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#108 Die todesfolge

Wir wissen ja, ihr wollt mehr gut recherchierte und gut erzählte Crime-Podcasts und da gibt's jetzt Abhilfe.
Genau, wir haben einen super Tipp für euch. Gerade ist nämlich ein Podcast rausgekommen über einen Fall, der euch bekannt sein sollte, weil das einer der ersten war, die wir hier erzählt haben.
Und zwar der Fall von Frauke Liebs.
Das ist der, bei dem eine junge Paderbornerin nach dem WM-Spiel Schweden gegen England bei der WM 2006, dass sie sich mit einer Freundin in einem Irish Pub ansieht, verschwindet.
Frauke schreibt, nachdem sie allein vom Pub nach Hause wollte, ihrem Mitbewohner noch eine SMS, dass sie später kommt, taucht aber nie auf.
Danach meldet sie sich noch eine Woche lang per Telefon, sagt aber nicht, wo sie festgehalten wird oder von wem.
Nach sieben Tagen brechen die Anrufe dann ab und einen Monat später wird ihre Leiche in einem Waldstück gefunden.
Genau, und ich hatte mir den Fall damals rausgesucht, weil ich 2015 einen richtig packenden Artikel im Stern Crime gelesen hatte, der mich gar nicht mehr losließ.
Und recherchiert und geschrieben hat den Artikel Dominik Stavsky, der war von Anfang an dicht bei Fraukes Familie dabei.
Und eigentlich habe ich alle Informationen für diesen Fall aus seinem Artikel gehabt.
Und Dominik hat jetzt für den Stern den Fall Frauke Liebs als investigativen Serien-Podcast aufgearbeitet.
Den haben wir uns auch zu Teilen schon angehört und Dominik beantwortet netterweise auch ein paar Fragen für uns dazu.
Ihr hört jetzt den Anfang vom Podcast und der hat mich gleich gecatcht.
Ich weiß nicht, wer du bist oder wo du lebst.
Vielleicht hast du ein Leben wie ich, bist verheiratet, hast Kinder, einen guten Job.
Ich weiß es nicht.
Aber eines weiß ich.
Du hast vor 16 Jahren eine junge Frau entführt.
Dominik, ihr habt euch dafür entschieden, den Täter, und wir sagen hier Täter, weil die Polizei davon ausgeht, dass es ein männlicher Täter war.
Ihr habt euch dazu entschieden, ihn direkt anzusprechen.
Warum?
Weil ich glaube, dass es sein kann, dass er zuhört.
Also ich kann das natürlich nicht sicher wissen, aber es wäre nicht der erste Täter, der nach seiner Tat genau verfolgt, was darüber berichtet wird.
Vielleicht, weil er einfach wissen will, was so die Öffentlichkeit weiß.
Also in Anführungszeichen mit dieser Frage sind die mir auf den Fersen.
Oder weil er in Anführungszeichen das reizvoll findet, so mitzubekommen, was über seine Tat berichtet wird.
Und wenn er eben zuhört, dann sollte es für ihn in diesem Podcast einige Botschaften geben, weil wir ihn ja erreichen wollen.
Und ich finde das ehrlich gesagt genial, den Täter direkt anzusprechen.
Das habe ich noch nie irgendwo gehört.
Und dadurch habe ich zum ersten Mal mich in dem Sinne in den Täter reinversetzt, als dass ich gedacht habe, ja krass, der ist wahrscheinlich noch irgendwo, lebt vielleicht noch in Deutschland, hat eine Familie und geht ganz normal zum Bäcker und zur Arbeit.
Und diese Vorstellung fand ich so richtig beklemmend und gruselig.
Ja, das ist furchtbar, wenn man darüber nachdenkt.
Und Dominik, du hattest im Vorgespräch gesagt, dass ihr nicht nur vielleicht den Täter ansprechen wollt, sondern vielleicht auch einen Mitwissenden.
Gibt es dafür irgendwelche Hinweise, dass es so eine Person geben könnte?
Auch das können wir nicht sicher sagen, aber diese Tat, das ist nicht so eine Tat, die ganz, ganz schnell vonstatten ging, sondern da hat jemand an einem Abend in einer Stadt, in der diese Stadt voll belebt war, weil WM war, weil da draußen ganz viele Leute unterwegs waren.
Hat er eine Frau mindestens mal angesprochen, vielleicht in eine Falle gelockt, hat sie dann mitgenommen, mindestens eine Woche lang gefangen gehalten, ist in dieser Woche mit dieser Frau immer wieder umhergefahren in einem Fahrzeug, hat sie aus verschiedenen Ecken rund um Paderborn anrufen lassen.
Er musste sie ja dann dazwischen immer wieder gefangen halten, er musste sie in gewisser Weise irgendwie versorgen.
Das setzt so viel voraus, dass die Wahrscheinlichkeit, dass in dessen Umfeld doch vielleicht jemand etwas mitbekommen hat, doch nicht klein ist.
Und ich bin auch nicht der Einzige, der das glaubt, sondern auch zum Beispiel der Staatsanwalt ist der festen Überzeugung, dass es so eine Person gibt.
Vielleicht auch aus dem Grund, dass der Täter irgendwann dann doch nach der Tat das Bedürfnis hatte, jemandem das zu erzählen, weil er es selber nicht mehr ganz für sich behalten konnte.
In dem Podcast, da sprechen ja auch viele Angehörige und Freundinnen von Frauke, man hört auch Familienvideos von früher, als Frauke klein war und dass Frauke getötet wurde, ist mittlerweile 16 Jahre her.
Wie ist das denn für die Angehörigen, dass sie so viele Jahre später nochmal über den Fall sprechen und warum machen sie das?
So hart das klingt, das Leben der Angehörigen ist ja in gewisser Weise weitergegangen nach dem, was damals passiert ist.
Aber die Qual, nicht zu wissen, was Frauke damals passiert ist, die ist nie vergangen.
Und immer wieder sind sie natürlich getriggert, werden erinnert an das, was passierte.
Weihnachten zum Beispiel ist jetzt nicht mehr weit.
Frauke, so haben die mir das beschrieben, war die erste in der Familie, die im frühen Sommer schon angefangen hat, Leute, wie machen wir das dieses Jahr Weihnachten?
Und jetzt fehlt Frauke.
Das heißt, das ist immer da und damit verbunden ist immer die Frage da, ja, was ist denn eigentlich passiert?
Und warum ist das passiert?
Wie ist Frauke eigentlich gestorben?
Wer war das?
Und diese Fragen gar nicht beantworten zu können, das ist ganz, ganz schlimm für die Angehörigen.
Das ist ja anders als bei einem Verkehrsunfall, sage ich jetzt mal.
Das ist auch schlimm.
Immer wenn ein junger Mensch stirbt, ist das schlimm.
Aber gar keine Erklärung dafür zu haben, macht das Ganze noch viel unerträglicher.
Und aus diesem Gefühl heraus, und da ist natürlich die Mutter von Frauke eine treibende Kraft, haben die sich in gewisser Weise jetzt für mein Projekt zusammengetan und haben gesagt, die Ermittlungen sind jetzt 16 Jahre lang gelaufen.
Man hat dort immer wieder mal Dinge zutage gefördert, aber nichts, was zum Täter geführt hat.
Und wir werden diesen Fall nicht gelöst bekommen, in Anführungszeichen, wenn wir einfach nur rumwarten.
Es braucht jetzt öffentlichen Druck.
Was diesen Fall auch so besonders macht, sind vor allem Fraukes Anrufe.
Und die habt ihr von einer Schauspielerin einsprechen lassen.
Wir hören da mal kurz in eine Passage rein.
Wann kommst du zurück?
Ich weiß nicht.
Warum bist du nicht gekommen, obwohl du gesagt hast, dass du heute zurückkommst?
Erkläre ich dir später.
Soll ich dich abholen?
Nein, das geht nicht.
Können wir uns irgendwo treffen?
Das geht nicht.
Wo bist du?
Mama.
Wo bist du?
Mama.
Wo bist du?
Mama.
Hast du Angst, nach Hause zu kommen?
Nein.
Wir räumen auch die Wohnung und keiner fragt dich, was passiert ist.
Komm doch wieder.
Das geht nicht.
Ich lebe noch.
Ich kann mich noch genau an diese Zitate erinnern, die du damals ja auch vorgelesen hast.
Und dieses Mama, Mama, Mama, das ist mir nicht aus dem Kopf gegangen.
Ich finde das so bedrückend irgendwie.
Fraukes Umfeld hatte unter anderem den Verdacht, dass Frauke damit einen Hinweis auf ihren Aufenthaltsort geben wollte.
Nachweisen konnte man das aber nicht, weil bisher immer noch nicht klar ist, wo sie versteckt gehalten wurde oder wer bei ihr war.
Und trotzdem gab es über die Jahre immer mal wieder Bewegungen im Fall.
Was erzählt uns der Podcast denn Neues?
Also Neues zum Beispiel, und das hat uns auch im Grunde überrascht, dass es vor einigen Wochen Durchsuchungen in dem Fall gegeben hat.
Sehr, sehr aufwendige Durchsuchungen.
Die Staatsanwaltschaft in Paderborn hat einen neuen Anfangsverdacht.
Ich muss das betonen, es ist wirklich nur ein Anfangsverdacht.
Da ist jetzt niemand in Untersuchungshaft oder so.
Das heißt, es kann auch sein, dass das etwas ist, wie es immer mal wieder gab in diesen Jahren.
Eine neue Spur und ein paar Monate später sagt man, da ist aber nichts dran.
Aber diese neuen Entwicklungen werden wir im Podcast natürlich genau schildern.
Und man muss einfach sagen, es hat sich eine Menge bei Fraukes Mutter verändert.
Fraukes Mutter war bis vor wenigen Jahren selbst voll berufstätig.
Die war Direktorin eines Gymnasiums und seit einigen Jahren ist sie in Pension.
Und jetzt hat sie Zeit.
Und das hat bei ihr im Grunde dazu geführt, dass sie entschieden hat, selber in gewisser Weise auf die Suche zu gehen.
Sie hat neue Mitstreiter gefunden, die ihr dabei helfen.
Ingrid Liebs hat durchgesetzt, dass sie in die Ermittlungsakten schauen durfte.
Sie hat die Überzeugung, dass vielleicht die Ermittler darin nicht das Detail gefunden hat, was den Fall gelösen könnte.
Aber vielleicht sie selber, weil sie selber eben natürlich ihre Tochter am allerbesten kannte.
Und diese Suche, die jetzt gerade eigentlich so intensiv ist, wie sie es viele Jahre nicht war, die schildern wir im Podcast.
Aber wir schildern auch im Detail die offenen Spuren von damals.
Also was ist eigentlich in dieser Woche genau passiert?
Was ist die These der Ermittler, was passiert sein könnte und welche Spuren könnten in Richtung Täter weisen?
Und das machen wir absichtlich sehr detailliert, weil wir glauben, dass dann vielleicht wirklich irgendwo hier oder da ein Zeuge sich angesprochen fühlen könnte.
Den Podcast könnt ihr euch jetzt überall kostenlos anhören.
Und zwar sind die ersten vier Folgen schon überall verfügbar, wo es Podcasts gibt.
Unter dem Titel Frauke Liebs, die Suche nach dem Mörder.
Den Link packen wir euch aber auch nochmal in die Folgenbeschreibung.
Also wirklich eine Herzensempfehlung von unserer Seite und vielen Dank, Dominik.
Danke euch, ihr beiden.
Ciao.
Und damit herzlich willkommen zu Mordlust, einem Podcast der Partner in Crime.
Wir reden hier über wahre Verbrechen und ihre Hintergründe.
Mein Name ist Paulina Kraser.
Und ich bin Laura Wohlers.
In jeder Folge gibt es ein bestimmtes Oberthema, zu dem wir zwei wahre Kriminalfälle nacherzählen, über die diskutieren und auch mit Menschen mit Expertise sprechen.
Wir reden hier auch mal ein bisschen lockerer miteinander.
Das hat aber nichts damit zu tun, dass uns die Ernsthaftigkeit für das Thema fehlt, sondern das ist für uns immer so eine Art Comic Relief, damit wir zwischendurch auch mal aufatmen können.
Das ist aber natürlich nicht despektierlich gemeint.
Heute wird es bei uns zur Abwechslung mal wieder ein bisschen rechtlicher.
Es geht nämlich um die Körperverletzung mit Todesfolge.
Und um da alle jetzt abzuholen, erkläre ich den Straftatbestand jetzt mal an einem sehr hypothetischen Beispiel.
Okay. Also du, Paulina, hast mir mein schwarzes Oberteil schon wieder geklaut, ohne es mir zu sagen.
Und ich finde das nichtsahnd in deinem Schrank.
Ich musste es übrigens zurückgeben und durfte es gar nicht so lange behalten, wie mir eigentlich von Anfang an signalisiert wurde.
Wie signalisiert?
Wie habe ich das denn signalisiert?
Ich habe gesagt, ich kann das erstmal behalten.
Und dann war das erstmal, waren halt dann so zwei Wochen.
Erstmal heißt für mich ja wohl, du darfst es so lange offiziell behalten, bis ich vergesse, dass ich es hatte.
Und danach gehört es sowieso dir.
Das heißt erstmal behalten.
Weißt du, wo das jetzt ist?
Nee.
In meiner Wohnung in Berlin.
Also es hat jetzt auch niemand getragen in der Zeit.
