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#115 Abbruch

Aufgepasst, wir brauchen das Wissen von ExpertInnen, um zu klären, woher kommen die Leichen im
Garten meines Hausarztes.
Laura, du erinnerst dich, ich erzählte hier kürzlich davon, dass der Sohn meines Hausarztes
im Garten spielte und zwar an der Stelle, wo vorher einen sturmenden Baum entwurzelt hatte.
Und da hatte er Knochen gefunden, menschliche Knochen.
Ja, und das war ja sogar nicht nur von einer Leiche, richtig?
Weil ich hatte dann, glaube ich, die Theorie aufgestellt, dass es sich möglicherweise um
einen alten Friedhof gehandelt haben könnte.
Ach guck, und das habe ich schon wieder ganz vergessen, dass das klar war, dass das von
zwei unterschiedlichen Personen stammte.
Also das Ganze, das spielt in deren Ferienhaus in Nordbrandenburg.
Auf jeden Fall hatte die Polizei da nach diesem Knochenfund jetzt Grabung veranlasst und es
gibt Ermittlungsergebnisse jetzt, aber wir sind uns nicht ganz so sicher, ob das stimmt, was
die meinem Hausarzt erzählt.
Also meinem Arzt wurde mitgeteilt, dass die Knochen von zwei verschiedenen Menschen stammen.
Okay, das wussten wir schon.
Und dass die eine Person wohl 1000 nach Christus geboren ist und die andere 1200 nach Christus.
Nein.
Also sind die so alt?
Ja, angeblich.
Und nun wurde meinem Hausarzt weiß gemacht, es hätte sich ein Historiker damit beschäftigt.
Und in dieser Zeit hätte es ein, und das weiß mein Arzt leider nicht mehr so genau, also ein
flämisches oder ein wallonisches Wanderregiment gegeben, das auf dem Weg nach Osten war und
dann unter anderem da in der Gegend Schlachten geführt hätte.
Aber jetzt kommt's und zwar nicht genau da, wo das Haus meines Arztes steht, aber irgendwo
und dann hätte man dort Friedhöfe angelegt und durch Erdbewegungen sollen diese zwei Personen
an die Stelle gerobbt worden sein, wo sie dann von seinem Sohn gefunden wurden.
Also diese beiden Leichen sollen ehemalige Krieger gewesen sein.
Ja, also das wissen wir jetzt nicht.
Das kann auch eine Mutter gewesen sein.
Was auch immer.
Ja, okay.
Hört sich für mich jetzt ein bisschen wirr an, dass sie so wandern können, diese Leichenknochen.
Auf der anderen Seite, wenn sie so alt sind, kann das ja auch Millimeter pro Jahr gewesen sein oder so.
Keine Ahnung.
Also für die Polizei ist der Fall jetzt auf jeden Fall abgeschlossen, aber wir haben Fragen.
Und vielleicht fühlt sich ja jemand von den ZuhörerInnen angesprochen, der oder die,
die sich auskennt mit Erdbewegungen oder Geschichte.
Ich habe versucht, diese Wanderregimente zu ergoogeln.
Das fiel mir jetzt allerdings sehr schwer kurz vor der Aufnahme.
Aber was ich noch lustig finde, die Polizei hat gesagt, die könnten jetzt auch einfach weiter im Garten graben und buddeln.
Was ist das denn für eine komische Ansage?
Was ist das denn für eine komische Ansage?
Als würde man jetzt gleich los und weiter nach diesen Knochen suchen, damit man die dann behalten kann oder sich ins Wohnzimmer stellen kann.
Ja, aber Moment, mir spielt das tatsächlich ganz gut in die Karten, denn die Tochter meines Hausarztes, die ist neun Jahre alt und die hat so einen kleinen Faible.
Die ist nämlich ganz scharf auf meinen Knochen aus meinem Ellenbogen, den sie mir bei der OP rausgenommen haben, wo sie nicht wussten, wo der eigentlich herkommt und hingehört.
Und auf den hat sie das abgesehen.
Und ich habe jetzt die Hoffnung, dass wenn sie da noch einen anderen menschlichen Knochen findet, dass sie dann von der Idee ablässt, meinen Knochen haben zu wollen, aus dem ich mir ja immer noch diese Kette machen lassen möchte.
Okay.
Ja, wenn das jemanden glücklich macht, dann soll sie die Schaufel rausholen.
Und damit herzlich willkommen zu Mordlust, einem Podcast der Partner in Crime.
Wir reden hier über wahre Verbrechen und ihre Hintergründe.
Mein Name ist Paulina Kraser.
Und ich bin Laura Wohlers.
In jeder Folge haben wir ein bestimmtes Oberthema, zu dem wir zwei wahre Kriminalfälle nacherzählen, über die diskutieren und auch mit Menschen mit Expertise sprechen.
Hier geht es um True Crime, also auch um die Schicksale von Menschen.
Bitte behaltet das immer im Hinterkopf, das machen wir auch.
Selbst dann, wenn wir zwischendurch mal etwas ungehemmter kommentieren.
Das ist für uns so eine Art Comic Relief, aber natürlich nicht despektierlich gemeint.
2018 führt sich eine verzweifelte 34-jährige Frau in Argentinien Petersilienstile in ihre Scheide ein.
Grund dafür, sie versucht heimlich abzutreiben.
Heimlich deshalb, weil ärztliches Fachpersonal Abbrüche in Argentinien nur nach Vergewaltigung oder bei einer Gefahr für das Leben der Mutter erlaubt.
Warum die Frau den Abbruch wollte, das wissen wir nicht und das ist uns auch völlig egal, feststeht, dass sie das halt nicht machen durfte.
Und deswegen griff die Frau dann eben zu der Petersilie.
Deren Inhaltsstoffe regen nämlich die Gebärmuttermuskulatur an und können somit einen Schwangerschaftsabbruch herbeiführen.
Aber können ist an dieser Stelle ganz wichtig zu betonen, weil das ein Abbruch so gelingt, ist alles andere als sicher.
Und dazu noch sehr gefährlich, was wir leider auch an ihrem Beispiel sehen.
Die Gebärmutter der Frau entzündet sich nämlich, sie wird notoperiert, aber jede Hilfe kommt zu spät.
Die Frau stirbt und hinterlässt einen zweijährigen Sohn.
Und das ja nur, weil sie durch die Gesetzeslage keinen anderen Ausweg sah, als den Abbruch auf diese Weise vorzunehmen.
Und tatsächlich ist die Idee mit der Petersilie schon sehr alt.
Das hat man nämlich im Mittelalter so gemacht.
Damals war Petersilie als das Hexenkraut bekannt und viele Straßen im Rotlichtmilieu hatten damals den Namen Petersiliengasse,
Weil die Sexarbeiterinnen da, die hatten natürlich noch keine Verhütungsmittel und die konnten sich auch keine Kinder leisten.
Und deshalb erzählt man, dass sie in ihrer Not dann öfter zur Petersilie gegriffen haben.
Und diese Frau, von der Laura gerade erzählt hat, die hatte das ja 2018 gemacht.
Mittlerweile hat sich die Rechtslage in Argentinien jetzt zwar dort geändert,
aber in vielen anderen Ländern müssen Schwangere sich noch immer in Gefahr begeben, um einen Abbruch vorzunehmen,
Weil sie eben dort illegal sind.
Und auch bei uns in Deutschland stehen Schwangerschaftsabbrüche generell unter Strafe, außer halt bei gewissen Ausnahmen.
Diese Ausnahmefälle, die gab es 2021 95.000 Mal.
Also so oft haben Frauen vor zwei Jahren ihre Schwangerschaft in Deutschland abgebrochen.
Aber bei Schwangerschaftsabbrüchen geht es nicht immer nur um die Schwangere,
die sich nach § 218 Strafgesetzbuch eines Verbrechens schuldig machen kann, wie mein Fall zeigt.
Alle Namen habe ich geändert.
Die Polizei aus Aschaffenburg bittet um ihre Mithilfe.
Seit dem 13. Mai 2015 wird die 24-jährige Lilly Winterfeld vermisst.
Sie ist etwa 1,60 groß und hochschwanger.
Sie hat schwarze Haare mit roten Strähnen und ein Piercing in der Lippe.
Auf dem linken Unterarm trägt sie ein Schmetterlingstattoo.
Als sie verschwand, war sie möglicherweise mit einer hellgrauen Leggings und einem schwarzen Oberteil mit Gepardenmuster bekleidet.
So heißt es in der Vermisstenmeldung, die der Polizei vorliegt.
Was die Beamtinnen bisher nicht wissen, ist, dass nur kurz vor Lillis Verschwinden ein Bote vor ihr stand, der mit tödlicher Fracht kam.
Im September 2014 heißt es im Aschaffenburger Stadtteil Striedwald wieder einmal mein letzter Wunsch, bevor ich sterbe, noch eh mal auf die Gickels kerb.
Bereits zum 66. Mal findet das traditionelle Volksfest dieses Wochenende statt.
Draußen auf dem kleinen Rummelplatz mischt sich der Duft von gebrannten Mandeln mit den bunten Lichtern der Fahrgeschäfte,
während in dem in bayerischen Landesfarben geschmückten Festzelt Hunderte ausgelassen auf den Tischen und Bänken tanzen.
Immer wieder, wenn ein lautstarkes Pro sieht durch den Raum halt, reißen die Menschen in Dirndl und Lederhosen ihre Bierkrüge zum Anstoßen in die Höhe.
So auch Lilli, die an diesem Abend mal wieder mit Patrick ins Gespräch kommt, dem Mann, mit dem sie immer mal wieder in die Kiste hüpft.
Auch heute knistert die Luft zwischen den beiden und nach ein paar Maß kommen sie sich näher, können die Finger nicht mehr voneinander lassen,
bis eins zum anderen führt und sie auch in dieser Nacht die Hüllen fallen lassen.
Eine Entscheidung, die weitreichende Konsequenzen für beide haben wird.
Und eine, die Lilli nach ein paar Monaten schon wieder vergessen hat.
Grund dafür ist unter anderem Leon, in dem sie sich über beide Ohren verknallt hat.
Mit dem 24-Jährigen ist von Anfang an alles ganz anders als mit Patrick.
Es geht nicht nur um Sex, es ist ernster, gesetzter, verlässlicher.
Obwohl die beiden sich noch gar nicht so lange kennen.
Und Leon zeigt nicht nur ihr gegenüber Liebe und Verständnis, auch ihrem dreijährigen Sohn Elias gegenüber,
den Lilli mit in die Beziehung bringt.
Lilli ist im siebten Himmel und in diesem gibt es von nun an für einen keinen Platz mehr.
Patrick.
Das glaubt sie zumindest, bis sie erfährt, dass sie schwanger ist und klar wird,
dass das kleine Wesen, das jetzt schon länger unbemerkt in ihr heranwächst, nur von einem sein kann.
Von Patrick.
Nicht gerade die besten Voraussetzungen für ihre Beziehung mit Leon, das ist Lilli klar.
Doch sie versucht, aus der verzwickten Situation das Beste zu machen, mit offenen Karten zu spielen und ehrlich zu sein.
Aufrichtig, aber nervös erzieht sie Leon von Patrick und der verhängnisvollen Nacht im September.
Als sie aufhört zu sprechen, setzt Leon an.
Ohne zu zögern, erklärt er ihr, dass er ihr helfen wird, wenn sie das Kind bekommen möchte.
Dass er es mit ihr zusammen großziehen würde.
Leon reagiert so, wie Lilli es sich gewünscht, aber nicht zu träumen gewagt hätte.
Sie ist unendlich erleichtert.
Dem Start in eine neue Zukunft mit Leon steht nichts im Weg.
Und so dauert es auch nicht lange, bis die zwei zusammenziehen.
Sie freuen sich auf das Kind, das eine kleine Tochter wird und bereiten ihre vier Wände für ihre Ankunft vor.
Auch Lillis Familie freut sich mit den beiden.
Mutter Dagmar und Papa Norbert können von Elias nicht genug bekommen
und ihre Herzen haben auch noch Platz für ein zweites Enkelkind.
Dagmar erklärt ihrer Tochter aber, dass sie auch Patrick von dem Baby erzählen müsse.
Schließlich sei er der biologische Vater und habe demnach ein Anrecht darauf.
Lilli sieht das ein und steht wenige Tage später vor ihm.
Als sie Patrick darüber aufklärt, dass er schon in wenigen Monaten Vater einer kleinen Tochter wird,
reagiert er ganz anders als Leon.
Patrick zeigt sich über die vollendete Tatsache überhaupt nicht erfreut.
Im Gegenteil, nach nur wenigen Sätzen drängt er darauf, dass Lilli die Schwangerschaft abbricht.
Er bietet ihr sogar Geld dafür.
Doch dazu ist Lilli nicht bereit.
Warum sollte sie?
Sie kann Patricks Problem nicht nachvollziehen.
Da Leon sich sogar bereit erklärt hat, sich als Vater eintragen zu lassen,
müsse Patrick ja nicht mal unbedingt Unterhalt zahlen.
Aber der lässt sich nicht beruhigen, besteht weiterhin auf einem Abbruch.
Die beiden gehen im Streit auseinander und Lilli versteht die Welt nicht mehr.
Letztendlich ist es ihr aber auch egal.
Sie will sich auf ihre Beziehung mit Leon, ihren kleinen Sohn Elias und ihre ungeborene Tochter konzentrieren,
die sie jetzt schon Maya getauft hat und auf die sie sich unheimlich freut.
Als Lilli im vierten Monat ist, klingelt dann plötzlich ihr Handy.
Am anderen Ende der Leitung kann sie Patricks Stimme vernehmen.
Seit ihrem letzten Gespräch hatten die beiden keinen Kontakt mehr und Lilli hatte schon gedacht, er würde sich nicht mehr melden.
Doch auch jetzt will er nicht wirklich mit ihr sprechen, sondern nur weiter auf sie einreden.
Er möchte, dass sie die Schwangerschaft sofort abbricht.
