00:00:00
Letzte Folge habe ich ja den Fall von Doreen erzählt, die im Zug angeriffen wurde.
00:00:15
Und du, Paulina, hattest nochmal von deiner Erfahrung gesprochen, auch ja in einem Zug, wo dich ein Mann belästigt hat.
00:00:24
Und tatsächlich haben da wirklich viele noch geschrieben, dass die auch schon mal so eine Situation hatten.
00:00:30
Ich meine, wir wissen, dass Frauen werden überall irgendwie angegriffen und belästigt.
00:00:36
Aber ich habe das Gefühl, dass diese Situation mit dem Zug eben deswegen nochmal besonders speziell ist, weil man keinen Ausweg hat.
00:00:44
Genau, und die Geschichte einer Hörerin würde ich dir gerne erzählen.
00:00:48
Und zwar geht es um Nina. Den Namen habe ich jetzt auf ihren Wunsch hingeändert.
00:00:53
Und Nina ist vor ungefähr sieben Jahren mit der Buslinie 61 in Dresden unterwegs, als ein älterer Mann sie sexuell belästigt, indem er seinen Penis durch die Hose an ihren Beinen reibt.
00:01:08
Sie ist damals 20 und mit der Situation total überfordert.
00:01:13
Also sie sieht sich nicht imstande, irgendwie was zu sagen oder sich zu wehren.
00:01:17
Okay, und wie viel Uhr war das? Also war das mitten am Tag?
00:01:21
Ja, das war tagsüber. Aber der Bus war auch nicht so voll, aber trotzdem, sie war quasi so wie erstarrt.
00:01:28
Und dann ist sie direkt bei der nächsten Haltestelle raus und ja, ab dem Zeitpunkt dann auch immer nur noch Fahrrad gefahren und gar kein Bus mehr gefahren.
00:01:38
Sie hat das aber auch niemandem erzählt und zwei Jahre später liest Nina dann in der Social Media App Jodel, von der ich vorher noch nie gehört habe, aber offenbar ist das ein Ding in großen Städten.
00:01:49
Da liest sie einen anonymen Post, der wirklich eins zu eins ihre Geschichte erzählt, obwohl sie das ja keinem erzählt hat, ne?
00:01:57
Und unter dem Post steht der Hashtag Catch the Opa.
00:02:11
Und über diesen Hashtag kommt Nina dann noch zu ungefähr 20 weiteren Posts, die genau eigentlich von demselben Erlebnis berichten und auch immer dieselbe Täterbeschreibung angeben.
00:02:23
Also immer diesen Opa, ja?
00:02:26
Und erstmal als Nina das liest, hat sie ein schlechtes Gewissen, weil sie glaubt, ja, wäre ich damals direkt zur Polizei gegangen, dann hätten die Frauen vielleicht jetzt nicht das erleben müssen, was sie erlebt hat.
00:02:36
Und durch dieses schlechte Gewissen, was sie ja gar nicht haben braucht, fühlt sie sich aber getrieben, jetzt endlich was machen zu müssen.
00:02:43
Ja, nun muss man ehrlicherweise auch dazu sagen, dass wenn eine Frau zur Polizei geht und davon redet, dass jemand sich irgendwie vor ihr entblößt hat oder das passiert ist, was ihr passiert ist, ich sag mal so, die Ermittlungen bei solchen Situationen halten sich in vielen Fällen dann halt auch in Grenzen.
00:02:59
Ja, aber in dem Fall screenshotet sie dann alle Posts und geht sofort zur Polizei.
00:03:04
Aber trotz der Anzeige, die sie macht, einem Phantombild, das erstellt wird und eben dieser ganzen anderen Posts, kann die Polizei den Mann nicht finden.
00:03:13
Oder guckt eben nicht. Das können wir jetzt nicht sagen.
00:03:17
Was Nina dann macht, ist wochenlang diesen Hashtag zu überwachen, bis wieder ein neuer Post dazu veröffentlicht wird.
00:03:24
Sie kontaktiert dann die anonyme Verfasserin und kann sie überzeugen, zum selben Polizeipräsidium zu gehen und auch eine Anzeige zu erstatten.
00:03:32
Und dadurch, dass so schnell reagiert wird, können die Überwachungsvideos aus dem Bus gesichert werden und der Täter letztendlich gefasst.
00:03:42
Wenn wir hier vom Opa reden.
00:03:43
Wie alt ist der ungefähr?
00:03:45
Ähm, warte, ich hab, äh, ich hab ja das, ich hab das ja gelesen, äh, was das Amtsgericht da geschrieben hat.
00:03:53
Ich glaub, der ist von 44.
00:03:58
So, ich hab jetzt nochmal nachgeguckt. Der ist von 44. Das heißt, der ist so alt wie mein Vater.
00:04:09
Ach nee, Quatsch, sorry. Nee, mein Vater ist, nee, oh Gott, der kriegt die Krise. Nein, mein Vater ist nicht von 44.
00:04:16
Alleine von 44. Der ist so ne, so ne Marke. Ja, ich sag das auch nur, weil ich das natürlich nicht errechnen kann, wie viele Jahre das jetzt ist.
00:04:27
Na ja, 56 plus, wann war denn das?
00:04:31
Ah, das war vor sieben Jahren.
00:04:32
Es wäre jetzt einfacher gewesen. Also jetzt nochmal, 23 minus 7 sind 16 plus 56, 66, 73.
00:04:48
Ja, kann man auf jeden Fall als Opa bezeichnen. So, jetzt kam's auch zu einem Prozess, aber von dem wurde Nina nicht in Kenntnis gesetzt. Sie bekommt erst danach eine E-Mail, dass sie 750 Euro Schmerzensgeld bekommen soll und deshalb ihre Bankdaten an das Amtsgericht übergeben soll.
00:05:11
Ihre Bankdaten, damit die das Geld überwiesen bekommt. Und dann hat sie tatsächlich das Geld von dem Mann, der sie sexuell belästigt hat, überwiesen bekommen und zwar mit dem Betreff Wiedergutmachung.
00:05:27
Ja, das hat sie auch ein bisschen verstört.
00:05:29
Wie viel Geld war das?
00:05:31
Also ich finde da wirklich ganz viel seltsam dran, denn gibt sie da ihren Vor- und Zunahmen und ihre Bankverbindung an. Ich finde das auch ja schon immer so.
00:05:40
bescheuert, wenn jemand einem hinten reingefahren ist, dann muss ich dem meine Adresse bei dem Unfallschein aufschreiben und alles. Ja.
00:05:47
Und dann kann er eine Nachricht an sie überbringen und da reinschreiben, was er möchte. Und Wiedergutmachung, das ist ja fast schon eine Verhöhnung.
00:05:58
Ich finde auch, da hätte jetzt eher sowas wie Schmerzensgeld stehen sollen oder so. Aber das ist tatsächlich das, was sie im Gericht auch so bezeichnen. Also das Geld ist die Wiedergutmachung.
00:06:08
Ja. Und deswegen, also weil sie ja auch von dem Prozess nichts wusste, weiß sie auch nicht, wegen welcher Straftat er verurteilt wurde. Sie weiß nur, dass er zu drei Jahren auf Bewährung und einer Zahlung von 1500 Euro an die Staatskasse verurteilt wurde. Und drei Frauen, unter anderem Nina, haben eben die 750 Euro Schmerzensgeld noch bekommen.
00:06:26
Ja, also Props an Nina, dass sie, nachdem sie das gesehen hat, dann auch gehandelt hat und das nicht so ein Ding war, wie das ja manchmal so ist. In Uetersen hatten wir auch so einen Typen, der stand immer irgendwie auf der Straße, hat sich manchmal die Hose runtergezogen oder so.
00:06:41
Und jeder weiß, dass das passiert, aber niemand unternimmt was. So kann man dann halt eben doch dafür sorgen, dass das dann vielleicht nicht nochmal passiert.
00:06:50
Ja, ich finde auch, anhand dieser Geschichte kann man sehen, dass es doch wichtig ist, wenn man irgendwie zusammenhält und zusammen sich irgendwie für Gerechtigkeit einsetzt. Zumindest ist es jetzt so, dass von dem Rubbelrentner, wie er unter anderem auf der App auch bezeichnet wurde, in Dresden seitdem nichts mehr zu hören war, glücklicherweise.
00:07:12
Rubbelrentner finde ich schon ein gutes Wort. Das ist schon wirklich ein sehr gutes Wort.
00:07:17
Es gab noch ein paar andere, aber Gis finde ich jetzt am besten. Penisreib-Opa, Creepy-Opa, aber Rubbelrentner fand ich auch am besten.
00:07:26
Und damit herzlich willkommen zu Mordlust, einem Podcast der Partner in Crime. Wir reden hier über wahre Verbrechen und ihre Hintergründe. Mein Name ist Paulina Kraser.
00:07:34
Und ich bin Laura Wohlers. Wir haben in jeder Folge ein Oberthema, zu dem wir zwei wahre Kriminalfälle nacherzählen, über die diskutieren und auch mit Menschen mit der Expertise sprechen.
00:07:45
Hier geht es um True Crime, also auch um Schicksale von Menschen. Bitte behaltet das immer im Hinterkopf. Das machen wir auch, selbst dann, wenn wir zwischendurch mal etwas ungehemmter kommentieren.
00:07:55
Wenn wir das machen, ist das für uns so eine Art Comic Relief, aber natürlich nicht despektierlich gemeint.
00:08:01
Laura, du und alle, die uns zuhören. Ihr stellt euch jetzt mal bitte Folgendes vor. Und zwar, dass ihr mit euren engsten drei Freundinnen eine Straftat begehen werdet.
00:08:14
Und sagen wir mal, ihr entscheidet euch zusammen, was aus einem Museum zu klauen. Erst sperrt ihr vier den Wachmann in den Keller. Dann steht einer Schmiere. Eine andere schaltet den Alarm aus.
00:08:28
Und du und noch jemand. Ihr klaut dann diese sehr begehrte Vase oder Statue. Ja.
00:08:36
Alles läuft nach Plan. Und dann ein paar Monate später kriegt die Polizei aber doch einen Hinweis auf eure Truppe.
00:08:43
Jetzt denkst du dir, Mist, das ist ja doof gelaufen. Du willst ja jetzt gar nicht ins Gefängnis.
00:08:48
Und dann kommt deine Anwältin auf dich zu und schlägt dir Folgendes vor. Und zwar, dass du als Kronzeugin in dem Verfahren aussagen könntest.
00:08:58
Das heißt, in dem Fall, du lieferst die anderen damit sicher an den Nagel, weil sich das Gericht dann auf deine Aussage stützen würde.
00:09:04
Aber dafür stellt deine Anwältin dir in Aussicht, straffrei aus der Sache rauszukommen.
00:09:10
Was würdest du tun?
00:09:11
Erstmal würde ich mal wissen wollen, was eigentlich der Nagel ist.
00:09:16
Oder meinst du ans Messer liefern oder sowas?
00:09:21
Ich mag es aber auch. An den Nagel hängen. Ich hänge die drei einfach an den Nagel.
00:09:28
Also du weißt doch, mir geht es heute nicht so.
00:09:33
Ja, ich finde es eigentlich schön mit dem Nagel.
00:09:35
Okay. Hängen sie doch bitte an den Nagel, an den Zehennagel, an den Fußnagel, Finger, mir egal, wo du die hinhängst.
00:09:46
Also, ich würde, wenn meine Komplizinnen meine besten Freundinnen wären, dann würde ich nicht auspacken.
00:09:53
Ich würde die Mauer des Schweigens aktivieren.
00:09:57
Und wenn wir schlau sind, dann haben wir ja schon vorher darüber gesprochen, dass es dazu kommen könnte und haben abgemacht,
00:10:04
dass alle stillschweigen, egal welche Angebote oder was weiß ich, uns irgendwie vorgelegt werden.
00:10:10
Okay. Und sagen wir mal, es sind nicht deine drei engsten Freundinnen, sondern irgendwelche Freundinnen.
00:10:18
Vielleicht ist da aber auch eine bei, die du nicht so gerne magst, weil die immer falsche Redewendungen benutzt.
00:10:24
Okay. Also ich finde es schwierig. Das kommt auf mehrere Sachen an.
00:10:29
Zum Beispiel, ob ich zum Beispiel die Initialidee hatte, das zu machen und so.
00:10:35
Und auch, wie viel das Strafmaß ist.
00:10:38
Ich würde es aber wahrscheinlich eher nicht machen. Wieso fragst du so? Würdest du es machen?
00:10:44
Würdest du mich verpfeifen?
00:10:47
Also, ich denke nicht.
00:10:49
Aber mich wundert deine Antwort tatsächlich.
00:10:51
Nachdem du in der Costa Concordia-Folge ja gesagt hattest, dass du dich eher alleine aus einem sinkenden Schiff retten würdest,
00:10:59
als zu zweit und damit auch irgendwo dein Lebensmotto offenbart hast. Das wäre jeder für sich.
00:11:05
Ich fühle mich da komplett falsch verstanden von Paulina und auch von vielen, die dazugehören.
00:11:13
Dass ich das gesagt habe, jetzt stehe ich da, als wäre ich so ein richtiger Ego-Man.
00:11:17
Ich möchte noch hinzufügen, dass auch ihr Mann recht schockiert darüber war, nachdem wir darüber geredet hatten.
00:11:24
Da hatten wir nämlich auch noch über die Situation geredet, wie es wäre, wenn man zu zweit von einem Hai angegriffen wird
00:11:30
und sich einer von beiden an Land rettet, während der andere elendig verreckt.
00:11:34
Auch die Rolle konnte Laura sehr gut nachvollziehen.
00:11:40
Ja gut, aber in dem Fall hier würde ich auf jeden Fall meine Freundinnen und Komplizen nicht verraten.
00:11:47
Aber in der Folge hier beschäftigen wir uns heute mit genau solchen Fragen und Fällen,
00:11:52
nämlich jene, bei denen Kronzeuginnen eine Rolle spielen.
00:11:55
Also es geht um Verbrechen, bei denen die Polizei mit den üblichen Ermittlungsmethoden an ihre Grenzen stößt
00:12:01
und eben auf die Hilfe von Menschen angewiesen ist, die selbst Teil der Verbrechen waren.
00:12:07
Und der Deal lautet dann eben unter Umständen Aussage gegen Strafrabatt.
00:12:12
So und bevor wir gleich ins Thema gehen, will ich einmal kurz erklären, warum das eigentlich Kronzeuge oder Kronzeugin heißt.
00:12:19
Die Bezeichnung, die kommt nämlich aus Großbritannien, wo King Charles ja seit letztem Jahr Staatsoberhaupt ist.
00:12:26
Und in seinem Namen vertritt die Staatsanwaltschaft vor Gericht die Anklage gegen StraftäterInnen.
00:12:31
Wer jetzt also mit einer Aussage der Staatsanwaltschaft hilft und Angeklagte belastet, der gibt, so sagt man in Großbritannien, Evidence for the Crown oder halt eben auch King's Evidence.
00:12:45
Also sagt diese Person dann für die Krone aus und ist dementsprechend KronzeugInnen.
00:12:51
Und diese Regelungen für KronzeugInnen, die können ganz unterschiedlich aussehen und auch in ganz unterschiedlichen Fällen eingesetzt werden, wie wir bei der Recherche jetzt rausgefunden haben.
00:13:02
Ja, also bei dem Fall, von dem ich nachher erzähle, da hätte ich niemals gedacht, dass da so eine Regelung möglich wäre, weil der auch so grausam ist, dass man sich da wirklich fragt, wie man da noch einen Strafrabatt gewähren kann.
00:13:16
Eines haben die Fälle aber eigentlich alle gemein, sie ziehen den Hass der Menschen auf sich, gegen die sie aussagen.
00:13:23
Und so war das auch in dem Fall, den ich jetzt erzähle.
00:13:26
Fast alle Namen habe ich geändert.
00:13:29
Ein hohes, dreistöckiges Haus im Berliner Stadtteil Reineckendorf.
00:13:33
Wer eintritt, wird gleich von Marmor und einer großen Wendeltreppe empfangen.
00:13:37
Als Kasra zum ersten Mal durch das Clubhaus geführt wird, ist er begeistert.
00:13:42
Nicht nur von der ausladenden Größe, sondern vor allem von einem Raum, der mit einem Zahlencode geschützt ist.
00:13:48
Hinter der Tür dieses Zimmers steht ein sechs Meter langer Tisch aus massivem Eichenholz, in dessen Mitte eine Totenkopffigur thront.
00:13:56
Hier dürfen nur ausgewählte Personen sitzen.
00:13:59
Das weiß Kasra und er ist bereit, sich diesen Platz zu erarbeiten.
00:14:03
Koste es, was es wolle.
00:14:07
Es ist kühl draußen, als Kasra durch Hamburg zieht.
00:14:11
Der Wind pfeift um seinen kahlgeschorenen Kopf, er zieht seine schwarze Jacke enger über seine breitgebauten Schultern.
00:14:17
Genauso ungemütlich und trist wie seine Umgebung sieht auch sein Inneres gerade aus.
00:14:22
Bei seinem Job als Koch in einem Hotel gibt es immer wieder Stress.
00:14:26
Der 23-Jährige gerät andauernd mit seinen Chefs aneinander.
00:14:29
Doch er braucht den Job, beziehungsweise irgendeinen Job heute mehr denn je, denn seit kurzem muss er nicht mehr nur für sich selbst sorgen,
00:14:36
sondern auch für seine Freundin Elena und seine neugeborene Tochter Pia.
00:14:41
Bei seinem Streifzug durch Hamburg begegnet Kasra einem alten Freund, Ben.
00:14:45
Er kennt ihn von früher und er kommt wie gerufen.
00:14:48
Ben hat zwar keinen neuen Job für ihn, aber eine andere Möglichkeit an Geld zu kommen.
00:14:53
Sein Kumpel erzählt ihm von einer Vereinigung an Männern, bei der es immer wieder kleine und größere Aufgaben zu erledigen gibt, die gut bezahlt werden.
00:15:01
Die Gruppe heißt Legion 81 und ist eine sogenannte Supportergruppe der Hells Angels.
00:15:06
Kasra wird hellhörig.
00:15:09
Seit seiner Jugend auf der Hamburger Reeperbahn bewundert er die Mitglieder des berühmten Motorradclubs.
00:15:14
Den Trägern der typischen Lederkoten mit Totenkopf-Logo gebührt Respekt, egal wo sie hinkommen.
00:15:20
Dicke Autos und teurer Schmuck gehören genauso dazu wie die Aura der Gefährlichkeit.
00:15:25
Vor allem aber imponiert Kasra die Gemeinschaft.
00:15:28
Alle stehen füreinander ein, wenn es hart auf hart kommt.
00:15:31
Alle für einen, einer für alle, heißt es da doch immer.
