Köln ankomme.
Der Plan ist, dass Max nach seiner Schicht noch vorbeikommt, aber ich merke, wie ich mit jeder Minute müder werde.
Morgen früh muss ich auch schon um sechs Uhr aufstehen, um auf die Hochzeit von meinem Großonkel zu gehen.
Ich schlage Max vor, dass er nach der Arbeit nach Hause geht, ausschläft und wir uns dann direkt nach der Hochzeit sehen.
Wir texten hin und her und zum Schluss schreibt Max, dass er jetzt aus der S-Bahn steigt und auf dem Bus zu ihm nach Hause wartet.
Schlaf gut, Prinzessin. Wir haben noch das ganze Wochenende.
Lese ich noch. Dann schlafe ich ein.
Am nächsten Morgen klingelt mein Handy um 7.33 Uhr.
Hallo Judith. Hör mal, hier ist Sandra, die Nachbarin von Max' Eltern. Wir kennen uns vom Abi-Ball.
Du, der Max hatte einen Unfall.
Mir wird schlecht.
Welchen Krankenhaus ist er? Frag ich sofort.
Der Unfall war tödlich, sagt die Stimme am anderen Ende und ich schreie.
Ich falle zu Boden und schreie.
Meine Mutter kommt zu mir gerannt, wütend reißt sie mir mein Handy aus der Hand und fragt die Anruferin, was der Grund für meinen Zusammenbruch ist.
Max ist tot.
Nach drei, vier Minuten werde ich ruhiger, die schreie leiser.
Meine Mama gibt mir mein Handy zurück und sofort wähle ich Max' Nummer.
Es kann nur ein Missverständnis sein, ein Fehler.
Max kann nicht tot sein. Es kann einfach nicht sein.
Er geht nicht ran. Ich rufe seine Eltern an. Sie nehmen auch nicht ab.
Ich rufe seinen besten Freund an, sag ihm, er soll zu der angeblichen Unfallstelle fahren.
Als ich auflege, bin ich mir auf einmal sicher, dass Max noch schläft.
Es war nämlich mal eine ganze Zeit lang Gang und Gebe, dass ich ihn morgens anrufen musste, um ihn zu wecken, weil er seinen Wecker einfach überhört hat.
Während ich völlig neben mir immer wieder Nummern in die Tasten meines Handys drücke, weiß meine Mutter nicht, was sie machen soll.
Schließlich ruft sie meine beste Freundin an.
Kurz Zeit später steht Tamara vor mir, in ihrem Schlafanzug.
Als sie neben mir auf dem Boden sitzt, höre ich im Radio zum ersten Mal die Nachricht.
Es gab einen tödlichen Unfall an der S-Bahn-Haltestelle Reißholz in Dessöldorf-Hassel.
Ein 21-jähriger Student ist dabei gestorben.
Ab da hocke ich wie ein Zombie vor dem Radio, um jede halbe Stunde wieder und wieder diese Meldung zu hören.
Nur um zu hören, dass sie sich doch getäuscht haben, dass es ein Fehler war, dass gar niemand bei dem Unfall gestorben ist.
Doch immer wieder ertönt die Stimme des Moderators mit demselben Satz.
Es gab einen tödlichen Unfall an der S-Bahn-Haltestelle Reißholz in Dessöldorf-Hassel.
Ein 21-jähriger Student ist dabei gestorben.
Bis ich es nach dem gefühlten zehnten Mal zum ersten Mal richtig verstehe.
Der 21-jährige Student ist kein 21-jähriger Student.
Das ist mein Mensch.
Sechs Stunden, nachdem ich die Nachricht zum ersten Mal gehört, aber nicht verstanden hatte, fahren meine Freundin, meine Mutter und ich zu der Unfallstelle.
Irgendjemand von uns kommt auf die Idee, Blumen und Kerzen zu kaufen.
An der Haltestelle angekommen, fühle ich mich, als würde ich erschlagen werden.
Ich kann euch sagen, das sieht nicht so aus, wie man das aus der Presse kennt.
Vor mir steht die Bushaltestelle, abgesehen davon, dass da nichts mehr steht.
Die Seiten zertrümmert und verbogen, die Rückwand weg, die Bank zerdrückt, die Bäume drumherum abgeknickt und überall flattert Polizeiband.
Auf der Straße und dem Bordstein weiße Markierungen und vor mir auf dem Asphalt ein großer, dunkler Fleck.
Ich lasse mich auf den kalten Boden fallen, schreie und weine.
Mehrere Minuten liege ich da, kann und will nicht glauben, was hier gestern Nacht passiert ist und merke dabei nicht, dass mich jemand filmt.
Irgendwer, der im Bus sitzt, der die Haltestelle gerade ganz normal anfährt, als wäre nichts passiert.
Dieses Video wird kurze Zeit später bei Facebook gepostet.
Meine Verzweiflung, mein Leid für mehrere tausend NutzerInnen zum Zeitvertreib.
Mein bester Freund Chris hilft mir irgendwann vom Boden auf.
In mir bäumt sich plötzlich der dringende Wunsch auf, zu wissen, was hier an dieser Stelle gestern Nacht genau passiert ist.
Wie wurde Max angefahren? Wieso überhaupt? Und musste er lange leiden?
Wir rufen bei der Polizei an, aber kriegen keine Informationen.
Solche seien nur den Verwandten vorbehalten.
Genauso wie eine Seelsorge.
Aber Max' Eltern möchte ich jetzt nicht fragen, will sie in Ruhe lassen.
Also bleibe ich in der Unwissenheit zurück, bleibe mit meinen Fragen allein.
Ich weiß gar nicht, was jetzt als nächstes passiert und was ich tun soll.
Um irgendwie an Antworten zu kommen, google ich, was passiert, wenn mein Freund stirbt.
Als ich am nächsten Tag zusammen mit Max' FreundInnen wieder an der Unfallstelle bin,
werden wir von einem Reporter einer Boulevardzeitung angesprochen.
Er ist derjenige, der mir all die Antworten auf meine Fragen gibt und mich damit in eine neue Schockstarre versetzt.