Patrick erzählt ihr von den Niederlanden, wo man mindestens bis zur 22. Schwangerschaftswoche anonym und straffrei abtreiben könne.
Er würde auch alles bezahlen, jeden Cent.
Er redet und redet, aber Lilli gibt nicht nach.
Eine Abtreibung kommt für sie einfach nicht in Frage.
Warum ihre Ex-Klamme sich so sehr gegen das Kind sträubt, obwohl er im Endeffekt nichts mit seiner Tochter zu tun haben muss, kann Lilli nicht verstehen.
Aber sie weiß auch nichts von Patricks großem Kartenhaus aus Lügen, das er sich in den letzten Jahren mühsam aufgebaut hat.
13 Jahre zuvor.
Patrick hat einen super Fang gemacht, wie seine Kumpels sagen.
Er hat die eine gefunden.
Die eine, die ihn nimmt, wie er ist.
Seine große Liebe Annika.
Und seit er Annika kennengelernt hat, geht es in seinem bisher chaotischen Leben steil bergauf.
Sie ist nämlich dafür verantwortlich, dass er es aus dem Marihuanasumpf schafft und die Kurve kriegt.
Doch nicht nur sie, auch ihre Eltern greifen Patrick unter die Arme, wo sie nur können.
Sie nehmen ihn auf, behandeln ihn wie ihren eigenen Sohn und sind ihm die Familie, die er sich selbst immer gewünscht hat.
Mit einer alkoholkranken Mutter und einem Lkw-fahrenden Vater, der selten zu Hause war, hatte er nie diesen Familienzusammenhalt gespürt, den er jetzt hat.
Mit Annika bekommt Patrick 2012 auch sein erstes Kind, einen kleinen Sohn namens Johann, den er über alles liebt.
Um ihr Glück perfekt zu machen, heiraten Patrick und Annika zwei Jahre später.
Patricks Familie ist weder bei der standesamtlichen noch bei der kirchlichen Trauung dabei.
Er hat den Kontakt zu ihnen komplett abgebrochen.
Um seine große Verbundenheit zu seiner neuen Familie, Annikas Familie, zu zeigen, nimmt er ihren Nachnamen bei der Heirat an.
Doch Patrick ist in Wirklichkeit nicht der Vorzeigeschwiegersohn, der er gerne wäre.
Seit Jahren betrügt er seine Frau und eine seiner vielen Sexpartnerinnen ist Lilly.
Seit vier Jahren vergnügt er sich immer wieder mit ihr.
Das letzte Mal kurz nach seiner Hochzeit mit Annika.
Das wäre auch alles okay für ihn gewesen, aber seitdem Lilly ihm offenbart hat, dass sie ein Kind von ihm erwartet, ist Patrick in Panik.
Er hat Angst, dass Annika mitsamt Johann auf Nimmerwiedersehen sagt, wenn sie herausfindet, dass er ein Kind mit einer anderen Frau gezeugt hat, während sie zusammen waren.
Und nicht nur das, wenn Annika geht, kann er natürlich auch nicht mehr auf die finanzielle Unterstützung seiner Schwiegereltern zählen.
Deren große Enttäuschung kann er sich nur ausmalen.
Patrick ist so verzweifelt, dass er sich schließlich seinem Kumpel Thomas anvertraut, mit dem er bereits seit der Schulzeit eng befreundet ist.
Als die beiden Ende April 2015 mal wieder zusammen im Fitnessstudio stehen, erzählt Patrick seinem Freund, dass Lilly schwanger ist.
Von ihm.
Ohne Umschweife macht er seinem Freund klar, was das für eine riesige Katastrophe ist.
Thomas versteht und wie immer versucht, der Freund zu helfen.
Und so sucht er nach Lösungen für Patricks Problem und tatsächlich dauert es nicht lange, bis er den ersten Vorschlag für seinen Freund parat hat.
Stoß sie doch die Treppe runter.
Boah.
Patrick weiß nicht, was er tun soll, was am besten ist.
Und mit jedem Tag, der vergeht, steigt seine Anspannung.
Die Zeit drängt.
Mittlerweile steht Lilly kurz vor der Entbindung und Patrick massiv unter Druck.
Denn von einem auf den anderen Moment sieht der mittlerweile 31-Jährige sein Kartenhaus in sich zusammenbrechen.
Bis er am 13. Mai nur noch eine Lösung sieht.
Gegen kurz nach 16 Uhr an diesem Mittwoch klingelt Leons Telefon.
Elias sei nicht vom Kindergarten abgeholt worden, tönt es vom anderen Ende.
Wie bitte?
Eigentlich hätte Lilly ihren dreijährigen Sohn heute abholen müssen.
Dass sie sich verspätet oder es gar vergisst, sieht ihr überhaupt nicht ähnlich.
Nachdem Leon aufgelegt hat, ruft er daher sofort auf Lillys Handy an.
Doch sie hebt nicht ab.
Leon macht sich immer mehr Sorgen, nachdem klar wird, dass auch Lillys Familie und Freundinnen keinen blassen Schimmer haben, wo die 24-Jährige stecken könnte.
Irgendwas muss passiert sein, das spürt Leon.
Er braucht Hilfe und deshalb meldet er sich um halb sechs mit klopfendem Herzen bei der Polizei, um seine Partnerin als vermisst zu melden.
Als Leons aufgeregte Worte die bayerischen Polizistinnen erreichen, werden sie hellhörig.
Bei einer hochschwangeren jungen Frau, die ihren kleinen Sohn nicht vom Kindergarten abgeholt hat und spurlos verschwunden ist, schrillen alle Alarmglocken.
Und so wartet die Polizei anders als bei vielen anderen vermissten Fällen von Erwachsenen nicht ab, sondern beginnt eine Stunde später bereits mit der fieberhaften Suche nach Lilly.
Bis spät in die Nacht durchkämmt ein Großaufgebot von Einsatzkräften einen Aschaffenburger Innenhof nach dem anderen und spricht mit Personen aus Lillys Bekanntenkreis.
Mit Leon, ihren Eltern Dagmar und Norbert, aber auch mit Patrick, dem Mann, von dem Lilly das Kind erwartet.
Patrick erklärt den BeamtInnen, dass er heute den ganzen Vor- und Nachmittag im Fitnessstudio war, zusammen mit seinem Kumpel Thomas.
Diese Angabe wird gleich im Anschluss überprüft.
Thomas berichtet, dass die beiden an diesem Tag bis 15.30 Uhr im Fitnessstudio trainiert haben.
Auch die Mitgliedskarte von McFit bestätigt dies.
Nachdem die Polizei auch zwei Tage nach Lillys Verschwinden immer noch keinen Anhaltspunkt für ihren Aufenthaltsort hat,
wird eine 20-köpfige Sonderkommission eingerichtet, die jedem noch so kleinen Hinweis aus der Bevölkerung nachgeht.
Drei Tage lang hält das Rätsel um Lilly ganz Aschaffenburg und Umgebung in Atem,
bis am Samstag in den frühen Morgenstunden plötzlich ein junger Mann an der Pforte der Polizeiwache steht und Angaben zu Lillys Fall machen möchte.
Der 22-Jährige ist ein Freund von Thomas, der ihm am Tag von Lillys Verschwinden unter vier Augen und mit zittriger Stimme erzählt haben soll,
Zitat, dass heute jemand sein Leben lassen musste.
Das ist der entscheidende Hinweis, auf den die Ermittlenden gewartet haben.
Noch am selben Morgen wird Thomas nochmal aufgesucht.
Mit der Aussage seines Freundes konfrontiert, bricht er zusammen und erzählt den BeamtInnen alles, was er weiß.
Daraufhin wird Thomas festgenommen und kurze Zeit später auch sein Freund Patrick.
In dem kleinen Vernehmungszimmer erfahren die Ermittlenden dann endlich, wo Lilly ist.
Es ist eine alleinstehende, verwitterte Garage mit rostigem weißem Tor in einem Industriegebiet,
neun Kilometer von Aschaffenburg entfernt, in der Lillys sterbliche Überreste versteckt liegen.
Als die Nachricht vom Tod der Schwangeren die Runde macht,
versammeln sich rund 300 Menschen für eine spontane Trauerfeier auf dem Volksfestplatz der Stadt.
Familienmitglieder, Freundinnen, aber auch Menschen, die Lilly nicht kannten, möchten Anteil an ihrem Schicksal nehmen.
Sie haben Blumen, Plakate, Bilder und Erinnerungsstücke mitgebracht.
Auf dem Boden stellen sie ein Herz aus roten und weißen Kerzen auf.
Es wird ganz still.
Die Menschen fassen sich an den Händen.
Eine Frau stimmt ein Lied für Lilly an.
Alle lauschen andächtig.
Dann tritt Leon nach vorne.
Unter Tränen richtet er einige Worte an die Menschen, die gekommen sind.
Ich vermisse sie so sehr, sagt er und schluchzt.
Auch die Trauergemeinde wischt sich die Tränen aus den Augen.
Unter ihnen sind einige Kinder.
Ein paar so alt wie Elias, um den sich jetzt Lillys Eltern Dagmar und Norbert kümmern.
Immer wieder quengelt der Kleine und sagt, ich will zu meiner Mama.
Ach, das ist ja furchtbar.
Ja, ganz schlimm.
Knapp ein Jahr später, am 6. April 2016, beginnt am Landgericht Aschaffenburg der Prozess gegen Patrick und Thomas.
In dem großen Sitzungssaal mit der Nummer 168 sind die knapp 100 Plätze für ZuschauerInnen bis auf den letzten besetzt.
Fast alle aus Lillys Familie, viele Bekannte und Freundinnen sind gekommen.
Wem man dagegen vergeblich sucht, ist Patricks Familie.
Weder Annika noch seine Schwiegereltern noch seine eigenen Eltern sind da.
Dagmar und Norbert haben beschlossen, die Nebenklage anzutreten.
Sie wünschen sich Gerechtigkeit, denn seit dem Verlust ihrer jüngsten Tochter ist für sie kein Tag mehr wie bisher.
Orte, an denen sie früher gerne mit Lilli und Elias waren, können sie heute nicht mehr besuchen.
Zu groß ist der Schmerz der Erinnerungen und zu gering ihre Kraft.
An den Prozess haben sie jetzt große Erwartungen.
Sie hoffen auf ein faires Verfahren und auf langjährige Haftstrafen für Patrick und Thomas.
Auf ein Urteil, das das Leid, das sie jeden Tag verspüren, widerspiegelt.
Und gleichzeitig bleibt die beiden eine große Angst.
Es ist die Angst vor genau dem Moment, der sich jetzt in dem Gerichtssaal mit den hölzernen Wänden zuträgt.
In Handschellen und in Begleitung mehrerer Polizeibeamtinnen werden Thomas und Patrick nacheinander hineingeführt.
Beide sind leger in Jeans gekleidet und beide nehmen auf den schwarzen Stühlen der Anklagebank Platz.
Links sitzt Thomas neben seinem Anwalt, daneben Patrick.
Er trägt einen grauen Pullover mit V-Aufschnitt.
Genau gegenüber sind Lillys Eltern platziert, die den beiden Männern, die ihrer Tochter und ihrer ungeborenen Enkelin das Leben genommen haben, nun direkt in die Augen blicken können.
Angeklagt sind sie wegen Mordes in Tateinheit mit Schwangerschaftsabbruch und Beihilfe.
Mit der Verlesung der Anklageschrift wird der Prozess schließlich eröffnet und die Anwesenden an Lillys Todestag zurückkatapultiert.
Am Nachmittag des 13. Mai 2015 steht Patrick in seiner Wohnung in Seilauf nahe Aschaffenburg, in der er mit seiner Frau Annika und seinem zweijährigen Sohn Johann lebt und packt wie so oft seine Sporttasche.
Doch heute gesellen sich zu seinen Sportklamotten auch eine Regenhose, eine Regenjacke, Kabelbinder, Klebeband und Einmalhandschuhe.
Diese Kleidungsstücke wählt Patrick nicht zufällig aus.
Sie erinnern ihn an den Mann, der so häufig vor seiner eigenen Tür steht, der Postbote.
Und genau als solcher verkleidet, will er sich zutritt zu Lillys Haus verschaffen, damit er nicht direkt erkannt wird.
Auch ein Spannbetttuch legt Patrick in das Ablagefach seines Rollers, bevor er sich auf den Weg zum Fitnessstudio macht.
Auf dem Parkplatz trifft er Thomas, der wie verabredet bereitsteht und ihm den Schlüssel zu seinem Suzuki Swift überreicht.
Um kurz vor zwei beginnen die beiden sich dann ihrer Lieblingsbeschäftigung zu widmen.
An den schweren Geräten des Studios stehen sie ihre Muskeln.
Allerdings beendet einer der beiden das Training heute nicht wie sonst zusammen mit dem anderen.
Nach nur wenigen Minuten verabschiedet sich Patrick von seinem Freund, drückt ihm seine Mitgliedskarte in die Hand und begibt sich in die Umkleide.
Dort reißt er sich die Sportklamotten vom Leib und schlüpft in seine mitgebrachte Postbotenuniform.
Dann geht er raus zum Parkplatz, setzt sich in Thomas' Auto und fährt los zu Lillys Wohnung.
Er kann sie tatsächlich überzeugen, mit ihm ins Auto zu steigen und an einen nahegelegenden Wald zu fahren.
Dort angekommen, bahnen sie sich ihren Weg Schritt für Schritt tiefer ins dunkle Grün.
Die hochschwangere Lillie voraus, Patrick hinterher, bis er sich plötzlich auf sie stürzt.
Also das ist halt richtiges Horror-Filmmaterial.
Ja.
Unter ihrem Rücken spürt die 24-Jährige auf einmal den kühlen Waldboden und auf sich eine große Schwere.
Patrick liegt direkt auf ihrem kugelrunden Babybauch und begräbt sie mit seinem Gewicht unter sich.
Lillie schaut nach oben, will sich aufrichten, doch noch bevor sie sich bewegen kann, legen sich Patricks Hände um ihren Hals.
Im nächsten Augenblick bleibt ihr die Luft weg.