00:15:34
Ja, so kann es nämlich auch gehen.
00:15:39
Kasra hat angebissen.
00:15:43
Über Ben wird der Kontakt hergestellt.
00:15:45
Erst zu der Supportergruppe, dann zu den Hells Angels.
00:15:48
Kasra fährt dafür im Juni 2010 von Hamburg nach Berlin.
00:15:52
Dort lernt er bei einem Essen Hakan kennen.
00:15:54
Den Präsidenten der Berliner Hells Angels.
00:15:57
Kasra ist ehrfürchtig.
00:15:59
Von Hakan hat er schon viel gehört.
00:16:01
Er ist berühmt und berüchtigt.
00:16:03
Hat mit seinen 26 Jahren schon eine beachtliche Karriere in der deutschen Rocker-Szene hinter sich.
00:16:08
Er war nämlich nicht immer bei den Hells Angels.
00:16:11
Mit nur 23 war er der jüngste Präsident der verfeindeten Motorradgang Bandidos.
00:16:16
Bei einem Angriff auf zwei Hells Angels, an dem Hakan beteiligt war,
00:16:20
wäre einer seiner Gegner beinahe gestorben.
00:16:22
Und trotzdem tat Hakan wenig später das, was vor ihm noch niemand jemals gewagt hatte.
00:16:27
Er wechselte im Februar 2010 die Seiten und nahm gleich 15 Mitglieder mit.
00:16:32
Seitdem ist er selbst ein Hells Angel, der in kürzester Zeit an die Spitze des Berliner Charters aufsteigt.
00:16:39
Die Ortsgruppe, die im nationalen Vergleich als besonders gewaltbereit gilt.
00:16:45
Als Hakan Kasra an diesem Juniabend gegenüber sitzt, erzählt Kasra von einem Klamottenladen, den es nur in Berlin gibt.
00:16:51
Er will dem Shop morgen unbedingt noch einen Besuch abstatten, sagt er.
00:16:54
Warum morgen, fragt Hakan.
00:16:57
Das ist unsere Stadt, Junge.
00:16:59
Lass doch jetzt gleich rüber, entscheidet er lachend.
00:17:02
Dann wählt Hakan die Nummer des Besitzers und macht innerhalb von Sekunden klar,
00:17:06
dass der Store noch in derselben Nacht geöffnet wird.
00:17:08
Man kennt die Hells Angels im Kiez.
00:17:10
Niemand würde dem Präsidenten einen Wunsch abschlagen.
00:17:13
Kasra kann es nicht glauben.
00:17:15
Im Laden angekommen darf sich jeder Klamotten aussuchen.
00:17:18
In den nächsten Wochen fährt Kasra immer wieder von Hamburg nach Berlin.
00:17:31
Elena und Pia müssen in der Zeit ohne ihn auskommen.
00:17:34
Ihm ist es ernst mit den Hells Angels.
00:17:36
Die meiste Zeit verbringt Kasra im Clubhaus, ein dreistöckiges Gebäude in Reinickendorf,
00:17:41
in dem sich auch regelmäßig die sogenannten Member, die höchsten Tiere im Club,
00:17:46
an einem Tisch versammeln und wichtige Entscheidungen treffen.
00:17:48
Bis Kasra selbst dort sitzen darf, muss aber einiges passieren.
00:17:53
Der Aufstieg innerhalb des Rockerclubs ist langwierig.
00:17:56
Im Moment und somit ganz am Anfang ist Kasra nur Supporter
00:17:59
und damit trotz Kutte noch kein vollwertiges Mitglied.
00:18:02
Dafür muss er sich Hakan und den anderen erst beweisen.
00:18:05
Wenn er das geschafft hat, würde er erst zum sogenannten Hangaround aufsteigen,
00:18:09
danach zum Prospect und erst dann zum Member.
00:18:13
Letzteres gelingt aber nicht jedem.
00:18:16
Bis man alle Stufen durchlaufen hat, dauert es in der Regel um die anderthalb Jahre.
00:18:20
Wer, wann die Karriereleiter nach oben steigt, entscheiden die Member am besagten Eichentisch.
00:18:25
Kasra ist aber auf gutem Weg dorthin.
00:18:28
Im Herbst 2010 endet Hakan ihn bei einem Mitgliedertreffen offiziell zum Hangaround.
00:18:33
Kasra bekommt einen sogenannten Patch, einen Aufnäher,
00:18:36
den er auf seiner schwarzen Lederweste anbringen kann
00:18:39
und der allen zeigt, wie wichtig er für den Club ist.
00:18:42
Kasra fühlt sich großartig als Hells Angel.
00:18:44
Sein Auftreten bringt ihm endlich den Respekt ein, den er sich als Jugendlicher immer gewünscht hat
00:18:49
und durch den Zusammenschluss mit den anderen Männern fühlt er sich erstmals richtig zu einer Gruppe zugehörig.
00:18:55
Aber mit der neuen Rolle kommen neue Bedingungen.
00:18:57
Kasra muss mit seiner Familie von Hamburg nach Berlin umziehen.
00:19:01
Elena möchte nicht weg aus ihrem Zuhause, aber Kasra stellt sie vor vollendete Tatsachen.
00:19:06
Kurze Zeit später unterschreibt er den Mietvertrag für eine Drei-Zimmer-Wohnung nur 5 Gehminuten vom Clubhaus entfernt,
00:19:12
ohne dass Elena die Wohnung für sie und ihre Tochter je gesehen hat.
00:19:16
Öfter bekommt Pia ihren Vater nun trotzdem nicht zu Gesicht.
00:19:19
Als Hangaround muss Kasra sich im Club weiterbeweisen, ist jetzt sozusagen Mädchen für alles.
00:19:25
An den Wochenenden herrscht Anwesenheitspflicht, dann übernachtet er sogar im Clubhaus.
00:19:30
Unter der Woche ist der Perser, wie er von den anderen Mitgliedern genannt wird, ab 8 Uhr morgens da und kocht Kaffee.
00:19:36
Er putzt, füllt die Kühlschränke auf, begleitet die Member zu ihren Geschäften im Rotlichtviertel und dort sogar bis auf die Toilette.
00:19:43
Seine Aufgabe ist es, vor der Klotür zu warten, um sie abzusichern.
00:19:47
Für den Fall, dass es dort zur Auseinandersetzung mit rivalisierenden Gangs kommt.
00:19:52
Denn solche gibt es immer wieder.
00:19:53
Meist kochen Konflikte mit den Bandidos hoch, der Gang, der Hackern früher selbst angehörte.
00:19:59
Dann kommt es zum Beispiel auf offener Straße zu Beleidigungen und Massenschlägereien.
00:20:03
Obwohl Kasra für solche Situationen immer mit einem Messer bewaffnet ist, vertraut er als ehemaliger Boxer vor allem auf seine Fäuste.
00:20:09
So ist er im Club bald dafür bekannt, dass er keine Angst davor hat, draufzuhauen und im Eifer des Gefechts Verletzungen zu kassieren.
00:20:16
Er ist keiner, der den Schwanz einzieht.
00:20:18
Sein Mut zeichnet Kasra aus und bringt ihm den Respekt der Member ein.
00:20:22
So lassen sie ihn schon drei Monate später zum Prospekt und knapp ein Jahr später tatsächlich zum Member aufsteigen.
00:20:29
Als Hakan ihm im Club die guten Neuigkeiten verkündet, wird Kasra von den anderen Männern erstmal auf den Boden geworfen und verprügelt.
00:20:36
Es ist ein Ritual, das Kasra schon öfter mit ansehen durfte.
00:20:40
Der Schmerz macht ihm aber nichts aus, denn er hat es geschafft.
00:20:44
Er hat einen Platz am Tisch.
00:20:46
Bei mehr als 90 Berliner Hells Angels ist Kasra damit eines von nur 15 exklusiven Membern, die an dem Eichentisch Platz nehmen dürfen.
00:20:55
Zu immer mehr Patches auf seiner Kutte reihen sich dann nach und nach auch immer mehr Tattoos mit toten Köpfen auf seinem Körper.
00:21:01
Kasra ist jetzt ganz und gar zum Höllenengel geworden.
00:21:06
Und seine Freude über den Erfolg kann auch nicht davon getrübt werden, dass seine Beziehung langsam aber sicher zerbricht.
00:21:11
Für Elena ist die Zeit in Berlin schwer.
00:21:13
Sie hat keine Arbeit und keine sozialen Kontakte in der Hauptstadt, ist meistens mit Pia allein zu Hause.
00:21:19
Kasra ist währenddessen auf sich und den Club fixiert und versucht, seine Abwesenheit durch Geld wettzumachen.
00:21:25
Wenn am Sonntagmittag auf dem Spielplatz ein Anruf seiner Kumpels kommt, drückt der Elena mehrere grüne Scheine in die Hand und verschwindet.
00:21:31
Meist wird Kasra dann zu internen Treffen gerufen oder losgeschickt, um für Hakan irgendetwas zu erledigen.
00:21:38
So wie an einem Abend im Januar 2014, als er und einige andere den Auftrag bekommen,
00:21:44
UNUR, einem von Harkans Erzfeinden und Supporter der Bandidos, einen Besuch abzustatten.
00:21:52
Kasra und einige andere Hells Angels machen sich in vier Autos auf den Weg zu einem Wettbüro,
00:21:56
das nur wenige Straßen entfernt liegt und in dem UNUR Stammgast ist.
00:22:00
Es ist kurz vor 23 Uhr, als der braune Mercedes, in dem Kasra unterwegs ist, am Rande einer Seitenstraße parkt.
00:22:07
Als er aussteigt, zieht er sich um und zieht sich seine Kapuze tiefer ins Gesicht.
00:22:12
Vor dem Wettbüro angekommen, wartet er auf die anderen Männer.
00:22:15
Kasra atmet tief durch. Sie sind vollzählig. Es kann losgehen.
00:22:20
Einer nach dem anderen betritt den langgezogenen Raum, der in einen zweiten mündet.
00:22:24
Rechts raucht ein Mann am Tresen, links besetzt ein anderer ein Spielautomaten.
00:22:28
In einer Reihe marschieren die Hells Angels in den hinteren Teil des Etablissements.
00:22:33
Kasra kommt an achter Stelle.
00:22:35
Er erreicht gerade die Schwelle zwischen Vor- und Hinterzimmer, als ein lauter Knall den Raum erschüttert.
00:22:40
Aus dem Augenwinkel sieht er helle Blitze.
00:22:42
Das war ein Schuss.
00:22:44
Dann noch einer.
00:22:45
Innerhalb von wenigen Sekunden knallt das Ganze achtmal.
00:22:48
Kasras Herz fängt an zu rasen, während sein Vordermann plötzlich stehen bleibt.
00:22:53
Dann geht alles ganz schnell.
00:22:55
Die Männer, die vor ihm gelaufen sind, drehen sich mit weit aufgerissenen Augen um und gehen schnellen Schrittes zurück zum Eingang.
00:23:01
Im Raum bricht Chaos aus.
00:23:04
Die wenigen Kundinnen rufen auf Türkisch, Arabisch und Deutsch durcheinander.
00:23:07
Kasra ergreift die Flucht.
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Er spürt das Adrenalin in seinem Körper, seine Hände zittern.
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Auf der Straße angekommen, rennt er los.
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Als Polizei und Rettungswagen wenig später am Tatort ankommen, können SanitäterInnen nur noch den Tod eines jungen Mannes feststellen.
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Sein Name ist Onur.
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Der 26-Jährige war während eines Kartenspiels mit Freunden erschossen worden.
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Zeugenden berichten der Polizei von mehreren vermummten Männern, die in einer Reihe ins Hinterzimmer des Wettbüros marschiert sind.
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Die Überwachungsvideos bestätigen das.
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Darauf ist deutlich zu erkennen, wie der erste Mann der Gruppe mit Sturmhaube im Vorbeigehen achtmal auf sein Opfer schießt.
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Zwei Schüsse gehen daneben, die restlichen sechs Kugeln landen in Onurs rechter Schulter und in seiner Brust.
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Er hatte keine Chance.
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Das Opfer ist kein unbeschriebenes Blatt bei der Polizei.
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Onur ist vor seinem Tod mehrfach mit dem Gesetz in Konflikt geraten.
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Einmal hatte er einem Mensch mit einer Gaspistole ins Gesicht geschossen, ein andermal hat er einer schwerbehinderten Frau die Handtasche geraubt.
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Und vor gar nicht allzu langer Zeit hatte er mehrere Hells Angels vor einem Nachtclub mit einem Messer angegriffen.
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Die Spur führt die BeamtInnen demnach erstmal zum Clubhaus der Motorradgang, das gar nicht weit entfernt liegt.
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Für Kasra bedeutet das am Morgen des 27. Januar 2014 das Klicken der Handschellen um seine Handgelenke.
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Er landet in Untersuchungshaft.
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Weg von Pia, Elena und der Beziehung, die seit Monaten in Trümmern liegt.
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Weg von seiner neuen Freundin Michelle, die er vor kurzem erst kennengelernt hat.
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Aber vor allem weg von dem Club, für den er in den letzten vier Jahren alles getan und um den sich sein ganzes Universum gedreht hat.
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Der einzige Kontakt zu den Hells Angels läuft über seinen Anwalt, der vom Club gestellt wird und der ihn immer wieder daran erinnert, dass Schweigen Gold ist.
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Schweigen, damit man der Gruppe nichts nachweisen kann. Schweigen, weil der Grundsatz gilt, alle für einen und einer für alle.
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Von der Gemeinschaft spürt Kasra nichts mehr, während er auf einer vergammelten Matratze in seiner acht Quadratmeter großen Zelle ohne Fenster liegt.
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Und als er eines Nachts auf dem kleinen Fernseher im Gefängnis einen Beitrag über Onos Tod sieht, fängt er an, alles in Frage zu stellen, an was er zuletzt geglaubt hat.
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Auf dem Bildschirm sieht Kasra Onos Mutter, die Frau schluchzt, wenn sie von ihrem Sohn spricht.
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Sie zeigt dem Kamerateam ein Bild, das Ono ihr früher mal zum Muttertag gemalt hat.
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Auf schwarzem Untergrund sieht Kasra eine rote Rose und ein rotes Herz.
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Darüber steht auf Türkisch meine geliebte Mama.
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Kasra laufen Tränen die Wangen herunter, als ihm bewusst wird, dass er dabei war, als einer Mutter der Sohn genommen wurde.
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Dass er daneben stand, als den Mann sechs Schüsse trafen.
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Immer mehr machen sich in Kasras Kopf Zweifel breit, ob der Club es wirklich wert war, alles aufzugeben.
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Er sitzt seit zwei Wochen in Untersuchungshaft, als im Besucheraum plötzlich ein unbekannter Mann mit grauem Haar, drei Tage Bart und schwarz umrandeter Brille vor ihm auftaucht.
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Er stellt sich als Steffen Choppe vor.
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Er ist Anwalt und ein Schulfreund von Freundin Michelle, die ihn kontaktiert hatte, ohne Kasra davon zu erzählen.
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Nach nur wenigen Minuten stellt der Jurist ihm die Frage, die sein eigener Anwalt bisher nie formuliert hat.
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Kasra atmet einmal tief durch, dann bricht es aus ihm heraus.
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Im Detail berichtet er dem Anwalt von Harkern und dem Auftrag, der ihn im Januar ins besagte Wettbüro geführt hat.
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Kasra betont aber, er habe nicht gewusst, dass Onur sterben sollte.
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Er sei davon ausgegangen, dass er und die anderen ihm nur Angst machen sollten.
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Nach etwa einer Stunde sind Kasra und Choppe beim Du angekommen.
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Kasra ist begeistert von dem Mann, der ausspricht, was Kasra schon einige Zeit im Kopf herumgeht.
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Er muss reden, um nicht lebenslang ins Gefängnis zu wandern.
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Choppe erzählt ihm von Paragraf 46b des Strafgesetzbuches.
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Beschuldigte, die umfassende Aussagen machen und der Polizei helfen, eine Tat aufzuklären oder andere zu verhindern, können einen Strafrabatt bekommen.
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Angesichts seiner Stellung im Club ist Kasra klar, wie viel er über die Tat hinaus erzählen und damit helfen könnte.
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Aber er sagt nicht direkt zu. Er braucht Bedenkzeit.
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Wenn er auspackt, gilt er im Club als Verräter und zieht nicht nur Harkerns Hass auf sich, sondern den der gesamten Hells Angels.
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Das macht ihm Angst, vor allem in Bezug auf Tochter Pia und seine Freundin Michelle.
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Andererseits ist er sich sicher, nicht auszusagen bedeutet für ihn eine lebenslange Haftstrafe und damit wahrscheinlich eine Zukunft ohne Pia und Michelle.
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Es dauert vier Wochen, bis Kasra sich letztendlich entscheidet.
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Er wird als Kronzeuge gegen die Hells Angels Aussagen und Steffen Choppe wird ihn dabei vertreten.
00:27:47
Die Staatsanwaltschaft willigt sofort ein, Kasra als Kronzeugen zu vernehmen.
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In der Strafverfolgungsbehörde ist man sich darüber im Klaren, dass die Anwälte der anderen Hells Angels zusammenarbeiten und ihre Mauer des Schweigens nicht brechen werden.
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Kasras Aussage zur Tat, aber vor allem gepaart mit allen anderen Informationen, die er sonst noch so zum Club hat, gleicht einem Jackpot im Kampf gegen kriminelle Rockerbanden.
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Ein Einblick, den es so noch nie gab.
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Gleich am nächsten Tag wird Kasra deshalb abgeholt und an einen geheimen Ort gebracht.
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Niemand, nicht einmal sein Anwalt, darf wissen, wo er sich nun aufhält.
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Zu groß ist die Gefahr, dass andere Hells Angels davon Wind bekommen und dem Kronzeugen etwas zustößt.
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Ab sofort laufen die Tage für Kasra immer gleich ab.
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Jeden Morgen wird er von seiner Zelle in ein Vernehmungszimmer an einem anderen Ort gebracht und abends wieder abgeholt.
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Sein Anwalt sitzt neben ihm, während er stundenlang die Fragen der ErmittlerInnen beantwortet.
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Erst geht es um seine Jugend, dann um die Erschießung von UNO im Wettbüro und schließlich um die Rockerszene allgemein.
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Sechs Monate lang erzählt Kasra den BeamtInnen alles, was er über die Hells Angels weiß.
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Schwere Gewalttaten, Drogenhandel, Verbindungen zu arabischen Großfamilien, Interna aus dem eigenen Charter und Hells
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Angels Mitglieder, die sich aufgrund von Straftaten ins Ausland abgesetzt haben.
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Die Liste ist lang und Kasra nimmt kein Blatt vor den Mund.
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Mit demselben Engagement, das er früher für den Club aufgebracht hat, stellt er sich jetzt gegen ihn.
