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#105 Knochenjob

Mordlust
Neulich war ich bei meinem Arzt, der ja auch so ein bisschen dein Arzt ist, ne Laura, jetzt?
Ja, also für alle Sachen, die ich nicht so gern in London machen möchte.
Auf jeden Fall hat er erzählt, dass bei ihm im Garten im Februar ein Baum umgekippt ist.
Da gab es ja so krasse Stürme und Orkane in Deutschland und Zeynep hat alles aus den Böden gerissen.
Und dann musste er irgendwann wärmer und er war mit seinem Sohn im Garten und keine Ahnung, hat da rumgeschaufelt oder so.
Und sein Sohn hatte bei dem Baum gespielt, der umgekippt ist.
Und da ist halt jetzt so die Erde locker, wo der entwurzelt wurde.
Auf jeden Fall, wie Kinder so sind, ne?
Papa, guck mal hier, Papa, guck mal da.
Und er so halbherzig hingesehen, ja, schön, toll.
Und dann so, Moment mal, dreht sich um, hält sein Sohn halt einen Oberschenkelknochen in der Hand.
Warte mal, aber ganz kurz, das ist ja riesig, dieser Knochen.
Der hatte den Ganzen in der Hand.
Ja.
Naja, dann hat er auf jeden Fall die Polizei gerufen.
Die kam dann vorbei und beschloss dann jetzt, Grabungsarbeiten im Garten vorzunehmen.
Also seit einiger Zeit, Monaten graben die da jetzt nach weiteren Knochen im Garten meines Arztes.
Das dauert Monate.
Ja.
Die haben den halben Garten da schon umgewühlt.
Und haben die mehr als einen gefunden?
Mehr als den einen?
Ja.
Säcke haben die da rausgetragen.
Er sagt, mehrere Tüten.
Ich weiß nicht, wie groß die Tüten sind.
Aber ich stelle mir große Tüten vor.
Und er meint, das ist in der Gegend wohl schon öfter vorgekommen.
Und die gehen da halt mit so einem riesigen Sieb durch die Erde.
Aber müssen dann die Erde auch teilweise erstmal so aufwühlen.
Naja.
Und diese Knochen, die gehen dann in die Rechtsmedizin.
Aber er kriegt da nicht so viele Infos zu.
Er weiß wohl nur, dieser Oberschenkelknochen, der eine, ist von einer Person, die um die 30 bis 40 Jahre alt war.
Die geben ihm ja auch jetzt nicht mehr Informationen.
Finde ich aber schon krass.
Aber dann ist es ja jetzt schon entgegen meiner Theorie, die ich als erstes hatte in meinem Kopf.
Und zwar, dass sich da um einen alten Friedhof handelt.
Wieso kann das sein?
Das kann ja natürlich schon sein, dass dann da auch natürlich Menschen liegen, die nicht erst mit 80 gestorben sind.
Weiß ich nicht.
Dann könnte es natürlich auch ein Haus vom Serienmörder sein.
Kann alles sein.
Fühlt er sich da jetzt noch wohl?
Ja, das habe ich mir nämlich auch gedacht.
Aber für den ist das gar kein Ding.
Der hat mir auch so ein Video geschickt.
Guck mal, hier Absperrband und so.
Und da hinten, da war der Knochen.
Ich würde auf jeden Fall sehr ungerne eine Leiche im Garten haben.
Ich muss da nämlich immer an zauberhafte Schwestern denken.
Kennst du den Film noch?
Nein.
Kenne ihn gar nicht.
Nein?
Mit Sandra Bullock und Nicole Kidman?
Nee.
Also das sind zwei Schwestern, die magische Kräfte haben und die töten den Mann von Nicole Kidman, weil der gewalttätig ist oder so.
Und die vergraben den dann im Garten.
Und dann wachsen da über Nacht so Rosenbüsche und das Mädchen, also die Tochter von Sandra Bullock, die guckt dann aus dem Küchenfenster und sagt dann immer, was macht der Mann da?
Da steht ein Mann und die sehen den aber nicht und so.
Und ich habe da eine recht konkrete Sorge, dass sowas dann passieren würde.
Ja.
Auf keinen Fall.
Auch wenn das erlaubt wäre, würde ich auch meine Verwandten auf meinem Grundstück vergraben.
Weißt du?
Würde ich auch nicht machen.
Vielleicht wollen die da auch gar nicht sein.
Also es ist ja tatsächlich nicht erlaubt.
Ich habe mich nämlich neulich noch mal sehr damit auseinandergesetzt, was eigentlich mit Gräbern passiert, wenn die abgelaufen sind sozusagen.
Und manche werden dann einfach tiefer gelegt.
Manche werden aber auch rausgenommen.
Das hat uns dann jemand erzählt, der bei der Friedhofsverwaltung arbeitet in Mecklenburg-Vorpommern.
Und die kommen dann auf so ein Gemeinschaftsding, was aber glaube ich nicht zugänglich ist bei denen, bis die dann so komplett von der Erde verschluckt werden.
Okay.
Nee, aber das beruhigt mich jetzt ehrlich gesagt.
Ich dachte, du sagst jetzt, die werden weggeschmissen oder sowas.
Ich glaube, dass auch manche entsorgt werden, ja.
Okay.
Da müsstest du vorher bei der Friedhofsverwaltung anrufen und da fragen.
Oder einfach weiterzahlen und schon mal für die nächsten 100 Jahre im Voraus.
Und du meinst, dann besucht dich noch wer, ja?
Das sind so viele Nachkömmlinge, die dann alle noch um dich trauen.
Wir kannten diese Frau nicht, aber...
Paulina, guck mal.
Wir mochten den Podcast.
Ja, durch den Podcast werden wir ewig leben.
Das heißt, es kann sein, dass in 100 Jahren jemand diesen Podcast hört und dann vielleicht gerne mal an mein Grab kommt, ja?
Es kann sein.
Ich weiß nicht, ob sich die Menschen in 100 Jahren noch so mit dem identifizieren können, was wir hier gerade machen.
Für den unwahrscheinlichen Fall, dass doch jemand zuhört und das jetzt jemand in 100 Jahren hört, würde ich mich über jeden Gast in meinem Grab freuen.
Bei Laura seid ihr herzlich willkommen.
Wenn ihr an meinen Grab kommt, dann interpretiere ich das als Störung der Totenruhe.
Also das lasst ihr bitte.
Damit herzlich willkommen zu Mordlust, einem Podcast der Partner in Crime.
Wir reden hier über wahre Verbrechen und ihre Hintergründe.
Mein Name ist Paulina Kraser.
Und ich bin Laura Wohlers.
In jeder Folge gibt es ein bestimmtes Oberthema, zu dem wir zwei wahre Kriminalfälle nacherzählen, darüber diskutieren und auch mit Menschen mit Expertise sprechen.
Wir reden hier auch ein bisschen lockerer miteinander.
Das hat aber nichts damit zu tun, dass uns die Ernsthaftigkeit fehlt, sondern für uns ist das immer so eine Art Comic Relief, damit wir zwischendurch auch mal aufatmen können.
Das ist aber natürlich nicht despektierlich gemeint.
In fast allen Fällen, von denen wir hier in Mordlust erzählen, spielt ja die Leiche eine große Rolle in den Ermittlungen.
Die landet, nachdem man alle Spuren gesichert hat, in der Regel ja in der Rechtsmedizin, wo die Obduzierenden dann meistens herausfinden sollen, wie die Person gestorben ist.
Manchmal, wenn nur noch Knochen oder Einzelteile vorhanden sind, dann geht es noch um ganz andere Fragen, wie wer war denn die tote Person überhaupt?
Und dann tritt noch jemand an den sinnbildlichen Obduktionstisch, und zwar jemand aus der forensischen Anthropologie.
Und diese Sachverständigen, die sind dafür da, dem Skelett oder der Leiche ihre Identität zurückzugeben.
Und das funktioniert vor allem über die Knochen, weil die ganz viele Infos darüber enthalten, wer wir als Mensch waren und wie wir gelebt haben.
Wie zum Beispiel Altersspanne, Geschlecht, Größe, aber auch Essgewohnheiten oder wo die Person mal gelebt hat.
Im Gegensatz zum Obduzenten zum Beispiel geht es bei den forensischen AnthropologInnen also gar nicht viel um den Tod und dessen Umstände,
sondern mehr um das Leben und welche Spuren es im Körper hinterlassen hat.
Und wie die forensischen AnthropologInnen diese Informationen herausfinden, darum geht es jetzt in dieser Folge.
Es ist ein Sonntagnachmittag im Spätsommer 1994, als eine schwarze, feuchte Nase dicht über den sandigen Boden huscht.
Basolrüde Zeus, ein langhaariger Windhund, soll hier auf dem großen Tagebaugebiet für Braunkohle in Zwenkau bei Leipzig endlich mal Fährte aufnehmen.
So ein Barsoi, der muss mal spitz gemacht werden, hatte Marion schon von einigen Leuten gehört, die alle viel mehr Ahnung von der Rasse haben als sie.
Zeus ist ihr erster Windhund und Marion noch recht unerfahren, wenn es ums Training geht.
Wenn Zeus mal an Rennen teilnehmen soll, dann müsse er mal einen Hasen jagen, sagte man ihr und deswegen war Marion hierher gekommen.
Eigentlich kein schöner Ort, an dem man seinen Sonntag verbringen will.
Das karge Gebiet erinnert an vulkanische Mondlandschaft. Hasen- oder Kaninchenbauten sind aktuell noch nicht in Sicht und eigentlich darf man den Tagebau auch gar nicht betreten.
Da hält sich nur niemand dran.
Marion und Zeus spazieren weiter, an den Baggern vorbei, als Zeus' Interesse plötzlich geweckt wird.
Sein Weg führt ihn und Frau in Richtung Mülldeponie.
Dort fällt Marion eine Kuhle auf.
In der Kuhle liegt von Wasser getränkter Abfall.
Nichts Besonderes, allerdings bewegt es sich darin.
Unzählige fette, weiße Maden winden sich um sich selbst.
Und zwischen ihnen ragt wie ein Speer in die Höhe ein großer, weißer Knochen.
Marion tritt näher.
Ein Tierkadaver, könnte man denken, aber Marion kommt die Szenerie irgendwie seltsam vor.
Und tatsächlich erkennt sie bei näherer Betrachtung, das ist ein Menschenknochen.
Jede andere Person wäre sich da vielleicht nicht so sicher, aber Marion ist Zahnärztin und dementsprechend anatomisch bewandert und erkennt sofort die Struktur eines Oberschenkelknochens.
Ähnlich also wie unser Arzt.
Marion wird ganz anders.
Sie schnappt sich Zeus und verschwindet.
Ab ins Auto, auf direktem Weg nach Markkleeberg zur Polizeistation.
Doch dort schaut sie erstmal in ungläubige Gesichter.
Dass der Knochen, den Marion dort gesehen hat, von einem Menschen stammt, will man ihr zunächst nicht so recht glauben.
Erst als Marion sagt, dass sie Ärztin ist, hat sie die volle Aufmerksamkeit der Beamtinnen, die sie offenbar erst jetzt für voll nehmen.
Sofort wird die Leipziger Kripo informiert, die sich gemeinsam mit Marion auf den Weg zu der Stelle macht, an der sie die grausame Entdeckung gemacht hat.
Nur wenig später sind gleich mehrere gebannt dreinschauende Augenpaare auf die Kuhle gerichtet.
Beamtinnen der Kripo und der Spurensicherung starren ungläubig in das kleine Erdloch, zu dem Marion sie geführt hat.
Durch den mutrigen Boden ist er nur schwer zu erkennen, aber um den Knochen herum liegt ein brauner Teppich.
Mit Tape hatte jemand versucht, diesen zusammenzukleben, um den Blick auf das zu verbergen, was offenbar niemand finden sollte.
Eine Leiche.
Sehr sorgfältig hatte man sie nicht versteckt.
Die Bodenschicht auf ihr muss so dünn gewesen sein, dass Tiere leichtes Spiel hatten, sie abzutragen.
Noch vor Ort wird der Teppich geöffnet und das Innere betrachtet.
Abgesehen von den Knochen ist kaum noch etwas vorhanden.
Ein Gesicht erkennt man nicht, nur noch ein paar Haare kleben an dem, was mal der Kopf war.