Sie kann nicht mehr atmen, Panik steigt in ihr auf, ihr Herz schlägt wie wild.
Patrick drückt mit aller Kraft zu, aber Lillie kämpft.
Also dreht Patrick sie auf den Bauch und kniet sich auf ihren Rücken.
Dann legt er seinen rechten Arm um ihren Hals und drückt erneut zu, solange er kann.
Schließlich zieht er auch die Kabelbinder um Lillies Hals, so lange, bis sie kein Geräusch mehr von sich gibt und zwei Herzen aufhören zu schlagen.
Zuerst das von Lillie und kurz danach auch das Kleine in ihrem Bauch.
Die Leiche von Lillie zieht Patrick mithilfe des mitgebrachten Spannenbetttuchs zurück zum Wagen und bringt sie zu einer Garage, die er bereits vor mehreren Jahren angemietet hat.
Dann macht sich Patrick auf den Weg nach Hause, zu seinem Sohn und seiner Frau, die morgen Geburtstag hat.
So legt er auf dem Weg noch einen kurzen Stopp ein und besorgt einen Blumenstrauß für seine große Liebe Annika, die niemals etwas von Lillie und Maya erfahren soll.
Während die grausamen Details der Tat nun durch den Gerichtsall tönen, könnte man eine Stecknadel zu Boden fallen hören.
So leise ist es.
Einigen im Publikum steigen die Tränen in die Augen.
Patrick hingegen lauscht regungslos mit offen stehendem Mund.
Er selbst sagt nichts, dafür lässt er von seinem Anwalt ein Geständnis verlesen, das sich allerdings etwas anders anhört als das, was die Staatsanwaltschaft gerade als Tatversion vorgetragen hat.
Patrick habe am 13. Mai mit Lillie nur über eine mögliche Geheimhaltung der Schwangerschaft und anschließender Unterhaltszahlung reden wollen.
Doch dann habe Lillie plötzlich einen Quikki gewollt, ihn gestreichelt und seine rechte Hand in ihre Hose geschoben.
Ja, genau.
Ganz plötzlich ist es über sie gekommen und sie hat sich wieder daran erinnert, was für ein toller Mann er ist.
Als er daraufhin ihre Hose runterziehen wollte, sagte Lillie auf einmal, dass es nicht richtig sei, was sie hier machen.
Danach sei die Stimmung gekippt, weil Patrick sich, wie so oft, einer Machtdemonstration ihrerseits ausgesetzt sah.
Im nächsten Moment sei er gestolpert und mit ihr zu Boden gestürzt.
Dabei landete er aus Versehen auf Lillie, die glaubte, er wolle ihr etwas antun und laut anfing zu schreien.
Da brach er innerlich zusammen, trägt sein Anwalt nüchtern vor.
Patrick sei in diesem Augenblick in Panik geraten, habe einen Blackout bekommen und sie mit seinen Händen gewürgt, damit sie aufhört zu schreien.
Eine Affekttat also und damit eine Version, die eine Verurteilung wegen Mordes verhindern würde.
Und eine, die dem Bild deutlich widerspricht, dass die Ermittelnden während der Vernehmung gewonnen haben.
Zwar hat Patrick auf der Wache damals dasselbe ausgesagt,
allerdings haben die Beamtinnen noch am Tag seiner Festnahme gemeinsam mit ihm eine Tatortrekonstruktion durchgeführt und diese gefilmt.
Das Video, das jetzt vorgespielt wird, zeigt Patrick, wie er Lillies Tötung im kleinsten Detail mit einer Kripobeamtin nachstellt,
wobei die Tat überhaupt nicht spontan wirkt.
Was zudem gegen einen Blackout spricht, sind die mitgebrachten Kabelbinder, das Klebeband und die Einmalhandschuhe.
Auch die Aussage von seinem Freund Thomas belastet ihn schwer.
Der erzählt, dass er Patrick ein Alibi für den 13. Mai verschaffen sollte.
Der Oberstaatsanwalt ist sich sicher, das war Mord.
Und so fordert er einen Monat später im Schlussplädoyer eine lebenslange Freiheitsstrafe für Patrick
und die Verurteilung der besonderen Schwere der Schuld, sowie 6,5 Jahre für Thomas wegen Beihilfe.
Patricks Version einer spontanen Affekttat sei nicht glaubhaft und als Schutzbehauptung zu werten.
Ein Mord ist aber genau das, was Patricks Verteidigung nicht feststellen möchte.
Sein Anwalt ist sich sicher, dass es sich hier um einen Totschlag handelt.
Denn Patrick habe nicht von vornherein geplant, Lillie zu töten.
Die Tüte mit den Kabelbindern und dem Klebeband habe er nur mit sich geführt,
um Lillie im Notfall dazu zu zwingen, ihm zuzuhören.
Lillie sei fordernd und dominant gewesen, Patrick ihr völlig ausgeliefert.
Also, an dieser Stelle muss Papa Norbert den Saal verlassen.
Die Worte des Verteidigers machen ihn wütend.
So wütend, dass er Angst hat, die Kontrolle über sich zu verlieren.
Ja, wie schlimm ist das auch?
Also, du bist ja wirklich dazu genötigt, zu Recht ja in einem Gerichtssaal dir anhören zu müssen,
was die Gegenseite dann vorzutragen hat und so.
Aber ich kann mir so vorstellen, was das für einen Druck auf der Brust auslöst,
wenn du weißt, die andere Person verbreitet da gerade Lügen und es ist halt auch noch der Täter.
Ja, also wie wütend wäre ich, wenn ich Norbert wäre.
Also, ich finde es krass, dass er dann so stark war, den Saal zu verlassen, weil ich hätte wahrscheinlich rumgeschrien.
Und den Täter angeschrien unter den Verteidiger angeschrieben und beleidigt.
Was Norbert so nicht mitbekommt ist, dass Patricks Verteidiger am Ende seines Plädoyers 14 Jahre Haft fordert
und von einer dunklen Seite von Dämonen, die in jedem von uns schlummern, erzählt.
Also, wenn jeder von uns diese Dämonen hätte, dann wäre die Welt ein sehr, sehr schlimmer Ort.
Ja.
Als der Vorsitzende Richter am 12. Mai 2016 das Urteil verkündet, tragen Lillys Eltern T-Shirts,
die mit einem Foto von ihrer Tochter bedruckt sind.
Ihre Rückseiten zieht der Satz, es gingen zwei Engel auf Reisen.
Es ist der Tag vor Lillys erstem Todestag, an dem Patrick wegen Mordes in Tateinheit mit Schwangerschaftsabbruch
und der besonderen Schwere der Schuld schuldig gesprochen und zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe verurteilt wird.
Das Gericht sieht nicht nur das Mordmerkmal der Heimtücke gegeben,
weil er die Wehrlosigkeit seines schwangeren Opfers ausgenutzt hat,
sondern auch das der niedrigen Beweggründe.
Patrick hatte massive Sorge vor dem Bekanntwerden seiner seit Jahren geführten sexuellen Beziehung zu Lilly.
Er hatte sich ein stabiles soziales Gefüge aufgebaut,
welches er mit der nahenden Geburt seines außerehelich gezeugten Kindes vor der Zerstörung sah.
Also beschloss er die Bewahrung seiner eigenen familiären Idylle
über das Lebensrecht von Lilly und des ungeborenen Kindes zu stellen.
Thomas wird wegen Beihilfe zum Mord und zum Schwangerschaftsabbruch
zu einer Freiheitsstrafe von fünfeinhalb Jahren verurteilt.
Die Worte, die aus dem Mund des Vorsitzenden kommen,
scheinen weder Patrick noch Thomas wirklich zu überraschen.
Die beiden verziehen keine Miene.
Dafür kann man leise Jubelrufe aus dem Publikum vernehmen.
Vielleicht hätte Annika ihm verziehen,
wenn er mit ihr offen und ehrlich über Lilly gesprochen hätte.
Doch so lässt sie sich kurz nach seiner Inhaftierung von ihm scheiden
und bricht jeglichen Kontakt ab.
Auch seinen Sohn wird Patrick in naher Zukunft nicht zu Gesicht bekommen.
Am Ende hat er also alles verloren,
für das er bereit war zu töten.
Und nicht nur einem Jungen die Mutter, sondern auch seinem eigenen Sohn, den Vater genommen.
Dagmar und Norbert haben zu Hause in ihrem Wohnzimmer eine kleine Gedenkecke für Lilly aufgebaut.
Kissen, Blumen und Fotos, auf denen ihre Tochter strahlend in die Kamera lacht, stehen auf einer Kommode.
Alle zwei Wochen kommt Enkel Elias die beiden besuchen.
Er lebt jetzt bei seinem leiblichen Vater, der den Kontakt zu den Großeltern beibehalten möchte.
Sobald der Kleine bei Oma und Opa durch die Tür ist,
rennt er als erstes zu dem Schränkchen,
nimmt die gerahmten Bilder seiner Mutter in die Hand und drückt sie ganz fest an sich.
In seiner Vorstellung ist deine Mama jetzt ein Schmetterling,
so einer, wie sie als Tattoo auf dem linken Unterarm trug.
Immer wenn Elias zu Besuch ist, bastelt er deshalb fleißig Falter aus Kniete.
Dagmar und Norbert stellen sie dann auf ihre Fensterbank,
mit Blick zum Himmel, wo Mama sie sehen kann.
Also, dabei wollte sie ja nichts mehr mit ihm zu tun haben.
Sie wollte ja nur diese neue, heile Familie, die sie sich selber aufgebaut hat.
Ja, das finde ich auch so besonders tragisch da dran,
weil es war ja auch so auf Rat ihrer Mutter,
dass sie überhaupt mit ihm darüber redet.
Und das ist ja auch richtig.
Aber sie hat ihm ja auch signalisiert,
dass sie jetzt gar nicht unbedingt ihn braucht
oder ihn in ihrer Familie haben will.
Wollte sie ja gar nicht.
Und wie kann man so von sich selbst besessen sein,
wie dieser Typ,
dass er wirklich so weit geht
und diesen Mord plant,
nur damit seine Frau nichts davon weiß,
dass er Sex mit einer anderen hatte.
Also, das ist so nicht nachvollziehbar für mich,
wie man so denken kann.
Ja, und ich glaube,
deswegen wurde der ja auch wegen Mordes
aus niedrigen Beweggründen verurteilt.
Ja, weil einfach diese Motive
auf einer ganz niedrigen Stufe stehen
und besonders verachtenswert sind.
Und ich muss auch sagen,
ich hatte dann auch ein bisschen Genugtuung,
als ich gelesen habe,
dass die Frau,
dass die Annika sich direkt nach der Verurteilung hat scheiden lassen.
Ja.
Da dachte ich mir so, ja.
Ja, richtig so.
Die hat wahrscheinlich auch den totalen Schock bekommen,
als sie gemerkt hat,
mit was für einem Menschen sie da verheiratet ist.
Ja, und auch schon so lange zusammen ist.
Also, ja, genau.
Also, es ist wirklich schlimm.
Ich will noch mal eine kleine Sache anmerken,
weil das tatsächlich eine Frage ist,
die wir oft gestellt bekommen.
Er wurde ja jetzt wegen Mordes an Lilly
und wegen Schwangerschaftsabbruchs verurteilt.
Also, es ist jetzt kein Doppelmord oder so,
weil man einen Fötus rein rechtlich gesehen
nicht ermorden kann.
Also, deswegen,
die haben noch nicht genau dieselben Rechte
und werden auch noch nicht genauso geschützt wie ein Mensch.
Und deswegen sprechen wir dann von einem Schwangerschaftsabbruch,
natürlich von einem Ungewollten von der Frau,
aber nicht von Mord und Totschlag.
Genau, und mit dem Schwangerschaftsabbruch
hat Patrick gegen Paragraf 218 des Strafgesetzbuchs verstoßen,
indem er die Schwangerschaft von Lilly ja quasi abgebrochen hat,
indem er Lilly eben getötet hat.
Und weil Patrick ja jetzt wegen Mordes
eh die lebenslange Freiheitsstrafe bekommen hat,
ist im Urteil nicht noch mal extra aufgeführt,
wie hoch seine Strafe für den Schwangerschaftsabbruch gewesen wäre.
Normalerweise wird so eine Tat aber mit einer Freiheitsstrafe
von bis zu drei Jahren oder einer Geldstrafe bestraft,
wenn der Täter oder die Täterin nicht die Schwangere selbst ist.
In besonders schweren Fällen kann das Strafmaß allerdings auch
auf sechs Monate bis hin zu fünf Jahren klettern.
Das ist zum Beispiel dann der Fall,
wenn der Täter oder die Täterin gegen den Willen der Schwangeren gehandelt hat
oder sie dabei in Lebensgefahr gebracht hat.
Wie oft diese Art von Schwangerschaftsabbrüchen, also jetzt durch den biologischen Vater des ungeborenen Kindes vorkommt,
wird in der polizeilichen Kriminalstatistik natürlich nicht aufgezählt.
Da steht jetzt nur drin, wie oft der Schwangerschaftsabbruch nach § 218 insgesamt vorkommt.
Und im Jahr 2021 war das 80 Mal, wobei es 37 Mal davon bei einem reinen Versuch blieb.
Aber wenn man jetzt mal explizit danach googelt, dann liest man schon so Überschriften wie
Bei dem letzten Fall wollte der Vater nicht, dass seine Frau ein sechstes Kind bekommt
und hat ihr deshalb unter falschem Vorwand ein Medikament gegeben,
das zum Schwangerschaftsabbruch geführt hat.
Seiner Frau hatte er versichert, dass es sich da nur um ein Mittel handele,
das gegen Übelkeit helfe und somit komplett unbedenklich sei.
Aber die 40-jährige Frau hat ihren Embryo dann in der 9. Woche verloren
und der Mann wurde zu einer Freiheitsstrafe von 3 Jahren und 2 Monaten verurteilt.
Die Gründe für so eine Tat, die dann vor Gericht genannt werden, sind oft ähnlich.