Er erzählt, dass der Unfallfahrer erst 18 Jahre alt ist, dass er hier ganz in der Nähe wohnt,
dass er betrunken war und dass er gerast ist.
Als mich Max' Eltern Moni und Michael dann am Montagmorgen dankenswerterweise mit zur Polizeistelle nehmen,
erfahre ich also nichts Neues von dem Beamten, der uns gegenüber sitzt.
Mir fällt nur auf, dass er die Informationen schonender formuliert.
Er spricht nicht von einem betrunkenen Raser, wie der Reporter,
sondern von einem alkoholisierten, sehr jungen Fahrer,
der mit überhöhter Geschwindigkeit unterwegs war und die Kontrolle über sein Auto verloren hatte.
Der Polizist ist geschult.
Er weiß, wie er mit den Familien von Opfern sprechen muss.
Er will nicht sagen, wie schlimm es wirklich war.
Er will Moni und Michael nicht erklären, dass ihr Kind 10 Meter durch die Luft geschleudert wurde.
Er sagt es ihnen nicht, aber die Boulevardzeitung sagt es ihnen.
Der Polizist will Michael nicht sagen, dass der Täter in den gleichen Bus hätte einsteigen können wie sein Sohn.
Er nicht, aber die Boulevardzeitung sagt ihm das.
Der Beamte erzählt uns außerdem, dass wir uns keine großen Hoffnungen bezüglich einer Strafe machen sollen.
Beim Unfall mit einem betrunkenen und jungen Autofahrer werden selten Haftstrafen verhängt.
Will der mich verarschen?
Frage ich mich.
Der Typ hat meinen Freund getötet.
Dann bekommen wir noch Max Sachen übergeben, die den Unfall überstanden haben.
Darunter sein Rucksack, in dem ein Erste-Hilfe-Set steckt.
Mir schießt sofort ein Gedanke in den Kopf.
Wenn nicht er, sondern jemand anderes getroffen worden wäre, wäre Max sofort hin, um zu helfen.
Und ihm konnte niemand mehr helfen.
Können wir Max noch einmal sehen, fragt Mutter Moni.
Der Polizist rät uns, es nicht zu tun.
Die Gerichtsmedizin in Düsseldorf sei überfüllt.
Max würde dort auf dem Flur liegen, mit anderen Toten.
Moni nickt.
Ich will protestieren.
Ich muss ihn sehen.
Ich kann es sonst nicht glauben.
Nicht akzeptieren.
Also sorry, aber das regt mich gerade total auf.
Das kann doch nicht der Grund sein, warum man Zugehörigen nicht das zusteht, dann da nochmal Abschied zu nehmen.
Dann schiebt man den halt dann weg vom Flur in einen anderen Raum.
Geht's noch?
Also das ist so wichtig für viele Betroffene, dass sie das sehen, weil dein Hirn sagt dir sowieso die ganze Zeit, das kann nicht sein.
Ja, genau deswegen möchte sie das auch unbedingt.
Ich muss ihn sehen.
Ich kann es sonst nicht glauben.
Nicht akzeptieren.
Aber allein darf ich nicht in die Gerichtsmedizin, weil ich nicht mit ihm verwandt bin.
Ich frage, ob ich dann die Fotos sehen darf, die von ihm vor der Obduktion gemacht wurden.
Das darf ich schließlich.
Aber nur, weil Moni und Michael es mir erlauben und weil ich in der Patientenverfügung von Max stehe.
Moni und Michael verlassen den Raum.
Sie möchten die Fotos nicht sehen.
Und so sitze ich mit meinen 18 Jahren alleine im Schlafanzug, den ich seit Tagen nicht mehr ausziehe, vor dem Computer, der auf dem Schreibtisch des Beamten steht, und klicke auf das erste Foto.
Wappne mich für einen Anblick, der mit Max nichts mehr zu tun hat.
Doch zu meinem Erstaunen ist Max ganz.
Er sieht aus, als wäre er heile.
Bis auf eine kleine Verletzung im Gesicht und am Bein sieht er aus wie immer.
Er sieht aus, als könnte er jeden Moment wieder aufstehen.
Ich klicke weiter und weiter.
Schaue mir jedes Foto ganz genau an.
Fange an zu weinen.
Hinter mir steht der Polizist, der offenbar nicht weiß, wie er mit der Situation umgehen soll.
Der sagt, hätte er ein bisschen weiter rechts gestanden, hätte er es vielleicht überlebt.
Ich starre auf dem Bildschirm, traumatisiere mich selber.
Niemand hält mich auf.
Niemand sagt, es reicht jetzt Judith.
Niemand hilft mir.
Niemand tröstet mich.
Eine Dreiviertelstunde lang tue ich mir das an, bis mein bester Freund Chris in das Zimmer stürmt und mich von dem Monitor wegzerrt.
Wäre er nicht gekommen, hätte ich noch fünf Stunden da gesessen.
Weil ich nicht weiß, wo ich jetzt mit meinen Gefühlen hin soll, möchte ich noch mal zur Unfallstelle fahren.
Chris und ich stehen vor dem roten Fleck auf dem Boden, als wieder der Boulevardreporter auftaucht.
Er fängt an, Fragen zu stellen und uns Bröckchen von Informationen vor die Füße zu werfen.
Er habe gehört, dass der Fahrer zwischen 70 und 100 kmh gefahren sei wie eine Rakete.
Das sei Absicht gewesen, nicht überhöhte Geschwindigkeit und somit ein Verbrechen.
Er bietet uns seine Hilfe an.
Wir sollten jetzt so schnell wie möglich ZeugInnen suchen, die erzählen können, dass der Fahrer schneller als 70 kmh gefahren ist.
Er könne für uns die Flyer mit dem Suchaufruf in der Redaktion ausdrucken.
Ich bin überrumpelt, aber dankbar, dass ich endlich eine Aufgabe habe.
Menschen suchen, die bezeugen, dass es sich bei dem Unfall um ein Verbrechen gehandelt hat.
Dass es kein Unfall war, sondern eine Tötung.
Wir, also Max' beste Freundin und ich, treffen uns am nächsten Tag wieder mit dem Reporter.