Die Leiche muss hier schon lange liegen.
Mindestens zwei Jahre, schätzt man.
Für Polizeikommissar Mario Luda ist klar, das hier ist nur der Ablageort.
Wäre die Person hier verendet, wäre sie nicht noch in einen Teppich eingewickelt worden.
Während die Spurensicherung im vollen Gange ist, fertigen andere BeamtInnen ein Video vom Fundort an.
Etwas, was man 1994 noch nicht routinemäßig macht, doch die Kripo ahnt schon, dass das Video hilfreich sein könnte,
denn viele Rückschlüsse auf die Identität der Leiche im Teppich kann man nach erster Betrachtung noch nicht ziehen.
Man hofft auf die Erkenntnisse der Rechtsmedizin.
Die stellt fest, dass die Handgelenke mit einem roten Plastikband umwickelt wurden.
Das schließt einen möglichen Suizid oder einen Unfall schon mal aus.
Man hat es also eindeutig mit einem Verbrechen zu tun.
Das bestätigt auch das Einschussloch am Hinterkopf.
Jemand hatte das Opfer aus nächster Nähe von hinten erschossen.
Merkmale lassen sich folgende feststellen.
Männlich, ca. 1,85 Meter groß, wahrscheinlich eher kräftig gebaut, ca. 10 Zentimeter langes Haar
und er muss zwischen Mitte 20 und Mitte 30 Jahre alt gewesen sein, als er gestorben ist.
Vermuteter Geburtstag zwischen dem 24. Juli und 23. August.
Denn bei sich trug der Mann sowohl eine goldene Armbanduhr als auch eine goldene Halskette mit einem Sternzeichen Anhänger.
Ein Löwe.
Ob das wirklich sein Tierkreiszeichen war, ist aber natürlich ungewiss.
Auch Klamotten hatte man noch bei dem Toten gefunden, doch die liefern keine weiteren Anhaltspunkte.
So schludrig die Personen oder Personen beim Vergraben der Leiche gewesen sind, was die Kleidung angeht, wurde präziser gearbeitet.
Alle Etiketten wurden herausgetrennt.
Doch es gibt Hinweise, derer man sich nicht entledigen konnte.
Und die finden die ForensikerInnen auf den Röntgenbildern.
Auf ihnen lässt sich bereits der erste Hoffnungsträger für eine baldige Identifizierung erkennen.
Eine Metallplatte im linken Unterschenkel, die zur Behandlung eines Knochenbruchs eingesetzt wurde.
Vielleicht ein Sportunfall?
Die Platte ist mit Schrauben an den Knochen befestigt.
Die RechtsmedizinerInnen lösen sie ab und legen so die Herstellerbezeichnung frei.
MLW 119 ist auf der Platte eingraviert.
DDR-Material.
Aber leider ein Massenprodukt.
Über den Hersteller lässt sich nicht eingrenzen, in welchem Krankenhaus das Opfer vielleicht behandelt wurde.
Die Mordkommission Löwe hat es nicht leicht mit dem Unbekannten.
Der Tote gibt ihnen Rätsel auf.
Die Merkmale, die sein Körper noch in sich trägt, sind nicht genug, um auf seine Identität zu schließen.
Das Ermittlungsteam kontaktiert alle infrage kommenden Krankenhäuser, in der Hoffnung, dass sich dort jemand an eine solche OP erinnern kann.
Schaltet Anzeigen im Deutschen Ärzteblatt, fragt bei Hausärztinnen an, ob sich dort vielleicht jemand an so einen Patienten erinnern kann.
Aber all diese Bemühungen bleiben genauso ergebnislos wie der Abgleich mit vermissten Fällen der letzten Jahre.
Obwohl zeitweise 15 ErmittlerInnen an dem Fall sitzen, kommen sie mit dem Toten nicht weiter.
Er bleibt ein Unbekannter, dessen Schicksal die Mokulöwe nicht aufklären kann.
Bis Kommissar Mario Luder im Februar 1998, dreieinhalb Jahre nachdem die Leiche gefunden wurde, überraschend ein Zufall zu Hilfe kommt.
Bei einem Sektempfang macht er die Bekanntschaft vom stellvertretenden amerikanischen Botschafter.
Beim Plaudern kommt das Gespräch auf den Unbekannten aus dem Zwenkauer Tagebau.
Luder schildert die Probleme, die er und seine KollegInnen bei den Ermittlungen haben, beziehungsweise hatten, denn in den letzten Jahren ist nicht mehr sehr viel Bewegung in den Fall gekommen.
Doch das soll sich jetzt ändern, denn der stellvertretende Botschafter hat eine zündende Idee.
In Washington löse das FBI seit einiger Zeit Fälle durch eine Gesichtsweichteilenrekonstruktion.
Eine Methode, bei der das ehemalige Gesicht einer unbekannten verstorbenen Person anhand der noch verbliebenen Gesichtsknochen versucht wird zu rekonstruieren.
Auch in Deutschland hat man somit schon detailgetreue Zeichnungen von Gesichtern Verstorbene anfertigen können.
Doch 1998 gibt es hier nur wenige ExpertInnen, die sich darauf spezialisiert haben.
Und diejenigen, die solche Rekonstruktionen beherrschen, haben Wartelisten von mehreren Jahren.
Jahre, die Mario Luder nicht warten kann.
In Washington allerdings könne man innerhalb weniger Wochen mit einem Ergebnis rechnen, sagt der Botschafter.
Mario Luder sieht das erste Mal nach langer Zeit einen Hoffnungsschimmer, in dem Fall wieder voranzukommen.
Und tatsächlich fliegt nur zwei Monate, nachdem die beiden Männer sich auf die Zusammenarbeit geeinigt haben,
der Schädel des unbekannten Toten verpackt in einem Pappkarton nach Washington zum FBI.
Ein bisschen länger als gedacht dauert es, doch das versprochene Ergebnis kommt.
Im Sommer 1999 bekommt die Mokulöwe den Kopf zurück und gleich mehrere mögliche Phantomzeichnungen des Opfers dazu.
Da die wenig nützen, wenn niemand sie zu Gesicht bekommt und mit bekannten Gesichtern aus dem Gedächtnis vergleichen kann,
präsentiert sie Ermittler Mario Luder kurze Zeit später in der Fernsehsendung Kripo Live.
Im ordentlich aufgebügelten grauen Anzug erzählt Luder von der Arbeit der Mokulöwe.
Dabei wandern seine Augen manchmal etwas hilflos im Studium her,
während hinter ihm das Video läuft, das seine Kollegen beim Auffinden der Leiche im Tagebau angefertigt haben.
Dann wird auf den Bildschirm der Schädel des Toten eingeblendet und nach kurzer Zeit weicht er der schwarz-weißen Phantomzeichnung.
Zu sehen darauf ist ein ernst reinblickender Mann mit leicht knubbeliger schiefer Nase, kleinen Augen und einem markanten Kinn.
Dass man ein Gesicht anhand der Knochen wiederherstellen konnte, ist eine große Sache.
Und so wandert das rekonstruierte Gesicht durch mehrere Medien, bis es irgendwann von jemandem betrachtet wird,
der sich sicher ist, auf dem Bild einen alten Bekannten zu erkennen,
den er seit einigen Jahren seltsamerweise nicht mehr gesehen hat.
Wenig später meldet sich der Zeuge bei der Polizei und sagt, er habe mit jemandem im Gefängnis gesessen,
der dieser Person auf dem Bild sehr ähnlich sieht.
Matthias Barnek, genannt Barney.
Und der Zeuge gibt noch einen weiteren Hinweis.
Man solle doch mal an Barneys Freundeskreis ermitteln.
Er habe da so einen Verdacht, dass die Moko dort die Antworten finden könnte, die sie sucht.
Doch bevor das passiert, fordern Luder und sein Team zunächst medizinische Unterlagen von dem Mann an,
der vielleicht ihr Toter aus dem Teppich sein könnte.
Und tatsächlich, alle Hinweise, die sie haben, die Zähne, die Metallplatte im Bein, die Form der Stirnhöhle, alles passt.
Matthias Barnek, Akabani, ist ihr Mann.
Doch nun gilt es herauszufinden, wie er gestorben ist.
Und das führt die Ermittlerinnen in die Vergangenheit von Barney und ins Milieu einer Gruppe von Kleinkriminellen aus der ehemaligen DDR.
April 1992.
Viel im Leben hat Barney nicht.
Keine geregelte Arbeit, keinen festen Wohnsitz, aber vor allem keine Aussicht darauf, dass sich das in seinem Leben irgendwann nochmal ändert.
Der 34-Jährige hat zwar ein Kind mit einer Frau aus Tschechien, aber weder Kontakt zu den beiden noch zu seinen Eltern.
Die einzigen Konstanten in seinem Leben sind die nächtlichen Trinkgelage und die zwielichtige Gesellschaft seiner Freundinnen,
die mittlerweile sowas wie eine Ersatzfamilie geworden sind und Barneys Bedürfnisse nach Alkohol, Suff und Verfehlung aller Art befriedigen.
Mike und Conny, ein paar in den Zwanzigern, Connys Bruder Uwe und Theo und Lydia, die beide schon etwas älter sind.
Die engste Beziehung hat Barney zu Mike und Conny.
Vor allem, weil die eine Wohnung haben und Barney oft bei sich auf der Couch schlafen lassen.
Die Sechsergruppe hatte sich teilweise über Jobs bei einer Reifenfirma und vor allem durch ihr gemeinsames Hobby Saufen zusammengefunden.
Um sich das als überwiegend arbeitsloses Gespann auch regelmäßig finanzieren zu können und damit weiter in die Abhängigkeit zu rutschen,
beschaffen die Sechs auch zusammen das Geld dafür.
Illegal natürlich.
Zwar waren auch schon ein paar Raubüberfälle dabei, aber meistens begehen die Sechs Diebstähle und Einbrüche.
So wie auch heute.
Ziel, ein vietnamesischer Teppichladen.
Vor dem Lager warten Conny und Lydia beim Transporter, während die vier Männer alles rausschleppen, was man irgendwie zu Geld machen könnte.
Lieber ist natürlich Bargeld, aber wenn es das nicht gibt oder nicht reicht, können sie die Teppiche später auch verscherbeln.
Ohne dass sie gesehen werden, verlassen sie den Tatort gemeinsam mit der Beute.
Doch damit gibt es ein Problem.
Theo will Barney nämlich hauptsächlich mit den Teppichen als Beute abfrühstücken.
Barney denkt, er hört nicht richtig und wird sauer.
Schon seit längerem geraten er und Theo immer wieder aneinander, vor allem weil Theo meint, er könne die Errungenschaften nach eigenem Ermessen aufteilen,
aber auch, weil sich beide in der Rolle des Anführers sehen.
Diesmal will Barney sich die Schikane von seinem älteren Widersacher nicht gefallen lassen.
Es kommt zum Streit zwischen den beiden und als Barney sich nicht mehr anders zu helfen weiß, droht er die Gruppe an die Polizei zu verraten,
wenn er nicht den Anteil bekomme, den er verdiene.
Eine Ansage mit Folgen, denn jetzt kippt die Stimmung auch bei den anderen, die sich durch Barneys Ansage bedroht fühlen.
Bisher konnte Barney eigentlich mit deren Rückhalt rechnen, doch wenn es kleinen Kriminellen an den eigenen Kragen gehen soll, dann wird aus Freund auch schnell mal Feind.
Und so kommt es am 19. April 1992, einem Sonntag, zu einem Treffen in Theos und Lydias Wohnung in Leipzig.
Nur Barney ist nicht dabei.
Vom frühen bis in den späten Abend wird mal wieder ein Bier und Schnaps nach dem anderen gekippt.
Das Thema kommt auf Barneys und Theos ewige Auseinandersetzung.
Man teilt die Sorge, dass Barney seine Drohung tatsächlich wahr machen könnte.
Wie man die Sache denn jetzt regeln solle, fragt jemand.
Als Antwort legt Theo eine Schusswaffe mit Schalldämpfer auf den Tisch.
Mit dieser Idee, geboren im Dunst des Alkohols, sind alle am Tisch einverstanden.
Wenig später ist Barney tot.
Weil er keine andere Familie hatte, waren die einzigen, die ihn hätten vermisst melden können, diejenigen, die wussten, dass er tot war und das sogar selbst zu verantworten hatten.
