00:00:07
Laura, frag mich mal, wo du mich gerade erreichst, so wie Lansprecht.
00:00:14
Hallo Paulina, wo erreiche ich dich gerade?
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In dem Albtraum aller Podcaster.
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Und ich habe wirklich gedacht, dass mir das nach fast fünf Jahren nicht mehr passieren wird.
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Aber ich sitze tatsächlich in einem Kleiderschrank.
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Und über meinem Kopf baumelt ein hellblaues Sommerkleid, weil ich gerade auf Mallorca bin.
00:00:33
Und der Sound in allen anderen Räumen so schlimm ist, dass mir keine andere Wahl blieb.
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Ich muss aber sagen, du hörst dich gerade ein bisschen auch für mich an, wie so in einer Konservendose.
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So höre ich mich nicht nur an, so sehe ich vor allem auch aus.
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Warte, ich mache mal hier den Videocall an.
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Ja, das sieht aus, als ob Paulina im Schrank unter der Treppe wohnen.
00:01:03
Ich bin Harry Potter.
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Laura hat eben gerade gesagt, wir müssen nochmal neu anfangen mit der Aufnahme, weil ihr Bruder nach Hause gekommen ist und Lärm gemacht hat.
00:01:14
Oder war ich so?
00:01:14
Ich halte hier wirklich keine Sekunde länger drin aus.
00:01:17
Wir fangen schnell an, okay?
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Ich möchte aber, bevor wir anfangen und ich diese wundervolle Aufnahme hier verbringen darf, noch einmal kurz Danke sagen.
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Es haben sich nämlich einige GeologInnen bei uns gemeldet.
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Und zwar bezüglich der wandernden Leichen meines Hausarztes.
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Das hört sich jetzt komisch an.
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Das hört sich an, als wäre er für die verantwortlich.
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Aber die sind im Garten von ihm.
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Also sein Sohn hatte Knochen gefunden.
00:01:43
Und zwar Knochen eines Skeletts.
00:01:45
Und die Polizei sagte ihm, dass irgendein Wanderregiment damals durch Brandenburg gegangen ist.
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Und es da verschiedene Schlachten gegeben hätte.
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Und deswegen die Leichen von einem Friedhof über die Jahre zu ihm in den Garten gewandert werden.
00:02:01
Unterirdisch, versteht sich.
00:02:03
Und da haben wir jetzt Feedback bekommen, dass sich das doch wirklich sehr unglaubwürdig anhört.
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Also Leichen können zwar ein paar Zentimeter wandern, aber keine größeren Strecken.
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Eine Person hatte noch geschrieben, das gibt es vielleicht bei Gletschern in Gebirgen oder so,
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wenn Leichen erst einfrieren und dann auftauen und dann einige Meter wandern und dann aber wieder einfrieren sozusagen.
00:02:24
Aber es waren sich eigentlich alle einig, dass diese beiden Personen, die da gefunden wurden,
00:02:29
im Garten meines Arztes da auch begraben wurden.
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Okay, es gibt also zwei Möglichkeiten.
00:02:35
Entweder wir vermuten jetzt eine Verschwörung bei der Polizei
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oder sie haben einfach keine Lust, sich noch länger damit zu beschäftigen,
00:02:43
was da im Garten von deinem Hausarzt passiert ist.
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Weiß nicht, was schlimmer ist.
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Also ich gebe mich ehrlicherweise auch mit zweitem zufrieden, weil diese Knochen sind ja schon wirklich sehr, sehr alt.
00:02:57
Naja, aber wenn wir denen das nicht glauben, also wenn man denen das eine nicht glauben kann,
00:03:03
kann man das denen ja vielleicht auch nicht glauben.
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Also ich glaube, das kann mein Hausarzt schon, das kann der ja selber sagen, wie alt die Knochen sind.
00:03:10
Die hat der ja gesehen.
00:03:12
Und da wir ja auch wissen, je älter der Fall her, desto weniger emotional mitgenommen ist man.
00:03:20
Und desto eher sehe ich mich auch mal bei einem Lagerfeuer in seinem Garten sitzen.
00:03:25
Und deswegen würde ich genau dasselbe tun, wie die Polizei diese Sache jetzt zu den Akten legen
00:03:32
und es auf sich beruhen lassen.
00:03:36
Und damit herzlich willkommen zu Mordlust, einem Podcast der Partner in Crime.
00:03:40
Wir reden hier über wahre Verbrechen und ihre Hintergründe.
00:03:42
Mein Name ist Paulina Kraser.
00:03:44
Und ich bin Laura Wohlers.
00:03:46
In diesem Podcast gibt es immer ein Oberthema, zu dem wir zwei wahre Kriminalfälle nacherzählen,
00:03:52
über die diskutieren und auch mit Menschen mit Expertise sprechen.
00:03:56
Hier geht es um True Crime, das heißt immer auch um die Schicksale von Menschen.
00:03:59
Bitte behaltet das immer im Hinterkopf, das machen wir auch.
00:04:02
Selbst, wenn wir zwischendurch mal ein bisschen ungehemmter drauf loskommentieren,
00:04:06
das ist für uns so eine Art Comic Relief, aber natürlich nicht despektierlich gemeint.
00:04:10
Jemand stirbt und jemand anderes kommt dafür im besten Fall ins Gefängnis.
00:04:15
So gehen ja die meisten unserer Fälle aus und diese Abfolge, Straftat und dann folgt darauf Strafe,
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die befriedigt ja auch irgendwie unser Verständnis von Gerechtigkeit.
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Wir wissen aber auch, für jeden Fall ist es wichtig, was vorher passiert ist, also vor der Tat.
00:04:33
Verbrechen und ihre Hintergründe, heißt es ja hier bei uns.
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Genau, also wir schauen uns hier nicht nur das Endergebnis an, weil das wenig über die Tatumstände aussagt.
00:04:42
Also Beispiel, wenn ihr jetzt hört, die Paulina hat die Laura getötet,
00:04:45
dann würdet ihr wahrscheinlich meinen, die Paulina muss dafür eine sehr lange Zeit ins Gefängnis,
00:04:51
weil sie sich rechtswidrig verhalten hat.
00:04:53
Aber was ist, wenn Laura vorher erfahren hat, dass Greys Anatomy abgesetzt wird
00:05:00
und dann super sauer war, weil ich gesagt habe, dass die Serie eh unerträglich wurde,
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nachdem Lexi Gray ins Spiel kam und sie dann auf mich losgegangen ist und ich ihren Angriff nur abwehren konnte,
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indem ich ihr eine Vase, die gerade auf dem Tisch stand, über den Kopf ziehen konnte.
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Findet ihr, dass es dann gerecht wäre, mich so zu verurteilen, wie jemanden, der jetzt seinen Vater oder seine Mutter wegen des Erbes umbringt?
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Ich fände es wahrscheinlich trotzdem gerecht, weil ich finde, man kann mir schon verzeihen, über so eine Ungerechtigkeit sauer zu sein.
00:05:42
Du fändest dann gar nichts mehr.
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Du fändest es unter der Erde sehr dunkel.
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Wir haben euch heute zwei Fälle mitgebracht, die erklären, welche Möglichkeiten unser Rechtssystem in solchen Verteidigungssituationen bietet.
00:05:55
Mein Fall zeigt, dass eine Tat nicht ohne Konsequenzen bleibt, nur weil sie rechtens ist.
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Einige Namen habe ich geändert.
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Es ist ein lauer Spätsommertag Anfang September 2020.
00:06:09
Arthur Koller sitzt draußen in einem Café in der Altstadt von Zelle und genießt die frische, warme Luft.
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Während der 72-Jährige Mittagspause macht, schmeißt seine Frau Elke den Juwelierladen,
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den die beiden ein Stück die Straße runter in der Fußgängerzone betreiben.
00:06:24
Von dem Café aus kann Arthur sein Geschäft nicht sehen.
00:06:27
Stattdessen schweift sein Blick entlang der historischen Fachwerkhäuser und der Menschen, die in den Straßen unterwegs sind.
00:06:34
Hängen bleibt er an einem silberfarbenen Auto, das gegenüber dem Café einparkt.
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Arthur beobachtet, wie ein Mann den Citroën verlässt und zum Kofferraum geht.
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Er öffnet den Deckel und lädt einen Rollstuhl aus.
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Dann steigt ein zweiter Mann aus dem Auto.
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Er setzt sich eine Sonnenbrille auf die Nase und nimmt im Rollstuhl Platz.
00:06:52
Der andere umfasst die Griffe und schiebt den Rollstuhl am Café vorbei, in die Straße, in der der Juwelierladen liegt.
00:06:59
Was ist das denn für ein seltsames Paar?
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Wohin die wohl unterwegs sind?
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Arthur überlegt einen Moment, ob er ihnen folgen soll, entscheidet sich dann aber doch dafür, noch ein bisschen sitzen zu bleiben und den Tag zu genießen.
00:07:12
Was er nicht weiß, die beiden Männer hat er nicht zum letzten Mal gesehen.
00:07:20
Das grünbraune Fachwerkhaus in der Altstadt von Celle wirkt unscheinbar und fällt zwischen den anderen historischen Gebäuden nicht auf.
00:07:26
Arthur Koller kennt es aber sehr gut.
00:07:29
Er geht hier schon seit Jahren ein und aus.
00:07:31
Früher war in dem Gebäude eine Wirtschaft, inklusive Tischkicker, an dem sich Arthur schon als Jugendlicher mit seinen Kumpels ausgetobt hat.
00:07:38
Inzwischen gibt es in den Räumlichkeiten weder Bier noch Brotzeit, sondern viel wertvollere Waren.
00:07:44
Denn Goldschmiedemeister Arthur und seine Frau Elke, beide Ende 40, haben die Immobilie gekauft und vor nun fast 30 Jahren in ein Juweliergeschäft umgebaut.
00:07:53
Von außen weist ein Schild mit der Aufschrift Antikgold darauf hin, im Inneren hängen Ölgemälde in goldenen Rahmen, es glitzert und funkelt an jeder Ecke.
00:08:02
Glasvitrinen mit wertvollen Porzellantellern und Tassen, kostbare Schmuckstücke aus Gold, Silber und Perlen, Vasen, Kerzenständer und allerlei andere antike Dekoartikel reihen sich eng aneinander.
00:08:13
Die Gegenstände im Laden der Kollers sind tausende Mark wert.
00:08:17
Zusammengenommen haben sie sogar einen Wert von mehreren Millionen.
00:08:21
Arthur und Elke ist durchaus bewusst, dass dieser Beruf daher nicht ganz ungefährlich ist.
00:08:25
Deshalb lassen sie ihr kostbares Geschäft auch so gut wie nie aus den Augen.
00:08:29
Selbst wenn sie nicht arbeiten, sind sie nur wenige Schritte entfernt.
00:08:33
Denn im Stockwerk darüber haben sich die Kollers ihre Wohnung eingerichtet.
00:08:37
Arbeit und Freizeit sind bei den beiden nicht strikt getrennt.
00:08:40
Urlaub genehmigen sie sich eigentlich nie, weil wer kümmert sich sonst ums Geschäft?
00:08:44
Denn Kinder, die in ihre Fußstapfen treten wollen, gibt es nicht.
00:08:48
Dass Arthur und Elke die meiste Zeit hier zwischen Antiquitäten und Schmuck verbringen, stört die beiden aber nicht.
00:08:54
Vor allem Arthur geht in seinem Beruf auf.
00:08:56
Er kann stundenlang an seiner Werkbank im Hinterzimmer des Ladens sitzen und die filigransten Schmuckstücke reparieren oder selbst herstellen.
00:09:03
Er liebt diese Millimeterarbeit.
00:09:05
Und er liebt es, den Menschen damit eine Freude zu machen.
00:09:08
Weil meistens haben Broschen, Ohrringe und Armbänder für seine Kundinnen nicht nur einen materiellen, sondern vor allem einen ideellen Wert.
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An einem Tag im April 1998 will Arthur seinen Arbeitsplatz kurz verlassen, um ein paar Erledigungen zu machen.
00:09:22
Elke bleibt damals allein zurück.
00:09:25
Als sie hört, wie sich die Ladentür kurz nachdem ihr Mann sich verabschiedet hat öffnet, tritt sie im schicken Businesskostüm vom Hinterzimmer in den Verkaufsraum.
00:09:33
Aber der Frau mit dem blonden Kurzhaarschnitt steht keine gewöhnliche Kundschaft gegenüber.
00:09:37
Sie erkennt nur noch, wie zwei vermummte Gestalten in Trainingsanzügen auf sie zustürmen.
00:09:42
Eine von ihnen hält ihr eine Waffe direkt ins Gesicht.
00:09:45
Dann geht alles ganz schnell.
00:09:47
Der Mann packt Elke, dreht sie um und stößt sie zu Boden.
00:09:50
Panik steigt in ihr hoch, als sie spürt, wie er über ihr kniet und anfängt, sie zu fesseln.
00:09:56
Jetzt sterbe ich, denkt Elke.
00:09:58
Jeden Moment rechnet sie mit dem Schuss, der ihr Leben beendet.
00:10:02
Dann hört sie ein furchtbar lautes Geräusch.
00:10:04
Aber das ist kein Schuss, sondern ein Klirren und Krachen.
00:10:08
Ohrenbetäumend laut dröhnt es in dem kleinen Laden.
00:10:11
Eine Glasvitrine nach der anderen geht zu Bruch und mit ihr das wertvolle Porzellan darin.
00:10:16
Auf einmal spürt Elke etwas auf ihrem Kopf und das Geräusch von zerbrechendem Glas wird dumpfer.
00:10:21
Was geschieht hier?
00:10:22
Als sie begreift, dass sie gerade in einen Teppich eingewickelt wird, ist sie sich sicher, hier kommt sie nicht mehr lebend raus.
00:10:29
Doch nach einer gefühlten Ewigkeit lässt der Mann von ihr ab.
00:10:33
Wenig später wird es ganz still.
00:10:35
Elkes Herz rast noch immer, als sie lauscht, ob sich noch etwas im Laden tut.
00:10:39
Nach ein paar Minuten versucht sie dann, sich aus dem Teppich zu winden und das Seil, mit dem sie gefesselt ist, zu lösen.
00:10:46
Als sie sich hochrappelt, erkennt sie ihr Geschäft kaum wieder.
00:10:49
Vor ihr offenbart sich ein Bild der Zerstörung.
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Zu ihren Füßen ein Meer aus Scherben, so gut wie nichts steht mehr an seinem Platz.
00:10:56
Elke steht unter Schock.
00:10:58
Von einem Moment auf den anderen ist nichts mehr so, wie es war.
00:11:01
Ihr schlimmster Albtraum, das, was sie und Arthur schon immer irgendwie befürchtet hatten, ist Realität geworden.
00:11:08
Als Arthur zurückkommt, kann er nicht glauben, was er sieht.
00:11:11
Sein Geschäft, sein Lebenswerk liegt wortwörtlich in Trümmern.
00:11:14
Und dazwischen das Wertvollste, was er sich vorstellen kann, seine Frau.
00:11:18
Völlig verstört und aufgelöst.
00:11:20
Als Arthur von ihr erfährt, was geschehen ist, ist er schockiert, aber auch erleichtert, weil Elke überlebt hat.
00:11:26
Das ist das Allerwichtigste.
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Weil Elke direkt nach dem Überfall die 110 gewählt hat, steht kurze Zeit später auch schon die Polizei im Laden.
00:11:33
Elke wird ausführlich befragt und der Tatort auf Spuren untersucht.
00:11:37
Nachdem die Einsatzkräfte ihre Arbeit erledigt haben, wird es wieder still.
00:11:41
Arthur und Elke wollen sich dieser unheimlichen Stille aber nicht hingeben.
00:11:45
Sie möchten anpacken, weitermachen.
00:11:47
Also beginnen die beiden mit Aufräumen.
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Vielleicht lässt sich das eine oder andere kostbare Stück ja noch retten.
00:11:52
Doch je mehr sich das Chaos lichtet und der Laden wieder seine frühere Gestalt annimmt,
00:11:57
desto deutlicher werden die finanziellen Folgen des Überfalls.
00:12:00
Bei der Inventur muss das Ehepaar feststellen, dass Schmuck im Wert von einer Million Mark fehlt.
00:12:05
Und das Schlimmste an der Sache, die Kollers sind nicht versichert.
00:12:09
Heißt, niemand wird ihnen den fehlenden Wert zurückerstatten.
00:12:13
Aber noch mehr Sorgen als um das Geschäft macht sich Arthur um Elke.
00:12:20
Der Überfall hat zwar nur wenige Augenblicke gedauert,
00:12:23
aber das, was die Täter Elke angetan haben, hat tiefe Spuren in ihrer Seele hinterlassen.