Er übergibt uns nicht nur die Flyer, sondern auch einen Zettel mit dem Namen des Täters und dessen Adresse.
Das finde ich so krass.
Ja.
Dann schiebt er den Satz hinterher.
Naja, also ich wüsste ja, was ich machen würde, wenn das mein Kind gewesen wäre.
Wow.
Also ich weiß auch, was ich am liebsten machen würde.
Zu dieser Adresse fahren, klingeln, den Typen anschreien und ihm am liebsten all das antun, was er Max angetan hat.
Doch so sehr ich das auch will und den Drang in mir verspüre, ich mache es nicht.
Warum?
Weil Max enttäuscht wäre.
Weil Max so etwas nie machen würde.
Und weil Max eben ein moralischer Kompass war und bleibt.
Am nächsten Tag lese ich in den Zeitungen über unsere Flyer-Aktionen.
Dass der Reporter die Flyer selbst gedruckt hat, wird nicht erwähnt.
Sowieso steht in den nächsten Wochen jeden Tag irgendwas anderes über Max in den Zeitungen.
Unter Titeln wie Eltern gehen durch die Hölle.
Er hatte noch so viele Pläne.
Oder hier weinen die Eltern um ihren Sohn.
Die Boulevardzeitung kann immer wieder neue Artikel produzieren, weil sich der Reporter an Moni und Michael gezeckt hat.
Nachdem er ihnen erzählte, dass sein eigener Sohn auf ähnliche Weise gestorben ist, öffnen sie ihm Tür und Tor.
Ob das mit seinem Kind wirklich stimmt, wage ich zu bezweifeln.
Moni und Michael erlauben dem Reporter sogar bei der Trauerfeier dabei zu sein.
Seine Präsenz stört mich am Ende zum Glück nicht.
Denn sie geht unter bei den 400 Menschen, die gekommen sind, um echt um Max zu trauern und ihn in Erinnerung zu halten.
Die Feier verläuft genauso, wie ich sie geplant habe und wie Max sie sich bestimmt gewünscht hätte.
Vorne steht ein großes Bild von ihm, auf dem er Bass spielt.
Und weil er pinke Haare hatte, als er starb, ist alles pink geschmückt.
Auch wir.
Außerdem tragen wir alle kleine Katzenöhrchen zu Max' Ehren.
Zu hören gibt es selbst gesungene Lieder, den Star Wars Imperial March und einige Reden.
Und dann bin ich dran.
In den letzten Tagen habe ich begriffen, wie sehr ich Max geliebt habe, höre ich mich sagen.
Wie sehr er mich geliebt hat.
Dass der Mittelpunkt aus meinem Universum gerissen wurde und ich gerade durchs All trudel ohne feste Achse.
Max hat mich immer festgehalten, immer auf mich aufgepasst.
Max hat mich immer angesehen, als wäre ich das Wertvollste auf der Welt.
Als könnte er nicht glauben, dass wir im selben Kosmos leben und dieselbe Luft atmen.
Dabei war er es, in den sich die Leute sofort verliebt haben, der so viele hier so tief berührt hat.
Du warst so besonders, so unendlich wichtig.
Du warst mein größter Schatz.
Du hast immer meine grünen M&Ms aussortiert, mir die Schuhe zugemacht.
Hattest immer einen Regenschirm dabei, den du nie benutzt hast, weil ich nach zwei Minuten im Regen aussehe wie ein begossener Pudel.
Du konntest niemals Fotze sagen, ohne danach einen Lachanfall zu bekommen.
Du hast mein Bier aufgemacht und anstandslos alles gegessen, was ich je für dich gekocht habe,
ob siebzehnschichtige Lasagne oder verkochten Kartoffelbrei.
Meine Rede beende ich mit den Worten, alles was ich wollte, war dich glücklich zu sehen,
dich in deinen Träumen unterstützen, die auch zu meinen geworden sind.
Stattdessen stehe ich jetzt auf deiner Trauerfeier.
Alleine mit deiner Liebe.
Ich hoffe, dass unsere Zeit bei dir ist, dass du dich, wo auch immer du bist, an mich, an uns erinnerst.
Ich weiß, ich werde mit meinem Herzen und meiner Liebe immer bei dir sein.
Max darf ich dann noch einmal im Beerdigungsinstitut sehen.
Er trägt ein T-Shirt, das ich aussuchen durfte.
Seine Haare sind zu einem Mittelscheitel gestylt.
Das hätte er so nie getragen und so wuschel ich ihm nochmal schnell seine Frisur zurecht.
Das hilft.
Das macht ihn wieder zu einem Menschen.
Vier Wochen später wird Max beerdigt.
Von da an bin ich jede Woche an seinem Grab.
Es geht mir schlecht.
Eigentlich will ich zurück nach Hamburg.
Arbeiten.
Aber es geht nicht.
Ich kann einfach nicht weg von hier.
Weg von Max.
Ich ziehe also wieder bei meiner Mama ein und beginne eine Ausbildung zur Bürokauffrau in Köln,
die ich aber nach drei Monaten abbrechen muss.
Ich schaffe es nicht.
Ich bin nicht funktional.
Hab Panikattacken.
Ängste.
Ich kann nicht schlafen.
Nicht am Verkehr teilnehmen.
Kann mich nicht konzentrieren.
Obwohl doch.
Ich kann mich konzentrieren.
Aber nur auf den Fall.
Auf das, was Max passiert ist.
Ich fange an, selbst zu ermitteln.
Suche weiter nach Zeuginnen, die etwas gesehen haben könnten.
Spreche mit der Polizistin, in deren Armen Max gestorben ist.
Und versuche, das Video zu finden, auf dem zu sehen ist, wie der Unfallfahrer eine Kreuzung überquert,
bevor er auf die Straße fährt, die zur Haltestelle führt.
Der Fall wird zu meinem Lebensinhalt und ich, das Mädchen mit dem toten Freund.
Ich kann es nämlich nicht ertragen, dass ich schuld an seinem Tod bin.
Max wollte in der Nacht noch zu mir kommen, aber ich war so müde von der langen Zugfahrt.
Ich habe vorgeschlagen, dass wir uns erst Samstag sehen.