Fünf Jahre lang hatte kein Hahn nach Barney gekräht, weshalb sich die Gruppe offenbar in Sicherheit wog.
Und das plant Ermittler Mario Luda nun zu ändern.
Natürlich reicht ein einfacher Verdacht eines ehemaligen Zelleninsassen nicht aus, um die fünf festnehmen zu können.
Aber die Hoffnung ist geweckt, dass mit dem richtigen Plan sich die Gruppe einfach selbst verrät.
Deswegen klügeln Ermittler Mario Luda und sein Team etwas aus.
Um die Verdächtigen ein wenig Scheu zu machen, bedienen sie sich wieder der Medien.
Mordopfer nach fünf Jahren identifiziert, steht groß in den Tageszeitungen.
Und diese werden durch die Ermittlenden extra in die Briefkästen von den übrig gebliebenen fünf geworfen,
in der Hoffnung, dass zumindest einer oder eine von ihnen mal einen Blick in die Zeitung wirft.
Währenddessen genehmigt die Staatsanwaltschaft, die Telefone der Bandenmitglieder abzuhören.
Sowas lieb ich ja.
Und jetzt warten die da drauf, dass die sich darüber unterhalten, dass sie jetzt Schiss haben und dass da jetzt identifiziert wurde.
Genau, das machen sie.
Und es dauert nicht lange.
Da klingeln natürlich schon beieinander die ersten Telefone, um sich über die Neuigkeiten auszutauschen.
Und darüber zumutmaßen, ob man ihnen auf die Schliche kommen könnte.
Also bei diesen Telefonaten wird ganz klar, die Gruppe hat was mit dem Tod ihres ehemaligen Freundes zu tun.
Am 15. Juni 1999 klicken die Handschellen.
Alle kommen in Untersuchungshaft.
Doch wie hat sich Barnis Tod zugetragen?
Wer hat den Abzug gedrückt?
Das gilt es nun herauszufinden.
Doch die Befragung von Mike, Conny, Uwe, Lydia und Theo bringt zunächst nicht die erhoffte bahnbrechende Erkenntnis.
Alle fünf zeigen mit den Fingern auf jemand anders, nur eben nicht auf sich selbst.
Allerdings gibt es nur eine glaubwürdige Version der Geschichte und die schildert Conny.
Sie will die einzige gewesen sein, die nicht direkt am Tatplan beteiligt war und an jenem Abend auch nicht mit den anderen zusammensaß und trank.
Denn sie sei zu dem Zeitpunkt von Mike schwanger gewesen.
Der Beweis dafür, dass das stimmt, läuft mittlerweile auf zwei Beinen.
Auf Grundlage ihrer Aussage lässt sich folgendes Szenario rekonstruieren.
Während sich die anderen inbrünstig ihrem Rausch hingaben, hatte sich Conny auf die Couch gelegt und nicht so recht mitbekommen, was sich im Nebenzimmer zugetragen hatte.
Nachdem Theo die Waffe auf den Tisch gelegt hatte, habe man darüber diskutiert, wer es denn nun machen solle.
Die Wahl fiel schließlich auf Mike.
Immerhin übernachtete Barney oft bei ihm und Conny.
Zudem würde er bei Mike keinen Verdacht schöpfen, da sich die beiden eigentlich gut verstanden.
Noch an diesem Abend, als Mike und die schwangere Conny nach Hause gingen, trafen sie dort auf Barney.
Doch als die Gelegenheit plötzlich da war, sei Mike gar nicht mehr so überzeugt von der Idee gewesen.
Er habe gezögert, sogar überlegt, ob er Barney nicht waren und ihm von dem Plan erzählen solle.
Doch dann habe permanent das Telefon geklingelt.
Theo und Lydia, die wissen wollten, ob Mike seinen Job schon erledigt habe.
Mike habe sich unter Druck gesetzt gefühlt und den Plan dann nicht mehr durchziehen wollen.
Als es schon fast früh am Morgen war, klingelte es dann an der Tür.
Theo, Lydia und auch Uwe seien sturzbesoffen in die Wohnung getorkelt.
Danach habe es einen heftigen Streit zwischen Theo und Barney gegeben, wieder wegen der Beute.
Nach dem Streit habe Mike dann begriffen, dass es so nicht weitergeben könne und Barney sterben müsse.
Nachdem Theo, Lydia und Uwe also wieder gefahren seien, habe sich Mike die Waffe gegriffen,
sei hinter Barney getreten, der sich auf der Couch zum Schlafengehen hingelegt hatte und habe dann abgedrückt.
Doch offenbar habe Barney danach noch Geräusche gemacht, weshalb Mike zu Conny ins Schlafzimmer gegangen sei.
Die Sau ist nicht tot zu kriegen, soll er gesagt haben.
Dann habe er sich ein Kissen geschnappt und das Barney lange auf den Kopf gedrückt.
Noch am selben Tag hätten sie Barney gemeinsam in einen der Teppiche gewickelt, den sie vorher geklaut hatten,
hätten die Leiche mit Klebeband umwickelt und sie zum Tagebaugebiet gefahren.
Warum Conny nun sieben Jahre später ihren ehemaligen geliebten Mike so schwer belastet, lässt sich leicht erklären.
1992 kam das erste, 1995 das zweite gemeinsame Kind zur Welt.
Und noch im selben Jahr zeugte Mike ein weiteres Kind mit einer anderen Frau.
Da die Beziehung von Mike und Conny eh von Gewalt geprägt war, verließ Conny ihn.
Obwohl sie wegen dieser Vergangenheit natürlich Belastungstendenzen gegenüber Mike haben könnte,
scheint ihre Version der Geschehnisse glaubhaft.
Denn ihre Aussage steht nicht im Widerspruch zu jenen von weiteren Zeugen und ZeugInnen, die die Gruppierung kannten.
Bei Theo sieht das zum Beispiel ganz anders aus.
Der behauptet nämlich, bei seiner Vernehmung gar nicht im Besitz einer Waffe gewesen zu sein,
was von dem Zeugen widerlegt wird, der Barney auf dem Phantombild erkannte.
Er hatte Theo mehrmals mit einer Waffe hantieren sehen.
Anfang 2000 haben Ermittler Mario Luda und sein Team ihr Soll getan.
Sie haben alle Beweismittel zusammengesammelt.
Jetzt liegt es am Gericht, ein Urteil über die mutmaßlichen TäterInnen zu sprechen.
Die ehemaligen FreundInnen müssen sich nun vor dem Leipziger Landgericht wegen gemeinschaftlichen Mordes verantworten.
Alle sollen lebenslang bekommen, außer Conny, da sie sich vermutlich nicht am Tatplan beteiligt hatte.
Mike steht am zweiten Prozesstag und gibt an, heute zu bereuen, Barney getötet zu haben.
Die anderen spielen weiter das Fingerzeigspiel, mit dem sie im Gefängnis schon begonnen hatten.
Jeder außer Conny will zudem jetzt so betrunken gewesen sein, dass man gar nicht mehr gewusst habe, was man da eigentlich tue.
Lydia zum Beispiel sagt, dass sie am Tag zwei Flaschen Schnaps getrunken habe.
Doch der toxikologische Gutachter schließt das nach Kenntnisnamen ihrer Größe und des angenommenen Körpergewichts aus.
Damit hätte sie sich ins Koma gesoffen.
Trotzdem lassen ihre eigenen Aussagen, als auch die von anderen ZeugInnen darauf schießen,
dass sowohl Lydia als auch Uwe, Connys Bruder, damals alkoholabhängig gewesen seien.
Und da die Gruppe dafür bekannt war, ständig am Flaschenhals zu hängen, kann das Gericht auch nicht ausschließen,
dass alle außer Conny zum Zeitpunkt der Absprache nicht vielleicht doch um die zwei bis drei Promille hatten.
Das hätte ihre Schuldfähigkeit am Tattag tatsächlich erheblich gemindert.
Maik, Theo, Lydia und Uwe werden schließlich wegen gemeinschaftlichen heimtückischen Mordes verurteilt.
Doch wegen des abendlichen Besolfenes heißt das für niemanden lebenslang.
Maik, der den Abzug betätigt hatte, bekommt zwölf, Theo und Lydia elf und Uwe zehn Jahre und sechs Monate.
Conny wird ganz vom Tatvorwurf freigesprochen, weil man ihr nichts nachweisen kann.
Auch nicht zu einem Zeitpunkt vom Tatplan gewusst zu haben, als sie diesen noch hätte verhindern können.
Sie hatte angegeben, nicht habe einschätzen zu können, ob die vier ihren Plan auch wirklich in die Tat umsetzen würden.
Acht Jahre lang hatte diese Gerechtigkeit auf sich warten lassen.
Wären Marion und Zeus an jenem Sonntag nicht auf Hasenjagd gewesen
und wäre der Fall nicht an jene ErmittlerInnen übergeben worden, die alles in Bewegung setzten, um den Fall zu lösen,
Dann hätte man vielleicht nie erfahren, dass aus ehemaligen FreundInnen, deren gemeinsame Nenner Alkohol und Kriminalität waren,
durch genau diese tödliche FeindInnen wurden.
Was für eine tragische Figur dieser Barney war.
Also erstmal, dass er gar keine Familie hatte und irgendwie nie so richtig im Leben stand
und dann seine ausgesuchte Familie, also seine Freundesklicke, dann gemeinsam einfach geplant haben, ihn umzubringen.
Seine Freunde, wo er regelmäßig geschlafen hat, wo er sich also total wohl gefühlt hat, sogar am Tag, wo er dann umgebracht wurde.
Also wie traurig kann ein Leben sein und dann auch noch zu Ende gehen?
Also traurig ist ehrlicherweise nicht das Gefühl, was ich hier bei dem Fall habe.
Also ernsthaft, also es wurde hier ein Mensch getötet, das ist eine ganz schlimme Straftat,
aber meine Empathie hält sich bei dieser Gruppe von Kleinkriminellen, die ständig irgendwo eingebrochen sind,
auch teilweise Raubüberfälle begangen haben, die alle ständig besoffen waren, wirklich in Grenzen.
Und ohne den Barney jetzt gekannt zu haben, aber der hat auch gedroht, seine FreundInnen da irgendwie an Karren zu pissen.
Und in so einer Gruppe, da müsste man auch eigentlich wissen, dass das nicht die beste Idee ist.
Naja, aber ich meine, keine Ahnung, weiß ich nicht.
Wir wissen ja nicht, was er alles vielleicht als Kind durchgemacht hat und von seinen eigenen FreundInnen umgebracht zu werden.
Und ich finde es ja auch nicht okay, dass die nicht die Beute gerecht verteilt haben.
Ich wäre da auch sauer gewesen, wenn ich der Barney gewesen wäre.
Klar.
Ja, hätte ich vielleicht auch damit gedroht.
Natürlich hätte der die eh nicht verpfiffen, weil dann wäre er ja mit ins Kittchen gewandert.
Naja.
Ich weiß auch nicht, ob die sich da gegenseitig wirklich alle so vertraut haben und so, ja.
Okay.
Aber es ist natürlich eine üble Ironie des Schicksals, dass du einen Teppichladen ausräumst und sagst,
ich will hier nicht nur einen alten Teppich haben und dann wirst du eben am Ende genau in so einem als Leiche irgendwo verbuddelt, ja?
Ja.
Ja, das stimmt.
Also bei dem Fall war es ja so, dass nun wirklich gar kein Hinweis auf Barneys Identität hätte schließen lassen können, außer eben seinen Kopf.
Und wenn halt eben die RechtsmedizinerInnen als auch die forensischen AnthropologInnen alle Untersuchungen durchgeführt haben und man dann wie bei Barney einfach nicht mehr weiterkommt, kann eben das letzte Mittel die Gesichtsrekonstruktion sein.
Das passiert aber tatsächlich eher selten. Zum einen, weil es weltweit nur so knapp um die 100 ExpertInnen dafür gibt und zum anderen auch, weil die Methode verhältnismäßig teuer ist.
Also so ein Gesicht zu rekonstruieren kostet um die 2000 Euro, weil das auch recht lange dauert. Also da sitzt man 40 Stunden dran und in dem Aha erkläre ich jetzt, wie man das macht.