00:12:27
Und so sehr sie sich in den Tagen und Wochen danach um Normalität bemüht, es gelingt ihnen nicht.
00:12:32
Egal wo sie ist, ob in der Tiefgarage, am Bankschalter oder im Supermarkt,
00:12:36
sobald jemand hinter sie tritt, kriecht die Angst in ihr hoch.
00:12:39
Sie wird zu Elkes ständigem Begleiter, der sich nicht einfach wegfegen lässt wie die Glasscherben im Laden.
00:12:44
Arthur bricht es das Herz, seine Frau so verletzlich zu sehen.
00:12:50
Während sich Elke mühsam in den Alltag zurückkämpft, steckt die Polizei mitten in den Ermittlungen.
00:12:54
Kriminalhauptkommissar Hans-Peter Klages hatte den Kollers versprochen,
00:12:58
alles daran zu setzen, das Verbrechen aufzuklären und dem Paar seine Ware irgendwie zurückzubringen.
00:13:03
Die Spur führt ihn und sein Team nach Polen.
00:13:06
Doch nach Celle kommen sie nicht mit guten Neuigkeiten für Arthur und Elke zurück.
00:13:10
Sie hätten zwar viele Indizien, aber weder ihnen noch den polnischen KollegInnen sei es gelungen,
00:13:15
die mutmaßlichen Täter festzunehmen, erklärt Klages den Kollers mit Bedauern.
00:13:19
Auch die Beute hätten sie nicht aufspüren können.
00:13:22
Nur ein einziges Schmuckstück überreicht er Arthur und Elke.
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Einen goldenen Armreif im Wert von 7.000 Mark.
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Den habe man bei einem Hehler entdeckt.
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Der Rest sei nicht mehr auffindbar.
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Der Armreif ist ein schwacher Trost für die beiden.
00:13:36
Vor allem, als sie hören, was der Polizeichef noch zu erzählen hat.
00:13:39
Eine Zeugenaussage hätte ergeben, dass die Räuber in einem Billardladen in Polen
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mit ihren neuen Rolex-Uhren geprahlt hätten.
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Aber nicht nur das.
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Sie hätten auch getönt, Zitat,
00:13:49
nach Celle fahren wir nochmal.
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Arthur und Elke sind entsetzt.
00:13:55
Was sollen sie jetzt tun?
00:13:56
Das Juweliergeschäft aufzugeben, kommt auf keinen Fall in Frage.
00:13:59
Ihr ganzes Herzblut steckt darin.
00:14:01
Kriminalhauptkommissar Hans-Peter Klages sieht nur eine Möglichkeit für Arthur und Elke.
00:14:06
Obwohl das in den Reihen der Polizei nicht alle gut heißen,
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rät er den beiden, sich zu bewaffnen.
00:14:11
Damit sie den Räubern etwas entgegensetzen können, sollten die ihre Drohung tatsächlich wahrmachen und wiederkommen.
00:14:16
Arthur ist hin- und hergerissen.
00:14:19
Sie sollen einen Waffenschein machen?
00:14:21
Mit diesem Gedanken fühlt er sich nicht wohl.
00:14:24
Aber er weiß auch, dass es eigentlich keine Alternative gibt.
00:14:27
Wer weiß, was geschieht, sollte Elke ein solches Martyrium noch einmal erleben müssen.
00:14:33
Also befolgen die Kollers den Rat des leitenden Ermittlers.
00:14:36
Kurz darauf gehen sie zum ersten Mal zum Schießtraining.
00:14:38
Weil beide nicht wirklich Ahnung von Waffen haben,
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zeigt ihnen der Ausbilder im Verteidigungsschießen erst einmal, welche Modelle es gibt.
00:14:45
Schwarz und silbrig glänzend liegen die Revolver und Pistolen vor ihnen in dem Waffenkoffer.
00:14:50
Die Kollers entscheiden sich für einen 38er-Revolver.
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Dann wird es ernst.
00:14:55
Arthur und Elke setzen sich Ohrenschützer auf und treten an den Schießstand.
00:14:59
Dort folgen sie den Anweisungen ihres Lehrers.
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Die großkalibrige Waffe mit beiden Händen halten und nicht vergessen,
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dass der Revolver durch den Rückstoß nach oben zieht.
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Zählen, ruhig atmen und peng.
00:15:11
Elke greift sich an die Brust, als sie ihren ersten Schuss abgefeuert hat.
00:15:15
Das ist nicht ohne.
00:15:16
Ihr ist sofort bewusst, welche große Verantwortung mit einer Waffe in der Hand einhergeht.
00:15:22
Aber je häufiger sie schießt, desto mehr gewöhnt sie sich daran.
00:15:24
Und das anfangs seltsame Gefühl,
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das das kühle Metall des Revolvers in ihren Händen hinterlässt,
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gibt ihr mit der Zeit immer mehr Sicherheit.
00:15:31
Alle drei Monate packen sie und Arthur die Waffen jetzt ein,
00:15:35
die sie mittlerweile in ihrem Geschäft und in der Wohnung deponiert haben,
00:15:38
und fahren zum Schießstand, um zu trainieren.
00:15:40
Ihre Schüsse werden immer präziser und sie fühlen sich immer sicherer.
00:15:44
Die Jahre vergehen.
00:15:46
Die Kollers absolvieren regelmäßig ihr Schießtraining.
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Die Geschehnisse im April 1998 verblassen.
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Die beiden können ihr Leben langsam wieder leben, so wie sie es gewohnt waren.
00:15:56
Doch die Angst kommt 2019 zurück.
00:16:00
Denn eines Nachts wird Arthur von seltsamen Geräuschen geweckt.
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Sie dringen nicht aus dem Laden, sondern kommen von hier, in der Wohnung.
00:16:06
Er steht auf und greift nach seinem Revolver.
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Dann schleicht er in den Gang.
00:16:10
Wieder ein Geräusch.
00:16:12
Arthur traut seinen Augen kaum, als auf dem dunklen Flur eine vermummte Person auftaucht
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und direkt auf ihn zugeht.
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Arthur packt den Revolver mit beiden Händen, so wie er es am Schießstand schon tausende Male
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Die Polizei kommt, sagt er mit fester Stimme und hofft, dass sich der Einbrecher durch seine
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Worte und vor allem seine Waffe einschüchtern lässt.
00:16:32
Es scheint zu funktionieren.
00:16:34
Arthur sieht, wie die maskierte Gestalt auf dem Absatz kehrt macht, die Treppe nach unten
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läuft und nach draußen flüchtet.
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Erleichterung macht sich breit.
00:16:42
Arthur hat Elke, sein Haus, sein Hab und Gut erfolgreich verteidigt.
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Trotzdem hinterlässt der Einbruch ein mulmiges Gefühl bei ihm und seiner Frau.
00:16:50
Zwei Jahrzehnte war alles gut.
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Natürlich haben sie in all der Zeit die Worte von Polizeihauptkommissar Klages nicht vergessen.
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Bewaffnen sie sich, die kommen wieder.
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Sie haben zwar keine Ahnung, ob dieser Einbrecher etwas mit dem Überfall von vor 20 Jahren zu
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Sie wissen allerdings, dass ihr Juwelierladen eine Zielscheibe für Raub und Einbruch
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Aber Wissen und tatsächlich Erleben sind zwei verschiedene Dinge.
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Und zum Glück sind sie ja jetzt nicht mehr so hilflos wie damals.
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Nach einem weiteren Einbruch, dieses Mal ertappt Arthur einen Vermummten direkt im Geschäft
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und schlägt auch ihn erfolgreich in die Flucht, montiert er am Eingang eine Videokamera.
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Außerdem entschließen sich die Kollers dazu, die Ladentür in Zukunft auch während der Öffnungszeiten
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geschlossen zu halten.
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Wer kommt, weil er ein Schmuckstück zur Reparatur bringt oder zwischen den Antiquitäten
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stöbern möchte, muss klingeln.
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Eigentlich müssten sie das Geschäft auch gar nicht mehr öffnen.
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Elke ist inzwischen Ende 60, Arthur Anfang 70.
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Seit gut 50 Jahren stehen sie Tag für Tag in ihrem Laden.
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Einen unaufgeregten Ruhestand haben sie sich längst verdient.
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Aber das kommt für die beiden immer noch nicht in Frage.
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Ihre Rente ist nicht üppig und außerdem ist das Juweliergeschäft ihr Leben.
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Das können und wollen sie noch nicht aufgeben.
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Arthur und Elke versuchen daher, diese unschönen Zwischenfälle nicht zu hoch zu hängen.
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Sie wollen sich stattdessen auf die Stammkundschaft konzentrieren, auf die vielen Menschen, die
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Arthurs filigranes Handwerk und ihre Expertise für Erbstücke zu schätzen wissen.
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Die sich wie kleine Kinder freuen, wenn Arthur, der mit seinem weißen Bart und der randlosen
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Brille an den Weihnachtsmann erinnert, ihnen ihre größten Schätze übergibt.
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Und dann kommt der 14. September 2020.
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An diesem Tag sitzen die Kollers gerade im Hinterzimmer ihres Ladens.
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Elke ist am Computer beschäftigt, Arthur sieht fern.
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Allein schon wegen seines Berufs findet er Bares für Rares im ZDF spannend.
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Gegen Viertel vor vier unterbricht die Türklingel dann den geruhsamen Montagnachmittag.
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Arthur ist vertieft in die Trödelshow, also kümmert sich Elke um die Kundschaft, die sich
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durch die Klingel angekündigt hat.
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Beim Blick auf den Monitor der Überwachungskamera ist sie einen Moment irritiert, als sie zwei
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Männer mit Mund-Nasen-Schutz und Sonnenbrille vor der Tür sieht.
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Wegen der Corona-Schutzmaßnahmen darf momentan immer nur eine Person in ihren kleinen Laden.
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Aber dann erkennt sie, dass einer der beiden im Rollstuhl sitzt.
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Und eine Begleitperson ist natürlich gestattet.
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Sie drückt den Türöffner und tritt hinter den Tresen im Verkaufsraum.
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Durch die Plexiglasscheibe, die zum Schutz vor dem Virus über dem Tresen von der Decke hängt,
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sieht sie das Duo in hellen Hemden auf sich zukommen.
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Wunderschönen guten Tag, die Herren.
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Was kann ich für Sie tun?
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Wir interessieren uns für Uhren, antwortet der Mann im Rollstuhl.
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Doch noch bevor Elke dazu kommt, ihnen die Uhren in der Auslage zu zeigen,
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schubst der andere Mann den Rollstuhl gegen den Tresen.
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Dann geht wieder alles ganz schnell.
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Elke sieht, wie der Mann im Rollstuhl auf einmal hochspringt und unter der Plexiglasscheibe
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durch, über den Tresen hechtet, direkt auf sie zu.
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Er packt sie an den Armen, reißt sie an sich und nimmt die 71-Jährige in den Würgegriff,
00:19:43
sodass sie kaum noch Luft bekommt.
00:19:45
Elke ruft panisch nach Arthur und um Hilfe.
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Arthur hört Elkes Schreie und zögert keine Sekunde.
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Er packt den 38er-Revolver, den er immer in Reichweite liegen hat, und läuft in den Laden.
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Dort ist sein schlimmster Albtraum wahr geworden.
00:20:00
Er sieht, wie ein Mann mit Sonnenbrille eine Waffe auf ihn richtet, den Finger am Abzug.
00:20:04
Arthur erkennt das Modell.
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Eine russische Markaroff.
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Das ist kein Spielzeug.
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Und noch schlimmer, ein zweiter Mann hat seine Frau fest im Griff.
00:20:12
Arthur sieht die Panik in Elkes Augen.
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Sie muss Todesangst ausstehen.
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Lass sie los, schreit er dem Angreifer immer wieder entgegen.
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Aber der fühlt sich durch Arturs Revolver offenbar überhaupt nicht eingeschüchtert und hört nicht auf, Elke zu würgen.
00:20:26
Dann zieht er langsam Handschellen aus seinem Rucksack, ohne den Griff zu lockern.
00:20:29
Elke wird immer panischer.
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Sie kann dem Maskierten nicht entkommen.
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Schieß, ruft sie ihrem Mann schließlich zu.
00:20:35
Und Arthur sieht keinen anderen Ausweg, den Angreifer zu stoppen.
00:20:39
Also macht er das, was er tausende Male geübt hat.
00:20:42
Weil der Räuber Elke wie ein Schutzschild vor sich hält, kommt Arthur nur eine Option in den Sinn.
00:20:47
Auf den Kopf des Angreifers zu zielen.
00:20:50
Er kann ja nicht seine eigene Frau ins Visier nehmen.
00:20:52
Arthur versucht sich also zu konzentrieren.
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atmend ruhig ein und drückt ab.
00:20:58
Sofort sagt der Mann über Elke zusammen.
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Blitzschnell wendet sich Arthur den zweiten Mann zu und sieht die Pistole, die direkt auf ihn gerichtet ist.
00:21:07
Wird der Räuber sich rächen, weil Arthur auf seinen Komplizen geschossen hat?
00:21:10
Arthur hat keine Zeit, um groß zu überlegen.
00:21:13
Bevor er selbst getroffen wird, zählt er noch einmal.
00:21:15
Direkt auf den Lauf der Pistole.
00:21:18
Sein Gegenüber fällt schlagartig nach hinten, den Finger noch am Abzug.
00:21:22
Im Laden ist es auf einmal ganz still, bis es aus Arthur herausbricht.
00:21:26
Ihr Dreckschweine, schreit er.
00:21:28
Ihr wolltet mich ausnehmen.
00:21:29
Das habt ihr nun davon.
00:21:31
Dann rannt er zu Elke und nimmt sie in den Arm.
00:21:33
Er hält sie ganz fest.
00:21:34
Wie schlimm die vergangenen Sekunden für sie gewesen sein müssen, kann er sich gar nicht vorstellen.
00:21:38
Jetzt musste sie dieses Martyrium schon zum zweiten Mal durchleben.
00:21:42
Zu wissen, dass es jeden Augenblick vorbei sein kann.
00:21:44
Arthur mag sich gar nicht ausmalen, was passiert wäre, wenn er die Angreifer nicht gestoppt hätte.
00:21:49
Dann hätte er vielleicht zum letzten Mal mit Elke in ihrem gemeinsamen Geschäft gestanden.
00:21:53
Er schiebt all die Horrorszenarien von sich und lässt nur einen Gedanken zu.
00:21:56
Gott sei Dank ist seine Frau am Leben.
00:21:58
Gott sei Dank ist die Gefahr gebannt.
00:22:00
Dann besinnt er sich und konzentriert sich auf das, was gerade auch noch geschehen ist.
00:22:04
Er hat auf zwei Menschen geschossen, die nun blutend am Boden liegen.
00:22:08
Sie müssen Polizei und Krankenwagen rufen.
00:22:10
Wenige Minuten später klingelt es erneut am Laden der Kollers.
00:22:13
Den beiden Polizisten, die als erste vor Ort sind, bietet sich ein seltsames Bild.
00:22:18
Inmitten von kostbaren Antiquitäten und Schmuck liegen zwei Männer auf dem Boden,
00:22:22
blutend und mit verrutschtem Mund-Nasen-Schutz.
00:22:24
Der eine wurde offenbar durch einen Schuss in die Brust getötet,
00:22:28
hält aber noch eine Pistole fest und klammert.
00:22:30
Der zweite liegt hinter dem Tresen.
00:22:32
Er lebt und kommt mit einer Schusswunde am Kopf ins Krankenhaus.
00:22:35
Und dann ist da noch das ältere Ehepaar,
00:22:38
das die Szene völlig verängstigt beobachtet.
00:22:40
Als die Polizisten nachfragen, was hier geschehen ist,
00:22:43
erzählt Arthur, dass er in Notwehr auf die beiden Angreifer geschossen habe.
00:22:46
Die Beamten hören sich seine Version in Ruhe an,
00:22:49
doch die Staatsanwaltschaft geht später nicht von dieser aus.
00:22:53
Sie glaubt an Totschlag, und zwar in zwei Fällen.
00:22:56
Denn auch der Mann, der Elke angegriffen hat,
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erliegt wenig später in der Klinik seinen Verletzungen.
00:23:01
Arthur ist bestürzt von diesen Nachrichten.
00:23:03
Glaubt man ihm nicht?
00:23:05
Er ist doch kein Mörder oder Totschläger.
00:23:07
Er hatte doch keine andere Wahl.
00:23:08
Vor allem war es doch die Polizei selbst,
00:23:11
die ihm geraten hatte, sich zu bewaffnen.
00:23:12
Genau für so einen Fall.
00:23:14
Aber tausende Male am Übungsstand,
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auf eine Zielscheibe zu feuern,
00:23:18
ist etwas anderes, als auf einen echten Menschen zu schießen
00:23:20
und die Konsequenzen dafür zu tragen.