Hätte ich das nicht geschrieben und wäre einfach noch eine halbe Stunde länger wach geblieben, wäre er zu mir gekommen.
Hätte einen anderen Weg genommen, hätte nicht an der Bushaltestelle gestanden, wäre nicht gestorben, wäre jetzt bei mir.
Jedes Mal, wenn ich an seinem Grab stehe, entschuldige ich mich hundertmal dafür.
Und es gibt eine Zeit, da habe ich den Wunsch zu sterben, aus lauter Schuldgefühlen heraus.
Ich weiß, ich brauche professionelle Hilfe.
Jemanden, der mir sagt, dass ich nicht schuld am Tod meines Freundes bin.
Ich gehe also zum Hausarzt, der mir eine Notfallüberweisung ausstellt.
Doch einen Therapieplatz kriege ich nicht.
So schnell wird eine Traumatherapie nur bei Angehörigen genehmigt, wird mir gesagt.
Ich versuche es bei mehreren Anlaufstellen.
Keine Chance.
Während mir zu Hause immer mehr die Decke auf den Kopf fällt, wird der Drang, Hilfe zu suchen, immer größer.
Und so schneide ich drei Monate nach Max Tod alle Zeitungsartikel aus, in denen ich genannt werde oder mein Foto zu sehen ist und fahre zu einer Klinik.
Zur Assistentin am Empfang sage ich, ich brauche jetzt einen Therapieplatz.
Mein Freund wurde von einem betrunkenen Autofahrer überfahren und niemand hilft mir.
Wenn sie mir keinen Platz geben, dann gehe ich zur Zeitung und erzähle, dass mir niemand hilft, nur weil ich nicht mit Max verheiratet war.
Die Frau ist irritiert und holt sofort den Stationsarzt.
Der nimmt mich mit in ein Behandlungszimmer und stellt Fragen.
20 Minuten später habe ich einen Platz.
Endlich.
Es folgt die Diagnose Traumastörung und neun Monate intensive Therapie.
Das Reden über Max Tod hilft mir.
Mit jeder Sitzung fühle ich mich leichter, lege langsam ab, dass ich an Max Tod schuld sei, lerne, wie man trauern und besser mit Panikattacken umgehen kann.
Ein Jahr später will ich weg aus NRW, weg aus meinem Umfeld, aus der Umgebung, in der mich alles an Max erinnert und weg von seinem Grab, weil es nicht aufhört, mich jede Woche magisch anzuziehen.
Ich ziehe also im August 2016 nach Leipzig und beginne eine Ausbildung zur Bühnenbildnerin.
In den nächsten Monaten komme ich nicht mehr so oft nach Köln.
Im Mai 2017 trete ich die Reise aber mal wieder an.
Zum Prozess.
An dem Tag betreten wir zu fast 30. geschlossenen Gerichtssaal.
Alle tragen ein schwarzes T-Shirt mit der Aufschrift
Alkohol am Steuer tötet.
Wir nehmen in den ersten Reihen Platz.
Hinter uns seine Familie.
Die Familie des Mannes, der Max getötet hat.
Dann kommt er in den Saal und sieht aus wie ein ganz normaler Mensch.
Das passt irgendwie nicht zu dem Bild, das ich im Kopf hatte.
Das Bild von diesem Monster, dem gesichtslosen Täter, dem Mörder.
Angeklagt ist der mittlerweile 20-Jährige wegen fahrlässiger Tötung.
Am Abend des 19. Juni 2015 habe er mit einem Freund Bier und Wodka getrunken und sich dann anstatt in die Bahn ins Auto gesetzt, um nach Hause zu fahren.
Mit 1,7 Promille im Blut habe er dann mit mindestens 97 kmh die Kurve vor der Haltestelle genommen und dadurch die Kontrolle über das Auto seines Vaters verloren.
Erst habe er damit den Bordstein, danach Max getroffen, der durch den Aufprall mehrere Meter durch die Luft geschleudert wurde.
Der Staatsanwalt hält am Ende der Anklageverlesung noch fest, dass es bei Einhaltung der Höchstgeschwindigkeit von 50 kmh nicht zu dem Unfall gekommen und Max heute noch am Leben wäre.
Als er dran ist und aus seiner Sicht erzählt, merkt man, dass er nicht verstanden hat, dass er mit seiner Entscheidung, sich an diesem Abend hinter Steuer zu setzen, einen Menschen getötet hat.
Ganz am Ende fügt er noch hinzu, dass es ihm Neid tut. Dabei schaut er nicht auf. Für mich fühlt es sich nicht echt an.
Nach seiner Einlassung ist kurz Pause. Wir gehen alle vor das Gerichtsgebäude. Auch er.
Zehn Meter steht er von mir entfernt und schaut mich an. Und wieder mache ich nichts. Gehe nicht hin.
Brülle ihn nicht an. Hau ihm keine runter. Und ich bin stolz drauf.
Dann kommt eine Reporterin der Bild auf mich zu. Sie sagt, sie würde gerne ein Foto machen.
Ich möchte das nicht. Wollte es noch nie.
Sie verspricht nur das T-Shirt abzufotografieren. Nicht mich. Ich lasse mich breitschlagen.
Danach hält mir noch ein Mann ein Mikro unter die Nase und sagt, ey, du musst jetzt mal was sagen.
Das Shirt hast du doch nicht umsonst angezogen. Sag mir mal, wie du dich fühlst.
Und dann sage ich etwas, was ich im Nachhinein bereue.
Ich verstehe einfach nicht, wieso so jemand die Chance bekommt zu leben und meinen Max nicht.
Am nächsten Tag ist nicht nur mein Gesicht in der Bild zu sehen, obwohl mir versprochen wurde, dass nur das T-Shirt abfotografiert wird.
Im Radio wird mein Kommentar so ausgelegt, als hätte ich ihn rassistisch gemeint.
Nur weil der Täter einen Migrationshintergrund hat.
Eine rechte Seite benutzt den Kommentar auch noch für ihre Zwecke und ich bekomme Hassnachrichten.
Ich bin keine Rassistin. Mir ist es scheißegal, woher der Täter kommt.
