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#11 Der parkplatzmörder die kiste

Mordlust
Hi und herzlich willkommen zur elften Folge von Mordlust.
Mein Name ist Paulina Kraser.
Und ich bin Laura Wohlers.
So Paulina, ich hab dir mal wieder was zum Hören mitgebracht.
Na dann zeig mal her.
Sunday is gloomy
My hours are slumberless
Dear is the shadows
I live with a numberless
Was ist das?
Okay, also, das Lied heißt Gloomy Sunday
und ist von dem ungarischen Künstler Laszlo Javor.
Ich hoffe, ich spreche das richtig aus.
Der schrieb den Song 1932.
Und das, was du gerade gehört hast, war natürlich die englische Version,
weil ich wollte ja, dass du auch was verstehst.
Javor hat den Song damals geschrieben, nachdem seine Freundin ihn verlassen hatte.
Und darin will der Protagonist Selbstmord begehen,
nachdem eben seine große Liebe gestorben ist.
Das Lied machte Javor berühmt
und es sah für eine kurze Zeit so aus,
als würde seine Ex-Freundin wieder zu ihm zurückkehren.
Doch dann begingen sie Selbstmord.
Und auf ihrem Abschiedsbrief standen nur zwei Worte.
Gloomy Sunday.
Einige Zeit später ertränkte sich in Wien eine Jugendliche.
In ihrer Hand hatte sie ein Notenblatt von Gloomy Sunday.
Auch ein Ladenbesitzer aus Budapest brachte sich um.
Neben ihm fand man eine aufgeschriebene Liedzeile des Songs.
Und in London war eine Frau an einer Überdosis gestorben,
während das Lied auf ihrem Schallplattenspieler immer wieder wiederholt wurde.
Insgesamt berichtete die Presse von 19 Suiziden.
Daraufhin wurde Gloomy Sunday von einigen Radiosendern verboten,
darunter auch von der BBC.
35 Jahre nach der Veröffentlichung beging auch Javor Selbstmord.
Er sprang aus dem Fenster seines Apartments in Budapest.
Und der Song ist deshalb mittlerweile auch als Suicide-Song bekannt.
Kommt dir irgendwas komisch vor?
Nein.
Also was meinst du mit komisch?
Weil, erinnerst du dich, wir haben vor ein paar Tagen über Urban Legends geredet.
Ja.
Und das hier ist einer.
Und zwar ist keiner dieser Selbstmorde mit Sicherheit mit dem Song in Verbindung gebracht worden.
Man geht heute davon aus, dass die Urban Legend entstanden ist,
weil in dieser Zeit in Ungarn sehr viele Leute Selbstmord begingen.
Das hatte aber eher etwas mit der Armut im Land und dem Aufstieg der Nazis zu tun,
als mit irgendeinem Lied.
Auch von Verboten durch Radiosendern ist nichts bekannt,
außer bei der BBC.
Die hatte den Song tatsächlich verboten,
und zwar, weil sie ihn zu deprimierend fanden.
Und was auch tragischerweise stimmt, ist,
dass Javor sich am Ende umbrachte.
Aber dass der Selbstmord in direkter Verbindung zu Gloomy Sunday stand,
war nicht nachzuweisen.
Also der Song kommt jetzt auf jeden Fall in meine Spotify-Liste.
Ich habe vorhin beim Gasse gehen tatsächlich über Urban Legends nachgedacht,
und zwar über die, wo sich jemand angeblich auf dem Kinosessel setzt
und er dann von einer Spritze gestochen wird,
wo dann ein Zettel dran hängt, von wegen Willkommen im HIV-Club.
Die kenne ich noch gar nicht.
Ich kenne das nur mit einem, der durch die Clubs rennt
und Leute infiziert mit einer Spritze.
Pieks!
Und letztens hat ja auch ein Freund von mir angerufen
und mir eine Story erzählt, die 100% eine Urban Legend war,
weil ich die schon als Ereine kennengelernt hatte.
Und er so, nee, das ist auf jeden Fall passiert.
Naja, wir hatten ja neulich drüber gesprochen,
vielleicht ist es ja irgendwann einmal passiert.
Ja.
Aber so seltsam an diesen Geschichten ist,
dass es immer, ja, ich habe von einer Freundin gehört,
die kennt jemanden.
Die hat mal neben jemandem gesessen und der ist es wirklich passiert.
heute fange ich an mit meinem Fall.
In Hessen und Baden-Württemberg tötet ein Mann im Jahr 2010 zwei Männer besonders kaltblütig.
Er schießt ihn auf Parkplätzen von hinten in den Kopf.
Heiko S. war 30 Jahre alt, als er am 8. Mai hingerichtet wurde.
Hans Friedrich L. war 70 Jahre alt.
Beide Tatorte waren als homosexuellen Treffpunkte bekannt.
Aber das ist nicht Dreh- und Angelpunkt meiner Geschichte heute.
Meine Geschichte dreht sich um Renate und ihren Mann Detlef,
die gemeinsam in einer Dachgeschosswohnung in Stuttgart wohnen.
Bei ihnen läuft gerade das Radio und der Nachrichtensprecher erzählt von dem Mord an Heiko S.,
der nicht weit von dem Wohnort des Paares hingerichtet wurde.
Renate und Detlef sind geschockt.
Renate kann sich nicht vorstellen, dass hier in der Gegend jetzt ein Mörder frei rumläuft.
Was muss das für ein Typ sein, der einen Menschen einfach so abknallt, sagt Detlef.
Renate ist 63 Jahre alt, Detlef acht Jahre jünger als sie.
In ihrer 150 Quadratmeter Wohnung fühlen sie sich wohl.
Detlef ist Frührentner und Renate nennt ihn Teddy.
Er hatte als Beamter bei der Post gearbeitet.
Renate war früher selbstständig und hatte ihren eigenen Handarbeitsladen und war Verkäuferin.
Sie ist etwas kräftiger und hat blonde Krauselocken.
Die beiden leben in Wohlstand und verreisen öfter.
Beide sind große Schlagerfans.
Mit in ihrer Wohnung wohnt Mops Welpe Lotte.
Ihr Leben ist genau so, wie Renate es sich immer gewünscht hat.
Aber bis hierhin war es ein harter Weg.
Kennengelernt hatte Renate Detlef vor 23 Jahren in einem Flamenco-Lokal.
Eigentlich war Renate dort mit einem anderen Kerl von einer Anzeige verabredet.
Ja, das waren die Dinge, die man vor Tinder und Co. aufgegeben hatte.
Der hatte sie aber versetzt.
Frustriert wollte sich Renate einen Drink an der Bar bestellen, als sie einen Gast am Nachbartisch anrempelte.
Von so einer schönen Frau wie ihn lasse ich mich jederzeit gern anrempeln, hatte Detlef gesagt.
Solche Schmeicheleien mag Renate gern.
Es ist Liebe auf den ersten Blick.
Detlef ist groß, recht schlank, seine hellblonden Haare sind kurz geschnitten und er ist braun gebrannt und seine Grübchen gefielen Renate sofort.
Genau ihr Typ.
Sie gab ihm ihre Nummer und schon am nächsten Tag hat sich Detlef gemeldet.
Sehr zuverlässig, der Kerl.
Er gibt ihr das Gefühl, einzigartig zu sein.
Und dass sich die Welt nur um sie dreht.
Er hatte, so sagt sie, aus ihr eine Prinzessin gemacht, die mutig genug war, nach den Sternen zu greifen.
Seit diesem Abend war Detlef rund um die Uhr in ihren Gedanken.
Er trägt sie auf Händen, macht ihr kleine Geschenke und als er einmal sie und ihre Freundin vom Flughafen abholte, hatte er nicht nur einen Willkommensstrauß für Renate, sondern auch einen für ihre Freundin dabei.
Das ist echt süß.
Ja.
Er nennt sie Engelchen.
Für Renate ist Detlef genau der Mann, den sie sich immer gewünscht hat.
Renate wuchs bei ihren Großeltern im Osten auf, weil ihre Mutter gleich nach der Geburt wieder arbeiten wollte.
Renate hatte eine gute Kindheit bei ihnen, aber sie vermisste ihre Mama.
Als ihre Mutter einen neuen Mann kennenlernte und mit ihm noch ein Kind bekam, durfte das, im Gegensatz zu Renate, bei den Eltern bleiben.
An den Wochenenden besuchte ihre Mutter sie, aber irgendwann kam sie einfach nicht mehr.
Renate war da noch zu jung, um zu begreifen, dass ihre Mutter mit der neuen Familie in den Westen geflüchtet ist.
Nachts lag Renate oft wach und weinte.
Sie fühlte sich allein und zurückgelassen.
Als ihre Großeltern später mit ihr auch in den Westen flüchteten, durfte sie dann endlich bei der Mama und deren Freund wohnen.
Renate bekam noch einen Bruder und obwohl der neue Freund der Mutter wie ein Vater für sie war, hatte sie das Gefühl, immer mit ihren Geschwistern um seine Liebe kämpfen zu müssen.
Also war Renate immer extra lieb.
Sie dachte, dann würde man sie nicht nochmal verlassen.
Renate wollte immer so sein wie ihre Mutter.
Die hatte eine tolle Figur, lange Beine, blondes Haar.
Egal wo ihre Mutter war, sie stand immer im Mittelpunkt.
Von ihrem Freund wurde sie vergöttert.
Und genau das wollte Renate auch.
Gefunden hatte sie das aber erst mit Detlef.
Renates erste Jugendliebe, mit dem sie zwei Kinder bekommen hatte, hatte ihr kurz vor der Hochzeit, als Renate schwanger war, gesagt, dass er sich in ihre Mutter verliebt hatte.
Sie hatte es unter den Teppich gekehrt.
Die Ehe ging trotzdem in die Brüche.
Darauf folgte eine weitere erfolglose Ehe mit einem Engländer, der sie einfach in Deutschland sitzen ließ.
Nach der zweiten Scheidung merkt Renate, dass sie sich nicht vollwertig als Single fühlt.
In ihrer Verzweiflung verliebt sie sich sogar an einen zehn Jahre jüngeren Arbeitskollegen, der eigentlich nur bei Renate unterkam, weil er eine Bleibe suchte.
Nach all den Fehlschlägen kann sie gar nicht glauben, dass sie mit Detlef so ein Glück hatte.
Bis heute bringt er ihr jeden Samstag eine Überraschung vom Einkaufen mit.
Selbst nach 23 Jahren lieben sie sich wie am ersten Tag.
Auch an diesem Tag, am 11. Dezember 2010 um kurz nach elf, will Detlef etwas einkaufen gehen.
Und sicher bringt er Renate danach auch wieder etwas mit.
Bis gleich, Engelchen. Ich suche nach einem leckeren Fisch für heute Mittag, ruft Detlef noch.
Dann fällt die Tür ins Schloss.
Und ab jetzt ist nichts mehr so, wie es die ganzen letzten Jahre war.
Renate hat es sich gerade mit Lotte im Wohnzimmer gemütlich gemacht, als es wumst und knallt.
Plötzlich stehen unzählige Männer vor Renate.
Sie hört Porzellan zerbrechen.
Polizei, Kripo, Böbling.
Eine blonde Frau hält Renate am Arm fest.
Renate hat Angst. Sie versteht nicht, was hier gerade passiert.
Ein Kommissar sagt, wir verdächtigen ihren Mann zwei Morde und einen versuchten Mord begangen zu haben.
Bei Renate dreht sich alles.
Sie irren sich. Mein Mann ist nur ein harmloser Frührentner, der bringt doch keine Leute um.
Bis 17 Uhr muss Renate auf ihrem Sofa sitzen bleiben, während die Beamten jeden Zipfel in ihrer Wohnung umdrehen.
Nachdem sie alles durchsucht haben, steppen sie Kisten und Tüten aus der Wohnung raus und lassen Renate ratlos und allein zurück.
Detlef ist in Untersuchungshaft.
Renate kommt an diesem Abend bei einer Freundin unter.
Aber da bleiben will sie nicht.
Als sie am nächsten Tag wieder in ihre Dachgeschosswohnung zurückkehrt, trifft sie der Schlag.
Ihr Leben, so wie sie es bisher kannte, liegt in Trümmern vor ihr.
Ein Spezialkommando ist durch ihre Bilderbuchidylle spaziert und hat alles zunichte gemacht.
Sie geht ins Schlafzimmer und legt sich dort auf das Ehebett und kuschelt sich wie ein kleines Kind auf Detlefs Bettseite.
Sie umschlingt sein Kissen. Es riecht noch nach ihm.
Ganz tief vergräbt sie ihr Gesicht darin.
Wie es Detlef jetzt wohl geht und wo er wohl schläft.
Sicher geht es ihm nicht gut.
In den Tagen danach geht es Renate sehr schlecht.