Also sie sagen dann, das Kind habe im Weg gestanden,
oft weil man bereits in einer neuen Beziehung war,
außerdem wolle man keinen Unterhalt zahlen für ein Kind, das man nicht wollte
oder man wollte das Kind aus Angst vor der Reaktion aus dem Umfeld nicht haben.
Nun sind wir uns alle im Klaren darüber, dass ein Schwangerschaftsabbruch
gegen den Willen der Schwangeren ein Verbrechen ist.
Wir sollten trotzdem vielleicht mal kurz darüber reden, wo solche Taten herrühren
und das ist ja die Tatsache, dass die Entscheidung für einen Abbruch am Ende bei der Frau alleine liegt.
Das liegt ja auch irgendwie auf der Hand, weil die Schwangere diejenige ist,
die das Kind austragen muss und über ihren Körper natürlich entscheiden sollen darf.
Aber in anderen Ländern, zum Beispiel Schweden oder der Schweiz, wird schon ein bisschen länger darüber diskutiert,
ob die Erzeuger auch ein Recht darauf haben sollten, eine Abtreibung einfordern oder unterbinden zu dürfen.
Daniel Bekczyk von Männer.ch, dem Dachverband Schweizer Männer- und Väterorganisation,
sagt im Interview mit der Schweizer Zeitung 20 Minuten, Zitat,
»Weil die letzte Entscheidung bei der Frau ist, die Verantwortung für den Aufzug und Unterhalt des Kindes
aber ebenso selbstverständlich bei beiden liegt, ist der Mann dem Willen der Frau ausgeliefert.«
Das würde dann heißen, die Frau müsste den Erzeuger über die Schwangerschaft informieren und das Gespräch mit ihm suchen.
Für so klärende Gespräche, an denen eben auch die Erzeuger beteiligt sind,
ist auch der deutsche Sozialpädagoge Sören Bangert,
der bei Pro Familia in Köln diese Schwangerschaftskonfliktberatung anbietet.
Er erzählt gegenüber der Zeit, dass bei nur 30 Prozent dieser Beratung der Erzeuger überhaupt dabei ist
und dass bei Männern, die gegen ihren Willen Vater werden sollen, das Gefühl der Ohnmacht extrem groß sei.
Also für diese Männer sei es extrem schwierig, eine solche Ohnmacht überhaupt auszuhalten
und in ihrer Handlungsunfähigkeit total eingeschränkt zu sein.
Und solche Gespräche zusammen mit der Schwangeren, wo man sich alle Konsequenzen mal gemeinsam anschaut
und sich darüber Gedanken macht, wie eine mögliche Zukunftsplanung aussehen könnte
und guckt, was möchte der eine, was möchte die andere und wer kann was leisten,
das sei extrem sinnvoll für beide.
Sowas verpflichtend einzuführen, wie es ja momentan für die Frau ist, finde Bangert aber fragwürdig.
Und natürlich kann man im Nachhinein nie sagen, was hätte so ein Gespräch gebracht,
Also hätten Patrick und Lilly jetzt irgendeinen Kompromiss bei so einem Gespräch gefunden, keine Ahnung.
Aber ich glaube, es ist bestimmt sinnvoll, die Erzeuger mehr in die Frage mit einzubeziehen
und gemeinsam mit Expertinnen nach möglichen Lösungen zu suchen,
die dann bestenfalls für beide am Ende okay sind.
Also ich kann die Ohnmacht der Männer verstehen, aber dass wir Frauen oder Menschen, die schwanger werden,
jetzt biologisch diese Karte gezogen haben, das hat uns ja jetzt, wenn wir das große Gesamtgeschichtliche angucken,
also jetzt nicht nur Macht gegeben, sondern halt auch in vielen Fällen Leid beschert.
Und generell wirkt sich eine Schwangerschaft auf die Frau natürlich auch viel mehr aus.
Und wenn die Frau dann abtreiben möchte, dann finde ich das problematisch, ihr das noch schwerer zu machen
oder noch eine Hürde oder noch einen Zwischenstep dahin zu setzen.
Also ich war jetzt zum Glück noch nie in der Situation, eine Schwangerschaft abbrechen zu müssen,
aber ich war mal in einer Situation, wo sich mein Zyklus verschoben hat
und wo ich sehr lange drüber war und wo ich schon dachte, das ist jetzt passiert.
Und der Mann, mit dem das passiert ist, den habe ich in Zukunft gar nicht an meiner Seite gesehen.
Und zu meinem Schock, als ich ihm das erzählte, dass ich drüber bin,
meinte der auch noch, dass das doch sehr schön wäre.
Also da ist mir erst mal alles aus dem Gesicht gefallen.
Ja.
Und zum Glück kam dann die Periode ja auch noch.
Also hätte ich mich zusätzlich zu der eh schon wahnsinnig schwierigen Situation,
in der ich mich dann befunden hätte und vor einer Abtreibung stehen,
weil das hätte ich gemacht dann, wenn ich mich dann noch mit einem Gespräch mit ihm,
ein offizielles, hätte belasten müssen, das wäre zu viel gewesen.
Also ich fände gut, wenn es vermehrt Angebote für LebenspartnerInnen gibt,
die in so einer Situation nicht mitentscheiden dürfen,
damit sie damit dann besser umgehen können.
Aber nach Schwangeren jetzt noch eine extra Verpflichtung oder so aufzuerlegen,
wenn sie das nicht will, da würde ich nicht mitgehen.
Ja, ich glaube, das kommt ganz darauf an, was das sozusagen für eine Beziehung ist,
in der die Schwangere und der Erzeuger sozusagen stehen.
Und das ist natürlich eher nur Sinn macht für Partnerschaften,
wo beide eine andere Meinung haben und die dann so eine Beratung zusammen machen können
und sich da vielleicht einig werden oder klarer in dem, was sie wollen.
Genau, also sobald das für beide freiwillig ist, fein.
Genau.
Alles, was Zwang ist, finde ich schwierig.
Bei einem Schwangerschaftsabbruch ist ja selten eine leichte Entscheidung.
In einigen Fällen ist er sogar noch mal schwerer, wie ihr an meinem Fall jetzt sehen werdet.
Alle Namen sind geändert.
Dass das neue Jahr für Johanna so beginnt, hätte sie sich vor einigen Wochen nicht vorstellen können.
Die Nachricht, dass die 26-Jährige schwanger ist, hatte sie überrascht.
Geplant hatten sie und ihr Freund Markus das nicht und dann auch noch Zwillinge.
Noch sieht man das doppelte Babyglück unter den warmen Klamotten,
die Johanna jetzt im Februar über ihrem Bauch trägt, nicht.
Aber schon bald wird es sich nicht mehr verstecken lassen.
Eineige Zwillinge.
Das heißt für viele Eltern doppelt so viel Stress, doppelt so viel Arbeit,
doppelt so viele Mäulchen zu stopfen, aber eben auch doppelte Liebe.
Auch wenn das Glück etwas unverhofft kam, Johanna will die Zwillinge.
Als sie am 23. Februar 2010 in der Arztpraxis sitzt,
wartet sie auf das Trisomie-Screening, das mittels Ultraschall erfolgen soll.
Die Befunde, die Johanna nach diesem Test bekommt, sind unauffällig.
Es gibt aber etwas anderes, das für Sorgenverhalten sorgt.
Der Arzt sagt Johanna, dass die Zwillinge sich eine Plazenta teilen.
Schwangerschaften sind im Vergleich zu Schwangerschaften mit nur einem Fötus immer risikobehaftet da.
Aber während zwei eieige Zwillinge von Anfang an sozusagen getrennt unterwegs sind
und separate Fruchthöhlen und Plazenten haben,
ist bei ein eieigen Zwillingen entscheidend, wann die Trennung des Keimes stattfindet.
Und dabei gilt, je später die Trennung, desto höher das Risiko.
Trennt sich der Keim bis zum dritten Tag nach der Befruchtung, gibt es kein Problem.
Aber teilt sich der Keim erst zwischen dem dritten und dem siebten Tag,
dann entstehen zwar noch zwei Fruchtblasen, allerdings nur eine Plazenta.
Und das kommt bei 90 Prozent der eineiigen Zwillingsschwangerschaften vor.
In diesen Fällen handelt es sich dann um eine Risikoschwangerschaft.
Und genau so ist das jetzt bei Johanna.
Bisher besteht aber nicht wirklich Grund zur Sorge, denn im nächsten Ultraschall heißt es,
die Zwillinge entwickeln sich unauffällig und zeitgerecht.
Und es werden Mädchen.
Ein schöner Gedanke, dass da im Bauch zwei Menschen ganz nah beieinander heranwachsen,
die auch später im Leben hoffentlich als junge Mädchen und Frauen füreinander da
und sich gegenseitig eine Stütze sein werden.
Mittlerweile ist Mai.
Die eiskalte Februarluft, dem Duft der aufblühenden Blumen und Gräser gewichen.
Der Vorbote des warmen Sommers.
Johanna ist jetzt schon in der 22. Schwangerschaftswoche.
Die Babys im Bauch sehen zu dieser Zeit quasi schon aus wie bei der Geburt,
nur viel kleiner, dünner und schrumpeliger.
Die ersten Wimperchen sind da, die Kopfbehaarung.
Und als werdende Mutter kann man sogar den Schluck auf der Kleinen im Bauch fühlen.
Für Johanna steht heute wieder eine Untersuchung im Terminkalender.
Doch diesmal ergibt der Blick unter die Bauchdecke nichts Gutes.
Johannas Frauenarzt teilt ihr mit, dass es so aussieht,
als habe sich bei den beiden Mädchen das Fetofentale Transfusionssyndrom entwickelt.
Heißt, durch verbindende Blutgefäße auf der Plazenta kann es dazu kommen,
dass ein Zwilling überproportional und der andere zu wenig mit Blut versorgt wird.
Das kann für beide gefährlich werden.
Bei Johanna zeichnet sich bereits jetzt ab,
dass tatsächlich einer der Fütten unter, der andere überversorgt wird.
Eine furchtbare Nachricht, die wohl jede werdende Mutter aus der Bahn haut.
Allerdings ist die Lage nicht ganz aussichtslos.
Es gibt Therapiemöglichkeiten.
Deswegen überweist Johannas Arzt sie an ein Universitätsklinikum in Hamburg,
einem der führenden Zentren für Pränatalmedizin in Deutschland.
Bereits einen Tag nach der Horrornachricht wird Johanna stationär aufgenommen.
Am nächsten Tag erfolgt der Eingriff.
Dazu geht man mit einem Laser durch die Bauchdecke und die Gebärmutter.
Danach werden damit die verbindenden Blutgefäße auf der Plazenta verschweißt,
sodass kein Austausch mehr stattfinden kann.
Bei dem überversorgten Zwilling werden außerdem drei Liter überschüssiges Fruchtwasser abgeleitet.
Der Eingriff erfolgt ohne Komplikationen.
Und Johanna kann erst mal aufatmen und sich mental wieder auf die Geburt vorbereiten.
Also wie verrückt ist das, wenn man sich das vorstellt, dass sie da reingehen können und mit einem Laser das sozusagen fixen können.
Und dann ist alles okay.
Was heute medizinisch möglich ist, das finde ich immer wieder so beeindruckend.
Ich habe noch nie von sowas natürlich gehört, aber ich finde das einfach krass.
Doch nur zwei Wochen später der nächste Niederschlag.
Bei dem Zwillingsmädchen, das überversorgt war, liegt offenbar eine Hirnschädigung vor,
die eine hochgradige Entwicklungsstörung verursacht.
Was das für das Mädchen genau bedeutet, ist noch nicht klar.
Dazu muss Johanna erst einen weiteren Termin im Universitätsklinikum in Hamburg abwarten.
Johanna ist bereits in der 26. Schwangerschaftswoche.
Das ist die Zeit, in der die Kleinen das erste Mal die Augen öffnen, Formen und Farben erkennen.
Nicht zu wissen, was mit einem der Mädchen in ihrem Bauch gerade passiert, ist für Johanna eine Qual.
Doch auch bei einem erneuten Gespräch im Hamburger Universitätsklinikum
bekommt die werdende Mutter keine klaren Antworten auf all die Fragen, die sie an diesem Tag im Schlepptau hat.
Die feine Diagnostik ergibt, dass das eine Mädchen so gut wie keine Hirnmasse hat.
Ihr Arzt zeigt Johanna ein Foto, auf dem man das erkennen soll.
Was genau das bedeutet, will Johanna wissen.
Das Ausmaß der zu erwartenden Entwicklungsbeeinträchtigung des geschädigten Zwillings ist nicht sicher vorhersehbar,
sagt man ihr, was auch immer das heißen mag.
Spätestens ab diesem Punkt wird Johanna klar, dass sie nicht mehr nur auf das Beste hoffen kann,
sondern sich mit der Realität auseinandersetzen muss.
Eines ihrer Mädchen würde sehr wahrscheinlich stark beeinträchtigt sein.
Ist sie dafür bereit? Kann sie das stemmen?
Wahrscheinlich nicht.
Johanna will wissen, ob die Möglichkeit besteht, das Mädchen mit der Hirnschädigung abzutreiben
und welche Risiken dabei entstehen könnten.
Sowas nennt man selektiven Schwangerschaftsabbruch.
Und einmal kurz zur Einordnung.
Grundsätzlich ist ein Schwangerschaftsabbruch in Deutschland rechtswidrig.
Es gibt aber bestimmte Bedingungen, unter denen der straffrei bleibt.
Nämlich dann, wenn die Schwangere in den ersten zwölf Wochen zu einem Beratungstermin geht
und in der Zeit auch den Abbruch vornehmen lässt.
Da muss dann drei Tage vor dem Eingriff für den Abbruch ein Gespräch stattfinden.
Aber theoretisch steht schon vor dem Termin fest, dass die Frau diesen Schein bekommt,
wenn sie sich danach immer noch sicher ist.