Dein Vater war gerade da.
Wir können das nicht wissen.
Aber zurück zur Körperverletzung mit Todesfolge.
Also du hast mir das geklaut.
Ich finde das in deinem Schrank.
Und das macht mich, weil ich gerade PMS habe, so wütend, dass ich auf dich losgehe und dich richtig doll schubse.
Klingt nach dir in der heiklen Phase, ja.
Ja.
Du fällst dann aber so unglücklich, dass du mit dem Kopf auf Fussels Napf knallst und nicht wieder aufstehst.
Dann ist das eine Körperverletzung mit Todesfolge.
Weil, klar, ich wollte dich in dem Moment schubsen und dir auch wehtun, ja.
Weil du mir mein Oberteil geklaut hast und ich PMS habe.
Aber ich wollte ja nie und nimmer, dass du dabei stirbst.
Das wäre nicht nur Körperverletzung, sondern für Fussel auch noch ganz klar Vandalismus und sowieso unverzeihbar, weil bestimmt noch sein Futter im Napf war.
Und jetzt an deinen Haaren hängt.
Ja, vielen Dank dafür.
Und noch eine andere Frage.
Ist das hier ein akkurates Beispiel?
Weil wer deine PMS kennt, weiß, dass du von einem Gericht für schuldunfähig gesprochen werden würdest in diesem Fall.
Dann nehmen wir das mit der PMS hier zurück und ich gehe einfach so steuerungs- und einsichtsfähig auf dich los.
Okay, gut.
Aber ihr seht, bei dem Straftatbestand geht es um eine Kombination aus Vorsatz und Fahrlässigkeit.
Weil Laura die Körperverletzung ja vorsätzlich begangen hat, aber meinen Tod, den hat sie fahrlässig verursacht.
Weil, so hoffe ich zumindest, sie ja nicht wollte, dass ich sterbe.
Aber sie hätte vorhersehen können, dass ich, wenn sie mich so doll schubst, dass ich auf Fussels Naps hinter mir knalle, dass ich daran auch hätte sterben können.
Genau. Und so ein Fall ist vor Gericht auch ziemlich eindeutig.
Eine Körperverletzung mit Todesfolge ist aber nicht immer so einfach festzustellen bzw. zu bestimmen.
Und von zwei solcher Fälle erzählen wir euch heute.
Es ist ein frostiger Abend, der 16. Februar 2006 und trotzdem haben die Stars ihre Mäntel bereits abgelegt, um im rot-gelben Veranstaltungszelt für die Kameras zu posieren.
Jasmin Wagner, auch bekannt als Blümchen, lächelt breit in die Linse.
Patrick Nuo tätschelt den Bauch seiner schwangeren Frau Molly und Moderatorin Eva Herrmann posiert in einem getigerten Kostüm.
Eine Garderobe, die sie sich extra für diesen Abend herausgelegt hat.
Denn heute feiert die Show Afrika Afrika in Hamburg Premiere.
Während es draußen ungemütlich und kalt ist, heizen die AkrobatInnen und TänzerInnen ihrem Publikum ordentlich ein.
Nackte Füße stampfen zu den rhythmischen Klängen afrikanischer Trommeln auf den Boden.
Energiegeladen wirbeln die Tanzenden in ihren farbenprächtigen Kostümen über die Bühne.
Menschen im Bassdrücken errichten eine vierstöckige Pyramide aus ihren eigenen Körpern und eine Frau windet sich wie eine Schlange und dank ihres bedruckten hautengen Anzugs sieht sie auch noch fast so aus.
Das Publikum ist begeistert von den Darbietungen, die es für circa zwei Stunden in den fernen Kontinent zieht.
Die Freude, die die knapp 100 ArtistInnen während ihrer Auftritte ausstrahlen, ist derart mitreißend, dass die FAZ schreibt, ein Besuch von Afrika Afrika sollte vom Arzt verschrieben werden.
Dass das harmonische Zusammenspiel allerdings nur auf der Bühne funktioniert und es hinter den Kulissen teilweise ganz anders aussieht und eine Person sogar eine Gefahr für die anderen darstellt, ahnt von den Staunenden im Publikum niemand.
Einige Wochen später. Draußen ist es schon dunkel geworden. Amari ist mal wieder alleine. Von dem Tourleben hatte sich die 33-jährige senegalesische Tänzerin etwas anderes erhofft.
Die letzten Monate waren für Amari nervenaufreibend. Seitdem die Afrika Afrika Show Mitte Dezember in Frankfurt erst aufgeführt wurde, steht sie fast jedes Wochenende auf der Bühne.
Dazu kommen die stundenlangen Proben und der ständige Wohnsitzwechsel.
Erst Frankfurt, jetzt Hamburg. Danach stehen München, Berlin und Düsseldorf auf dem Plan.
Und obwohl sie all diese Städte bereist, die sie vorher nie besucht hat, kann sie sie nicht richtig erkunden.
Denn Amari fehlt die Freiheit. Die Freiheit, mit ihren Freundinnen vom Ensemble Zeit zu verbringen, neue Orte zu besichtigen, Erinnerungen zu schaffen, die Dinge zu verwirklichen, die sie gerne tun würde.
Das alles geht nicht. Denn Amari muss zu Hause bleiben, so wie es ihr Ehemann Tayo befohlen hat.
Während sie also gerade mal wieder alleine ist, hat er mal wieder einen netten Abend.
Und zwar mit seinem Freund Adrian, den Tayo in der Hansestadt kennengelernt hat.
Zusammen haben die beiden bereits ein Bordell besucht.
Heute Abend steht für Tayo aber ein Essen mit Adrian und seiner Freundin Jenny an.
Gezaubert hat es Amari, daran teilnehmen darf sie nicht.
Das hatte Tayo ihr nicht erlaubt.
Amaris Ehe und ihr ganzes Leben ist nämlich von einer Rollenverteilung geprägt, nach der der Mann bestimmt, was die Frau tut und wohin sie geht.
Das war schon im Senegal so und hat sich in Deutschland nicht geändert.
Als Amari Tayo in den 90ern kennenlernt, schlagen ihre Herzen noch im selben Takt.
Und vor allem für ein und dieselbe Sache.
Nämlich fürs Tanzen.
Auf die große Liebe folgt eine schnelle Heirat und ein paar Jahre später Tochter Sua.
Doch Amaris Mann Tayo reicht das nicht.
Er will mehr. Seine eigene Tanzgruppe gründen.
Und obwohl Amari viel lieber in ihrer Tanzgruppe bleiben möchte, gibt sie schlussendlich klein bei und kommt Tayos Wunsch nach, mit ihm zu tanzen.
Von nun an touren die beiden mit ihrer neu gegründeten Diamono Afrika-Gruppe von Veranstaltung zu Veranstaltung.
Bis eine Gelegenheit an ihre Tür klopft, auf die Amari ihr ganzes Leben lang gewartet hat.
Eine Gelegenheit, die ihr ganz großer Durchbruch sein könnte.
Ihrer und der von Tayo.
Eine Tournee quer durch Europa mit der Show Afrika Afrika.
Obwohl die beiden Tochter Sua dafür bei ihrer Großmutter im Senegal zurücklassen müssen, wagen sie das Abenteuer.
Doch die Tour durch Deutschland führt für Amari schon bald zur Zerreißprobe.
Denn hier mischen sich Arbeit und Privates.
Tayo wird schnell wütend.
Und wenn er wütend ist, schlägt er zu.
Möglicherweise zu Hause und wenn er getrunken hat, aber immer öfter, wird er auch vor den ArbeitskollegInnen handgreiflich.
Die anderen Tanzenden sehen die Spuren auf Amaris Körper und bekommen mit, was sich zwischen dem jungen Paar abspielt.
Etwas, das die Ensemble-Leitung nicht weiterhin dulden will.
Regelmäßig müssen Amari und Tayo deshalb beim Management der Akrobatik-Show zu Gesprächen antanzen.
Tayo bekommt eine Abmahnung, doch auch die Aussicht darauf, seinen Job verlieren zu können,
hindert ihn in den Momenten der Rage nicht daran, sich im Zaum zu halten.
Im Gegenteil, Tayo lässt seine Wut nicht mehr nur an Amari aus, sondern schlägt auch eine andere Künstlerin der Show.
Und einmal drischt er so doll auf Amari ein, dass ein KünstlerInnenbetreuer dazwischen gehen muss.
Nach nur fünf Monaten ist für Tayo dann Schluss.
Er wird gekündigt, fristlos.
Als Amari hört, dass das Management ihren Mann auch noch anzeigen will, versucht sie es davon abzuhalten.
Sie weiß, dass Tayo durch die Kündigung sein Aufenthaltsrecht in Deutschland verliert und sie will nicht noch mehr Öl ins Feuer gießen.
Aber Tayo denkt nicht daran, Deutschland allein den Rücken zuzukehren.
Er will Amari bei sich wissen und verlangt von ihr ebenfalls zu kündigen.
Amari hat sich die letzten Monate viel gefallen lassen.
Aber dazu ist sie nicht bereit.
Sie will nicht ihren Traum aufgeben, will nicht zurück, sondern in Deutschland bleiben und einfach weiter tanzen.
Ohne Tayo.
Diese Entscheidung macht ihren Mann so rasend, dass er von einem auf den anderen Tag verschwindet.
Und plötzlich ist Amari alleine und so frei wie nie zuvor.
In den nächsten Monaten durchlebt Amari eine Metamorphose.
Als die Akrobatikshow Ende Juni nach Berlin aufbricht, bezieht Amari eine Zwei-Zimmer-Wohnung in einem Apartmenthaus in Lichtenberg,
in dem auch andere KünstlerInnen des Ensembles untergebracht sind.
Zum ersten Mal in ihrem Leben kann sie tun und lassen, was sie will.
Amari ist wie ausgetauscht.
Sie geht zu Geburtstagsfeiern, shoppen, essen und genießt dabei jede einzelne Sekunde.
Saugt die Erfahrungen und kleinen Momente wie ein Schwamm in sich auf.
Tagsüber verbringt sie ihre Freizeit, wie sie es möchte.
Und abends fährt sie Richtung Hauptbahnhof, wo die Show gastiert.
Doch die neu gewonnene Freiheit hält nur kurz.
Es dauert nicht lange.
Da meldet sich Tayo wieder.
Will Geld, das Amari ihm gibt und steht auch einmal bei ihr vor der Tür.
Zwar verschwindet er genauso schnell, wie er gekommen ist auch wieder.
Doch sein Besuch bleibt nicht unbemerkt und es dauert nicht lange,
bis auch schließlich die Leitung der KünstlerInnen-Truppe von seinem Auftauchen erfährt.
Das bringt Amari in große Schwierigkeiten, denn Tayo wird hier von allen als Gefahr gesehen.
Die Ansage, die Amari vom Management bekommt, könnte deutlicher nicht sein.
Wenn sie noch einmal Kontakt zu Tayo aufnehmen sollte und dadurch die Show belastet, fliegt auch sie.
Das setzt Amari unter Druck.
Sie fühlt sich gefangen wie in einer Zwickmühle.
Die Show verlassen zu müssen, ist wirklich das Letzte, was sie möchte.
Aber ihren eigenen Ehemann aus ihrem Leben zu verbannen, könnte sie nicht mal, selbst wenn sie es wollte.
Die nächsten Tage sucht Amari nach einer Lösung und kommt letztendlich zu dem Schluss, dass es doch nur eine Antwort für ihr Problem gibt.
Wenn sie sich zwischen Karriere und ihrer Familie entscheiden muss, dann wird sie sich für die Karriere und ihre Freiheit entscheiden.
Doch aktuell macht es noch den Anschein, als würde Tayo, der jetzt schon längere Zeit nicht mehr von sich hat hören lassen, ihr diese Entscheidung abnehmen.
Weil Amari schon nicht mehr damit gerechnet hat, dass er bei ihr schlafen wird, hat sie sich Ersatz in die Wohnung geholt.
Ihre beste Freundin Mara.
Das Zusammenleben mit ihr gestaltet sich ganz anders, als sie es von Tayo gewöhnt ist.
Amari kann aufatmen und ihre Gedanken neu sortieren.
Sich Zeit für sich nehmen.
So lange, bis am Morgen des 31. Julis plötzlich ein altbekanntes Gesicht im Türrahmen ihrer Wohnung, im achten Stock des Berliner Hochhauses, auftaucht.
Es ist Tayo.
Er hatte sich nicht angekündigt.
Amari ist angespannt.
Sie hat Angst, dass er über ihre Entscheidung, ihren Job nicht zu kündigen, die Kontrolle über sich verliert.
Wie sich das anfühlt, hatte Amari die letzten Monate zuhauf zu spüren bekommen.
Aber es ist nicht nur die Angst davor, dass Tayo wieder zuschlägt.
Amari sorgt sich auch darüber, dass jemand Tayo hat ins Haus gehen sehen und dass das für sie das Karriere aus bedeuten würde.
Während all diese Gedanken in Amaris Kopf rumwirbeln, packt Mara bereits ihre Sachen und räumt ihren Schlafplatz für Tayo.
Amari bleibt allein mit ihrem Mann zurück.
Tayo kündigt an, bis Donnerstag in der Stadt bleiben zu wollen.
Vier Tage also.
Vier Tage, die sie durchstehen muss.
Vier Tage, in denen sie Gefahr läuft, bei Afrika Afrika rausfliegen zu können.