Ich hätte über jemanden ohne Migrationshintergrund genau dasselbe gesagt.
Wieso darf so jemand, jemand, der sich betrunken ins Auto setzt, viel zu schnell fährt und dabei einen Menschen tötet?
Warum darf der leben und Max nicht? Warum?
Das ist eine ernst gemeinte Frage.
Nach der Verhandlungspause gehen wir zurück in den Saal.
Das Urteil wird verkündet.
Ich werbe nämlich, denn ich erinnere mich an die warnenden Worte des Beamten.
Es ist trotzdem wie ein Schlag ins Gesicht.
Weil er nach Jugendstrafrecht verurteilt wird und nicht vorbestraft ist,
bekommt der Täter am Ende vier Wochen Jugendarrest, Führerscheinentzug
und die Auflage, die Schule zu Ende zu bringen und eine Therapie zu machen.
Wow.
Ich musste erst eine Klinik erpressen, um überhaupt einen Therapieplatz zu bekommen
und dem Menschen, der Max getötet hat, wird einer nachgeschmissen.
Ich kann es nicht fassen.
Heute, sieben Jahre nach dem Tag, der alles verändert hat,
sehe ich die Strafe immer noch als lächerlich milde an.
Aber sieben Jahre nach dem Tag geht es mir wieder gut.
Ich kann mein Leben ganz normal leben.
Habe sogar ein erfolgreiches Leben.
Ich bin fest angestellt in einem Job, den ich gerne mag
und habe einen tollen Partner, der mich an Max Grab begleitet,
wenn es mir doch mal nicht gut geht.
Denn diese Tage gibt es natürlich auch.
Tage, an denen ich nicht normal leben kann,
nicht funktioniere.
Meist sind das Todes- oder Geburtstage von Max.
Erst vor sechs Wochen jährte sich der 20. Juni zum siebten Mal.
Wie jedes Jahr saßen wir mit Max' besten Freundinnen an seinem Grab.
Es gab Bier, natürlich auch ein Glas für Max und Pizza.
Wir haben seine Lieblingsmusik gehört
und peinliche Selfies mit dem Grabstein gemacht.
Wir haben ihn gefeiert.
Die Zeit gefeiert, die wir mit ihm hatten.
Heute denke ich nicht mehr jeden Tag an Max.
Aber er ist immer da.
Immer in meinem Herzen und durch ein Tattoo auch auf meiner Haut.
Viele Entscheidungen treffe ich auch heute noch so,
als würde er hinter mir stehen.
Mein moralischer Kompass, den ich immer bei mir trage.
Am Ende hat mich Max damit zu einem besseren Menschen gemacht.
Verständnisvoller, stärker und reflektierter.
Und vielleicht schaffe ich es durch ihn ja auch irgendwann,
dem Täter zu verzeihen.
So wie Max es getan hätte.
Es gibt halt immer ein Davor und Danach.
Also das Leben vor der Tat und das Leben nach der Tat.
Ich finde es auch so schrecklich, dass sie so dafür kämpfen musste,
dass sie ein Leben danach haben kann,
indem sie halt diese Klinik erpresst.
Ja.
Wie schlimm ist das?
Ich habe das Gefühl, dass man von einem Tod von einem Menschen
irgendwie dann immer nochmal anders spürt,
was Schmerz eigentlich heißt.
und einem dieser Schmerz auch nochmal anders ins Leben wirft.
Obwohl man in dem Moment ja auch oft irgendwie sich gar nicht so richtig da fühlt.
Weißt du, was ich meine?
Und ich kann das so nachvollziehen, dass sie so dachte,
dass dieser Journalist ihr, der jetzt eine Aufgabe gibt,
jetzt kann sie irgendwas machen, jetzt hat sie was zu tun,
jetzt kann sie irgendwas anderes tun,
als einfach nur zu verzweifeln an dem, was passiert ist.
Weißt du, wir hatten das auch schon öfter mal als Feedback von ZuhörerInnen,
dass das schon auch ein Ding ist mit dieser Angehörigen-Zugehörigen-Geschichte.
Also, dass man als zugehörige Person,
ich meine, er hatte sie jetzt wenigstens in der Patientenverfügung drinstehen,
aber du hast ansonsten einfach gar keine Rechte.
Und wenn du dich, stell dir mal vor,
du verstehst dich mit der Familie von dem nicht gut oder so,
du kannst nichts machen, wird einfach alles verweigert.
Ja, das war auch für sie mit das Schlimmste,
dass sie so behandelt wurde, als würde sie gar nicht zu ihm gehören oder so.
Und immer gesagt wurde, so nach dem Motto,
du bist nicht wichtig genug.
Das wurde ihr gegeben, das Gefühl.
Ja, und dabei war sie wahrscheinlich der wichtigste Mensch in seinem Leben.
Ja.
Ich frage mich immer bei Menschen, die dann verstorben sind,
so, wie würde mein Leben dann jetzt aussehen,
wenn die noch da wären, weißt du?
Und das würde sie wahrscheinlich auch haben.
Ich meine, sie hat jetzt einen Freund offenbar,
der ihr viel Stärke gibt und so,
aber es hätte halt auch der Max sein können,
der jetzt an ihrer Seite ist.
Ja, ich finde das auch sehr gut,
dass wir diesen Fall ausgewählt haben.
Wir haben das ja zusammen ausgewählt,
weil er einfach nochmal eben eindrücklich zeigt,
wie es ist, einen Menschen zu verlieren durch eine Tat.
Und das haben wir ja immer in unserem Podcast.
Da sind immer Menschen, die da dranhängen,
die Angehörige oder Zugehörige der Opfer sind.
Aber sie kommen ja selten selbst zu Wort und können wirklich anschaulich machen,
wie furchtbar die Hölle ist, durch die sie gehen.
Und was es wirklich bedeutet, den Menschen dann durch sowas zu verlieren,
durch eine andere Person und was für Probleme danach auf einen zukommen können
und mit was für Menschen man sich rumschlagen muss.
Und als ich mit ihr telefoniert habe und so, habe ich auch bemerkt,
wie Max von einem Opfer zu einem richtigen Menschen geworden ist in mir drin.