Also ich habe zum Beispiel mal für eine Recherche, wo es um Schwangerschaftsabbrüche ging,
drei solcher Beratungsgespräche gemacht und habe behauptet, schwanger zu sein,
eben um zu sehen, wie einfach oder wie schwer bekommt man so einen Schein.
Und meine Erkenntnis war, dass die Gesprächspartnerinnen da sehr verständnisvoll waren
und mir wollte auch niemand ein schlechtes Gewissen machen.
Und wie lang war dann so ein Gespräch?
Waren die ungefähr alle gleich lang?
Ja, so eine halbe Stunde.
Aber nochmal, beides muss in den ersten zwölf Wochen nach der Empfängnis erfolgen.
Hält man sich nicht daran, da muss man mit einer Freiheitsstrafe von bis zu einem Jahr
oder einer Geldstrafe rechnen.
Straflos bleibt der Schwangerschaftsabbruch aber, wenn bestimmte rechtfertigende Indikationen vorliegen.
Also entweder eine kriminologische, das ist bei einer Vergewaltigung zum Beispiel der Fall,
oder eine medizinische.
Und die ist immer dann gegeben, wenn für die Schwangere Lebensgefahr oder die Gefahr einer schwerwiegenden Beeinträchtigung
des körperlichen oder seelischen Gesundheitszustandes, so heißt das, besteht.
Und dann ist ein Abbruch auch noch nach der zwölften Woche möglich.
Eine Behinderung stellt jetzt nach dem deutschen Gesetz erstmal keine Indikation, also keinen rechtfertigenden Grund für einen Abbruch an sich dar.
Aber trotzdem kann eine Schwangerschaft, wenn ein auffälliger Befund oder eine Behinderung vorliegt,
theoretisch bis zur Geburt abgebrochen werden.
Wichtig ist aber, es geht dabei dann nicht um das Kind, sondern um die Mutter und ihr Wohl.
Und wenn man also befürchtet, dass die Fortsetzung der Schwangerschaft und ein Leben mit einem Kind mit Behinderung
für die Mutter nicht zumutbar ist, dann geht das theoretisch auch noch im neunten Monat.
Aber genau diese Unzumutbarkeit, von der da immer gesprochen wird, wird beispielsweise von Verbänden von Menschen mit Behinderung häufig kritisiert.
Dieses Narrativ bedient nämlich das ableistische Vorurteil, dass körperliche oder geistige Beeinträchtigungen mit Leiden, Schmerzen und Autonomieverlust einhergehen
und Menschen mit Behinderung so eine überdurchschnittliche Belastung für ihr Umfeld darstellen.
Und auch diese Pränataldiagnostik an sich wird kritisiert, weil sie eine Diskriminierung von Menschen mit Behinderung verstärkt.
So die Verbände.
Und ehrlicherweise, wenn man einen Blick auf die Statistiken wirft, dann scheint das auch mehr als gerechtfertigt zu sein.
Die schätzen nämlich, dass beispielsweise bei einer Diagnose von Trisomie 21 etwa neun von zehn Schwangeren dann auch einen Abbruch vornehmen lassen.
So richtig belastbare Zahlen gibt es allerdings leider nicht.
Hubert Hüppe, früherer Beauftragter der Bundesregierung für die Belange von Menschen mit Behinderung, bezeichnet die Gesetzeslage, wie sie ist, deshalb als Form von Früheuthanasie.
Was heavy ist.
So oder so, Johanna bekommt diese medizinische Indikation und darf daher selbst entscheiden, ob sie die Schwangerschaft abbrechen will oder nicht.
Aber als sie das äußert, dass es für sie eine Option wäre, nur eines, nämlich das Mädchen mit der Hirnschädigung abzutreiben, trifft sie auf wenig Verständnis.
Ein selektiver Fetuzid, also die Tötung eines ungeborenen Kindes bei einer Mehrlingsschwangerschaft, wie Johanna sie hat, wird nur in spezialisierten Kliniken dafür vorgenommen.
Davon gibt es in Europa nicht viele.
In Deutschland eben nur eine, und zwar die, in der Johanna gerade sitzt.
Und ausgerechnet hier hat sie das Gefühl, dass man ihr ihre Fragen dazu nicht beantworten will.
Eine Ethikkommission könne sich mit dieser Frage beschäftigen, sagt man ihr.
Das bringt Johanna aktuell nur nichts.
Sie möchte konkret über diese Möglichkeit aufgeklärt werden.
Johanna verlässt die Klinik mit dem unguten Gefühl, hier nicht gut beraten worden zu sein.
Und auch nach ihrem Termin wird es nicht besser.
Als Johanna das nächste Mal dort anruft, ist ihr betreuender Arzt nicht zu erreichen, sagt man ihr.
Und am Entbindungstermin sei er übrigens im Urlaub.
Für Johanna ist dies nicht hinnehmbar.
In dieser verletzlichen Zeit will sie Halt und eine Klinik, die Verständnis für sie aufbringt.
In Zukunft setzt sie also nun auf die Expertise und Unterstützung von der Ärztinnschaft einer anderen Klinik in Berlin.
Als Johanna und Markus Dr. Distel das erste Mal gegenüber sitzen, fühlt sich Johanna viel verstandener und auch besser aufgehoben.
Die leitende Oberärztin Ende 40 hat eine lange Karriere hinter sich und bereits viel Erfahrung in Frauenheilkunde und Geburtshilfe.
Statt sie abzuwatschen, nimmt sich Dr. Distel viel Zeit und beantwortet jede Frage ausführlich.
Sie erklärt Johanna, wie ein selektiver Fetuzid in ihrem Fall ablaufen würde.
Normalerweise würde man bei Zwillingsschwangerschaften mit einer Injektion mit Kaliumchlorid für den Herzstillstand bei einem der Zwillinge sorgen.
Doch wegen der Verbindung der Zwillinge ist das bei Johanna offenbar nicht möglich.
Das Kaliumchlorid könne so auch in den Blutkreislauf des gesunden Zwillings gelangen.
Die Abtreibung des betroffenen Mädchens müsste also unmittelbar mit der Geburt des anderen Mädchens per Kaiserschnitt erfolgen.
Wichtig sei es, die Schwangerschaft aber noch mindestens bis zur 34. Woche fortzuführen, damit das Mädchen, was entbunden werden soll, möglichst kräftig und überlebensfähig sei.
Johanna ist gerade in der 29.
Dr. Diestel fordert das Indikationsschreiben aus der Hamburger Klinik an.
Darin heißt es.
Unter Berücksichtigung der gegenwärtigen und zukünftigen Lebensverhältnisse der Schwangeren bedeutet die zu erwartende kindliche Behinderung sowie deren Auswirkung auf die Lebenssituation der Schwangeren die Gefahr für eine schwerwiegende Beeinträchtigung des seelischen und damit auch körperlichen Zustandes der Schwangeren.
Die Eltern haben sich, da sie keine Möglichkeit sehen, diese Gefahr auf andere zumutbare Weise abzuwenden, zum Abbruch der Schwangerschaft entschlossen.
Die medizinische Indikation zum Schwangerschaftsabbruch gemäß Paragraf 218 Absatz 2 StGB ist aus mütterlicher Indikation gegeben.
Für Johanna ist die Ungewissheit und die Aussicht auf das, was nach der Geburt auf sie zukommt, einfach zu viel.
Das eine Mädchen würde maximal schlucken können, hatte man ihr gesagt.
Sie entscheidet sich. Sie will nur das Mädchen ohne Behinderung zur Welt bringen.
Zwei Wochen später. Es ist ein Nachmittag mitten im Hochsommer, als Johanna spürt, dass sie Wehen bekommt.
Eigentlich ist es noch zu früh. Als Johanna in der Klinik bei Dr. Diesel angekommen ist, bekommt sie ein wenhemmendes Medikament verabreicht.
Doch das hilft nicht. Johanna hat eher das Gefühl, dass die Wehen stärker werden.
Um den Kaiserschnitt wie geplant durchführen zu können, ruft Dr. Diesel ihren Kollegen und Vorgesetzten Prof. Taub in die Klinik.
Es ist kurz nach 5 Uhr morgens, als Johanna per Spinalanästhesie örtlich betäubt wird und Dr. Diesel mit dem Kaiserschnitt beginnt und die Bauchdecke öffnet.
Im Bauch liegen zwei Mädchen, das eine etwas größer als das andere. Dr. Diesel und Prof. Taub heben das gesunde Mädchen aus der Gebärmutter heraus,
durchtrennen die Nabelschnur und übergeben es ihren KollegInnen, die sich um das Frühchen kümmern.
Bei dem geschädigten Mädchen klemmen sie die Nabelschnur ab und injizieren 20 ml Kaliumchloridlösung, die zum Herzstillstand führt.
Dann überprüfen sie den Puls und holen das tote Kind aus der Gebärmutter.
Johanna darf das tote Kind nochmal halten, um sich von ihm zu verabschieden.
Danach nimmt das Krankenhauspersonal es ihr aus dem Arm und bringt das andere Mädchen.
Carina.
Johanna verlässt die Klinik einige Zeit später mit Carina, die sie ohne deren Zwillingsschwester großzieht.
Es vergehen drei Jahre, bis ein anonymes Schreiben bei der Staatsanwaltschaft Berlin eingeht.
Darin schreibt jemand, dass er Mitarbeiter in der Geburtsklinik sei, in der auch Dr. Diesel und Prof. Taub praktizieren,
und mahnt, dass er die Spätabtreibungspraxis, wie sie dort praktiziert werden würde, so nicht weiter hinnehmen könne.
Als im August 2014 die Geburtsklinik durchsucht wird, wo Dr. Diesel immer noch praktiziert und Prof. Taub vor seinem Ruhestand arbeitete,
bekommen die beiden zum ersten Mal Wind davon, dass offenbar jemand mit den Entscheidungen, die sie getroffen haben, so ganz und gar nicht einverstanden war.
Gegen die beiden wird ein Ermittlungsverfahren wegen Totschlags eingeleitet.
Auch Johanna wird darüber in Kenntnis gesetzt, was ihren ehemaligen Ärztinnen vorgeworfen wird.
Mehr noch, die Staatsanwaltschaft leitet ebenfalls gegen sie ein Ermittlungsverfahren ein.
Als sie fünf Jahre nach jenem Tag im Krankenhaus vor einer Kripobeamtin sitzt, ist sie sehr aufgelöst.
Sie erzählt davon, dass sie sich in Hamburg nicht gut aufgehoben gefühlt habe, dass sie das Gefühl hatte, man wolle sie dort nicht behandeln,
weil es schlecht für den Ruf des Klinikums gewesen wäre.
Johanna erzählt, dass sie seitdem in psychologischer Behandlung ist, weil sie das alles nicht gut verkraftet hat.
Es war keine leichte Entscheidung.
Noch immer hat sie heute damit zu kämpfen und jetzt holt sie das Ganze erst recht wieder ein.
Hatte sie sich strafbar gemacht, weil sie das eine Mädchen wollte und das andere nicht?
Hatten die Ärztinnen falsch gehandelt?
Diese Fragen muss ein Gericht klären.
Doch wegen Problemen mit einem Sachverständigen, Überlastung der Justiz und Schwierigkeiten Termine zu finden,
soll es dreieinhalb Jahre dauern, bis die AkteurInnen Ende Oktober 2019 zusammen vor Gericht die Frage klären können,
War es rechtens, das Mädchen mit der Behinderung abzutreiben?
Oder machten die beiden ÄrztInnen den Kreißsaal in dem Moment, als sie das Kaliumchlorid spritzten, zum Tatort?
Der Vorwurf, sich an jenem Tag strafbar gemacht zu haben, ist nicht folgenlos an den MedizinerInnen vorbeigegangen.
Professor Taub ist mittlerweile 73 Jahre alt und bereits seit 2012 im Ruhestand.
Dr. Distel praktiziert zwar immer noch als leitende Oberärztin, die Aufgabe als Prüferin der Berliner Ärztekammer hat sie aber aufgegeben,
nachdem man ihr nahegelegt hatte, dies zu tun.
Dass auf der Anklagebank zwei ÄrztInnen sitzen, beide mit bester Reputation, hat man auch nicht alle Tage.
Laut Anklage sollen Dr. Distel und ihr damaliger Vorgesetzter das Zwillingsmädchen mit der Hirnschädigung gemeinschaftlich getötet haben.
Das, was sie taten, sei kein Schwangerschaftsabbruch mehr gewesen.
Doch worin besteht eigentlich der Unterschied?
Laut Staatsanwaltschaft habe es sich bei dem Zwillingsmädchen, das noch im Bauch war, nicht mehr um einen Fötus gehandelt, sondern um einen Menschen.
Deswegen handele es sich hierbei auch um eine Tötung und die mutmaßlichen TäterInnen trugen Kittel.
Johanna sitzt nicht mit ihnen auf der Anklagebank.
Sie wird zwar gemeinsam mit Markus vorgeladen, allerdings macht sie von ihrem Aussageverweigerungsrecht Gebrauch, um sich nicht selbst zu belasten.
Die Staatsanwaltschaft hatte die Ermittlungen gegen sie wegen unzureichenden Tatverdachts wieder eingestellt.
Ihr Mädchen, Carina, ist mittlerweile neun Jahre alt und gesund.
Im Gegensatz zu anderen Fällen, die wir hier sonst im Podcast behandeln, geht es diesmal beim Prozess nicht um das Tatgeschehen, um Tatwaffen, um Vertuschung oder einen Hinterhalt.
Es geht auch nicht um alternative Tattheorien, denn die beiden Angeklagten streiten nicht abgetan zu haben, was ihnen vorgeworfen wird.
Allerdings sagen sie, dass sie davon ausgingen, dass sie einen Fötus getötet und damit rechtens gehandelt hätten.
Also, wann beginnt eigentlich ein Menschenleben?
Darum geht es heute in meinem Aha, dass ich jetzt ausnahmsweise mal etwas vorziehe.
Es gibt nämlich ganz unterschiedliche Definitionen davon, wann ein menschliches Leben beginnt.
Im biologischen und im katholischen Sinn spricht man in der Regel schon bei der Befruchtung davon, also bei dem Verschmelzen einer weiblichen Ei und einer männlichen Spermienzelle.