Noch am selben Tag merkt Amari, dass die Rückkehr von Tayo auch die Rückkehr in ihr altes Leben für sie bedeutet.
Nach nur wenigen Stunden beginnen die beiden zu streiten.
Natürlich geht es vor allem um ein Thema.
Tayo wird zurück in den Senegal zur gemeinsamen Tochter.
Zusammen mit Amari.
Doch das kommt für sie nicht in Frage.
Sie will in Deutschland bleiben und die Tournee zu Ende bringen.
Vor tausenden von Zuschauenden zu tanzen.
Genau das war immer ihr Traum.
Sie will nicht zurück in die Welt, wo man von ihr verlangt, den Befehlen ihres Mannes Folge zu leisten.
Wo sie kaum mehr sein kann als seine Ehefrau.
Amari bittet und bettelt.
Tayo solle doch alleine zurück in den Senegal und zu Sua gehen.
Das komme überhaupt nicht in Frage, beteuert Tayo immer wieder.
Und so verbringt Amari ihre Abende, seitdem Tayo wieder da ist.
Eine Auseinandersetzung jagt die andere und auf ein böses Wort folgt das nächste.
Kaum eine Stunde vergeht, in der zwischen den beiden nicht die Fetzen fliegen.
Das geht bis Donnerstagmorgen so.
Der Tag, an dem Tayo eigentlich abreisen wollte.
Doch noch immer haben die beiden keine Lösung für ihre Zukunft gefunden.
Tayo möchte eine gemeinsame, Amari nicht.
Es beginnt die alte Leier.
Tayo bittet Amari, ihn mit in die Heimat zu begleiten, doch sie lehnt das weiterhin ab.
Amari kann es nicht mehr hören und macht klar, dass sie Deutschland nicht verlassen wird.
Aus Tayos Bitten wird nun fordern.
Amari ist immerhin noch seine Frau.
Dass sie ihm den Gehorsam verweigert, macht ihn rasend.
Sein Ton wird schärfer.
Dass er erst gekündigt wurde und er jetzt auch noch seine Frau zu verlieren scheint,
das ist zu viel Kränkung für ihn.
Tayo droht, du wirst in den Senegal zurückkehren, ansonsten wirst du sterben.
Aber Amari bleibt bei ihrer Antwort.
Felsenfest.
Nein, nein und nochmals nein.
Tayo merkt, dass er bei seiner Frau nicht weiterkommt.
In seiner Verzweiflung droht er nun damit, sich selbst zu töten.
Man könnte doch nicht gemeinsam bei Afrika Afrika anfangen und sich dann einfach trennen.
Amari bittet Tayo, an ihre gemeinsame Tochter zu denken.
Nein, ich denke nicht an sie, sondern an mich und dich.
Und ich werde mich umbringen, wenn du nicht mit mir gehst.
Erwidert Tayo geladen, der der Überzeugung ist, dass er nicht alleine in sein Heimatland zurückkehren kann, ohne sein Gesicht zu verlieren.
Tayo greift zu einem Messer, das auf dem Wohnzimmertisch liegt.
Er lässt es spielerisch durch seine Hände gleiten.
Das wirst du nicht machen, dann bringe ich lieber mich um, sagt Amari, während sie versucht Tayo, das Messer aus der Hand zu reißen.
Der erste Schlag trifft Amari hart.
Und gleich darauf noch einer.
Amari versucht sich zu wehren, doch sie hat keine Chance.
Tayo rast vor Wut.
Der Streit eskaliert.
Mal wieder.
Als Amari Tayo den Rücken zukehrt, spürt sie plötzlich, wie ein stechender Schmerz ihren Rücken durchdringt.
Tayo hat ihr das Messer reingerammt.
Und damit nimmt das Unglück seinen Lauf.
Die Uhr zeigt 20 Minuten nach zwölf, als ein Körper aus dem achten Stock des Hochhauses knapp 25 Meter in die Tiefe fällt
und ein dumpfer Schlag durch die Paul-Zobel-Straße im Berlin-Lichtenberg-Halt.
Mit voller Wucht landet der Körper ungebremst in den Vorgarten des Apartmenthauses in einem Gebüsch.
Wenig später sieht ein Nachbar einen Mann aus dem Haus rennen.
Er läuft eilig zu dem Gebüsch, greift nach dem leblosen Menschen und schleift den Körper 15 Meter lang.
Danach legt er ihn unter einem anderen Gebüsch hinter dem Haus ab.
Der Mann bemerkt den Neugierigen an dem Fenster im zweiten Stock.
Komm, guck mal, ich hab sie nicht geschubst, sie ist alleine gefallen, schreit Tayo dem Beobachtenden entgegen.
Tatsächlich treten wenig später der Mann und noch eine weitere Person aus dem Haus heraus, um sich genauer anzusehen, was da vor sich geht.
Als Tayo das bemerkt, rennt er ohne weiteres einfach davon.
Wenig später durchbricht Ohren betäubender Lärm die Mittagsruhe in der Paul-Zobel-Straße.
Es ist der angeforderte Rettungshubschrauber, der den Notarzt bringt.
Doch der kann für Amari nichts mehr tun.
Es ist das zweite Mal seit ein paar Wochen, dass die BewohnerInnen in der Straße von einer Frau hören, die aus dem Fenster fiel.
Erst vor sechs Wochen war eine 73-Jährige aus ihrer brennenden Wohnung aus dem fünften Stock direkt in den Tod gesprungen.
Und nun werfen schon wieder Rettungswagen ihr Blaulicht gegen die Hausfassaden.
Doch diesmal sieht man noch etwas anderes.
MitarbeiterInnen der Spurensicherung hieven sich von außen über eine Drehleiter in den achten Stock,
um sich durch das Fenster Zugang zu Amaris Wohnung zu verschaffen.
Die Polizei nimmt noch am selben Tag die Ermittlungen auf.
Das liegt vor allem daran, dass seit ihrem Eintreffen den PolizistInnen in jedem Gespräch,
in jeder Vernehmung immer nur ein Name entgegengeschmissen wird.
Tayo.
Tayo, der seine Wut nicht zügeln können soll.
Tayo, der so heftig mit seiner Frau gestritten haben soll.
Tayo, der um sich schlägt und der vor allem vor kurzem von einem Nachbarn gesichtet worden sein soll.
Schnell zeichnet sich also ab, dass es sich hier um ein Tötungsdelikt handeln könnte.
Die Mordkommission übernimmt den Fall.
An diesem Tag fehlt eine der TänzerInnen von Afrika Afrika.
Als ihre KollegInnen von ihrem tragischen Ende erfahren,
versammeln sie sich bestürzt im Veranstaltungszelt beim Hauptbahnhof.
Ob man denn heute überhaupt auftreten wolle, fragt man sich.
Doch am Ende entschließen sich die KünstlerInnen dazu, die Show stattfinden zu lassen
und sie heute Abend allein Amari zu widmen.
Vorher wolle man gemeinsam beten.
Der Veranstalter verkündet der Presse außerdem,
dass man sich finanziell um das kleine Mädchen kümmern wolle,
das Amari im Senegal zurückgelassen hatte.
Denn mit diesem Tag hat die kleine Sua nicht nur ihre Mutter verloren,
auch ihren Vater.
Vorausgesetzt, die Behörden sollten ihn finden.
Bereits am nächsten Morgen wird gegen Tayo Haftbefehl erlassen
und er zur Fahndung ausgeschrieben.
Lange verstecken kann er sich nicht.
Noch am selben Tag, am frühen Nachmittag des 4. August,
kann die Polizei Tayo in Hamburg festnehmen.
Dahin war er direkt nach der Tat geflohen, um den Abend mit seinem Kumpel Adrian zu verbringen.
Als der am nächsten Tag erfährt, dass Tayo von der Polizei gesucht wird,
verpetzt er seinen Kumpel sofort.
Tayo wird zurück nach Berlin gebracht und vernommen,
zeigt sich dabei aber widerspenstig.
Mit dem Tod seiner Frau will er nichts zu tun haben,
nicht mal an ihrer Rückenverletzung sei er schuld.
Erst im Gespräch mit einem Sachverständigen räumt Tayo zumindest ein Gerangel mit Amari ein.
Sieben Monate verbringt Tayo in der JVA Moabit in Untersuchungshaft.
Bis am 5. März 2007 mit der Verlesung der Anklageschrift der Prozess gegen ihn eröffnet wird.
Laut und deutlich dröhnen der 29. Großen Strafkammer des Landgerichts Berlin
die Worte der Staatsanwaltschaft entgegen.
Totschlag, lautet der Vorwurf.
Tayo habe Amari mit Vernichtungsabsicht aus dem Fenster gestoßen,
weil er ihren Willen nicht respektiert habe, in Deutschland zu bleiben.
Neun Jahre Haft, fordert der Staatsanwalt.
Von der Anklagebank aus präsentiert man dagegen eine ganz andere Sicht des Ablaufs.
Tayo streitet klipp und klar, ab Amari aus dem Fenster geworfen zu haben.
Er gibt zwar zu, sich mit seiner Frau gestritten zu haben, verletzt habe er sie aber nicht.
Wie es denn dann zu dem Stich in Amaris Rücken gekommen sei,
möchte die Vorsitzende Richterin wissen.
Tayo antwortet, dass das Amaris Schuld gewesen sei.
Er habe sie im Streit von sich stoßen wollen.
Sie seien dann beide gestürzt und zu Boden gefallen.
In diesem Moment sei das Messer in ihren Rücken eingedrungen.
Das sei aber keine Absicht gewesen.
Wenig später habe Amari sich einfach aus dem Fenster gestürzt.
Er sei sofort ins Schlafzimmer gelaufen, weil er befürchtete,
dass sie ihre Drohung, sich selbst umzubringen, wahrmachen würde
und fand sie dann nicht mehr im Raum.
Dass Tayo Amari nicht verletzt habe, ist wenig glaubhaft,
nachdem man die Aussagen der AkrobatInnen hört,
die mit Tayo und Amari mehrere Monate durch Deutschland tourten.
Ein Künstlerbetreuer der Show schildert dem Gericht eindrücklich,
dass es seit Monaten immer wieder Streit zwischen dem Ehepaar gegeben habe.
Und wie oft Tayo dabei handgreiflich geworden sei.
Amari habe sich von Tayo regelrecht verfolgt gefühlt.
Er berichtet, dass er den Eindruck hatte, dass auch Amari die Trennung von Tayo nicht leicht fiel,
dass sie nicht konsequent genug gewesen sei und nicht von ihm loskommen konnte,
obwohl sie immer wieder betonte, wie sehr sie sich vor ihm fürchtete.
Dass es Amari offenbar nicht leicht fiel, von Tayo loszukommen, nutzt auch sein Anwalt für seine Verteidigung.
Die Tage, die Tayo gemeinsam mit Amari in ihrer Wohnung verbracht hatte,
seien für seinen Mandanten das reinste Gefühlschaos gewesen.
Ein ständiges Auf und Ab.
Tagsüber hatte das Paar gestritten, abends hätten sie jede Nacht Sex gehabt.
Mit diesem ambivalenten Verhalten habe Tayo nicht umgehen können.
Mit dieser Verteidigungsstrategie plädiert Tayos Anwalt am Ende darauf,
dass Amari in die Enge getrieben worden war
und in einer Kurzschlusshandlung selbst aus dem Fenster gesprungen sei.
Nachdem die Schlussplädoyers gesprochen wurden
und der Meinungskampf zwischen Tayos Verteidiger und der Staatsanwaltschaft zu einem Ende gekommen ist,
wird es in dem Raum im Landgericht Berlin still.
Die Richterin übergibt Tayo das Schlusswort, der seine Chance ergreift und sagt,
Ich bitte alle um Vergebung.
Er sei von Amaris Sprung überrascht gewesen und wolle das auch Sua ihrem gemeinsamen Kind erklären.
Mit Tayos Bitte um Vergebung endet der Prozess zunächst.
Bis am 14. März 2007 Richterin Monika Dietrich abermals den Gerichtssaal betritt,
um das Urteil zu verkünden.
Das Gericht ist der Meinung, es habe sich wie folgt zugetragen.
Als Amari den Messerstich in ihrem Rücken spürte, wurde sie von Todesangst erfasst.
Barfuß rannte sie aus dem Wohnzimmer durch die offene Tür über den Flur in das gegenüberliegende Schlafzimmer.
Tayo folgte ihr.
Noch immer hatte er dabei das Messer fest in seinem Griff.
Amaris Blick fiel auf das Schlafzimmerfenster, dessen rechter Flügel offen stand.
Weil sie nicht wusste, wohin sie sonst flüchten soll, nahm Amaris Schwung und schwang auf das ungefähr 90 cm hohe, schmale Fensterbrett.
Doch sich aufrichten und daran festhalten konnte sie nicht.
Verzweifelt streckte sie ihre Arme aus, aber sie fand kein Gleichgewicht.
Der Schwung, den sie genommen hatte, war zu groß.
Und so rutschte Amari auf dem dünnen Brett aus und stürzte aus dem achten Stock in die Tiefe.
Das Gericht schenkt Tayos Ausführungen also in weiten Teilen Glauben.
Die Beweislage gebe für einen absichtlichen Todesstoß nichts her.
Es habe keine Kampffspuren gegeben, die darauf hindeuteten, dass die Frau von ihrem Ehemann gewaltsam aus dem Fenster gestürzt worden sei.