Aus den Nachrichten erfährt sie, dass ihr Mann der gesuchte Parkplatzmörder sein soll.
Weil sie ihren Kummer an Alkohol ertränkt, wird sie in eine psychiatrische Anstalt eingewiesen,
wo man hinter ihr die Zimmertür abschließt und sie den Mund nach der Tabletteneinnahme öffnen muss,
damit sichergestellt wird, dass sie auch heruntergeschluckt hat.
Endlich hat Detlef geschrieben.
In einem Brief erzählt er, dass er in einer sechs Quadratmeter großen Zelle lebt
und er sehr unglücklich ist und stundenlang weint.
Du hast mich erst lebens- und liebensfähig gemacht, schreibt er.
Du bist mein Leuchtturm in der Nacht.
Gegen Verleumdung ist man seit jeher machtlos.
Detlef, ich bin bei dir, denkt sich Renate.
Ich passe auf uns auf.
Und Laura, was glaubst du?
Ist diese Geschichte die eines Mörders, der seine Frau an der Nase herumgeführt hat?
Oder ist es die Geschichte eines Unschuldigen, der in die Fänge der Justiz geraten ist und dessen Frau an seiner Seite für Gerechtigkeit kämpft?
Also da du mir Detlef ja als solch einen liebevollen Ehemann vorgestellt hast, der sogar der Freundin der Frau einen Blumenstrauß mit zum Flughafen bringt,
würde ich eigentlich eher davon ausgehen und hoffen, dass es ein Justizirrtum ist.
Weil sonst wäre er ein krasser Psychopath und die finde ich sehr gruselig.
Renate sitzt vor zwei Kriminalbeamten in einem Besprechungsraum in der Klinik.
Wann hatten sie zum letzten Mal Sex mit ihrem Mann und war es richtiger Verkehr?
Renate schließt die Augen.
Sie will nicht antworten.
Schon viel zu lange wühlen die Beamten in ihrem Privatleben rum.
Erst bei diesem Gespräch erfährt sie, dass man an beiden Tatorten der Morde und bei einem dritten einen versuchten Mord-DNA-Spuren von Detlef gefunden hatte.
Die Beweislage ist eindeutig, sagt einer der Beamten.
Renate schüttelt den Kopf.
Sie irren sich, glauben Sie mir.
Mein Mann ist zu einem Mord überhaupt nicht fähig.
Er ist durch und durch gutmütig.
Außerdem hätte man eine Pistole, ein Messer und genau die seltene Munition, mit der die Opfer erschossen wurden, in Detlefs Auto gefunden.
Aha, okay.
Renate glaubt kein Wort von dem.
Als die Beamten aber jetzt auch noch behaupten, Detlef hätte über 40.000 Euro Schulden auf verschiedenen Konten angehäuft, reicht es ihr.
Ich bin eine vermögende Frau, sagt Renate mit fester Stimme.
Renate hat sich nämlich ein gutes Polster erspart.
350.000 Euro hatte sie auf ihrem Konto.
Frau Höhne, wir haben auf ihrem Konto kein Geld mehr gefunden.
Es ist mit 4.500 Euro überzogen, wussten Sie das nicht?
Vor einem Jahr hatte Detlef sie um eine Vollmacht für das Konto gebeten.
Aber sicher hat er es nur irgendwo angelegt.
Renate wehrt sich gegen jede Unterstellung.
Sie liest den Beamten sogar Auszüge aus Detlefs Briefen vor, damit sie sehen, was für ein liebender Ehemann er ist.
Unbeeindruckt ziehen sie ab.
Der eine Polizist streichelt ihr sogar noch über den Oberarm und wünscht ihr viel Glück.
Zweimal, ca. 45 Minuten darf ein Untersuchungshäftling monatlich Besuch empfangen.
Vier Monate sind jetzt vergangen, seitdem Renate Detlef das letzte Mal gesehen hat.
Bis dahin schreiben sie sich fast täglich.
Jeder Brief gleicht einem Liebesgedicht und am Ende beteuert Detlef immer seine Unschuld.
Glaube nicht an das, was die Leute über mich erzählen, Engelchen.
Glaube nur an uns.
Als Renate Detlef das erste Mal sieht, ist sie geschockt.
Er hat sich die Haare abrasiert und sich ein Bart stehen lassen.
Sie mag keine glatzköpfigen Männer und Renate fragt sich, was das soll.
Als Renate in Detlefs Augen blickt, füllen die sich mit Wasser.
Beide weinen hemmungslos los.
Sie beteuern ihre Liebe und Detlef bittet sie nicht zu vergessen, das Geld zu überweisen.
60 Euro kann sie ihm jeden Monat schicken.
Aber selbst das aufzubringen, fällt Renate schwer.
Von Detlefs Rente kann Renate gerade mal die Miete und die Krankenkassenbeiträge für beide bezahlen.
Aber lieber steckt sie zurück als er.
Am Ende der Besuchszeit hat Renate keine der Fragen gestellt, die sie eigentlich stellen wollte.
In den kommenden Wochen vegetiert Renate eher, als dass sie lebt.
Sie ist gelähmt.
Mit ihren beiden Kindern hat Renate jetzt regelmäßig Streit.
Denn die erwarten, dass sie sich von Detlef distanziert.
Auch die Nachbarn meiden Renate mittlerweile.
Sie denken, Renate deckt ihren Mann.
Aber sie selbst glaubt weiterhin an einen großen Komplott.
Nachdem Detlef ihr aber in mehreren Briefen eine Antwort schuldig geblieben ist,
was nun mit dem Geld passiert ist, wird sie langsam sauer.
Sie ist sich zwar sicher, dass der Vorwurf nicht stimmt,
aber dennoch will sie endlich antworten auf all ihre Fragen.
29. August 2011
Renate geht in einem kleinen Park vor dem Landgericht spazieren.
Heute findet die Verhandlung statt.
Eigentlich hätte sie schon im Juni beginnen sollen,
aber Detlef hatte versucht, sich mit einem Medikamentencocktail umzubringen.
Er weiß, wie erdrückend die Beweislast ist und auch Renate weiß das.
Aber Detlef bestreitet ja weiterhin, der Mörder zu sein.
Heute vor der Verhandlung soll er versucht haben, sich die Pulsadern aufzuschneiden.
Weil Renate selbst als Zeugin vor Gericht aussagen muss, ist ihre Freundin Heidi für sie im Gerichtssaal.
Renate denkt über ihre Ehe nach.
Im Laufe der Jahre ist es immer mal wieder vorgekommen,
dass Detlef nachts mit dem Auto durch die Gegend gefahren ist, wenn er nachts nicht schlafen konnte.
Mit diesen nächtlichen Ausflügen gab es vor allem ein Problem.
Wenn Renate genauer nachhakte, wo er gewesen sei, wurde Detlef sauer.
Und weil Renate ja gelernt hatte, dass nur wenn sie lieb ist, es keinen Grund gäbe, sie zu verlassen, schwieg sie.
Besonders häufig wurden die nächtlichen Ausflüge nach Mai 2002.
Als Detlef Renate an einem Tag von der Arbeit abholte, empfing er sie mit den Worten
Engelchen, ich bin HIV-positiv.
Ein Schock für beide.
Detlef meinte, er habe sich sicher im Urlaub in Kenia 1985, also vor Renate,
beim Sex mit einem Zwitter angesteckt.
Was ist das für eine irre Geschichte?
Ja.
Nach einem Test gab es das große Aufatmen für Renate.
HIV-negativ.
Danach kam es aber nicht mehr zum Sex zwischen den beiden.
Nur die nächtlichen Ausflüge häuften sich.
Detlefs ganzes Wesen veränderte sich.
Plötzlich hatte er Angst vor dem Tod.
Renate steckt mittlerweile finanziell so in der Not,
dass sie regelmäßig zum Flohmarkt geht und alles verkauft, was noch an Wert hat.
Aber heute kommt endlich die Wahrheit ans Licht.
Jetzt wird alles gut, denkt sie.
Endlich kommt Heidi aus dem Gerichtsgebäude gelaufen.
Als sie sich neben Renate setzt, zittert Heidi.
Sei froh, dass du nicht dabei warst, sagt sie.
Sie erzählt, dass Detlef ganz dünn und abgemagert ist,
dass seine Hände und Füße gefesselt waren, sodass er sich nicht bewegen konnte.
Dann lässt sie die Bombe platzen.
Detlef hat ein Doppelleben geführt.
Er hatte immer exzessiven Sex, auch mit Männern.
Er hatte unzählige Affären, soll regelrecht sexsüchtig sein.
Und als er noch bei der Post gearbeitet hat,
hatte er jeden Morgen Sex mit einer Arbeitskollegin.
Das hat er selbst ausgesagt.
Während Renate im Wohnzimmer Stoffbärchen gebastelt hat,
hat sich Detlef Homosexuellen als geile Eva im Netz angeboten.
Nein, stopp.
Oh mein Gott.
Kannst du dir ungefähr vorstellen, wie Renates Leben zerbrochen ist?
Ja, schreck dich.
Du hörst es quasi klirren.
Wo war ich denn jetzt?
Als geile Eva.
Stell dir mal vor, du liest es über dein Mann.
Eine Maria war auch als Zeugin geladen.
Sie ist seit vier Jahren Detlefs feste Gediebte.
Aber er ist doch HIV-positiv, wie kann er da so viel Sex haben?
Fragt Renate unglaubwürdig.
Er hat ausgesagt, dass es ihm egal war, antwortet Heidi.
Renate überlegt.
Es gibt etwas, was mich von all den anderen unterscheidet.
Mit mir hatte er keinen Sex mehr.
Er hat Rücksicht genommen, weil er mich liebt.
Ich bin sein Engelchen.
Unsere Liebe ist unsterblich.
4. Oktober 2011.
Heute steht Renates Aussage im Mittelpunkt.
Angst hat sie nicht, denn sie weiß ja nichts.
Und ich muss sagen, ich habe ein Buch zu dem Fall gelesen.
Und bis zu diesem Zeitpunkt hatte ich ein sehr emotionales Leseerlebnis.
Weil am liebsten wollte ich Renate schlagen, sie schütteln und ihr ins Gesicht schreien.
Wach endlich auf!
Und wahrscheinlich geht's euch beim Zuhören jetzt ähnlich.
Aber keine Sorge.
Denn als Renate an diesem Morgen zum Gericht fährt, ist sie nicht mehr die Alte.
Sie hat sich gehäutet.
Sie hat erkannt, dass Detlef ihr Leben zerstört hat.
Spätestens als sie Penisringe und Viagra getarnt als Aids-Medikamente in der Wohnung gefunden hat,
hat sie gewusst, dass Detlef nicht der Mann war, für den sie ihn hielt.
Als Detlef Renate im Gerichtssaal sieht, fängt er an zu weinen.
Engelchen, verzeih mir, schluchzt er immer wieder.
Renate will ihn nicht ansehen.
Nach vier Stunden ist die Befragung vorbei.
Sie hat alles von Renate abverlangt, obwohl sie nicht mal was zur Aufklärung beitragen konnte.
Als sie hinausgeht, hat sie nur noch ein paar Worte für Detlef übrig.
Nein, ich verzeihe dir nicht.
Sie bemüht sich aufrecht zu gehen.
Als sie aus dem Saal tritt, bricht sie zusammen.
Am 1. Februar 2011 wird Detlef in allen Punkten der Anklage schuldig gesprochen.
Er bekommt die härteste Strafe, die das deutsche Recht vorsieht.
Lebenslänglich und wegen besonderer Schwere der Schuld mit anschließender Sicherheitsverwahrung.
Er sei ein schizuider, sadomasochistischer Mensch.
Aber ein wirkliches Mordmotiv konnte das Gericht nicht festmachen.
Also gab es keine Verbindung zu den Opfern?
Also, dass sie sich kannten oder so?
Nee, offenbar nicht.
Die Richterin hatte gesagt, dass die Opfer willkürlich ausgesucht wurden.
Der dritte Mann, der von ihm angegriffen wurde, den kannte er auch nicht.
Und es wird vermutet, dass er halt aus purer Mordlust gehandelt habe.
Oder, dass es Rache war wegen der HIV-Infektion, wobei die das eher ausschließen.
Okay, krass.
All das liest Renate in der Zeitung.
Sie ist nicht zur Urteilsverkündung gekommen.
Sie ist wieder in der Klinik.
Sie hat begriffen, dass es in ihr altes Leben mit Detlef nicht mehr zurückgeht.
Und dass sie immer nur das gesehen und gehört hat, was sie sehen und hören wollte.
Ihr Psychiater hat ihr gesagt, dass aus ihrer Überzeugung heraus, nicht alleine überleben zu können, bei ihr unbewusst der Idealisierungsprozess einsetzte, wo man sich Personen und Situationen schön denkt und fühlt.