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Am 4. November 2014 beginnt schließlich der von der Öffentlichkeit lang ersehnte Prozess.
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Kasra schläft in der Nacht zuvor nicht viel und ist angespannt, als er von mehreren Fahrzeugen ins Landgericht Berlin-Moabit eskortiert wird.
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Durch den Hintereingang gelangt Kasra in den Saal, in dem ihn nicht nur das Blitzlichtgewitter von zahlreichen PressevertreterInnen erwartet,
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sondern auch etwa 120 PolizistInnen, die unter anderem dafür zuständig sind, dass ihm nichts passiert.
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Was ihm zusätzlichen Schutz verschaffen soll, ist die mit Panzerglas umgebende Kabine, in der Kasra ab jetzt Platz nehmen wird.
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Aber er ist nicht der Einzige, der an diesem Tag auf der Anklagebank sitzt.
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Mit ihm müssen sich ab heute neun Hells Angels vor Gericht wegen Mordes, in Harkans Fall wegen Anstiftung zum Mord verantworten.
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Neben den Angeklagten, der Presse und den Sicherheitskräften befinden sich drei RichterInnen, neun StaatsanwältInnen und 34 VerteidigerInnen im Saal.
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Drei Anwälte sind allein für Clubchef Harkan verantwortlich.
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Einige von Kasras ehemaligen Kumpels sitzen jetzt direkt neben ihm, ebenfalls in gepanzerten Glaskästen, teilweise zu zweit oder zu dritt.
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Keiner von ihnen würdigt Kasra auch nur eines Blickes.
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Dafür sind alle anderen Augen und Kameras im Gerichtssaal auf ihn gerichtet.
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Die Anklage der Staatsanwaltschaft beruht unter anderem auf dem, was Kasra in den letzten sechs Monaten beim LKA ausgesagt hat.
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Und mit dem Verlesen der Anklageschrift wird deutlich, was nach Annahme der Staatsanwaltschaft zu der Tat im Wettbüro geführt hat.
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Ein Machtkampf zwischen zwei Alphatieren.
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Die Rivalität zwischen Harkan und Onur reicht bis ins Jahr 2008 zurück.
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Damals ist Harkan noch Chef der Bandidos.
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Onur unterstützt zwar denselben Motorradclub und trotzdem, die beiden können sich nicht ausstehen.
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Was möglicherweise damit zusammenhängt, dass sie sich zu ähnlich sind.
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Einmal kommt es zu einer Auseinandersetzung in der türkischen Stadt Antalya, wo sich beide im Urlaub über den Weg laufen.
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Zwei Jahre später, kurz bevor Harkan zu den Hells Angels übertritt, geraten sie auf offener Straße in Berlin erneut aneinander.
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Im Oktober 2013, etwa drei Jahre nachdem Harkan die Seiten gewechselt hat, greift Onur mehrere Hells Angels vor einem Nachtclub mit einem Messer an.
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Darunter auch Kasra, den Kronzeugen.
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Das können sich die Hells Angels in ihrem Kiez nicht gefallen lassen.
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Allen voran Harkan sieht sich in seiner Ehre verletzt.
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Onur weiß natürlich genau, dass er den Rockerboss damit stark getroffen hat und dass es ein Nachspiel haben wird.
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Vorsorglich taucht er für eine Woche unter und besorgt sich eine schusssichere Weste sowie eine Pistole, die er nun immer bei sich trägt.
00:31:39
Tatsächlich ist Harkan so wütend, dass er jetzt erstmals mit dem Gedanken spielt, Onur töten zu lassen.
00:31:45
Doch einige Wochen lang passiert nichts.
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In der Zwischenzeit wächst Onurs Sicherheitsgefühl wieder heran.
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Er traut sich wieder nach draußen, hängt nun oft im Hinterzimmer des Wettbüros herum und trägt seine schusssichere Weste nur noch selten.
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Doch je länger er nichts von Harkan hört und sich in Sicherheit wiegt, desto mutiger und provokanter wird Onur.
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Ende 2013 zeigt er Mitgliedern der Hells Angels auf der Straße seine Waffe und beleidigt sie aufs Übelste.
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So tönt er großspurig, dass O-Ton, diese Frotzen keine Männer sind und sie doch kommen sollen.
00:32:17
Ich mache hier nur ein Zitat.
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Und als er um den Jahreswechsel an Harkans Bruder und dessen Familie vorbeigeht, spuckt er ihnen vor die Füße.
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Jede Provokation stichelt Harkan an.
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Telefongespräche belegen seinen Hass auf Onur, der jetzt nicht nur die Ehre seines Charters, sondern auch die seiner Familie beschmutzt hat.
00:32:36
Und das sei, glaubt die Staatsanwaltschaft jetzt, Grund genug gewesen, seine Mitglieder auf Onur zu hetzen und sie mit einem Mord zu beauftragen.
00:32:44
Auch wenn Kassar weiterhin dazu steht, selbst nichts von so einem expliziten Mordauftrag gewusst zu haben, ist seine Aussage für die Staatsanwaltschaft wichtig.
00:32:53
Denn er kann bezeugen, wer außer ihm noch dabei war und wer der Schütze war.
00:32:57
Doch anstatt, dass Kassar jetzt vor Gericht noch einmal alles genauestens erzählt, werden die Transkripte der Aussagen verlesen, die er bereits getätigt hat.
00:33:04
Eine Taktik seiner Verteidigung, um sie abzusichern und Widersprüchen aus dem Weg zu gehen.
00:33:09
Es dauert ganze drei Wochen, bis das 800 Seiten lange Dokument wiedergegeben wurde.
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Danach muss sich Kassar den Fragen der anderen AnwältInnen stellen.
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Immer wieder gibt es währenddessen Zwischenrufe oder Pöbeleien, die ihn beim Antworten stören.
00:33:23
Im Glaskasten nebenan wird Skat gespielt und Kuchen gegessen.
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Ja, es wird noch schlimmer. Hör dir das an.
00:33:32
Seine ehemaligen Freunde sind laut, kindisch und empathielos.
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Einmal macht einer Furzgeräusche nach.
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Ein anderes Mal machen sie sich über das gebrochene Deutsch eines trauenden Angehörigen von ONO lustig.
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Wow, also da tun mir RichterInnen und StaatsanwältInnen, also alle Prozessbeteiligten wirklich manchmal leid, mit was die sich da teilweise rumplagen müssen.
00:33:59
Ja, also ich habe das auch tatsächlich noch nie gehört, dass während eines Prozesses Karten gespielt wird.
00:34:06
Und um ja einmal transparent zu sein, als ich das in dem Buch von Kassar gelesen habe, da hat er auch noch andere Sachen geschrieben, zum Beispiel, dass der Richter, der Vorsitzende auch mal als Bastard beschimpft wurde, habe ich mir gedacht, das kann ja gar nicht sein.
00:34:25
Und auch das mit dem Skat spielen und Kuchen essen, hatte das auch nicht in der Berichterstattung gelesen, was mich gewundert hatte.
00:34:32
Deswegen, weil ich dachte, also das wäre ja was ganz Großes gewesen.
00:34:36
Auf der anderen Seite ist dieser Prozess, das werde ich gleich nochmal sagen, ultralang.
00:34:39
Deswegen habe ich Kassaras Anwalt da nochmal danach gefragt und der hat das aber bestätigt.
00:34:44
Also dass es da wirklich solche Szenen dort gab.
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Ich glaube, das ist auch wirklich schwierig, sich dann da zu beherrschen, weil man möchte ja einfach ein professionelles Arbeitsumfeld auch haben.
00:34:54
Und gerade wenn da Leute anwesend sind, die noch trauern und die da halt jemanden verloren haben, ist einfach so respektlos.
00:35:03
Und bei so einem Fall, stell dir das mal vor, dieser Prozess geht 300 Tage.
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Der Richter oder die RichterInnen müssen 300 Tage gegenüber von den Menschen sitzen, die sowas von keinen Bock auf diesen ganzen Prozess haben und das überhaupt eh nicht vervollnehmen, was da passiert.
00:35:23
Überleg mir das mit meinem Ehrenamt als Schöffin nochmal.
00:35:30
Vor allem in Berlin.
00:35:34
Naja, Kasra merkt in dieser Zeit auch immer mehr, wie froh er ist, kein Teil mehr dieser Gang zu sein.
00:35:42
Er kann es auch nicht fassen, dass die Hells Angels den Prozess so gar nicht ernst nehmen, obwohl im Laufe der Verhandlung immer deutlicher wird, dass Hakan seine Mitglieder für seine persönliche Rache zur Zielscheibe gemacht hat.
00:35:53
Dass er sie ins offene Messer hat laufen lassen, weil er mit seiner verletzten Ehre nicht umgehen konnte.
00:35:58
Denn dass die Polizei sofort auf die Hells Angels als Tätergruppe schließen würde, lag eigentlich auf der Hand.
00:36:04
Und das verstehen jetzt langsam auch die anderen auf der Anklagebank.
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Schließlich melden sich neben Kasra noch vier weitere Hells Angels zu Wort, die nicht länger für Hakan und den Club schweigen wollen.
00:36:14
Insgesamt dauert der Prozess ganze fünf Jahre.
00:36:18
Einerseits wegen der vielen beteiligten Personen und der damit verbundenen Beweiswürdigung.
00:36:23
Andererseits aber auch wegen Ermittlungsfehlern des Landeskriminalamtes.
00:36:27
Es kommt nämlich heraus, dass man den Tod von Onur möglicherweise hätte verhindern können.
00:36:32
Schon vor der Tat haben Mitarbeitende des LKA bei Telefonaten der Hells Angels mitgehört.
00:36:37
Und durch diese daraus schließen können, dass Onur in Gefahr war.
00:36:40
Haben aber leider nicht eingegriffen.
00:36:42
Und das war dann eben auch mehrere Tage Thema in diesem Prozess.
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Nach 300 Verhandlungstagen soll am 1. Oktober 2019 das Urteil gesprochen werden.
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Kasra ist aufgeregt.
00:36:55
Seine letzten Worte richtet er an die Familie des Verstorbenen.
00:36:58
Er spürt, wie seine Stimme zittert, als er ihnen sagt, dass es ihm aufrichtig leid tut.
00:37:03
Dann ist es soweit.
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Kasra steht auf und hält die Luft an.
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Das Gericht glaubt weder Kasra noch den anderen Angeklagten, dass sie nichts von der Tötungsabsicht wussten.
00:37:14
Vielmehr sieht es die Kammer als erwiesen an, dass das bloße Präsenzzeigen nach Onurs Provokationen im Verständnis der Hells Angels keine ausreichende Reaktion gewesen wäre.
00:37:24
Die Clubregeln besagen, dass auf Angriffe reagiert werden müsse.
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Nach der Handlungslogik der Gruppe musste die Gewalt im Vergleich zur Messerstecherei vor dem Nachtclub gesteigert werden, um den Respekt im Kiez wiederherzustellen.
00:37:37
Auch die Videoüberwachung des Tatortes zeigt, wie alle Männer ohne große Absprache zielgerichtet ins Wettbüro laufen.
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Am Ende hat das Gericht keinen Zweifel daran, dass Onur im Auftrag von Hakan heimtückisch und aus niedrigen Beweggründen ermordet wurde.
00:37:52
Ein Leben und Leben lassen der beiden im selben Kiez war auf die Dauer nicht vorstellbar, resümiert der Vorsitzende Richter.
00:37:58
Kasra und sieben Angeklagte werden daher des Mordes schuldig gesprochen, Hakan wegen der Anstiftung dazu.
00:38:04
An Kasra gewandt erklärt der Vorsitzende, dass ihm, genau wie den anderen, eine lebenslange Haftstrafe gedroht hätte,
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hätte er nicht mit seiner 800-seitigen Aussage bei der Aufklärung mehrerer Verbrechen geholfen.
00:38:16
Das Gericht entscheidet sich in seinem Fall wegen der Kronzeuginnenregelung für ein milderes Strafmaß.
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Kasra bekommt insgesamt zehn Jahre Haft.
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Eigentlich wären es zwölf gewesen, aber wegen der Fehler des LKA werden ihm noch zwei Jahre Haft erlassen.
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Als Kasra das hört, sieht er den Richter an und nickt dankbar, obwohl der ihm ja nicht geglaubt hat.
00:38:37
Aber für Kasra bedeuten die zehn Jahre, dass er bereits jetzt einen Antrag auf vorzeitige Entlassung stellen darf.
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Und schon wenige Wochen nach der Urteilsverkündung, nach knapp sieben Jahren Haft, verlässt Kasra das Gefängnis als freier Mann.
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Sieben? Warte mal, wie lange saß der denn in U-Haft?
00:38:53
Zwei Jahre U-Haft, fünf Jahre Prozess.
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Doch ganz so frei ist er nicht.
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Denn nach seiner Entlassung ist nichts mehr, wie es einmal war.
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Seine Aussagen haben zwar einige mächtige Rocker aus Berlin für lange Zeit ins Gefängnis gebracht,
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doch der Motorradclub agiert weltweit.
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Niemand weiß, ob oder eher wann sich jemand an dem Kronzeugen rächen wird,
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der selbst einmal Teil einer tödlichen Racheaktion war.
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Kasra taucht deshalb im Zeuginnenschutzprogramm unter.
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Heute heißt er nicht mehr Kasra und wohnt auch nicht mehr in Berlin,
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sondern irgendwo anders in Deutschland, an einem unbekannten Ort.
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Irgendwo, wo es ruhig ist, wo er ab und zu seine Tochter Pia zu sich und Michelle einladen kann
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und wo den Perser niemand kennt.
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Der Perser, das ist nun nicht mehr er, sondern nur noch der Titel seiner Biografie.
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Gemeinsam mit einem Journalisten hat Kasra seine Geschichte aufgeschrieben
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und sich mit dem Mann auseinandergesetzt, der er damals war.
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Er weiß heute, dass es falsch war, sich den Hells Angels anzuschließen und blind Folge zu leisten.
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Manchmal schlüpft Kasra aber noch heute in sein altes Ich,
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um in der Öffentlichkeit über seine Vergangenheit zu sprechen.
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Dann sieht man die Totenkopf-Tattoos, die großflächig seinen Körper zieren
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und unter den langen Armhemden hervorgucken.
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Sonst ist aber nicht mehr viel übrig geblieben von dem Höllenengel.
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Außer vielleicht die Eigenschaft, dass er sein Leben auch heute nicht von Angst bestimmen lässt.
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Kasra ist wachsam, aber er will sich nicht verstecken.
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Und das finde ich schon beachtlich, denn wir kennen ja verschiedenste Geschichten aus Rockermilieu-Kreisen,
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wo nachher Leute, die ausgestiegen sind, nicht einigermaßen in Ordnung leben konnten,
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sondern verfolgt wurden, bedroht wurden, gefunden wurden.
00:40:34
Aber das ist es halt, wenn man sich auf so einen Club einlässt und das kaufst du immer mit.
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Genau und deswegen finde ich das auch so interessant, dass er, also er hat sich auf diesen Club eingelassen,
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hat dann quasi ja auch alles mitgemacht und dann ist er aber in Haft und entscheidet sich dann dafür,
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sich gegen den Club zu stellen.
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Und damit begibt er sich ja wieder in eine große Gefahr.
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Aber am Ende war Kasra ja auch in dem Club dafür bekannt, mutig zu sein.
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Aber ich weiß eben nicht, ob das nur Mut war oder auch ein bisschen Leichtsinn,
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also ob nicht Leichtsinn hinter allen Entscheidungen von Kasra gesteckt hat.
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Was ich immer wieder interessant finde an solchen Gruppierungen ist,
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welche Attraktivität die auf Männer und auch Frauen ausüben.
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Also dieses Machtgefühl, was die ausstrahlen, dass man das Gefühl hat, man ist irgendwie nicht alleine
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oder mir kann niemand was, weil ich jetzt Rücken habe, weißt du.
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Dass ich glaube tatsächlich, dass gerade viele Leute, denen auch irgendwie vielleicht familiär
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oder wo auch immer so ein Gefühl von Rückhalt generell fehlt, dass die sich da sehr gut aufgehoben fühlen
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und so ein Club dann auch eine Familie ersetzen kann oder irgendwas anderes, was einem im Leben fehlt.
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Ja, das hat auch auf jeden Fall auf Kasra zugetroffen.
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Ich meine, das Buch hat ja viel mehr Seiten jetzt auch zum Beispiel als die Geschichte, die ich jetzt hier erzählt habe.
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Und da wird auch noch mal viel klarer, was er denn für einen Background hat
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und dass er halt wirklich als Jugendlicher nicht reingepasst hat,
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dass er auch wegen seines Migrationshintergrunds oft gemobbt wurde und ausgeschlossen wurde.
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Und ich hatte auf jeden Fall den Eindruck, dass diese Gemeinschaft der große Grund war,
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warum er sich darauf eingelassen hat.
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Ja, ich glaube, das ist eine ganz typische Biografie und auch ein ganz typisches Motiv.
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Und diese Möglichkeit, Kronzeuge zu werden, wie das Kasra dann auch gemacht hat,
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gibt es in Deutschland so erst seit 2009.
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Also in dem Sinne hatte er Glück, als er 2014 verhaftet wurde
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und konnte sich durch dieses ganze Prozedere ja dann auch mehrere Jahre Haft sparen.
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Was genau für Bedingungen vorliegen müssen, damit man zum Kronzeugen oder zur Kronzeugin werden kann,
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das erzähle ich euch jetzt in meinem Aha.
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Erstmal generell, als Kronzeugin wird in der Regel jemand bezeichnet,
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der oder die an einer Tat, in welcher Form auch immer, beteiligt war
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und mit einer Aussage dabei helfen kann, diese aufzuklären oder weitere Taten zu verhindern.
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Dabei ist wichtig, dass die Tat, über die man dann was erzählen kann,
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mit der, für die man selbst beschuldigt wird, im Zusammenhang steht.
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Also man kann nicht Kronzeugin werden, indem man über ein ganz anderes Verfahren spricht,
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das jetzt mit dem eigenen nichts zu tun hat.
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Der Begriff Kronzeugin, den gibt es aber gar nicht in der deutschen Gesetzgebung
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und JuristInnen verwenden den auch eher selten.
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Stattdessen wird in § 46b des Strafgesetzbuches von Aufklärungs- und Präventionshilfe gesprochen.
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Umgangssprachlich sagt man aber auch Kronzeuginnenregelung.
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Und diese Regelung soll TäterInnen, die einer mittleren oder schweren Straftat beschuldigt werden,
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eben einen Anreiz bieten, diese Aufklärungs- und Präventionshilfe zu leisten.
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Und der Anreiz ist dann natürlich die Aussicht auf eine geringere Strafe.
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Wer diese geringe Strafe haben will, der muss dann logischerweise auspacken,
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also zum Beispiel andere belasten und erzählen, wie ein Verbrechen genau vonstatten ging.