00:23:22
Jetzt, wo Arthur weiß,
00:23:24
dass wegen ihm zwei Menschen tot sind,
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rumoren die Gedanken und Gefühle in ihm.
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Er ist hin- und hergerissen.
00:23:30
Einerseits fühlt er sich schuldig,
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zwei Leben ausgelöscht zu haben.
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Das kann er nicht einfach so wegstecken.
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Andererseits ist er sich sicher,
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hätte er nicht geschossen,
00:23:38
hätte der Angreifer abgedrückt.
00:23:39
Dann wären wohl weder er noch seine Frau noch hier.
00:23:42
Der Überfall selbst dauerte nur wenige Augenblicke.
00:23:45
Doch das, was er ausgelöst hat,
00:23:47
überrollt die Kollers nun wie eine Welle.
00:23:49
Zum einen die Ungewissheit,
00:23:50
ob Arthur angeklagt wird
00:23:52
und vielleicht sogar ins Gefängnis kommt.
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Zum anderen die Angst,
00:23:54
ob sich potenzielle Hintermänner
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der Angreifer an ihn rächen wollen.
00:23:57
Außerdem leiden sowohl Elke als auch Arthur
00:24:00
unter den psychischen Folgen des Überfalls.
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Wortfindungs- und Schlafstörungen,
00:24:05
unkontrolliertes Zittern.
00:24:06
Dabei gehört eine ruhige Hand
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zu Arturs wichtigsten Arbeitswerkzeugen.
00:24:10
Wie soll er filigrane Schmuckstücke reparieren,
00:24:12
wenn er sie nicht einmal ruhig halten kann?
00:24:14
Arthur und Elke wissen nicht,
00:24:16
was sie tun sollen.
00:24:17
Eigentlich müssten sie wieder arbeiten,
00:24:18
um sich über Wasser zu halten.
00:24:20
Aber sie können sich nicht vorstellen,
00:24:21
wieder im Laden zu stehen,
00:24:23
so als wäre nichts gewesen.
00:24:25
Drei Monate nach dem Überfall,
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wenige Tage vor Weihnachten,
00:24:28
meldet sich mal wieder
00:24:29
die örtliche Zeitung bei Arthur.
00:24:30
Die JournalistInnen möchten wissen,
00:24:32
was er zu der neuesten Entwicklung sagt.
00:24:34
Arthur muss nachfragen, was sie meinen.
00:24:36
Er weiß von nichts.
00:24:38
Als er es dann von der Zeitung erfährt,
00:24:40
ist er völlig perplex
00:24:41
und kann seine Erleichterung
00:24:43
kaum in Worte fassen.
00:24:44
Die Staatsanwaltschaft
00:24:45
habe die Ermittlungen gegen ihn eingestellt.
00:24:48
Auf diese Nachricht
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haben er und Elke seit Wochen gehofft.
00:24:51
Wenn das wahr ist.
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Ein schöneres Weihnachtsgeschenk
00:24:54
hätte man ihn nicht machen können.
00:24:55
Kurz darauf bekommt Arthur
00:24:57
die Information der Presse
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dann auch von der Staatsanwaltschaft bestätigt.
00:25:01
Nach dem Ergebnis der Ermittlungen
00:25:03
geht die Staatsanwaltschaft davon aus,
00:25:04
dass der Beschuldigte in Notwehr gehandelt hat
00:25:06
und die Tat damit gerechtfertigt ist,
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heißt es vom Oberstaatsanwalt.
00:25:10
Und damit sind wir beim Oberthema dieser Folge.
00:25:14
Die Staatsanwaltschaft Lüneburg
00:25:16
hat also in Arturs Fall entschieden,
00:25:18
dass er in Notwehr gehandelt hat
00:25:19
und die Tat damit gerechtfertigt ist.
00:25:21
Aber was bedeutet das jetzt genau?
00:25:23
Also wenn man ins Strafgesetzbuch schaut,
00:25:26
genauer unter Paragraf 32,
00:25:28
Notwehr ist die Verteidigung,
00:25:30
die erforderlich ist,
00:25:31
um einen gegenwärtigen,
00:25:32
rechtswidrigen Angriff
00:25:33
von sich oder einem anderen abzuwenden.
00:25:37
die angegriffen wird,
00:25:37
ist es also grundsätzlich erlaubt,
00:25:39
sich mit Gewalt zu wehren,
00:25:40
auch wenn sie stattdessen
00:25:42
zum Beispiel fliehen könnte.
00:25:44
sie darf sich wehren
00:25:45
und muss nicht weichen.
00:25:46
Das hört sich jetzt
00:25:47
ein bisschen altertümlich an,
00:25:49
aber das Notwehrrecht
00:25:50
leitet sich auch
00:25:51
aus dem antiken römischen Rechtsgrundsatz
00:25:53
Vim vi repellere liget ab.
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Gewalt darf mit Gewalt erwidert werden.
00:25:58
Oder wie auch die Ärzte schon sagten,
00:26:01
Gewalt erzeugt gegen Gewalt.
00:26:03
Aber das ist nur okay,
00:26:31
wenn der Angriff rechtswidrig
00:26:33
und gegenwärtig ist.
00:26:35
Und rechtswidrig ist er dann,
00:26:39
wenn die Handlung
00:26:41
einerseits im Widerspruch
00:26:42
zur gültigen Rechtsordnung steht
00:26:44
und andererseits
00:26:45
auch nicht selbst gerechtfertigt werden kann.
00:26:47
Und gegenwärtig ist sie,
00:26:49
wenn der Angriff
00:26:50
gerade unmittelbar bevorsteht,
00:26:52
schon begonnen hat
00:26:53
oder noch im Gange ist.
00:26:54
Gegenwärtig ist er nicht,
00:26:56
wenn du mich angreifst,
00:26:58
um mir meine Handtasche zu klauen,
00:27:00
du dann wegrennst und ich dich am nächsten Tag sehe
00:27:03
und ich dir dann eine reinhaue.
00:27:04
Weil dann besteht keine Notwehrlage mehr.
00:27:07
Bei Arthur bestand diese Notwehrlage,
00:27:10
als er mit einer Waffe bedroht wurde.
00:27:12
In so einem Fall darf man sich verteidigen.
00:27:15
Die Notwehr ist damit ein sogenannter Rechtfertigungsgrund.
00:27:18
Heißt, auch wenn man einen anderen Menschen
00:27:20
durch seine Verteidigung verletzt
00:27:22
oder sogar tötet
00:27:23
und damit eigentlich ja
00:27:24
den Tatbestand der Körperverletzung
00:27:25
oder eben wie in Arthurs Fall
00:27:27
des Totschlags erfüllt,
00:27:28
entfällt die Rechtswidrigkeit der Tat.
00:27:30
Also es handelt sich dann nicht um Unrecht.
00:27:33
Und deshalb macht man sich dann auch nicht strafbar
00:27:35
und wird auch nicht bestraft.
00:27:37
Für Arthur bedeutet die Nachricht von der Staatsanwaltschaft
00:27:42
es wird keinen Prozess geben
00:27:43
und er muss auch nicht ins Gefängnis.
00:27:45
Die Kollers sind darüber unendlich erleichtert.
00:27:49
Denn obwohl Arthur immer das Gefühl hatte,
00:27:51
das Richtige getan zu haben,
00:27:53
weiß er ja auch,
00:27:54
wie wertvoll ein Menschenleben ist
00:27:56
und dass es bestimmte Voraussetzungen
00:27:58
für die Notwehr gibt.
00:27:59
Und ihm ist auch klar,
00:28:01
dass so ein Fall rechtlich richtig aufgearbeitet werden muss.
00:28:03
Jetzt, als sicher ist,
00:28:05
dass ihnen die Justiz dafür nicht zur Rechenschaft ziehen wird,
00:28:07
fühlt es sich so an,
00:28:08
als würde jemand eine tonnenschwere Last
00:28:10
von seinen Schultern nehmen.
00:28:11
Und noch etwas lässt die beiden aufatmen.
00:28:14
Die Polizei kann einen mutmaßlichen Komplizen
00:28:16
der Angreifer festnehmen.
00:28:17
Den 37-jährigen Maxim.
00:28:19
Er ist der zwei Jahre ältere Bruder des Mannes,
00:28:22
der Arthur mit der Pistole bedroht hat.
00:28:24
Und so soll der Prozess gegen den Dritten im Bunde
00:28:27
am Dienstag, den 4. Mai 2021 beginnen.
00:28:30
Angeklagt ist Maxim wegen Versuchter
00:28:32
besonders schwerer räuberischer Erpressung.
00:28:34
Er soll nicht nur den Fluchtwagen gefahren,
00:28:36
sondern den Überfall auch mitgeplant haben.
00:28:38
Arthur und Elke fiebern dem ersten Verhandlungstag entgegen.
00:28:42
Obwohl oder gerade weil seit jenem Septembertag
00:28:45
nichts mehr so ist, wie es einmal war,
00:28:46
haben sie entschieden,
00:28:47
am Prozess teilzunehmen und auch auszusagen.
00:28:49
Denn für sie ist das, was damals geschah,
00:28:52
längst nicht abgeschlossen.
00:28:53
Obwohl sie inzwischen auch von der Justiz wissen,
00:28:55
dass Arthur im Recht gehandelt hat.
00:28:57
Sie wollen, dass das, was ihnen widerfahren ist,
00:29:00
juristisch sauber aufgearbeitet wird.
00:29:01
Sie wollen alle Einzelheiten.
00:29:03
Was weiß der mutmaßliche Mittäter?
00:29:05
Warum hat es sie getroffen?
00:29:07
War es wirklich geplant, sie zu töten?
00:29:09
Arthur und Elke hoffen auf Antworten
00:29:11
und auf ein Urteil,
00:29:12
damit sie mit dem, was ihnen widerfahren ist,
00:29:14
abschließen und ihren Frieden wiederfinden können.
00:29:16
Deshalb ist ihnen dieser Prozess so wichtig
00:29:19
und daher entscheiden sie sich auch für eine Nebenklage,
00:29:21
obwohl es ihnen schwerfällt.
00:29:23
Vor allem die Angst vor Rache ist immer noch riesig.
00:29:26
Arthur hat sich deshalb vorbereitet.
00:29:28
Unter seinem hellblauen Hemd und dem dunkelblauen Pullover
00:29:31
trägt er eine schusssichere Weste.
00:29:33
Anders traut er sich nicht in den Gerichtssaal.
00:29:35
Also das ist doch absurd, oder?
00:29:37
Dass man dann da auch noch so Angst haben muss vor.
00:29:41
Ja, da hatten die wirklich ganz große Angst vor.
00:29:43
Arthur und Elke nehmen gegen 9.40 Uhr im Saal 121
00:29:48
des Lüneburger Landgerichts Platz.
00:29:49
Ihre Aufregung ist gewaltig.
00:29:51
Den Mann, der ihnen gleich gegenüber sitzen wird,
00:29:53
kennen sie nicht.
00:29:54
Sie haben ihn noch nie gesehen.
00:29:55
Und trotzdem ist er mutmaßlich mitverantwortlich
00:29:58
für all das, was die Kollas ertragen mussten
00:30:00
und worunter sie noch immer leiden.
00:30:02
Als der glatzköpfige Maxim den Saal in Hemd und schwarzer Jacke betritt,
00:30:05
das Gesicht hinter einer roten Mappe verborgen,
00:30:08
hören Arthur und Elke die Kameras der Journalistinnen klicken.
00:30:11
Er nimmt auf der Anklagebank Platz.
00:30:13
Seine Handschellen werden ihm abgenommen.
00:30:15
Als Elke das bemerkt, spürt sie Panik in sich hochsteigen.
00:30:18
Vor ihrem geistigen Auge sieht sie all die schrecklichen Bilder,
00:30:21
die sie seit Monaten zu vergessen versucht.
00:30:23
Was, wenn Maxim wie damals sein Bruder auf sie zustürzt,
00:30:27
sie packt und wirkt.
00:30:28
Elke versucht ruhig zu bleiben.
00:30:31
Mit Arthur an ihrer Seite gelingt es ihr.
00:30:33
Im Laufe des Prozesses wird schnell klar,
00:30:36
dass Maxim in Sachen Kriminalität kein unbeschriebenes Blatt ist.
00:30:39
Vor 20 Jahren kommt er mit seinem zwei Jahre jüngeren Bruder Sascha
00:30:43
und seiner Mutter von Russland nach Deutschland.
00:30:45
Zwei Jahre zuvor hatte sich sein Vater suizidiert.
00:30:48
Er lernt fleißig Deutsch, macht Haupt- und Realschulabschluss nach.
00:30:52
Als nächstes hat er eigentlich das Fachabitur geplant,
00:30:54
wird aber dann zum ersten Mal wegen gefährlicher Körperverletzung verurteilt.
00:30:58
Im selben Jahr schlippt seine Mutter an Krebs.
00:31:01
Maxim gerät auf die schiefe Bahn, verstrickt sich in Diebstahl und Drogendelikte.
00:31:05
Auch als er Vater wird, schafft Maxim es nicht, seine Probleme in den Griff zu kriegen.
00:31:08
Und so kommt sein Sohn in eine Pflegefamilie und Maxim darf bis heute keinen Kontakt zu dem Sechsjährigen haben.
00:31:15
Sascha, Maxims kleiner Bruder, schlägt eine ähnliche Karriere ein wie Maxim.
00:31:19
In seinem polizeilichen Führungszeugnis stehen innerhalb von 15 Jahren 14 Einträge,
00:31:24
unter anderem wegen Raub, Diebstahl und schwerer Körperverletzung.
00:31:27
Sein letztes Verbrechen hat er mit dem Leben bezahlt, weil er Arthur mit der Pistole bedroht hat.
00:31:32
Und auch der zweite Angreifer, der 45-jährige Juri, der als vermeintlicher Rollstuhlnutzer getarnt war,
00:31:39
Wegen Waffen und Drogengeschäften und Bandenhehlerei.
00:31:42
Gemeinsam haben sie offenbar schon mehrere Dinge gedreht.
00:31:45
Die Polizei geht davon aus, dass der Überfall auf die Kollas der letzte einer ganzen Serie war.
00:31:50
Fünf weitere, unter anderem auf einen Supermarkt im Ruhrgebiet und einen Juwelier in Dortmund,
00:31:54
ordnen sie der Gruppe zu.
00:31:56
Und die Verhandlung deckt noch etwas auf.
00:31:59
Abgehörte Telefonate nach dem Überfall in Zelle offenbaren,
00:32:02
dass anscheinend noch ein vierter Mann involviert war.
00:32:04
Dem kam die Polizei trotz aller Bemühungen bislang aber nicht auf die Spur.
00:32:09
Obwohl Maxim vor Gericht nichts sagt, sprechen die Ermittlungsakten,
00:32:13
die Zeuginnen-Aussagen und Videoaufnahmen vom Tattag eine deutliche Sprache
00:32:16
und belasten ihn damit schwer.
00:32:17
Darunter auch die Aussagen der Kollas.
00:32:20
Als Arthur als Zeuge aufgerufen wird, berichtet er allen im Saal von der seltsamen Szene,
00:32:24
die er eine Woche vor dem Überfall beobachtet hat.
00:32:26
Als er im Café saß und das Auto bemerkte, aus dem die zwei Männer stiegen
00:32:30
und sich einer von beiden dann in den Rollstuhl davonschieben ließ.
00:32:33
Ihm kam das damals schon merkwürdig vor.
00:32:35
Aber natürlich wusste er nicht, dass er gerade Zeuge wurde,
00:32:38
wie der Überfall auf sein eigenes Geschäft geprobt wurde.
00:32:41
Wer weiß, ob es gar nicht erst so weit gekommen wäre,
00:32:43
wäre er dem Duo damals schon hinterhergegangen.
00:32:46
Dann schildert Arthur noch einmal im Detail, wie er den 14. September 2020 erlebt hat.
00:32:51
Dabei richtet er das Wort einmal auch direkt an den Angeklagten.
00:32:54
Er bedauere es sehr, dass Maxim seinen Bruder verloren hat.
00:32:57
Arthur betont, es tut mir leid, dass ich so handeln musste.
00:33:01
Erst nach über einer Stunde verlässt er den Zeugenstand.
00:33:03
Nach ihm ist Elke an der Reihe.
00:33:06
Obwohl ihr Mann schon alles gesagt hat, ist es ihr ein großes Anliegen,
00:33:09
auch ihre Sicht der Dinge darzulegen.
00:33:10
Sie möchte verdeutlichen, wie schlimm dieser Überfall für sie war
00:33:14
und wie sehr sie auch noch heute darunter leidet.