Ethisch oder philosophisch ist die Frage ein bisschen schwieriger zu beantworten.
Hier gibt es ganz verschiedene Meinungen.
Aristoteles hat zum Beispiel ein Embryo als beseelt und damit als Mensch angesehen, sobald er seine ersten Bewegungen im Mutterleib machte.
Was seiner Meinung nach bei männlichen Föten am 40. Tag der Fall war und bei weiblichen ungefähr doppelt so lange gedauert hätte.
Seiner Meinung nach.
Okay, wow.
Einfach ein bisschen langsamer, die Frauen, wie immer, in allem.
Genau, denkt er.
Auch juristisch gesehen gibt es je nach Rechtsgebiet unterschiedliche Definitionen.
Während das Bundesverfassungsgericht 1975 zum Beispiel beurteilte, dass das Leben im Sinne der geschichtlichen Existenz vom 14. Tag nach der Empfängnis an beginnt.
Also spätestens, wenn sich die befruchtete Einzelle in der Gebärmutter einnistet, beginnt das Leben im zivilrechtlichen Sinn nach § 1 des Bürgerlichen Gesetzbuches erst mit der Vollendung der Geburt.
Also heißt, mit der vollständigen Trennung des Kindes vom Mutterleib.
Erst ab diesem Moment ist ein Mensch rechtsfähig und damit TrägerInnen von Rechten und Pflichten.
Und in diesem Sinne hätten also sich Dr. Distel und Prof. Taub nicht rechtswidrig verhalten.
Denn die Geburt war, als sie dem Mädchen im Mutterleib diese Spritze injizierten, ja noch nicht vollendet.
Das Ding ist nur, im Strafrecht beginnt das Leben eines Menschen schon ein bisschen eher.
Nämlich bei Geburtsbeginn.
Und das heißt bei einer natürlichen Geburt mit dem Einsetzen der Eröffnungswehen und bei einem Kaiserschnitt mit der Öffnung der Gebärmutter, dem Schnitt in den Bauch.
Ab diesem Moment wird der Fötus im Bauch rein strafrechtlich zu einem Menschen.
Und dieser Moment entscheidet auch darüber, ob es sich um einen Schwangerschaftsabbruch handelt oder um eine Tötung.
Und weil es im Strafgesetzbuch heißt, wer einen Menschen tötet, ohne Mörder zu sein, wird als Totschläger mit einer Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren bestraft, stehen die beiden Angeklagten heute vor Gericht.
Aber eben das behaupten Distel und Taub nicht gewusst zu haben.
Wie damit beschäftigt, fragt der Vorsitzende Richter etwas ungläubig gewandt an die Angeklagten.
Wir waren der Meinung, dass ein Fötus ein Fötus ist, solange er in der Gebärmutter ist, antwortet Dr. Distel.
Wir haben das nicht in Frage gestellt.
Die beiden erfahrenen ÄrztInnen sollen also nicht gewusst haben, wann eine Abtreibung noch erlaubt ist und wann nicht mehr.
Das fällt schwer zu glauben, so der Vorsitzende.
ÄrztInnen müssten sich doch rechtlich absichern.
Prof. Taub antwortet, dass sie ja keinen Zweifel daran hatten, dass es richtig ist.
Im Vordergrund habe aber eh die Gesundheit des Kindes ohne Hirnschädigung gestanden und nicht das Juristische.
Unser Ziel war es, den maximal sicheren Weg für den gesunden Fötus zu finden und ihn möglichst spät zur Welt zu bringen, so Taub.
Aber es hätte ja noch weitere Möglichkeiten gegeben, den anderen Zwilling vor der Geburt zu töten.
Der medizinische Sachverständige spricht beispielsweise davon, dass man die Nabelschnur des Fötus mit einer Zange durch die Bauchdecke hätte abklemmen können.
Dieser Eingriff erhöhe aber das Risiko einer Frühgeburt.
Im Berliner Klinikum habe man dafür nicht die Ausstattung gehabt.
Taub sagt, er und Dr. Distel hätten nach dem ersten Vorsprechen von Johanna bis zum Entbindungstermin oft über den Fall gesprochen und sich auch nach Alternativen bei KollegInnen erkundigt.
Doch niemand habe eine Option gesehen, bei der eine Gefahr für den Zwilling ohne Hirnschädigung ausgeschlossen gewesen wäre.
Dabei sei der Kaiserschnitt die Ultima Ratio gewesen.
Taub beruft sich außerdem darauf, dass der Zeitpunkt der Geburt bei einem Kaiserschnitt nur auf den ersten Zwilling anzuwenden sei.
Da es sowas wie zweizeitige Geburten gäbe.
Es kommt also vor, dass zunächst ein Zwilling entbunden wird, der andere aber noch Tage oder Wochen im Mutterleib bleibt und somit dann auch erst später geboren wird.
Deswegen habe die rechtliche Theorie nichts mit der medizinischen Praxis gemein.
Tatsächlich treffen hier vor Gericht medizinische und juristische Ansichten aufeinander.
Da hätte man sich dann also eine eigene Definition konstruiert, kommentiert einer der RichterInnen.
Am 19. November zeigt das Gericht endgültig, dass es keine alternative Definition vom Mensch werden zulasse.
Die Anklage sei im Wesentlichen bestätigt, so der Vorsitzende.
Zitat, sie haben sich am 12. Juli 2010 ganz bewusst über geltendes Recht hinweggesetzt.
Das Aussortieren eines kranken Kindes im offenen Mutterleib ist auf keinen Fall hinnehmbar.
Das war Totschlag.
Es sind hochkarätige Ärzte, nicht irgendwelche Kurpfuscher vom Lande.
Selbst Feld-, Wald- und Wiesenärzte wissen, es ist keine Abtreibung, ein Kind im offenen Mutterleib totzuspritzen.
Doch, das sagt er so.
Das habe ich als Zitat so gefunden, ja.
Steht so nicht im Urteil drin, aber soll er so gesagt haben.
Aber, finde ich auch, ein ungewöhnlich rauer Ton von der RichterInnenbank, also keine Frage.
Der Vorsitzende macht auch außerdem deutlich, dass man den Ausführungen der Angeklagten keinen Glauben geschenkt habe.
Man sei sich sicher, dass sich Dr. Diesel und Prof. Taub vor der Entbindung speziell über die Definition des Geburtsbeginns unterhalten haben.
Außerdem sei es auch seltsam, dass sich die beiden nicht vorher mit der Klinik, bei der Johanna vorher behandelt wurde, kurz geschlossen und sich allein auf die Aussagen ihrer Patientin verlassen haben.
Sie hätten den einen Zwilling noch vor der Geburt durch Abtrennung der Nabelschnur töten müssen.
Die ÄrztInnen entschieden sich anders.
Der Zeitpunkt des Todes des Zwillings macht hier den Unterschied zwischen rechtens und nicht rechtens.
Dr. Diesel und Prof. Taub werden wegen Totschlags in einem minderschweren Fall verurteilt.
Bildmindernd wurde berücksichtigt, dass sie das, was sie taten, zugunsten des anderen Zwillings taten.
Außerdem, dass die Tat bereits neun Jahre her ist und beide ihr Vorgehen eingeräumt haben.
Dr. Diesel bekommt ein Jahr und sechs Monate, Prof. Taub ein Jahr und neun Monate.
Beide Strafen werden zur Bewährung ausgesetzt.
Die MedizinerInnen wurden mit diesem Urteil plötzlich ÄrztInnen ohne weiße Westen.
Deswegen sind sie damit auch nicht einverstanden.
Sie legen Revision ein. Die hat aber nur bedingt Erfolg.
Ihre Freiheitsstrafen werden jeweils um zwei Monate gekürzt, die weitergehenden Revisionen verworfen.
Sowohl Dr. Diesel als auch Prof. Taub droht noch immer, die Approbation entzogen zu werden.
In diesem Fall ging es nicht um die Frage, ob es ethisch richtig oder falsch ist,
einen Fötus mit Hüllenschädigung so spät abzutreiben, obwohl er lebensfähig ist.
Das bleibt in Deutschland eine Entscheidung, die die Mutter zu treffen hat.
Im Grunde ging es darum, wie viel Milde die Justiz bei zwei MedizinerInnen walten lässt,
die das, was sie taten, zum Wohle des anderen Mädchens taten.
Die beiden hätten das Kaliumchlorid auch vorher spritzen können,
aber selbst vor Gericht sagte der Sachverständige,
dass das unabsehbare Folgen für den gesunden Fötus gehabt hätte.
Hätten Diesel und Taub so gehandelt, hätten nicht sie das Risiko getragen,
sondern Johanna und Carina.
Als nach dem Urteilsspruch die Staatsanwältin draußen von JournalistInnen abgefangen wird,
wird sie gefragt, was denn passiert wäre, wenn man das Kaliumchlorid früher gespritzt hätte
und dabei beide Zwillinge gestorben wären.
Ob dann niemand auf der Anklagebank hätte sitzen müssen?
Die Staatsanwältin überlegt kurz und antwortet ja.
Dass Carina heute lebt, ist also vielleicht nur Dr. Diesel und Prof. Taub zu verdanken.
Hätten sie sich anders entschieden, hätten sie sich nicht zu Schulden kommen lassen,
aber dann hätte Johanna heute vielleicht auch keine 13-jährige Tochter.
Also ich finde diesen Fall einfach nur furchtbar.
Für alle Beteiligten schrecklich.
Also es gibt nur Verlierer, was man ja auch daran sieht,
dass es Johanna danach so schlimm und schlecht auch mit der Entscheidung gegangen ist,
dass sie psychologische Hilfe gebraucht hat
und dass Carina keine Schwester hat und dass dem anderen Kind eine Chance auf ein Leben sozusagen genommen wurde.
Aber ich finde es irgendwie ganz schwierig.
Also ich kann jetzt verstehen, warum das Landgericht oder die RichterInnen jetzt so entschieden haben,
weil sie relativ klar im Gesetz steht, wann strafrechtlich sozusagen das Leben beginnt,
finde ich aber diese Argumentation,
ja, also ihr hättet ja einen Tag früher den Fötus im Mutterleib töten können
und dann wäre alles fein und ich habe auch keine Lösung und nichts oder irgendwas.
Aber das ist für mich einfach ein bisschen absurd nachzuvollziehen,
weil am Ende ändert sich für diesen Fötus nichts,
also für diesen expliziten Fötus nicht, der dann getötet wird,
sondern nur die Gefahr für den anderen Fötus wäre höher gewesen.
Genau, also ich sehe hier ganz klar einen Fall von einem Dilemma,
wo man rechtlich eine klare rote Linie ziehen muss, was ich komplett nachvollziehen kann
und dann aber auf der anderen Seite die Praxis, die in diesem Fall dann dafür gesorgt hätte,
ich meine, da streiten sich auch ein paar Meinungen darüber,
aber der Gutachter vor Gericht hatte es jetzt nun mal so gesagt,
dass das eine Gefahr für das andere Kind hätte bedeuten können.
Und letztendlich wurde ihnen das ja dann auch strafmildernd angerechnet.
Und ich finde diese Tatsache, dass diese beiden renommierten Ärztinnen,
die sie ja waren, schrägstrich sind,
dann dafür jetzt sozusagen vor Gericht als VerbrecherInnen gehandelt werden,
dass sie diese Entscheidung getroffen haben.
Und ich, gut, ich kann mich da ja überhaupt nicht reinversetzen,
aber ich stelle mir vor, dass das nicht so häufig vorkommt
und dass sie, wenn sie die Patientin gut kennen und ihre Geschichte und auch somit die Föten,
wenn sie da an dem Tag im Kreißsaal standen,
die Bauchdecke geöffnet haben und diese zwei Mädchen da gesehen haben
und dann eins rausnehmen müssen und eins dann quasi einfach das Leben entziehen müssen,
weil die Mutter das auch gerne so wollte.
Und dann aber, weißt du, daran, dass ich sehe,
dass sie ihr das dann nochmal auf die Brust gelegt haben
oder ihr nochmal gegeben haben, um sich zu verabschieden.
Also ich glaube nicht, dass das jetzt was war,
was die alle auf die leichte Schulter genommen haben,
weshalb ich auch diesen rauen Ton von dem Vorsitzenden
auch irgendwie so ein bisschen fehl am Platz empfinde.
Ja, also ich finde das tatsächlich unmöglich.
Und zwar, also jetzt mal abgesehen von der Verurteilung,
die wahrscheinlich so hat stattfinden müssen.
Aber die haben ja, also es hat ja ewig gedauert,
bis dieses Schreiben eingegangen ist.
Okay, das lag jetzt am Anzeigensteller, ne?
Aber danach so lange, ne?
Als Arzt und Ärztin auf ein Verfahren warten zu müssen,
verschiedene Aufgaben niederlegen mussten,
und zwar nicht nur vor dem Prozess, sondern auch danach.
Dann gingen die ja in Revision.
Und das Revisionsverfahren hat wieder so lange gedauert.
Und es steht da auch drin,
dass auch das Revisionsverfahren nicht angemessen gefördert wurde.
Also ich meine, die konnten damit nicht abschließen.
Und noch heute steht aus,
ob sie die Approbation aberkannt bekommen oder nicht.
Also das ist für die ja eine Tortur.
Das ist 2010 gewesen.
Das ist krass.
Also ich finde es wirklich, wie gesagt,
ich kann, weil es eben unser Gesetz ist,
jetzt gar nicht mich darüber empören,
dass sie dieses Urteil bekommen haben.
Aber das Ganze drumherum.
Und ehrlicherweise, ob ich denen das jetzt glaube oder nicht,
dass sie das wussten oder nicht,
sei mal dahingestellt.
Aber es gibt in der Fachliteratur, in der Medizin,
auch nichts zu so einem Fall.
Weil das offenbar wirklich irgendwie Novum jetzt war.