Also es ist eben so, dass die GesichtsrekonstrukteInnen erstmal den Schädel anschauen und die können dann schon allein dadurch die Grundform des Gesichts erkennen.
Und es ist auch egal, wie alt der Schädel ist, ob der fünf Jahre ist oder 500 Jahre alt ist. Die Voraussetzung ist nur, dass der Schädel intakt ist.
Und wenn nicht, dann muss als erstes der Schädel selbst rekonstruiert werden.
Und anhand dessen Form können ExpertInnen auch schon grob eine ethnische Richtung bestimmen.
Um jetzt jemandem aber sein ursprüngliches Gesicht zurückzugeben, wird erstmal ein Modell von dem Schädel gemacht.
Und dann folgt die eigentliche Rekonstruktion.
Also es wird alles vermessen, in unterschiedliche Bereiche eingeteilt.
Und dann werden Augenprothesen aus Glas in die Augenhüllen eingesetzt.
Und dann kommen die sogenannten Weichteilenmarker ins Spiel.
Das sind so kleine Gummistifte, die sind unterschiedlich lang.
Und die werden dann an unterschiedlichen Stellen auf das Schädelmodell gesetzt.
Also das sieht dann so aus, du hast diese Nachbildung von dem Schädel und da kleben dann überall so diese Marker dran.
Und diese Länge der Marker beruht auf Durchschnittswerten aus einer Tabelle, die ForensikerInnen über Jahrzehnte angelegt haben.
Und die zeigt, wie dick die Haut zum Beispiel über den langen Knochen ist oder am Kinn.
Und diese Marker, die zeigen also, wie dick die Modelliermasse an den jeweiligen Stellen geformt werden muss.
Also da kommt dann über dieses Modell vom Schädel kommt dann so, das heißt Plastilin, das ist so eine Knetmasse auf Ölbasis.
Und die kommt dann da drauf.
Und dann formt man halt nach und nach Schicht für Schicht.
Also zuerst Muskelstränge, dann Unterhautfettgewebe, dann Drüsen und zum Schluss die Haut.
Und dann erst Augenlider, Nase und Mund.
An den Zähnen kann man zum Beispiel ablesen, wie breit der Mund sein muss.
Und die Nasenöffnung, die zeigt an, wie breit bzw. lang die Nase war.
Und die Nase, die gibt auch Rückschlüsse auf die Ohren.
Die sind nämlich so groß, wie die Nase von der Nasenwurzel bis zur Spitze lang ist.
Zeig mal.
Guck mich mal an.
Warte, ich nehme mein Geodreieck, was ich immer dabei habe und messe ab.
Sie macht das erst an die Nase und dann an die Ohren und das sieht richtig aus.
Es passt ganz genau.
Aber das sind ja auch die, die wachsen ja beide noch im Laufe des Lebens.
Ja.
Witzig.
Wenn du jemanden siehst, der richtig große Ohren hat, dann hat die Person eigentlich auch immer eine lange Nase.
Dann weiß man direkt, die Person muss eine lange Nase haben.
Amazing.
Ja, unter der Maske, Paulina, da kann man das nicht immer wissen.
Und wir wissen ja, dass wir ganz oft finden, dass Leute ziemlich gut aussehen mit Maske.
Und dann nehmen sie sie ab und dann kommt das böse Erwachen.
Ja, weil viele offenbar oben besser aussehen als unten.
Und das Gehirn dann das, was wir nicht sehen, also was von der Maske verdeckt ist, vervollständigt.
Ich gehöre ja zum Beispiel zum Team, ich sehe besser aus mit Maske und bei dir nicht so.
Bei dir ist ja andersrum.
Bei mir ist die, das ist so, bei mir ist die obere Gesichtshälfte schöner als die untere.
Wegen deiner Augen.
Ja.
Und du hast halt eine sehr schöne Nase.
Ich hab halt hässliche Augen, wolltest du gerade sagen.
Nein, aber das sind deine Worte.
Um ehrlich zu sein, das sind deine Worte.
Das hast du mir mal gesagt.
Nee, aber das stimmt auch.
Ja, ja, das stimmt auf jeden Fall.
Witzig, ja.
Wie wäre es, wenn wir unsere, also deine obere Hälfte vom Gesicht und meine untere Hälfte mal zusammen sehen würden?
Kann das vielleicht jemand da draußen für uns mal machen?
Aber nicht so schlecht irgendwie, dass beide, dass man jetzt einfach zwei Fotos nimmt und das so übereinander schneidet, sondern schon, dass es dann so ein Gesicht ergibt, das es auch wirklich geben könnte.
Die Paula.
So ein Mix aus uns beiden.
Ey, das würde ich super gerne sehen.
Vielleicht kriegen wir ja sowas.
Ja.
Kommen wir zurück zu den anderen konstruierten Gesichtern.
Denn was diese Rekonstruktion nicht kann, ist die genaue Form der Ohren erkennt.
Also ob die jetzt eher anliegend waren oder abstehend, kann man jetzt nicht rekonstruieren, weil die Ohren, die bestehen ja nur aus Knorpel.
Und der verwehst halt.
Abgesehen davon gibt es aber auch noch andere Informationen, die man aus einem Schädel nicht rausziehen kann.
Also zum Beispiel Augenfarbe, Haarfarbe, Haaransatz oder ob jetzt jemand Sommersprossen hat oder eine Brille trägt.
Und selbst wenn man über eine DNA-Analyse jetzt wüsste, dass der Mensch zum Beispiel blonde Haare hatte, dann weiß man auch noch nicht, ob die gefärbt waren.
Und man kann auch nicht rekonstruieren, wie die Augenbrauen oder die Frisur genau ausgesehen hat oder ob die Person jetzt Bart hatte.
Gerade deswegen werden die Haare auf diesen Bildern, die dann von diesen Modellen angefertigt werden, meistens nur angedeutet.
Weil eine falsche Frisur verfälscht den Gesamteindruck und schadet dann der Identifikation mehr, als sie nützt.
Aber Frisur oder Brille sind jetzt auch nicht die entscheidenden Merkmale, um jemanden wiederzuerkennen.
Was aber wieder Erkennungswert hat, sind die Kopfform und die Proportionen, also wie die Augen, Nase und Mund so zueinander stehen.
Und das bedeutet, in der Regel sind nicht einzelne Teile, wie zum Beispiel die Nase, jetzt komplett entscheidend für die Identifikation.
Außer, sie ist jetzt extrem auffällig gewesen.
Sondern es geht mehr darum, dass das Gesicht im Ganzen stimmig ist.
Zur Trefferquote, das ist ein bisschen tricky.
Es gibt nämlich verschiedene Quellen, die von 35 bis 75 Prozent gehen.
Ob jetzt so ein Gesicht erkannt wird, hängt natürlich aber auch von mehreren Faktoren ab.
Also, es kann zum Beispiel sein, dass die Person gar nicht aus dem Land kommt, in dem ihr Schädel gefunden wurde.
Oder, dass sie schon seit Jahren tot ist und es keine Angehörigen mehr gibt.
Aber vielleicht wurde die auch einfach nie als vermisst gemeldet.
Oder die Person, die sie erkennen würden, die erreicht die Meldung gar nicht.
Und es kann natürlich auch sein, dass ein modelliertes Gesicht der Person nicht stark genug ähnelt und sie dann deswegen nicht erkannt wird.
In meinem Fall war das ja nicht so.
Aber, das hat mich tatsächlich überrascht, ich schicke dir jetzt erstmal die Zeichnung von der Gesichtsrekonstruktion.
Okay.
Okay, ja.
Also, das ist ja ein gezeichneter Mann.
Also, für mich ist es schon ein sehr spezielles Gesicht.
Also, nicht so ein Allerweltsgesicht, wie ich immer sage, wie ich habe, weißt du?
Sondern schon so, also von den Augenbrauen her und von der Nase hast du ja schon gesagt.
Aber die Augenbrauen finde ich auch total besonders, weil sie so sehr, sehr, sehr rund sind und auch die Lippen für einen Mann sehr weiblich.
Und vielleicht ist das das Problem, weil ich habe ja gerade gesagt, die Augenbrauen zum Beispiel, die wissen sie ja gar nicht.
Sie wissen ja gar nicht, wie die ausgesehen haben.
Und ich schicke dir jetzt mal das Bild von dem Bani, wie der ausgesehen hat.
Und du sagst mir, ob du da den Mann erkannt hättest.
Ähm, was?
Also, es ist schon sehr anders, ja.
Wow.
Und da frage ich mich doch, wie hat denn sein Zellengenosse den da wiedererkannt?
Ja.
Okay.
Und es sind tatsächlich nicht nur die Augenbrauen.
Also, die Nase ist komplett anders.
Die Lippen sind auch viel dünner in echt als auf der Zeichnung.
Und das Kinn ist auf der Zeichnung viel breiter als in echt.
In echt ist es spitzer.
Und da wundert mich das ehrlich gesagt, weil ich dachte, dass man das schon von dem Schädel her sehen kann,
wie breit sozusagen das dann unten wird.
Genau.
Und obwohl ich die Nase von dem Bani auch ein bisschen schief finde,
finde ich doch, dass die Zeichnung dem da wirklich nicht gerecht wurde.
Also, da wundert es mich dann auch nicht, dass die Trefferquote dann nicht so mega hoch ist.
Ja, also für unsere ZuhörerInnen, ihr könnt jetzt heute Morgen die Tage bei uns auf Instagram reingucken.
Da stellen wir euch das beides auf jeden Fall online.
Und dann könnt ihr mal gucken, ob ihr die Person erkannt hättet.
Mein Fall zeigt, dass auch ein Grab, an dem niemand trauern soll,
meist nicht für die Ewigkeit verborgen bleibt.
Fast alle Namen habe ich geändert.
Nils steht auf und geht, mitten im Unterricht.
Es hat nicht zur Pause geklingelt und aus ist die Schule an diesem Donnerstag im Januar 2019 auch noch nicht.
Doch den 17-Jährigen hält es nicht länger auf seinem Platz.
Er verlässt das Klassenzimmer, das Schulgebäude und macht sich auf direktem Weg zur Polizei.
Er muss etwas erzählen, das ihn schon lange nicht mehr loslässt.
Ein tödliches Geheimnis, das ihn fast wahnsinnig macht und das er unmöglich weiter für sich behalten kann.
Knapp vier Jahre zuvor.
Dass es ihr hier auf dem Land so gut gefällt, hätte Jana nie gedacht.
Eigentlich hatten sie und Adam den alten Bauernhof Nu gekauft, um ihn zu renovieren und dann teurer weiter zu verkaufen.
Doch je häufiger das Paar aus Hamburg mit seinen zwei Töchtern vorbeikommt, um die Renovierungsarbeiten zu begutachten,
desto mehr verliebt sich Jana in das Landleben.
Das kleine Dorf Dampflet im Westen von Schleswig-Holstein ist nämlich wie aus dem Bilderbuch.
Hier in dem 300-Seelen-Ort, knapp eine Autostunde nördlich von Hamburg, scheint die Welt noch in Ordnung.
Es ist beschaulich, unaufgeregt und ruhig.
Und wenn man mal etwas hört, dann sind es höchstens die Windräder, die gemächlich ihre Kreise ziehen,
oder die Mähdrescher auf den weiten Feldern.
Und wenn man hier in der Gegend spazieren geht, begegnet man eher einer Kuh oder einem Schaf als einem Zweibeiner.
Das gefällt Jana so gut, dass sie sich wünscht, zu bleiben.
Mit ein wenig Überredungskunst schafft sie es schließlich auch, ihren Lebensgefährten Adam zu überzeugen,
dem lauten, schmutzigen Hamburg den Rücken zu kehren und mit ihr und den Töchtern Sabrina und Anna ein ganz neues Leben anzufangen.
Als sie dann knapp 14 Monate nach dem Kauf des Bauernhofs tatsächlich die Umzugskisten auspacken,
geht für Jana ein Traum in Erfüllung.
Und schon bald leben auf dem großen Gelände nicht nur vier Menschen, sondern auch viele Tiere,
unter anderem Schafe, Hühner, Gänse und Pferde.
Ein Leben als Selbstversorgerin macht sich Jana nun zum Ziel.
Hingebungsvoll kümmert sie sich um die Tiere und alles, was so anfällt.
Die zierliche Frau mit den braunen Schulterlangenhaaren und dem freundlichen Gesicht geht im Hofleben so richtig auf.