Nichtsdestotrotz betont die Richterin, dass sich das Opfer ohne die Messerattacke nicht in diese Gefahrenlage begeben hätte.
Damit sei Tayo auch für den Tod der Frau verantwortlich.
Auch wenn er in seiner Steuerungsfähigkeit aufgrund seiner narzisstischen Kränkbarkeit und dem emotionalen Auf und Ab erheblich gemindert gewesen sei.
Am Ende lautet der Schuldspruch deswegen auf gefährliche Körperverletzungen, in Tateinheit mit fahrlässiger Tötung.
Zwei Jahre und neun Monate Haft.
Im Gerichtssaal blickt man in fassungslose Gesichter.
Viel zu milde sei das Urteil, hört man von einigen Prozessbeobachtenden.
Vor allem die Staatsanwaltschaft zeigt sich sichtlich unzufrieden mit dem Ergebnis.
Sie geht in Revision. Und das mit Erfolg.
Tayos Fall landet vor dem BGH.
Und in Karlsruhe ist man sich sicher, dass Tayos Schuld schwerer liegt, als vom Landgericht Berlin angenommen.
Zwar geht man dort mit der Ansicht mit, dass Tayo Amari nicht umbringen wollte, sondern er ihren Tod fahrlässig verursacht habe.
Aber das Landgericht habe nicht hinreichend beachtet, dass der Messerstich in den Rücken, nachdem Tayo Amari mit dem Tod gedroht hatte und sie sich in einer ausweglosen Lage befand, sie also um ihr Leben fürchten musste, dafür sorgte, dass sie in Panik geriet und bei ihrem riskanten Fluchtversuch zu Tode kam.
Das Landgericht hatte angenommen, dass Tayo sich der gefährlichen Körperverletzung durch den Messerstich schuldig machte und die fahrlässige Tötung durch den Sturz erfolgte.
Der BGH sieht hier aber die Körperverletzung mit Todesfolge verwirklicht, denn ihre Flucht sei eine naheliegende und deliktstypische Reaktion gewesen.
Amari sei einer konkreten Bedrohungssituation ausgesetzt gewesen und ihr Sturz aus dem Fenster eine Reaktion darauf.
Kurzer Exkurs.
In beiden Fällen, also fahrlässige Tötung und Körperverletzung mit Todesfolge, wird der Tod des Opfers fahrlässig verursacht.
Bei der Körperverletzung mit Todesfolge ist es aber so, dass der Tod eben eine unmittelbare Folge einer absichtlichen, vorsätzlichen Körperverletzung ist.
Bei einer fahrlässigen Tötung hätte das bedeutet, dass Tayo nur seine notwendige Sorgfalt außer Acht gelassen hatte.
Und das wird in der Regel nicht so schwer geahndet wie die Körperverletzung mit Todesfolge.
Der BGH ändert den Schuldspruch also dahingehend.
Vier Monate später entscheidet das Landgericht Berlin über ein neues Strafmaß.
Statt zwei Jahre und neun Monate, muss Tayo nun für vier Jahre und drei Monate in Haft.
Tayo konnte Amaris Freiheiten nicht akzeptieren.
Er konnte es nicht dulden, dass seine Frau seine Befehle missachtete.
Doch mit seiner Wut und seiner Aggressivität, mit der er versucht hat, seinen Willen und sein Weltbild durchzusetzen,
hat er am Ende seiner eigenen Tochter die Chance genommen, gemeinsam an der Seite ihrer Eltern aufzuwachsen.
So er wird die nächsten Jahre ohne ihren Papa im Senegal groß werden.
Und auf die Liebe ihrer Mutter wird sie ihr ganzes Leben verzichten müssen.
Also dieser Typ macht mich so, so, so sauer.
Die Frau hatte das, was sie sich immer gewünscht hat, die Karriere, das Tanzen, was ihr so Spaß gemacht hat, die Möglichkeit in Deutschland zu wohnen.
Und nur weil er es verkackt hat, weil er sich nicht zusammenreißen kann, darf sie kein Glück in ihrem Leben erfahren.
Nur weil ihm es schlecht geht und er gekündigt wurde und zurück muss, muss es ihr auch schlecht gehen.
Das ist für mich auch keine Liebe und ich kann es einfach nicht fassen, wie man so scheiße sein kann wie dieser Typ.
Also das ist auf jeden Fall keine Liebe, wenn du den Menschen, der dir ja sehr wichtig sein sollte, schlägst.
Ja, und ich muss sagen, ich finde vier Jahre und drei Monate auch nicht so wahnsinnig viel.
Dafür, dass er ihr ein Messer in den Rücken gerammt hat und sie vorher mit dem Tod bedroht hat.
Ja, das stimmt.
Also das kam hier alles nicht von irgendwo her.
Ja.
In Tayos Fall hatte der BGH ja am Ende entschieden, nein, es war keine fahrlässige Tötung, sondern eine Körperverletzung mit Todesfolge.
Obwohl Amari ja selbst in den Tod gesprungen ist.
Dass so ein Tod die Folge einer Körperverletzung sein kann, hat man aber nicht immer so gesehen.
Und deshalb geht es in meinem AHA jetzt um den sogenannten Unmittelbarkeitszusammenhang.
Der wird auch spezifischer Gefahrzusammenhang genannt und ist für eine Verurteilung der Körperverletzung mit Todesfolge eine wichtige Voraussetzung.
Und zwar bedeutet der, dass sich die spezifische Gefährlichkeit der Körperverletzung in der schweren Folge, also im Tod, niedergeschlagen haben muss.
Und wenn wir uns nochmal dein Beispiel vom Anfang angucken, also dass du mich da schubst, da ist der Zusammenhang ja einfach herzustellen.
Dein heftiges Schubsen hat unmittelbar dazu geführt, dass ich mit dem Kopf auf Fusselsnapf aufknalle und dann dadurch sterbe.
Da gibt es jetzt nicht so wirklich viel groß zu rütteln dran.
Die Frage ist aber, wie kann man diesen Zusammenhang rechtfertigen, wenn die Person, die nur in Anführungsstrichen geschlagen wurde, jetzt nicht indirekt an dem Schlag stirbt, in dem sie jetzt zum Beispiel irgendwo rauf fällt, sondern wegrennt wegen des Schlags und aus dem Fenster springt und deshalb dann stirbt.
Und damit hat sich der BGH schon mal 1970 beschäftigt.
Da ging es um Herrn Rötzel, der Resi, die Haushaltshilfe seiner Mutter, angegriffen und ihr so eine tiefe Wunde am Arm und einen Nasenbeinbruch verpasste.
Um den Schlägen des Mannes zu entgehen, rannte Resi zum Fenster und versuchte von da auf den Balkon zu fliehen und dabei stürzte sie aber ab und starb.
Und hier war der BGH der Meinung, dass der Unmittelbarkeitszusammenhang nicht vorliege, weil der Tod von Resi erst unmittelbar durch das Verhalten von ihr herbeigeführt wurde.
Und in solchen Fällen sei der Tod dann nicht mehr auf die typische Gefahr der Körperverletzung zurückzuführen, die der Gesetzgeber eigentlich im Auge hatte.
So sah das der BGH zumindest damals.
Und deswegen wurde Herr Rötzel am Ende auch wegen Körperverletzung in Tateinheit mit fahrlässiger Tötung verurteilt und nicht wegen Körperverletzung mit Todesfolge, was für ihn in diesem Fall eine längere Haftstrafe bedeutet hätte.
Und an diesem Urteil hat man sich schon damals gerieben, weil viele der Meinung waren, dass so eine Fluchtreaktion, wie sie Resi hatte, dem Selbsterhaltungstrieb des Menschen entspringt.
Und bei einer Körperverletzung ja auch irgendwo eine natürliche Reaktion ist, dass man da weg will aus dieser Situation.
Mittlerweile hat die Rechtsprechung auch auf diese Kritik reagiert, haben wir ja jetzt im Fall von Amari gesehen.
Weil man muss schon ganz klar festhalten, ohne die Körperverletzung, die Amari in Angst versetzt hat, wäre sie nicht geflohen und damit auch nicht gestorben.
Und heute gilt deswegen in der Rechtsprechung der Grundsatz, wenn jemand durch das Verhalten des Täters oder der Täterin in Panik gerät und dadurch dann eine gefährliche Flucht vornimmt und bei dieser stirbt,
dann wird der Unmittelbarkeitszusammenhang gejagt und damit auch der Tatbestand der Körperverletzung mit Todesfolge.
Wo die Flucht von einem Opfer auch eine wichtige Rolle gespielt hat, ist bei der Hetzjagd in Guben, die wir meiner Meinung nach auch schon irgendwo mal angesprochen hatten.
Ich weiß aber nicht mehr, wo.
Bestimmt.
Auf jeden Fall ist hier das Interessante, dass eine versuchte Körperverletzung mit Todesfolge verurteilt wurde.
Was einen so ja jetzt erstmal etwas ratlos zurücklässt, weil wie kann ein Versuch einer Körperverletzung zum Tod führen?
Genau, weil die Körperverletzung, die zum Tod führen müsste, die hat ja gar nicht stattgefunden.
Genau.
In Guben war das so, dass eine Gruppe Rechtsextremer auf einen Asylbewerber und seine Begleitung getroffen ist und die Männer dann plötzlich laut schreiend auf sie zugestürmt sind.
Und der Asylbewerber, der hier in dem Fall jetzt wichtig ist, ist dann aus Angst auf einen Häuserblock zugerannt, weil er sich da drinnen verstecken wollte.
Weil die Tür aber nicht aufging, hat er das Glas eingetreten und sich dabei so stark am Bein verletzt, dass er dadurch verblutet ist.
Und hier war es dann halt auch erstmal so, dass die Haupttäter vom Landgericht wegen fahrlässiger Tötung verurteilt wurden.
Und damit waren die Verurteilten aber nicht zufrieden und gingen in Revision, weil sie nämlich der Meinung waren,
nee, nee, nee, wir haben hier den Tod des Opfers überhaupt nicht zu verantworten.
Vor allem eben mit der Begründung, sie hätten ihn ja nicht mal angefasst.
Also wie kann dieses Urteil zustande kommen?
Also landete der Fall vor dem BGH und der änderte die Schuldsprüche dann auf versuchte Körperverletzung mit Todesfolge.
Weil laut Urteil hätten die Angeklagten spätestens mit der Verfolgung des Opfers die Schwelle zum Jetzt geht's los überschritten.
Also damit zu einer Körperverletzung angesetzt.
Weil sie hatten ja natürlich schon vor den Mann zu verletzen.
Und das hätten sie wahrscheinlich auch gemacht, wenn sie ihn eingeholt hätten.
Und weil diese versuchte Körperverletzung im Tod des Mannes geendet ist,
hat sich der BGH in dem Fall dann natürlich auch wieder mit dem Unmittelbarkeinszusammenhang beschäftigt.
Und auch hier kam man dann da zu dem Schluss, dass der gegeben ist.
Also heißt, am Ende wurden alle Haupttäter wegen versuchter Körperverletzung mit Todesfolge verurteilt.
Ja, so ergibt es ja auch Sinn, weil wäre das Opfer nicht vor diesem drohenden Angriff der Täter geflohen,
hätte auch dessen Tod vermieden werden können.
Genau, aber der Fall, der ist schon sehr speziell.
Also weil so eine Verurteilung wegen versuchter Körperverletzung mit Todesfolge, das ist wirklich super selten.
Und das liegt natürlich auch daran, dass das einfach nicht so häufig vorkommt,
und dass ein reiner Versuch einer Körperverletzung, also der Versuch beispielsweise jemanden zu schlagen,
man trifft dann aber nicht oder so, dass dieser Versuch dann im Tod der Person endet.
Und es kommt auch deshalb selten vor, weil bei solchen Taten dann auch sicher festgestellt werden müsste,
dass es bei der Tat keine Tötungsabsicht gegeben hat.
Und das ist bei einer versuchten Tat ja nicht so einfach.
In meinem Fall geht es um einen Wettkampf, bei dem es nur Verlierer gibt.
Alle Namen habe ich geändert.
Hey, ich komme gegen vier, tippt Moritz in den frühen Morgenstunden dieses 25. Februars 2007 in sein Handy.
Die Nachricht ist eine Aufforderung an seinen Kontrahenten.
Denn es steht ein Kampf aus.
Eine Wette, die der 16-Jährige unbedingt gewinnen will.
Der Kriegsschauplatz ist das IT am Spandauer Damm in Berlin.
Eine Bar, in der Moritz so gut wie jedes Wochenende verbringt.
In dem Etablissement im ersten Stock eines 70er-Jahre-Baus, direkt neben dem Schloss Charlottenburg,
gibt es für kleines Geld reichlich Bier und Hochprozentiges.
Und das für jeden, dem gerade danach ist.
Alterskontrollen gibt es im IT nämlich in der Regel nicht.
Und wenn, werden dabei gerne auch mal beide Augen fest zugedrückt.
So können sich Minderjährige wie Moritz hier völlig problemlos mit etlichen Wodka, Bulls und Tequila volllaufen lassen.
Shots gehen für 1 Euro über die Theke.
Cocktails und Longdrinks gibt es für knapp 4.
Und wem einmal das Taschengeld ausgeht, der darf sogar anschreiben.
Den Besitzer des IT kennt Moritz schon länger.