Und was dieser Fall halt jetzt blöderweise bewirkt ist,
dass sich andere Ärztinnen in der Situation,
wo sie sich nicht sicher sind,
nicht auf den Wunsch der werdenden Mutter einlassen werden,
sondern sich wahrscheinlich dann eher rechtlich absichern wollen,
weil sie nicht als TotschlägerInnen verurteilt werden möchten.
Es hat schon auch eine Signalwirkung.
Ja, absolut.
Aber dass Schwangerschaftsabbrüche unter Umständen erlaubt sind,
ist, wie wir am Anfang schon gesagt haben,
nicht überall auf der Welt so.
In vielen Ländern außerhalb von Europa
sind Abbrüche sogar ohne irgendwelche Ausnahmen verboten.
In El Salvador zum Beispiel dürfen Schwangere
nicht mal nach einer Vergewaltigung ihre Schwangerschaft abbrechen.
Weil da ist Schwangerschaftsabbruch quasi gleichbedeutend
mit einer Tötung, egal wann die passiert.
und Betroffene bekommen bis zu 30 Jahre Haft dafür.
Länder wie El Salvador,
in denen halt die Trennung von Kirche und Staat
nicht wirklich funktioniert,
haben oft so eine extrem konservative Einstellung,
was Schwangerschaftsabbrüche angeht.
Und dort steht halt eben seit 1998 in der Verfassung,
dass menschliches Leben ab Empfängnis geschützt werden muss.
So, das ist aber nicht nur so weit weg ein Problem,
sondern wir wissen, auch innerhalb von Europa
gibt es extrem strenge Gesetze.
Selbst in Polen, also in unserem Nachbarland,
ist das seit 2020 einfach nahezu unmöglich geworden,
einen Abbruch vorzunehmen.
Also hier gibt es auch nur zwei Szenarien,
bei denen sowas zulässig ist.
Und zwar, wenn das Leben der Schwangeren in Gefahr ist
oder die Schwangerschaft auf eine Vergewaltigung zurückzuführen ist.
Die muss aber erst mal offiziell nachgewiesen werden
oder auf Inzest zurückgeht.
Und alles andere widerspreche dem Recht auf Schutz des Lebens,
wie das Verfassungsgericht da erklärt hat.
Wo mich das richtig überrascht hat, war in den USA.
Da hatte der Supreme Court ja das grundsätzliche Recht
auf einen Schwangerschaftsabbruch im Juni 2022 gekippt.
Und jetzt haben halt eben die Bundesstaaten
die Entscheidung darüber, ob Abbrüche überhaupt erlaubt sind.
Und wie sich die konservativen Staaten entscheiden,
kann man sich ja denken.
Und deswegen geht man auch davon aus,
dass bald in der Hälfte aller US-Bundesstaaten
halt richtig strenge Gesetze herrschen.
Ein Grund dafür, dass sich auch die USA
in so eine komische politische Richtung bewegen,
ist, dass viele US-Amerikaner in Angst haben,
abgehängt zu werden.
Laut einer Umfrage des Sozialforschungsinstituts
Pew Research Center gaben 65 Prozent der befragten
weißen Menschen in ländlichen Regionen
nach der Wahl von Donald Trump an,
dass amerikanische ArbeitnehmerInnen
unter der wachsenden Zahl der ImmigrantInnen leide.
Als Reaktion auf ihre Angst
jetzt eine Minderheit zu werden,
entwickelt sich halt bei vielen dieser Menschen
so ein Zurücksehen der konservativen Werte.
Also nach dem Motto,
früher war alles besser,
lass uns das alles machen wie früher.
Und um sich dann quasi zu wehren,
weil sie das Gefühl haben,
ihnen entgleitet hier alles,
Amerika ist nicht mehr das, was es war,
wollen die dann so extreme Ansichten
wie jetzt in Bezug auf den Schwangerschaftsabbruch
dann auch politisch durchsetzen.
Ja, und das ist auf mehreren Ebenen verstörend.
Und da gab es dann natürlich auch einen richtigen Aufstand,
auch bei Social Media.
Also bei TikTok und Instagram,
da hat man dann plötzlich so ganz viele Videos mit Tipps gefunden,
wie Schwangere ihre Schwangerschaft selbst zu Hause beenden können.
Also beispielsweise halt eben auch mit Kräutern,
da wären wir dann wieder beim Anfang mit der Petersilie,
was natürlich absolut gefährlich ist.
Aber weil es in den USA jetzt glücklicherweise noch liberale Staaten gibt,
wo Schwangerschaftsabbrüche weiterhin durchgeführt werden dürfen,
sieht man da jetzt einen sogenannten Abtreibungstourismus.
Also dass Schwangere aus konservativen Staaten über die Grenze fahren,
um sich dann dort helfen zu lassen.
Und da sieht man ja auch im Internet diese Bereitschaft der Frauen aus zum Beispiel Kalifornien,
die dann anderen Frauen aus anderen Staaten wie Texas oder so,
dann so zu Hause auch, die so aufnehmen wollen und denen auch helfen wollen.
Und das finde ich irgendwie total schön.
Aber dieses woanders hinfahren, damit mir da geholfen wird,
das hat auch eine Person aus meiner Familie mal gemacht.
Das war in den 70er Jahren hier in Deutschland.
Da war nämlich ein Schwangerschaftsabbruch nicht erlaubt, so wie das heute ist.
Und die Person ist dann nach Maastricht gefahren, weil sie wusste,
also da war es auch nicht erlaubt, aber da wusste sie,
da gibt es ein paar Anbieter, die das durchführen.
Und aus lauter Verzweiflung ist sie halt eben dann dahin
und hat sich da in so ein Hinterzimmer begeben
und da eben einen Schwangerschaftsabbruch durchführen lassen
und kam dann zurück.
Und danach ging es ihr so, so, so schlecht,
dass sie wirklich kurz davor war, ihr Leben zu verlieren,
weil sie das nicht ordentlich dort gemacht hatten
und nicht alles sozusagen rausgeholt hatten,
dass sie hier in Deutschland dann in einem Krankenhaus notoperiert wurde.
Ja, da sieht man, zu was sowas führt.
Ja, genau.
Ich meine jetzt dann in den USA, wenn man dann von einem Staat zu einem anderen Staat,
wo es dann legal ist, sich helfen lässt,
dann wird das nicht der Fall sein.
Aber manche haben nicht das Geld dazu,
manche können nicht so weit reisen
oder aus anderen Gründen das nicht so machen
und dann begibt man sich vielleicht auch in die Hände von jemandem, der hilft,
aber der nicht die medizinischen Mittel hat, das richtig zu machen.
Ja, oder man nimmt halt dann selber einen Kleiderbügel,
was ja heute mittlerweile das Symbol für den Protest gegen diese neue Entwicklung ist.
Ja.
Und sowas gibt es halt auch heute noch in Deutschland,
also dass Frauen in die Niederlande fahren,
weil man da halt noch bis zur 22. Woche die Schwangerschaft abbrechen kann.
Nach Angaben des niederländischen Gesundheitsministeriums steigt die Zahl der Frauen,
die zu diesem Zweck dann halt aus Deutschland in die Niederlande fahren, seit Jahren.
Und mehrere Kliniken haben auch der Taz bestätigt,
dass die meisten Frauen, die da hingehen, zwischen Schwangerschaftswoche 12 und 22 waren.
Also das ist genau natürlich auch die Zeit,
in der man in Deutschland dann ohne medizinische Indikationen nicht mehr abtreiben darf.
Und dieser Tourismus ist eine Konsequenz des Paragraphen 218,
aber auch der Zugang zu Kliniken, an denen Abbrüche durchgeführt werden, an sich.
2013 gab es laut Statistischem Bundesamt noch etwa 2000 Praxen und Kliniken,
die Abbrüche durchführten.
2021 nur noch ungefähr 1100, also ungefähr die Hälfte nur noch.
Und vor allem für Frauen in Süddeutschland ist das ein Problem,
weil die müssen manchmal quer durch Deutschland telefonieren
und teilweise Strecken von über 200 Kilometern in Kauf nehmen.
In Nürnberg zum Beispiel ist nur eine einzige Praxis,
die Schwangerschaftsabbrüche durchführt,
auf der Liste der Bundesärztekammer verzeichnet.
Leonie Kühn, Ärztin und stellvertretende Vorsitzende des Doctors for Choice Vereins in Deutschland,
hat uns im Interview erklärt, warum das so ist.
Das liegt unter anderem daran, dass ÄrztInnen Probleme haben oder sich davor fürchten,
von AbtreibungsgegnerInnen angefeindet zu werden.
Es gibt eben immer wieder Demonstrationen vor Praxen oder auch vor Beratungsstellen.
Und das ist natürlich nicht schön, weil eine gynäkologische Praxis zum Beispiel führt nicht nur Schwangerschaftsabbrüche durch,
sondern macht auch ganz viel anderes und will natürlich dann nicht Demonstrierende vor der Praxis haben.
Und wir kennen ja alle diese Bilder, beispielsweise auch aus den USA,
wo dann Leute stehen mit Schildern, kleine Plastikpuppen dabei haben,
die die Größe von Föten haben.
Und diese ganze Wut, die wird natürlich auch noch befeuert,
wenn jemand wie der Papst Franziskus einen Schwangerschaftsabbruch im Jahr 2022
noch mit dem Anheuern eines Auftragsmordes vergleicht, ja?
Ja, genau.
Das bringt dann ja natürlich die ganzen Menschen dazu,
da mit dem Kreuz und den Puppen davor zu stehen.
Weil sie natürlich denken, ja, wenn das der Typ mit der direkten Leitung zu Gott so sieht,
dann muss das wohl richtig sein.
Ja, vielleicht kappt da jemand mal diese Telefonleitung,
zumindest wenn es um dieses eine Thema geht,
weil das sorgt natürlich für noch mehr erhitzte Gemüter.
Ich habe neulich was zugeschickt bekommen.
Und zwar hatte eine Moderatorin, Lola Weipart heißt sie,
was auf Instagram gepostet.
Und die wurde da nämlich gefragt in so einer Fragerunde,
was sie tun würde, wenn sie jetzt schwanger werden würde.
Und nagelt mich da jetzt nicht aufs Wort genau fest,
ich habe es mir leider nicht abfotografiert,
aber sie sagte sowas wie,
schwierig, man weiß ja nicht, wie man in der Situation handeln würde,
aber vermutlich würde ich abtreiben.
Und dann hatte sie dazu noch einen Post gemacht.
Und das ist unfassbar, was sich da gesammelt hat an Kommentaren.
Also mir wurde richtig übel danach.
Auch natürlich, dass es sich dabei um Mord handeln würde,
dass das eine Frechheit wäre.
Andere Frauen würden sich halt wünschen, schwanger zu werden
und dass sie das dann gefälligst austragen sollte
und zur Adoption freigeben sollte.
Und dann wurde mehrfach die Seite von Sternkinderhimmel verlinkt.
Also offenbar ist das eine Seite, wo Frauen, die ein Kind verloren haben,
darüber dann trauern.
Aber so funktioniert die Welt ja nicht.
Ich habe mir die Kommentare jetzt nicht durchgelesen,
aber wenn ich schon höre, dieses andere Frauen wollen unbedingt Kinder
und können keine haben und dann wird da diese Seite da verlinkt.
Das finde ich ganz schwierig, wenn man das einfach über andere sagt.
Wenn da jetzt drunter steht,
du, ich versuche schon seit zehn Jahren ein Kind zu bekommen
und ich würde das, ich würde das herzlich gerne nehmen oder so.
Total fair so ein Kommentar.
Aber über andere zu sagen, ja, andere wollen unbedingt Kinder
und für die oder denen gegenüber ist das total respektlos und was weiß ich.
Das finde ich auch ganz schwierig.
Ja, und nicht alle Frauen, die selbst kein Kind bekommen können,
wollen eins von Lola Weipert.
Ja, das könnte ich mir auch vorstellen.
Aber unabhängig davon, hallo, es ist immer noch ihr Körper
und Manfred irgendwas aus keine Ahnung wo in Deutschland
hat Lola Weipert nicht vorzuschreiben,
dass sie dieses Kind bitte neun Monate austragen soll,
eine Verbindung aufbauen soll,
dann noch was, was ich für Beschwerden in der Schwangerschaft haben soll,
um das dann zur Adoption freizugeben.
Ja, also genau.
Also ich denke auch, abgesehen von bestimmten Regularien,
für die ich klar bin,
aber ansonsten hat einfach niemand Gesetze darüber zu machen,
ob ich Mutter werde oder nicht oder nochmal Mutter werde oder nicht.
Also weil die Mehrzahl der Frauen, die einen Abbruch vornehmen lassen,
also 60 Prozent, die sind bereits Mütter.
Und es ist irgendwie schon komisch,
dass sich da einige so sehr speziell für ein Embryo,
schrägstrich ein Fötus interessieren.
Aber sobald das Kind dann auf der Welt ist
und vielleicht ja in eine ungeliebte Familie hineingeboren wird,
wo es keine Liebe bekommt, das interessiert die dann nicht mehr so doll.
Also ich meine, man sollte das ja auch Frauen zugestehen,
dass sie selbst wissen, was das Beste für sie und ein eventuelles Kind ist.
Vor allem, weil ich habe mir das ja auch nicht ausgesucht,
dass ich die Person bin, die dann schwanger wird.
Also sollte ich irgendwann mal ein Kind haben wollen,
dann wäre es mir generell sehr viel lieber,
wenn mein Partner es austragen würde.
Aber das ist ja nun mal biologisch nicht so.
Ich muss das machen.
Oh mein Gott, das wäre so geil.
Oder dass man sich halt teilen kann.
Ich mache das Erste, du machst das Zweite.
Das wäre schön.
Nee, nee, nee, nee.
Es gibt einfach Männer,
die beteiligen sich da lieber anlassweitig an dem Thema.
Und zwar, indem sie halt entweder Gesetze machen wollen,
die über die Zukunft fremder Frauen entscheiden.
Oder in dem, wie es zum Beispiel zwei ganz spezielle Männer
immer getan haben in Deutschland,
indem sie ÄrztInnen anzeigen,
die auf ihrer Webseite über die Abtreibungsmethoden,
die sie anwenden, informiert haben.