00:33:16
Elke ist überzeugt, allein vom Lesen ihrer Aussagen
00:33:19
könne man nicht verstehen, was das für eine kriminelle Bande gewesen sei.
00:33:23
Das waren keine Eierdiebe, sagt sie, das waren Schwerstkriminelle.
00:33:27
Und nur ihrem Mann hat sie es zu verdanken, dass sie heute hier stehen kann.
00:33:30
Er hat sie gerettet und dafür ist sie ihm ewig dankbar.
00:33:33
Am 6. Juli, dem 7. Verhandlungstag, verkündet die vorsitzende Richterin dann das Urteil.
00:33:38
Maxim ist der Beihilfe des versuchten, besonders schweren Raubs schuldig.
00:33:43
Er wird zu einer Freiheitsstrafe von fünf Jahren verurteilt.
00:33:47
Für Elke ist das Urteil nur ein kleines Trostpflaster.
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Fünf Jahre, das ist ein bisschen dünn.
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Ich hätte mir mehr erwartet, sagt sie zu den Journalistinnen,
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als sie danach neben Arthur vor der weißen Fassade des Landgerichts steht.
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Trotzdem ist ihr jetzt leichter ums Herz.
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Arthur dagegen ist sich nicht sicher, ob mit dem Urteilsspruch wirklich alles überstanden ist.
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Dieser ominöse vierte Mann scheint ja immer noch irgendwo frei rumzulaufen
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und er hat immer noch Angst.
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Aber Arthur versucht nicht so viel dran zu denken.
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Er vertraut auf die Arbeit der Polizei.
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Gegenüber den Presseleuten betont er noch einmal, wie leid es ihm tut, dass er habe schießen müssen.
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Er selbst hätte die beiden Angreifer auch lieber vor Gericht gesehen.
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Ich leide noch darunter, aber ich fühle mich im Recht, sagt Arthur.
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Ich habe meine Frau gerettet und das ist das, was zählt.
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Er betont, unser Leben stand auf der Kippe.
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Wir sind schon über 70, aber wir freuen uns über jeden Tag, den wir noch da sind.
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Ja, und dann muss man auch trotzdem sagen, auch wenn die Staatsanwaltschaft letztendlich davon ausgegangen ist,
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dass Arthur in Notwehr gehandelt hat, hat er trotzdem eine Lebensstrafe dafür auferlegt gekriegt.
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Also es ist ja ganz klar, dass er nicht diese Person sein wollte, die so handelt,
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sondern einfach durch die äußeren Umstände dazu gezwungen wurde,
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jetzt auch irgendwo Blut an seinen Händen zu haben, obwohl das natürlich nicht in seiner Absicht war.
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Was ich total beeindruckend finde, ist, dass er in dem Moment noch total den kühlen Kopf behalten hat
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und eine richtige Entscheidung für sich und seine Frau treffen konnte.
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Also ich weiß ja nicht, wie sehr er auf seine Zielfähigkeit vertraut hat,
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aber jemandem in den Kopf zu schießen, der deine Partnerin im Arm hat.
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Ja, das habe ich mir nämlich auch gedacht.
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Also wie zielsicher muss man sein und dann auch noch eine ruhige Hand haben
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und darauf vertrauen, dass in dem Moment der Typ nicht was weiß ich macht
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und Elke irgendwie dann doch vor sich schiebt oder so.
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Ja, und nicht nur das, sondern dann auch davon auszugehen,
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dass der Zweite vielleicht nicht gleich schießt, der schon die Waffe auf ihn gerichtet hat.
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Weil das hätte natürlich auch sofort passieren können.
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Arthur schießt, um Elke zu befreien und der andere schießt, damit er nicht der Nächste.
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ist, was er halt dann war.
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Also das hätte auch ganz anders ausgehen können.
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Mir tut es halt immer so leid, wenn große Ängste wirklich wahr werden.
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Weil die haben das schon mal erlebt, die hatten große Angst davor.
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Und dann passiert genau das.
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Also ich habe das gerade bei dem Sohn von einer Freundin,
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dass der immer ganz große Angst hatte, dass eingebrochen wird.
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Und dann war der bei den Großeltern.
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Und dann kamen die Einbrecher halt gerade dann, als sie auch noch zu Hause waren.
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Und du verlierst ja jegliches Sicherheitsgefühl dadurch.
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Also wenn einmal bei dir ein Mensch, der da nicht hingehört, in der Wohnung steht,
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das kriegst du doch so leicht nicht mehr raus.
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Und diese Nacht bin ich erst aufgewacht, weil ich Geräusche gehört habe.
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Und noch dachte, ist da jemand unten?
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Ja, und deswegen finde ich es auch so bemerkenswert,
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dass die Kollers noch heute diesen Laden haben und der immer noch offen ist.
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Ach, die haben den nicht aufgegeben und betreiben den immer noch.
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Ja, also bei Google steht, der Laden ist heute von 14 bis 16 Uhr geöffnet.
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Und dabei haben sie ja jetzt schon so oft Einbrüche erlebt.
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Ich finde das wirklich faszinierend.
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Und das zeigt ja eigentlich nur, wie sehr sie doch ihre Arbeit lieben
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und diesen Laden einfach weiter betreiben wollen.
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Naja, und vielleicht wissen die halt auch auf Arthurs Schießfähigkeiten jetzt zu vertrauen.
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So bitterböse sich das auch anhören mag.
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Ja, und wahrscheinlich hat sich ja auch umgesprochen in der kriminellen Szene,
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dass man da vielleicht nicht hingehen sollte.
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Das ist so bitter.
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Wenn man sich jetzt vorstellt, man ist selbst in einer Situation,
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wo man sich wehren muss, dann würde ich ja mal davon ausgehen,
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dass die wenigsten von uns die Möglichkeit haben,
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wie Arthur eine Schusswaffe einzusetzen.
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Was hast du denn so in deiner Handtasche,
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was du einsetzen könntest, wenn dich jetzt jemand auf der Straße angreifen würde?
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Also, ich hätte diverse Stifte.
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Dann hätte ich ein feministisch angehauchtes Buch, was ich werfen könnte.
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Ich könnte die Zeitschrift der Spiegel nehmen
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und da Papier zusammenknüllen und das in den Rachen stecken.
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Oder einen Papierflieger bauen und ins Auge pieken.
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Hast du denn auch einen Schlüssel zum Beispiel?
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Ja, jetzt gerade hier natürlich nicht, aber ich habe noch Kaugummis.
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Okay, aber sonst hast du auch den Schlüssel drin, den kann man ja auch benutzen.
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Zwischen Zeigefinger und Mittelfinger stecken.
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Also, was ich auch habe, ist wirklich wahnsinnig viel Dreck hier drin.
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Kann ich das werfen und jemanden damit blenden?
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Würde ich jetzt nicht zugreifen, wenn du wirklich Angst hast.
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Was ich mir ja schon immer mal holen wollte, ist Pfefferspray.
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Aber irgendwie habe ich mich dann doch nie so weit gebracht, dass ich mir das bestellt habe.
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Wahrscheinlich, weil ich mich doch relativ sicher fühle hier oder wenn ich in Berlin unterwegs bin.
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Hatte ich das hier mal erzählt mit dem Pfefferspray?
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In meiner Tasche?
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Also, da war ich noch recht jung und ich habe früher viel Pfefferspray gehabt und habe dann also das eine entriegelt.
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Warum auch immer, weil eigentlich lässt du diese Sicherheitsschranke da einfach drauf und dann benutzt du es halt nur einmal.
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Und wenn du es mal benutzen musstest, schmeißt es halt danach weg.
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Naja, ich dachte, es wäre schlau, vorher zu entriegeln und es dann wieder in meine Tasche aus schwarzem Jeansstoff neben meine Türkisch-Pfeffer-Bonbons und meine Geldbörse zu legen.
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Und irgendwann nahm ich mir einen Türkisch-Pfeffer.
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Kennst du diese Bonbons noch, diese scharfen?
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Die haben so nach Lakritz geschmeckt.
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Also, nahm ich mir einen, schob mir den in den Mund und also solche Schmerzen habe ich jetzt wirklich noch nie wegen irgendwas zu essen gehabt.
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Also, das ist natürlich das Spray, dann in meiner Tasche irgendwie mal aufgegangen oder ausgelaufen und auf diese Türkisch-Pfeffer, die danach eine ganz andere Skivill-Schärfe hatten als vorher.
00:40:16
Und du so, beim letzten Mal waren die irgendwie nicht so scharf.
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Nee, eher Krankenhaus-Krankhaus-Krankhaus-Krankhaus.
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Naja, ja, Pfefferspray, das sollte man ja auch eigentlich gar nicht dabei haben, beziehungsweise es ist eigentlich nur zugelassen für die Abwehr von Tieren.
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Aber wenn jetzt eine Notwehrlage vorliegt, dann darf man das auch gegen den menschlichen Angreifer einsetzen.
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Es ist nämlich so, dass das Mittel der Verteidigung immer dann geeignet ist, wenn dadurch der Angriff beendet oder diesem irgendwie ein Hindernis in den Weg gelegt wird.
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Und jetzt stellen wir uns mal vor, Paulina hat nur das Pfefferspray in ihrer Tasche, das noch nicht ausgelaufen ist.
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Sie ist sich aber unsicher, ob das überhaupt reicht, um den Angreifer oder die Angreiferin zu stoppen.
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Dann dürfte sie auch zu einem krasseren Mittel greifen, wie zum Beispiel ihrer krassen Faust.
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Ihrer krassen Faust, die total trainiert ist dafür.
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Genau, das wird aktuell nicht die rechte sein wegen meines Arms, aber die linke, die ist seitdem richtig krass.
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Wenn Paulina aber einen Waffenschein hat und somit auch eine Schusswaffe benutzen könnte, dann gibt es ein paar Regeln, die man beachten muss.
00:41:35
Weil hierbei handelt es sich ja um ein potenziell lebensgefährdendes Verteidigungsmittel.
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Und das war auch der Punkt, vor dem Arthur so ein bisschen Sorge hatte.
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Also, dass er möglicherweise doch bestraft wird, weil er die sogenannte Stufenfolge nicht beachtet hat.
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Es ist nämlich so, dass man, bevor man eine Schusswaffe einsetzt, das vorher androhen muss.
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Also zum Beispiel mit einem Warnschuss.
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Wenn das keinen Erfolg hat, dann muss man die Waffe erstmal auf eine weniger gefährliche Art einsetzen.
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Also, indem man zum Beispiel auf die Beine schießt.
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Und wenn die Person dann immer noch nicht von einem ablässt, dann erst darf man sich für den tödlichen Einsatz der Waffe entscheiden.
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Und Arthur hatte ja jetzt keinen Warnschuss abgegeben, sondern die Waffe nur erhoben.
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Er hat auch nicht erstmal ins Bein geschossen.
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Das war aber bei dem Angreifer, der Elke gewirkt hat, auch nicht möglich, weil der hat Elke ja wie so ein Schutzschild benutzt.
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Aber bei dem anderen hätte er eigentlich nicht unbedingt direkt in die Brust schießen müssen.
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Und diese Stufenfolge, die ist ja auch eigentlich ganz sinnig.
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Vor allem dann, wenn dein Gegenüber selbst keine Schusswaffe hat.
00:42:35
In Arturs Fall war es aber ja so, dass auf ihn selbst mit einer Pistole gezählt wurde.
00:42:40
Es kommt nämlich natürlich auch immer darauf an, wie man selbst angegriffen wird, welche körperlichen Fähigkeiten der Täter oder die Täterin hat und was dann erforderlich ist, um diesen Angriff zu beenden.
00:42:50
Und ich glaube, es ist ganz klar, dass hätte Arthur diese Stufenfolge eingehalten, dass dann jemand anders zuerst geschossen hätte.
00:42:59
Ja, und deswegen kam die Staatsanwaltschaft am Ende auch zu dem Schluss, Zitat,
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Aufgrund der Art und der Gefährlichkeit des Angriffs der beiden Täter des Überfalls bestand nach Auffassung der Staatsanwaltschaft hinsichtlich der von Beschuldigten gewählten Verteidigungshandlung kein milderes Mittel, sich zu wehren bzw. sich zu verteidigen.
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Hätten Arthurs Angreifer in genau derselben Situation aber jetzt keine Schusswaffen dabei, dann wäre Arthurs Einsatz der Pistole nicht erforderlich gewesen.
00:43:26
Und dann wäre der Rechtfertigungsgrund entfallen, weil in so einem Fall hätte Arthur dann übertrieben reagiert.
00:43:32
Aber ganz ehrlich, wenn ich jetzt angegriffen werde und neben mir auf meinem Nachttisch liegt ein Pfefferspray und unterm Bett ein Baseballschläger und ich habe einfach so große Angst vor der unbefaffneten Frau, die gerade da nachts in mein Zimmer gekommen ist, dann nehme ich den Baseballschläger und haue mit aller Kraft zu.
00:43:54
Einfach, weil ich sicher gehen will, dass das jetzt hier endet.
00:43:58
Und solche Situationen kennt das Gesetzbuch auch.
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In § 33 heißt es nämlich, überschreitet der Täter die Grenzen der Notwehr aus Verwirrung, Furcht oder Schrecken, so wird er nicht bestraft.
00:44:08
Hier besteht dann zwar kein Rechtfertigungsgrund mehr, also man handelt rechtswidrig, es besteht aber ein Entschuldigungsgrund, heißt man handelt ohne Schuld.
00:44:17
Wenn man aber übertrieben reagiert und mit einer Pistole schießt, anstatt mit einer Faust zuzuschlagen, obwohl die andere Person gar nicht bewaffnet ist und man auch keine Angst hat,
00:44:26
sondern einfach, wenn man sauer ist über den Angriff, dann muss man schon mit einer Strafe rechnen.
00:44:31
Mein Fall zeigt, dass es helfen kann, seine eigenen Gräueltaten zu verharmlosen, wenn man sie an einer Person verübt hat, die selbst niederträchtig war.
00:44:41
Die Triggerwarnung findet ihr in der Folgenbeschreibung.
00:44:44
Alle Namen habe ich geändert.
00:44:47
Das zugesendete Foto wird mit skeptischem Blick betrachtet.
00:44:51
Irgendetwas daran ist seltsam.
00:44:54
Zu sehen ist ein hagerer Mann mit weißem Haar und Bart in einem braunen Ledersessel.
00:44:59
Er ist schick gekleidet in Tweetanzug mit schwarzer Krawatte.
00:45:02
Die Beine sind überschlagen.
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Auf der Nase sitzt eine runde Brille.
00:45:06
In der linken Hand hält er eine Zigarre.
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Hinter ihm auf der Couch liegend erkennt man einen zweiten Mann.
00:45:11
Er ist nicht so deutlich erkennbar.
00:45:13
Das Foto ist an der Stelle etwas dunkel.
00:45:15
Doch das ist es nicht, was den BeamtInnen des Polizeireviers Harz in Sachsen-Anhalt merkwürdig erscheint.
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Das Foto soll als Beweis dafür dienen, dass ein Mann namens Richard Gellner noch am Leben ist.
00:45:27
Doch der Mann, der dort abgebildet ist, sieht auf eine sehr seltsame Art gar nicht lebendig aus.
00:45:33
Damit werden sie die Frau konfrontieren, die ihm das Bild geschickt hat.
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Mehrere ErmittlerInnen fahren an diesem Mittwoch, den 26. Oktober 2016, in das 1500 Seelendorf Rieder in Sachsen-Anhalt.
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Ihr Ziel ist ein Häuschen, auf dessen Veranda mehrere gelbe Kanarienvögel in einer Voliere zwitschern.
00:45:52
Die Tür öffnet ihn eine kleine Frau mit blauen Augen, dünnen Haaren und lila Vliesjacke.
00:45:58
Die Polizistin stellt nur eine Frage.
00:46:02
Die Frau antwortet, hier nicht.
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Hier brauchen sie gar nicht zu suchen.
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Aber sie ist bereit, ihnen zu zeigen, wo er liegt.
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Die 59-jährige Hausfrau lotzt die BeamtInnen im Auto zum Ziel.
00:46:14
Sie fahren nicht mal eine Minute.
00:46:16
Schließlich machen sie vor einem Haus Halt, von dessen sandfarbener Fassade der Putz bröckelt.
00:46:20
Im Hof ist ein Wohnmobil abgestellt, daneben Reifen, Fässer, Kabel und vieles, was nach Sperrmüll aussieht.
00:46:26
Martina führt die ErmittlerInnen durch das Wohnzimmer in den Keller.
00:46:30
Die Lichtkegel ihrer Taschenlampen huschen über unverputzte Mauern voller Spinnweben und den rot-braunen Steinboden.