Die Angst, verlassen zu werden, muss sie so tief geprägt haben, dass sie nie sie selbst war, sondern immer nur so, wie sie glaubte, sein zu müssen.
Am Ende erkennt sie, dass es reichlich Anzeichen dafür gab, dass bei Detlef irgendetwas nicht stimmte.
Sie hat nur einfach nicht hinsehen wollen.
Idealisierung, und das ist mein Aha, ist etwas, was viel häufiger vorkommt, als wir denken.
Wir idealisieren mindestens zu zwei Zeitpunkten in unserem Leben.
Nämlich erstens, wenn wir Kind sind, da idealisieren wir nämlich unsere Eltern.
Die werden in den ersten Jahren als übermächtige und beschützende Vorbilder angesehen.
Und später begreifen wir dann, dass Eltern Schwächen haben und das Bild der Eltern rückt immer weiter weg von unserem eigenen Ideal.
Und zweitens idealisieren wir, wenn wir verliebt sind.
Das ist eine gute Idealisierung, weil sie zwei Menschen zusammenschweißt, die sich aber dann von allein wiedergibt.
Bei der Entidealisierung sehen wir dann auch plötzlich die negativen Eigenschaften, die wir vorher durch unsere rosa-rote Brille nicht gesehen haben.
Durch Entidealisierung wird aus Verliebtsein Liebe, oder man begreift halt eben, dass das doch nicht der Typ oder die Frau fürs Leben ist.
Man muss entidealisieren, weil uns Verliebtsein in unserem Leben zu sehr beeinflusst.
Wir können uns nämlich weniger konzentrieren, wenn wir verliebt sind.
Was Renate Höhne gemacht hat, aber war anders.
Sie hat explizit über Jahre hinweg an etwas festgehalten, was nicht war, weil sie nicht mit dem umgehen wollte, was als Konsequenz folgt.
Hätte Renate nämlich akzeptiert, dass etwas nicht stimmt, hätte sie der Realität ins Auge blicken und dann die Konsequenz, was meist Trennung bedeutet, ziehen müssen.
Und das wollte sie nicht. Bloß nicht verlassen werden und allein dastehen.
Ihr hat das Vertrauen in sich selbst gefehlt, mit dem umzugehen, was ist.
Meist treibt einen die Angst, allein dazustehen oder ein möglicher Gesichtsverlust dahin.
Renate Höhne schreibt in ihrem Buch, dass Frauen, die wissen, dass ihr Mann sie betrügt oder zumindest erahnen, so handeln.
Jetzt muss ich dazu sagen, dass es andersrum natürlich genauso zutrifft.
Männer lassen sich genauso absichtlich an der Nase herumführen wie Frauen.
Ich glaube, einige waren ja schon mal in der Situation, wo man zum Beispiel von einem verheirateten Mann angegraben wurde.
Oder man hat selbst im Freundeskreis vielleicht jemanden, der seinen Partner betrügt.
Und man denkt sich doch immer, merkt der Partner denn davon nichts?
Oft will der Partner aber eben nichts davon wissen und schweigt.
Nee, aber in vielen Fällen glaube ich, dass es so offensichtlich ist, dass der Partner untreu ist und man trotzdem dann irgendwie das so wegschiebt und so tut, als wäre nichts.
Das finde ich, ist irgendwie total dumm, weil wie du schon gesagt hast, am Ende kommt das meistens raus und dann ist der Knall viel größer als vorher.
Weil sonst finde ich ja immer sind unsere, sind die Funktionen des Gehirns immer sehr schlau und beschützen einen total.
Aber in dem Sinne ist es irgendwie so auf kurze Dauer und nicht auf lange Sicht gesehen.
Ich glaube, das ist was, was halt eben unbewusst passiert.
Ja, und natürlich nicht auf lange Sicht gesehen, weil wir es halt nicht wahr haben wollen.
Ja, wir wollen nicht, dass es so ist.
Wir wollen, dass es anders ist.
Wir wollen, dass es so ist, wie wir uns das vorstellen.
Und in unserer Vorstellung muss der Partner treu sein.
Und da kann ich sowas irgendwie nicht akzeptieren, weil du halt die Konsequenzen nicht daraus ziehen möchtest.
Ja, aber ich glaube, dass die meisten Paare dann eigentlich eher daran zerbrechen, dass so viel gelogen wurde oder dass auch der, der immer betrügt, dann auch nicht mehr in diesem Käfig sozusagen aushalten möchte.
Ich glaube, dass es schon mehr Paare geben könnte, die vielleicht auch mit einem Betrug umgehen könnten oder dann, oder ja, oder das dann vielleicht mit einer offenen Beziehung versuchen würden oder so.
Aber dadurch, dass das in so vielen Köpfen gar nicht zugelassen wird, weil dann der Schmerz so groß ist im ersten Moment, ist halt schwierig.
Renate hat viel zu spät erkannt, dass sie in einer Scheinwelt gelebt hat.
Detlef brauchte diese Fassade nur, um dahinter seine kranke Neigung ausleben zu können.
Am Ende lässt sich Renate von Detlef scheiden und besucht ihn noch einmal im Gefängnis, um sich zu verabschieden.
Ob er sie jemals geliebt hat, fragt sie ihn nicht.
Er würde ihr nur lügen.
Wo ihr Geld hin ist, wird sie nie erfahren.
Vielleicht hat er es verzorgt, vielleicht eine Wohnung für seine Geliebte gekauft.
Was ändert es? Es ist weg.
Sie muss jetzt von Sozialleistung leben.
Sie weiß nicht so recht, wie sie auf die Jahre mit Detlef zurückblicken soll.
Sie weiß nicht, was von dem, was er gesagt hat, ernst gemeint war und was nicht.
Ihr Psychologe rät ihr, die Gefühle zu trennen.
Sie soll sich in den Erinnerungen wohlfühlen.
Aber sie kann nicht.
Der Mann, den sie jahrelang geliebt hat, hat gleichzeitig ihr Leben zerstört.
Renate lebt jetzt mit dem Wissen, dass das Leben jederzeit wie eine Bombe zerplatzen kann.
Und sieht damit zum ersten Mal der Wahrheit ins Auge.
Man kann nun mal nichts anhalten, indem man es einfach festhält.
Man kann nichts kalkulieren oder planen.
Man bekommt das Leben hingeworfen und man weiß nicht, was in der nächsten Sekunde ist.
Letzterkenntnis und Wahrheit sind hart.
Aber wenn man mutig ist, kann man das meistern.
Ich fand den Fall mega geil.
Ich fand den Fall deswegen so spannend, weil ich mich in ganz anderen Situationen und natürlich viel abgeschwächter,
aber damit so ein bisschen mich auch reflektieren konnte,
weil ich gerade so in den letzten Jahren versucht habe, halt viel mehr Wahrheit zuzulassen.
Weil ich glaube, dass man daran enorm wächst.
Und bei ihr ist es natürlich ein furchtbarer Härtefall.
Nun ist sie erst mal die Idealisierungskünstlerin und hat dann halt auch noch so einen Typen,
der das alles komplett ausnutzt.
23 Jahre weggeschenkt.
Das ist echt heavy.
Okay, soll ich dann übernehmen?
Ja, bitte.
Am Ende sprechen wir noch über den Podcast in the Dark und die, Achtung, Sarkasmus,
grandiose Arbeit der Polizei.
Ich liebe es ja, wenn investigative Journalisten die schlampige Arbeit von Polizei und Justiz aufdecken.
Meist passiert das in den USA und daher haben wahrscheinlich viele Menschen hier in Deutschland den Eindruck,
die Polizei dort kann nichts, ist korrupt, rassistisch und faul.
Aber wie sieht es eigentlich bei uns aus?
Mein Fall zeigt, wie viel auch hier in Deutschland falsch laufen kann,
wenn es um die Suche nach einem Täter und dessen Verurteilung geht.
Mein Fall ist der von Ursula Herrmann und ich nenne ihn
Der Kampf eines großen Bruders.
Kann es sein, dass der Augsburger Justiz nicht an wirklicher Aufklärung des Falles Ursula Herrmann,
dem Tod meiner kleinen Schwester, gelegen ist?
Das fragt Michael Herrmann in einem offenen Brief im Jahr 2018.
Rückblick.
Es ist der Abend des 15. September 1981.
Die zehnjährige Ursula Herrmann macht sich um Viertel nach sieben am Abend auf den Rückweg von ihrer Tante.
Durch das Waldgebiet direkt am Ufer des Ammersees sind es nur zwei Kilometer bis zu ihrem Elternhaus in Eching.
Es ist noch hell, als das blonde Mädchen auf ihrem roten Fahrrad losfährt.
Als es dunkel wird und Ursula immer noch nicht zu Hause ist, machen sich Vater, Mutter und ihr 18-jähriger Bruder Michael Sorgen.
Der Vater macht sich gleich auf die Suche nach seinem Kind.
Vergeblich.
Dann wird die Polizei eingeschaltet.
Der Wald und das unwegsame Gelände am Ammerseeufer werden durchforstet.
Doch Ursula bleibt verschwunden.
Am 17. September, also zwei Tage nach dem Verschwinden, klingelt bei den Herrmanns das Telefon.
Sie nehmen ab, aber am anderen Ende meldet sich zunächst niemand.
Dann ertönt die Erkennungsmelodie von Bayern 3.
Danach ist noch 30 Sekunden Stille, dann wird aufgelegt.
Immer wieder klingelt in den nächsten beiden Tagen das Telefon und immer wieder ist nur der Jingle zu hören.
Freitagmittag findet die Familie dann einen Brief in ihrem Briefkasten.
Gebastelt aus Zeitungsschnipseln, wie man sie aus Filmen kennt, steht geschrieben,
wir haben ihre Tochter entführt.
Wenn sie ihre Tochter jemals lebend wiedersehen wollen, zahlen sie 2 Millionen Mark Lösegeld.
Wie die Geldübergabe stattfinden soll, wird in einem zweiten Brief stehen.
Dieser kommt dann am Montag.
Das Geld soll in gebrauchten 100-Mark-Scheinen in einem gelben Fiat 600 geliefert werden.
Außerdem schreiben die Entführer, dass sie sich per Telefon melden werden,
um Ort und Zeit der Übergabe auszumachen.
Doch einen Anruf bekommt Familie Hermann nicht mehr.
Am Morgen des 4. Oktober, 19 Tage nach dem Verschwinden,
finden Polizisten Ursulas Leiche in dem Waldstück.
Das Kind liegt in einer vergrabenen Holzkiste.
Die Kiste ist 1,40 Meter hoch, 70 Zentimeter breit und 60 Zentimeter tief.
Darin stehen eine kleine Bank und ein Toiletteneimer.
Außerdem liegen in der Kiste ein paar Tafeln Schokolade, Wasserflaschen, Kekse, ein Radio, Comics und Westernromane.
Nichts davon ist angerührt worden.
Neben der Kiste finden die Ermittler eine Autobatterie, die eine kleine Lampe mit Strom versorgt.
Auf dem Deckel der Kiste kleben aneinander gesteckte Plastikrohre.
Diese sollten offenbar dafür sorgen, dass Luft in die Kiste kommt.
Um das Versteck zu tarnen, wurden fünf kleine Fichten in den frischen Waldboden gesteckt.
Ursula kommt in die Rechtsmedizin.
Als Todesursache wird Erstickung festgestellt.
In einigen der Rohre, die für die Luftzufuhr angebracht wurden, hatte Laub gesteckt.
Die ist 70 Zentimeter breit.
Also da kann sich ja aber auch ein kleines Kind kaum drin bewegen, oder?
Und 1,40 hoch und 60 Zentimeter tief.
Also da ist schon genug Platz für ein Kind.
Okay.
Es stellt sich aber später auch heraus, dass dieses ganze Belüftungssystem ungeeignet war.
Scheinbar hatten die Entführer es nicht vorher getestet.
Das Mädchen war also wahrscheinlich nach spätestens fünf Stunden in der Kiste gestorben.
Sie hatte sich kaum bewegt und an ihr werden auch keine Abwehr- oder Befreiungsspuren gefunden.
Daher geht man davon aus, dass die Täter Ursula betäubt hatten, bevor sie sie in die Kiste sperrten.
Gott, wie furchtbar.
Um die Täter zu finden, werden zwischen 1981 und 1985 insgesamt 19.000 Fingerabdrücke verglichen,
15.000 Personen und 11.000 Fahrzeuge überprüft.
Im Januar nimmt die Polizei dann drei Männer fest.
Einer der drei Verdächtigen ist der damals 31-jährige Werner Mazzurek, der in der Nachbarschaft des Mädchens lebt.
Doch nach stundenlangen Verhören kommen alle Männer wieder frei.