Adam geht es da etwas anders.
Der große, kräftige 41-Jährige kann die Großstadt nicht so richtig loslassen.
Immer wieder macht er sich auf den Weg nach Hamburg, bleibt oft mehrere Nächte.
Jana weiß, dass ihr Freund dort feiern geht und Drogen nimmt.
Zu Hause darf er nicht.
Adam hatte nämlich einmal, nachdem er gekokst hatte, einen Krampfanfall.
Das war furchtbar für die Familie.
Über Adams Ausflüge und seine Trips ist Jana nicht glücklich, aber sie hat sich damit abgefunden.
Und Hilfe auf dem Hof hat sie seit neuestem auch, von ihrem gemeinsamen Freund Amir.
Seitdem dessen Beziehungen im Sommer in die Brüche gingen, ist der Mann mit dunklem Haar und Backenbart häufig zu Gast auf dem Hof.
Der 44-Jährige aus Hamburg wird dann im Gästezimmer einquartiert und bleibt oft mehrere Tage.
Auch weil er so seine Hunde besuchen kann.
Weil die in Hamburg als Kampfhunde eingestuft sind und es für die Haltung einige Regeln gibt, hat Amir sie da einfach halt halber bei Jana und Adam untergebracht.
Die drei kennen sich schon lange aus Hamburg.
Jana und Amir sind seit vielen Jahren befreundet.
Gemeinsam waren sie früher im Rotlichtmilieu unterwegs.
Jana arbeitete damals als Sexarbeiterin im Bordell ihrer Mutter.
Amir war dort als sogenannter Aufpasser angestellt.
Bei der Arbeit lernte Jana dann auch Adam kennen.
Er war Kunde bei ihr.
So trafen auch Adam und Amir im Hamburger Nachtleben immer mal wieder aufeinander.
Dass Amir jetzt so viel Zeit auf seinem Hof verbringt, passt Adam allerdings nicht so.
Zwischen den beiden Männern gibt es immer mal wieder Streit.
Ende April 2017, kurz nach Ostern, ist Adam wieder einmal verschwunden.
Normalerweise kommt er ja nach ein paar Tagen wieder nach Hause, doch dieses Mal ist es anders.
Nach einer Woche geht Jana dann zur Polizei.
Der erzählt sie, dass es sein könnte, dass Adam endgültig abgehauen ist.
Wahrscheinlich zurück zu seiner Familie nach Polen, um sich da ein neues Leben aufzubauen.
Sie gibt an, dass sie ihren Lebensgefährten zuletzt am Freitagnachmittag vor einer Woche gesehen habe.
Er sei offenbar zu Fuß verschwunden, denn sein Auto stehe noch auf dem Hof.
Und er habe mindestens 10.000 Euro Bargeld eingesteckt.
Die Polizei nimmt Janas Vermisstenanzeige auf.
Eine groß angelegte Suche wird jedoch nicht in die Wege geleitet.
Schließlich darf in Deutschland jeder Erwachsene selbst entscheiden, wo er sich aufhalten möchte.
Wenn Adam nach Polen wollte, ist das sein gutes Recht.
Und Hinweise darauf, dass sich der Familienvater nicht freiwillig aus dem beschaulichen Dorf verabschiedet hat, gibt es nicht.
Und so kehrt auf dem Hof irgendwann wieder Alltag ein.
Jana kümmert sich um die Tiere, Amir packt mit an und die 14-jährige Sabrina geht zur Schule und trifft sich mit ihrem Freund.
Nur die 5-jährige Anna fragt immer mal wieder, wann der Papa denn nach Hause kommen würde.
Anna und Adam hatten eine enge Beziehung und die Kleine vermisst ihn sehr.
Ansonsten stört aber nichts die Idylle, die sich Jana so sehr gewünscht hatte.
Bis zu dem Tag, knapp zwei Jahre später, als Nils mitten im Unterricht aufsteht und zur Polizei geht.
Als der Gymnasiast Mitte Januar 2019 auf dem Präsidium auftaucht, ist er gleichzeitig aufgeregt und ängstlich.
Der 17-Jährige sagt, dass er eine Aussage machen möchte.
Und als er den PolizeibeamtInnen gegenüber sitzt, beginnt er zu erzählen.
Die Osterferien 2017 verbringt Nils mit seiner Mutter in Dänemark.
Als die beiden am 21. April wieder nach Hause fahren, bekommt er eine merkwürdige WhatsApp-Nachricht von seiner Freundin Sabrina.
Mit ihr ist er seit fünf Monaten zusammen, kennengelernt haben sie sich in der Schule.
Beide gehen auf das Gymnasium in Itzehoe, 13 Kilometer von Dampfleet entfernt.
Die 14-Jährige schreibt dem 16-Jährigen von seinem alten Samsung-Handy.
Das Smartphone hatte er ihr geschenkt, als er ein neues bekommen hatte.
Die Nachricht, die Sabrina an diesem Freitag nach Ostern für ihren Freund tippt, ist ein Rätsel.
Sabrina sagt Nils, dass er jeweils nur das erste Wort in jedem Satz der Nachricht lesen soll.
Nils folgt der Anweisung.
Er liest die sechs Sätze, setzt die ersten Wörter zu einem neuen Satz zusammen und liest nochmal.
Jetzt steht da, heute bringen wir meinen Vater um.
Oh mein Gott!
Was?
Ja.
Nils glaubt an einen Scherz.
Doch als er seine Freundin ein paar Tage später zu Hause besucht, erzählt Sabrina, dass nun das passiert sei, was sie ihm per WhatsApp geschrieben hatte.
Unter Tränen sagt sie, dass ihr Vater tot sei.
Ihre Mutter habe sich trennen wollen, aber ihr Papa habe das nicht akzeptieren wollen.
Amir, der Freund der Eltern, habe dann vorgeschlagen, Adam aus dem Weg zu räumen.
Sabrina wirkt auf Nils vollkommen traumatisiert und aufgelöst.
Er weiß nicht, wie er reagieren soll und ist komplett überfordert.
Am liebsten würde er jedes Wort, das er gehört hat, sofort wieder vergessen.
Daher bemüht sich der 16-Jährige in den nächsten Tagen und Wochen sehr darum, das alles zu verdrängen.
Es klappt mehr schlecht als recht.
Die Beziehung zu Sabrina geht schließlich in die Brüche.
Trotzdem lässt Nils der Gedanke an das, was offenbar in der Nacht im April 2017 auf dem Hof seiner Ex-Freundin geschehen ist, keine Ruhe.
Das ungute Gefühl wird immer stärker.
Nils hat auch Angst vor der Mutter von Sabrina und vor Amir.
Was sie machen könnten mit ihm oder seiner Familie, wenn sie herausbekämen, was er weiß.
Der Teenager zieht sich in den nächsten Monaten immer mehr zurück.
Seine schulischen Leistungen lassen nach.
Zwei Wochen vor seinem 18. Geburtstag hält Nils es dann nicht mehr aus.
Mit der Volljährigkeit beginnt für ihn ein neuer Lebensabschnitt.
Davor muss er unbedingt reinen Tisch machen.
Daher sitzt er jetzt hier, auf der Polizeiwache, und erzählt alles, was Sabrina ihm anvertraut hat.
Die Polizei ist alarmiert und leitet nun, anders als zwei Jahre zuvor, sofort umfassende Ermittlungen ein.
Im Zuge der Zeuginnenbefragung lässt sie eine Aussage aufhorchen.
Der Mitarbeiter eines Landhandels erinnert sich an einen Vorfall vor knapp zwei Jahren.
Ein Kunde habe Brandkalk gekauft.
Die aggressive Kalkart kommt vor allem auf Baustellen zum Einsatz, um Mörtel oder Kalkfarbe anzurühren.
Manchmal wird Brandkalk auch als Dünger im Garten verwendet oder um hartnäckiges Unkraut zu bekämpfen.
Dass nicht nur Firmen das Produkt kaufen, ist daher nichts Ungewöhnliches.
Dass eine Privatperson gleich 150 Kilo braucht, allerdings schon.
Der Mitarbeiter erinnert sich, dass der Mann damals erklärt habe, er wolle damit einen ökologischen Wandputz herstellen.
Die Menge kam dem Verkäufer trotzdem viel vor.
Im Zuge der Ermittlungen stellt sich jetzt heraus, der Kunde, der damals die sechs Säcke gekauft hat, war Amir.
Auf dem Hof in Dampfleet ist es am 5. März 2019 dann mit der Idylle vorbei.
Amir wird vorläufig festgenommen.
Doch die Polizei rückt an diesem frühen Dienstagmorgen nicht nur mit einem Streifenwagen auf dem Hof an,
sondern mit einem Großaufgebot inklusive Polizeihunden.
Rund 100 Einsatzkräfte drehen auf dem Anwesen jeden Stein um, um den ehemaligen Hausherren zu finden.
In der Reithalle schlägt schließlich ein Leichenspürhund an.
Obwohl auf dem Hof Ferde leben, traben durch diese Halle schon lange keine mehr.
Sie wird stattdessen als eine Mischung aus Abstellkammer und Garage genutzt.
Zwischen landwirtschaftlichen Maschinen und einem Camper lagert Bauschutt.
Mehrere Eimer und Gerümpel stehen herum.
Es ist staubig.
Die Einsatzkräfte fördern alles ins Freie.
Als die Halle leer ist, kehren sie den Boden.
Dabei fällt ihnen etwas auf.
Ungefähr in der Mitte des Gebäudes unterscheidet sich ein Stück der Oberfläche farblich deutlich vom Rest.
Die Ermittelnden nehmen die zweimal ein Meter große Fläche genauer unter die Lupe und rufen Aileen Job van Well.
Job van Well ist forensische Anthropologin in der Hamburger Rechtsmedizin.
Auf dem Hof in Dampflet kommt die 48-Jährige mit ihrem wichtigsten Werkzeug an.
Einer Maurerkelle.
Mit der beginnt sie, Zentimeter für Zentimeter Sediment abzutragen.
Ganz behutsam.
Wichtig ist dabei, keine Knochen oder andere menschliche Überreste zu beschädigen.
Schnell stellt sie dabei Spuren von weißem Brandkalk in der braunen Erde fest.
Die Anthropologin gräbt weiter, bis sie auf etwas stößt, das sich auf den ersten Blick nicht klar identifizieren lässt.
Als sie genauer hinschaut, erkennt sie, dass es ein Teil eines menschlichen Torso ist.
Bingo.
Den Torso nimmt sie daraufhin mit in die Hamburger Rechtsmedizin.
Die Computertomographie dort bestätigt, was die Expertin vor Ort schon angenommen hat.
Es ist der Rumpf eines Mannes, dem Kopf und Extremitäten abgetrennt wurden.
Boah, nee.
Darunter auch sein Geschlechtsteil.
Nein.
Das wurde auch extra abgetrennt.
Rotlichtmilieu.
Eileen Job van Well kann anhand der menschlichen Überreste das Alter bestimmen.
Der Mann muss etwa 40 Jahre alt gewesen sein.
Von der Größe des Torsos zu schließen, war er zudem groß und kräftig.
Dem Zustand nach zu urteilen, war das Körperteil nicht länger als ein bis zwei Jahre im Boden vergraben.
Die Größe des Grabes und die Abdrücke in der mit Kalk ausgegossenen Grube weisen darauf hin,
dass der Körper zunächst im Ganzen im Boden der Reithalle verscharrt wurde.
Die Leiche wurde dann laut Job van Well nach einigen Monaten noch einmal ausgegraben und zerteilt,
bevor nur der Torso wieder zurück ins Grab gelegt wurde.
Ich glaube das nicht.
Jetzt geht es darum, die restlichen Körperteile zu finden.
Weil die Leichenspürhunde an keiner anderen Stelle angeschlagen haben,
wird großräumig um den Hof herumgesucht.
Auch in den Entwässerungsgräben hinter dem Gelände.
PolizeitaucherInnen steigen hinein,
Doch das trübe Wasser erschwert die Suche.
Auf dem Grund des Grabens werden sie dann schließlich fündig.
Sieben Betonblöcke liegen vor ihnen,
jeder so schwer, dass es jeweils zwei Personen braucht, um sie aus dem Wasser zu hieven.