Dass ich ihn dann ganz anders sehen konnte.
Und eigentlich ist es eine gute Erinnerung daran,
dass das bei allen Fällen bei uns so ist.
Es sind halt Menschen mit ganz vielen anderen Menschen drumherum,
die genau so ein Stück sterben wie die Opfer selber.
Hater werden sagen, wir haben unsere Gefühle nicht unter Kontrolle.
Macht was anderes, wenn ihr nicht drauf klarkommt.
Bei unserem Treffen hat mir Judith dann erzählt,
dass sie uns diese Geschichte erzählen wollte,
um zu zeigen, was eben eigentlich passiert,
wenn jemand in deinem Umfeld stirbt.
Aber für sie ist eine Sache noch viel wichtiger als das.
Ich habe vor sieben Jahren den wichtigsten Menschen verloren,
der alles für mich bedeutet hat,
der bis heute mein Leben prägt
und den ich die Chance hatte,
so viele Menschen kennenzulernen, wie ich es tue.
Den ich die Chance hatte, die Dinge zu erleben, wie ich es tue.
Und wenn ich diese Geschichte teile,
dann erinnern sich mehr Leute an Max
und können irgendwie einen Eindruck gewinnen,
was für ein Mensch er war.
Und ganz blöd ist es irgendwie so wichtig,
dass Leute sich an einen erinnern,
weil sonst hört man irgendwie doch ein bisschen auf zu existieren.
Und irgendwie ist das jetzt mein Weg,
so ein bisschen zu sagen,
hier, erinnert euch an Max.
Was Judith natürlich auch wichtig ist,
ist mit Max Fall irgendwie daran zu erinnern,
dass man sich nicht mit Alkohol im Blut
hinter Steuer setzen darf.
Und dass es halt auch nicht normal sein sollte,
nach einem Papier zu sagen,
jo, ich kann noch fahren, kein Problem.
Ja, sie glaubt, dass viele ihr Leid auch deshalb so irgendwie so mitfühlen können,
weil irgendwie jeder jemanden kennt, der schon mal angetrunken im Auto saß
und natürlich auch viele Mal nachts an der Bushaltestelle standen,
den es genauso wie Max hätte gehen können.
Total.
Ich glaube aber auch, dass viele Leute halt auch schon mal einen Menschen verloren haben,
den sie sehr geliebt haben.
Und deswegen diese Gefühle, die Judith da beschrieben hat,
die haben wir alle mal in uns getragen oder tragen die in uns.
Was für Judith nach Max Tod das Schlimmste war,
war dieses Alleingelassenwerden, hat sie mir erzählt.
Ich war ganz allein.
Und das ist richtig schlimm,
weil im Endeffekt bin ich bis heute unglaublich dankbar für die Menschen in meiner Umgebung,
weil wenn ich mal ganz ehrlich bin,
ich glaube, wenn ich nicht so tolle Freunde gehabt hätte
und nicht selber emotional so stabil gewesen wäre,
weiß ich nicht, was ich gemacht hätte,
weil es mir nicht gut ging.
Und ich hätte mir sehr gewünscht,
dass ich irgendeine Form von Unterstützung bekomme
von jemandem, der auch wirklich Hilfe sein kann
und nicht von meinen Freunden und von meiner Familie,
die für mich da waren, aber die halt keine Ahnung haben.
Ja, das fand ich echt ziemlich blöd.
Aber die Opferhilfe Düsseldorf hat sich inzwischen verbessert
und es gibt jetzt eine Anlaufstelle auf explizit für Jugendliche.
Das ist NRW weit inzwischen so.
Ich möchte mir da nicht auf die eigene Schulter klopfen,
aber schon ein bisschen,
weil ich habe mich viel beschwert und ich habe viel gesprochen in dem Jahr,
weil ich halt gesagt habe, es kann nicht sein.
Ja, und bei dieser Stelle können sich halt jetzt auch Jugendliche und junge Erwachsene hinwenden
und Hilfe finden,
wenn jemand in ihrem Umfeld gestorben ist,
mit dem sie halt eben nicht verwandt sind oder so.
Und das gab es halt vorher nicht.
Ja, ich habe eh das Gefühl,
dass zu wenig Menschen nur Trauerbegleitung in Anspruch nehmen,
die einem halt sehr helfen kann auch.
Ja, weil man dann nicht alleine durch muss.
Ja.
Was ich Judith ja natürlich auch gewünscht hätte, wäre,
dass ihr mal jemand gesagt hätte,
rede nicht mit der Presse.
Ja, also als du das erzählt hast mit dem Reporter,
als der das erste Mal auf die zugekommen ist,
hatte ich so ein ganz beklemmendes Gefühl in meiner Brust,
weil man sich wirklich gedacht hat,
der wirft die Informationen jetzt halt hin,
damit sie mehr redet.
Ja.
Und das ist so übel.
Ja, und Judith hatte beim zweiten Mal,
wo er dann ja da kam,
und sogar den Namen des Täters plus Adresse gegeben hat.
Das geht gar nicht.
Ja, da hatte sie,
im Nachhinein ist ihr das so gekommen,
dass sie sich so benutzt gefühlt hat und gedacht hat,
wahrscheinlich wollte er,
dass wir jetzt da hinfahren
und da richtig Randale machen
und damit er dann darüber schreiben kann.
Ja, das ist wirklich unglaublich.
Ja.
Lange war der Unfallfahrer für Judith übrigens ein Mörder.
Heute nennt sie ihn Täter.
Warum sich ihre Sichtweise geändert hat,
hat sie mir noch am Ende unseres Treffens erzählt.
Ich weiß ja,
dass dieser Mensch sich nicht mit der Absicht
ins Auto gesetzt hat,
jemanden umzubringen.
Er hat es in Kauf genommen,
er hat es nicht in der Absicht getan.
Das weiß ich.
Irgendwann hoffe ich auch,
dass das bei mir so angekommen ist,
dass ich das glauben kann.
Aber ich sehe ihn inzwischen als Mensch.
Und ganz, ganz lange war er für mich einfach so ein schwarzes Lochmonster,
was halt einfach meinen Menschen gefressen hat.