Ari hat von Anfang an einen Eindruck bei dem Neuenklässler geschindet.
Die coole Art des 10 Jahre älteren Kneipenwirts imponiert Moritz.
Er sieht in ihm fast so etwas wie einen älteren Bruder, dem er nacheifern kann.
Ein Mann, der sein Herz auf der Zunge trägt und immer gut drauf ist.
Als Moritz in dieser Nacht seinen Fuß über die Schwelle seiner Stammkneipe setzt, wartet Ari schon auf ihn.
Denn auch er ist bereit für den Wettkampf, der tödlich enden wird.
6,5 Stunden zuvor.
Du brauchst nicht auf mich zu warten, ruft Moritz, als er an der Tür der Wohnung steht, in der er mit seiner Mutter Petra und seiner zwei Jahre jüngeren Schwester Leonie lebt.
Es ist Samstagabend und der 16-Jährige hat sich mit seinem Freund Manuel verabredet.
Gemeinsam wollen sie in den Club reich und schön am Potsdamer Platz und anschließend bei Manuel übernachten.
Mutter Petra ist von Moritz' Plänen nicht wirklich begeistert.
Gerade in letzter Zeit ist sein Alkoholkonsum sowieso immer wieder Grund dafür, dass zu Hause die Fetzen fliegen.
Denn Petra ist der Meinung, dass ihr Sohn zu viel trinkt.
Moritz hingegen hält das für völlig normal in seinem Alter.
Außerdem sieht er es nicht ein, mit dem Trinken aufzuhören, genießt er doch dadurch einige Vorzüge.
Weil er knapp 1,90 ist und gleichzeitig fast 90 Kilo auf die Waage bringt, machen ihm zwei, drei Bier nämlich fast nichts aus.
Im Gegenteil, Moritz verträgt viel, deutlich mehr als die anderen in seinem Alter.
Damit prahlt er zwar nicht, aber die Anerkennung, die er dadurch in seiner Clique erhält, genießt er schon.
Gerade jetzt tut sie gut, wo Moritz mit der Ehrenrunde, die er gerade in der Schule dreht, nicht unbedingt angeben kann
und die meiste Zeit mit Jüngeren verbringen muss.
Umso mehr erfreut er sich auf die Wochenenden, an denen er mit seinen Freundinnen so richtig diese auch auslassen kann.
Und genau das steht auch heute Abend auf dem Plan.
Um 10 Uhr steht Moritz dann mit seinen Kumpels Manuel und Tobi im Reich und Schön.
Aber anstatt gleich ein paar Longdrinks zu bestellen, wie es sonst Moritz Art ist, trinkt er den ganzen Abend nicht mehr als ein paar Bier.
Und das hat einen Grund, den er seinen Freunden als Antwort auf ihre verwunderten Blicke verrät.
Moritz ist nämlich heute noch zum Wetttrinken mit Ari verabredet.
Tequila, bis einer aufgibt oder kotzt.
Etwas, was er, wie alle wissen, schon lange vorhat.
Eigentlich schon seit dem Abend, an dem er gehört hat, dass Ari im vergangenen Sommer ein Wettsaufen gegen einen 18-jährigen Hockeyspieler
nach gerade einmal 20, 30 Runden Tequila gewonnen hat.
Moritz ist sich sicher, er schafft mehr, so trinkfest wie er ist.
Und das will er sich und allen anderen heute Nacht beweisen.
Aber weder Manuel noch Tobi möchten ihn heute zu seinem Wettkampf begleiten.
Daraufhin versucht Moritz, seine Freundin Carina zu überreden.
Am Telefon bittet er sie mitzukommen, damit sie ihn notfalls nach Hause bringen könnte.
Aber auch sie sagt ab.
Am Ende macht sich Moritz ganz alleine auf den Weg in sein Stammlokal,
das schon von Weitem mit blauer Leuchtschrift auf Gästefang geht.
Als der 16-Jährige dort gegen 4 Uhr ankommt, ist das IT so gut wie leergefegt.
In der spärlich beleuchteten Bar mit ihren dunkelroten Wänden,
den dunkelbraunen Holztischen und den schwarzen Polsterbänken
sind neben ein paar hartnäckigen Nachtrollen nur noch Aris Freundinnen versammelt,
die um die Theke herum an ihren Cocktails schlürfen.
Als die Gruppe Moritz entdeckt, ruft einer zu Ari gerichtet,
da kommt sein Gegner und damit ist der Kampf auch schon eröffnet.
Moritz mit seinem pausbäckigen Gesicht, den blauen Augen und den hochgegelten Haaren
auf der einen Seite des Tresens, der kräftige Ari mit den braunen Locken auf der anderen.
Der 16-Jährige gegen den 26-Jährigen.
Ab jetzt gilt, wer nicht mehr weitertrinken kann oder sich übergibt, hat verloren
und muss dem Gewinner einen Döner spendieren.
Und schon stehen die ersten zwei Gläser Tequila vor Moritz und Ari.
Siegessicher gibt Moritz die erste Runde der brennenden Flüssigkeit runter,
ohne mit der Wimper zu zucken.
Ari zieht mit.
Ohne dass sie sich versehen, steht auch schon das nächste Paar an Shots vor ihnen.
Hochheben, ansetzen, schlucken.
Um einen Überblick über den Spielstand zu behalten, führt Aris Kumpel Johannes an der Seite
fein säuberlich Strichliste.
Johannes ist genau wie die anderen, die sich um den Wettkampftisch versammelt haben,
nicht nur ein Freund von Ari, sondern auch Aushilfskellner.
Er dokumentiert jetzt jedes Glas, das hinter der Theke von Robin eingefüllt
und von Andrea an den Tisch gebracht wird.
Jede Runde stellt Andrea ein Glas vor Ari, das andere platziert sie vor Moritz.
Tequila nach Tequila rinnt Moritz rachen hinunter.
Kaum hat er ein Glas geleert, steht das nächste volle schon wieder vor ihm.
Nach ca. 25 Runden stellt Andrea wieder ein Glas mit durchsichtiger Flüssigkeit vor Moritz ab.
Er hebt es hoch, führt es in Richtung Mund und schluckt.
Doch irgendwie schmeckt der Schnaps diesmal total mild.
Er brennt überhaupt nicht so wie die ganzen Gläser zuvor, sondern hat eigentlich gar keinen Geschmack.
Deshalb ruft Moritz laut, schmeckt ja wie Wasser.
Daraufhin holt Schiedsrichter Johannes die Tequila-Flasche hinter der Bar nach vorne
und stellt sie offen auf den Tisch zwischen die beiden Kontrahenten.
Von nun an schenken Moritz und Ari sich ihre Gläser selbst ein und so geht der erbitterte Kampf weiter.
Moritz gegen Ari, Ari gegen Moritz.
Tequila für Tequila, Runde um Runde.
Zwischendurch gehen die beiden auch zur Toilette,
aber laut ihren festgelegten Regeln dürfen sie dies nur unter dem strengen Blick des jeweils anderen tun,
damit sich keiner heimlich übergeben und mit neuem Fassungsvermögen wieder in den Ring steigen kann.
Dann irgendwann steht es 40 zu 40.
Nein, das verträgt doch kein Mensch.
Nee, aber jetzt ist Gleichstand.
Bereits knapp eine Stunde hält der zähneknirschende Wettstreit zwischen den beiden nun an.
Und das spürt Moritz auch.
Langsam geht es ihm immer schlechter.
Vor allem im Vergleich zu Ari, der ihm topfit gegenüber sitzt.
Moritz bittet um eine kurze Pause, doch Ari will ihm diese nicht gönnen und kippt fünf Tequila hintereinander in sich rein.
Für Moritz eine klare Aufforderung ist ihm nachzutun und so zieht er mit.
45 41, 45 42, 45 43, 45 44, doch dann ist Schluss.
Moritz Kopf sinkt auf die Tischplatte.
Ari fragt, geht's dir gut?
Moritz nickt.
Doch weiter trinken kann er nicht.
Genauso wenig wie seinen Kopf heben oder sprechen.
Moritz ist am Ende und sein Kampf damit verloren.
Ein Kampf, dessen Ausgang von Gegensätzen überzogen ist.
Während Moritz auf der Tischplatte hängt, hat Ari die 45 Gläser offenbar locker weggesteckt.
Er ist gut drauf, macht Witze und erklärt sich selbst zum Sieger.
Zehn Minuten später übergibt der Kneipenwirt Johannes den Barschlüssel und bittet ihn und die anderen aufzuräumen und später abzuschließen.
Moritz sollen sie rausschaffen oder nach Hause bringen, wenn's sein muss.
Ari hat nämlich Besseres vor.
Sein nächstes Ziel ist Anfang 20 und hat lange, dunkle Locken.
Emilia, die ihn während des Wetttrinkens angefeuert hat, hakt sich unter und die beiden verschwinden in der nächtlichen Dunkelheit.
Währenddessen wird Moritz von Aris Freunden auf ein Sofa in der hinteren Ecke der Bar getragen und auf die Seite gedreht,
damit er nicht erstickt, falls er sich übergeben muss.
Außerdem stellen sie einen Eimer auf den Boden neben ihn.
Dann zückt Johannes einen Kugelschreiber und fängt an, auf Moritz Bauch zu schreiben.
Du hast verloren.
Erst säufst du und dann kotzt du auch noch.
Ari, 45, du, 44.
Danach wird aufgeräumt und geputzt.
Doch weil auch danach immer noch einige Gäste da sind,
setzen sich Johannes, Robin, Andrea und die anderen wieder an die Theke vor ihre Drinks.
Ab und zu läuft einer mal zur Couch, um zu schauen, wie es Moritz geht,
der immer noch regungslos da liegt, vor ihm im Eimer so gut wie nichts Erbrochenes.
Das Ganze geht noch circa eineinhalb Stunden so, bis einer beim nächsten Mal nachschauen bemerkt,
dass Moritz' Gesicht blau angelaufen ist.
Ich glaube das nicht.
Ohne Zeit zu verlieren, ruft Robin die Feuerwehr.
Die anderen versuchen, Moritz' Herz zu massieren und Mund zu Mund zu beatmen.
Doch als der Notarzt um 7.33 Uhr eintrifft, hat Moritz keinen Puls mehr.
Um ihn wieder zurück ins Leben zu holen, spritzt der Mediziner ihm unter anderem Adrenalin
und fängt an, ihn künstlich zu beatmen.
Und dann geschieht das, worauf alle in der Bar gehofft haben.
Moritz' Herz beginnt wieder zu schlagen.
Als der Schüler einigermaßen stabil ist, wird er sofort ins Krankenhaus gebracht.
Dort wird ihm um 9 Uhr das erste Mal Blut abgenommen.
Vier Stunden nach Ende des Wetttrinkens stellen die Ärztinnen bei ihm einen Blutalkoholwert von 3,6 Promille fest.
Dann fällt Moritz ins Koma.
Boah.
Ab jetzt wacht Mutter Petra in seinem Bett.
Stunde um Stunde sitzt die Bibliothekarin hilflos in dem Kleizimmer der Intensivstation des Virchow-Klinikums,
in dem statt Moritz' Stimme nur die Geräusche der Beatmungsmaschine nachklingen.
Und an jedem Tag wünscht sie sich nichts sehnlicher, als wieder in seine strahlend blauen Augen zu schauen oder sein Lachen zu hören.
Doch die Hoffnung darauf nehmen ihr die Ärztinnen relativ schnell.
Moritz' Prognose ist schlecht.
Zu lang war sein Gehirn wegen seines eigenen Erbrochenens, das in seinem Hals steckte, ohne Sauerstoff gewesen.
Hirntot mit anderen Worten.
Oh nee.
Und keine Aussicht auf Besserung.
Trotzdem hofft Petra fünf lange Wochen, dass ein Wunder geschieht.
Doch das bleibt aus.
Moritz macht nicht die geringsten Fortschritte, zeigt noch immer keine Reaktion auf nichts.
Das zwingt Petra schließlich, die wohl schwerste Entscheidung ihres Lebens zu fällen, über den Tod ihres eigenen Sohns zu bestimmen.
Am 27. März 2007 steht der Entschluss dann fest.
Die Maschinen, die Moritz am Leben halten, werden abgestellt.
Diesen und auch den nächsten Tag atmet der 16-Jährige noch selbstständig weiter.
Am frühen Morgen des 29. März verliert Moritz dann aber auch seinen zweiten Kampf, den um sein Leben.
Um 1.16 Uhr schwindet die letzte Kraft aus seinem jungen Körper.
Moritz verstirbt an einem Herz-Kreislauf-Versagen infolge eines Atemstillstands.
Und das alles nur, weil er innerhalb von knapp einer Stunde fast einen Liter Tequila getrunken hat.
Zu Moritz' Beerdigung ein paar Tage später auf dem Waldfriedhof in Dahlem kommen unzählige Trauergäste.
Auf dem erdigen Boden neben den dichten Nadeln einer dunklen Tanne entsteht ein Meer aus Blumen.
An einem Kranz, der aus rosafarbenen und pinken Rosen gebunden ist, hängt ein dunkelblaues Band.
In silbernen Buchstaben steht darauf, in Liebe, Mama, Papa und Leonie.
Doch nicht nur Moritz' Familie und seine Freundinnen trauern.
Ganz Deutschland ist erschüttert über den tragischen und unsinnigen Tod des Teenagers.