Um die Blöcke unter die Lupe zu nehmen,
kommt den ErmittlerInnen der Hamburger Zoll zu Hilfe.
Der besitzt einen sogenannten Scan Van,
eine mobile Röntgenanlage, die selbst härteste Stoffe durchleuchten kann.
Wie die Koffer am Flughafen werden die Betonblöcke durch das Gerät geschoben.
Nun wird deutlich, darin eingemauert sind die gesuchten Körperteile.
Daraufhin wird der Beton aufgebrochen und aus den Gliedmaßen, die ans Licht kommen,
setzt Anthropologin Aileen Jop van Vell nach und nach den Körper zusammen.
Fast wie bei einem Puzzle.
Das ist so irre.
Drei Tage, nachdem die Suche begonnen hat,
liegt die Leiche in Einzelteilen schließlich auf dem Obduktionstisch.
An mehreren Stellen am Körper fallen bunte Tattoos auf.
Eins ist besonders markant.
Auf dem äußeren Oberarm prangt das Gesicht eines Clowns.
Obwohl der Arm zwei Jahre vergraben und einbetoniert war, ist das Motiv noch gut erkennbar.
Nicht zuletzt wegen des auffälligen Körperschmucks und des Zahnschemas kann der Tote jetzt,
wo er im Ganzen auf dem Metalltisch liegt, eindeutig identifiziert werden.
Es ist Adam.
Wie er ums Leben gekommen ist, konnte man schon erahnen, als der Kopf noch einbetoniert war.
Das Röntgenbild zeigte nämlich zwei metallische Gegenstände.
Im Schädel steckten zwei Projektile.
Adam wurde mit zwei Schüssen von hinten in den Kopf getötet.
Wie es dazu kam und wer alles an der Tat beteiligt war, gilt es jetzt für die Polizei zu klären,
die nur fünf Monate nach dem Leichenfund ihre Ermittlungsakte an den Staatsanwalt übergibt.
Am 22. August 2019 kommt es dann zum Prozess vor dem Landgericht Itzehoe.
gegen Amir und Jana.
Der Staatsanwalt wirft den beiden vor, Janas früheren Lebensgefährten Adam heimtückisch
und aus niedrigen Beweggründen ermordet zu haben.
Er zeichnet in seiner Anklage das Bild des Tatabends, wie er den Ermittlungen nach abgelaufen ist.
Im Frühjahr 2017 lädt Jana Amir immer häufiger auf den Hof ein.
Und dabei bleibt es nicht.
Auch in ihr Ehebett darf Amir kriechen, wenn Adam mal wieder nicht zu Hause ist.
Deswegen hatte sie sich dann auch damit abgefunden irgendwann.
Dass Adam immer weg war.
Es kam mir doch schon seltsam vor, dass sie es okay findet, dass ihr Mann immer weg geht zum Koksen und Party machen.
Die 34-Jährige weiß, dass Amir schon immer auf sie stand und sie hat Bedürfnisse, die befriedigt werden sollen.
Amir verliebt sich in Jana und sieht sich schon Adams Platz im Bett und auf dem Hof einnehmen.
Für Jana hingegen bleibt es rein körperlich.
Doch sie merkt in dieser Zeit immer mehr, dass sie die Beziehung zu Adam nicht mehr will.
Er wird ihr richtig lästig.
Aber sie will den Hof nicht verlieren, der bei einer Trennung in Adams Hände fallen würde, da er deutlich mehr Geld für ihn bezahlt hatte als sie.
Bei einem ihrer Streits hatte er sogar schon angekündigt, den Hof wieder verkaufen zu wollen.
Und so entwickelt sich aus der zunächst vagen Idee von Amir, Adam aus dem Weg zu räumen, im Laufe der Zeit ein tödlicher Plan.
Dabei scheut sich Jana auch nicht ihre älteste Tochter Sabrina, um Unterstützung zu bitten.
Das 14-jährige Mädchen soll dabei helfen, ihren eigenen Vater umzubringen.
Also das ist doch wohl wirklich nicht der Ernst, dieser Muscher.
Das ist so schlimm.
An einem Abend Ende April 2017 ist es schließlich soweit.
Unter einem Vorwand lockt Sabrina ihren Papa in ihr Zimmer, in dem schon ihre Mutter sitzt.
Adam geht vor.
Im Zimmer angekommen, bleibt Sabrina in der Tür stehen.
Sie soll ihre Schwester Anna notfalls davon abhalten, ins Zimmer zu kommen.
Adam setzt sich gegenüber von Jana in einen Drehsessel mit Lederbezug, der mit der Rückenlehne zum Kleiderschrank steht.
Im Gespräch schlägt Adam noch vor, dass die Familie ja später einen gemeinsamen Spieleabend machen könnte.
Was er nicht sieht, in einer Nische neben dem Schrank wartet Amir, in der Hand eine Waffe.
Als ihm sein Opfer in die Falle gegangen ist und Jana es ablenkt, zielt Amir auf Adams Hinterkopf und drückt ab.
Zweimal.
Während Sabrina nach wie vor aufpasst, dass ihre kleine Schwester nichts von dem Tod ihres Vaters mitbekommt,
zieht Amir Adams Leiche durch einen Durchgang neben Sabrinas Zimmer in den Stall.
Später packt er sie in eine Schubkarre und fährt damit über den Lehmboden zum Nebengebäude.
An der Reithalle angekommen, stellt Amir die Karre ab, nimmt einen Spaten und fängt an zu graben.
Immer wieder sticht er das Werkzeug in die Erde.
Als Amir findet, dass das Loch tief und groß genug ist, packt er Adam und bettet ihn in sein Grab.
Ein Grab, das niemals jemand besuchen soll, weil um diesen Toten niemals jemand trauern soll.
Damit dieses Verbrechen auch ja nicht ans Licht kommt, gräbt er Adams Leiche, die in den letzten Monaten immer mehr zu riechen angefangen hatte,
auch noch einmal aus und zerstückelt sie, schneidet ihm dabei sogar den Penis ab.
Ob er den nicht schon genug gedemütigt hat, ja, indem der da immer in dem Ehebett pennt.
Meinst du, er hat das extra gemacht mit dem Penis?
Meinst du, der hat gestört noch in dem Zustand?
Ist der irgendwo hängen geblieben?
Er sagt, es wäre aus Versehen passieren.
Das ist mir auch schon mal aus Versehen passiert.
Nur den Torso legt er zurück.
Die anderen Körperteile betoniert er ein und versenkt sie im Entwässerungsgraben hinter dem Hof.
Um sich nicht verdächtig zu machen, halten Jana und Amir ihre Affäre auch nach Adams Tod weiter geheim.
Und jetzt sitzen beide nicht weit voneinander auf der Anklagebank im Saal des Landgerichts und schweigen.
Jana in weißer Bluse und schwarzer Weste und Amir in kariertem Hemd.
Auch die jüngste Tochter Anna ist in den Prozess involviert.
Die Achtjährige ist Nebenklägerin.
Oh, also das, dass man nach so einem Verlust dann auch noch sowas durchmachen muss, ja.
Das ist ja für sie Verlust, Vater, Mutter, Stiefpapa oder was auch immer er da für eine Rolle gespielt hat.
Und alles, was sie kannte.
Und Schwester.
Weil gegen ihre große Schwester Sabrina wird Mitte September ebenfalls Haftbefehl wegen Mordes erlassen.
Im Prozess gegen Jana und Amir macht am zweiten Verhandlungstag Nils seine Aussage.
Sabrinas Ex-Freund.
Unter Ausschluss der Öffentlichkeit aus Angst vor Amir erzählt er noch einmal, was ihm seine damalige Freundin über den Tod ihres Vaters berichtet hatte.
Danach wird noch ein weiterer Freund von Sabrina in den Zeugenstand gerufen.
Auch ihm hatte sie von dem Verbrechen erzählt.
Ein Insasse der Haftanstalt, in der Amir sitzt, kann ebenfalls von der Tat berichten.
Amir hatte ihm in der Zelle gestanden, dass er Adam Ende April 2017 tatsächlich erschossen habe.
Zweimal in den Hinterkopf aus nächster Nähe.
Auch den Grund für den Mord habe Amir dem Mann gestanden wiedererzählt.
Er habe es für Jana getan.
Sie habe sich nicht endgültig von Adam trennen können.
Die Aussagen belasten Amir schwer.
Der Druck steigt und gegen Ende des Prozesses bricht er dann doch sein Schweigen.
Er gibt zu, die tödlichen Schüsse auf Adam abgefeuert zu haben.
Das sei aber nicht Mord gewesen, sondern Notwehr.
Das kann er ganz bestimmt beurteilen.
Adam habe Amir Kokain angeboten.
Als die beiden Männer mit den Drogen hantiert hätten, habe Tochter Sabrina sie dabei überrascht.
Da sei Adam total ausgeflippt.
So sehr, dass er erst auf seine Tochter und dann auf Amir losgegangen sei.
Dabei habe er sogar eine Waffe gezogen.
Amir habe keinen anderen Ausweg gesehen, als sich die zweite Pistole zu schnappen, die herumgelegen habe und zu schießen.
Amir beteuert, dass Jana mit dem Tod ihres Ex-Partners nichts zu tun habe.
Sie sei an dem Abend gar nicht zu Hause gewesen.
Janas Handydaten widerlegen das und auch sonst glaubt der Staatsanwalt Amir kein Wort.
Kurz vor Ende der Verhandlung beantragt er nicht nur für ihn, sondern auch für sie eine lebenslange Freiheitsstrafe.
Die Verteidigerin von Amir plädiert dagegen auf Totschlag.
Ihr Mandant sei vermindert schuldfähig gewesen, weil er zuvor Drogen genommen hätte, was sie allerdings nicht beweisen kann.
Janas Rechtsbeistand fordert Freispruch.
Man könne ihr nicht nachweisen, an der Tat beteiligt gewesen zu sein.
Am 10. März 2020 fällt nach 22 Verhandlungstagen schließlich das Urteil.
Sowohl Amir als auch Jana werden wegen gemeinschaftlichen heimtückischen Mordes an Adam zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe verurteilt.
Die RichterInnen sind überzeugt, dass Janas Beziehung zu Amir Adams Schicksal besiegelt habe.
Jana habe schlichtweg keine Lust mehr auf ihren Partner gehabt, außerdem habe es Streit um die Zukunft des Hofes gegeben.
Das alles habe gut in Amirs Plan gepasst.
Er habe sich nicht nur als der neue Chef vom Reiterhof gesehen, sondern auch als der neue Mann in der Familie.
Laut der vorsitzenden Richterin wollte er, Zitat, in die Existenz des Opfers schlüpfen und deshalb werden bei ihm auch noch die niedrigen Beweggründe festgestellt.
Doch nach dem Ende der Verhandlung ist das letzte Wort noch nicht gesprochen.
Zum einen beantragen die VerteidigerInnen von Jana und Amir Revision.
Das Urteil stütze sich ihrer Meinung zu sehr auf Hörensagen.
Das sieht der Bundesgerichtshof nicht so, der die Revision im September 2020 als unbegründet zurückweist.
Zum anderen steht auch Sabrina seit Februar 2020 vor Gericht.
Der mittlerweile 17-Jährigen wird vorgeworfen, auch am Mord an ihrem eigenen Vater beteiligt gewesen zu sein.
Damals war sie 14.
Die Öffentlichkeit ist während des gesamten Prozesses deshalb nicht zugelassen.
Wegen einer Corona-bedingten Verhandlungspause fällt das Urteil gegen Sabrina erst am 7. Januar 2021.
Sie wird zu einer Jugendfreiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten verurteilt.
Die Jugendkammer stellt keine Mittäterschaft fest.
Sie kommt zu dem Schluss, dass Sabrina durch Unterlassen Beihilfe zum Mord geleistet habe.
Das wirkt sich strafmildernd aus.
Genauso wie die Tatsache, dass sie zum Tatzeitpunkt gerade erst strafmündig war.
Weil sich Sabrina bis zum Urteil in einer sogenannten jugendgerichtlichen Unterbringung befand, entscheidet die Kammer, den Rest der Strafe zur Bewährung auszusetzen.
Knapp vier Jahre, nachdem ihre Mutter sie dazu gebracht hatte, ihren Vater in eine tödliche Falle zu locken, ist Sabrina also wieder frei.
Sie darf nach Hause.