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Halt machen sie an einer Stelle, auf die Martina mit dem Finger deutet und sagt, da, wo der Kohlehügel liegt.
00:46:44
Was ist da, fragt einer der Ermittler.
00:46:46
Da liegt er drunter.
00:46:47
Die PolizistInnen räumen die Kohlen aus dem Weg und zerschlagen den Beton, um das Kellergrab zu öffnen.
00:46:53
Zutage gefördert werden zehn Kilo Knochen, ein menschliches Skelett.
00:46:58
Über den Rippen ist ein rosa-weiß gestreiftes Kurzarmhemd erkennbar, an den beiden Unterschenkelknochen Thrombose strümpfe mit blauem Bündchen.
00:47:05
Die Frau, die neben den BeamtInnen steht und der Mann im Erdloch vereint eine gemeinsame Vergangenheit.
00:47:11
Eine, die alle Anwesenden heute letztlich hierher führte, um eine Frage zu klären.
00:47:16
Wie konnte es dazu kommen?
00:47:18
Rückblick ins Jahr 1992
00:47:21
Diese Bitte kann Martina nicht ausschlagen.
00:47:25
Schließlich kann Richard einem nur leid tun.
00:47:27
Der 72-Jährige aus der Nachbarschaft hat viele Beschwerden.
00:47:31
Der Kreislauf, die Bronchien, die Beine.
00:47:33
Und jetzt, wo seine Frau verstorben ist und er allein mit seinem alkoholkranken Sohn lebt, scheint er völlig aufgeschmissen.
00:47:40
Wie man einen Haushalt führt, weiß der Rentner nicht, geschweige denn, wie man ein Schnitzel brät oder Hemden bügelt.
00:47:46
Als Richard, die 35-Jährige Martina, daher bittet ihn ein paar Mal die Woche zu unterstützen, überlegt sie nicht lange.
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Ein bisschen unter die Arme gegriffen hat sie Richard Gellner schon seitdem sie sich vor zwei Jahren kennengelernt haben.
00:47:57
Damals zog der schmale Mann mit Brille und grauen Haaren in der Nachbarschaft ein.
00:48:01
Bei Christine, die seine zweite Ehefrau wurde und die nun gestorben ist.
00:48:05
Kurz nach dem Einzug fragen Richard und Tante Christel, wie Martina sie immer nannte, das erste Mal nach Hilfe.
00:48:11
Die Waschmaschine hat den Geist aufgegeben, im Quellekatalog haben sie einen Ersatz gefunden.
00:48:16
Martina kennt sich doch aus, wie das mit diesen Katalogbestellungen funktioniert.
00:48:20
Natürlich füllt sie den Bestellschein aus, das macht sie gern.
00:48:23
Und auch Martinas Mann Klaus schaut immer wieder bei den Gellners vorbei.
00:48:27
Er ist handwerklich sehr geschickt und hilft Richard, Wasserleitungen zu verlegen, das Dach auszubauen und im Garten Kartoffeln zu pflanzen.
00:48:33
Auf die getane Arbeit stoßen die Männer mit Korn an.
00:48:36
Vor allem, wenn Sohn Bernd in der Schule ist, haben Martina und Klaus viel Zeit, um dem Paar in der Nachbarschaft zu helfen.
00:48:42
Denn abgesehen von ihrem Sohn im Teenageralter haben sie kaum Verpflichtungen.
00:48:46
Beide sind seit der Wende im Jahr 1990 arbeitslos.
00:48:49
Vorher war Klaus als Fahrer für eine Molkerei unterwegs.
00:48:52
Martina kommt ihrer Ausbildung als Köchin wenigstens auch ohne Job noch zugute.
00:48:57
Als Tante Christel stirbt und Richard sie um Unterstützung bittet, kommt es ihr also gar nicht in den Sinn, Nein zu sagen.
00:49:03
Sie kocht ohnehin jeden Tag für ihre Familie.
00:49:06
Da machen Richard und seinen Sohn den Kohl auch nicht mehr fett.
00:49:08
Und das bisschen Haushalt erledigt sich sicher mit links.
00:49:11
Ohne sie, das weiß sie, schaffen es die beiden Männer nicht.
00:49:15
Deshalb schaut sie ab jetzt auch zweimal die Woche für ein paar Stunden in dem etwas heruntergekommenen, sandfarbenen Haus unweit ihres eigenen vorbei.
00:49:22
Sie putzt, wäscht und bügelt in dem Männerhaushalt.
00:49:25
Und fast jeden Freitag setzt sie sich auf den Beifahrersitz in Richards Auto, um ihm beim Einkaufen in die 40 Minuten entfernte nächste Stadt zu helfen.
00:49:33
Dabei bekommt Martina gar keine richtige Bezahlung für ihre Arbeit bei Richard.
00:49:37
Sie ist nicht offiziell angestellt als seine Haushälterin.
00:49:40
Trotzdem entlohnt Richard sie für ihre Hilfe gut, auch ohne Arbeitsvertrag.
00:49:44
Wenn die beiden freitags zum Supermarkt und zur Metzgerei fahren, sucht Martina sich die Sachen aus, die sie gern haben möchte.
00:49:50
Von ihrem Arbeitslosengeld kann sie sich Sonderwünsche eigentlich nicht erlauben.
00:49:54
Aber Richard bezahlt.
00:49:56
Als ihr Sohn Bernd Jugendweihe feiert, ist es Richard, der das Fest finanziert.
00:50:01
Nach einem gemeinsamen Autounfall, bei dem glücklicherweise nichts Schlimmeres passiert ist, macht Martina deutlich,
00:50:06
wenn jemand künftig bei ihren Einkaufstouren am Steuer sitzt, dann sie.
00:50:10
Für Richard ist das in Ordnung.
00:50:13
1994, zwei Jahre nach dem Tod von Tante Christel, übernimmt er die 1200 Mark für Martinas Führerschein und kauft sogar ein neues Auto.
00:50:20
Einen grünen Seat, den er auf Martina überschreiben lässt.
00:50:23
So können sie weiter einkaufen fahren.
00:50:25
Über die Jahre wird Martina zu einer wichtigen Stütze für Richard.
00:50:28
Vor allem als sein Sohn an den Folgen seiner Alkoholsucht stirbt und Richard nun ganz alleine ist.
00:50:34
Seine anderen acht Kinder kommen ihn nie besuchen.
00:50:36
Freunde hat er nicht.
00:50:37
Nicht einmal in die Kneipe geht er ab und zu.
00:50:39
Seine Zigarren raucht er alleine zu Hause.
00:50:42
Nur Martina kümmert sich um Richard.
00:50:43
Sie ist die einzige, die noch für den eigenbrötlerischen Mann da ist.
00:50:47
Um der Einsamkeit zumindest ein wenig zu entkommen, fahren Martina und Richard gemeinsam zum Hundezüchter.
00:50:53
Richard kauft zwei Schäferhunde.
00:50:55
Rex für sich, Harras für Martina.
00:50:57
Die Gassi-Runden übernimmt Martina mit beiden Hunden.
00:51:00
Als Richard immer weniger mobil wird, kümmert sich Martina auch um seine Finanzen.
00:51:04
Richard bekommt im Monat 1340 Mark Rente.
00:51:07
Sie begleicht seine Rechnung, bezahlt mit seiner IC-Karte und geht zur Sparkasse, wenn er Bargeld braucht.
00:51:12
Eine Vollmacht stellt Richard ihr nicht aus.
00:51:15
Sie kennt seinen PIN.
00:51:16
Martina nennt die Bankmitarbeiterin im Ort beim Vornamen.
00:51:19
Die wiederum weiß, dass sich Martina seit Jahren um ihren älteren Nachbarn kümmert.
00:51:24
Wie schön, dass es noch Leute gibt, die sich um andere sorgen.
00:51:26
Martina kann Richards körperlichen Verfall über die Jahre hinweg beobachten.
00:51:30
Gut zu Fuß ist er schon länger nicht mehr.
00:51:33
Darum steht in seiner Wohnstube neben dem Holzofen auch eine ausziehbare Couch.
00:51:37
Die Treppe hoch ins Schlafzimmer kann er nicht mehr bewältigen.
00:51:39
Die paar Stufen, die zur Wohnstube führen, reichen schon.
00:51:42
Die Monate vergehen.
00:51:44
Langsam baut er immer weiter ab.
00:51:46
Sie sieht nun noch öfter bei Richard nach dem Rechten.
00:51:48
Mal hat sie einen Kuchen für ihn dabei, mal Zigarren.
00:51:52
Damit Richard weiterhin was Ordentliches zum Anziehen hat, bestellt sie ihm aus dem Katalog einen neuen Anorak, Korthosen und Kurzarmhemden.
00:51:58
Und Martina kümmert sich auch um den Papierkram, Briefe vom Amt und der Rentenkasse.
00:52:03
Sie holt Kontoauszüge, telefoniert mit Behörden.
00:52:05
Sie sorgt dafür, dass Richards Leben weiterläuft.
00:52:08
Es vergehen mehr als zwei Jahrzehnte, bis im Oktober 2016 der Polizei das Bild vorliegt, das vor nicht allzu langer Zeit aufgenommen wurde und Richard und seinen Enkel zeigen soll.
00:52:22
Doch als die Beamtinnen das Foto genauer unter die Lupe nehmen, werden sie stutzig und fördern mit ihren Ermittlungen ein Geheimnis zu Tage, das jahrelang im Kellergrab lag.
00:52:32
2007 stellen die MitarbeiterInnen der Rentenkasse zum ersten Mal fest, dass die Schreiben, die sie an Richards Adresse schicken, nicht geöffnet werden und wieder zu ihnen zurückkommen.
00:52:43
In seiner Akte wird notiert, Adresse nicht ermittelbar.
00:52:46
Die Rente überweisen sie weiterhin trotzdem jeden Monat auf sein Konto.
00:52:50
Zwei Jahre vergehen.
00:52:52
Immer wieder kommen die an Richard Gellner adressierten Schreiben zurück.
00:52:55
Daher kontaktieren die VersicherungsmitarbeiterInnen jetzt das Einwohnermeldeamt in Rieda.
00:52:59
Ist der Versicherte möglicherweise umgezogen oder vielleicht sogar verstorben?
00:53:04
Die Verwaltung in Richards Heimatort antwortet, er sei unbekannt verzogen.
00:53:08
Daraufhin werden die Zahlungen an Richard eingestellt.
00:53:11
Bald darauf ruft eine Frau bei der Rentenkasse an.
00:53:14
Warum bekomme ihr Vater Richard seit kurzem seine Rente nicht mehr?
00:53:17
Das Geld stehe ihm doch zu.
00:53:20
Als er erklärt wird, dass die Post nicht zustellbar sei, nennt die Frau eine andere Adresse als die in Rieda.
00:53:24
Richard sei dorthin verzogen, er lebe jetzt bei ihrem Sohn, also seinem Enkel.
00:53:29
Eine plausible Erklärung für die Rentenkasse, die ab diesem Zeitpunkt wieder jeden Monat Geld überweist.
00:53:35
Sechs Jahre lang.
00:53:37
Am 24. August 2015 hat Richard Geburtstag, den 95.
00:53:43
Im September schickt die Rentenkasse wieder einen Brief.
00:53:46
Richard soll auf dem Meldeamt eine Lebensbescheinigung einreichen.
00:53:50
Und zwar persönlich.
00:53:50
Das ist ein übliches Verfahren, wenn jemand so ein hohes Alter erreicht.
00:53:55
Aber es ist doch irgendwie total absurd, dass man dann da hingehen muss und eine Lebensbescheinigung abgeben muss.
00:54:03
Also wie wird das überhaupt?
00:54:04
Hallo, ich lebe noch.
00:54:06
Und dann kriegt man die Bescheinigung, ja, sie leben noch.
00:54:09
Oder ist es so, hallo, ich lebe noch.
00:54:11
Und dann muss es aber erstmal von einem Arzt oder einer Ärztin festgestellt werden.
00:54:15
Und dann wird der Puls geführt, ja, und atmen sie mal hier gegen die Hand.
00:54:18
Ja, sie leben noch.
00:54:20
Okay, diese Bescheinigung ist ausgestellt.
00:54:22
Also was ist denn, wenn die Person so schwer krank ist, dass sie gar nicht da hingehen kann und sagen kann, hallo, ich lebe noch.
00:54:30
Was macht man dann?
00:54:31
Naja, dann kommen die bestimmt vorbei.
00:54:33
Bei meiner Oma kam die auch vorbei zum 90. Geburtstag.
00:54:37
Und zwar jemand von der Stadt und von der Kirche.
00:54:39
Und vielleicht hat man ja auch parallel gecheckt, ob sie noch atmet.
00:54:46
Weil im Fall von Richard aber kein Nachweis eingeht, werden die Rentenzahlungen gestoppt.
00:54:52
Wieder meldet sich eine Frau mit vorwurfsvoller Stimme am Telefon.
00:54:55
Ihr Vater bekomme seine Rente nicht mehr.
00:54:57
Der Sachbearbeiter erklärt, der angeforderte Lebensnachweis liege nicht vor.
00:55:02
Vier Wochen später ruft die Frau erneut an.
00:55:03
Die Zahlungen seien nun zu Recht eingestellt, ihr Vater sei leider verstorben.
00:55:08
Der Sachbearbeiter spricht sein Beileid aus.
00:55:11
Um Richards Akte ordnungsgemäß zu schließen, benötige er bitte noch die Sterbeurkunde.
00:55:15
Aber auch die kommt nicht.
00:55:17
Dem Sachbearbeiter kommt das seltsam vor.
00:55:19
Von Richards Krankenkasse heißt es, man habe früher regelmäßig Leistungen wie Arzt- und Krankenhauskosten für den Rentner übernommen.
00:55:25
Aber jetzt schon seit 20 Jahren nicht mehr.
00:55:28
Den Mitarbeiter der Rentenkasse beschleicht ein ungutes Gefühl.
00:55:32
In der Akte notiert er, dass nicht mehr auszuschließen sei, dass der Versicherte bereits länger als angegeben tot sei.
00:55:37
Und es sein könnte, dass die Angehörigen die Leistung der Rentenkasse missbrauchen würden.
00:55:42
Gleichzeitig forscht er weiter, kontaktiert Einwohner, Meldeämter, Standesämter und Nachlassgerichte.
00:55:48
Wo ist Richard Gellner?
00:55:50
Niemand kann ihm eine Antwort geben.
00:55:52
Erst knapp ein Jahr später, im September 2016, informiert die Rentenversicherung die Polizei über den Verdacht des Rentenbetrugs.
00:56:00
Die BeamtInnen, die die Ermittlungen aufnehmen, fahren zuerst zu der Adresse, die die Frau am Telefon damals als neue Meldeadresse von Richard genannt hat.
00:56:08
Also dahin, wo Richard seit bereits sieben Jahren mit seinem Enkel leben soll.
00:56:12
Ihn öffnet ein Mann Mitte 30, der allerdings an seine Mutter verweist.
00:56:17
Die wiederum erklärt, ihr ehemaliger Nachbar Richard sei schon vor fast 20 Jahren von einem Enkel nach Staßfurt geholt worden.
00:56:25
Die beiden hätten sie regelmäßig besucht.
00:56:28
Vergangenes Jahr aber habe ihr Richards Enkel dann mitgeteilt, dass Richard verstorben sei.
00:56:32
Die PolizistInnen fragen, gibt es einen Beleg, dass Richard wirklich bis 2015 noch am Leben war?
00:56:38
Ein Dokument zum Beispiel oder ein Foto? Irgendwas?
00:56:41
Daraufhin schickt Martina ein besagtes Foto von zwei Männern zu, das ich jetzt dir bei WhatsApp zu senden werde.
00:56:48
Es kommt. Was siehst du da?
00:56:53
Links sehe ich einen Mann in einem roten Ledersessel.
00:56:58
Dieser Mann sieht sehr alt aus, aber gepflegt.
00:57:02
Er hat eine Brille auf, einen weißen Bart und hat so einen Anzug an und eine Zigarre in der Hand.
00:57:09
Und rechts da ist ja noch was, das hatte ich ja am Anfang erzählt.
00:57:13
Das kann man nicht so gut erkennen, weil das Foto da so dunkel ist.
00:57:16
Das ist eine Couch und da soll eben der Enkel von Richard drauf liegen.
00:57:21
Kommt dir dieses Bild irgendwie bekannt vor?
00:57:24
Kennst du diese Person vielleicht, die da drauf abgebildet ist?
00:57:28
Für mich sieht diese Person irgendwie aus wie Sigmund Freud oder sowas.
00:57:37
Auch auf die BeamtInnen wirkte dieses Bild also etwas komisch.