Im Mai 1984 rückt ein entlassener Polizist ins Visier der Fahnder.
Bei ihm werden Holzteile und Werkzeuge gefunden, die zum Bau der Kiste gedient haben könnten.
Außerdem war er zur Tatzeit in dem Waldstück gesehen worden, in dem er eine Jagderlaubnis hat.
Als ihm das vorgehalten wird, bricht er zusammen und verlangt nach einem Anwalt.
Fünf Jahre lang wird der Mann überwacht und immer wieder verhört.
Festgenommen wird er aber nie.
2005 wird der Fall dann wieder aufgenommen, nachdem die DNA-Analyse es ermöglicht, Spuren untersuchen zu lassen.
Es werden mehrere Haare analysiert, die in der Kiste gefunden wurden und eine Spur an einer Schraube.
Es stellt sich heraus, dass die Haare zu einem der Kriminaltechniker gehören.
Die Spur an der Schraube kann nicht zugeordnet werden.
Im Mai 2007 gerät der Fall wieder in die Schlagzeilen.
Denn in einem anderen Tötungsdelikt werden die gleichen DNA-Spuren gefunden wie bei Ursula.
Und zwar bei der Tötung der Parkhausbesitzerin Charlotte Böhringer.
Die Frau wurde erschlagen und auf einem Glas in ihrer Spülmaschine war die besagte DNA gefunden worden.
Für den Tod der Frau wird dann aber ihr Neffe Benedikt Todt festgenommen.
Ihm kann die DNA zwar nicht zugeordnet werden und er bestreitet die Tat auch bis heute.
Trotzdem wird er in einem Indizienprozess zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe verurteilt.
Ein Täter im Fall Hermann wird nicht gefunden.
Was letztlich nicht überrascht, denn bei der Ermittlung wurden sehr viele Fehler gemacht.
So wurde der Tatort beispielsweise nicht richtig gesichert.
Bei dem Ausgraben der Kiste waren Journalisten und Fotografen anwesend.
Und der leidende Ermittler ist sogar in die Kiste gesprungen.
Das ist nicht dein Ernst.
Aber der Typ wurde dann auch vom Fall abgezogen.
Aber sorry, wer macht sowas?
Man hört ja ganz oft solche Horrorgeschichten, wo die Ermittler damals einfach schlampig gearbeitet haben.
Maaßen aber ja auch, weil sie damals dieses Verfahren zur DNA-Analyse noch gar nicht richtig hatten.
Die wurde ja auch erst später in deinem Fall dann ermittelt.
Genau, aber ganz klar war das früher auch schon der Fall, dass man nicht einfach durch den Tatort latschen durfte und auch noch irgendwie Journalisten und Fotografen dabei hat.
Ja, das müsste selbsterklärend sein.
Genau. Und in den Medien wird sogar von einem Spurenvernichtungskommando gesprochen.
Zu den anderen Fehlern komme ich aber gleich.
Der Tod von Ursula gilt übrigens juristisch gesehen nicht als Mord, sondern als erpresserischer Menschenraub mit Todesfolge.
So eine Tat kann verjähren, und zwar nach 30 Jahren.
Das hat wohl auch jemand von der Polizei auf dem Schirm und so wird der Fall kurz vor Ablauf der Frist wieder aufgenommen.
Im Mai 2008 wird dann ein Verdächtiger verhaftet.
Und zwar Werner Mazurek.
Wir erinnern uns, das war einer der drei Männer, die ganz am Anfang verdächtigt wurden.
Der mittlerweile 59-Jährige wohnt jetzt in Schleswig-Holstein.
Anfang der 80er Jahre hatte er in der Nähe des Wohnorts von Ursula ein Radio- und Fernsehgeschäft betrieben.
Zur Tatzeit war er verschuldet und Polizei bekannt.
Gruselig.
Wegen der Jingle.
Hm.
Iiih.
Als damals gegen ihn ermittelt wurde, war auch Klaus Pfaffinger verhört worden, ein kleinkrimineller Alkoholiker.
Er war zur Tatzeit mit einem Spaten gesehen worden.
Pfaffinger wusste, dass auch Mazurek verdächtigt wird und sagte aus, er hätte für ihn das Loch für die Kiste gegraben.
Als die Ermittler ihn dann baten, sie zur besagten Stelle zu führen, konnte er diese aber nicht finden.
Drei Stunden später widerrief Pfaffinger seine Aussage.
Und Mazurek?
Der hatte damals ein Alibi und wurde von mehreren Zeugen entlastet.
Und trotzdem gerät er fast 30 Jahre später wieder ins Fadenkreuz der Polizei.
2007 hat man bei einer Hausdurchsuchung nämlich ein Tonbandgerät bei ihm gefunden.
Dieses war bei Hausdurchsuchungen kurz nach der Tat nicht gefunden worden.
Mazurek selbst behauptet, dass er das Gerät erst 2007 auf einem Flohmarkt gekauft hat.
Ihm wird nicht geglaubt und so beginnt im Februar 2009 vor dem Augsburger Landgericht der Prozess.
Da die Staatsanwaltschaft sich sicher ist, dass es sich um mehrere Täter handelte, wird auch seine Frau angeklagt.
Der mutmaßliche Tathelfer Klaus Pfaffinger ist inzwischen verstorben.
Es ist ein Indizienprozess, in dem zwei Hauptindizien angeführt werden.
Zum einen das besagte Tonbandgerät.
Die Frau, die das Gutachten dazu anfertigt, arbeitet übrigens auch beim Landeskriminalamt und ist mit einem der leitenden Ermittler zusammen.
Bei der Würdigung des Gutachtens werden angesehene Experten hinzugezogen.
Diese nutzen für die Bewertung eine Skala von 1 bis 6.
1 bedeutet, mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit wurde dieses Tonband bei der Entführung benutzt.
2 mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit.
3 mit hoher Wahrscheinlichkeit.
4 wahrscheinlich.
5 möglich.
Und 6 nicht entscheidbar.
Die Gutachter legen sich auf 4, also wahrscheinlich fest.
Das andere Indiz ist der tote Hauptbelastungszeuge Klaus Pfaffinger.
Der hatte ja 1982 für drei Stunden behauptet, er habe das Loch für Matzureck gegraben.
Von dieser Aussage gibt es keine von Pfaffinger unterschriebene Abschrift.
Nur ein Gedächtnisprotokoll des damaligen Ermittlers.
Dieses Protokoll war übrigens erst drei Monate nach der Aussage und zwar auf Druck des Leiters der Sonderkommission aufgetaucht.
Da kann man sich auch noch an ganz viele Details erinnern.
Die Staatsanwaltschaft argumentiert, dass Pfaffinger Täterwissen hatte.
Matzurecks Anwalt Walter Rubach hat aber eine Pressemitteilung der Polizei von vor der Aussage dabei.
Darin stehen alle Informationen, die Pfaffinger der Polizei gegeben hatte.
Doch der Richter ist überzeugt.
Am 25. März 2010 wird Matzureck wegen erpresserischem Menschenraub mit Todesfolge zu lebenslanger Haft verurteilt.
Seine Ehefrau wird wegen Mangels an Beweisen freigesprochen.
Bis heute fragen sich Polizisten, Juristen und Familienmitglieder, war es wirklich Matzureck?
Weil die Familie nicht ruhen kann, bis Klarheit herrscht, kämpft sie weiter.
An vorderster Front Ursulas Bruder Michael.
Seit Jahren durchforstet er die Akten, zu denen er als Nebenkläger Zugang hat.
Sie umfassen 25.000 Seiten.
Oh Gott!
Er will, dass der Fall seiner Schwester neu aufgerollt wird.
Michael ist nämlich davon überzeugt, dass Matzureck der Falsche ist.
Schon während der Verhandlung hatte er den Eindruck, dass sich Matzureck seiner Sache sehr sicher war, also von seiner Unschuld überzeugt.
Nach der Verurteilung bekam Michael dann mehrere Briefe von Matzureck.
Der längste davon war 18 Seiten lang.
Einmal schickte er ihm auch einen Lügendetektortest, den er erfolgreich bestanden hatte.
Aber nicht nur das Verhalten des Angeklagten hatte Michael verunsichert.
Als Musiklehrer war er von dem Gutachten zum Tonbandgerät nicht überzeugt.
Er fragte sich, wie kann ein ganz bestimmtes Gerät, das massenhaft hergestellt wurde, nur an dem Klang einer Aufnahme ausgemacht werden?
Außerdem hatte eine Londoner Wissenschaftlerin die Original-Erpresserbriefe analysiert und war zu dem Schluss gekommen,
dass Matzureck mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht der Verfasser war.
Interessant ist im Hinblick auf die Briefe auch, dass auf einem der Briefe Durchdruckspuren von einer Matheaufgabe aus der Oberstufe waren.
Ein Indiz für Michael, dass es sich beim Verfasser nicht um Matzureck, den Fernsehtechniker ohne Kinder, handeln könne.
Eher ein Indiz dafür, dass die Täter jünger waren.
Aber nicht nur das stieß Michaels Meinung nach auf eine jüngere Tätergruppe.
So hatten die Entführer ja zum Beispiel Comics aus der Reihe Clever und Smart und Süßigkeiten in die Kiste gelegt.
Außerdem hatten sie einen gelben Fiat 600 gefordert.
Genau in so einem Auto fahren auch die Comicfiguren Clever und Smart.
Auch der Fakt, dass der Entführungsort auch der Aufbewahrungsort war, ist verdächtig und schließt auf fehlende Mobilität der Entführer.
Für Michael ist auch die fehlerhafte Konstruktion des Belüftungssystem Indiz dafür, dass Amateure am Werk waren.
Vielleicht Jugendliche, die sich einen Spaß erlaubt haben, der dann mächtig schiefgegangen ist.
Könntest du dir sowas vorstellen?
Also nach Spaß hört sich das für mich nicht an.
Ich muss aber sagen, dass ich es total gut finde, dass sich der Bruder des Opfers nicht von einer Emotion leiten lässt und einfach den möglichen Täter hinnimmt, den er von einer Staatsanwaltschaft vorgesetzt bekommt.
Weil das, was ich finde, oft passiert, dass die einfach damit abschließen wollen und froh sind, wenn jemand verurteilt wird, was ja auch oft zu Recht dann passiert.
Aber das finde ich schon beeindruckend, dass man dann selber da nochmal nachforscht und sagt, ich glaube, auch wenn ich jetzt meine Ruhe damit hätte, glaube ich nicht, dass das der Täter ist.
Und ich habe dir ja gesagt, dass da eben Süßigkeiten drin waren, Comic-Hefte.
Daran würde wahrscheinlich auch ein erwachsener Entführer sich einen Scheiß drum kehren, ehrlich gesagt.
Ja, und wenn man das Kind einfach am Leben lassen will, dann tut man da ein bisschen Brot rein und Wasser.
Und aber...
Ich sage mal so, die Kiste spricht zumindest auch dafür, dass die Entführer vielleicht auch keinen eigenen Aufenthaltsort haben.
Wenn du ein junger Schüler bist, dann kannst du keine Entführung bei Mama zu Hause machen.
Ja, genau.
Und ob es eben Jugendliche gewesen sein könnten, die sich an Spaß erlaubt haben, dazu habe ich mal wieder eine kleine Story von mir.
Und zwar, meine Nachbarsfreundin und ich haben uns als Kinder auch mal einen eher üblen Scherz erlaubt.
Und zwar hatten wir einen Brief geschrieben, in dem stand, Hilfe, wir wurden entführt und sowas.
Und den hatten wir an einen Luftballon gehängt und fliegen gelassen.
Am Ende...
Du bist so irre.
Am Ende kam raus, dass eine alte Dame den Brief gefunden hatte.
Und ich weiß nicht mehr, warum, aber am Ende kam auch raus, dass wir das waren.
Und dann gab es halt mächtig Ärger.
Im Nachhinein würde ich sagen, ziemlich zurecht.
Aber damals als Kind habe ich es nicht verstanden.
Ich und meine Freundin sind auch einfach mal von, als wir nach Hause gegangen sind,
nicht nach Hause gekommen, sondern dachten einfach, ach, als Überraschung bleiben wir jetzt weg und machen die Hausaufgaben.
Kannst dir vorstellen, was drei Stunden später in der kleinen Stadt, in der ich aufgewachsen bin, los war?
Und das Interessante ist, dass auch eine Spur die Ermittler damals tatsächlich in das nahegelegene Landerziehungsheim Schondorf führte,
auf das viele einflussreiche Eltern ihre Kinder schicken.
Bei einer Befragung durch die Polizei im Januar 83 kam heraus, dass zwei Schüler ein 80 Meter langes Telefonkabel in ihrem Zimmer versteckt hatten,
das vom Entführungsort stammte.