Doch für die inzwischen 18-Jährige gibt es keinen Ort, an den sie zurückkehren kann.
Der Hof, auf dem sich ihre Mutter ein Selbstversorgerleben für die Familie ausgemalt hatte, steht zwar noch, ringsum weite Felder und Wiesen, auf denen Pferde und Kühe grasen.
Doch das Zuhause gibt es so nicht mehr.
Ihr Papa ist tot, ihre Mama noch für viele Jahre hinter Gittern und ihre kleine Schwester woanders untergebracht.
Auch Ex-Freund Nils gibt es in Sabrinas Leben heute nicht mehr, der es am Ende war, der ihr tödliches Geheimnis nicht länger für sich behalten konnte.
Ja, zum Glück.
Ja, also zum Glück haben junge Jugendliche ja nicht dieses Verschwiegenheitsding, was man als Erwachsener dann oft hat, sondern die sagen dann natürlich immer, ja, ja, ich behalte das für mich.
Aber oft behalten sie es natürlich nicht für sich, schon gar nicht, wenn das die so belastet.
Also offenbar hat es ja die Sabrina auch furchtbar belastet, sonst hätte sie es ja dann nicht dann noch zwei weiteren weitererzählt, ja.
Ja, also das konnte ich auch aus dem Gerichtsurteil total rauslesen, dass sie wirklich super verzweifelt war.
Ja, es war nämlich dann so, dass während der Ermittlungen dann ihr Telefon auch überwacht wurde und dass sie dann auch am Telefon zu diesem anderen Freund gesagt hatte, dass sie es nicht mehr aushält, das für sich zu behalten und dass sie auch Suizidgedanken dann hatte.
Ja, es ist schlimm, also schlimm für sie auch, obwohl sie auch Täterin war und für die Kleine erst recht, ja.
Ja.
Was für ein Umfeld.
Und vor allen Dingen, weißt du, als ich über diesen Fall gelesen habe und so dachte, ah, da zieht eine Familie, eine junge Familie aus Hamburg aufs Land und macht sich da so ein Landleben.
Und so kam das auch bei den Nachbarn überall an und als man dann mehr sozusagen gegraben hat in dieser Geschichte der Familie und wo die eigentlich herkommen und was da, ja, und was sich sozusagen hinter verschlossener Türe abspielt, da war man dann so, oh, das hätte man jetzt nicht gedacht.
Ja, das scheint trügt. Wir haben ja schon festgestellt, man weiß nie, was sich hinter der Maske verbirgt.
In meinem Fall kam die forensische Anthropologin ja jetzt nicht erst am Obduktionstisch dazu, sondern ja schon viel früher, und zwar als die Leiche ausgegraben wurde.
Die Ausgrabung ist nämlich auch ein Teilbereich der forensischen Anthropologie und um den geht es jetzt in meinem AHA.
Damit die forensischen AnthropologInnen später so viel intaktes Material wie möglich haben, ist es wichtig, dass bei der Bergung der menschlichen Überreste professionell vorgegangen wird.
In meinem Fall war es deshalb auch genau richtig, Aileen Jopfernwell schon so früh mit ins Boot zu holen, weil sie eben nicht nur forensische Anthropologin ist, sondern auch Archäologie studiert hat und selber gräbt.
Das passiert nicht bei jedem Leichenfund.
Das hat auch damit zu tun, dass das mit hohen Kosten verbunden ist, aber auch damit, dass man noch oft der Meinung ist, naja, so ein bisschen am Boden rumkratzen, das ist ja nicht so schwer.
Aber natürlich ist es ein Problem, wenn jetzt ungeübte PolizistInnen einfach eine Schaufel in die Hand nehmen und wahllos drauf losgraben, weil dabei natürlich wichtige Befunde zerstört werden können.
Zähne zum Beispiel, die fallen halt besonders leicht aus dem Kiefer, wenn der Schädel schon skelettiert ist und die sind ja gerade oft wichtig, um eine Person zu identifizieren.
Und wenn also das Ausgraben schon nicht richtig gemacht wird, kann im schlechtesten Fall auch die Untersuchung danach nicht mehr richtig durchgeführt werden.
Und bei menschlichen Überresten, die in der Natur gefunden werden, kommt es wirklich auf jedes Detail an, wie uns Aileen Jopfernwell im Interview erzählt hat.
Weil je weniger ich habe als Information, desto schwieriger ist das.
Wenn ich einen Leichnam in einem Wohnzimmer habe, dann habe ich das Bild von einem Dieben noch rundherum stehen.
Dann habe ich eine Situation, wo ich viele Informationen über den Raum, in dem sich der Leichnam befindet, ja bekommen kann.
Wenn der gleiche Leichnam im Wald liegt, dann habe ich diese Information nicht.
Das heißt, es fehlt mir komplett.
Ich habe vielleicht keine Kleidung, Tiere tragen Teile weg, vielleicht ist der Leichnam auch so zerpflückt sozusagen, weil Tiere daran gehen, sich was mitnehmen.
Ich muss ganz anders suchen, in einem viel größeren Umkreis muss ich suchen, um die Einzelteile zusammenzusammeln.
Ich muss es ganz anders dokumentieren.
Bei so einer Ausgrabung ist auch wichtig, dass die Grabenden Ahnung von Anatomie haben, weil eben nicht jede Leiche gerade auf dem Rücken liegt.
So war das zum Beispiel bei Birgit Meier.
Den Fall kennen wahrscheinlich viele von euch im Zusammenhang mit den Gördemorden, weil man da vom selben Täter ausgeht.
Birgit Meier wurde seit 1989 vermisst und weil der damals Verdächtige sich in U-Haft suizidiert hatte, wurden die Ermittlungen eingestellt und nach Birgit Meier nicht weiter gesucht.
Der Fall kam erst wieder ins Rollen, als ihr Bruder, Wolfgang Silaf, das ist ein ehemaliger Polizist, die Ermittlungen selbst in die Hand genommen und sich auch ein Team an Expertinnen zur Seite gestellt hat.
Unter anderem eben die forensische Anthropologin Aileen Job van Vell.
2017 wurde dann nochmal auf dem Grundstück des Verdächtigen gesucht und in der Garage eine sogenannte KFZ-Grube gefunden, die sehr merkwürdige Maße hatte.
Aileen Job van Vell entdeckte dort dann einen Hohlraum unter der Grube und darin Knochen.
Die forensische Anthropologin stellte fest, dass es sich dabei um einen menschlichen Mittelfußknochen handelt und dass das Skelett offenbar kopfüber vergraben wurde.
Daher wusste sie, dass sie nicht so sehr in die Breite, sondern in die Tiefe graben musste.
Einige von euch kennen den Fall vielleicht auch schon und zwar nicht nur, weil True Crime Podcasts ihn behandelt haben, sondern weil es dazu auch eine wahnsinnig gut gemachte Dokumentation, eine deutsche Dokumentation auf Netflix gibt.
Und zwar heißt die Dick Deeper.
Wer die noch nicht gesehen hat, muss sie unbedingt angucken, die sich szenisch auch super gut umgesetzt.
Ich musste ja leider ausmachen.
Hä?
Wieso?
Bei mir kommt es immer voll darauf an, in welcher Mut ich bin, wenn ich etwas anfange zu gucken.
Und da war ich irgendwie nicht in der Mut und dann kam da ja schon in der ersten Folge das Interview mit der Mutter und nee, und da konnte ich nicht mehr.
Und ich fand es so schlimm, da musste ich ausschalten und damit habe ich es dann einfach nicht mehr weitergeguckt.
Ja, das ist traurig für dich, weil es ist wirklich eine gute Dokumentation.
Vielleicht komme ich ja nochmal in die Mut und dann, also in eine andere Mut.
Ja, aber 28 Jahre nach dem Verschwinden konnte dann eben die skelettierte Leiche von Birgit Meyer ausgegraben werden und sie auch eine richtige Beerdigung bekommen.
Und das ist es auch, was Aileen Jopfernwell letztendlich antreibt.
Das war bei Birgit Meyer so.
Bei dem Fall Dampfleet war es gut, weil wir helfen konnten, sozusagen den Fall aufzuklären, dass die Täter auch vor Gericht gestellt worden sind und dann entsprechend verurteilt worden sind.
Wir haben aber auch verschiedene, oder ich durfte mitmachen bei der Bergung, verschiedener Piloten und Soldaten aus dem Zweiten Weltkrieg, die wir auch nach Hause gebracht haben.
Auch das ist etwas ganz Besonderes, wenn man dann so eingeladen wird, vielleicht auch zur Trauerfeier und dann so ein bisschen sieht, wie die Familie damit umgeht und dann einfach auch weiß, okay, dafür mache ich das.
Dafür ist das gut.
Unsere Expertin hatte bei den Knochen, die sie in der Garage gefunden hat, ja auch schon angenommen, dass sie von Birgit Meyer stammen.
In vielen Fällen wissen forensische AnthropologInnen ja aber nicht, zu wem die Knochen gehören.
Damit sie die Überbleibsel aber identifizieren können, versuchen sie eigentlich immer erstmal herauszufinden, wie lange die Knochen da schon liegen, also wie lange die Person schon tot ist.
Und das kann man mithilfe von einer sogenannten Radiocarbon-Datierung machen.
Es ist nämlich so, dass in jedem Körper sich eine bestimmte Menge an radioaktivem Kohlenstoff befindet und die nimmt nach dem Tod immer mehr ab.
Und anhand der Menge, die dann noch in den Knochen ist, kann man dann sagen, wann die Person ungefähr gestorben ist.
Und das Geschlecht der Person kann man zum Beispiel anhand der Becken- oder Schädelknochen ganz gut erkennen, weil ein weibliches Becken in der Regel breiter ist als ein männliches und der Schädel von Frauen eher weichere Kanten und eine steile Stirn hat,
wohingegen bei Männern diese Wulst über den Augen stärker ausgeprägt ist und das Kind nicht so spitzt wie bei uns.
Wenn man wissen will, wie groß die Person war, dann messen die AnthropologInnen den Oberarm- oder Oberschenkelknochen aus und können dann die Größe rechnerisch ableiten.
Okay, so ungefähr, aber ich kenne jemanden, der hat einen sehr kleinen Oberkörper und dafür sehr lange Beine.
Also würde man jetzt nur anhand der Beine, nur anhand des Oberschenkelknochens das machen, dann würden die auf jeden Fall den Mann größer schätzen, als er eigentlich ist.
Für eine Altersbestimmung schauen sich die Sachverständigen dann die Wachstumsfugen und das Gebiss an, weil nach der Pubertät ist das so, da sind die Fugen an den Knochen geschlossen und das Gebiss ist voll entwickelt.
Aber wenn es jetzt um die Frage geht, ob die Person 40 oder 70 war, dann konzentriert man sich eher auf so Abnutzerscheinungen, also zum Beispiel an Kniegelenken oder an der Wirbelsäule und auch die Zähne, die reiben sich ja im Lauf des Lebens ab oder fallen sogar ganz aus.
Und aus diesen einzelnen Merkmalen ergibt sich dann natürlich kein exaktes Alter, aber eine Altersspanne, so wie im Fall von Barney, wo sie sagten Mitte 20 bis Mitte 30.
Ja, aber so eine Altersbestimmung, die wird nicht nur bei Toten gemacht, sondern auch bei lebenden Menschen. Und zwar dann, wenn jemand keine gültigen Ausweispapiere hat, die das Alter belegen.
Zum Beispiel hat man das oft bei unbegleiteten, minderjährigen Geflüchteten. Behörden wie das Jugendamt beauftragen dann forensische AnthropologInnen damit, ein medizinisches Altersgutachten zu erstellen, um halt ein Mindestalter zu bestimmen.
Auch hier sind vor allem die Zähne wichtig, genau die Weisheitszähne. Wenn die Wurzeln dann nämlich voll ausgebildet sind, dann ist das ein Dienst dafür, dass die Person ein Mindestalter von knapp 18 erreicht hat.
Und sowas ist zum Beispiel auch wichtig, natürlich, wenn es um die Strafmündigkeit und so weiter geht.
Genau, das war doch auch so bei dem Fall von der Studentin, die in Freiburg getötet wurde, den du mal erzählt hast.
Genau, in Folge 81 war das.