Also Stichwort Werbeverbot, das ja jetzt unlängst gekippt ist.
Und einer der beiden hat das tatsächlich als sein Hobby bezeichnet,
diese vor allem ÄrztInnen anzuzeigen.
Die stehen für mich noch auf noch einer unteren Stufe
von diesen Menschen, die ja als Hobby haben,
Falschparker zu melden.
Es ist auch so geil,
also uns ist diese Hobbyfrage ja schon furchtbar unangenehm,
weil wir so viel arbeiten und keiner Zeit für Hobbys haben.
Aber stell dir vor, du heißt Yannick Hendricks
und du sagst, in meiner Freizeit bin ich ein Anti-Abtreibungsaktivist.
Horror. Einfach nur Horror.
Doof auch, wenn du versuchst, alle ÄrztInnen zu outen,
selbst aber anonym bleiben willst
und dann ein Gericht entscheidet, dass Medien deinen Namen nennen dürfen.
Naja.
Ich finde auch einfach, dass dahinter ein ganz problematisches Frauenbild steckt,
wenn man so weit geht, dass man sie so entmündigen will.
Und was mich besonders aufregt an dieser Diskussion ist,
dass die Leute, die einem sowas vorwerfen und die da mitreden wollen,
das bei denen auch immer so im Unterton mitschwingt,
als wäre das eine leichte Entscheidung.
Ich habe mehrere Freundinnen, die schon einen Schwangerschaftsabbruch hatten
und es ist nicht gewesen, weil sie zu dumm waren zu verhüten,
was dann auch immer gerne angeführt wird.
Es gibt keine hundertprozentige Verhütungsmethode.
Und nein, man will dann trotzdem nicht auf Sex verzichten.
Also, nee, wirklich, was ich da gelesen habe,
es hat mein Gehirn eingefrostet, weil ich das so ignorant finde.
Alle meine Freundinnen hatten davor Angst.
Die wollten nicht zu diesem Beratungsgespräch gehen,
wo man ja auch mal sich fragen muss,
ist das eigentlich so gut oder fühlt man sich da nicht eher bevormundet,
dass man jetzt mit einer fremden Person darüber reden muss.
Und dann weiß, glaube ich, jede Person, was das bedeutet.
Also, das ist für viele auch trotzdem noch mit was Emotionalem verbunden.
Und ich kenne zumindest keine Person, die so eine Entscheidung leichtfertig trifft.
Aber tatsächlich waren meine Freundinnen, als sie es danach gemacht haben, erleichtert.
Und so einem Gefühl muss man ja auch irgendwie Raum geben können,
ohne sich dann danach dafür schlecht fühlen zu müssen.
Und es gibt ja auch Studien, die zeigen,
dass sich viele nach einem Abbruch einer ungewollten Schwangerschaft auch erleichtert fühlen
und eben nicht unter dieser Märchenerzählung von einem Postabtreibungssyndrom leiden.
Ja, und genau dieses Syndrom war ja auch immer so ein Argument dafür,
den Paragrafen 218 beizubehalten.
Also nach dem Motto, ist ja nicht nur, um die ungeborenen Kinder zu schützen,
sondern auch die Mütter, damit es denen danach nicht schlecht geht.
Aber, wie du schon sagst, der ist halt hinfällig.
Und tatsächlich habe ich auch mehr Argumente für eine Abschaffung des Paragrafen gefunden,
als dagegen, weil das ein Schwangerschaftsabbruch eigentlich illegal ist,
führt natürlich zu einer Stigmatisierung in der Gesellschaft
und dadurch unter anderem auch dazu,
dass der Eingriff in der medizinischen Ausbildung zum Teil auch gar nicht gelehrt wird
und auch kein verpflichtender Teil in der Facharztausbildung ist.
Und genau wegen solcher Dinge fordern Vereine wie Doctors for Choice
eine Liberalisierung unserer Gesetze
und die Entkriminalisierung von Schwangerschaftsabbrüchen.
Und dazu hören wir nochmal Leonie Kühn.
Für uns ist klar, dass der Paragraf 218 im Strafgesetzbuch nicht mehr existieren soll.
Also das bedeutet, dass Schwangerschaftsabbrüche unbedingt legalisiert werden sollen,
weil wir einfach die Erfahrung machen, dass PatientInnen,
die bei uns in der Praxis oder in der Klinik zu uns gelangen,
die ungewollt schwanger sind,
die sich zum ersten Mal mit dem Thema beschäftigen,
total entsetzt sind, wenn die erfahren, dass sie jetzt etwas wünschen,
was neben Mord und Totschlag im Strafgesetzbuch steht.
Dabei ist das ja eigentlich eine ganz normale gesundheitliche Dienstleistung.
Und diese Kriminalisierung durch den 218 führt zu einer ganz krassen Stigmatisierung,
auch gesellschaftlich.
Was ja viele GegnerInnen befürchten, wenn Schwangerschaftsabbrüche in Deutschland jetzt komplett legalisiert werden würden,
ist, dass dann auf einmal die Anzahl von Abbrüchen in die Höhe schießen würde.
Eine Langzeitstudie eines britischen Forschungsteams zeigt aber,
dass Abtreibungsverbote oder Einschränkungen nicht die Zahl der Eingriffe reduzieren.
Es würde sich wahrscheinlich an der Zahl der in Deutschland durchgeführten Abbrüche etwas ändern.
Ja, aber nur, weil die Frauen, die jetzt noch ins Ausland dafür fahren,
es dann in Deutschland machen würden.
Es würden ja dann nicht auf einmal viel mehr Frauen.
Genau. Und wie so ein Modell, wie es viele sogenannte Pro-Choice-AktivistInnen fordern,
funktionieren kann, kann man in anderen Ländern beobachten, wie uns Frau Kühn erzählt hat.
Kanada ist das Land, was zum Beispiel gar keine Fristen hat.
Also es ist nicht im Strafgesetzbuch drin, der Schwangerschaftsabbruch.
Und es gibt auch Nullfristen, wie lange man eine Schwangerschaft beenden kann.
Und auch da sieht man jetzt nicht, was immer propagiert wird.
Man legalisiert den Schwangerschaftsabbruch und dann wird quasi bis eine Minute vor der Geburt abgetrieben.
Das passiert in der Realität nicht, weil die Menschen, die eine Schwangerschaft beenden wollen,
die wollen das so früh wie möglich.
Das erlebe ich auch in der Praxis.
Wenn ich sage, wir haben erst wieder einen OP-Termin in zwei Wochen,
das ist für manche echt belastend zu wissen,
ich muss jetzt mit einer Schwangerschaft, die ungewollt ist,
die Symptome vielleicht auch macht, die Beschwerden macht.
Das heißt, diese Angst, dass das ausgenutzt wird,
das entspricht einfach nicht der Realität.
Und ich finde, da kann man einfach ganz viel nach international schauen
und da so ein bisschen die Ängste nehmen.
Und international zeigt sich halt auch,
dass Länder, die liberalere Abtreibungsgesetze haben,
dann am Ende auch die Länder sind mit den wenigsten Schwangerschaftsabbrüchen.
Und in den Niederlanden ist es zum Beispiel so,
das fand ich ganz interessant,
2018, da gab es nach der 24. Woche,
also da, wo der Fötus dann ja auch überlebensfähig ist,
nur noch elf Spätabtreibungen und in Deutschland gab es aber 655.
Und Deutschland hat aber nur fünfmal so viele EinwohnerInnen wie die Niederlande.
Also haben wir viel mehr Spätabtreibungen als die.
Boah, das ist krass.
Ja.
Und in Kanada ist es jetzt zum Beispiel ja auch so,
dass obwohl es da gar keine Regelungen gibt,
90 Prozent der Frauen, also genauso viele wie bei uns in Deutschland,
ihre Schwangerschaft im ersten Trimester abbrechen.
Und das zeigt ja eigentlich, dass man Frauen auch in Deutschland
diesen Vertrauensvorschuss geben könnte,
dass sie mit der Verantwortung einer Schwangerschaft umgehen können.
Und wenn man jetzt das aus dem Strafgesetzbuch rausstreichen würde,
dass sie dann auch nicht auf einmal bis zum achten oder neunten Monat warten sollten.
Warum sollten deutsche Frauen hier ganz anders agieren als andere?
Also ich kann einfach diese Angst nicht nachvollziehen,
weil man als Frau sich das ja vorstellen kann, wie das ist, wenn man schwanger ist.
Und dass es ja auch nur noch schwieriger wird, die Schwangerschaft abzubrechen, je länger man schwanger ist.
Weil es wird ja nicht nur körperlich dramatischer und schwieriger, sondern sicherlich auch mental.
Ja, also je mehr ich darüber gelesen habe, desto sicherer war ich mir auch,
dass es eigentlich gar nicht unbedingt eine Notwendigkeit für eine zeitliche Einschränkung gibt.
Weil, wie du schon sagst, niemand wird einfach so im achten Monat noch abtreiben.
Es sei denn, es gibt eben eine medizinische Indikation, aber die haben wir ja jetzt schon.
Aber ich würde es irgendwie trotzdem gutheißen, also auch als Zeichen dafür,
dass wir werdendes Leben schützen wollen.
Dass wenn man Abbrüche entkriminalisiert, trotzdem halt irgendwie eine zeitliche Regelung gefunden wird.
Weil ich glaube, dass man trotzdem auch einer Frau zumuten kann,
bis zu einem gewissen Zeitpunkt eine Entscheidung für sich und den Fötus zu treffen.
Und zwar auch, um Druck von Dritten auf Frauen irgendwann ein Ende zu bereiten.
Weißt du, weil jetzt gerade zum Beispiel in deinem Fall, den du am Anfang erzählt hast,
ich kann dafür natürlich jetzt keine Zahlen vorlegen,
aber ich kann mir schon denken, dass irgendwann, wenn jemand zum Beispiel nicht Vater werden möchte,
dass in Deutschland dann auch irgendwann der Druck auf die Frau aufhört,
wenn man eben diese zeitliche Grenze überschritten hat,
wo dann irgendwo festgehalten wird, bis hierhin muss diese Entscheidung getroffen werden.
Naja, und mit dieser Frage, ob man den Paragrafen 218 StGB streichen kann,
beschäftigt sich gerade tatsächlich auch eine Kommission.
Die Regierung hatte nämlich in ihren Koalitionsvertrag reingeschrieben,
dass sie Regularien für den Schwangerschaftsabbruch außerhalb des Strafgesetzbuches,
das Strafrecht stellt in der Gesellschaft geächtetes Verhalten unter Strafe.
Frauen haben aber ein Menschenrecht auf reproduktive Selbstbestimmung
und das Recht über ihren Körper selbst zu bestimmen,
sagt die rechtspolitische Sprecherin der SPD im Interview mit dem Tagesspiegel.
Ein Jahr lang soll die Kommission sich jetzt beraten.
Und da wird es sehr viel Redebedarf geben,
weil Paragraf 218 schützt ja nicht nur das ungeborene Kind vor der werdenden Mutter,
sondern auch vor Dritten, wie man das in meinem Fall gesehen hat.
Ja, also das war jetzt ein heftiges Thema.
Wir wissen natürlich auch, dass es ein Thema ist, was Emotionen weckt und nicht so ganz leicht verdaulich ist.
Und ich glaube, wir können auch tendenziell jede Seite irgendwie nachvollziehen,
selbst wenn wir beide eine ganz klare Meinung dazu haben,
die vielleicht auch nicht die von jedem Hörer oder jeder Hörerin ist.
Aber ich glaube, man sollte sich schon überlegen,
also welchen Rechten misst man jetzt mehr Wert zu?
Denen einer lebenden Schwangeren oder denen eines ungeborenen Kindes,
das selbst vielleicht noch nicht mal lebensfähig ist und halt eben auch noch nicht dieselben Rechte hat?
Ja, und in dieser Folge ging es ja jetzt auch nicht primär darum, was wir für eine Meinung haben,
sondern auch einfach darum, erst mal dieses Thema zu behandeln,
weil viele ja auch gar nicht wissen, dass der Schwangerschaftsabbruch so,
wie er jetzt ist, im Strafgesetzbuch hinter den Tötungsdelikten steht
und welche Rechte und Pflichten eine Schwangere hat.
Und es ist einfach legitim, solche älteren Gesetze auch mal zu hinterfragen.
Wenn man sieht, in anderen Ländern gibt es irgendwie ähnlich viele Schwangerschaftsabbrüche,
aber diese sind dann irgendwie im Gegensatz zu Deutschland nicht mit Scham behaftet
oder da haben Frauen einen besseren Zugang zur medizinischen Versorgung oder so,
weil am Ende geht es ja um die Gesundheit der Beteiligten.
So, noch was anderes zum Schluss.
Ich habe noch eine Empfehlung auszusprechen, um die zwei Wochen bis zur nächsten Folge zu überbrücken.
Und zwar ist das die Doku MH370, die gucke ich gerade auf Netflix.
Hast du die schon gesehen?
Nee, aber den Trailer und dachte mir, ob sich das lohnt?
Ja, das kann ich noch nicht so richtig sagen.
Ich bin nämlich erst bei der ersten Folge, aber bis jetzt finde ich es ganz spannend.
Also es geht um diese Geschichte von der Maschine von Malaysian Airlines, die verschwunden ist.
Und wir hatten auch schon öfter mal überlegt, diesen Fall hier bei Mordlust zu besprechen,
aber das scheiterte bisher immer so ein bisschen an dem fehlenden Crime-Charakter.
Ja, und ja auch an dem Oberthema.
Ja, verschwundene Flugzeuge gibt es zum Glück auch nicht so oft.
Nee.
Naja, guckt euch das an, wenn ihr lustig seid und wir hören uns in der nächsten Folge.
Das war ein Podcast der Partner in Crime.
Hosts und Produktion Paulina Kraser und Laura Wohlers.
Redaktion Vera Grün und wir.
Schnitt Pauline Korb.