Aber wieso vom Entführungsort?
Also in dem Wald bei der Kiste wurde das gefunden.
Ach so.
Das Kabel diente der Kommunikation zwischen den Entführern, vermuteten die damaligen Ermittler.
Die Schüler behaupteten, sie hätten den sogenannten Klingeldraht gefunden, als sie tagsüber einer Eule folgten.
Doch Eulen sind ja bekanntlich nachtaktiv.
Mazzurek selbst ist Funkgerätexperte.
Er fragt in einer Doku, wieso sollte ich mich mit einem Klingeldraht vergnügen, wenn ich Funkgeräte habe?
Und damit der Fall nochmal unter die Lupe genommen wird, wendet Michael einen juristischen Trick an.
Er reicht im Dezember 2013 Zivilklage ein.
Er verklagt Mazzurek auf 20.000 Euro Schmerzensgeld wegen eines Tinnitus, den er infolge des anstrengenden Strafprozesses bekommen hatte.
Der Zivilprozess soll die Justiz zwingen, sich erneut mit Ursulas Tod zu beschäftigen.
Denn das Zivilgericht kann sich nicht einfach auf das Urteil aus dem Strafprozess stützen.
Es muss selbst prüfen, ob der Angeklagte tatsächlich schuldig ist und damit auch für den Tinnitus verantwortlich.
Die Zivilkammer ist nicht wirklich glücklich darüber, sich auf dieses komplexe Verfahren einzulassen.
Zunächst geben sie deshalb ein Gutachten in Auftrag, das herausfinden soll, ob der Tinnitus von Michael überhaupt durch den psychischen Druck des Strafprozesses verursacht werden konnte.
Als der Gutachter dies bestätigt, führt aber kein Weg mehr an einer neuerlichen Beweisaufnahme vorbei.
Diese zieht sich dann aber über mehr als zwei Jahre, obwohl das Gericht nur drei Zeugen hört.
Die Gutachterin des Landeskriminalamts und zwei ehemalige Kriminalbeamte.
Richtig Mühe scheint sich also niemand zu geben.
Und so wird fünf Jahre, nachdem Michael die Zivilklage eingereicht hat, das Urteil verkündet.
Werner Mazzurek muss 7.000 Euro Schmerzensgeld an Michael Herrmann zahlen.
Mit dem Schuldspruch stellt das Gericht also nochmal fest, dass es sich bei Mazzurek um den Täter handelt.
Dass die Zivilkammer mit ihrem Urteil nicht von der Theorie der Strafkammer abgewichen sei,
liege wahrscheinlich daran, dass die Zivilrichter nicht als Nestbeschmutzer dastehen wollten, glauben Michael und sein Anwalt.
Nach dem Urteil schreibt Michael einen offenen Brief, in dem er mit Ermittlern und der Justiz abrechnet.
Darin schreibt er,
Außerdem schreibt er, dass bei dem Strafverfahren gegen Mazzurek ein einseitiges und unvollständiges Gutachten zu einem alten Tonbandgerät zur lebenslänglichen Verurteilung eines Mannes führte.
Über zwingend beteiligte Mittäter wurde gar nicht nachgedacht.
Es lag zwar ein Geständnis eines labilen Alkoholikers vor, der für einen halben Tag behauptete, das Loch für die Kiste gegraben zu haben,
aber der widerrief diese Aussage Stunden später und blieb auch bei seinem Widerruf.
Er beendet den Brief mit den Worten,
Michael ist übrigens nicht der Einzige, der in der Zeit einen Brief schreibt.
Auch Mazzurek meldet sich mit einem Brief an das Gericht zu Wort,
in dem er nochmals seine Unschuld beteuert und ebenfalls mit der bayerischen Justiz abrechnet.
In dem Brief zählt er unter anderem mehrere Fälle von Justizirrtümern auf
und reiht sich damit in eine Reihe mit Gustel Mollat, Ulfi K. und der Familie Rupp.
Mazzurek und sein Anwalt wollen weiterkämpfen.
Sie wollen im Zivilverfahren in Berufung gehen und eine Wiederaufnahme des Strafverfahrens erwirken.
Auch Michael hat erst vor kurzem bei Stern TV erklärt,
dass er und sein Anwalt einige neue Indizien haben und diese auch einreichen werden.
Vielleicht gibt es ja bald einen neuen Prozess, von dem wir live berichten können.
Und jetzt zu dir. Was ist dein Gefühl? Sitzt der falsch in Haft?
Ja, also wenn selbst der Bruder des Opfers der Meinung ist, da sitzt nicht der richtige Mann hinter Gittern,
na bitte, der wird das auf Herz und Nieren geprüft haben.
Und wenn der zu dieser Erkenntnis gekommen ist, dann bin ich mir auch ziemlich sicher, dass der das nicht ist.
Ich finde es immer so, das löst in mir so ein ganz fieses Gefühl aus, wenn ich denke, da sitzt jemand unschuldig in Haft.
Ja, mir ist es lieber, ein Mörder läuft frei herum, als ein Unschuldiger, der in Haft sitzt.
So ist es eigentlich auch in unserem Strafgesetz.
Ja.
Also ist es eher dafür ausgerichtet, dass im Notfall lieber ein Täter frei rumläuft, als dass ein Unschuldiger verhaftet wird.
Aber manchmal passiert dann halt eben doch sowas, ja.
Und damit habe ich mich auch in meinem Aha beschäftigt.
Nachdem ich mir sicher war, dass es sich bei der Verurteilung von Werner Mazzurek um ein Justizirrtum handelt, wollte ich mich mal näher damit beschäftigen.
Justizirrtümer lassen sich nicht gänzlich ausschließen.
Das ist der Standardsatz, mit dem Richter, Staatsanwälte und Justizminister eben solche Fälle bewältigen.
Und sicher ist, dass jeder Mensch Fehler macht und deshalb ist es auch nachvollziehbar, dass die Justiz ihre Fehler als unvermeidliche Kollateralschäden darstellen.
Aber man darf sich ja trotzdem wundern, wenn Justizirrtümer aufgedeckt werden.
Das werden ja die meisten gar nicht.
Und weil das so ist, gibt es auch keine aussagekräftigen Statistiken dazu.
Der BGH-Richter Ralf Eschelbach glaubt aber, dass jedes vierte Strafurteil ein Fehlurteil ist.
Wie bitte?
Klingt ein bisschen übertrieben, oder?
Ja, ich hoffe.
Ja, andere Justizexperten sind da auch etwas vorsichtiger als Eschelbach.
Sie gehen aber immerhin noch davon aus, dass jedes zehnte Urteil falsch ist.
Also wenn, dann wohl Fehlurteil im Sinne von, das hätte man jetzt auch anders entscheiden können.
Weil ob es im Endeffekt jetzt Totschlag oder Mord ist, das entscheidet ja nur das Gericht alleine.
Und niemand anders.
Und dann ist es ja auch kein Fehlurteil.
Ach so, also mit Fehlurteil meinen die hier nicht nur die Fehler, die die Richter machen.
Sondern vor allem die, die im Vorfeld zum Beispiel von der Polizei gemacht werden.
Also wenn beispielsweise jemand eine Falschaussage macht, ein Polizist etwas übersieht.
Oder von der Staatsanwaltschaft Beweise unterschlagen werden.
Da kann der Richter zwar dann nichts für.
Der arbeitet ja einfach nur mit dem, was er hat.
Aber das zählt dann auch als Fehlurteil.
Aber dass jedes vierte Urteil eins sein soll, kommt mir sehr unwahrscheinlich vor.
Wozu es Zahlen gibt, sind die beantragten Wiederaufnahmeverfahren.
Zum Beispiel gab es 2013 1682 Beantragungen.
Wie vielen davon stattgegeben wird, steht nirgends.
Und wie viele davon dann gewonnen werden, auch nicht.
Laut dem Strafverteidiger Jens Schmidt hat so ein Verfahren, wenn es überhaupt genehmigt wird, in nur etwa fünf von tausend Fällen Erfolg.
Ein paar davon kennen wir aus den Medien und aus Matsurecks Brief an das Gericht.
Einen, den ich nicht kannte, war der Fall Rupp.
Am 13. Oktober 2001 verschwindet der Landwirt Rudolf Rupp nach einem Wirtshausbesuch, bei dem er sich betrunken hatte.
Vier Jahre später werden Rupps Ehefrau, die beiden Töchter und ein Ex-Freund einer der Töchter verurteilt.
Die Angeklagten hatten gestanden, Rupp in seinem Haus erschlagen, zerstückelt und an die Hunde verfüttert zu haben.
Die Geständnisse...
Die Geständnisse hatten sie aber noch vor Prozessbeginn widerrufen.
Forensische Beweise gab es keine.
Am 10. März 2009 wurde dann ein Auto aus der Donau geborgen.
Am Steuer des Mercedes saß Rudolf Rupp.
Obwohl dadurch bewiesen war, dass Rupp nicht so umgekommen sein kann, wie es das Gericht ja festgestellt hatte,
lehnte die Justiz ein Wiederaufnahmeverfahren lange Zeit ab.
Das ist doch kein Ernst.
Was soll der irgendwie einen identischen Zwillingen gehabt haben, oder was?
Ja, erst 2011 sprach eine Kammer des Landgerichts Landshut die Angeklagten frei.
Was bringt vier Leute dazu, so eine abgefahrene Story zu erzählen?
Ja, du weißt ja, wie das ist.
Das ist dann nicht, dass sie das erzählt haben, sondern das ist dann wie bei Brandon Dessy,
dass sie einfach suggestivt die ganze Zeit nur so fragen und denen das in den Mund legen.
Aber die werden ja nicht zusammen befragt.
Also da muss doch dann irgendwann mal jemand sagen, spinnt ihr?
Wir haben den doch nicht verfüttert.
Anscheinend wurden da massive Fehler gemacht und massiv unfair gespielt von den Polizisten damals.
Das muss ja total absurd sein, weil ich glaube, egal, was man mit mir in so einem Verhör macht,
würde ich nie behaupten, dass ich dich an Hunde verfüttert habe, wenn du weg bist.
Aber guck mal, zum Beispiel jetzt bei Brandon Dessy, ja?
Der hat ja auch gesagt, die wäre an den Händen gefesselt gewesen, an dem Bett.
Er hat ihr die Kehle durchgeschnitten und alles.
Und das war jetzt nachweisbar nicht der Fall gewesen, weil da wurde kein Tröpfchen Blut gefunden.
Aber Brandon Dessy ist ein Junge, der geistig sehr eingeschränkt ist.
Ach so, ja, ach ja.
Bei der Familie Rupp wurde auch festgestellt, dass alle Angeklagten einen niedrigen IQ hatten.
Also in dem Fall waren sie wohl auch wie Brandon der Polizei ausgeliefert.
Ja.
Und falsche Geständnisse sind ja kein Einzelfall.
Das wissen True-Crime-Fans wie wir ja schon länger.
1970 hatte eine deutsche Studie ergeben, dass dort die Ursache für sieben Prozent der Fehlerurteile liege.
Das Innocent Project, für das auch die Anwältin von Brandon Dessy arbeitet, geht sogar von siebenundzwanzig Prozent aus.
Dazu ist kurz zu sagen, Brandon Dessy ist der Neffe von Stephen Avery und das ist der Hauptprotagonist von Making a Murderer.
Genau.
Dieser Unterschied zwischen Amerika und Deutschland kann dadurch begründet sein, dass in Amerika teilweise anders gearbeitet wird als hier.
Zum Beispiel viel häufiger mit Profilern, die eine Tathypothese entwickeln.
Diese wird dann mit in die Vernehmung genommen und dann wird so lange suggestiv gefragt, bis die Ermittler die Bestätigung für ihre Hypothese haben.
Das passiert eben auch in Deutschland.
Im Fall von Peggy Knobloch hatten die Beamten den geistig Behinderten Ulfie K. die Aussage in den Mund gelegt, er hätte das Mädchen nach Doktorspielen umgebracht und im Wald verscharrt.
Auch hier hatte ein Profiler zuvor die Tatversion formuliert.
Falsche Geständnisse sind aber natürlich nicht der einzige Grund, warum es zu Fehlurteilen kommt.
Die größte Fehlerquelle sind Irrtümer von Zeugen bei der Identifizierung von Verdächtigen.
Sie machen 72 Prozent der Fehlurteile aus, laut Innocence Project.
Ja, und in der Regel werden die Fehler eben nicht im Gerichtssaal, sondern schon vorher gemacht, und zwar bei der Ermittlungsarbeit.
Was ich aber besonders erschreckend finde, ist, dass Menschen, die unschuldig im Gefängnis saßen, danach nicht wirklich gut betreut und entschädigt werden.