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So war das zum Beispiel auch in dem PolizistInnenmord in Kusel,
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von dem wir in der letzten Folge gesprochen haben.
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Also bei der Tat, bei der ein Mann zwei PolizistInnen erschoss,
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weil sie seinen Wagen angehalten haben, in dem ein Haufen toter Tiere lag,
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die er und sein Kumpel kurz davor illegal geschossen hatten.
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Da hatte der Kumpel dann bei der Polizei genaue Angaben zu den Morden gemacht.
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Er hatte ja gesehen, wie der andere geschossen hat und wie das genau vor sich gegangen ist.
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Und als Gegenleistung kam er trotz der Wilderei, weil dieser Straftat ist er auf jeden Fall schuldig gewesen,
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und trotz Strafvereitelung, weil der nämlich dabei geholfen hatte, Spuren des Mordes zu beseitigen,
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komplett straffrei davon.
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Das Landgericht Kaiserslautern, nicht wie in der letzten Folge fälschlicherweise von mir behauptet,
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Leverkusen, hatte das im November so entschieden.
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Der BGH prüft das aber gerade noch.
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Also es ist noch nicht rechtskräftig.
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Kaisers Aussage war im Vergleich dazu jetzt viel umfangreicher,
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also nicht auf die Tat im Wettbüro bezogen,
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weil da hat er am Ende nur dabei geholfen,
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die anderen auf dem Überwachungsvideo zu identifizieren.
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Aber der hat ja auch quasi alles andere über die Hells Angels ausgeplaudert
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und damit weitere Taten verhindert.
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Und bei so organisierter Kriminalität ist die Polizei ja genau auf solche Aussagen
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von AussteigerInnen angewiesen.
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Weil man normalerweise in so Rockerclubs oder Clans,
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da kommt man ja gar nicht an Informationen, da hält ja jeder seinen Mund.
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Kaisers Anwalt Stefan Schoppe kritisiert deshalb bis heute die Strategie der anderen Anwälte,
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die ja ihren Mandanten bis zum Schluss geraten haben, zu schweigen.
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Wie er das im Prozess erlebt hat, hat er uns im Interview erzählt.
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Man hat irgendwann gemerkt, dass die Einheitsfront so ein bisschen bröckelt bei den Rot-Weißen,
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also bei den Hells Angels.
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Aber die Verteidiger haben halt alle zusammen gestanden.
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Die sind halt alle Kollegen und die eine Person hat der anderen kein Auge aus,
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wie man es immer so schön sagt.
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Uns war es egal.
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Deswegen ist mir das auch heute noch schnurzpiepegal, was mit den anderen passiert ist.
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Für meinen Mandanten war es wichtig
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und mein Mandant ist nicht zu lebenslanger Freiheitsstrafe verurteilt worden
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und ist als Einziger auf freiem Fuß.
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Der Rest sitzt jetzt seine lebenslange Freiheitsstrafe ab,
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die mindestens 15 Jahre ist.
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Und die sitzen seit 2014, die haben jetzt neun Jahre rum, alle.
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Die müssen noch mindestens sechs,
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aber bei organisierter Kriminalität und wenn man sich nicht wirklich nachhaltig löst,
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wird das alles noch sehr, sehr lange dauern.
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Joppe selbst hatte sich für Kasra weniger als zwölf Jahre gewünscht.
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Aber es ist halt so, dass es keinen sicheren Deal gibt
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oder irgendwie eine garantierte Strafmilderung, die vorher ausgemacht wird.
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Ob und wenn ja, wie gering die Strafe am Ende ist,
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hängt immer vom jeweiligen Verfahren ab,
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aber natürlich auch von der Aussage.
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Wichtig ist aber immer,
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dass die Kronzeuginnen aus freien Stücken
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und vor der Eröffnung des Hauptverfahrens aussagen.
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Das ist gesetzlich so geregelt.
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Außerdem sollten die Aussagen natürlich
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sehr umfangreich sein
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und wahrheitsgemäß,
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damit man es später auch in der Strafzumessung merkt.
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Und selbst wenn man
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alles erzählt und die einzige Person ist,
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durch die irgendwie eine Verurteilung
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überhaupt erst möglich ist,
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hat die Strafmilderung in Deutschland ihre Grenzen.
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Also wer beispielsweise MittäterInnen bei einem Mord war,
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der kann nie straffrei davon kommen.
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Egal, was die Person der Polizei
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alles über die anderen TäterInnen erzählen kann.
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Da gibt es immer mindestens zehn Jahre Haft.
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So eine Regelung hat aber nicht jedes Land.
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In Italien zum Beispiel
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bekam der Mafiaboss Giorgio Bassil
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in den 90er Jahren nur sechs Monate Haft,
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obwohl er mindestens 30 Menschen ermordet hat,
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weil er der Polizei durch seine Aussagen dabei geholfen hat,
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mindestens 50 andere Mafiamitglieder.
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Ding festzumachen.
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Also das finde ich dann gut,
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dass wir das hier nicht haben.
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Du kannst dich doch nicht benehmen wie die Axt im Walde
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und alle deine Kontrahenten töten
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und dann da am Ende mit sechs Monaten Haft davon spazieren,
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weil du einfach alle,
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also das war ja der Mafiaboss,
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alle, die dir unterstellig sind,
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Nee, also sechs Monate,
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also das finde ich,
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es ist ja schon wichtig natürlich,
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dass man auch irgendwie an die anderen Mitglieder kommt,
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aber sechs Monate Haft,
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das ist ja lächerlich.
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Ja, weil es auch irgendwie so dieses Prinzip
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von Verbrechen und Strafe aushebelt.
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Aber das ist jetzt nicht nur in dem Fall ein Kritikpunkt,
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sondern auch tatsächlich im deutschen Strafrecht,
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da reden wir aber nachher nochmal genauer drüber.
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Laura hat jetzt gerade von Paragraf 46b STGB gesprochen.
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Das ist aber nicht der einzige Paragraf,
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den wir kennen, der Kronzeuginnen schützt.
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Wir kennen auch noch einen anderen.
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Den haben wir auch schon mal erwähnt,
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als wir eine Folge zum Thema Drogenkriminalität gemacht haben.
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Und zwar ist das der Paragraf 31 des Betäubungsmittelgesetzes.
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Und der kommt tatsächlich viel häufiger zum Einsatz
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als jetzt der 46b,
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weil es natürlich auch viel mehr Drogendelikte
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als schwere Straftaten gibt.
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Und das Prinzip ist aber dasselbe.
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Also wer mit einer Aussage dabei hilft,
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eine Straftat aufzuklären oder zu verhindern,
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dem winkt dann halt eine mildere Strafe.
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Ja, und Paragraf 31 hat ja sogar den Weg
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in die Umgangssprache gefunden.
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Viele kennen den Ausdruck wahrscheinlich eh,
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aber wenn jemand jemand anderen verrät,
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dann wird der auch als 31er bezeichnet.
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Schuld daran ist vor allem die deutsche Rap-Szene.
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Capital Bra oder auch Hatar
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sitzen in ihren Texten andere nämlich immer mal wieder als 31er.
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So auch Bushido in seinem Song
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Es klickt aus dem Jahr 2008,
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wie ihr hier hören könnt.
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Inzwischen ist es so,
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dass Bushido ja selbst von seinen früheren Fans
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als 31er bezeichnet wird.
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Und zwar unter anderem wegen seiner Aussagen,
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die er gegen Arafat Abou-Chaka gemacht hat,
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der damals nicht nur Bushidos Manager war,
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sondern eben auch als Chef des Abou-Chaka-Clans gilt,
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dem unter anderem Schutzgelderpressung,
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Drogen- und Waffenhandel und Zuhälterei vorgeworfen wird.
00:50:18
Und in diesem Prozess,
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der gerade gegen Arafat Abou-Chaka in Berlin läuft,
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wirft Bushido ihm vor,
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im Januar 2018 von ihm und seinen Brüdern eingeschwert
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und mit einer Flasche und einem Stuhl beworfen worden zu sein.
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Und Bushido tritt in diesem Verfahren als Nebenkläger und Zeuge auf.
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Allerdings nicht als Kronzeuge,
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das verwechseln manche.
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Deswegen passt dieser 31er eigentlich juristisch gesehen zumindest nicht wirklich.
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Weshalb Bushidos Anwalt,
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der auch Steffen Tschoppe ist aus deinem Fall,
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darüber ein bisschen ungehalten ist.
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Was ist daran 31er?
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31er ist ja ein Mittäter.
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Ja, also ein 31er kriegt ja nur jemanden,
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der eine Straftat begangen hat.
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Der Mandant hat keine Straftat begangen,
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sondern der war geschädigter einer Straftat.
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Aber es wird landläufig so verwendet,
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31er, wie wenn jemand mit der Polizei spricht,
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ist er ein Verräter.
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Übrigens gibt es auch unter JuristInnen einige Vorbehalte
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gegenüber sogenannten VerräterInnen.
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Manche wollen Mandate nicht übernehmen,
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wenn sich der oder die Angeklagte
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auf die KronzeugInnen-Regelung beruft.
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So wie zum Beispiel André Miegel.
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Der war unter anderem der Anwalt von Schwester Eva
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und meinte im Interview mal zu uns,
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er würde KronzeugInnen auf keinen Fall vertreten.
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Ja, aber ich glaube,
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weil der ziemlich involviert war
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oder sehr viele RapperInnen vertreten hat.
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das ist da so eine Prinzipiensache,
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weil der, glaube ich,
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sich seine eigenen MandantInnen halten wollte,
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indem er denen signalisiert,
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ich vertrete keine VerräterInnen,
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in Anführungsstrichen.
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Witzigerweise fand ich das Argument,
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was er uns damals gesagt hatte,
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ein bisschen irritierend.
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Er meinte nämlich,
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dass man den KronzeugInnen ja zur Last legen müsste,
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dass sie jetzt auch noch die anderen mit reinziehen
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und deren Familien dann ja auch traurig sind,
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wenn die in Haft müssen.
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Und das hat mich doch so ein bisschen verwundert,
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weil man ja schon selber dafür verantwortlich ist,
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ob man eine Straftat begeht
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und eben nicht die KronzeugInnen.
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vielleicht wäre man da nicht in Haft gelandet,
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aber es ist ja trotzdem deine eigene Schuld,
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wenn du diese Straftat begehst
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und dann dafür in Haft kommst.
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Aber am Ende darf natürlich jeder Jurist und jede Juristin
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selber entscheiden,
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wen sie annehmen,
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wen sie nicht annehmen.
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Die einen nehmen die KronzeugInnen nicht,
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die anderen nehmen solche StraftäterInnen nicht,
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die zum Beispiel Kindesmissbrauch begangen haben.
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So, einmal durchatmen.
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In dem Fall, von dem ich heute erzähle,
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habe ich nicht nur die Namen,
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sondern alle Angaben,
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die identifizierend sein könnten, geändert.
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Und ich sage es gleich,
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es ist ein absolut verstörender Fall.
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Und die passende Triggerwarnung dazu
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findet ihr in der Folgenbeschreibung.
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Dass der dunkle Audi zufällig an ihnen vorbeigefahren war,
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war ein Glücksgriff für die BeamtInnen.
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Erst kurz vorher ging der Anruf eines LKW-Fahrers bei der Polizei ein,
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der sie auf diese Raststätte geführt hatte.
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So konnten sie schnell die Verfolgung aufnehmen.
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Der Audi vor ihnen hat sie schon bemerkt.
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Er wird langsamer und fährt an den Seitenrand.
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Die BeamtInnen steigen aus.
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Hinter dem Steuer sitzt ein Mann, Ende 40,
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und neben ihm ein kleines Mädchen.
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An sich nichts Ungewöhnliches,
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doch das Kind trägt ein bauchfreies Top,
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eine kurze Hose und hohe Schuhe.
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Das kindliche Gesicht ist voll mit glitzerndem Make-up.
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Die Kleine ist unpassend aufgedonnert für ihr Alter.
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Da wird den BeamtInnen klar,
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dass hier etwas ganz und gar nicht stimmt.
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Etwa zwei Jahre zuvor.
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Heute ist es soweit.
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Heute ist der Tag, an dem Nadine umzieht.
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Die Taschen der Neunjährigen mit den langen braunen Haaren sind gepackt.
00:54:00
Etwa zwei Autostunden liegen zwischen ihrem alten Zuhause im Nordosten von Schleswig-Holstein,
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wo sie bisher mit ihrem Vater Dieter gewohnt hat,
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und der neuen Wohnung, in der ihre Mutter Silke seit knapp zwei Jahren lebt.
00:54:11
Nadine war an den Wochenenden schon ein paar Mal zugesucht dort.
00:54:15
Der Ort ist von Feldern und Wäldern umgeben, ideal, um campen zu gehen oder Rad zu fahren.
00:54:20
Immerhin ist es erst Mitte August und es liegen noch ein paar Wochen Sommerferien vor Nadine.
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Danach wird sie in der neuen Heimat die vierte Klasse besuchen.
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Ein Neuanfang sozusagen, in einer neuen Familienkonstellation.
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Es ist noch nicht lange her, da haben Nadine, Mutter Silke und Vater Dieter noch gemeinsam in ihrer Wohnung gelebt.
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Doch dann tritt ein neuer Mann in Silkes Leben, der alles verändert.
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Das erste Mal begegnen sie sich in dem Restaurant, in dem Silke arbeitet,
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und es dauert nur wenige Monate, bis sie ihre Ehe mit Dieter an den Nagel hängt, um mit Benno zusammen zu sein.
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Benno ist Altenpfleger und mit Mitte 40 zehn Jahre älter als Nadines Mutter.
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Er hat selbst Kinder, die allerdings mit ihrer Mutter in deren Heimat den Niederlanden leben.
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Dass Benno noch mit der Mutter seiner Kinder verheiratet ist, stört Silke nicht.
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Sie ist so hin und weg von ihm, dass sie für Benno nicht nur ihre eigene Familie, sondern auch ihren Wohnort verlässt.
00:55:11
Weil die Seniorenresidenz, für die Benno arbeitet, rund 200 Kilometer entfernt liegt,
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zieht sie mit ihm in die Nähe seines Arbeitsplatzes und sucht sich dort selbst einen Job als Kellnerin.
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Nadine bleibt bei ihrem Vater Dieter zurück.
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Knapp zwei Jahre lang sieht Nadine Silke nur ab und zu an den Wochenenden.
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Sie genießt die Zeit mit ihrer Mutter und versteht sich gut mit Benno.
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Wenn Silke arbeiten muss, unternimmt er manchmal Fahrradtouren mit ihr.
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Es ist ihr gemeinsames Hobby.
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Sie packen Decken und Proviant ein und radeln los.
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Auf ihrem Fahrrad rauscht Nadine dann durch die Natur.
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Ihr braunes, langes Haar weht durch den Wind, während Benno vor ihr herfährt.
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Oft ist Benno aber viel schneller als Nadine.
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Und egal wie sehr sie in die Pedale tritt, sie kann nicht mit ihm mithalten.
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Mit dem Antrieb seines E-Bikes ist er ihr immer ein Stück voraus.
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In Nadine keimt ein großer Wunsch auf.
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Irgendwann will sie auch so ein E-Bike.
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Damit könnte sie mit Benno mithalten, ihn vielleicht sogar überholen und die Hügel der Landschaft mit Leichtigkeit überwinden.
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Wenn Nadine an den Wochenenden zurück zu ihrem Vater muss, ist sie traurig.
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Sie vermisst ihre Mutter und möchte gerne zu ihr ziehen.
00:56:15
Es dauert einige Zeit, bis Silke zustimmt.
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Doch im Sommer 2018 ist klar, Nadine darf bleiben und muss sich nicht mehr von ihrer Mutter trennen.
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Der Umzug findet inmitten der Ferien statt.
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Benno kann nicht dabei helfen.
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Er ist gerade bei seinen eigenen Kindern in den Niederlanden.
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So hat Nadine erstmal vier Tage Zeit allein mit ihrer Mutter, um in ihrem neuen Zuhause anzukommen und sich einzugewöhnen.
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Und gewöhnen muss sich Nadine nicht nur an die neue Umgebung, sondern auch an die neuen Regeln, die bei ihrer Mutter herrschen.
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Und die sind definitiv anders, als die, die Nadine von Vater Dieter gewohnt ist.
00:56:48
In ihrem neuen Zuhause gilt jetzt nämlich die Nacktregel.
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Nadine soll ihre Kleidung wie ihre Mutter nur tragen, wenn sie rausgeht.
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Drinnen brauche sie sie nicht, sagt Silke.
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Ganz nackt, ohne Unterwäsche.
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Während draußen die Sonne strahlt und die Temperaturen manchmal sogar über die 30-Grad-Marke klettern,
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sind Nadine und Silke also beide nackt.
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In der Küche, beim Spielen, manchmal auch auf dem Balkon.
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Und manchmal will Silke Nadine auch dabei fotografieren.
00:57:18
Nadine soll im Schneidersitz auf dem Bett sitzen und mit ihren Händen ein Herz formen, wenn die Kamera klickt.
00:57:23
Zuerst fühlt sich Nadine damit ein wenig unwohl, aber Tag für Tag gewöhnt sie sich immer mehr dran.
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Das sei alles normal, beteuert ihre Mutter immer wieder.
00:57:33
Und daher ändert sich an den Regeln auch nichts, als Stiefvater Benno aus den Niederlanden wiederkommt.
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Den soll Nadine jetzt Papa nennen.
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Schließlich seien sie nun eine Familie.
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Das neue Familienleben sieht für Nadine vor allem folgendermaßen aus.
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Sie, Silke und Benno sind die meiste Zeit nackt zu Hause.
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Nadine wird überall mit eingebunden, auch beim sogenannten Mittagsschlaf.
00:57:58
Schon früher, als sie noch bei ihrem Vater gewohnt hatte und hier nur zu Besuch war, sollte sie sich mittags mit Benno und Silke ins Ehebett legen.
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Einmal wacht sie mitten während des Mittagsschlaf auf.
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Durch ihre verschlafenen Augen sieht sie damals dabei zu, wie sich die beiden Erwachsenen neben ihr küssen, sich gegenseitig berühren und immer heftiger umschlingen.
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Die beiden bemerken, dass Nadine nicht schläft, hören aber nicht auf und so sieht Nadine das erste Mal dabei zu, wie zwei Erwachsene miteinander Sex haben.
00:58:25
Silke erklärt ihrer Tochter danach, dass es ganz normal sei, Sex zu haben, wenn man sich liebt.
00:58:30
Dass es sexueller Missbrauch ist, das vorsätzlich vor einem neunjährigen Kind zu tun, verschweigt sie ihr.
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Tagsüber ist Silke meist bis spätabends bei der Arbeit.
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Dafür ist Benno viel zu Hause.