00:57:43
Aber nicht nur, weil ihn Richard Gellner in Anführungsstrichen irgendwie bekannt vorkam vielleicht,
00:57:48
sondern auch, weil die beiden Männer auf diesem Bild so völlig regungslos und irgendwie wechseln aussehen.
00:57:57
Und das liegt daran, dass das Foto nicht Richard Gellner und seinen Enkel im Wohnzimmer, sondern Sigmund Freud zeigt,
00:58:04
also den sogenannten Vater der Psychoanalyse, der bereits 1939 gestorben ist und heute als Wachsfigur im Madame Tussauds in Berlin zu bewundern ist.
00:58:16
Und genau dort entstand auch das Bild.
00:58:18
Und wer immer die Person im Hintergrund ist, es ist nicht Richards Enkel.
00:58:22
Und wahrscheinlich ist das Foto auch genau deswegen an der Stelle schwarz.
00:58:25
Als die Polizei mit diesen Erkenntnissen wieder bei Martina vor der Haustür steht, weiß sie, Lügen oder Leugnern ist zwecklos.
00:58:34
Sie führt die ErmittlerInnen zu Richards ehemaligem Haus, das schon vor Jahren verkauft wurde,
00:58:38
das die neue Eigentümerin aber nur als Lagergebäude nutzt.
00:58:41
Im Keller unter den Kohlen liegt das Geheimnis, das Martina 21 Jahre lang gehütet hat.
00:58:47
Martina erklärt, dass sie ihm dieses Grab geschaufelt hat, nachdem sie ihn getötet habe.
00:58:53
Die ErmittlerInnen trauen ihren Augen und Ohren kaum.
00:58:56
Abwechselnd fixieren sie das ein Meter tiefe Loch und die Frau, die selbst nur 1,48 Meter groß ist.
00:59:03
Dass der Besuch mit einer Leichenbergung und gleich noch dazu einem Geständnis endet,
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hätten sich die meisten bei Schichtbeginn heute wohl nicht gedacht.
00:59:09
Jetzt muss Martina erneut mit den Einsatzkräften in den Polizeiwagen steigen.
00:59:14
Aber es geht nicht wieder nach Hause, sondern auf die Dienststelle.
00:59:17
Es vergehen drei Jahre, bis Martina vor dem Landgericht Magdeburg der Prozess gemacht wird.
00:59:23
Sechs Verhandlungstage sind angesetzt.
00:59:25
Die Kameras der zahlreichen JournalistInnen klicken, als Martina am Dienstag, den 13. August 2019,
00:59:32
in den Gerichtssaal A23 huscht.
00:59:34
Hinter ihrem Verteidiger, der mehr als einen Kopf größer ist als sie.
00:59:37
Den Blick hat sie auf den Boden gerichtet.
00:59:40
Mit ordentlich gekämmtem Haar und einem schwarzen T-Shirt mit weißen Punkten
00:59:43
nimmt sie auf der Anklagebank Platz und hört, wie die Oberstaatsanwältin das Wort ergreift.
00:59:48
Martina ist angeklagt wegen Rentenbetrugs und Totschlags.
00:59:52
Im Herbst 2001 soll sie den damals 81-Jährigen Richard getötet und danach Jahr für Jahr seine Rente einkassiert haben.
00:59:59
Das Geld sei aber nicht der Grund für die Tötung ihres Nachbarn gewesen, verteidigt sich Martina.
01:00:03
Sie habe in Notwehr gehandelt und das Ganze sei auch entgegen der Anschuldigung der Staatsanwaltschaft
01:00:09
bereits 1995 und nicht erst 2001 passiert.
01:00:13
Dann schildert sie den Menschen im Saal, darunter auch Angehörige von Richard,
01:00:16
wie dessen letzten Stunden in ihren Augen verliefen.
01:00:21
Es ist ein Tag im Herbst 1995.
01:00:23
Martina verabschiedet sich von ihrem Ehemann Klaus.
01:00:26
Sie ist jetzt erstmal eine Zeit lang bei Richard.
01:00:28
Heute steht wieder der Großeinkauf an.
01:00:30
Als sie an Richards Haus ankommt, fahren sie nicht gleich los.
01:00:34
Er bittet Martina erst noch aufzuschreiben, was sie im Supermarkt alles brauchen, damit sie nichts vergessen.
01:00:38
Martina greift zu Zettel und Stift und setzt sich neben Richard auf die Couch, die zugleich sein Bett ist.
01:00:43
Doch Richard scheint mit den Gedanken nicht bei Brot, Butter und Milch.
01:00:46
Martina spürt seine Hand auf ihrem Oberschenkel.
01:00:49
Sie ist genervt.
01:00:51
Nicht schon wieder.
01:00:52
Das ist nicht das erste Mal, dass Richard sie anfasst.
01:00:55
Ab und zu, wenn sie im Wohnzimmer Staub saugt, kommt ihr Richard nah.
01:00:59
Er berührt ihr Haar und ihre Hüfte.
01:01:01
Komm, hab dich nicht so.
01:01:03
Du magst mich doch.
01:01:04
Ich mag dich, sagt er dann und andere anzügliche Bemerkungen.
01:01:07
Manchmal will er, dass sie ihn wäscht oder sich zu ihm ins Bett legt.
01:01:10
Martina wehrt sich jedes Mal.
01:01:12
Er soll bitte aufhören.
01:01:13
Dieses Mal versucht er es also wieder, wo sie jetzt ja schon quasi bei ihm auf dem Bett sitzt.
01:01:18
Nimm die Hand weg.
01:01:19
Sagt sie energisch.
01:01:21
Als Richard nicht reagiert, versucht sie seine Hand von ihrem Bein wegzureißen.
01:01:25
Aber dadurch fasst Richard nur noch fester zu.
01:01:28
Martina wehrt sich stärker.
01:01:29
Da packt Richard sie auch noch am Arm.
01:01:31
Martina begreift, dass sich Richard dieses Mal nicht wie sonst in die Schranken weisen lässt.
01:01:36
Sie will aufstehen.
01:01:38
Während er sie weiterhin fest am Arm packt.
01:01:40
Sie kann sich nicht losreißen.
01:01:42
Körperlich hat sie kaum eine Chance gegen Richard.
01:01:44
Er ist über 20 Zentimeter größer als sie und viel kräftiger.
01:01:47
Martina bekommt es mit der Angst zu tun.
01:01:49
Will dieser Mann, den sie seit Jahren umsorgt, weil sich niemand außer ihr um ihn schert, sie tatsächlich vergewaltigen?
01:01:56
Panisch blickt sie sich im Wohnzimmer um.
01:01:59
Wie kann sie seinem Klammergriff entkommen?
01:02:00
Da fällt ihr Blick auf ein Küchenmesser, das auf dem Tisch neben der Couch liegt.
01:02:04
Sie greift mit der rechten Hand danach und nutzt den Moment, in dem Richard sie zwar weiterhin festhält, ihr aber leicht den Rücken zudreht.
01:02:11
Sie sticht ihm das Messer von hinten zwischen die Rippen und zieht es wieder heraus.
01:02:14
Doch das scheint ihm kaum etwas ausgemacht zu haben.
01:02:17
Er lässt Martina los und schreit.
01:02:18
Ach, jetzt willst du mich erstechen?
01:02:21
Bei Martina setzt der Fluchtinstinkt ein.
01:02:23
Sie läuft von der Couch Richtung Fenster.
01:02:25
Ist das ein möglicher Ausweg?
01:02:26
Nein, die Tür ist auf jeden Fall besser.
01:02:28
Doch Richard ist schneller dort als sie.
01:02:30
Hier kommst du nicht mehr raus, ruft er und verriegelt die Tür.
01:02:33
Also doch aus dem Fenster?
01:02:35
Martina wirft einen Blick nach draußen.
01:02:37
Nein, das ist ihr zu hoch, um rauszuspringen.
01:02:39
Immerhin befinden sie sich nicht im Erdgeschoss.
01:02:42
Die Gedanken rasen in Martinas Kopf.
01:02:44
Wie kann sie dieser Falle entkommen?
01:02:46
Da entdeckt sie das kleine Beil neben dem Ofen, mit dem Richard das Holz zum Verfeuern klein hackt.
01:02:51
Martina überlegt nicht lang.
01:02:53
Sie packt das Werkzeug, schwingt es in der Luft und zieht damit direkt auf Richard, der sich immer noch vor der Tür breitmacht.
01:02:58
Sie trifft auf Anhieb seinen Hinterkopf.
01:03:01
Weil er nicht zu Boden geht, holt sie ein zweites Mal aus.
01:03:04
Wieder trifft sie den Kopf.
01:03:05
Richard kippt nach hinten um und stürzt bewusstlos zu Boden.
01:03:08
Blutseckert in den Teppich.
01:03:10
Ein bis zwei Stunden dauert sein Todeskampf.
01:03:13
Martina alarmiert weder Notruf noch Polizei.
01:03:16
Ihr würde doch niemand glauben, dass sie sich wehren musste, um nicht vergewaltigt zu werden.
01:03:20
Sie zündet sich eine Zigarette an und wartet ab.
01:03:23
Während Richard röchelnd auf dem Wohnzimmerboden liegt und schließlich seinen letzten Atemzug macht.
01:03:29
Martina bemerkt Blut an ihrer Jeans.
01:03:31
So kann sie nicht nach Hause gehen.
01:03:33
Sie durchstöbert Richards Kleiderschrank und entdeckt eine Jogginghose, die wohl noch von seinem Sohn stammt.
01:03:39
Dann macht sie sich auf Richtung Heimweg zu Klaus.
01:03:41
Auch ihm sagt sie kein Wort davon, was bei Richard geschehen ist.
01:03:44
Wer weiß, ob ihr eigener Mann ihr glauben würde.
01:03:46
Was, wenn er sie verlässt?
01:03:47
So weit darf es nicht kommen.
01:03:49
Nein, sie wird erstmal gar nichts sagen.
01:03:51
Alles bleibt, wie es ist.
01:03:52
Zum Mittagessen kocht sie Erbsensuppe.
01:03:54
Ihre blutige Jeans landet in der Waschmaschine.
01:03:57
Am Abend verabschiedet sie sich noch einmal von Klaus.
01:03:59
Sie muss mit den Hunden raus.
01:04:00
Martina weiß, dass sie sich etwas überlegen muss.
01:04:03
Richard kann nicht tot in seinem Wohnzimmer liegen bleiben.
01:04:06
Aber wo lässt sich seine Leiche entsorgen?
01:04:08
Vor allem so, dass es niemand merkt.
01:04:10
Zwei Tage grübelt sie über die beste Möglichkeit.
01:04:13
Dann kommt ihr ein Gedanke.
01:04:15
Als sie am dritten Tag wieder ihren Standardbesuch bei Richard macht, nimmt sie eine Spitzhacke vom Hof mit ins Haus.
01:04:20
Damit geht sie in den Keller und bricht den roten Steinboden auf.
01:04:23
Dann fängt sie an, ein Loch zu graben.
01:04:25
Schaufel für Schaufel trinkt sie erdreich ab.
01:04:27
Die Arbeit ist mühsam.
01:04:29
Immer tiefer gräbt Martina.
01:04:30
Als sie bis zur Hüfte im Loch steht, findet sie, dass es jetzt reicht.
01:04:33
Sie geht wieder nach oben.
01:04:35
Martina hat einen Plan.
01:04:36
Sie schneidet den Teppich aus, auf dem Richard liegt, fädelt ein Seil unter seine Arme.
01:04:40
So kann sie ihn besser ziehen.
01:04:42
Damit sein Kopf auf dem Weg in den Keller nicht auf jede Treppenstufe aufschlägt, schlingt sie ihm einen Vorhang um den Hals.
01:04:48
Schritt für Schritt und mit aller Kraft wuchtet sie den Körper des Mannes, der über 20 Zentimeter größer ist als sie, in den Keller und in das Erdloch.
01:04:55
Aber Martina muss feststellen, dass sie sich verschätzt hat.
01:04:59
Richard ist zu groß für das Loch, das sie geschaufelt hat.
01:05:01
Also klappt sie den Oberkörper auf die Beine.
01:05:04
Um das Loch zu verschließen, rührt sie Zement an, der noch von den Arbeiten am Haus übrig ist.
01:05:08
Tagelang schüttet sie immer wieder Zement auf Richards Leiche.
01:05:12
So lange, bis er vollständig einbetoniert ist.
01:05:15
Zum Schluss fegt sie Kohlen auf das Grab.
01:05:17
Als sie im Keller fertig ist, kommt das Wohnzimmer dran.
01:05:20
Mit Spürmittel putzt sie die Blutspritzer vom Boden.
01:05:23
Dann packt sie Rex ins Auto und fährt zum Züchter.
01:05:26
Einen zweiten Schäferhund kann sie beim besten Willen nicht auch noch versorgen.
01:05:30
Zu Hause erzählt Martina ihrem Mann, dass Richard ausgezogen sei.
01:05:33
Er wolle nun bei seinen Kindern wohnen.
01:05:35
Aber er habe ihnen ein Abschiedsgeschenk gemacht.
01:05:38
Seine alte Waschmaschine.
01:05:39
Und auch Klamotten habe er zurückgelassen.
01:05:41
Vielleicht könne Klaus ja was davon gebrauchen.
01:05:43
Die Hosen passen Klaus zwar nicht.
01:05:45
Eine Jacke, die Martina aber mal für Richard bestellt hatte, umso besser.
01:05:49
Als Martina eine Weile später wieder einen der Modehauskataloge durchblättert und all
01:05:53
die Pullover und Hosen in knalligen Farben bestaunt, die ihr gut gefallen, die sie sich
01:05:57
aber nicht leisten kann, kommt ihr ein Gedanke.
01:05:59
Dass Richard tot ist weiß Offizier ja niemand.
01:06:02
Das heißt, seine Rente geht weiterhin auf sein Konto ein.
01:06:05
Das Konto, für das sie die Bankkarte und PIN hat.
01:06:09
So sei das damals alles gewesen.
01:06:11
Und so habe der Rentenbetrug angefangen, sagt Martina vor Gericht.
01:06:15
Kurz vor Weihnachten 1995 habe sie Richards Rente zum ersten Mal für sich abgehoben.
01:06:19
Das erste Weihnachtsfest sei schön gewesen, weil es ihnen das erste Mal an nichts gefehlt
01:06:24
habe, so Martina.
01:06:25
Und so habe sie über 20 Jahre lang gelebt, bis die Rentenversicherung 2015 die Zahlung
01:06:32
Ist Martinas Geschichte von der Notwehr plausibel?
01:06:36
Auf diese Frage muss das Gericht nun eine Antwort finden.
01:06:39
Dazu wird auch die Rechtsmedizinerin, die Richards Überreste obduziert hat, in den
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Zeugenstand gerufen.
01:06:45
Sie findet Martinas Schilderung fraglich.
01:06:47
Vor allem, weil sowohl der Angriff mit dem Messer als auch die Schläge auf den Schädel
01:06:51
von hinten kamen, bezweifelt sie eine Handlung in Notwehr.
01:06:54
Außerdem findet es die Gerichtsmedizinerin unglaubwürdig, dass Richard mit seinen körperlichen
01:06:58
Einschränkungen an Herz, Kreislauf, Lunge und Beinen überhaupt dazu in der Lage gewesen
01:07:02
sein soll, von der Couch bis zur Tür zu laufen.
01:07:05
Noch dazu, wo ihm Sekunden zuvor ein Messer in den Rücken gerammt wurde.
01:07:09
Aber nicht nur seine körperlichen Einschränkungen sprechen gegen diese Version vom Tatgeschehen.
01:07:14
Die Expertin führt an, dass sie skeptisch ist, ob Martina es mit ihren 1,48 m wirklich
01:07:19
geschafft hätte, den Toten alleine in den Keller zu hieven und zu vergraben.
01:07:22
Die Obduktionsergebnisse belegen zudem Martinas Aussage, dass Richard an den Folgen der Kopfverletzung
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nicht unmittelbar gestorben ist.
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Im Gerichtssaal steht daher vor allem die Frage im Raum, warum Martina keine Hilfe geholt
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hat, um Richards Tod zu verhindern.
01:07:36
Eine Antwort darauf gibt es nicht.
01:07:38
Martina war zwar jahrelang die Einzige, die sich um Richard kümmerte, doch jetzt, wo er
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tot ist, wollen seine Angehörigen ganz genau wissen, wie sich die letzten Jahre abgespielt
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Sie kennen Martina.
01:07:49
Bei den gemeinsamen Einkaufsfahrten nach Staßfurt schaute Richard manchmal bei seinen
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Oft ließen sie ihn aber gar nicht erst ins Haus rein, weil sie nicht gut auf ihn zu sprechen
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Manchmal habe Richard Martina als Haushaltshilfe vorgestellt, manchmal als Lebensgefährtin.