Wie viel, glaubst du denn, bekommt ein Unschuldiger für jeden Tag, den er abgesessen hat?
Ich weiß nicht für jeden Tag. Ich habe aber tatsächlich gerade heute erst eine Geschichte von jemandem gelesen.
Ich bin der Meinung, er saß fünf Jahre unschuldig in Haft, hat danach 50.000 Euro Entschädigung bekommen.
Seine ganze Familie war aber komplett traumatisiert von dem Ereignis.
Und danach haben sie ihn 6.000 Euro für die Unterbringung im Gefängnis davon noch abgezogen.
Denn auch ein unschuldig Inhaftierter wird ja dort verpflegt und muss ja für das Essen bezahlen.
Ja, also pro Tag kriegen die 25 Euro Entschädigung.
Das ist nicht dein Ernst.
Also das ist ja unfassbar.
25 Euro pro Tag, also vor allem was das auch psychisch mit deiner Familie und mit dir selber macht.
Du bist ja danach nicht mehr die gleiche Person.
Du bist ja komplett, du kannst nachher nirgendwo mehr arbeiten wahrscheinlich.
Und wer weiß, was alles im Gefängnis passiert ist, ist ja grauenhaft.
Ja, und vor allen Dingen, wenn du bedenkst, wie sowas zustande kommt.
Ja, wenn der Matsurek jetzt wirklich unschuldig ist, ja, der sitzt seit zehn Jahren.
Und nur, weil wegen so einem blöden Gutachten zu einem Tonbandgerät und einem Alkoholiker, der mal drei Stunden behauptet hat, er hätte für ihn das Loch gekrabt.
Und aber ja auch nicht sagen konnte, wo.
Genau.
In Folge 10 hatten wir euch ja angekündigt, dass wir heute einen amerikanischen True Crime Podcast besprechen, der in uns beiden viel Emotionen ausgelöst hat.
Und zwar geht es um In the Dark, die erste Staffel.
Und für diejenigen, die es nicht geschafft haben, ihn anzuhören oder nicht wollten, weil er auf Englisch ist, hier ein Überblick darüber, was passiert.
In the Dark handelt von dem Verschwinden von Jacob Wetterling im Jahr 1989, einen elfjährigen Jungen aus St. Joseph in Minnesota, wo zu der Zeit ca. 3000 Leute leben.
In der Abenddämmerung an einem warmen Oktobertag ist Jacob mit zwei Freunden auf Fahrrädern und Rollern unterwegs nach Hause.
Sie haben sich gerade aus einer Videothek einen Film ausgeliehen.
Als sie eine Straße entlangfahren, die in einer Sackgasse endet, werden sie von einem Mann angehalten.
Er ist mit einer Pistole bewaffnet, ganz in schwarz gekleidet und maskiert.
Er zwingt sie, sich mit dem Gesicht nach unten auf den Boden zu legen.
Die Jungen haben Angst und befolgen seine Anweisungen.
Dann sucht sich der Mann einen der Jungs aus.
Jacobs jüngerer Bruder und sein Freund werden aufgefordert, in den Wald zu laufen und nicht zurückzuschauen.
Andernfalls würde er sie erschießen.
Jacob nimmt er mit.
Die Chancen, dass der Fall gelöst und Jacob noch lebend gefunden werden kann, stehen eigentlich gar nicht so schlecht.
Es gibt nur begrenzte Fluchtmöglichkeiten für den Täter.
Der Vorfall wird sofort gemeldet.
Es gibt zwei Zeugen und die Polizei reagiert sofort.
27 Jahre aber bleibt der Fall ungelöst.
27 Jahre, in denen niemand weiß, was mit Jacob passiert ist.
Was also ist schiefgelaufen?
Viel, wie wir in dem Podcast erfahren.
So versäumen die Ermittler gleich zu Beginn, Schritte einzuleiten, die von entscheidender Bedeutung sind.
Wie beispielsweise die Nachbarn nach Hinweisen zu fragen oder Häuser in der Nähe des Tatorts zu durchsuchen.
Die Polizei befragt erst Tage später Zeugen, die die drei Jungs an diesem Abend noch gesehen hatten.
Es gelingt ihnen über all die Jahre nicht, einen Mann zu überführen, der schon bei einem ähnlichen Fall als Verdächtiger galt.
Danny Heinrich.
Neun Monate zuvor nämlich wurde der zwölfjährige Jared Shirell ebenfalls entführt und sexuell missbraucht.
Der Modus operandi war hier nämlich ähnlich.
Stattdessen versteifen sich die Ermittler 21 Jahre später auf einen unschuldigen Zeugen und nennen öffentlich seinen Namen und betiteln ihn als Person von besonderem polizeilichen Interesse.
Das Team von In the Dark stellt unangenehme Fragen.
Vor allem an den Sheriff, also dem Leiter der Polizeibehörde, der sich natürlich nicht erklären kann, warum die Aufklärungsrate bei Kriminalverbrechen in seinem Bezirk so niedrig ist.
Kurz vor Veröffentlichung des Podcasts gesteht Danny Heinrich den Mord an Jacob, nachdem man in seinem Haus Kinderpornografie gefunden hatte.
Weil sich der Podcast aber mehr um die Versäumnisse der Behörden dreht und nicht darum, wer Jacob letztendlich umgebracht haben könnte, musste nicht wirklich viel nachgearbeitet werden.
Vielmehr hatte das Geständnis die Arbeit von In the Dark noch untermauert.
Während Heinrichs Geständnis sitzt auch Jared Shirell im Gerichtssaal.
Als er hört, dass Heinrich aussagt, er hätte Shirell während der Misshandlung damit gedroht, ihn umzubringen, wenn er sich übergeben müsste, wird er sauer.
Er ist sich sicher, dass Heinrich diese Worte zu ihm niemals gesagt hat.
Gab es noch andere Opfer?
Hat Heinrich seine Opfer verwechselt?
Wie wahrscheinlich ist es wohl, dass Danny Heinrich nach dem Missbrauch und Mord an Jacob sich nichts mehr zu Schulden hat kommen lassen?
Erfahren werden wir das wohl nie.
Denn Heinrich gestand die sexuellen Übergriffe an Jacob und Jared, den Mord an Jacob und zeigte der Polizei, wo er seine Leiche vergraben hatte.
Aber im Gegenzug dazu handelte die Verteidigung den Deal aus, dass Heinrich nicht wegen Mordes an Jacob angeklagt und auch zu keinem anderen Verbrechen befragt wird.
Und das, obwohl es Fälle nach Jacob gab, die die Polizei ebenfalls mit Heinrich in Verbindung gebracht hatte.
Wegen des Besitzes von Kinderpornografie wurde er zur Höchststrafe von 20 Jahren verurteilt.
Und jetzt besteht die Möglichkeit, dass er danach eben in Sicherheitsverwahrung kommt.
Jacobs Mutter Patty Wetterling setzt sich nach dem Verschwinden ihres Sohnes für ein nationales Gesetz ein,
das besagt, dass Sexualstraftäter polizeilich registriert werden müssen.
Der sogenannte Jacob Wetterling Act soll dann dabei helfen, die Überprüfung von potenziellen Tätern und die Ermittlungen schneller voranzubringen.
1994 wird dann die siebenjährige Megan Kenker Opfer eines verurteilten Sexualstraftäters, der gegenüber von ihr wohnte.
Wenn wir das gewusst hätten, wäre unsere Tochter noch am Leben, klagt ihre Mutter.
Nach dem Tod von Megan wird der Jacob Wetterling Act um das sogenannte Meghans Law ergänzt.
Dies verpflichtet die Bundesstaaten dazu, die Bürger über Sexualstraftäter in der näheren Umgebung zu informieren.
Seitdem gibt es also öffentlich zugängliche Datenbanken für vorbestrafte Sexualstraftäter.
Da musst du bloß deinen Wohnbezirk angeben und schon erscheint eine Landkarte mit farbigen Kreuzen, Punkten und Quadraten,
die dir dann die Wohnorte von Kinderschändern, Vergewaltigern und anderen Straftätern anzeigen.
Wenn du deine Postleitzahl eingibst, bekommst du eine Liste mit Namen, Alter, Adresse und sogar Foto der Verurteilten.
Aber du bekommst nicht nur Informationen darüber, wenn du aktiv suchst, sondern auch über Anzeigen in Lokalzeitungen, Flyer oder teils auch per Telefon.
In Texas müssen einige Täter sogar Schilder mit der Aufschrift
Gefahr! Hier lebt ein registrierter Sexualstraftäter vor ihrer Tür aufstellen.
Und in Florida müssen einige Täter ein GPS-Gerät tragen.
Rund 20 Bundesstaaten und hunderte amerikanische Städte haben nach dem Inkrafttreten des Gesetzes sogenannte Kinderschutzzonen eingerichtet.
Sexualstraftäter dürfen dort nicht wohnen, zum Teil auch nicht arbeiten oder sich aufhalten.
In manchen Städten, wie zum Beispiel New Jersey City, sind die Verbotszonen so groß, dass Sexualstraftäter praktisch aus dem Ort verbannt werden.
Das deutsche Justizministerium lennt solche Modelle ab.
Denn es widerspricht dem Ziel des Strafvollzugs, einer Resozialisierung.
Außerdem wäre so ein Register ein massiver Eingriff in das Grundrecht eines jeden Menschen,
über die Preisgabe und Verwendung seiner personenbezogenen Daten selbst zu bestimmen.
Es gibt aber je nach Bundesland in Deutschland Programme zum Umgang mit Sexualstraftätern.
Sachsen zum Beispiel hat etwas, dass sich Informationssystem zur Intensivüberwachung besonders rückfallgefährdeter, verurteilter Sexualstraftäter heißt.
Schlauerweise haben sie es mit ISIS abgekürzt.
Das ist gar nicht so schlecht.
Da werden nämlich Informationen über potenzielle Wiederholungstäter gesammelt.
Das ist aber nur von den Behörden einsehbar.
Und dann entscheiden Polizisten, die Justiz, Therapeuten, Jugendämter und, und, und gemeinsam, ob eine Überwachung notwendig ist.
Bayern hat ein ähnliches Programm.
Dort werden die Täter nach Rückfallpotenzial eingestuft.
Kritik an solchen Programmen ist natürlich, wenn ein Gericht einem Täter die Auflage gibt, keinen Kontakt zu Kindern zu haben,
beispielsweise, tut das Programm nichts dagegen.
Und eine Dauerüberwachung der Polizei ist sehr selten.
Außerdem weißt du als alleinerziehende Mutter dann ja eben nicht, ob dein Date ein besonders rückfallgefährdeter Sexualstraftäter ist.
Und ziehen die Täter dann in ein anderes Bundesland?
Ihr könnt's euch denken.
Was sagen wir denn zu so einem Gesetz, wie das in Amerika gilt?
Finde ich völlig furchtbar.
Ich finde, so wie das bei uns ist, das entspricht genau dem, was ich auch empfinde.
Du bekommst deine Strafe und danach hast du sie abgesessen.
Und wenn du damit rechnen musst, dass du immer gebrandmarkt wirst, dann besserst du dich auch nicht wirklich.
Das ist wie mit Leuten, die wissen, die kommen nie wieder raus aus dem Gefängnis.
Was haben die noch für eine Perspektive?
Und ich glaube, einen ähnlichen Effekt könnte das haben, wenn du weißt, wenn du rauskommst, wirst du eh gebrandmarkt.
Gibt es Fälle von Selbstjustiz, Leute aus der Stadt, die mit einer Mistgabe hinter dir herrennen.
Und ich finde, die haben ein Recht auf Wiedereingliederung.
Und ich glaube, du würdest damit die Büchse der Pandora öffnen.
Ich verstehe aber den Reflex, dass man, wenn dann sowas nochmal passiert, dass ein Kind dann wieder Opfer wird, verstehe ich schon diese Emotion zu sagen,
ja, aber hätte ich das gewusst, dann hätte man das verhindern können.
Aber unsere Rechte sind, glaube ich, da genau richtig.
Übrigens hat das Justizministerium in Polen seit diesem Jahr genauso ein Register mit Namen und Fotos von verurteilten Sexualstraftätern online gestellt.
Das heißt, ich konnte mich da auch rumklicken und alles.
Und ich muss sagen, ich wohne seit sieben Jahren glücklich in meiner Nachbarschaft.
Wenn ich jetzt wüsste, der Typ von gegenüber ist ein verurteilter Sexualstraftäter,
dann kann ich mir hier in der Wohnung ja eine Menge Katzenklos einrichten, auf die Fussel dann abends gehen kann.
Weil ich lebe dann sicherlich nicht mehr in Frieden hier, obwohl es sieben Jahre in Ordnung war.
Also ich würde es auch nicht wissen wollen, ehrlich gesagt.
Und du?