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Weil es ihm gesundheitlich schlecht geht, geht er seinem Beruf in der Seniorenresidenz nicht mehr nach.
00:58:48
Seitdem verbringt er viel Zeit mit Nadine.
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Zuerst findet sie gut, dass sie nicht so viel allein sein muss.
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Sie sieht in Benno jemanden, der sich nach der Schule um sie kümmert oder mit ihr Rad fährt.
00:58:57
Doch Benno kümmert sich nicht wirklich um Nadine.
00:59:00
Das wird ihr aber erst später bewusst werden.
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Draußen ist es bereits kälter geworden.
00:59:06
Die Sommerferien sind längst vorbei, als Benno sich das erste Mal an Nadine vergreift.
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Als er sie das erste Mal anfasst, ist sie immer noch neun Jahre alt.
00:59:15
Und beim Anfassen bleibt es nicht.
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Nadine macht irgendwie mit.
00:59:18
Mehrmals hat sie gesehen, was ihre Mutter in diesen Situationen tut.
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Und deswegen macht sie es nach.
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Außerdem hat sie Benno lieb.
00:59:25
Und wenn man jemanden lieb hat, dann ist es normal, sowas zu machen, hat ihre Mutter gesagt.
00:59:30
Außerdem ist Silke manchmal sogar dabei, wenn es passiert.
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Also muss es ja normal sein.
00:59:35
Silke sagt nichts, wenn Benno Nadine anfasst.
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Oder wenn er wieder Fotos und Videos machen will.
00:59:40
So auch an einem Abend im November.
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Nadine läuft wieder nackt in der Wohnung rum.
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Benno malt auf ihren Rücken einen lachenden Smiley und einen Pfeil, der zu ihrem Po zeigt.
00:59:50
Darunter schreibt er das Wort Arsch.
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Und auf die linke Po-Backe.
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Und umrandet es mit einem Herz.
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Die Neunjährige ist in der Küche, als Benno die Aufnahme auf seinem Handy startet und ihren Körper filmt.
01:00:04
Schließend nimmt er zwei weitere Videos auf, die Nadines Intimbereiche in Nahaufnahmen zeigen.
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Er könnte die Videos dann anschauen, wenn sie nicht da sei, erklärt er.
01:00:13
Jetzt wäre ein Video schön.
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Das sagt Benno von da an immer öfter.
01:00:18
Nadine weiß, was er damit meint.
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Sie soll so für die Kamera posieren, dass Benno ihren Intimbereich möglichst gut mit dem Handy einfangen kann.
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Manchmal soll sie da bei ihnen oder sich selbst anfassen.
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Im Sommer 2019, knapp ein Jahr nachdem Nadine bei Benno und Silke eingezogen ist, passiert es dann zum ersten Mal.
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Nadine ist zu diesem Zeitpunkt zehn Jahre alt und bereits jetzt so von Benno sexualisiert, dass sie ihm Folge leistet, wenn er sagt, dass sie sich Gegenstände einführen soll.
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In dieser Zeit übernimmt sie immer mehr die Rolle der Partnerin von Benno.
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Nadine glaubt, dass die Erwachsenen Beziehungsprobleme haben und Benno sich deswegen von Silke ab und Nadine zuwendet.
01:00:59
Für Nadine macht es aber nicht den Eindruck, als hätte ihre Mutter irgendwas dagegen.
01:01:03
Nie äußert Silke Einwände, erhebt das Wort gegen Benno oder versucht ihn abzuhalten.
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Nadine ist also auf sich allein gestellt.
01:01:10
Und so lernt sie mit der Zeit, das zu tun, was Benno möchte, auch wenn sie es nicht möchte.
01:01:16
Zwar hatte Benno mal gesagt, dass er es respektieren würde, wenn sie mal Nein sagen würde, aber erstens fragt er sie nie und zweitens, wenn sie ihn dann wirklich mal abweist, wird er sauer und ignoriert Nadine danach.
01:01:27
Und weil Nadine nicht will, dass Benno sauer ist, begreift sie, dass es ein Nein nicht geben darf.
01:01:33
Nur für Benno gilt das.
01:01:34
Der sagt Nein zum Fernsehen ohne Erlaubnis, Nein, wenn sie mit Freundinnen ins Kino will und Nein zu Käppis und Hoodies, obwohl Nadine die so gerne tragen würde.
01:01:44
Wenn ich einen Jungen gewollt hätte, hätte ich mir eine Frau mit einem Jungen gesucht, sagt er zu ihr.
01:01:49
Und so kontrolliert Benno irgendwann ihr ganzes Leben.
01:01:52
Ständig muss sie ihn um Erlaubnis fragen, wenn sie was will, beispielsweise Radio hören und ihn über jede Kleinigkeit, die in ihrem Leben passiert, informieren.
01:02:00
Wenn sie dies nicht tut, wird Benno wieder sauer.
01:02:03
Einmal beispielsweise kommt Nadine früher als geplant von der Schule nach Hause.
01:02:06
Gehorsam, wie sie mittlerweile ist, fragt sie Benno bei WhatsApp, ob sie was spielen darf.
01:02:11
Benno antwortet, bist du zu Hause?
01:02:13
Nadine tippt in ihr Handy, dass sie schon seit zwei Stunden zurück sei.
01:02:16
Benno wird wütend.
01:02:17
Warum sagst du mir nicht Bescheid?
01:02:19
Nadine, bist du mir böse?
01:02:21
Benno, ja, ich mache mir Sorgen und ich kann mich ja nicht um alles kümmern.
01:02:26
Dann schickt er hinterher, finde ich traurig, dass du so unzuverlässig bist und ich mich nicht auf dich verlassen kann.
01:02:32
Nadine, ich habe dich lieb.
01:02:34
Benno, dasselbe wie immer und ändern tust du nichts.
01:02:37
Nadine schreibt zurück, dass sie weint.
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Im Sommer 2020 wohnt Nadine bereits zwei Jahre bei Mutter Silke und Stiefvater Benno.
01:02:46
Nacktfotos und sexueller Missbrauch gehören für sie zum Alltag.
01:02:49
Sie hinterfragt nicht, was die Menschen, die sie eigentlich schützen sollen, ihr antun.
01:02:53
Wie auch, sie ist erst elf Jahre alt und da ist niemand, der bemerkt, was hinter verschlossenen Türen vorgeht.
01:02:59
Dass das Martyrium irgendwann ein Ende nimmt, ist allein dem Zustand zu verdanken,
01:03:04
dass der Missbrauch tatsächlich noch einen weiteren Höhepunkt finden soll.
01:03:07
Es ist der erste Sommer während der Pandemie.
01:03:10
Draußen ist es heiß und nach dem langen Lockdown schätzen es die Menschen endlich wieder raus in die Natur zu kommen.
01:03:16
Auch Nadine freut sich auf die Fahrradsaison und so kommt der Wunsch nach einem eigenen E-Bike wieder auf.
01:03:21
Sie fragt ihre Mutter nach mehr Taschengeld, aber die lehnt ab.
01:03:25
Nadine ist deswegen sauer, immerhin wünscht sie sich so sehr beim Radfahren nicht mehr hinter Benno zurückzubleiben.
01:03:30
Benno bekommt den Streit zwischen Mutter und Tochter mit.
01:03:34
Er hat einen Vorschlag, den sich Nadine erwartungsvoll anhört.
01:03:37
Er wisse, wie sie sich etwas Geld dazu verdienen könne.
01:03:40
Nadine ist ganz ohr.
01:03:42
Benno rechnet vor.
01:03:43
Nadine bekommt 10 bis 20 Euro Taschengeld im Monat.
01:03:46
Ein E-Bike würde sie laut Benno 36 Euro im Monat kosten.
01:03:50
Die Differenz könne sie sich dazu verdienen, indem sie mit anderen Männern Sex habe.
01:03:55
Nadine überlegt.
01:03:57
Sie wünscht sich schon so lange ein E-Bike und hätte auch gerne etwas Schminke.
01:04:01
Benno beteuert, dass er bei den Treffen dabei sein und auf sie aufpassen würde.
01:04:05
Nadine merkt nicht, dass Benno es dabei nicht gut mit ihr meint,
01:04:08
sondern er sie bis hierher so weit manipuliert hat,
01:04:11
dass sexueller Missbrauch für sie inzwischen so normal ist, dass sie keinen Grund dafür sieht, dafür nicht auch noch bezahlt zu werden.
01:04:18
Also sagt sie, wie so oft, ja zu dem, was Benno von ihr will.
01:04:23
Am 26. Juli gegen 21 Uhr fahren Nadine und Benno auf einen nahegelegenen Autobahnrastplatz.
01:04:29
Benno sagt Nadine, sie soll da an die Türen der LKW klopfen und die Fahrer nach Sex fragen.
01:04:34
Benno werde währenddessen im Auto bleiben.
01:04:36
Bevor sie losgeht, möchte Nadine von ihrem Stiefvater wissen, wie viel Geld sie dafür verlangen kann.
01:04:41
30 Euro vielleicht?
01:04:43
Das sei zu viel, sagt Benno.
01:04:44
Sie einigen sich auf 20, dann steigt sie aus dem Auto und läuft über den tristen Parkplatz vorbei an Picknickbänken und einem Toilettenhäuschen auf die parkenden Lastwagen zu.
01:04:53
Und ohne es zu wissen, in die Zwangsprostitution hinein.
01:04:57
Nein, das ist so schlimm.
01:05:03
Während auf der Autobahn die Wagen vorbeirauschen, klopft die Elfjährige an eine LKW-Tür nach der anderen.
01:05:10
Wenn einer aufmacht, zieht sie mit kindlichen Augen zu den Fahrern nach oben ins höher gelegte Führerhaus und bietet ihnen Sex an, wobei sie das Wort Ficken benutzt.
01:05:18
Zwei Stunden lang fragt sie, doch die Männer lehnen allesamt ab.
01:05:22
Nadine ist enttäuscht und macht sich ohne Geld für die E-Bike-Kasse schließlich mit Benno auf den Heimweg.
01:05:26
Doch Nadine muss während der Fahrt zurück aufs Klo.
01:05:29
Zwölf Kilometer vor dem gemeinsamen Zuhause setzt Benno dann auf der Autobahn erneut den Blinker.
01:05:34
Er fährt auf einen anderen Rastplatz raus.
01:05:37
Nadine verschwindet auf die Toilette.
01:05:39
Dort fällt ihr zwischen den Stickern und Schmierereien an der Wand ein gelber Zettel auf.
01:05:42
Er hängt so weit oben, dass sie ihn allein nicht lesen kann.
01:05:45
Also holt sie Benno zur Hilfe.
01:05:48
Lust, meinen Schwanz zu blasen?
01:05:50
Daneben steht eine Telefonnummer.
01:05:52
Benno scheint zufrieden.
01:05:54
Zurück im dunklen Auto standen die beiden auf Nadines hell erleuchteten Handybildschirm.
01:05:59
Benno diktiert, was Nadine schreiben könnte.
01:06:01
Sie tippt, hallo süßer, ich bin heißer wie der Lamborghini.
01:06:05
Ihr Profilbild ist ein Foto des Sportwagens.
01:06:09
Der Fremde antwortet kurze Zeit später.
01:06:11
Sein Name sei Achim.
01:06:12
Auf Benno's Vorschlag hin nennt sich Nadine Chiara und gibt an, dass sie 14 Jahre alt ist.
01:06:17
Auf Achims Bitte schickt Nadine ihm Nacktbilder von sich, die sie mit seinem geschriebenen Zettel in der Hand zeigen, als Nachweis dafür, dass sie es ernst meint.
01:06:25
Die Antwort kommt prompt. Achim sendet ein Foto seines Penis.
01:06:29
Er will sich mit ihr treffen.
01:06:32
Benno redet auf Nadine ein.
01:06:34
Wenn sie jetzt zu Achim fahren, kann sie vielleicht doch noch Geld für ihr E-Bike verdienen oder Achim sogar als Sugar Daddy gewinnen, sagt er.
01:06:40
Sie könne ein Sugar Babe werden und müsse nur ein bis zweimal im Monat mit dem Mann Sex haben und bekomme trotzdem regelmäßig viel Geld von ihm.
01:06:48
Also stimmt sie zu und Benno biegt wieder auf die Autobahn ab.
01:06:52
Es ist fast ein Uhr in der Nacht, als sie an dem Treffpunkt ankommen, den sie mit Achim vereinbart haben.
01:06:57
Es ist der Standort einer Bank, von der aus sie gemeinsam zu seiner Wohnung laufen.
01:07:01
Benno stellt sich dem anderen Mann als Nadines Onkel vor.
01:07:04
Plötzlich wird ihr mulmig zumute.
01:07:06
Sie beugt sich zu Benno, um ihm zu sagen, dass sie Angst hat.
01:07:09
Doch der beruhigt sie.
01:07:10
Er werde sich neben sie setzen, damit Achim nichts macht, was sie nicht will, sagt er.
01:07:15
Nadine weiß, was das bedeutet.
01:07:17
In Achims Wohnung angekommen, führt dieser sie ins Schlafzimmer und legt sich aufs Bett.
01:07:22
Nadine befriedigt den Mann, während Benno dabei zusieht.
01:07:24
Nachdem es vorbei ist, sprechen die beiden Männer miteinander.
01:07:28
Doch Nadine hört nicht zu.
01:07:29
Ihr fällt auf, wie dreckig es in der ganzen Wohnung ist.
01:07:31
Auf dem Boden sammeln sich Müll und leere Aluminiumdosen von Energydrinks.
01:07:35
Ein Laptop liegt unter einer dicken Staubdecke begraben.
01:07:38
In einem Regal entdeckt Nadine komische kleine LKW-Figuren.
01:07:43
Als sie mit Benno die Wohnung verlässt, stellt sie fest, dass Achim ihr gar kein Geld gegeben hat.
01:07:47
Nadine ist traurig darüber.
01:07:48
Doch Benno spricht ihr Mut zu.
01:07:50
Wenn sie Achim noch öfter treffen würde, dann wäre der irgendwann abhängig von ihr und würde auch Geld geben, sagt er.
01:07:57
Die nächste Gelegenheit lässt nicht lange auf sich warten.
01:08:00
Schon am nächsten Tag will Achim Nadine wiedersehen.
01:08:02
Das Treffen läuft ähnlich ab wie am Tag davor.
01:08:05
Ich erspare Details.
01:08:07
Es ist wirklich ekelhaft.
01:08:09
Diesmal fertigt Benno Audioaufnahmen dessen an, was während des Treffens passiert.
01:08:13
Nur die Bezahlung bleibt wieder aus.
01:08:15
Benno scheint das nichts auszumachen.
01:08:17
Er setzt sich jedenfalls nicht dafür ein, dass Nadine das Geld bekommt, wegen dem sie überhaupt erst eingewilligt hat.
01:08:22
Nadine ist enttäuscht.
01:08:24
Sie will den Mann nun nicht mehr wiedersehen.
01:08:26
Stattdessen fährt sie mit Benno in den kommenden Tagen weitere Parkplätze an, um wieder fremden LKW-Fahrern Sex für Geld anzubieten.
01:08:33
Der Plan bleibt derselbe.
01:08:34
Benno sitzt im Auto, während sie an die Türen der Lastwagen klopft.
01:08:38
Es dauert drei Tage, bis ein Mann Interesse zeigt.
01:08:41
Er spricht nur gebrochenes Englisch.
01:08:44
Trotzdem klettert Nadine zu ihm ins Fahrerhäuschen und befriedigt ihn oral, während sie, wie von Benno befohlen, die Audioaufzeichnung mitlaufen lässt.
01:08:51
Der Mann gibt ihr danach fünf Euro und eine Schachtel Zigaretten.
01:08:55
Als Nadine zurück zum Auto kommt, sagt Benno, dass jetzt nur noch 31 Euro fehlen, bis sie sich ein E-Bike leisten könne.
01:09:02
Ich kann nicht mehr.
01:09:05
Nee, das ist ja so schlimm.
01:09:08
Was Benno und Nadine da noch nicht wissen.
01:09:12
Es ist das erste und einzige Mal, dass Nadine für den Sex bezahlt wird.
01:09:16
Am nächsten Tag klappert Benno mit Nadine im Schlepptau drei Parkplätze ab.
01:09:20
Doch jedes Mal wird Nadine von den LKW-Fahrern abgelehnt.
01:09:23
Weiter kommen sie nicht.
01:09:25
Als Benno den dritten Parkplatz verlässt und auf die Autobahn fährt, wird er von der Polizei angehalten.
01:09:29
Kurze Zeit zuvor.
01:09:32
An diesem Abend geht in der Spätschicht der naheliegenden Polizei ein Anruf ein, der die Beamtinnen alarmiert.
01:09:38
Ein LKW-Fahrer berichtet, dass ich ihm gerade eine Minderjährige auf einem Parkplatz für Sex angeboten habe.
01:09:44
Sie sei in einem dunklen Audi unterwegs gewesen, sagt ein Mann.
01:09:47
Als die Streife vor Ort ankommen, können mehrere Männer dasselbe bestätigen und noch während die Ermittlungen die ZeugInnen vernehmen, fährt der dunkle Audi auf dem Parkplatz an ihnen vorbei und biegt auf die Autobahn ein.
01:09:58
Die Polizei fährt hinterher und zieht das Auto bei der nächsten Gelegenheit zur Kontrolle aus dem Straßenverkehr.
01:10:03
Darin sitzt ein Mann mit einem Mädchen.
01:10:06
Sie trägt ein baufreies Top, eine kurze Hose und hohe Schuhe.
01:10:09
Ihr Gesicht ist mit glitzerndem Make-up geschminkt und trotzdem verraten ihre Gesichtszüge sofort, dass sie noch ein Kind ist.
01:10:15
Das Mädchen wird von einer Polizistin dazu aufgefordert, aus Benno's Wagen aus und in das Polizeifahrzeug einzusteigen.
01:10:22
Die Frau sagt, dass sie mit ihr auf die Wache fahren und ihr einige Fragen stellen möchte.
01:10:27
Ihr Stiefvater darf nicht mitkommen.
01:10:29
Das beunruhigt das Mädchen offenbar.
01:10:32
Ihr Papa, sagt sie, habe mit all dem nichts zu tun.
01:10:34
Es sei ihre Idee gewesen und sie habe alles freiwillig gemacht.
01:10:37
Wenig später sitzen die Polizistin und Nadine sich im Vernehmungsraum gegenüber.
01:10:42
Nadines Verhalten ist jetzt anders, nicht mehr abwehrend.
01:10:45
Der Polizistin fällt auf, dass sie an einem Ring herumspielt.
01:10:48
Ihr Stiefvater habe ihr den Ring geschenkt, sagt Nadine auf Nachfrage.
01:10:52
Ob sie schon Geschlechtsverkehr habe, will die Polizistin dann wissen.