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Jetzt sagen die Familienmitglieder, dass Martina nur an Richards Geld interessiert gewesen
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sei und er deshalb habe sterben müssen.
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Auch sie glauben ihr die Geschichte von der Notwehr nicht, obwohl sie bezeugen können, dass
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Richard kein liebenswerter Mensch war, kein guter Großvater und noch ein schrecklicherer
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Richard sei ein herrischer Mann gewesen, sagen die Kinder.
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Seine Frau, ihre Mutter, habe nichts zu sagen gehabt.
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Seine Kinder habe er regelmäßig mit einer siebensträhnigen Peitsche geschlagen.
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Und seinen Töchtern habe er noch viel Schlimmeres angetan.
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Deshalb gibt es heute auch nur noch ein einziges Bild von Richard.
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Aus allen anderen Fotos schnitten und kratzten die Mädchen sein Gesicht heraus.
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Seine jüngste Tochter sei 13 gewesen, als er sie zum ersten Mal vergewaltigt habe.
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Ich rieche und fühle ihn noch heute.
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Ich werde nachts wach und habe seinen Geruch von Zigarettenrauch und Schweiß in der Nase.
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Ich habe immer nur gehofft, dass ich nicht von ihm schwanger werde, sagt sie.
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Im Vergleich zu ihrer älteren Schwester wurden ihre Gebete erhört.
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Die brachte mit 15 einen Jungen mit Behinderung zur Welt, gezeugt von ihrem eigenen Vater.
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Das Mädchen, das von ihrem eigenen Vater schwanger wurde, ist inzwischen zu einer älteren Frau geworden.
01:09:11
Im Rollstuhl wird die 74-Jährige in den Zeugenstand geschoben.
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Als sie über den Alten spricht, wie sie Richard nennt, ist ihre Stimme ganz leise.
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Wie kann ein Mensch so grausam sein?
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Fragt sie in den Saal.
01:09:23
Das ist so schäbig.
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Schäbig und scheußlich.
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Das klingt irgendwie nach einer guten Kanzlei, spezialisiert auf Strafrecht.
01:09:34
Kennst du diese Kanzleien, die im Internet erklären, was Mord und Totschlag ist, aber vor allem, weil sie da mit MandantInnen ansprechen wollen, denen das zur Last gelegt wird?
01:09:45
Ja, also sie haben dann immer diese langen Erklärtexte und darunter steht dann sowas wie, sie sollten umgehend eine erfahrene Fachanwältin für Strafrecht kontaktieren.
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Bis dahin unbedingt schweigen. Gerne können sie uns jederzeit kontaktieren und sich von uns beraten lassen.
01:10:02
Die tun dann so richtig auf Informationsvermittler, aber eigentlich wollen sie nur dein Geld.
01:10:10
Aber wir würden es ja genauso machen, denn wir übernehmen jeden Fall.
01:10:15
Genau, egal, wie schäbig und scheußlich er sein mag.
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Naja, weiter zu der Frau im Gerichtssaal, die von ihrem eigenen Vater erzählt.
01:10:25
Irgendwann kann die 74-Jährige nicht mehr weiterreden.
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Die Tränen überkommen sie.
01:10:29
Dann setzt sie noch einmal an.
01:10:31
Ich habe ihn nicht gemocht, aber so hätte er nicht sterben müssen.
01:10:35
Für das Gericht sind diese Aussagen wichtig, um sich ein vollständiges Bild von den Geschehnissen in dem sandfarbenen Haus zu machen.
01:10:42
Er schlug Martina Richard aus Angst, vergewaltigt zu werden, oder war sie von Anfang an auf sein Geld aus und tötete ihn, um Jahr für Jahr seine Rente einkassieren zu können.
01:10:50
Weder das eine noch das andere wird das Gericht sicher feststellen können.
01:10:54
Noch nicht einmal das Jahr, in dem Richard starb, lässt sich genau sagen.
01:10:58
Seine Kinder behaupten, sie hätten ihn noch im Jahr 2001 gesehen.
01:11:01
Die Frage ist jetzt, welche Geschichte ist die plausibelste?
01:11:05
Gut zwei Wochen nach Prozessbeginn fällt das Urteil.
01:11:09
Martina wird zu drei Jahren und sechs Monaten Haft verurteilt, weil sie die Rentenversicherung von 2004 bis 2015 um fast 105.000 Euro betrogen hat.
01:11:17
Eigentlich ist der Betrag ja noch viel höher, weil Martina ja schon seit 1995 Richards Rente kassierte.
01:11:24
Allerdings gab sie sich 2004 zum ersten Mal als seine Tochter aus.
01:11:28
Und rechtlich beginnt erst ab diesem Zeitpunkt der Betrug.
01:11:32
Zuvor hatte sie quasi seine Rente nur unterschlagen, was in Martinas Fall nicht strafbar ist, weil derjenige, für den sie die Einkassierte bereits tot war.
01:11:42
Und seinen Kindern hätte die Rente nämlich auch nicht zugestanden.
01:11:47
Martina findet das Urteil trotzdem unfair, für diesen vergleichsweise kleinen Geldbetrag.
01:11:51
Uni Hoeneß hat schließlich 28,5 Millionen Euro hinterzogen und war dafür keine zwei Jahre im Knast, sagt sie dem Spiegel in einem Interview.
01:11:59
Aber noch viel wichtiger, für Richards Tod wird sie nicht zur Verantwortung gezogen.
01:12:04
Der Vorsitzende Richter verkündet, dass sich Martina nicht des Totschlags schuldig gemacht hat, sondern in Notwehr gehandelt habe.
01:12:10
Und zwar an einem nicht mehr genauer feststellbaren Tag zwischen 1995 und 2001.
01:12:17
Martinas Verteidigungshandlungen waren dabei insbesondere aufgrund der Größen- und Kräfteverhältnisse zwischen Richard und der Angeklagten auch erforderlich, heißt es später im Urteil.
01:12:26
Martina erreichte mit ihrer Erzählung von Notwehr einen Teilfreispruch.
01:12:30
Vor dem Prozess entschieden sie und ihr Verteidiger sich für diese Strategie, auch aufgrund von Richards Vergangenheit.
01:12:37
Der Verteidiger sagt in einem Interview, wenn ich sie verteidige, gehe ich von ihrer Schilderung aus.
01:12:43
Im Gericht muss ich nur zeigen, dass ihre Geschichte genauso stimmen könnte wie alle anderen.
01:12:48
Der Mann, den meine Mandantin getötet hat, war kein guter Mensch.
01:12:51
Wir konnten also auf Notwehr plädieren.
01:12:53
Hätte es nicht geklappt, blieb immer noch die Verjährung.
01:12:57
Eine Art Ass im Ärmel der Verteidigung.
01:13:00
Doch ob sie auf die tatsächlich hätten zählen können, ist fraglich.
01:13:03
Seine Kinder haben im Zeuginnenstand behauptet, ihren Vater noch im Jahr 2001 lebend gesehen zu haben.
01:13:08
Da Totschlag in der Regel nach 20 Jahren verjährt, hätte die Regel nicht gegriffen, wenn das Gericht den Kindern und nicht Martina geglaubt hätte.
01:13:16
Sie sagte, sie hatte Richard 1995 getötet.
01:13:19
Doch ihre Aussagen wurden als unwahrscheinlich eingestuft, da die Krankenkasse vor 1995 regelmäßig Krankenhausaufenthalte abgerechnet hatte und danach plötzlich keine einzige Leistung mehr übernehmen musste.
01:13:31
Was niemand außer Martina um Richard kümmern wollte, führte letztlich dazu, dass niemand sein Verschwinden in einem Zeitraum von sechs Jahren genauer eingrenzen kann.
01:13:39
Man kann sich jetzt selbst Gedanken darüber machen, ob Martinas Geschichte stimmt oder nicht.
01:13:44
Das Gericht jedenfalls hat ihr geglaubt.
01:13:46
Also, als du jetzt eben von dieser Tathandlung erzählt hast, fand ich die jetzt auch im ersten Moment nicht besonders glaubwürdig.
01:13:58
Weil immerhin ist sie deutlich jünger als er da gewesen und er hatte ja offenbar schon ein paar Wehwehchen.
01:14:06
Und okay, er ist 20 Zentimeter größer, aber wäre es jetzt wirklich zu dieser Vergewaltigung gekommen oder hätte sie sich eigentlich wehren können, habe ich mich gefragt.
01:14:18
Also, da war ich erstmal sehr skeptisch.
01:14:19
Aber als du das dann erzählt hast von seiner Vergangenheit, dass er halt seine eigenen Töchter vergewaltigt hat, habe ich mir gedacht, kann ich mir gut vorstellen, dass er es zumindest probiert hat oder öfters mal übergriffig war.
01:14:34
Und es zu einer Situation kam, wo sie es vielleicht nicht mehr ertragen wollte.
01:14:40
Aber ob das jetzt so stattgefunden hat, wie sie das sagt, also mit dieser Tathandlung, weiß ich jetzt nicht.
01:14:49
Also gerade, wie sie die Leiche beseitigt hat, würde ich mal meinen.
01:14:53
So einen Körper durchs Haus zu schleppen und die Treppe runter und in so ein Loch zu packen, das ist schon tatsächlich eine körperliche Anstrengung.
01:15:02
Aber ja, also kann man sich sozusagen natürlich auch mal die Frage stellen, wusste da wirklich niemand anders von?
01:15:09
Oder vielleicht hatte sie es ja doch jemandem erzählt.
01:15:11
Aber gehen wir mal davon aus, sie hätte in dem Moment nicht in Notwehr gehandelt, was das Gericht eindeutig bejaht hat.
01:15:20
Also das wollen wir hier jetzt natürlich gar nicht in Frage stellen.
01:15:24
Aber gehen wir mal davon aus, es wäre so gewesen.
01:15:27
Selbst dann, muss man sagen, wäre sie mit dem gleichen Ergebnis davon gekommen, weil ich glaube, alleine die Tatsache, dass die Krankenkasse danach keine Leistung übernommen hat nach 95, spricht ja dann dafür, dass er wirklich davor gestorben ist.
01:15:40
Und dann wäre es halt verjährt gewesen.
01:15:41
Als du am Anfang immer von diesem Foto geredet hast, ich dachte mir so, wow, was kommt da jetzt?
01:15:52
Als ich das Foto dann gesehen habe, dachte ich mir so, weil ich habe fest damit gerechnet, dass ich jetzt einen Toten sehe, der irgendwie so aussieht oder so dahin gelegt wurde oder in Sessel gelegt wurde, damit es aussieht, als würde er leben.
01:16:07
Boah, ich dachte mir so, was hat die gemacht, um diese Geschichte von dem lebendigen Richard irgendwie aufrecht zu erhalten.
01:16:16
Und das hätte ich ihr nämlich auch noch irgendwie zugetraut, weil ich finde es auch, es ist einfach auch eine dolle kriminelle Energie, erstmal dieses Geld einzubehalten, das auszugeben und dann auch noch da öfter mal anzurufen, wo denn hier das Geld bleibt.
01:16:34
Das ist auch irgendwie schäbig und scheußlich.
01:16:38
Also das Gericht hatte ja jetzt gesagt, dass Martinas Tötung durch die Notwehr geboten und somit dann auch gerechtfertigt war, weil sie sich durch die Axthebe und diese Messerstiche vor den gegenwärtigen und rechtswidrigen Angriff von Richard verteidigte.
01:16:53
Und es ist halt so, wenn ein Mensch fürchtet, dass seine rechtlich geschützten Interessen oder die eines anderen verletzt werden, dann darf er sich ja wehren.
01:17:01
Und hierzu gehört eben unter anderem das Leben, klar, also das war jetzt bei Lauras Fall ja der Fall, aber eben auch die körperliche Unversehrtheit, das Eigentum, die Ehre und die sexuelle Selbstbestimmung.
01:17:13
Und weil sich bei Martina ja eine Vergewaltigung androhte, hat das Gericht ihr Handeln dann eben auch für gerechtfertigt, so wie bei jedem anderen Angriff.
01:17:21
Was mich bei der Notwehr jetzt so ein bisschen stutzig gemacht hat, ist, dass man auch seine Ehre in Notwehr verteidigen kann.
01:17:27
Da gibt es aber ein paar Beispiele und zwar ist das so, wenn jetzt jemand eine sehr dolle Beleidigung gegen jemand anderen ausspricht.
01:17:37
Also, wenn ich zum Beispiel zu der Laura sage, du ******, dann hast du ja jetzt kaum eine Chance gehabt, deine Ehre in Notwehr zu verteidigen, weil ich bin ja so schnell im Reden.
01:17:50
Ich habe das ja schon ausgesprochen, da konntest du jetzt nur noch gucken.
01:17:54
Erstens das und zweitens bin ich so geschockt, dass ich erstmal in der Schockstarre verhaare.
01:17:59
Ja, genau. Und dann ist der Angriff auf deine Ehre ja auch schon wieder beendet. Wenn ich jetzt allerdings minutenlang du ... Ja, also natürlich jetzt nur hypothetisch. Wenn ich das jetzt ganz lange sage, weiter sage, sage, sage und es absehbar ist, dass ich damit auch nicht aufhöre, dann könntest du auch mit Gewalt meinen Angriff auf deine Ehre abwenden.
01:18:28
Würde ich auch. Gott sei Dank siehst du mich jetzt nur durch einen Bildschirm im Telefon und nicht persönlich. Genau, dann würdest du es nämlich machen. Allerdings muss deine Gewaltanwendung dann auch angemessen sein. Also du dürftest jetzt nicht die Waffe nehmen und mich erschießen. Und du musst dann auch damit aufhören, wenn ich damit aufgehört habe.
01:18:57
Und das Gericht sprach sie dann tatsächlich frei, weil es in dem Anatmen sowohl eine Körper- als auch eine Ehrverletzung sah.
01:19:18
Das finde ich schon beachtlich.
01:19:23
Richtig. Ich finde das total richtig.
01:19:26
Ja, ich war ja auch damals, ich glaube, ich weiß nicht, ob du mir das erzählt hast oder ob ich das erzählt habe, aber damals war ich ja auch schon sehr aufgebracht darüber.
01:19:34
Und ich weiß nicht, ob es bei mir irgendwie schlimmer ist, aber du weißt ja, wie ich auf Rauch reagiere und wie furchtbar ich das finde.
01:19:43
Und wenn mich dann jemand extra anatmet und damit nicht aufhört, wow.
01:19:48
Also ich würde dir dann trotzdem nicht empfehlen, ein Glas zu nehmen und das dieser Person an den Kopf zu werfen.
01:19:54
Ich finde es ein bisschen übertrieben.
01:20:01
Bitte hört uns nicht zu, diese Frau ist zurückgeschickt worden.
01:20:06
Es ist schon spät.
01:20:08
Und vielleicht ist sie ein bisschen aggressiver gerade als sonst.
01:20:13
Was jetzt interessant für viele sein wird, weil sich in Deutschland ja immer alle über diese Gesetzeslage in den USA wundern.
01:20:19
Also wir kennen das, dass es da ein paar Bundesstaaten dieses Stand-Your-Ground-Gesetz gibt.
01:20:24
Also gefühlt ist das ja immer so, so hört man es zumindest, irgendwelche Teenies verirren sich betrunken auf irgendwelche Grundstücke von Fremden.
01:20:31
Und dann kommt Papa Michael mit seinem Gewehr raus und um seine Familie zu beschützen, erschießt er dann diese harmlose Person und wird dann freigesprochen.
01:20:40
Weil zumindest in einigen Staaten wie in Florida, da kennt die Selbstverteidigung angeblich keine Grenzen.
01:20:47
Aber ehrlicherweise darf ich wie in Florida auch hier den Angreifer oder die Angreiferin töten, wenn ich annehme, wenn das zur Abwehr einer Gefahr für mein eigenes Leben oder für das eines anderen nötig ist.
01:21:00
Jetzt hast du schon gesagt, hier müsste man eigentlich theoretisch einen Warnschuss abgeben, wenn die mir gegenüberstehende Person jetzt nicht auch mit einer Waffe bewaffnet ist.
01:21:09
Aber wenn das so ist, dann habe ich eben auch das Recht, mich zu wehren.
01:21:12
Die Frage ist halt nur von Fall zu Fall immer wie, weil die Abwehr ja verhältnismäßig sein muss.
01:21:19
Sonst kann man auch als Opfer schnell mal im Gericht auf der Anklagebank sitzen.
01:21:23
Und treuen MordlusthörerInnen sollte dieser Fall hier auch bekannt vorkommen.
01:21:28
Den haben wir nämlich einmal schon sehr ausführlich im Podcast erzählt.