Ich persönlich kann mir vorstellen, dass einige Menschen im ersten Moment denken, toll, das wollen wir auch.
So wissen wir, ob gegenüber ein vorbestrafter Kinderschänder wohnt.
Und sicher ist es nicht von Nachteil für Eltern, so eine Info zu haben.
Also du hast zwar gerade gesagt, du würdest es nicht wissen wollen, aber ich kann mir vorstellen, dass es Eltern wissen wollen.
Natürlich, ja.
Aber eben, wie du schon gesagt hast, haben die ja ihre Strafe bereits abgesessen.
Und es gibt dieses Gesetz dort auch nur für Sexualstraftäter, nicht für Mörder oder so.
Übrigens, es stehen nicht nur verurteilte Kinderschänder in dieser Kartei.
Mittlerweile kannst du auch auf der Liste stehen, wenn du als Jugendlicher einvernehmlichen Sex hattest oder Nacktfotos verschickt hast.
Und das ist rechtlich tatsächlich möglich, weil dieses Gesetz nicht als Bestrafung gilt, sondern als grundsätzlich zulässige Anordnung zum Schutz der Öffentlichkeit.
Aber ist die Öffentlichkeit jetzt geschützt in Amerika?
Die Association for the Treatment of Sexual Abusers arbeitet seit Jahren an der Erforschung von Sexualstraftaten.
Ihren Studien zufolge gibt es bislang keine wissenschaftlichen Belege dafür, dass öffentliche Bekanntmachungen von Sexualstraftätern tatsächlich Straftaten verhindern.
Die Wissenschaftler heben hervor, dass 80 bis 90 Prozent aller sexuell missbrauchter Kinder Opfer von Familienangehörigen, Freunden oder Bekannten würden und nicht von Fremden.
Eine andere Studie von Forschung aus New Jersey, dort wo Megan umgebracht wurde, kam zu dem Ergebnis, dass die Quote nach der Einführung der öffentlichen Register nur wesentlich gesunken war.
Verlässliche Zahlen, die ganz Amerika einbeziehen, gibt es leider nicht.
Das Team von In the Dark hat ein halbes Jahr lang versucht, Informationen dazu zu bekommen, vergeblich.
Vielleicht auch deshalb, weil es eben keine signifikante Verbesserung gibt.
Patty Weatherling jedenfalls hat das Gesetz mittlerweile überdacht und bereut, Teil seiner Inkraftsetzung gewesen zu sein.
Sie sagt, ich möchte, dass diese Menschen ein erfolgreiches Leben haben, weil das bedeutet weniger Taten.
Deshalb setzt sie sich heute für registrierte Sexualstraftäter ein.
Finde ich auch gut.
Weil wenn du ständig Außenseiter bist, wo treibt dich das sonst hin als in die Kriminalität zurück?
Richtig.
In diesem Zusammenhang ein kleines Aha zum Thema Pädophilie.
Ich hatte mich nämlich immer gefragt, woher diese Neigung eigentlich kommt und ob alle Pädophilen immer Täter werden und solche Sachen.
Und viele Antworten habe ich durch die Doku unter Pädophilen vom Y-Kollektiv mit Manuel möglich bekommen.
Und da geht es eben unter anderem um die Stigmatisierung durch die Presse zum Beispiel.
Manuel möglich trifft da einen Mann, der sich offen zeigt, weil er der Debatte endlich ein Gesicht geben will.
Georg ist 60 Jahre alt und mit circa 30 Jahren hat er festgestellt, dass er diese Neigung hat.
Also, dass er sich von Kindern sexuell angezogen fühlt.
Er wurde einmal wegen Besitz von Kinderpornografie verurteilt, wurde aber nie aktiv Täter im Sinne von, dass er einen Übergriff im realen Leben begangen hat.
Und natürlich ist er durch den Besitz dieser Pornografie sehr wohl zum Täter geworden, hat aber auch eine Strafe dafür bekommen.
Und obwohl wir eben Pädophile immer mit Missbrauch in Zusammenhang bringen, sind Pädophile nicht immer automatisch Kinderschänder.
Unser Reflex, und da hatte ich auch stark in der Doku mit mir selbst zu kämpfen, ist immer gleich zu verurteilen.
Aber am Ende ist Pädophilie eben eine sexuelle Neigung.
Für die Pädophilie muss ich mich nicht schämen, sagt Georg in der Doku.
Man muss sich nur schämen, wenn man dieser Neigung nachgibt und sie auslebt.
Das Problem bei dieser sexuellen Neigung ist natürlich, dass sie der nie nachgeben können, ohne sich strafbar zu machen.
Was ja auch genau richtig ist, das hat eben nur zur Folge, dass sie ihre Sexualität nicht ausleben können.
Und weil Pädophilie eben keine Krankheit ist, kann sie auch nicht geheilt werden.
Schätzungsweise leben in Deutschland ungefähr 250.000 Pädophile.
Und dabei handelt es sich fast ausschließlich um Männer.
Und für mich war ein Satz von Georg entscheidend, der mich dazu gebracht hat, Pädophilie und Straftäter in Zukunft zu unterscheiden.
Er sagt nämlich, dass es für ihn natürlich auch nicht leicht ist, einen Teil in sich zu tragen, der nicht existieren darf.
So hat er das selbst gesehen.
Für ihn durfte dieser Teil einfach nicht sein.
Und natürlich verurteilen wir alle immer, weil es halt auch echt ein emotionales Thema ist.
Aber die suchen sich das ja auch nicht aus.
Also ich empfehle diese Doku sehr, sage aber auch jetzt schon, dass es ziemlich hart ist anzusehen.
Da spricht nämlich zum Beispiel auch ein Pädophiler, der sich mal an ein eineinhalbjähriges Mädchen verliebt hat.
Bei In The Dark gab es ja diese Person von besonderem polizeilichen Interesse, also Person of Interest.
Und das heißt nicht gleich Verdächtiger.
Das heißt lediglich, dass die Person in ein Verbrechen in irgendeiner Weise verwickelt sein könnte.
Denn Weijer, der Mann, der öffentlich als Person von besonderem polizeilichen Interesse betitelt wurde, hat den damaligen Sheriff übrigens deswegen verklagt.
Wir haben ja auch letztes Mal schon über Fälle gesprochen, wo die Identität von Tätern bekannt wurde.
Ihr könnt euch also ungefähr vorstellen, was bei dem Mann los war, als sein Name im Zusammenhang mit einem Mord an einem Kind veröffentlicht wurde.
Weijer argumentiert, dass die Ermittlungen ihn verunglimpften, obwohl es damals schon Beweise gab, die auf Heinrich verwiesen.
Das Verfahren findet dann Ende 2019 statt.
Und wie sieht es mit den Persönlichkeitsrechten in Deutschland aus?
Bis zu einer rechtskräftigen Verurteilung gilt ja die Unschuldsvermutung.
Und auch ein Verdächtiger hat Persönlichkeitsrechte.
Und deswegen werden in Deutschland Verdächtige und übrigens auch Täter meistens nicht mit vollem Namen genannt und nur verfremdet gezeigt.
Manchmal gibt es aber Fälle, wo man zwischen dem Persönlichkeitsrecht und dem öffentlichen Interesse abwägen muss.
Medienrechter Professor Christian Rust sagt,
Verwaltierende Berichterstattung wäre gerechtfertigt, wenn es a. ein großes öffentliches Interesse an dem Fall gibt,
es sich b. um ein Kapitalverbrechen handelt und c. eine gewisse Wahrscheinlichkeit besteht,
dass der Verdächtige die Tat begangen haben könnte.
Also wenn er beispielsweise schon gestanden hat.
Ob ein Persönlichkeitsrecht des Verdächtigen mehr wiegt als das Interesse der Berichterstattung, muss aber von Fall zu Fall entschieden werden.
Das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe sagt aber, verurteilte Straftäter dürfen beim Namen genannt werden,
zumindest wenn die Tat noch nicht lange her ist.
Eindeutig ist die Lage aber, wenn eine Fahndung nach den Verurteilten läuft.
Der soll nämlich dann schnell gefunden werden und deswegen darf in der Zeit sein Bild unverfremdet gezeigt und sein Name voll genannt werden.
Bei Promis ist das übrigens etwas anderes, weil sie im Fokus der Öffentlichkeit stehen, müssen sie hinnehmen,
dass sie schon bei einer mutmaßlichen Straftat namentlich genannt werden.
Madeleine Barron, die Sprecherin von In the Dark, sagt, dass im Zusammenhang mit dem Jacob-Wetterling-Fall oft gesagt wurde,
dass die Polizeibehörden in der Region noch nie an so einem mysteriösen und schrecklichen Fall gearbeitet haben.
Aber das stimmt nicht.
Dort gab es eine Reihe solcher Verbrechen, wie z.B. der Fall von Alice Huling und ihren 4 Kindern 1978.
Als alle schliefen, verschaffte sich ein Mann Zugang zu ihrem Haus, durchschnitt die Telefonleitung,
schlug erst Alice mit einem harten Gegenstand nieder und erschoss sie dann.
Dann ging er die Treppe hoch zu den Kindern und richtete alle hin.
Außer den 11-jährigen Billy.
Die Kugeln verfehlten ihn nur knapp und er hielt die Luft an, damit der Mörder nicht merkte, dass er noch lebte.
Ein paar Tage später wird ein Verdächtiger verhört
und in seinem Kofferraum finden die Beamten eine Metallstange, eine Skimaske und ein Spielzeugauto.
Ein Bettmobil.
Weil sie aber scheinbar keine Anhaltspunkte haben, um ihn festzuhalten, ließen sie ihn gehen.
Woraufhin er eine Reihe weiterer Verbrechen beging, darunter zwei Morde und mindestens drei Vergewaltigungen.
Die Ermittler kamen damals nicht auf die Idee, Billy zu fragen, ob er ein Bettmobil besessen hatte und ob dies fehlte.
Das tat erst eine andere Behörde 22 Jahre nach den Morden.
Das Beweismittel war also die ganze Zeit vor ihren Augen.
Es hat halt keiner hingesehen.
Das In-the-Dark-Team fragt sich also, wie die Aufklärungsrate von sogenannten Part-One-Verbrechen in der Region ist.
Diese Kategorie beinhaltet zum Beispiel Morde, Vergewaltigung, Raubüberfälle oder schwere Übergriffe.
Sie ist 12 Prozent.
Wenn du also Opfer eines solchen Verbrechens wirst und dort lebst, beträgt die Wahrscheinlichkeit, dass dein Fall geklärt wird, 12 Prozent.
Nach den verpatzten Ermittlungen gab es keine Konsequenzen oder eine Aufarbeitung, damit solche Fehler nicht nochmal passieren.
Auf die Frage, warum die Aufklärungsquote in der Gegend so niedrig ist, sagt der Polizeichef Madeleine Barron, ein großer Faktor dabei ist Glück.
Und Glück hatten wir die letzten Jahre einfach wenig.
Ist klar.
Dazu muss man sagen, dass unterschiedliche Verbrechen eine unterschiedliche Wahrscheinlichkeit haben, aufgeklärt zu werden.
In den USA waren es 2017 bei Tötungsdelikten 60 Prozent, bei Vergewaltigung aber nur 34 und bei Einbrüchen nur 13.
Und wie ist das mit den Aufklärungsquoten eigentlich in Deutschland?
Die findet man in der polizeilichen Kriminalstatistik.
2017 gab es zum Beispiel insgesamt 5.582.136 Fälle.
Wie viele, glaubst du denn, wurden davon aufgeklärt?
30 Prozent.
Es waren etwas mehr als drei Millionen und das entspricht einer Aufklärungsquote von 55,7 Prozent.
Es werden also mehr als die Hälfte aller Straftaten laut dieser Statistik aufgeklärt.
Wir interessieren uns, ihr kennt uns vor allem für Mord und Totschlag.
Und da ist die Aufklärungsquote übrigens 95 Prozent.
Wie kann das sein?
Das liegt an den Erfassungskriterien der Statistik.
Denn die Statistik erfasst nur die Zahl der ermittelten Tatverdächtigen.
Sie erfasst also keineswegs den Täter.
Denn ob der Verdächtige auch wirklich der Täter ist, das ist ja dann Aufgabe der Staatsanwaltschaft und nicht der der Polizei.
Also wäre unser Schackendorf-Fall für die Polizei theoretisch schon geklärt.
Sie hat ja den Verdächtigen Volker L. ermittelt.
Ein anderes Problem dieser Statistik ist, dass damit ein Fall registriert wird, erstmal jemand einen Todesfall als Straftat erkennen, diesen dann anzeigen muss.
Und dann muss sie noch von der Polizei als solche registriert werden.
Bei einer unbekannten Zahl von Todesfällen geschieht das aber nicht.