01:10:56
Nadine bejaht und behauptet, dass sie einen 15-jährigen Freund habe.
01:11:00
Die Polizistin glaubt ihr nicht.
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Ob denn der Mann, der mit ihr im Auto saß, ihr Freund sei.
01:11:05
Plötzlich wirkt Nadine verunsichert.
01:11:07
Sie stottert, kaut auf ihren Nägeln und fängt an zu weinen.
01:11:11
Als keine Tränen mehr kommen, ist das Eis gebrochen.
01:11:14
Nadine erzählt der Polizeibeamtin offen, dass sie und Benno eine Beziehung führen und dass es in einer Beziehung normal sei, Sex zu haben.
01:11:22
Nachdem ihr Stiefvater und ihre Mutter keinen Geschlechtsverkehr mehr miteinander haben, sei es nun eben sie, die diesen Part übernommen habe.
01:11:29
Die Polizistin stellt ihr explizitere Fragen, was für Sex sie hätten.
01:11:33
Nadine lacht dabei und antwortet alles.
01:11:36
Für Außenstehende ist das Bild schwer zu begreifen.
01:11:40
Da sitzt ein Mädchen, das aussieht wie eine Elfjährige, eben kindlich, aber angezogen ist wie eine Erwachsene und auch genau so über Sex redet.
01:11:49
Und noch dazu macht Nadine auf die BeamtInnen keinen emotional belasteten Eindruck.
01:11:55
Eine Momentaufnahme, die zeigt, dass Nadine in dieser Zeit noch gar nicht begreift, was ihr seit zwei Jahren angetan wurde.
01:12:01
Dass sie zwei Jahre lang für kinderpornografisches Material und sexuell missbraucht wurde.
01:12:06
Dass sie ausgebeutet und zwangsprostituiert wurde.
01:12:10
Und so weiß sie auch nicht, dass sie mit ihrer Aussage den Grundstein für Bennos Anklage legt.
01:12:15
Der kommt gleich nach der Festnahme auf der Autobahn in Untersuchungshaft.
01:12:19
Die Beweislast ist mit Nadines Aussage und dem Bild- und Videomaterial auf seinem Handy erdrückend.
01:12:24
Nadine wird nach ihrer Aussage bei der Polizei in die Obhut des Jugendamtes übergeben.
01:12:28
Einen Monat später packt sie schließlich wieder ihre Koffer.
01:12:31
Wieder steht sie vor einem Neuanfang.
01:12:33
Diesmal geht es für sie in eine heilpädagogische Einrichtung in einem anderen Bundesland.
01:12:38
Erst acht Monate später sitzt sie wieder im selben Raum mit Benno.
01:12:42
Diesmal vor Gericht.
01:12:43
Sie tritt als Nebenklägerin auf.
01:12:45
Benno nimmt auf der Anklagebank Platz.
01:12:47
Obwohl der Prozess unter Ausschluss der Öffentlichkeit stattfindet,
01:12:50
hat sich Benno die graue Sweaterkapuze seiner Jeansjacke weit über den Kopf gezogen.
01:12:55
Mit einem schwarzen Aktenordner versucht er sein Gesicht abzuschirmen.
01:12:58
Benno will nicht gesehen werden, aber er will aussagen.
01:13:02
Angeklagt ist er unter anderem wegen des mehrfachen schweren sexuellen Missbrauchs,
01:13:06
schwerer Zwangsprostitution und des Herstellens von kinderpornografischen Schriften.
01:13:11
Etwa eine Stunde braucht der Oberstaatsanwalt, um die 72 Fälle zu verlesen, die Benno vorgeworfen werden.
01:13:17
Es sind Fälle, die selbst hartgesottene RichterInnen erschüttert zurücklassen.
01:13:22
Aber wer meint, damit sei das Schlimmste vor Gericht bereits hinter sich gebracht,
01:13:25
wird spätestens dann eines Besseren belehrt, als Benno seine Aussage macht.
01:13:29
Abstreiten bringt nichts, da ist er rechtlich gut beraten.
01:13:32
Aber Schuld an dem allen will er nicht sein.
01:13:35
Erst sei es Silke gewesen, die Nadine im Ehebett habe schlafen lassen wollen.
01:13:39
Silke und Nadine hätten ihn angefasst.
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Nadine habe ihn zum Sex überredet.
01:13:44
Er habe das gar nicht gewollt.
01:13:45
Dass das, was sie machten, verboten war, sei beiden erst jetzt bewusst geworden.
01:13:50
Auch bei der Prostitution auf den Parkplätzen sei die Initiative von Nadine ausgegangen.
01:13:55
Er sei nie der Antrieb gewesen und zu keinem Zeitpunkt habe er Nadine manipuliert.
01:13:59
Nadine, die bei Bennos Festnahme noch versucht hatte, ihren Stiefvater zu schützen, sieht das inzwischen anders.
01:14:06
Der Abstand und die räumliche Trennung von Benno haben viel für sie verändert.
01:14:09
Mittlerweile hat sie ihr langes Haar abrasiert.
01:14:12
Sie trägt weite Klamotten, die ihr Benno früher verboten hatte.
01:14:16
Nadine bleibt erspart, über einzelne Taten erneut genaue Auskunft geben zu müssen.
01:14:20
Aber zu Benno will sie etwas sagen.
01:14:22
Sie erzählt dem Gericht, dass sie mittlerweile verstanden hat, dass er sie manipuliert hat.
01:14:26
Dass der Missbrauch für sie einfach irgendwann normal war und sie Benno nicht infrage gestellt hat.
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Auf diese Erkenntnis ist Nadine allein gekommen.
01:14:34
Keiner hat sie dahin gebracht.
01:14:36
In der Einrichtung, in der sie momentan ist, ging es in der Therapie noch gar nicht um das, was sie erlebt hat,
01:14:40
sondern nur darum, sie in ihrem neuen Umfeld zu stabilisieren.
01:14:44
Das Einzige, was Nadine wegen der Verhaftung weiß, ist, dass Sex mit Kindern verboten ist.
01:14:48
Die Gedanken an das, was passiert ist, machen sie traurig und wütend, sagt sie.
01:14:52
Nachts plagen sie Albträume, in denen Benno auftaucht.
01:14:55
Erst wenn sie das Licht anmacht, kann sie den Traum von der Wirklichkeit unterscheiden.
01:14:59
Nadine hatte in ihren ersten Gesprächen mit der Polizistin gesagt, dass sie allein schuld an allem sei.
01:15:04
Dass sie jetzt nicht bei der Aussage bleibt, wettet das Gericht als Hinweis darauf, dass sie zunächst versuchte, Benno zu schützen, ihr das aber nicht konsequent gelang.
01:15:12
Nadines Aussagen sind nicht die einzigen, die Bennos Angaben widerlegen.
01:15:16
Auch andere ZeugInnen zeichnen ein Bild, das die wahre Motivation seiner Taten offenbart.
01:15:21
Eine Freundin von Silke sagt aus, dass Benno auch Silke dazu überreden wollte, Männer auf Parkplätzen anzumachen.
01:15:27
Ein anderer Zeuge gibt an, dass Benno ihn mehrfach eingeladen habe, um mit Silke Sex zu haben.
01:15:32
Benno habe anfangs nur zugesehen und erst später mitgemacht.
01:15:35
Der Mann sagt, dass er bei den Treffen nie mit Silke, sondern immer nur mit Benno gesprochen habe.
01:15:40
Benno habe auf ihn einen sehr dominanten Eindruck gemacht.
01:15:43
Für das Gericht ist also klar, dass Benno ein eigenes sexuelles Interesse daran hatte, seine Freundin beim Sex mit anderen Männern zu beobachten
01:15:50
und dass es ihn ebenfalls erregt hat, dabei zuzusehen, als Achim Nadine missbraucht hat.
01:15:55
Auch die Audioaufzeichnung, die Nadine anfertigen musste, sprechen dafür.
01:15:59
Es ging Benno bei der Zwangsprostitution vor allem um seine sexuelle Erregung.
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Auch die Chatprotokolle belegen das.
01:16:05
Dass Nadine überhaupt zu Benno und Silke ziehen sollte, war Teil des Plans, mehr Schwung ins eigene Sexualleben zu bringen.
01:16:11
Auch die Tatsache, dass Nadine zu Hause nackt rumlaufen sollte, initiierte Benno von den Niederlanden aus, um sie gefügig zu machen.
01:16:18
Und dazu benutzte er Silke.
01:16:20
Sie sollte ihre eigene Tochter darauf vorbereiten und Benno vorab mit Fotos versorgen.
01:16:27
Deswegen und weil sie ihre Tochter nicht schützte, sogar noch dabei half, sie sexuell auszubeuten und zu missbrauchen und sie zu manipulieren,
01:16:34
wird ihr ein eigener Prozess gemacht, in dem Benno eine entscheidende Rolle einnimmt.
01:16:38
Dadurch, dass er bereits bei seiner Festnahme Angaben zu Silkes Rolle bei den Taten machte,
01:16:43
ist es den Ermittlungsbehörden möglich gewesen, auch ihre Schuld sicher nachzuweisen.
01:16:48
Silke behauptet in ihrem eigenen Verfahren nämlich, die Nachrichten über den Plan Nadine zu missbrauchen,
01:16:53
die sie Benno schrieb, seien nicht ernst gemeint gewesen und wären danach auch nicht in die Tat umgesetzt worden.
01:16:58
Durch Bennos Aufklärungsarbeit nach § 46b kann nachgewiesen werden, dass das nicht der Wahrheit entspricht.
01:17:05
Die beiden schmiedeten von Anfang an den Plan Nadine so zu bearbeiten, dass sie irgendwann ohne offensichtlichen Widerstand zu sexuellen Handlungen bereit ist.
01:17:13
Deswegen führten sie sie auch langsam heran.
01:17:15
Erst durch den Sex vor ihr, dann durch die ersten Fotos, dann durch minderschweren Missbrauch, dann Missbrauch, dann ab und an schweren Missbrauch,
01:17:24
bis der schließlich mehrmals täglich stattfand.
01:17:26
Dass Silke dabei war, sollte ihrer Tochter Nadine zusätzlich noch das Gefühl der Normalität geben,
01:17:31
damit sie gar nicht erst auf die Idee kommen sollte, jemandem was von einem Übergriff zu berichten.
01:17:36
Silke bekommt bei ihrem Verfahren für den sexuellen Missbrauch von Kindern eine Freiheitsstrafe von fünf Jahren.
01:17:42
Genau wie in dem Prozess gegen Benno ist Nadine dort Nebenklägerin.
01:17:45
Auf seine eigene Strafe wirkt sich Bennos Kooperationsbereitschaft teilweise strafmildernd aus.
01:17:51
Teilweise deshalb, weil seine Gesamtstrafe aus mehreren Tatbeständen zusammengesetzt wird.
01:17:56
So wird ihm für alle Taten, von denen Silke gewusst hat, ein verhältnismäßig mildes Strafmaß zugesprochen.
01:18:02
Also darunter fallen etwa die sexuellen Handlungen der Erwachsenen von Nadine,
01:18:07
dann der vielfache sexuelle Missbrauch durch Benno,
01:18:10
sowie das Anfertigen von kinderpornografischen Bild- und Videoaufnahmen.
01:18:14
Nur im Falle des zweifachen sexuellen Missbrauchs in Achims Wohnung und der Zwangsprostitution auf dem Parkplatz
01:18:21
hält das Gericht die Strafmilderung nach 46b nicht für geboten.
01:18:24
Die Aufklärungsarbeit, die er in den anderen Fällen leistete,
01:18:27
steht nicht in Relation zu der Schwere des Unrechts der Zwangsprostitution.
01:18:31
Da fehlen einem die Worte, sagt die vorsitzende Richterin bei der Urteilsverkündung.
01:18:37
Dann wird Benno wegen der eben genannten Straftaten in 72 Fällen schuldig gesprochen.
01:18:42
Zehn Jahre muss er dafür ins Gefängnis.
01:18:45
Die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus hält das Gericht nicht für notwendig,
01:18:49
weil Bennos Pädophilie nicht in dem Maß ausgeprägt sei,
01:18:52
dass sie die Kriterien einer schweren anderen seelischen Abartigkeit erfülle.
01:18:56
Auch Achim wird der Prozess gemacht.
01:18:59
Weil er Nadines wahres Alter offenbar nicht kannte,
01:19:01
muss er nur wegen des sexuellen Missbrauchs einer Jugendlichen unter 16 Jahren
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für zwei Jahre und drei Monate hinter Gitter.
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Der Schuldspruch von Benno und ihrer Mutter bedeutet für Nadine eins.
01:19:14
Frei vom sexuellen Missbrauch, der zwei Jahre lang ihr ganzes Leben bestimmt hat
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und frei von den Manipulationen.
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Ein geregelter Alltag und der Umgang mit anderen Kindern und TherapeutInnen
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helfen ihr inzwischen dabei, die Kindheit nachzuholen,
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die sie damals bei ihrem Umzug verloren hat.
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Anfangs hat sie die Schuld vor allem bei sich selbst gesucht.
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Das ist mittlerweile vorbei.
01:19:34
Den Ring, den Benno ihr eins geschenkt hat,
01:19:36
hat sie nach einiger Zeit freiwillig abgenommen
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und die BetreuerInnen darum gebeten, ihn zu zerstören.
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Sie hat auch wieder Kontakt zu ihrem leiblichen Vater Dieter aufgenommen.
01:19:45
Die beiden schreiben sich ab und zu Briefe,
01:19:47
in denen Nadine wieder von altersgerechten Dingen erzählt.
01:19:50
Ihrem Lieblingsrapper zum Beispiel.
01:19:51
Aber die Vergangenheit hat Spuren hinterlassen.
01:19:54
Nadine berichtet, dass sie sich in ihrem Körper nicht mehr wohlfühlt
01:19:58
und jetzt lieber ein Junge wäre,
01:19:59
weil sie meint, einem Jungen wäre sowas vermutlich nicht passiert.
01:20:02
Bis sie das Erlebte also überwunden hat,
01:20:05
muss sie also noch einen langen Weg gehen.
01:20:09
vielleicht bezwingt ihn Nadine mit einem E-Bike
01:20:11
und fährt dann davon,
01:20:12
über Hügel und Berge,
01:20:14
endlich weg von ihrer Vergangenheit.
01:20:22
Das ist schon viel.
01:20:23
Das war einfach so schrecklich.
01:20:26
Ich konnte es gar nicht aushalten, dir zuzuhören.
01:20:28
Ich habe hier nur...
01:20:30
Oh Gott, es ist so schrecklich.
01:20:33
Und man wird so wütend.
01:20:37
Es ist einfach so eine unglaubliche Ungerechtigkeit.
01:20:43
Und weißt du, was mich daran auch richtig wütend macht,
01:20:46
ist, dass man sich so ungefähr vorstellen kann,
01:20:49
was irgendwann in dem Kopf des Mädchens vorgehen wird.
01:20:53
Weil, weißt du, wenn du irgendwie vergewaltigt wirst in dem Moment
01:20:56
und du bringst es in dem Moment irgendwie fertig,
01:21:00
dich zu wehren oder Nein zu sagen oder so,
01:21:03
dann kannst du dir zumindest am Ende vielleicht sagen,
01:21:05
naja, ich habe es ja versucht oder so.
01:21:08
Und dieses Mädchen wird, wie sie es am Anfang getan hat,
01:21:11
die Schuld bei sich suchen,
01:21:13
weil das natürlich ganz schwierig ist,
01:21:14
erst mal zu begreifen,
01:21:16
wie die ihren Verstand und ihr Gehirn bearbeitet haben
01:21:20
über diese ganze Zeit über.
01:21:22
Das muss sie erst mal für sich verarbeiten,
01:21:25
dass sie in dem Moment dachte, sie will das auch.
01:21:29
Und das macht mich echt sauer.
01:21:31
Also mich macht es so sauer,
01:21:33
dass diese beiden dieses Mädchen so umgeformt haben einfach
01:21:39
und so einen Einfluss auf die genommen haben.
01:21:42
Ja, und das auch noch so perfide geplant haben.
01:21:45
Dieses langsam heranführen und erst mal ist man halt nackt
01:21:50
und dann alles so und es ist alles normal.
01:21:52
Wie, wenn man das zwei Jahre so eingeprägt bekommt,
01:21:56
was alles normal sein soll,
01:21:57
wie schwierig ist das auch für das Kind,
01:22:00
dann das wieder zu lernen,
01:22:02
dass es falsch ist und zu lernen,
01:22:04
dass denen, die man, den Menschen,
01:22:05
denen man am meisten vertraut hat,
01:22:07
die man am meisten geliebt hat,
01:22:08
einen nur ausgenutzt haben.
01:22:10
Wie kann man dann,
01:22:11
also wie schwer muss es sein,
01:22:13
überhaupt wieder Vertrauen zu fassen?
01:22:15
Ja, aber interessanterweise
01:22:17
hat sie das selber schon sehr schnell begriffen.
01:22:21
Also in dem Moment,
01:22:22
wo sie wirklich aus diesem Umfeld rausgezogen wurde,
01:22:25
hat sie das ohne Therapie selber
01:22:27
alles dann begriffen,
01:22:29
was da schiefgelaufen ist.
01:22:32
und da sieht man halt auch daran,
01:22:34
dass du einfach in dem Moment,
01:22:36
wo du eine räumliche Trennung von diesem Umfeld kriegst,
01:22:38
wo du gebrainwashed wirst die ganze Zeit,
01:22:41
dass du dann auch automatisch schon merkst,
01:22:45
mir wurde hier was angetan,
01:22:47
was ich gar nicht wollte,
01:22:48
wie ich eigentlich die ganze Zeit dachte.
01:22:50
Ja, und ich glaube,
01:22:52
warum der Fall mich auch so doll mitnimmt,
01:22:56
weil man eben weiß,
01:22:58
wie oft das passiert.
01:23:00
Und dass Nadine einfach stellvertretend
01:23:04
für ganz viele Kinder steht,
01:23:05
die von Erwachsenen
01:23:07
und von den Leuten,
01:23:08
die eigentlich die beschützen sollten,
01:23:11
und benutzt werden
01:23:16
dann nicht rauskommt.
01:23:17
Das hatte uns auch das Landgericht
01:23:19
nochmal so mit auf den Weg gegeben,
01:23:22
weil man sich ja schon fragt,
01:23:27
dem Typen eine Strafmilderung zu geben
01:23:29
für diese Aussagen,
01:23:31
die er da bezüglich seiner Ex-Partnerin,
01:23:33
also Nadines Mutter gemacht hat.
01:23:34
Und die haben halt gesagt,
01:23:36
dass es wirklich super selten ist,
01:23:39
dass häuslicher Missbrauch
01:23:40
aufgeklärt werden kann
01:23:42
und dass sie sich deswegen auch
01:23:44
darauf geeinigt haben,
01:23:46
weil sie die Mutter
01:23:47
sonst ohne seine Aussagen
01:23:50
dingfest hätten machen können.