01:21:30
Da ging es um einen alten Mann, den habe ich damals Alfred genannt, der von fünf Jugendlichen überrascht wird, als er gerade seinen Hund draußen im Zwinger füttern wollte.
01:21:39
Und die Jugendlichen überwältigen ihn damals und halten ihn fest.
01:21:42
Und so sagt er das später aus, halten ihm auch eine Waffe an die Schläfe und fragen ihn dann, wo er das Geld versteckt hat.
01:21:48
Und Alfred ist also mit zwei anderen unten in der Küche und die anderen drei suchen dann im oberen Stockwerk nach der Beute.
01:21:56
Und dabei geht aber die Alarmanlage und die Beleuchtung vor dem Haus an.
01:22:00
Und diese Angreifer, die geraten dann total in Panik und versuchen dann aus diesem Haus zu kommen, aber es funktioniert nicht so richtig.
01:22:06
Und die können dann nur so einen Spalt in der Terrassentür finden und fliehen dann dadurch.
01:22:10
Jetzt ist es aber so, dass Alfred in seiner Küche, in einer Tasche, die um so einen Stuhl hing, eine Waffe hatte.
01:22:18
Das wussten die natürlich nicht.
01:22:20
Und er greift also nach dieser Waffe und sagt aus, dass er selbst, nämlich als die geflohen sind, noch Schüsse gehört hat.
01:22:28
Also schießt er in Todesangst, so sagt er, den Jugendlichen dreimal hinterher.
01:22:33
Und dabei verletzt er halt einen von ihnen tödlich, der sich da gerade als Letzter durch die Tür zwingen wollte.
01:22:39
Und gegen Alfred wird dann auch erst ermittelt.
01:22:41
Allerdings stellt die Staatsanwaltschaft die Ermittlung dann auch wieder ein, weil Alfred ihrer Meinung nach in Notwehr gehandelt hatte, um sein Eigentum zu verteidigen.
01:22:48
Das darf man ja theoretisch.
01:22:50
Allerdings nimmt die Staatsanwaltschaft die Ermittlung Monate später dann nach einem Klageerzwingungsverfahren auch wieder auf und es wird verhandelt.
01:22:58
Und am Ende wird Alfred tatsächlich wegen Totschlags verurteilt, aber nur zu neun Monaten auf Bewährung, weil das Gericht das so sieht, dass Alfred den Tod der Fliehenden halt belegend in Kauf genommen hat.
01:23:10
Die sagen halt, dadurch, dass im Garten die helle Beleuchtung an war, hätte er gut sehen können.
01:23:16
Und der Alfred, der war auch Schütze und der hätte eigentlich besser zielen müssen, hätte nicht unbedingt auf den Oberkörper zielen müssen.
01:23:23
Vor allem, weil diese Schüsse gar nicht mehr erforderlich waren.
01:23:27
Also die Täter, die sind in dem Moment geflohen, die wollten den nicht nochmal angreifen und deswegen gab es auch keinen gegenwärtigen Angriff mehr.
01:23:34
Und er hatte das auch nicht zu befürchten.
01:23:36
Also Alfred schoss quasi in dem Moment, weil er dachte, einen Schuss gehört zu haben und dann Angst um sein Leben hatte und den Tätern signalisieren wollte, nicht wiederzukommen.
01:23:47
Und damit seien halt eben die Grenzen von der Notwehr überschritten.
01:23:50
Das Verrückte an diesem Fall ist, dass selbst die Staatsanwaltschaft in Revision gegangen ist, weil Alfred verurteilt wurde.
01:23:58
Das wollte nämlich nicht mal die Staatsanwaltschaft, weil die hat gesagt, ja, aber grundsätzlich darf man doch das Hausrecht auch mit scharfen Mitteln verteidigen und auch einen rechtswidrigen Angriff auf sein Eigentum abwehren.
01:24:11
Zur Not nämlich auch mit tödlicher Gewalt.
01:24:13
Und das war jetzt so ein bisschen hier die Krux an der Sache.
01:24:16
Denn die Täter, die sind ja ins obere Stockwerk gegangen und haben Sachen mitgenommen.
01:24:21
Das heißt, Alfred hätte theoretisch sie auch davon abhalten dürfen, mit der Beute zu fliehen.
01:24:26
Denn die hatten Schmuck dabei und Geld, was sie noch erbeuten konnten.
01:24:29
Das Problem ist nur, das hat Alfred nicht gewusst, weil er nicht gesehen hat, wie die die Sachen eingesteckt haben.
01:24:36
Und er hat auch bei der Vernehmung vor der Polizei angegeben, dass er geschossen hat, damit sie nicht zurückkommen.
01:24:42
Und nicht, weil er sein Eigentum sichern wollte.
01:24:44
Und weil die Täter Alfreds Grundstück auch ohne die Schüsse verlassen hätten, steht seine Verteidigung quasi im groben Missverhältnis zu der Rechtsverletzung, die von den Jugendlichen da in dem Moment ausging.
01:24:57
Also hätte er vielleicht direkt einen pfiffigen Anwalt oder eine pfiffige Anwältin gehabt, die ihm geraten hätte, zu sagen, dass er eben sein Eigentum verteidigen wollte, dann wäre das also möglicherweise anders ausgegangen.
01:25:12
Und falls du dich erinnerst, wir hatten diese Diskussion schon mal, da ging es nämlich darum, ob wir was sagen würden vor der Polizei, wenn wir eines Verbrechens beschuldigt werden.
01:25:22
Und da hattest du gesagt, du würdest auf jeden Fall aussagen wollen, ja eben um deine Unschuld zu beweisen.
01:25:27
Und ich habe dann diesen Fall angeführt, dass es auch, wenn man sich wirklich im Recht sieht, besser ist, nichts zu sagen, bevor man nicht rechtlichen Beistand hat.
01:25:36
Weil erfahrene RechtsanwältInnen, so wie wir das bei schäbig und scheußlich sind, die hätten das natürlich gewusst.
01:25:45
Der Alfred hätte sich nicht selber belastet, dann hätte er sagen können, ich habe gesehen, dass die da Beute dabei gehabt hätten.
01:25:50
Und dann wäre er wahrscheinlich auch nicht verurteilt worden.
01:25:52
Und ich gehe jetzt mal davon aus, dass in dem Fall von Martina auch nichts gesagt wurde und sie einen pfiffigen Anwalt hatte.
01:26:00
Das weiß ich nicht.
01:26:02
Also das weiß ich wirklich nicht, ob das so war.
01:26:06
Ja, aber wie wir sehen, es geht immer um die Verhältnismäßigkeit.
01:26:10
Wenn so ein krasses Missverhältnis zwischen der Verteidigung und dem angegriffenen Rechtsgut besteht, dann kann man sich eben nicht auf sein Notwehrrecht berufen.
01:26:19
Das ist auch dann der Fall, wenn der alte Opa sieht, wie ein kleiner Junge auf sein Grundstück kommt und einen Apfel von seinem Baum klauen will.
01:26:27
Und der Opa dann daraufhin mit einer Schrotflinte auf das Kind schießt.
01:26:31
Auch wenn das die einzige Möglichkeit für diesen Opa ist, in dem Moment seinen Apfelbaum zu verteidigen, ist hier das Notwehrrecht ausgeschlossen.
01:26:39
Weil es natürlich null im Verhältnis steht, für einen Apfel ein Kind zu töten.
01:26:45
Genau, aber es gibt auch ein eingeschränktes Notwehrrecht.
01:26:47
Und das gilt zum Beispiel, wenn ich Laura jetzt absichtlich provoziere.
01:26:52
Und zwar, indem ich ihr den ganzen Tag immer wieder laut ins Ohr schmatze.
01:26:57
Wie ich das zum Beispiel einmal bei meinem ehemaligen Chef gemacht habe.
01:27:01
Liebe Grüße an Jürgen, der in seinem Leben kein schlimmeres Geräusch definiert hatte, als wenn jemand von einem knackigen Apfel abbeißt.
01:27:11
Und er stand einmal am Fenster, also mit dem Rücken zu mir.
01:27:16
Also ich kam aus dem Hinterhalt.
01:27:19
Ich habe quasi heimtückisch diese Tat begangen und mich noch auf den Hocker gestellt, damit ich dicht am Ohr dieses Zwei-Meter-Mannes bin.
01:27:28
Und habe in diesen Apfel gewissen.
01:27:31
Also Apfel-Abbeiß-Geräusch finde ich auch wirklich grässlich.
01:27:36
Was aber für mich noch viel schlimmer ist, sind so Geräusche, die entstehen, wenn jemand mit dem Messer und der Gabel auf dem Teller so Quietschgeräusche macht.
01:27:47
Ja, finde ich auch. Finde ich auch furchtbar.
01:27:50
Aber viel schlimmer bei mir ist noch Kugelschreiber klicken.
01:27:55
Wenn Leute das so permanent machen in der Bahn oder der Chef in der Redaktionskonferenz. Furchtbar.
01:28:01
Das macht einen ganz nervös.
01:28:02
Oder Leute, die was lecker finden und dann so machen. Ekelhaft. Und auch ganz oben bei mir auf der Liste.
01:28:11
Wenn jemand findet, aber da geht es nicht wirklich ums Geräusch, aber es ist so ein Zusammenspiel.
01:28:16
Wenn jemand findet, dass ich was gemacht habe, was die nicht gut finden oder so. Oder man mir sagen möchte, dass ich unartig war. Dann so...
01:28:27
Oh Gott, das hasse ich auch so sehr. Das ist so schlimm.
01:28:32
Das hasse ich auch.
01:28:36
Oder, zu guter Letzt, dein Schlucken.
01:28:40
Wenn du was trinkst, wenn wir gerade eine Aufnahme machen oder telefonieren.
01:28:44
Ich weiß gar nicht, was du meinst.
01:28:52
Aber ich muss zugeben, offenbar schluck ich lauter als andere Menschen. Weil ich habe das nicht nur von dir bisher gehört, diese Beschwerde.
01:29:02
Aber I need to stay hydrated.
01:29:05
Deswegen werde ich das weiter so machen müssen.
01:29:08
Ey, und mir hast du immer das Gefühl gegeben, dass ich unmöglich bin, weil es mich nervt, wenn du trinkst.
01:29:14
Naja, egal. Also der Punkt ist, wenn mein ehemaliger Chef Jürgen jetzt nicht ein Mann gewesen wäre, der sich bei so einer Sache dann einfach umdreht, wie mit dem Apfel und mich dann hasst und dann halt einfach nur drei Wochen nicht mit mir spricht,
01:29:32
sondern stattdessen ausgerastet wäre und ich das auch gewusst hätte, weil das hätte ich ja erahnen können, nachdem er das mehrmals gesagt hat,
01:29:39
dann hätte ich mich auch nicht im vollen Maße verteidigen dürfen, weil ich ja schon provoziert habe.
01:29:44
Also ich müsste dann dieses Drei-Stufen-Modell anwenden, heißt, ich hätte seinem Angriff erst ausweichen müssen oder es zumindest probieren müssen.
01:29:52
Und wenn er dann immer noch nicht aufgehört hätte, dann hätte ich seinen Angriff defensiv abwehren dürfen.
01:29:59
Und wenn auch das nichts gebracht hätte, weil er mich weiter verletzt hätte, dann hätte ich ihm vielleicht auch irgendwann mal eine geben dürfen.
01:30:06
Ja, finde ich dann auch fair, weil du dann ja schließlich damit angefangen hast.
01:30:13
Aber diese Regel gilt zum Beispiel auch, wenn man von Kindern oder Volltrunkenen angegriffen wird.
01:30:19
Also auch dann ist das Notwehrrecht eingeschränkt, weil diese Menschen ja einfach nicht wissen, was sie tun und man darauf dann Rücksicht nehmen muss.
01:30:26
Auch wenn mich mein Mann angreift und zwar, weil wir eine besonders enge persönliche Beziehung haben.
01:30:32
In solchen Konstellationen geht die Rechtsprechung nämlich davon aus, dass auch hier eine Verpflichtung zur Rücksichtnahme besteht.
01:30:37
Also heißt, wenn mein Mann zu Hause auf mich losgeht, weil er sauer ist, weil sein Fußballclub verloren hat,
01:30:43
dann ist es nicht geboten, mich beispielsweise mit einem Messer zu verteidigen.
01:30:48
Also ich sollte auch hier erst versuchen, auszuweichen, mich zu schützen und so weiter.
01:30:52
Ach so, weiß ich nicht.
01:30:54
Ja, aber ich glaube, das gilt mittlerweile wahrscheinlich auch zwischen uns, weil wir so eine besonders enge persönliche Beziehung haben,
01:31:01
weshalb wir aufpassen müssen, was die tätlichen Angriffe angeht.
01:31:07
Also ich finde es erstmal gut, wenn du dich nicht mit einem Messer verteidigen darfst, wenn ich auf dich losgehe.
01:31:12
Weil, warte, was ärgert mich bei dir ganz besonders immer?
01:31:15
Wenn du deine Termine in unseren gemeinsamen Kalender einträgst, dann finde ich es gut, wenn ich einfach auf dich losgehen darf.
01:31:23
Aber wie wir sehen, es ist nicht so einfach, wie es sich vielleicht anhört mit dem Notwehrrecht.
01:31:28
Also Gewalt mit Gewalt begegnen ist erlaubt, aber halt nur unter bestimmten Umständen.
01:31:33
Es kommt immer auf die Beziehung der Beteiligten an, auf das Verhalten vor der Tat und auch auf die Beteiligten selber und ihren Zustand.
01:31:42
Genau, also das ist individuell und es kann auch sein, dass ähnliche Fälle von verschiedenen RichterInnen dann unterschiedlich eingeschätzt und bewertet werden.
01:31:50
Und das kann bei Notwehr dann halt schon große Unterschiede machen, weil wir ja jetzt wissen, wenn man sich in Notwehr verteidigt, dann kommt man ungestraft davon.
01:32:00
Womit ihr nicht ungestraft davon kommt, ist, wenn ihr es verweigert, uns auf TikTok zu folgen.
01:32:05
Da sind wir jetzt nämlich seit Neuestem.
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Paulina ist nämlich nicht nur die Queen of Übergänge, wie ihr gerade gemerkt habt, sondern jetzt auch noch Queen of zumindest unserem TikTok-Account.
01:32:17
Weil da finde ich ja noch nicht statt.
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Aber das Video, was Paulina zu dem Fall der zwölfjährigen Luise hochgeladen hat, das hat richtig performt.
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Genau, da ging es um eine Schülerin, die von ihren Mitschülerinnen getötet wurde, die zwölf und dreizehn Jahre alt waren.
01:32:34
Und da haben wir dann erklärt, was jetzt mit den Mädchen passieren kann, weil sie ja strafunmündig sind.
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Das war tatsächlich irre, weil das ist so ein bisschen viral gegangen über Nacht.
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Ich hatte das auch vergessen, am nächsten Tag dann wieder rauf geguckt.
01:32:44
Und wir planen natürlich mehr solcher Videos.
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Laura muss sich da jetzt nur auch einmal in diesen Account einloggen.
01:32:51
Denn ich sage es dir, wie es ist.
01:32:53
Das ist ja unser gemeinsamer Account.
01:32:56
Und ich verunstalte gerade den Algorithmus, weil jetzt aktuell in unserem Feed sind nur Videos von Nachrichtensendern.
01:33:03
Dann gibt es Bungee Fitness, was ich da neu für mich entdeckt habe.
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Also wo Leute an so einem Seil hängen in einem Fitnessraum und dann so hüpfen und so Tanzchureos machen.
01:33:16
Aber das sieht anstrengend aus, nach einem Workout halt einfach.
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Und dann ist es noch ein Mix aus Leuten, die an der Kasse bei Aldi sitzen und immer zu demselben Song Lip Sync machen,
01:33:26
weil eine Kassiererin namens Elaine dadurch mal ein TikTok-Star geworden ist.
01:33:31
Okay, interessante Auswahl.
01:33:34
Ich werde mich jetzt gleich einhacken in den Account und werde versuchen, uns wieder zurück auf den True-Crime-Zug zu bringen.
01:33:42
Dass wir auch da informiert werden.
01:33:44
Ja, damit es wieder ein bisschen gehaltvoller wird.
01:33:47
Schaut da einfach mal bei uns vorbei.
01:33:48
Der Kanal heißt Mordlust und wir freuen uns, wenn ihr uns da abonniert, weil natürlich geplant ist, dass da auch in Zukunft einiges passieren wird auf dem Kanal.
01:33:57
Und wir hören uns in zwei Wochen.
01:34:00
Das war ein Podcast der Partner in Crime.
01:34:08
Hosts und Produktion Paulina Kraser und Laura Fohlers.
01:34:12
Redaktion Magdalena Höcherl und wir.
01:34:14
Schnitt Pauline Korb.