Moritz' Geschichte geht durch alle Medien und löst eine bundesweite Debatte über den zunehmenden Alkoholmissbrauch unter Kindern und Jugendlichen aus.
In der Politik werden Forderungen nach strengeren Gesetzen und Kontrollen laut.
Auch eine bessere und verstärkte Aufklärung an Schulen wird verlangt.
In diesem Zusammenhang äußert sich auch Moritz' Schulleiterin.
Sie sagt, wir sind betroffen vom Tod unseres Schülers und trauern mit seiner Familie.
Wir haben es hier mit einem gesellschaftlichen Phänomen zu tun, das uns sehr besorgt und dem nur durch langfristige Zusammenarbeit von Elternhaus, Schule, Politik und Öffentlichkeit begegnet werden kann.
Durch das Großinteresse an dem Komasaufenfall, wie es die Prässe nennt, geraten auch immer mehr Details zu Moritz' Tod an die Öffentlichkeit.
Von einem Wetttrinken ist die Rede. Ein Wetttrinken mit einem älteren Mann, dem Besitzer der Bar, in der Moritz zusammenbrach und den ReporterInnen auch schnell ausfindig machen.
Wie alt war der nochmal, der Ari?
26. Zehn Jahre älter.
Also da wird man dann als älterer Mann bezeichnet.
Ach so, nein.
Was sind wir da?
Ach so, im Gegensatz zu Moritz ist Ari ein älterer Mann.
Auf Nachfragen wehrt sich Ari allerdings lautstark gegen den Vorwurf, mit dem Schüler ein Wetttrinken ausgetragen zu haben.
Das ist gelogen, sagt Ari.
Der hat hier überhaupt kein Tequila getrunken, tönt er.
Stattdessen sei Moritz bereits betrunken in seiner Bar angekommen.
Vor laufender Kamera berichtet der 26-jährige Kneipenbesitzer, er habe Moritz lediglich ein Bier hingestellt.
Lügner!
Ja.
Was genau geschehen ist und wo Moritz sich so hatte volllaufen lassen können, will aber auch die Polizei wissen.
Doch die Ermittlungen laufen schleppend, denn genau wie Ari wollen auch seine Freundinnen, die an dem Abend dabei waren, nichts von einem Trinkgelager gewusst haben.
Alle geben genau die Version des Abends an, die Ari bereits der Presse mitgeteilt hat.
Es dauert einige Wochen, bis sich dann doch jemand aus der Gruppe den Ermittelnden öffnet.
Und so kommt nach und nach die ganze Wahrheit über Moritz Tod ans Licht.
Eine Version des Abends, die für den Kneipenbesitzer Ari und seine Clique weitreichende Konsequenzen haben wird.
Es kommt raus, dass Ari am Morgen des 25. Februars zwei Flaschen präpariert, die zwar von außen betrachtet identisch aussehen,
deren Inhalt sich allerdings ganz drastisch unterscheidet.
Die eine Flasche wird von Ari mit Tequila befüllt, die andere mit Wasser.
Der Kneipenbesitzer weiß nämlich, dass er wahrscheinlich anders nicht gegen Moritz gewinnen kann.
Nach seinem letzten Wetttrinken im Sommer 2005 musste er seinen Rausch auf dem Billardtisch ausschlafen.
Seinem Gegner erging es noch schlimmer.
Der fiel zu Boden, übergab sich immer wieder und lag am Ende in seinem eigenen Urin.
Nur weil Ari Angst um den Ruf seiner Bar hatte, hatte er damals den Rettungswagen, den die anderen gerufen hatten, wieder weggeschickt.
Cool.
Auf den Kater morgen hat Ari keinen Bock.
Und so erklärt er seinem Kumpel Robin, er soll ihm das Wasser einschenken und dem Schüler den Schnaps.
Als der Wettkampf dann beginnt, weist Robin Andrea an, welches Glas für wen jeweils bestimmt ist.
So wird Ari ungefähr 25 Runden lang Wasser serviert, während Moritz Tequila pur trinkt.
Bis zu dem Zeitpunkt, als Andrea aus Versehen in einer Runde die Gläser vertauscht und Moritz verwundert ruft, das schmeckt ja wie Wasser.
Wahrscheinlich ist Moritz zu diesem Zeitpunkt schon so betrunken, dass er sich einen solchen Betrug nicht vorstellen kann.
Aber jemand anderes wird misstrauisch.
Schiedsrichter Johannes holt nach dieser Äußerung die Flasche, die für Moritz bestimmt ist, auf den Tisch,
damit Ari sich nicht weiterhin einen Vorteil verschaffen kann.
Von da an wird erstmals mit fairen Mitteln gekämpft.
Außer, dass komplett unterschiedliche Ausgangssituationen bestehen,
weil Moritz im Gegensatz zu Ari zu diesem Zeitpunkt bereits ungefähr 25 Tequila-Shots intus hat.
Nachdem den Ermittlenden klar ist, dass Ari mit Moritz ein falsches Spiel gespielt
und seinen Freundinnen danach aufgetragen hat, nichts von dem Wettkampf zu erzählen,
wird der 26-Jährige festgenommen.
Der Vorwurf, Körperverletzung mit Todesfolge.
Und so kommt es am 11. Februar 2009 dazu, dass am Berliner Landgericht Rechtsgeschichte geschrieben wird,
denn solch ein Fall wurde in Deutschland bis dato nicht verhandelt.
In dem grün-weiß gestrichenen Saal der 22. Großen Strafkammer sitzt an diesem Morgen
neben etlichen PressevertreterInnen und Prozessbesuchenden, auch Moritz' Mutter Petra,
die gemeinsam mit ihrem Ex-Mann die Nebenklage angenommen hat.
Obwohl es hier heute um ihren Sohn geht, wissen die Eltern, dass mehr auf dem Spiel steht.
Nämlich, dass dieser Prozess auf das generelle Problem des hemmungslosen Alkoholkonsums
unter Jugendlichen aufmerksam machen soll.
Das weiß auch der Vorsitzende Richter, weshalb er gleich zu Beginn eines klarstellen will.
Zitat
Na dann ist ja alles klar.
Erstmal eine geringe Erwartungshaltung.
Ja, ich finde es irgendwie auch ein bisschen, ja, vorschnell.
Ich meine, er hat recht, das ist nicht sein Gebiet, aber trotzdem, hey.
Man kann auch einfach nichts sagen.
Ja.
Die Schuld, die Ari trifft, ist laut Staatsanwalt klar.
Das Wetttrinken sei eine Körperverletzung gewesen, weil Ari die möglichen Gesundheitsschäden
und auch die potenzielle Lebensgefahr gekannt und den Ablauf des Wetttrinkens manipuliert und
kontrolliert habe.
Ganz zum Erstaunen aller Anwesenden sieht Ari das nun plötzlich auch so.
Also teilweise.
Zumindest lässt er über seine Verteidigung erklären, er fühle sich moralisch für Moritz
todverantwortlich.
Er habe aber nicht damit gerechnet, ihn schon gar nicht gewollt.
Auch habe er nie gedacht, dass ein Mensch überhaupt so viel Alkohol trinken könne.
Ari erinnert sich also jetzt doch an ein Wetttrinken.
Wie viel Tequila er und Moritz aber genau getrunken haben, da setzt es schon aus.
Diese Unwissenheit könnte mit der Verteidigungsstrategie zusammenhängen, die seinen Rechtsbeistand einschlägt.
Denn man argumentiert, Ari habe durch seine eigene Trunkenheit nicht absehen können, dass
der von seinem Gegner konsumierte Alkohol zur Atemlähmung und damit zum Tode führen könne.
In den nächsten Prozesttagen geht es daher also auch darum, wie betrunken Ari während
des Wetttrinkens war, weshalb ein IT-Gast nach dem anderen den Zeugenstand betritt.
Während der Befragung fällt einer immer wieder mit Zwischenrufen auf.
Aris Verteidiger.
So ruft er einmal.
Im Saal wabert die Empörung.
Das schlimmste Verbrechen ist passiert.
Ein Wetttrinken.
Was ist mit ihm?
Ja.
Also dieser Typ.
Also der Staatsanwalt heißt Albers mit Nachnamen.
Und der Verteidiger sagt immer wieder Staatsanwalt albern.
Offenbar aus Versehen.
Doch niemand weist den Mann in die Schranken.
Der Vorsitzende befeuert sogar das Klima der Respektlosigkeit, indem er belustigt das
Rezept für den Cocktail Sex on the Beach verliest.
Nein, nein, nein, nein.
Jetzt wissen wir auch, warum da vorher gesagt wurde, dass man hier kein Wetttrinken verbieten
will, weil die ja offenbar alle selbst ordentlich einen Tee hatten oder was.
Also.
Ja, das ist einfach nur ganz schlimm.
Alles während Mutter Petra im Saal dem Mann gegenüber sitzt, zu dem ihr Sohn aufgeschaut hat
und er jetzt für dessen Tod verantwortlich gemacht werden soll.
Ey, das regt mich total auf gerade.
Ja.
Also wie kann das denn sein?
Ich finde das auch unmöglich.
Hier ist immerhin noch ein 16-Jähriger gestorben.
Und das ist unser Justizsystem, das für Gerechtigkeit sorgen soll und der ließ da ein Sex on the Beach
Rezept vor.
Ja, krass.
Krank.
Also da wirklich hat man ja jede Hoffnung in die Menschheit verloren.
Ja.
Eine Zeugin, die zum Zustand von Ari etwas sagen soll, ist Emilia.
Die Frau, mit der Ari das IT in dieser Nacht verlassen hat.
Sie gibt an, er habe ein bisschen getorkelt, sei jedoch alleine gegangen und nicht betrunken
gewesen.
Die beiden seien gemeinsam zur Wohnung von Aris Freundin gefahren, weil Ari dieser Versprochen
hatte, auf ihre kleine Tochter aufzupassen.
Dort angekommen, habe Ari Emilia eine Etage höher geparkt, bis seine Freundin die Wohnung für
die Arbeit verließ und dann heruntergerufen.
Auf sein Drängen sei es in der Wohnung dann zum Sex gekommen.
Wand an Wand mit der Tochter der Freundin.
Ich kann das nicht, ich muss hier abrechnen, diese Abgründe.
Nee, das tut mir nicht gut.
Ich war da jetzt psychisch nicht drauf vorbereitet, dass das jetzt noch so ein...
Also könnte ich ja nicht ahnen, dass mir hier so viel abscheuliches Verhalten jetzt noch
entgegenschwappt.
Und all das, während Moritz allein um sein Leben kämpfte.
Hätten Ari oder die anderen seinen Zustand früher erkannt und gehandelt, wäre durch sofortige
Beatmung Moritz' Tod zu verhindern gewesen, so der Sachverständige.
Mitte Juni kommt der Zielprozess schließlich zum Ende.
In seinem Abschlussplädoyer fordert der Staatsanwalt die Verurteilung Aris wegen Körperverletzung
mit Todesfolge und vier Jahre Haft.
Die Verteidigung hingegen betont, dass es sich ihrer Meinung nach nicht um eine Körperverletzung
mit Todesfolge gehandelt hat.
Moritz' Tod sei ein klassischer Fall der Selbstgefährdung.
Moritz habe die Wette nüchtern verabredet, zudem habe er Erfahrung mit Alkohol gehabt und
damit über die möglichen Folgen Bescheid gewusst.
Den tödlichen Ausgang habe aber keiner der Beteiligten einkalkuliert.
Ari hat sich auf einen Blödsinn eingelassen, er hat eine Entscheidung getroffen, die war dämlich,
so der Jurist.
Ein Verbrechen habe er damit aber trotzdem nicht begangen.
Auch Ari nutzt die Gelegenheit, als der Richter ihm das Schlusswort erteilt.
Mit diesem wendet er sich direkt an Mutter Petra.
Es tut mir sehr, sehr, sehr leid, sagt Ari.
Ich bin mir der Tragweite meines Tuns einfach nicht bewusst gewesen.
Am 3.
Juli 2009 tritt der Vorsitzende in seiner schwarzen Robe zum letzten Mal hinter seinen weiß-braunen
Richtertisch und verurteilt Ari wegen Körperverletzung mit Todesfolge in einem minderschweren Fall
zu einer Haftstrafe von drei Jahren und fünf Monaten.
Es sei ein selbstschädigendes Verhalten von Moritz gewesen.
Moritz habe jedes der Gläser selbst in die Hand genommen.
Aber diese Selbstgefährdung sei Ari anzurechnen.
Er habe gewusst, dass es keinen fairen Wettbewerb geben werde.
Moritz hingegen habe keine Chance gehabt, seine Risikobewertung zu korrigieren.
So sei ihm entgegen seiner Vorstellung von einem Wettkampf jegliche Möglichkeit genommen worden, sein Verhalten etwa im Hinblick auf den Gesundheitszustand seines Kontrahenten zu ändern bzw. sich an dem seines Gegners zu orientieren.
Und damit sei Aris Ziel der Aktion eine Körperverletzung gewesen.
Denn auch wenn Ari selbstverständlich nicht Moritz tot wollte, sei er ohne weiteres in der Lage gewesen, diesen, sei es jetzt infolge gesundheitlicher Probleme oder erheblicher körperlicher Ausfallerscheinungen, vorherzusehen.
Regungslos lauscht Ari den Worten des Richters.
Und bleibt es auch, als im Anschluss unzählige PressevertreterInnen vor ihn springen und das Knipsen ihrer Fotoapparate minutenlang den Saal erfüllt.