01:23:52
Ja, als ich das eben gehört habe,
01:23:54
da habe ich erst mal,
01:23:55
so hat sich alles in mir aufgebäumt
01:23:57
und ich habe gedacht,
01:23:58
nee, der kann jetzt nicht,
01:24:00
nur weil er seine Freundin,
01:24:02
die er vielleicht auch nur ausgewählt hat,
01:24:04
um dann an die Tochter ranzukommen,
01:24:07
jetzt sozusagen vor den Bus schmeißt,
01:24:10
die Frau soll natürlich verurteilt werden,
01:24:12
aber da habe ich erst mal gedacht,
01:24:14
dass er dafür dann eine Strafmilderung bekommt,
01:24:16
das kann doch nicht sein.
01:24:17
Aber ja, wir stecken ja nicht drin,
01:24:21
dass man sie sonst nicht hätte verurteilt,
01:24:24
oder nicht in dem Maße gerecht,
01:24:28
in Anführungsstrichen,
01:24:29
hätte verurteilen können.
01:24:30
Ich weiß es nicht.
01:24:32
wie ich das finden soll.
01:24:35
Ja, und ich glaube,
01:24:36
das Gefühl haben jetzt viele,
01:24:38
die das so hören.
01:24:39
Und nochmal zur Aufklärung,
01:24:44
der wurde ja wegen neun verschiedenen Straftatbeständen verurteilt.
01:24:47
Und bei sieben davon ist dieser Strafrahmen dann gemildert worden.
01:24:51
Und das waren die Straftaten,
01:24:53
von denen die Mutter halt auch was gewusst hat.
01:24:56
Und die Zwangsprostitution und dieser Missbrauch von dem Achim,
01:24:59
die wiegen halt ja,
01:25:01
habe ich ja gesagt,
01:25:02
die wiegen so schwer,
01:25:03
dass er da keine gemilderte Strafe bekommen hat.
01:25:06
und das hat mich dann ein bisschen gewundert,
01:25:08
orientiert sich da seine Strafe
01:25:11
auch eher beim unteren Drittel.
01:25:14
Also der hat zum Beispiel für die Zwangsprostitution
01:25:17
fünf Jahre bekommen,
01:25:18
obwohl da der Strafrahmen von zwei bis 15 Jahre geht.
01:25:23
Und diese Gesamtfreiheitsstrafe von zehn Jahren,
01:25:27
die er bekommen hat,
01:25:28
das ist eben das Ding,
01:25:29
das lässt sich halt nicht rückrechnen,
01:25:31
wie seine Gesamtstrafe ohne diese Strafmilderung ausfallen würde.
01:25:35
Also es gibt Länder,
01:25:37
wo das so ein bisschen transparenter gemacht wird.
01:25:40
Aber die Bildung der Gesamtstrafe in Deutschland,
01:25:42
die fällt unter das Beratungsgeheimnis der RichterInnen.
01:25:45
Und deswegen können wir nicht sagen,
01:25:47
ohne 46b hätte er die und die Strafe gekriegt.
01:25:51
Und da muss man leider auch dazu sagen,
01:25:53
dass bei der Recherche nach Fällen,
01:25:56
wo halt 46b zur Anwendung kam,
01:25:59
dass man da leider auch häufig auf Urteile
01:26:02
wegen Kindesmissbrauch stößt.
01:26:04
Also Benno ist da jetzt kein Einzelfall gewesen.
01:26:06
Und zwar wird die KronzeugInnenregelung
01:26:09
vor allem sehr häufig auch in Bezug auf pädophile Netzwerke angewandt.
01:26:13
Weil diese Netzwerke,
01:26:14
die bestehen ja immer aus mehreren TäterInnen.
01:26:16
Und so ist das dann eben für Einzelne auch leicht,
01:26:20
wenn sie gefasst werden,
01:26:22
da eine Strafmilderung zu erwirken,
01:26:24
wenn sie halt die anderen verraten.
01:26:25
Das tun halt viele.
01:26:26
Die bedeuten dir ja dann in der Regel auch nichts,
01:26:30
weil das eine Zweckgemeinschaft ist,
01:26:31
wie man dann an das Material kommt.
01:26:34
Ein Beispiel dafür ist die Darknet-Plattform Elysium.
01:26:37
Das Netzwerk hatte vor seinem Aus im Jahr 2017
01:26:41
mehr als 111.000 Mitglieder.
01:26:43
Und da war das so,
01:26:44
wer halt kinderpornografische Inhalte sehen wollte,
01:26:47
der musste vorher erst mal selber welche hochladen.
01:26:49
Und deswegen haben sich dann die Mitglieder verabredet
01:26:51
und dann gegenseitig die eigenen Kinder missbraucht
01:26:54
und das dann da angeboten.
01:26:56
Und schließlich wurden dann vor Gericht
01:26:57
die Drahtzieher der Darknet-Plattform,
01:26:59
also vier Männer aus Deutschland,
01:27:00
die wurden verurteilt.
01:27:01
Und drei von ihnen,
01:27:02
die haben sich dann auf die KronzeugInnen-Regelung berufen
01:27:05
und dann halt umfassende Angaben
01:27:08
zu den Zugangsdaten gemacht,
01:27:11
zu MittäterInnen und so.
01:27:12
Und das Gericht hat dann auch in allen drei Fällen
01:27:15
eine Strafmilderung geltend gemacht.
01:27:18
die bekamen dann Haftstrafen zwischen sechs und neun Jahren.
01:27:20
Und da denke ich mir auch wieder sechs Jahre.
01:27:23
Also das waren ja jetzt diese vier Gründer in Anführungszeichen.
01:27:28
Das heißt, die haben das erst ermöglicht,
01:27:30
dass 111.000 Mitglieder,
01:27:33
was dann für mich im Umkehrschlussjahr ungefähr bedeutet,
01:27:39
also Fälle wie zum Beispiel Nadine,
01:27:42
da drunter gefallen sind
01:27:44
oder das ermöglicht haben,
01:27:45
diese Straftaten zu begehen.
01:27:47
und dann steht da am Ende eine Haftstrafe von sechs Jahren.
01:27:51
Das ist doch einfach nur,
01:27:53
das ist ja irgendwie nicht mehr im Verhältnis.
01:27:58
Ja, und das ist halt eben auch ein großer Kritikpunkt.
01:28:02
Also das sehen viele Leute so.
01:28:04
Also einmal, dass es irgendwie ungerecht wirkt
01:28:07
dass dieses Strafmaß so intransparent ist.
01:28:10
Also wie viel Abzug haben die jetzt dafür bekommen und so.
01:28:14
weil nur bestimmte StraftäterInnen von dieser Regelung
01:28:17
wie man früher auch gesagt hat,
01:28:19
von dem Denunziantenprivileg profitieren können.
01:28:22
Und um diese Kritik,
01:28:24
da geht es jetzt einmal im Aha drum.
01:28:26
Die unabhängige Bürgerrechtsorganisation
01:28:28
Humanistische Union,
01:28:29
die kritisiert zum Beispiel,
01:28:31
dass nur solche StraftäterInnen
01:28:33
von der Regelung profitieren können,
01:28:34
die halt sehr kriminell waren.
01:28:36
Weil Beschuldigte,
01:28:38
die jetzt beispielsweise nicht wegen eines Kapitalverbrechens angeklagt sind
01:28:42
oder sich vielleicht auch innerhalb ihrer Organisation
01:28:44
bewusst von der schweren Kriminalität,
01:28:47
die da passiert ist,
01:28:48
ferngehalten haben,
01:28:49
denen fehlt dann beispielsweise das Wissen,
01:28:51
um Aufklärung zu leisten.
01:28:53
Und dann tut da sich ja schon ein bisschen die Frage auf,
01:28:55
ist denn das zu rechtfertigen,
01:28:57
gerade schwerkriminell diese Möglichkeit,
01:29:00
das Straferlass oder Milderung einzuräumen
01:29:02
und den anderen dann nicht.
01:29:04
Und dann teilweise auch nur den Vorteil
01:29:07
innerhalb der Organisation zu verschaffen,
01:29:09
die halt mehr wissen.
01:29:11
Also der ergiebige Informant,
01:29:12
der erhält das Zuckerbrot der Strafrahmenmilderung,
01:29:15
der Schweigende oder Unwissende
01:29:17
die Peitsche des Normalstrafrahmens,
01:29:20
so sagt das die Humanistische Union.
01:29:22
Der Journalist Heribert Prant,
01:29:24
der bis 2019 Mitglied der Chefredaktion
01:29:27
der Süddeutschen Zeitung war,
01:29:28
der hat die Kritik auch deutlich auf den Punkt gebracht.
01:29:30
Der sagt nämlich,
01:29:31
die KronzeugInnen-Regelung
01:29:33
macht die Gerechtigkeit zum Handelsobjekt
01:29:35
und die Justiz zum Markt,
01:29:37
auf dem man Strafen aushandelt
01:29:38
und StraftäterInnen als GeschäftspartnerInnen akzeptiert.
01:29:42
Und allein der Begriff,
01:29:43
sagen auch viele seinen Euphemismus,
01:29:46
weil KronzeugInnen sind keine ZeugInnen,
01:29:48
sondern in erster Linie eigentlich Beschuldigte
01:29:51
in diesem Verfahren,
01:29:53
die nicht ins Gefängnis wollen.
01:29:55
Und das finde ich,
01:29:56
das muss man auch immer im Hinterkopf behalten,
01:29:59
wenn von KronzeugInnen die Rede ist.
01:30:01
Auch in meinem Fall,
01:30:03
klar hat Kastra sich am Ende dann dafür entschieden,
01:30:07
sozusagen die richtige Seite zu wählen,
01:30:09
aber er war immerhin noch dabei
01:30:11
und er ist immer noch ein verurteilter Straftäter.
01:30:15
Und nur weil er oder diese Menschen
01:30:18
sich dann dafür entscheiden,
01:30:19
andere zu verpfeifen,
01:30:21
macht es sie nicht weniger zu StraftäterInnen.
01:30:24
Und was eben auch passieren kann,
01:30:26
ist, dass sie Leute verpfeifen,
01:30:28
die eigentlich eine viel geringere Schuld
01:30:30
auf sich geladen haben als sie selbst.
01:30:33
Das passiert dann halt auch.
01:30:35
Und ein weiteres Problem ist auch,
01:30:37
also wieso sind KronzeugInnen wichtig?
01:30:39
Weil es ohne ihre Aussagen
01:30:41
vielleicht nicht zu einer Verurteilung kommen würde.
01:30:44
Weil es keine anderen Beweise gibt
01:30:45
oder kaum andere Beweise.
01:30:47
Aber dementsprechend schwer ist das
01:30:50
für die ErmittlerInnen dann eben auch nachzuvollziehen,
01:30:52
ob diese Aussagen wahr sind.
01:30:54
Klar, weil man natürlich auch denken könnte,
01:30:57
als beschuldigte Person,
01:30:59
ja, ich erzähle denen jetzt,
01:31:01
was die hören wollen
01:31:03
und dann kriege ich eine mildere Strafe.
01:31:08
Und in meinem Fall war das so,
01:31:09
der Anwalt von Kasra,
01:31:11
der Steffen Schoppe,
01:31:12
der hat dem Kasra von Anfang an klargemacht,
01:31:15
dass er nicht weit kommt,
01:31:17
wenn er der Polizei was vorlügt.
01:31:19
Ich habe meinem Mandanten damals gesagt,
01:31:22
wenn Sie Angaben machen
01:31:23
und die was wert sein sollen,
01:31:25
Sie müssen wahr sein.
01:31:26
Das ist wichtig.
01:31:28
Errischt man sie beim Lügen,
01:31:29
sind Sie am Arsch.
01:31:31
So platt haben wir miteinander geredet.
01:31:33
Ja, was passieren kann,
01:31:34
wenn KronzeugInnen lügen,
01:31:35
das zeigt ein Prozess,
01:31:36
der 2012 in Kiel verhandelt wurde.
01:31:38
Da geht es um den beschuldigten Stefan R.,
01:31:41
der sich wegen Menschenhandels,
01:31:43
räuberischer Erpressung
01:31:44
und schwerer Körperverletzung verantworten muss.
01:31:46
Nach acht Monaten in Untersuchungshaft
01:31:48
will er also dann als Kronzeuge
01:31:50
gegen die Hells Angels Aussagen,
01:31:51
denen er nahesteht.
01:31:52
Und seine Aussagen führen dann
01:31:54
zu einer der größten Razzien
01:31:56
der deutschen Polizeigeschichte.
01:31:57
Die Polizei stürmt 90 Gebäude,
01:31:59
leitet 200 Ermittlungsverfahren ein
01:32:01
und reißt sogar eine ganze Halle ein,
01:32:04
weil Stefan R. sagt,
01:32:05
dass darunter eine Leiche liegt.
01:32:07
Und für seine Kooperationsbereitschaft
01:32:08
bekommt er dann eine mildere Strafe
01:32:10
von etwas mehr als vier Jahren
01:32:12
und wird sogar ins ZeugInnenschutzprogramm aufgenommen.
01:32:14
Jetzt denkt man, Jackpot,
01:32:17
da haben wir durch den ja
01:32:19
einen richtig großen Coup gemacht,
01:32:20
entpuppt sich dann allerdings
01:32:21
für die Staatsanwaltschaft
01:32:23
als peinlicher Flop,
01:32:24
denn unter der Halle
01:32:25
liegt gar keine Leiche.
01:32:26
Und auch die anderen Aussagen,
01:32:28
die Stefan R. gemacht hat,
01:32:29
da gibt es nach langwierigen Ermittlungen
01:32:31
keine Anhaltspunkte dafür,
01:32:32
dass das wahr war,
01:32:33
was er gesagt hat.
01:32:35
Stattdessen wird bekannt,
01:32:36
dass sich Stefan R.
01:32:37
noch mehreren anderen Behörden
01:32:39
als Kronzeuge angeboten hat.
01:32:40
Aber die Geschichten,
01:32:42
die er vor Gericht
01:32:43
so glaubhaft erzählt hat,
01:32:44
die sind alle stark aufgebauscht
01:32:46
oder halt auch teilweise komplett erfunden.
01:32:49
Und das dauert zwei Jahre,
01:32:51
bis die Anklagen gegen die
01:32:52
offenbar zu Unrecht beschuldigten Rocker
01:32:55
dann auch schließlich fallen gelassen werden.
01:32:57
Und dieser falsche Kronzeuge,
01:32:59
der taucht anschließend
01:33:00
in den Medien nicht mehr auf.
01:33:01
Also wir wissen jetzt nicht,
01:33:02
ob der noch im Zeugenschutzprogramm lebt.
01:33:04
Aber was bei diesem Fall
01:33:05
halt besonders ist,
01:33:06
ist, dass man dem die Falschaussage
01:33:08
jetzt mehr oder weniger
01:33:09
hat nachweisen können.
01:33:10
Aber das passiert halt nicht so oft.
01:33:13
Und dann ist eben das Problem,
01:33:15
wenn der Prozess dann schon abgeurteilt
01:33:17
und rechtskräftig ist,
01:33:18
dann kann der Kronzeuge
01:33:20
zwar im Nachhinein
01:33:21
wegen einer falschen Anschuldigung
01:33:23
zum Beispiel angeklagt werden,
01:33:25
aber theoretisch muss man dann ja auch
01:33:26
darüber nachdenken,
01:33:27
ob eine Falschaussage
01:33:28
nicht auch zu einer Wiederaufnahme
01:33:30
des Verfahrens führen müsste.
01:33:31
Also des ursprünglichen Verfahrens.
01:33:34
Ja, auf jeden Fall.
01:33:35
Also es ist ja eh sowieso
01:33:38
immer so problematisch
01:33:39
bei diesen Aussage-gegen-Aussage-Prozessen.
01:33:41
Und generell stelle ich mir ja auch die Frage,
01:33:45
wie sehr kann man denn einem Straftäter
01:33:48
oder einer Straftäterin glauben?
01:33:50
Weil zum Beispiel war das ja jetzt
01:33:53
im Fall von Kasra auch so,
01:33:54
dass er gesagt hat,
01:33:55
er wusste nichts von einem Mordauftrag.
01:33:58
Das haben ja auch alle anderen gesagt.
01:33:59
Aber das Gericht hat ihm das
01:34:02
zum Beispiel nicht geglaubt.
01:34:03
Und da finde ich es interessant.
01:34:04
Die glauben dem das nicht,
01:34:06
aber die glauben dem
01:34:07
die ganzen anderen Sachen gut.
01:34:09
Und ich bin ehrlich gesagt froh,
01:34:11
dass ich nicht entscheiden muss,
01:34:13
was jetzt gelogen ist
01:34:15
und was nicht gelogen ist
01:34:16
in solchen Fällen.
01:34:18
weil wie soll man das dann machen?
01:34:21
Ja, bei dem Fall von Benno,
01:34:24
der hat ja vor Gericht auch gelogen,
01:34:27
Die Balken wie...
01:34:29
Die Balkenbalken.
01:34:31
Aber er hat zumindest uns offenbar
01:34:34
richtige Angaben zur Mutter gemacht.
01:34:37
Ja, aber das ist natürlich...
01:34:39
Es ist alles ein dünnes Eis,
01:34:41
auf dem die sich da...
01:34:42
Auf dem die ganzen Prozessbeteiligten
01:34:45
sich da bewegen, finde ich.
01:34:46
Wobei ich glaube,
01:34:47
dass die halt auch viel Erfahrung
01:34:52
Aber ein ähnlicher Fauxpas
01:34:53
wie jetzt mit diesem Steffen R.,
01:34:54
der ist in der deutschen Justiz
01:34:55
soweit wir wissen,
01:34:56
jetzt nicht nochmal passiert.
01:34:57
Aber an dem Paragraf 46b StGB
01:35:01
wird aktuell trotz viel Kritik festgehalten,
01:35:05
obwohl er zwischenzeitlich sogar 1999
01:35:07
unter Rot-Grün abgeschafft wurde
01:35:10
und dann eben auch eben nicht mehr Teil
01:35:12
unserer Rechtsprechung war.
01:35:13
Unter anderem eben wegen dieser Kritikpunkte,
01:35:16
die wir jetzt genannt haben.
01:35:17
Aber auch, weil das Recht
01:35:19
bei bestimmten Delikten eben eh schon
01:35:21
Regelungen der Strafmilderung vorsieht.
01:35:23
Also wie eben Paragraf 31
01:35:26
vom Betäubungsmittelgesetz.
01:35:29
So, wir haben jetzt hier schon ein paar Mal
01:35:30
das Zeuginnenschutzprogramm angesprochen,
01:35:32
in das tatsächlich auch einige Kronzeuginnen
01:35:35
nach ihren belastenden Aussagen
01:35:37
dann aufgenommen werden.