Er ist ein Mensch mit Fehlern
und ich glaube, dem muss man auch eine zweite Chance geben.
Ich glaube aber nicht,
dass ich dem eine zweite Chance geben muss.
Das ist ein Recht,
was ich mir irgendwie einräume.
Und gleichzeitig arbeite ich immer noch so ein bisschen daran,
ihm mehr und mehr zu vergeben.
Und ich bin weg von dem Punkt, wo ich sage,
wenn ich ihn sehe, haue ich ihm aufs Maul.
Ich würde ihn immer noch vor Schienbein treten.
Ganz ehrlich.
So fies.
Aber menschlich.
Ja, natürlich muss sie ihm keine zweite Chance geben.
Ich würde das sowieso niemals von Betroffenen erwarten,
dass sie verstehen, wie unser Rechtssystem auch funktioniert
und dass zum Beispiel TäterInnen auch Rechte haben und so.
Das ist für die ja ganz oft auch ganz übel zu erfahren,
dass die nicht nur, weil sie im Gefängnis sitzen oder so,
denn da auch wirklich die ganze Zeit absitzen müssen
oder zwischenzeitlich auch mal wieder raus können oder so.
Das ist halt so.
Aber ich würde nie von so einer betroffenen Person,
ja, gönn dem doch auch seine Rechte.
Ja, also natürlich ist das für die viel schwerer nachzuvollziehen.
Ich finde es ganz bewundernswert, dass sie sagt,
dieser Mensch hat sich nicht mit der Absicht ins Auto gesetzt,
jemanden umzubringen.
Das ist schon klar.
Ich glaube aber, jeder könnte eine Ansicht nachvollziehen,
wo eine Betroffene, wie Judith es ist, sagen würde,
er hat sich aber besoffen in dieses Auto gesetzt
und deswegen ist die Wahrscheinlichkeit,
dass dabei was passiert, auch nicht gerade gering.
Absolut.
Und ich glaube, jeder kann auch diesen richtig fiesen Schienenbeintritt nachvollziehen.
So, ich bin froh, dass wir hier heute aus mehreren Gründen Alkohol haben.
Cheers!
Der Grund ist nämlich, dass Mordlust vier Jahre alt geworden ist.
Ein richtig echtes Kindergartenkind, das Sprechen und allein zur Toilette kann.
Wie stolz bist du, Paula?
Sehr stolz.
Das ist auch ein Alter, wo man was mit dem Kind anfangen kann.
Also, das bringt einem jetzt auch was im Leben.
So, die ersten Monate war es ja eher so ein Klumpen Idee von uns,
wo wir irgendwas gemacht haben.
Und jetzt ist halt so ein, die Form ist erkennbar.
Ja.
Man kann dem Sachen anziehen, Tarnkleidung in der 99 zum Beispiel.
Das macht halt jetzt schon Spaß.
Ja, ich habe auch das Gefühl, wir als Mütter sind auch relaxter geworden,
weil man Mordlust jetzt schon auch so ein bisschen vertrauen kann, dass es läuft.
Ja.
Und worauf ich besonders stolz bin, ist, dass wir bei 99 Folgen, weil diese ist ja noch
nicht fertig.
Noch nicht verklagt wurden.
Ja.
Ach so, sorry.
Nee, dann mach du.
Nee, aber auch stimmt, dass wir erst einmal das Problem hatten, dass ein Teil der Aufnahme
weg war.
Ja, ich bin da stolz, weil ich weiß noch, ganz am Anfang mit der Technik war es schwierig.
Und worauf ich auch stolz bin, ist, das muss man wirklich betonen, wir haben noch nie eine
Folge ausfallen lassen, obwohl wir in der ersten Folge ja mal das hier gesagt haben.
Und ja, wir planen jetzt erstmal alle zwei Wochen eine Folge hochzuladen.
Ja, oder halt ansonsten immer mal.
Ja, genau.
Wenn ihr uns abonniert, dann bekommt ihr das ja mit.
Genau, Mordlust ist ja recht diszipliniert und ich würde sagen, das liegt auch am Geburtsdatum.
Denn geboren wurde Mordlust am 17.7., also da kam die erste Folge raus, aus der ihr jetzt
gerade so ein Schnipsel gehört habt, aus der ihr jetzt gerade ein Schnitzel...
Ja, wir gehen heute Schnitzel essen.
Wir gehen heute Schnitzel essen, ich bin schon ganz aufgeregt.
Vegan natürlich.
Also, wo ihr ein Schnipsel draus gehört habt.
Und damit ist Mordlust als Krebs geboren.
Und deswegen habe ich doch heute zur Feier des Tages mal mein großes astrologisches Hausbuch
aufgeschlagen.
Ah, deswegen habe ich das eben nicht als Mikrofonunterlage gefunden.
Genau, ich wollte dir nicht sagen, was ich damit gemacht habe.
Und alles, was da drin steht, stimmt natürlich und ist wissenschaftlich belegt.
Deswegen weiß ich übrigens auch immer genauso gut, wie der Charakter der Täter oder der
Täterin ist.
Weil wenn ich ihr Geburtsdatum kenne, dann schlage ich natürlich das Buch auf und dann schreibe
ich alles daraus ab.
Natürlich nähe ich.
So, egal.
Also, für den 17.7. steht in dem Buch unter der Kategorie Ihr Geheimes Selbst.
Da sie sehr intelligent sind und feste Überzeugung haben, brauchen sie ein Forum, auf dem sie ihre
Ansichten vertreten können.
Mordlust ist ja quasi sein eigenes Forum.
Ja.
Weiter steht da, dass Mordlust von kühnem Verstand und wissensdurstig ist, einen starken
Erfolgs- und Leistungsdrang hat, sich gut in andere hineinversetzen kann und meist gut
informiert ist.
Ey, das ist ja auf Mordlust geschrieben.
Jobs und Karriere.
Ihr herausragendes Potenzial öffnet Türen für unter anderem Bereiche wie der Justiz.
Wer jetzt an diesem Buch zweifelt, kann ja auch nicht mehr helfen.