Doch auch wenn er keine Reaktion zeigt, ist er mit dem Urteil des Landgerichts nicht einverstanden.
Kurz darauf legt sein Verteidiger Revision ein.
Doch die bleibt erfolglos.
Am 24. März 2010 verwirft der 5. Strafsenat des BGH die Revision als unbegründet.
Und damit wird Aris Urteil rechtskräftig.
Aber nicht nur Ari hat sich in dieser Nacht schuldig gemacht.
Ja, danke. Da habe ich nämlich jetzt schon drauf gewartet die ganze Zeit.
Ja, auch zwei von seinen Freunden werden in einem abgetrennten Verfahren verurteilt.
Robin, der für das Einschenken zuständig und von Ari vorher in das Faltesspiel eingeweiht wurde.
Und Schiedsrichter Johannes, der den Betrug nach ca. 25 Tequila bemerkte, aber trotzdem nicht ein Schritt.
Ich habe mich schon gefragt, weil er die Flasche dann ja in die Mitte des Tisches gestellt hat.
Das finde ich halt unmöglich, dass er nichts gesagt hat.
Ja, und er und Robin, der halt eingeschenkt hat, die werden wegen Beihilfe zur gefährlichen Körperverletzung zu einer Teilnahme an einem mehrmonatigen sozialen Trainingskurs verdonnert.
Was ist mit Andrea?
Andreas Verfahren wurde eingestellt wegen geringer Schuld.
Und man konnte auch nicht nachweisen, dass sie eingeweiht war.
Sie hat ja zumindest gewusst, dass es offenbar wichtig war, wer welches Glas bekommt.
Also da kann ich auch verstehen, dass gegen sie ermittelt wurde.
Doch Moritz Tod hat nicht nur Auswirkungen auf die drei Verurteilten.
In ganz Deutschland werden daraufhin sogenannte Flatrate-Angebote, die darauf abzielen, Alkohol an bereits Betrunkene auszuschenken, verboten.
Auch die Alterskontrollen in Clubs und Bars werden bundesweit verschärft.
Vor allem für eine mag das ein kleiner Trost sein.
Moritz Mutter Petra.
Zwei Jahre nach dem Wetttrinken hat sie den Tod ihres Sohnes noch nicht verarbeitet.
Sie ist sich nicht sicher, ob das jemals zu schaffen ist.
Gerade deshalb hat sie einen großen Wunsch.
Moritz Tod soll in der Gesellschaft und auch bei den staatlichen Behörden ein Problembewusstsein wecken.
Die Chance sollte man nutzen, lässt sie über ihre Anwältin mitteilen.
Dann war Moritz Tod nicht völlig sinnlos.
Ich kann das total nachvollziehen, dass die Mutter irgendeinen Sinn für diese Tat schaffen möchte.
Denn wenn man jetzt erstmal so hört, ist bei einem Wetttrinken gestorben, denkt man ja schon um Gottes Willen.
Ja und tatsächlich war das am Anfang auch so, dass aus der Öffentlichkeit viel Kritik auch der Mutter entgegengebracht wurde.
Also, wie kann das passieren?
Wie kann ein 16-Jähriger so viel trinken?
Bis dann quasi klar wurde auch, dass das natürlich jetzt auch eine Straftat war und Moritz da getäuscht wurde.
Nee, aber da kriege ich echt auch die absolute Vollkrise.
Also, ich sehe hier bei einigen Leuten noch eine Schuld, aber nicht bei der Mutter.
Also, meine Eltern haben mich auch mit 16 von der Landstraße im Vollsuff gekratzt.
Ja, und da können die natürlich überhaupt nichts für, wenn ich mich da abends in der Dorfdisco mit irgendwelchen Shots abschieße.
Also, was sollen die denn machen?
Mich zu Hause einsperren oder wie?
Ja, ist so.
Und deswegen finde ich es aber auch so wichtig, dass es ein paar Konsequenzen gab.
Auch zum Beispiel diese Alterskontrollen und dass man nicht 15-Jährigen Tequila anbietet.
Einfach so, dass du in Berlin als 15-Jähriger in irgendeine Bar gehen kannst und dir 40 Tequila Shots bestellen kannst.
Schon alleine diese ganze Bar, die wurde übrigens auch Kindergarten genannt, weil das schon die Runde gemacht hatte, dass man da als minderjährige Person ordentlich saufen kann.
Ja, hatten wir auch bei uns im Dorf das Moonlight.
Da war dann meine Freundin oft und ich war da, glaube ich, nur ein oder zwei Mal mit.
Und wir waren da aber 14.
Und als da dann der Besitzer gesagt hat, ich lasse hier jetzt keine mehr unter 16 oder unter 18 rein, hat die so geheult, weil das einfach ihr Lebensinhalt war am Wochenende.
Ja.
Aber mal abgesehen davon, man hat sich als jugendliche Person einfach noch nicht so viel ausgetestet.
Ja.
Und man weiß da noch nicht so richtig, was kann man eigentlich vertragen und was ist eigentlich normal.
Und wenn dir da ein Erwachsener gegenüber sitzt, also der da einen nach dem anderen wegkippt und er denkt, er ist ihm körperlich eigentlich überlegen, also müsste er mehr wegstecken, dann muss es halt andere Personen geben, die diesen 16-Jährigen daran hindern.
Ja, und es standen echt viele drumherum.
Da haben sich wirklich mehr Leute schuldig gemacht, als verurteilt wurden.
Das ist einfach so.
Aber in dem Prozess ging es der Verteidigung ja immer wieder darum, zu betonen, dass Moritz das Wetttrinken ja wollte, dass er es initiiert hatte, nicht gezwungen oder überredet wurde, sondern freiwillig getrunken hat.
Das Gericht ist ja dann trotzdem zu dem Schluss gekommen, dass das selbstschädigende Verhalten nicht Moritz, sondern Ari zuzurechnen ist.
Und warum das so ist, also warum jemand schuldig am Tod eines anderen gesprochen werden kann, obwohl der andere ja in die Handlung, die zum Tod geführt hat, eingewilligt hat.
Darum geht es jetzt in meinem Aha.
Was mich erstmal an dieser ganzen Thematik gewundert hat, ist, wenn jemand in eine Tat einwilligt, dann ist die erstmal erlaubt.
Also das heißt, wenn ich dir jetzt aus welchem Grund auch immer erlaube, mir eine reinzuhauen, a la Courtney Bauer, dann darfst du das machen, ohne rechtliche Konsequenzen zu befürchten.
Mach mal.
Nee, ich habe ja jetzt schon das Gefühl, dass meine Nase durch diesen Schlag schief geworden ist.
Achso, du meinst es dann wieder gerade, dass du es dann so haust, dass es wieder gerade ist.
Ich hau dir die Nase wieder gerade und du haust mir mal von oben auf den Höcker.
Deal.
Ich arbeite zuerst.
So, aber damit meine rechtfertigende Einwilligung, so nennt sich das, dann auch vor Gericht standhält, müssen ein paar Dinge erfüllt sein.
Es ist wichtig, dass ich meinen Wunsch nach Verletzung nach außen erkennbar zum Ausdruck bringe, dir meine Einwilligung vor der Handlung erteile und sie zum Zeitpunkt der Handlung auch noch besteht.
Und dafür muss ich einwilligungsfähig sein. Das heißt, ich muss die notwendige geistige und sittliche Reife besitzen und mir über die Tragweite meines Handelns bewusst sein.
Wenn ich dir das also jetzt erteile mit dem Schlagen, dann weiß ich zum Beispiel schon, was das für Konsequenzen hat.
Ich muss die Einwilligung auch ernst meinen. Also wenn ich einen Witz mache und sage, ja, ja, schlag mich doch, dann zählt das natürlich nicht.
Und meine Einwilligung muss frei von sogenannten Willensmängeln sein.
Das heißt, wenn die Einwilligung jetzt zum Beispiel durch Drohung oder Täuschung oder durch einen Irrtum zustande gekommen ist, dann ist sie am Ende auch nutzlos.
Und genau dieser Punkt, nämlich Aris Täuschung, dass er statt Tequila Wasser trinkt, war dann im Prozess auch der ausschlaggebende Grund, dass Moritz Einwilligung in das Wetttrinken für unwirksam erklärt wurde.
Im Urteil heißt es dazu, eine Einwilligung in die Körperverletzung scheidet aus, weil Moritz keine zutreffende Vorstellung über den Verlauf des Wetttrinkens und die zu erwartenden Folgen aufgrund der Täuschung durch den Angeklagten hatte.
Bei der Einwilligung muss aber noch eine andere Sache berücksichtigt werden und zwar darf die Körperverletzung nicht gegen die guten Sitten verstoßen.
Je schwerer die Körperverletzung und je höher die Lebensgefahr ist, desto eher kann man von der Sittenwidrigkeit ausgehen.
In Aris Prozess war das auch ein Punkt, den die Staatsanwaltschaft anführte, aber Aris Verteidigung bezweifelte die Sittenwidrigkeit eines Wetttrinkens mit der Begründung, dass sowas, Zitat, auf jeder zweiten Party stattfinde.
Wo ich mich ehrlich gesagt ein bisschen drüber gewundert habe, weil ich habe überlegt und ich war wirklich noch auf keiner einzigen Party, wo es so ein Wetttrinken gab.
Nee, ich auch nicht.
Das ist doch nicht ein Ding. Und das war auch damals nicht ein Ding, oder?
Also doch, ich kenne schon einige Personen, die gerade zu Uni-Zeiten auf dem Campus Bierwetttrinken gemacht haben und so.
Okay, weil ich habe mich jetzt nochmal daran zurückerinnert, wegen diesen Flatrate-Saufen, weil das gab es eben auch, als ich 16 war.
Das weiß ich ja noch ganz genau, weil das war immer mittwochs im Nightlife und da musste man nur 9,99 Euro zahlen und konnte den ganzen Abend frei saufen und zwar alles.
Hä, für wen rentiert sich das?
Das hat sich offenbar sehr rentiert, weil als dann 2006 nach dem Fall von Moritz, also wegen Moritz gab es dann diese Party für mich nicht mehr.
Das habe ich jetzt erst gecheckt, aber das wurde ja dann verboten und danach haben sich ein paar Kneipenwirte sehr doll dagegen wehren wollen, weil sie gesagt haben, sie haben an diesen Abenden den meisten Umsatz gemacht.
Äh, okay. Also nehmen wir jetzt mal an, ein Shot kostet wie auf dem Dorf halt 1 Euro.
Ja, klar im Einkauf viel billiger, aber rentiert sich das?
Wir würden auch 9 oder 10.
Nee, ich nicht.
Safe nicht.
Nee, nee, nee, nee, nee.
Wir vertragen keine neuen Shots.
Du schon.
Wenn man nichts anderes trinkt.
Ach so, ich dachte, du meinst jetzt so im Wetttrinken so 1, 2, 3, 4, 5, 6, 7, 8, 9, 10.
Aber so über den ganzen Abend verteilt, okay.
Ja, ich rechne gerade, wie sich das rentieren kann.
Weil, obwohl, warte mal, also 9,99 Euro hat es am Anfang gekostet.
Aber die haben da ja auch so einen Scheiß reingestopft wahrscheinlich.
Das war ja der billigste Fusel von allem.
Und dann war das immer richtig voll.
Das war schon echt voll.
Und war Heinrich einfach alleine deswegen, weil da so viele Leute waren, die halt eben die 10 Euro bezahlt haben.
Und jeder hat ja den einen Cent da gelassen.
Toll.
Meine Idee ist eher, es war so voll, dass man gar nicht bis zur Bar durchkam so oft.
Ja.
10 Mal für 10 Shots.
Ja.
Naja, es hat auf jeden Fall geendet.
Und seit ein paar Tagen weiß ich, dass dieses Wetttrinken der Grund war.
Und war dieser Moment für dich genauso tragisch, wie für Vicka, als das Moonlight geschlossen hatte?
Nein, nein, nein.
Aber jetzt egal.
Im Fall von Ari wurde das Wetttrinken tatsächlich jetzt auch nicht als sittenwidrig eingestuft.
Aber es war ja auch egal, weil durch die Täuschung ja schon sicher nicht mehr von der Einwilligung die Rede sein konnte.
Es gibt einen Fall, wo die Sittenwidrigkeit im Mittelpunkt stand.
Und zwar ging es da um eine Frau, die auf SM stand und von ihrem Partner verlangt hat, sie während des Sexes mit einem Metallrohr zu würgen.
Und der hat sich erst dagegen gesträubt, aber sich dann doch überreden lassen und seine Freundin dann mindestens drei Minuten mit dem Rohr gewürgt.
Denn das Würgen war offenbar so stark, dass die Frau dann daran starb.
Und hier war dann vor Gericht die Frage, kann man den Mann überhaupt verurteilen, obwohl seine Freundin das Würgen ja ausdrücklich verlangt hat?
Der BGH kam dann aber zu dem Schluss, einverständlich vorgenommene sadomasochistische Praktiken, die zu Körperverletzungen führen, verstoßen nicht als solche gegen die guten Sitten.
Sittenwidrig wird eine Tat aber, wenn der Einwilligende durch die Körperverletzung in konkrete Todesgefahr gebracht wird.
Und genau das war hier der Fall.