01:35:38
Wir haben uns ein bisschen gefragt,
01:35:40
wie läuft das eigentlich ab?
01:35:41
Und dann leider schnell festgestellt,
01:35:43
dass es da recht wenig Informationen
01:35:46
Und der Grund dafür ist,
01:35:47
dass das Bundeskriminalamt
01:35:49
seit einiger Zeit
01:35:50
keine Infos mehr
01:35:51
oder Fallzahlen rausgibt,
01:35:53
damit eben niemand
01:35:54
Rückschlüsse auf bestimmte
01:35:55
geschützte Personen ziehen kann.
01:35:57
Also die aktuellsten Zahlen,
01:35:59
die wir gefunden haben,
01:35:59
die beziehen sich auf das Jahr 2006.
01:36:01
Und damals gab es 330
01:36:04
Zeuginnen in Deutschland,
01:36:05
die im Zeugenschutzprogramm
01:36:08
Und 262 Fälle davon
01:36:10
kamen aus der organisierten
01:36:13
handelte sich das um
01:36:14
Staatsschutzdelikte,
01:36:15
also so politisch motivierte
01:36:17
Straftaten wie extremistische
01:36:19
Und die restlichen 58
01:36:21
gehen aus anderen schweren
01:36:23
Delikten hervor,
01:36:24
aber die waren nicht
01:36:24
weiter definiert.
01:36:26
ins Schutzprogramm
01:36:28
aufgenommen wird,
01:36:29
das entscheiden in der Regel
01:36:30
die Landeskriminalämter
01:36:34
von einer Person
01:36:36
bekommt sie dann auch
01:36:43
Und dann gibt es
01:36:46
Steffen Schoppe,
01:36:47
also Kastras Anwalt,
01:36:48
hat das ja damals
01:36:50
hautnah miterlebt.
01:36:51
Kastra kam schon
01:36:52
in Untersuchungshaft
01:36:53
in den Zeuginnenschutz,
01:36:56
nichts passiert.
01:36:58
komplett abgeschirmt.
01:36:59
Ich wusste ja auch nicht,
01:37:00
wo er untergebracht war.
01:37:02
Der war eine ganze Zeit
01:37:03
aber in einer anderen
01:37:04
Ich habe nie erfahren,
01:37:06
Das ist auch gut so.
01:37:08
Ich will ja nichts wissen,
01:37:10
müsste man wahrscheinlich
01:37:11
noch lange drauf prügeln,
01:37:12
dann würde ich es erzählen.
01:37:13
Aber da man das nicht erfährt
01:37:15
und das ist auch gut so,
01:37:17
die haben ihre eigenen Regeln
01:37:20
und die sind sehr rigide.
01:37:21
Ob das nun Zeugenschutz
01:37:23
oder Personenschutz ist,
01:37:24
da dürfen sie keine Autotür
01:37:26
Sie haben das zu machen,
01:37:27
und da müssen sie sich
01:37:28
strikt dran halten.
01:37:30
überlebenswichtig.
01:37:31
Die Polizeibeamten
01:37:32
tragen ihre Haut zur Markte
01:37:34
und sie müssen sich
01:37:34
darauf verlassen können,
01:37:35
dass die geschützte Person
01:37:38
und nicht eine eigene Suppe kocht.
01:37:39
Aber ein bisschen kocht
01:37:43
irgendwie seine eigene Suppe.
01:37:46
das auch eine Quelle
01:37:47
für meinen Fall war,
01:37:49
nicht nur mehrfach
01:37:50
öffentlich in der Presse
01:37:51
und in Talkshows
01:37:53
sondern der ist auch
01:37:54
Also man sieht ihn,
01:37:55
der ist nicht geblurrt
01:37:57
Und der ist tatsächlich
01:37:59
wiederzuerkennen,
01:38:00
weil der so viele Tattoos hat
01:38:02
noch aus der Zeit
01:38:03
der Hells Angels,
01:38:06
zu verdecken sind.
01:38:07
Und bei Interviews
01:38:09
hat er zu diesem Verhalten
01:38:10
dass er sich die Buchtour
01:38:11
nicht nehmen lassen will
01:38:15
zu öffentlichen Terminen
01:38:17
wird der dann auch
01:38:18
von PersonenschützerInnen
01:38:21
zumindest nichts passiert.
01:38:23
ich habe mich neulich gefragt,
01:38:24
weil ich lasse mir
01:38:25
gerade Tattoos entfernen
01:38:28
was sehr schmerzhaft ist.
01:38:31
die das bei mir macht,
01:38:32
die hatte mit mir
01:38:33
darüber gesprochen,
01:38:34
so unterschiedlich
01:38:34
schmerzempfindlich sind.
01:38:36
sie hat zur Behandlung
01:38:37
der sich ganz viele
01:38:40
weglasern lassen möchte gerade
01:38:42
und dass dem das auch
01:38:43
ganz wichtig ist,
01:38:45
zeitnah verschwinden.
01:38:46
Und ich habe mich
01:38:47
die ganze Zeit gefragt,
01:38:49
für Tattoos sein
01:38:50
und war natürlich schon so,
01:38:52
ob der aus irgendeiner Szene
01:38:53
ausgestiegen ist,
01:38:53
aber vielleicht sollte
01:38:55
Kasra darüber mal nachdenken.
01:38:57
Dann wäre er zumindest
01:38:59
nicht mehr so auffällig.
01:39:00
nun ist er ja eh
01:39:01
im Zeuginnenschutzprogramm
01:39:03
und wie wir herausgefunden haben,
01:39:05
ist Menschen da bisher
01:39:06
auch noch nichts passiert.
01:39:08
Also zumindest nicht,
01:39:09
dass es bekannt wäre.
01:39:11
Aber es gibt Kritik von Personen,
01:39:12
die das Programm
01:39:13
inzwischen wieder verlassen haben.
01:39:14
Eine deutsche Autorin,
01:39:16
die unter dem Pseudonym
01:39:17
Doris Glück bekannt ist
01:39:19
und früher mit einem
01:39:20
Al-Qaida-Terroristen
01:39:21
verheiratet war,
01:39:22
die hat der Polizei
01:39:24
jahrelang dabei geholfen,
01:39:25
IslamistInnen zu identifizieren.
01:39:27
Und ihre Gefährdung
01:39:28
war irgendwann so hoch,
01:39:29
dass ihr im Zeuginnenschutz
01:39:30
sogar zweimal das Gesicht
01:39:33
um sie für frühere Kontakte
01:39:35
dann halt unkenntlich zu machen.
01:39:36
Und nach dem Ausscheiden
01:39:39
aus dem Programm
01:39:41
gegen das Bundesinnenministerium
01:39:43
und das Bundeskriminalamt
01:39:44
wegen Verletzung
01:39:45
der Fürsorgepflicht eingereicht.
01:39:46
und Grund dafür ist,
01:39:48
ihr zur neuen Identität
01:39:51
oder Arbeitszeugnisse
01:39:54
neuen Lebenslauf
01:39:56
Und immer wenn sie sich
01:39:57
für Jobs beworben hat,
01:39:59
Zeugnisse aus ihrem
01:40:00
alten Leben vorlegen,
01:40:02
total unglaubwürdig wirkt.
01:40:04
Und zuletzt war bekannt,
01:40:05
dass Doris Glück
01:40:07
in ärmlichen Verhältnissen
01:40:10
zeitweise in einem
01:40:12
Ja, und da denkt man sich so,
01:40:13
die hat das ja jetzt auch
01:40:15
nicht alles nur zum Spaß gemacht,
01:40:17
die hat damit ja geholfen,
01:40:19
für Recht zu sorgen
01:40:20
und wahrscheinlich ja auch
01:40:21
viele Straftaten verhindert.
01:40:24
Und das ist dann sozusagen
01:40:26
Am Ende sitzt du halt da
01:40:30
der dich schützen sollte,
01:40:31
weil du ihm geholfen hast,
01:40:32
lässt dich irgendwie im Stich.
01:40:34
Und das kennen wir auch schon
01:40:35
aus einem anderen Fall,
01:40:37
den ich mal in Folge 74
01:40:39
Da ging es um eine junge Frau,
01:40:41
die 14 Jahre nach dem Ehrenmord
01:40:43
an ihrer Schwester
01:40:44
gegen ihren Vater
01:40:45
und ihren Neffen ausgesagt hat.
01:40:46
Die Polizei hatte ihr
01:40:48
damals Versprechungen
01:40:49
wie einen Studienplatz,
01:40:51
einen neuen Namen
01:40:51
und auch die nötigen
01:40:52
finanziellen Mittel gemacht.
01:40:54
Kurz nach ihrer Aussage
01:40:56
wurden beide Männer
01:40:58
aber neue Papiere
01:40:58
und finanzielle Unterstützung
01:41:00
hat die Zeuge nie erhalten.
01:41:01
Deswegen hat die sich dann
01:41:04
einen Anwalt genommen
01:41:05
und der hat über den Fall
01:41:06
in der Kölnischen Rundschau gesprochen.
01:41:08
Daran kritisiert er unter anderem,
01:41:09
dass gefährdete ZeugInnen
01:41:11
schutzlos dem Ermessen
01:41:12
und gegebenenfalls auch
01:41:13
der Willkür der Behörden
01:41:15
ausgeliefert seien
01:41:16
und es an einer gesicherten
01:41:18
für KronzeugInnen fehle.
01:41:20
Ja, und ich weiß von Perry e.V.,
01:41:21
das ist ein Verein,
01:41:22
der quasi für genau solche Fälle
01:41:24
auch zuständig ist,
01:41:25
also der vor allem
01:41:26
muslimische Frauen fördert,
01:41:27
in ihrer Familie
01:41:28
mit Unterdrückung
01:41:29
und Ungleichbehandlung
01:41:31
zu kämpfen haben.
01:41:32
Die haben ja erzählt,
01:41:33
dass sie tatsächlich
01:41:34
viele Hürden überwinden müssen,
01:41:35
bis jemand auch tatsächlich
01:41:37
mal offiziell untertauchen kann.
01:41:38
Und gleichzeitig
01:41:39
ist es natürlich wahnsinnig wichtig,
01:41:42
aus solchen Umfeldern
01:41:43
dann keine Angst
01:41:44
davor haben müssen,
01:41:45
wenn sie sich schon
01:41:47
dass sie dann halt
01:41:48
wegen der Bürokratie
01:41:50
um ihre Sicherheit
01:41:53
Und das war es jetzt
01:41:54
zum Thema KronzeugInnen.
01:41:56
Wir müssen aber heute
01:41:58
auch noch über ein
01:41:59
ganz anderes Verbrechen
01:42:02
in Anführungszeichen
01:42:07
ganz Deutschland
01:42:11
wovon du sprichst
01:42:12
und ich sage euch
01:42:14
es ist ein Fall,
01:42:15
Dreistigkeit und
01:42:18
nicht zu überbieten.
01:42:20
um den Cold Case
01:42:22
Es ist ein Samstag,
01:42:26
Die uhrige Kneipe
01:42:28
ist gut besucht,
01:42:29
hat der 1. FC Köln
01:42:33
ein Kölsch nach dem
01:42:35
bahnt sich den Weg
01:42:37
durch den verqualmten
01:42:39
Erfrischung zu servieren.
01:42:41
die harte Schicht
01:42:42
oft allein stemmen muss,
01:42:51
des Star-Podcasters,
01:42:54
der Kneipe gehört.
01:42:54
Er ist sozusagen
01:42:57
für alle Kölsch-Jünger,
01:42:58
die hier einkehren.
01:42:59
Doch seit letztem
01:43:04
sich wieder einmal
01:43:05
Zigaretten zu greifen,
01:43:16
soweit wurde das
01:43:17
bisher rekonstruiert,
01:43:19
das Porträt von Schmitti
01:43:21
wurde in dieser Zeit
01:43:22
entwendet und ist
01:43:23
seitdem nicht mehr
01:43:26
Wirtin Uschi sagt,
01:43:28
wir hatten nicht genügend
01:43:30
also um den Schmitti
01:43:36
das letzte Mal gesehen
01:43:37
und es gibt aber
01:43:38
keine ZeugInnen dafür,
01:43:39
was danach passiert ist
01:43:41
und wo er jetzt ist
01:43:42
und bisher hat sich
01:43:43
auch noch niemand
01:43:43
bei den Kollegen
01:43:45
Jakob und Schmitti
01:43:46
von Baywatch Berlin
01:43:47
Das Schmitti-Bild
01:43:49
spurlos verschwunden.
01:43:51
Und wir wurden jetzt
01:43:52
um Hilfe gefragt,
01:43:53
also Wirtin Uschi
01:43:55
und die von Baywatch Berlin,
01:43:56
die haben schon mehrere
01:43:56
Kränze Bier in Aussicht gestellt
01:44:00
zum Aufenthaltsort
01:44:01
von Schmitti geben können.
01:44:03
nach einem 60 mal
01:44:06
mit silbernem Rahmen.
01:44:08
Darauf zu sehen,
01:44:09
ein unfrisierter Mann
01:44:11
und siebeneinhalb Tage Bart,
01:44:14
Thomas Schmitt aussieht.
01:44:18
gibt es verschiedene Theorien
01:44:19
und wir bei Mordlust
01:44:21
wollen uns da ja
01:44:22
nicht an Spekulationen
01:44:24
ich muss hier doch sagen,
01:44:27
dass da recht viele Hinweise
01:44:30
auf eine bestimmte Person
01:44:33
da weißt du mehr
01:44:36
Wer ist deiner Meinung nach
01:44:38
der Hauptverdächtige?
01:44:40
also da muss ich selbst
01:44:42
meine Betroffenen-Geschichte
01:44:44
und ich weiß jetzt nicht,
01:44:44
ob mir das gelingen wird,
01:44:46
weil ich das noch nicht
01:44:47
so richtig verarbeitet habe.
01:44:48
Vielleicht sagt mir da auch
01:44:49
die Stimme das ein oder andere
01:44:50
aber ich versuche mich
01:44:54
da war diese legendäre
01:44:55
Weihnachtsfeier von Seidenstücker,
01:44:57
also von unserem Management.
01:44:58
Und da gab es viel zu essen
01:45:00
und viel zu trinken
01:45:01
und auch Geschenke.
01:45:02
Wir alle haben so riesige Boxen bekommen
01:45:04
und da dachte ich,
01:45:05
jetzt kann ich unter meinem
01:45:06
mickrigen Weihnachtsbaum
01:45:07
auch was auspacken.
01:45:10
du warst ja leider nicht da
01:45:12
Nee, ich muss mein Geschenk
01:45:13
auch noch abholen.
01:45:14
Meins liegt ja noch
01:45:15
im Büro vom Management.
01:45:16
Naja, nachdem der offizielle Part
01:45:18
wollten dann ein paar von uns
01:45:20
erst in eine Bar
01:45:21
und Jakob hat uns
01:45:23
im Auto mitgenommen
01:45:24
und wir werfen dann halt
01:45:25
alle unsere Geschenke
01:45:26
in den Kofferraum
01:45:27
und die Jungs machen vorne
01:45:33
haben wir dann gesungen
01:45:34
und wirklich toll dachten.
01:45:35
Ich habe mich richtig
01:45:37
und ich habe mich da auch
01:45:39
in einer sicheren Umgebung
01:45:41
und da wusste ich ja noch nicht,
01:45:42
was dann später passieren wird.
01:45:45
wir stehen vor einer Bar
01:45:47
und die hatte dann zu
01:45:48
und dann wollten wir
01:45:50
zur nächsten fahren
01:45:51
und dann sagt Jakob plötzlich,
01:45:53
und dann ließ er ganz perfide
01:45:56
uns alle da alleine
01:45:59
so stelle ich mir das
01:46:01
zumindest gedanklich vor,
01:46:02
mit quietschenden Reifen
01:46:03
und den fünf Geschenken davon.
01:46:07
da ist jemand also schon
01:46:08
quasi vorbestraft
01:46:10
in genau der Straftat,
01:46:13
bei diesem Bilderraub
01:46:16
Also vorbestraft
01:46:18
Ich sehe hier einen Täter,
01:46:20
der bisher ungehindert
01:46:24
und bei Mordlos geht es ja viel
01:46:26
um die Psyche der TäterInnen
01:46:27
und um auch ihr psychologisches Profil
01:46:32
I do not treat him,
01:46:33
aber da muss man doch mal sagen,
01:46:34
dass man hier ganz klar sieht,
01:46:36
dass Jakob schon vorher
01:46:37
verhaltensauffällig war
01:46:38
und was auch noch
01:46:39
für Jakob spricht,
01:46:40
dass die TäterInnen ja meistens
01:46:41
aus dem engen Umfeld
01:46:45
Und jetzt kann man mir doch nicht sagen,
01:46:46
dass man da keinen Zusammenhang sieht.
01:46:48
Was wir beim Mordos aber ja auch
01:46:50
immer predigen ist,
01:46:51
im Zweifel für den Angeklagten
01:46:53
und solange noch kein Urteil
01:46:54
gesprochen wurde,
01:46:55
gilt die Unschuldsvermutung.
01:46:58
aber die haben den armen Schmitti
01:46:59
nicht mal aufs Cover gelassen.
01:47:01
Also ich glaube,
01:47:02
es war wirklich eine Eifersuchtstat,
01:47:04
weil der Schmitti da so präsent stand
01:47:08
gepaart mit einer eventuell
01:47:10
vorliegenden Kleptomanie.
01:47:12
ich bin noch nicht ganz überzeugt
01:47:15
es ist auch wirklich nicht förderlich,
01:47:18
wenn man sich jetzt so
01:47:18
am Anfang einer Ermittlung
01:47:20
schon so auf jemanden versteift,
01:47:22
weil man dann oft eben
01:47:24
einfach auch nicht mehr sieht.
01:47:26
Also wir wissen nicht,
01:47:29
Wir wissen nicht,
01:47:29
was du für Gründe hattest,
01:47:31
aber wir wissen eines.
01:47:32
Du hast Schmittis Bild entwendet
01:47:36
und du wirst dabei
01:47:37
nicht alleine gewesen sein.
01:47:38
Irgendwer wird dich gesehen haben
01:47:40
und wir appellieren jetzt
01:47:42
an euer Gewissen.
01:47:43
Rückt den Schmitti wieder raus,
01:47:46
damit Baywatch Berlin
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zum Alltag zurückkehren kann.
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der taucht nachher
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wie diese Christkindpuppe
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vom Berliner Weihnachtsmarkt
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in einem geschmacklosen
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Spider-Man-Strampler
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bei der Bild-Zeitung wieder auf.
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Das war ein Podcast,
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der Partner in Crime.
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Hosts und Produktion
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und Laura Wohlers.