Mordlust sei ein engagierter Kämpfer für die gute Sache.
Und jeder weiß, wir kämpfen hier für Liebe und Gerechtigkeit.
Weiter steht.
Weiter steht hier, dass Mordlust aufpassen muss, dass es seine Ideale nicht auf dem
Altar finanzieller Stabilität opfert.
Wir versprechen euch hiermit also, dass wir in Zukunft noch mehr unsere Werbepartner
inschenken werden.
Ja, das machen wir.
Negative Eigenschaft.
Hang zur Grausamkeit.
Steht ja wirklich.
Können wir auch bestätigen.
Und das Buch sagt, dass wenn Mordlust fünf Jahre alt ist, dann tritt unsere Sonne in das
Zeichen des Löwen und wir werden mehr Selbstbewusstsein bekommen.
Interesting.
Also noch ein Jahr.
Berühmte Persönlichkeiten, die auch an diesem Tag Geburtstag haben.
Jetzt halte ich fest.
David Hessehoff und Angela Merkel.
Das kann nur gut sein.
Das ist ja eine richtig krasse Kombi auch.
Und das steht wirklich ganz viel von Ehrgeiz und Arbeitsdrang.
Und ich finde, gerade wenn man sich halt vorstellt, wie wir angefangen haben, vielleicht sogar
noch vor der ersten Folge, dann kann man natürlich schon sagen, dass Mordlust sich durch sehr viel
Arbeit und Schweiß und Tränen so geformt hat, wie es jetzt ist.
Weil das sah ja vorher wirklich ganz anders aus noch.
Genau, was viele von euch nämlich nicht wissen, ist, dass die erste Folge, aus der ihr eben
das Schnitzel gehört habt, dass das gar nicht die erste Folge war, die wir aufgenommen haben.
Es gibt noch eine inoffizielle Folge.
Das war die Pilotfolge, die wir zum Glück gemacht haben.
Aber sie hat es halt nie on air geschafft.
Und jetzt können wir mal zusammen hören, warum.
Hallo.
Hallo.
Wir sind aufgeregt.
Ja.
Wir sind zwei kleine Schulmädchen.
Lauras Wangen werden jetzt auch gerade ein bisschen rot.
Ein bisschen rot.
Wir haben gerade überlegt, wie wir anfangen oder wer von uns anfängt.
Denn das ist ja unser Podcast und wir stellen uns gegenseitig Mordfälle vor, weil wir süchtig
nach True Crime sind und wenn jemand eine bessere Ausgabe von uns hören möchte, Englisch
kann, dann solltet ihr euch diverse Podcasts aus Amerika anhören, wie zum Beispiel My Favorite
Mörder.
Es ist so cringe.
Ich kriege Gänsehaut.
Ich finde es auch gut, wie wir uns wie immer, also eher so diese Tendenz haben, uns runterzuspielen.
Also wenn ihr was Besseres hören wollt, dann geht einfach auf den englischen Markt und hört alles an.
Alles ist besser als wir.
Ja, aber das kommt ja, weil die Sonne erst im fünften Jahr ins Zeichen des Löwens tritt.
Ist ja klar, dass wir dann, dass wir da noch nicht so weit sind.
Aber ganz ehrlich, wenn ich sowas gehört hätte, hätte ich ja auch sofort wieder abgeschaltet,
wenn jemand selber sagt, ja, also das ist hier echt nicht gut.
Da gibt es sehr viel anderes, was viel besser ist.
Wir probieren auch laut und deutlich zu sprechen und unsere Storys auf jeden Fall chronologisch
zu erzielen mit einem Erzählstrang, roten Faden.
Das probieren wir auf jeden Fall heute.
Genau.
Und wir sind auf Instagram.
Mordlust heißt der Podcast.
Wie ihr wisst.
Da könnt ihr uns auch mit Kritik zu ballern beispielsweise.
Weil wir werden viele Sachen falsch machen.
Und wir wissen, dass wir ähnlich sind wie MyFavoriteMörder.
Ja.
Das braucht ihr nicht nochmal zu sagen.
Ja, genau.
Wir finden uns ja auch sehr witzig, ne?
Ne, das ist ja das hysterische Lachen.
Ach so.
Das ist ja nicht, dass wir machen Witzlachen.
Das ist ja Angst.
Angstlachen.
Ja, stimmt.
Und wir machen das so, dass wir jede Woche dem anderen eine Aufgabe stellen.
Beziehungsweise wir sagen, wir haben Lust auf einen Mord aus Bayern zum Beispiel.
Oder kann natürlich auch ein bisschen konkreter sein, dass ich mir von Paulina einen Mord aus
Regensburg wünsche, bei dem eine Prostituierte in irgendeiner Weise daran vorkommt.
Ich möchte das, also es wäre schön, wenn es nicht so, ich möchte einen Kannibalenmord haben, sondern der Tag.
Einen ohrenfressenden Menschen.
Nein, das ist ja viel zu.
Ja, wenn er ein Menschen eh ist, dann isst er wahrscheinlich auch die Ohren.
Das glaube ich.
Ich glaube, die Ohren sind geschmacklich.
Das ist ja nur Knur.
Vielleicht kaut er nur da drauf rum und schmeißt es dann wieder weg.
Das ist ja eh gehackt.
Was ist das denn für ein geiles Gott?
Ach, ich erinnere mich daran.
Was ist die Ohren?
Ja, wir wollten damals sozusagen, dass ich zum Beispiel zu dir sage, ich möchte nächste
Woche einen Fall hören, der etwas mit Eis zu tun hat.
Ach ja.
Das haben wir, glaube ich, aber dann ja schon in der ersten Folge wieder abgeworfen.
Das fandst du scheiße zum Glück und deswegen haben wir das dann verworfen.
Die eineinhalb Stunden Rest ersparen wir euch jetzt mal.
Aber wir bedanken uns natürlich dafür, dass ihr trotz einiger Startschwierigkeiten an uns
geglaubt habt und bis heute da geblieben seid.
Wir hören uns wieder in Folge 101 mit einer regulären Folge.
Danke für die vier Jahre.
Cheers auf noch weitere vier mindestens.