Also war ihre Einwilligung damit unwirksam und der Mann wurde am Ende wegen Körperverletzung mit Todesfolge verurteilt.
Meiner Meinung nach zu Recht, wobei ich mich schon ein bisschen darüber wundere, was heute alles als gute Sitte durchgeht.
Es ist nämlich auch so, wenn du jetzt auf diese Partys in Berlin gehst, wo man sich mit HIV anstecken kann, dass du danach auch nicht vor Gericht ziehen kannst, wenn dich jemand tatsächlich angestimmt.
Wieso sagst du das so, als wäre das ein Ding in Berlin, wie man sich mit HIV anstecken kann?
Ist das a thing?
Es ist insoweit a thing, dass unser Experte, der gleich noch kommt, bei so einem Fall ein Verteidiger war.
Also, okay, aber das heißt, warte mal, was heißt, man kann sich damit anstecken?
Man kann ja theoretisch auf jeder Party, wo man miteinander interagiert, sich anstecken.
Auf jeder Sexparty.
Sind diese Partys dafür da, um sich anzustecken, ist die Frage.
Genau, das ist quasi der Thrill, dass du dich möglicherweise anstecken könntest beim Sex, weil da auch welche sind, die HIV-positiv sind.
Nee, ich krieg die Krise wirklich.
Ich dachte, sowas weiß man, wenn man in Berlin wohnt.
Nee, und dann...
Scherz.
Ich muss meine FreundInnen vor dieser Welt wahren.
Aber es ist jetzt so, dass man halt auf diese Partys gehen kann.
Und wenn man dann tatsächlich angesteckt wird, dann kann man auch nichts machen, weißt du.
Du kannst dann nicht den Typen, der dich angesteckt hat, vor Gericht zerren.
Denn es wurde festgestellt, solche Partys verstoßen nicht gegen die guten Sitten.
Und wenn du halt einmal eingewilligt hast, dann hast du Pech gehabt.
Ja, und dann warst du auf der Party und hast das Memo nicht gekriegt.
Und dann...
Wie scheiße.
Ich hoffe, dass sie am Eingang das nochmal sagen.
Das wäre ja übel.
Was uns bei dieser Folge ja wichtig war, ist, dass man mal die Unterschiede zwischen Straftatbeständen herausstellen kann, die sich irgendwie ähnlich sind.
Vor allen Dingen für LeihInnen.
Weil bei einigen Delikten geht es halt um die Frage, war es jetzt Körperverletzung mit Todesfolge oder Totschlag beziehungsweise Mord oder vielleicht doch fahrlässige Tötung.
Und für diese Differenzierung haben wir uns jetzt einen Experten dazu geholt und den Strafverteidiger Dr. Alexander Stevens dazu gefragt.
Fangen wir mal vielleicht mit dem Schwersten an.
Wer sich die Tötung eines anderen Menschen zum Ziel setzt, der macht sich des vorsätzlichen Totschlags strafbar.
Wer dann auch noch besonders verwerflich handelt, macht sich des vorsätzlichen Mordes strafbar.
Wer, ich sage jetzt mal, aus Versehen jemanden tötet, weil er zum Beispiel beim Autofahren gerade aufs Handy guckt, deshalb eine rote Ampel überfährt und dadurch einen tödlichen Verkehrsunfall eines anderen Verkehrsteilnehmers verursacht,
der handelt fahrlässig und macht sich daher auch nur in Anführungszeichen der fahrlässigen Tötung strafbar.
Und was die Körperverletzung mit Todesfolge angeht, da könnte man von einer Art Mischform sprechen.
Denn bei der Körperverletzung mit Todesfolge geht es, wie der Name schon sagt, zunächst um eine Körperverletzung.
Also man hat vorsätzlich jemanden an seiner Gesundheit geschädigt, an seinem körperlichen Wohlbefinden.
Aber der Tod, der tritt dann aufgrund einer fahrlässigen Handlungsweise ein.
Und sowas spiegelt sich dann natürlich auch im Strafmaß wieder.
Totschlag beziehungsweise Mord werden, wie wir ja wissen, am härtesten bestraft, also mit bis zu lebenslanger Haft, auch beim Totschlag in besonders schweren Fällen.
Dann kommt die Körperverletzung mit Todesfolge mit bis zu 15 Jahren und am mildesten von den Vieren wird eben die fahrlässige Tötung geahndet, nämlich mit höchstens fünf Jahren.
Um dann ein gerechtes Strafmaß zu finden, muss das Gericht also herausfinden, was die Täter wollten.
Also wollten sie beispielsweise den Tod der anderen Person oder haben sie ihn nur in Anführungsstrichen billigend in Kauf genommen oder ging es ihnen eigentlich nur um die Körperverletzung?
Dr. Stevens hat uns erzählt, wie das Gericht das bei einem der aufsehenserregendsten Fälle entschieden hat.
Ich würde sagen, einer der bekanntesten Fälle zu der Frage Totschlag oder Körperverletzung mit Todesfolge war der Fall Johnny Carr aus dem Jahr 2012 am Berliner Alexanderplatz.
Da war ein junger Mann brutalst von anderen Jugendlichen niedergeschlagen worden und einer dieser Schläger hatte dann Johnny Carr auch noch wirklich bewusst mit dem Fuß gegen den Kopf getreten.
Und da stand natürlich im Raum, habe ich hier einen Tötungsvorsatz oder ist, weil Johnny Carr dann infolge dieser Schläge, dieser Fußtritte gegen den Kopf verstorben ist,
Das hier nur eine Körperverletzung mit Todesfolge und das Gericht hat dann entschieden, das ist eine Körperverletzung mit Todesfolge, hatte auch viel mit der sogenannten Hemmschwellentheorie zu tun,
dass man sagt, naja, so einen Tötungsvorsatz kann man nicht so mir nichts dir nichts einfach annehmen als Gericht, denn die Hemmschwelle jemanden zu töten liegt immens hoch
und hat ihn dann auch nur wegen Körperverletzung mit Todesfolge zu gerade einmal viereinhalb Jahren Haft verurteilt.
Stevens hat übrigens auch einen ganz spannenden True Crime Podcast und zwar heißt der True Crime Tödliche Verbrechen von Bayern 3
und in der aktuellen Folge, da geht es um einen Streit zwischen dem Pächter eines Restaurants und dem Koch,
der darin endete, dass der Sushi-Koch seinem Chef mit einem 19 Zentimeter langen Messer die Kehle aufschnitt.
Dr. Stevens hat in dem Fall das Opfer vertreten und redet da in der aktuellen Folge seines Podcasts sehr ausführlich drüber.
Was das Urteil im Fall von Johnny Carr angeht, finde ich das ja immer noch sehr schwierig, weil wenn man herausfinden will,
ob der Täter den Tod des Opfers wollte oder nicht, muss man eigentlich die Vorhersehbarkeit beachten.
Und da gilt, je eher vorherzusehen war, dass die Tat zum Tod führen würde, desto höher liegt die Annahme,
das eben ein Tötungsvorsatz vorgelegen hat.
Und vorhersehbar ist der Tod vor allem bei Taten, die generell als gefährlich angesehen werden,
wie zum Beispiel ein Stich in die Brust oder auch heftige Tritte gegen den Kopf.
Also man weiß das doch mittlerweile, dass heftige Tritte gegen den Kopf den Tod dieser Person herbeiführen können.
Total, aber es geht eben halt darum, ob die TäterInnen das in dieser konkreten Situation hätten vorhersehen können.
Und da ist es dann natürlich auch entscheidend, wie sind deren Kenntnisse und Fähigkeiten und deren Entwicklungsstand und auch deren Verfassung zum Tatzeitpunkt.
Ja, bei meinem Fall ging es ja jetzt nicht um die Frage Totschlag oder Körperverletzung mit Todesfolge.
Trotzdem haben die da auch geprüft, ob Ari den Tod von Moritz hätte voraussehen können.
Die Verteidigung hat das verneint und gesagt, dass Ari selbst betrunken war und deshalb die Gefahr ja nicht richtig einschätzen konnte.
Aber das Gericht sah das am Ende nicht so, weil die meisten ZeugInnen auch nicht von dem betrunkenen Ari erzählt haben.
Und das Gericht hat auch gesagt, dass Ari den Tod hätte voraussehen können, weil er als Wirt auch weiß, wie Alkohol auf Menschen wirken kann.
Also weil er ja noch mehr als andere Menschen mit Alkohol zu tun hat und auch sieht, was das verursachen kann.
Was ich an diesem Straftatbestand total spannend finde, ist, dass man sich auch der Körperverletzung mit Todesfolge schuldig machen kann, ohne das Opfer in irgendeiner Weise getäuscht oder sogar selbst verletzt zu haben.
Also ich spreche jetzt nicht von der versuchten Körperverletzung mit Todesfolge, sondern von der vollendeten.
Und zwar geht das durch Unterlassen.
Also nehmen wir mal an, ich hätte einen gewalttätigen Partner und ich hätte auch ein Kind und der schlägt das.
Und nehmen wir mal an, das Kind erleidet durch diese Schläge so dolle Kopfverletzungen, dass es eigentlich ärztliche Hilfe braucht.
Und ich gehe dann mit dem Kind aber nicht ins Krankenhaus und deswegen stirbt es dann an der Körperverletzung.
Dann mache ich mich der Körperverletzung mit Todesfolge durch Unterlassen schuldig, obwohl ich die Körperverletzung selbst gar nicht wollte und ja auch nicht verursacht habe.
Ja, aber auch nur, weil du dann Garantin dieses Kindes wärst, weil als Mutter hat man ja die Garantenstellung gegenüber dem eigenen Kind und das ist hier bei der Unterlassung wichtig.
Wir enden hier diesmal nicht mit einer schönen Sache, sondern nochmal mit einer Warnung.
Dieses Wochenende war eine Freundin aus meinem Heimatdorf bei mir und wir haben Spiele gespielt und zwar mit einer Freundin, die eigentlich mal Lauras Freundin war.
Jetzt aber auch meine Freundin, sie ist auch noch meine.
Achso, ja, sie ist auch noch deine. Ich habe sie noch nicht abgeworben.
Auf jeden Fall haben mir beide an diesem Wochenende erzählt, dass sie erst vor kurzem K.O.-Tropfen in einen Drink geschüttet bekommen haben.
Nein.
Beide. Die kannten sich vorher nicht. Unabhängig voneinander, ganz anderer Ort.
Was? Also auch in Berlin einmal.
Genau, also deine, meine Freundin, deine jetzt meine Freundin, deine Ex-Freundin in Berlin und bei ihr war halt das Ding, die ist plötzlich einfach so umgekippt und dann haben sie sie rausgeschleppt.
Ihr Freund hat sich dann um sie gekümmert und den Krankenwagen angerufen.
Übrigens lustige Seiten-Story, dann kam eine andere Frau, die diese Szene beobachtet hat, wie sich der Freund um deine, meine Freundin kümmert, hat sofort gecheckt, dass irgendwas nicht stimmt und ist dazwischen gegangen und hat ihren Freund beiseite geschoben und meinte so, wer bist du, was machst du hier, warum ist sie nicht mehr hier Herrscherin ihrer Sinne und war dann auch noch da und hat gewartet, bis der Krankenwagen kam, einfach um sicherzugehen,
dass der Mann neben deiner meiner Freundin nicht zufällig derjenige ist, der ihr K.O.-Tropfen ins Glas getan hat.
Voll gut. Genau so. Lieber zweimal den Freund oder den Mann nochmal anmachen und ausfragen, als einmal zu wenig den Wichser.
Das ist auch kein Messerenswort eingefallen.
Auf jeden Fall war dann im Krankenhaus relativ schnell klar, alle Anzeichen für K.O.-Tropfen, aber sie haben dann zu der Freundin gesagt, dass sie jetzt aus Zeitmangel halt nicht auf alles testen können und haben das dann am Ende auch nicht in den Befund geschrieben, weil die haben gesagt, naja, sie können eine Anzeige gegen Unbekannt stellen, am Ende wird es aber nichts bringen.
Und deswegen stand dann auf dem Entlassungsbrief übermäßiger Alkoholkonsum, aber Alkohol haben sie ja auch getestet bei 1,0.
Aber dann stimmt das nicht, was da drauf steht.
Nee. Aber offenbar passiert das so häufig auch, dass die diese Tests gar nicht mehr machen. Also so wurde das zumindest deiner Ex, meiner Freundin erzählt.
Ja, und es ist offenbar dann so oft passiert, dass man da gar nicht mehr hinterherkommt und deswegen gar nicht erst das da reinschreibt, damit man überhaupt eine Anzeige stellen kann.
Das finde ich halt auch problematisch, denn an diesem Abend ist das noch einem Mann in der Bar passiert. Und wenn sie jetzt durch, keine Ahnung, Recherchen oder so irgendwas rausfindet und dann vielleicht einen Verdacht hätte, wer das war, dann hätte sie gar keine Handhabe oder halt keine Befunde, die eine Anzeige stützen würden.
Okay, das heißt in dem Fall, man muss auf sich selber aufpassen, weil einem danach nicht unbedingt geholfen wird und seine Gläser bestenfalls nie aus den Augen lassen und am besten noch die Hand drüber.
Genau, also ich will jetzt auch gar nicht unbedingt das Krankenhaus dafür schämen oder so. Ich wollte das hier noch einmal erzählen, weil ich es halt echt beängstigend fand, auch wie oft das passiert. Deswegen passt auf euch auf.