Rechtsmediziner gehen davon aus, dass mindestens jeder zweite Mord oder Totschlag gar nicht erst als solcher erkannt wird.
Entweder von dem Arzt, der die Leichenschau durchführt, oder von den Polizisten, die zum Tatort gerufen werden.
So kann man sich Statistiken halt auch schön schummeln.
Genau. Die Aufklärungsquote ist also nur mit Vorsicht zu genießen und vielleicht gar nicht so weit entfernt von der US-amerikanischen.
Ja. Und dann erzählen wir euch noch, was es Neues aus Schackendorf gibt.
Genau.
Da wird es nämlich immer bizarrer, wie wir finden.
Fangen wir mit dem vorletzten Prozesstag an.
Und zwar ist dabei herausgekommen, dass Volker L. und sein Begleiter gar nicht die Ersten waren, die die Leiche von Nadine L. gefunden haben.
Also die Story ist einfach weird.
Und zwar hat eine Frau, die immer mit ihrem Hund an genau der Stelle eben Gassi geht, Nadine L.s Leiche gefunden.
Und dachte aber, weil es der 2. November war, also kurz nach Halloween, dass es sich da um eine Halloween-Puppe handelte.
Und ist dann wieder nach Hause gegangen.
Ich bin ja sicher, dass es sich dabei um eine Idealisierung gehandelt hat und sie einfach nicht wahrhaben wollte, dass es eine Leiche ist.
Weil, hä?
Was ich aber halt noch viel seltsamer finde, sie hat es dann ihrer Tochter erzählt.
Die Tochter hat gesagt, lass uns nochmal hinfahren, Mama.
Und dann haben sie die Polizei da gesehen.
Und anstatt dann aber zur Polizei zu gehen und zu sagen, ich habe die Frau hier oder die Halloween-Puppe vorhin hier schon liegen sehen,
hat sie dann einen befreundeten Polizisten angerufen.
Was ist das denn für ein merkwürdiges Verhalten?
Finde ich auch ganz komisch.
Naja, jetzt wissen wir auf jeden Fall, dass Volker L. nicht der Erste war, der seine Frau gefunden hat.
Und am vierten Prozestag ging es auch um die Nachbarn.
Also da wurden viele Nachbarn verhört.
Und das fand ich besonders interessant, weil jetzt zum ersten Mal jemand aus der direkten Umfeld von der Familie halt was gesagt haben.
Ja.
Da hat einer ausgesagt, dass die Nachbarn so ein Chat haben, wahrscheinlich so eine WhatsApp-Gruppe.
Das ist das Beste.
Und dieser Chat heißt Familie Flodder.
Und da wird halt nur alles reingeschrieben über die Familie L., weil die sich halt anscheinend überhaupt nicht benehmen konnten.
Und eine Nachbarin, die direkt über denen gewohnt hat, hat auch immer sich Notizen gemacht, was die so sich gegenseitig an den Kopf geworfen haben.
Und da waren irgendwie so Sätze wie, ich habe keinen Bock auf dich, sieh zu, wo du deine Zärtlichkeiten bekommst.
Und auch ziemlich krasse Beschimpfungen, die wir jetzt hier nicht an der Stelle sagen.
Also die haben sich ziemlich auf die Familie L. eingeschossen, mochten die wohl nicht.
Das heißt natürlich nicht, dass das jetzt auch alles unbedingt vielleicht so war, wie die Nachbarn sagen.
Aber wenn ich jetzt einer der Nachbarn wäre, dann wäre mein Reflex, wenn ich mich schon die ganze Zeit über diese Leute aufrege,
ja jetzt zu sagen, ja, also das kann ich mir vorstellen, dass bei dieser Familie jetzt sowas passiert ist.
Ja, das muss man auch mit Vorsicht genießen, auf jeden Fall.
Aber die haben halt auch sowas gesagt, wie, dass sie Klatschgeräusche gehört haben.
So nach dem Motto, dass Nadine L. oder eben Volker sich verprügelt haben oder was weiß ich.
Das finde ich ein bisschen kurios, das so zu nennen, Klatschgeräusche.
Ja, aber das kann halt auch was Schönes sein.
Kann auch was anderes gewesen sein.
Und genau, da müssen wir nochmal herausstellen, dass es halt so war, dass keiner gesagt hat, dass er je gesehen hat, dass da wirklich Handgreiflichkeiten waren,
sondern nur diese lautstarken Streitigkeiten.
Genau, keiner hat das je gesehen.
Es kann natürlich trotzdem sein, dass es stattgefunden hat.
Das weiß man eben nicht.
Nee, da sind ja auch nicht so oft Leute dabei, wenn es zu Handgreiflichkeiten zu Hause kommt.
Was ich auch sehr kurios fand, ist, dass der Volker L. Gänseküken im Heizungsraum gehalten haben soll.
Was macht man mit Gänseküken im Heizungsraum?
Also, weißt du, ganz am Anfang war das so ein Fall, wo ich dachte, ja, schrecklich, aber es wird schon irgendwie ans Licht kommen, was da jetzt passiert ist.
Und dieser Fall wird so, also von Prozesstag zu Prozesstag wird es immer seltsamer.
Und ich weiß auch immer gar nicht, was ich von diesen ganzen Informationen halten soll.
Also, auch, dass diese Frau jetzt vorher die Leiche schon gefunden hat, das hat natürlich gar nichts irgendwie über die Tat auszusagen.
Aber da passieren so komische Dinge, du weißt gar nicht, wo du die hinpacken sollst.
Ich glaube, das ist jetzt ja auch das erste Mal für uns beide, dass wir wirklich so einen Fall von jedem Tag an begleiten sozusagen.
Und es ist ja oft der Fall, dass eben das ganze Leben dieser Leute halt rausposaunen wird und nochmal umgekrempelt wird und so weiter.
Volker L's Verteidiger Jonas Hennig hat gesagt, dass es ganz normal ist, dass ganz viele Sachen wieder rausgeholt werden.
Und da hat er als Beispiel genannt, dass ein Zeuge ausgesagt hat, dass Volker L den ehemaligen Hund, also nicht der Hund, der in der Tatnacht verschwunden war, sondern einen anderen Hund, gegen ihren Willen verkauft haben soll.
Und dass das aber eigentlich gar nicht relevant wäre, das hatte halt die Staatsanwaltschaft vorgebracht.
Aber dann denke ich mir, das ist ja völlig willkürlich, weil dann könnte Hennig ja auch irgendeinen Zeugen vorladen, der sagt, Volker L hat mir mal irgendwas Gutes getan, nur um ihn dann irgendwie gut dastehen zu lassen.
Ja, das ist wirklich ein bisschen willkürlich.
Das war am fünften Prozestag.
Und wer da noch Zeuge war, war der Kung-Fu-Trainer von Nadine L.
Von dem war ja auch schon öfters mal die Rede, dass Volker L. eifersüchtig sei auf den.
Und der wurde halt befragt und der hat dann bestätigt, dass Nadine kurz vor ihrem Gürtel stand und hat auch erzählt, dass Volker L. sich bei ihm beschwert hat.
Und zwar, dass mit Nadine trainiert wurde, obwohl sie irgendwie krank war.
Und da hatte Volker L. diesem Trainer bei Facebook geschrieben, was ich auch schon ziemlich komisch finde, dass man sowas macht.
Ja, das macht man nicht.
Also ich meine, ist das irgendwie anders auf dem Dorf?
Ich wohne schon lange nicht mehr auf dem Dorf, aber selbst als ich da noch gewohnt habe, da hat man sowas dann auch nicht gemacht.
Da hat man doch dann entweder da angerufen.
Außerdem ist es ja auch total entmündigend, dass er sich bei dem Trainer beschwert.
Total.
Also dieser Facebook-Chat soll wohl aber sehr sachlich gewesen sein.
Und da hat Volker L. wohl auch gesagt, dass er den Sport seiner Frau grundsätzlich unterstützt.
Aber wie gesagt, schon irgendwie ein komisches Verhalten.
Es mag nichts aussagen, es sind einfach sehr viele seltsame Dinge passiert jetzt und herausgekommen.
Und der Zeuge, auf den wir schon die ganze Zeit warten, der mit Volker L. die Leiche gefunden hat, der kommt jetzt dann höchstwahrscheinlich am 11., also am nächsten Verhandlungstag.
Auf den freue ich mich ja schon ganz besonders und das hat auch einen ganz bestimmten Grund und das kann ich dir dann nächste Folge erzählen.
Sehr gut.
Laura wollte euch noch unbedingt erzählen, warum ihre Haare blonder sind als vorher immer.
Wollte ich das?
Ja, du musst.
Das ist eine Geschichte, die du in unseren Zuhörern nicht vorenthalten darfst.
Das stimmt eigentlich.
Und zwar bei meinem letzten Friseurbesuch war ich bei dem Friseurladen, wo ich eigentlich immer bin.
Aber der Friseur war diesmal neu für mich.
Der war super nett, der war glaube ich türkischstämmig und hat dann angefangen, mir meine Paintings reinzumachen.
Eigentlich kamen drei Polizisten in den mini kleinen Friseursalon und haben schlechte Stimmung verbreitet.
Also man hat gemerkt, irgendwas ist da im Argen.
Und ich dachte schon so, hä?
Und die, die neben mir saß, hat mich auch so angeguckt, so hm?
Und dann hatten sie gefragt, wo ist denn der Chef?
Und dann meinte der Leiter dieses Annonce, ja, der ist nicht da, der hat ja mehrere Fehl.
Ganz kurz, der Leiter war der, der dir die Haare gemacht hatte?
Nee, das war nur irgendein Friseur.
Und dann sind sie wieder raus, die drei Polizisten.
Und nach fünf Minuten kamen die wieder rein und noch zwei mehr.
Dann wollten die wissen, ob jemand Bestimmtes dort arbeitet.
Und dann hat der Leiter in so ein Buch reingeguckt und hat gesagt, nee, diese Person arbeitet hier nicht.
Und das wusste der nicht aus dem Kopf.
Ja, das fand ich auch ganz komisch.
Und dann ist er wieder raus, sind die alle wieder raus.
Und dann kamen die wieder rein.
Und es waren dann, glaube ich, aber auf einmal sieben.
Also es war gar kein Platz mehr in diesem Friseursalon.
Und dann wollten die, genau, dann hat einer der Polizisten gesagt, ja, wir bräuchten jetzt mal die Ausweise von allen, die hier arbeiten.
Ja, und dann hat jeder seinen Ausweis gezeigt.
Und mein Friseur, der einfach munter die ganze Zeit weiter meine Paintings reingetan hat,
der irgendwie total entspannt war, was mich ziemlich gewundert hat,
und der meinte dann so, ja, mein Perso ist in der Küche, in meiner Jacke, kann ich den kurz holen?
Und dann haben die Polizisten gesagt, ja, wir kommen mit.
Und dann ist er in diese kleine Küche gegangen und kam und kam nicht wieder.
Und ich saß da mit den Paintings in den Haaren und wusste, die dürfen jetzt nicht noch viel länger hier drin sein,
sonst bin ich viel zu blond.
Und dachte mir, oh nein.
Und dann, zehn Minuten später, wird er abgeführt mit den Händen hinterm Rücken,
aus diesem kleinen Laden und sagt noch, als er an mir vorbeigeht, zu seinem Kollegen,
hier muss jetzt mal jemand übernehmen.
Und ich dachte mir, ja, bitte sofort rausnehmen.
Und deshalb habe ich jetzt hinten, unten, blondere Haare als sonst überall in meinen Haaren.
Das sieht ziemlich unnatürlich aus, weil ein Verbrecher meine Haare gemacht hat.
Ein vermeintlicher Verbrecher.
Ja, natürlich.
Im Zweifel für den Angeklagten erstmal.
Aber er ist schuldig, deine Haare zu krass blondiert zu haben.
Ja, das stimmt.
Manche, denen ich das erzählt habe, haben dann gesagt, hast du das gefilmt?
Wieso hast du das nicht gefilmt?
Aber da war wirklich, die Stimmung da drin war so gruselig und aggressiv,
dass ich mich das niemals getraut hätte, das zu filmen.
Wenn sie dich gleich mitgenommen mit den Paintings in den Haaren.
Oh Gott.
Stell dir den Mag-Shot vor.
Das war jetzt mittlerweile schon unsere Folge 11.
Die nächste ist dann unsere Weihnachtsfolge.
Und da könnt ihr euch auf gruselige Weihnachtsstorys gefasst machen.
Und wir wollten uns nochmal bei euch bedanken für die ganzen Nachrichten,
die wir immer noch bekommen und auch die lieben Bewertungen
und auch Vorschläge für Fälle, weil die dürfen uns nicht ausgehen.
Das war's von uns. Bis zum nächsten Mal.
Tschüss.