Was ich bei der forensischen Anthropologie auch super spannend finde. Ihr kennt den Spruch, du bist, was du isst. Und in Bezug auf die forensische Anthropologie stimmt das auch.
Also durch das, was du gegessen hast, könnte man herausfinden, wer du warst. Und dazu reichen schon winzige Bausteine unseres Körpers, also im Grunde genommen ein paar Zellen.
Denn jede Zelle, also auch jeder Knochen, jeder Muskel, der besteht aus bestimmten chemischen Stoffen. Und deren Bildung und Zusammensetzung ist abhängig von dem, was man ist.
Im menschlichen Körper gibt es vier Zellentypen, die im Laufe des Lebens, auch wenn man älter wird, die nicht ersetzt werden.
Also quasi den Kern unserer körperlichen Identität ausmachen. Und das sind einmal die Neuronen unseres Nervensystems, der Zahnschmelz, die Linsen in den Augen und die sogenannte otische Kapsel.
Ein ganz winziger Knochenbereich im Schädel. All diese vier sind mittlerweile tatsächlich nicht mehr unersetzbar, weil mittlerweile kann man Zähne und Augenlinsen durch chirurgische Eingriffe schon ersetzen.
Aber die Neuronen und eben diese otische Kapsel, die sind unveränderbar. Und diese Kapsel, die kann man sich vorstellen wie so eine winzige Höhle.
Und die ist so groß, dass nur vier Regentropfen in die reinpassen. Und die sitzt in der Nähe vom Innenohr. Und die entsteht schon vor der Geburt.
Und zwar, als sich das Innenohr gebildet hat. In der 16. Schwangerschaftswoche. Und deswegen entsteht sie auch aus dem Baustein des Essens, was unsere Mütter in der 16. Schwangerschaftswoche gegessen haben.
Und diese Information bleibt also ein Leben lang in diesen winzigen Knochen in unserem Kopf gespeichert.
Was ich komplett verrückt finde.
Ja, also auch wenn nur noch das Skelett eines Menschen übrig ist, dann kann man sagen, was die Mutter dieser Person im vierten Schwangerschaftsmonat gegessen hat.
Und zwar mit Hilfe von einer Isotropenanalyse.
Dabei wird dann nicht nur die otische Kapsel, sondern auch andere Knochen und vor allem die Zähne auf bestimmte chemische Elemente untersucht.
Und durch stabile Isotope wie Sauerstoff und Stickstoff und ihr Verhältnis zueinander in den Knochen kann man zum Beispiel herausfinden, ob sich jemand vegetarisch ernährt hat oder Fleisch oder Fisch gegessen hat.
Und wenn der Zahnschmelz zum Beispiel sehr fest ist, dann kann das ein Hinweis sein, dass der Mensch in irgendeinem Teil der Welt gelebt hat, in der das Trinkwasser einen hohen Anteil an Flora hat.
In unterschiedlichen Teilen der Welt setzt sich die Nahrung und vor allem auch das Wasser nämlich auch unterschiedlich zusammen.
Also seitdem du mir davon erzählt hast, dass für immer in den Kindern drin steckt, was die Mutter im vierten Schwangerschaftsmonat gegessen hat, denke ich mir so, bei schwangeren Freundinnen oder Leuten in meinem Bekanntenkreis, die schwanger sind, denke ich mir so, vielleicht solltet ihr im vierten Monat mal ein bisschen darauf achten, was ihr esst.
Man weiß ja nie, ob das nicht nochmal negativ auf euch zurückfällt.
Und vielleicht sollte man dann aber in der Zeit auch jetzt nicht irgendwie in Amerika Urlaub machen oder so.
Denn es könnte ja sein, dass irgendwann mal die Identität deines Babys, deines ungeborenen Kindes überprüft werden muss.
Und dann hat man gar keine Anhaltspunkte, zumindest nicht mit der otischen Kapsel.
Achso, ich hätte jetzt gedacht, wenn ich mal irgendwann schwanger bin, dass ich dann in der vierten Monat, dass ich dann so richtig gesund esse, einfach damit ich dann nicht an irgendwas schuld bin, wenn mal was passiert und man nachguckt und dann sieht man, ach, die hat nur Nachos gegessen.
Also es ist ja klar, dass das hier so ungesund geworden ist, das Kind.
Aber was jemand zu sich genommen hat, das spiegelt sich nicht nur in den Knochen wieder, sondern auch in Haaren und Nägeln.
Und dadurch, dass die linear wachsen, kann man das quasi wie an so einem Zeitstrahl durch eine Isotopensignatur, so heißt das, ablesen, wo sich jemand wann aufgehalten hat.
Das kann hilfreich sein, um eine unbekannte Leiche zu identifizieren, aber zum Beispiel auch, um herauszufinden, ob sich beispielsweise Terrorverdächtige wirklich die ganze Zeit in beispielsweise Deutschland aufgehalten haben, wie sie sagen, oder nicht vielleicht doch zur Radikalisierung im Ausland waren.
Der Körper ist also ein wenig wie so eine Landkarte.
Schon vor unserer Geburt und bis zum Tod hinterlassen wir da Spuren im Körper, wo wir gelebt haben.
Und mit Hilfe von so einer Isotopenanalyse hat die Polizei zum Beispiel auch versucht, den Fall der Toten aus dem Eistal zu lösen.
Da geht es um eine Frauenleiche, deren Vorderseite verbrannt war.
Und die wurde im November 1970 in der Nähe der Stadt Bergen in Norwegen gefunden.
Und zu der Frau gibt es damals keine passende Vermisstenanzeige und sie hat auch keinen Ausweis dabei.
Und auch ihre Kleidung und die Gegenstände, die man bei ihr findet, die verraten so gut wie gar nichts über sie, weil alle Etiketten entfernt wurden.
Also auch die Marken wurden aus den Klamotten geschnitten.
Man fand zwar am Bahnhof in Bergen noch zwei Koffer mit ihren Fingerabdrücken drauf, aber auch aus den Klamotten da drin waren alle Etiketten weg.
Was man in den Koffern noch fand, waren halt mehrere Perücken, Bargeld aus verschiedenen Ländern.
Also alles komplett mysteriös.
Und die Polizei konnte damals halt einfach nicht herausfinden, wer das war.
2016 wird dann eine DNA-Analyse gemacht, aber es gibt in keiner Datenbank irgendeinen Treffer zu ihr.
Im Rahmen von neun Ermittlungen lässt man dann auch zwei Zähne der Leiche auf Isotope analysieren.
Und der eine Zahn, der älter ist als der andere, weist darauf hin, dass die Frau im Kindergartenalter vermutlich in Deutschland und zwar irgendwo bei Nürnberg gelebt hat.
Und laut der Isotropenkarte des jüngeren Zahns, also den sie halt später bekommen hat, muss sie im Teenager-Alter irgendwo zwischen Deutschland, Frankreich und Belgien gelebt haben.
Vielleicht auch mal in Wales.
Also nicht ganz eindeutig, aber natürlich sucht man dann darauf hin in diesen Ländern.
Aber bis heute ist die Frau immer noch nicht identifiziert.
Ein anderer Fall, bei dem forensische AnthropologInnen dazugerufen wurden, ist der der Moorleiche Mora.
Im September 2000 finden Torfarbeiter in einem Moor in Niedersachsen nämlich menschliche Knochen.
Die DNA-Analyse ergibt, dass es sich um die Überreste einer weiblichen Person handelt.
Forensische AnthropologInnen messen daraufhin den Oberarm- und Oberschenkelknochen und schließen daraus, dass die Leiche etwa 1,50 Meter groß gewesen sein muss.
Das Alter schätzen sie anhand der noch nicht komplett geschlossenen Wachstumsfugen und eines voll ausgebildeten Weisheitszahns auf 16 bis 19 Jahre.
Die Polizei gibt die Eckdaten dann in die Vermisstenkartei ein und landet einen Treffer.
Vor 31 Jahren, im Dezember 69, ist die 15-jährige Elke Kerl nach einem Disco-Besuch in Nienburg, etwa 40 Kilometer von dem Moor entfernt, verschwunden und nicht wieder aufgetaucht.
Elkes Mutter wird daraufhin zum DNA-Abgleich gebeten, aber es gibt keine Übereinstimmung.
Fünf Jahre später finden Torfarbeiter dann in dem Moor noch eine mumifizierte Hand, die zu den anderen Knochen gehört.
Als die Sachverständigen den Hund jetzt auch analysieren, überprüfen sie außerdem die Leichenliegezeit, was sie bei den Knochen nicht gemacht hatten.
Und die beträgt nicht etwa 30 Jahre, sondern 2650 Jahre.
Die ist also ein bisschen älter, die Person, die da liegt.
Woran die Frau starb, ist nicht abschließend geklärt worden, allerdings ist ein natürlicher Tod sehr wahrscheinlich.
Für die Wissenschaft ist Moor, wie die Leiche dann getauft wird, ein extrem wertvoller Fund.
Elke Kerls Mutter hätte sich allerdings gewünscht, es wären die Überreste ihrer Tochter gewesen.
Dann hätte sie endlich nach 30 Jahren Gewissheit gehabt.
Doch von Elke Kerl fehlt bis heute immer noch jede Spur.
Ich finde das so spannend, dieses ganze Während unserer Lebenszeit.
Da sorgen wir dafür, dass in unserem Körper Spuren unseres Lebens hinterlassen werden.
Das finde ich saubeeindruckend.
Ja, vor allem diese Sache mit dem vierten Schwangerschaftsmonat.
Das ist für mich leider, das flasht mich einfach so krass.
Hast du denn irgendwas an deinem Körper, was dich identifizieren würde, wenn nur noch Knochen übrig sind?
Einen besonderen Bruch?
Du hast doch mal deinen Schädelbruch gehabt hier.
Du hast dir doch mal den Kopf gebrochen.
Ah ja.
Ja, ja, ja, ja.
Also den Schädelbruch, aber das haben bestimmt ja auch andere Leute.
Weil ich dachte, du meinst jetzt sowas wie eine Prothese oder so, weißt du, wo man dann auch noch den Hersteller und vielleicht eine spezielle Nummer hat.
Weil mein Vater hat ja schon mehrere Prothesen in sich drin.
Also wenn der mal gefunden wird, dann könnte man den auf jeden Fall anhand ihrer identifizieren wahrscheinlich, wenn da eine Seriennummer drauf ist.
Was hat der für Prothesen?
Hüfte, Knie kriegt er jetzt noch.
Ja, ja.
Alles neu, Ersatzteillager.
Wenn man Fußballspieler war, da braucht man alles neu.
Ja.
Also ich bin der Meinung, ich habe ein paar Knochen, die mich identifizieren, weil an denen kann man mich schon von außen erkennen.
Also die formen schon von außen meinen Körper so sehr.
Ich weiß was.
Ja.
Der Zeh auf jeden Fall, oder?
Auf jeden Fall die Erdnusszehe.
Da stelle ich mir die Knochen halt eben wie so eine Erdnuss hervor.
Und aber auch meine Arme.
Und wenn ich meine Arme ausstrecke, dann sehen die ja aus wie ein Boomerang.
Ja.
Also ich habe ja so einen ganz komischen Knochen.
Ihr müsst euch das so vorstellen.
Also wenn ihr beide Arme vor euch ausstreckt, sodass die Handflächen nach oben zeigen, dann zeigen eure Hände, die könnt ihr dann nebeneinander legen.
Und das wird so spitz zulaufen.
Also es läuft von deinen Armen, da ist es breit, da ist die Öffnung breit und dann treffen die Hände ja zusammen an den Handflächen.
Ja.
An den äußeren Handflächen.
Und bei mir ist das so, wenn ich die Arme auseinander mache, dann läuft das schon vorher zusammen und zwar an den Ellbogen.
Dann gehen die Arme wieder auseinander.
Also meine Handflächen sind da nicht zusammen.
Also wie zwei Mondsicheln, die sich am Rücken treffen.
So sieht das so ein bisschen aus.
Ja, also uns würde man relativ schnell an Knochen identifizieren können.
Hoffen wir, dass es niemals dazu kommt, dass wir so lange nicht gefunden werden, dass nur noch Knochen übrig ist.
Dass uns vielleicht auch jemand vermisst, wenn wir gestorben sind.
Ja, zum Beispiel natürlich die HörerInnen in 100 Jahren, die dann dein Grab betrauern.
Ja.