00:00:00
Wir haben was für euch. Neun Merch ab heute.
00:00:13
Und zwar passend für den Sommer haben wir Sweater in blau, Partner in Crime T-Shirts in Sommerfarben, weiß mit blau und gelb mit weiß.
00:00:22
Dann gibt es auch wieder unsere nicht despektierlich gemeinten Shirts in schwarz und weiß und diesen grauen Hoodie.
00:00:29
Mit nicht despektierlich gemeint auf dem Rücken stehend.
00:00:32
Und ganz neu auch, wir haben jetzt Socken, die ziemlich bequem sind, denn ich trage sie gerade.
00:00:38
Und all diese Sachen, die könnt ihr ab heute vorbestellen, aber nur bis diesen Sonntag, den 14. Mai 2023 um 23.59 Uhr auf shop.partnerandcrime.de.
00:00:51
Den Link, den haben wir auch in der Folgenbeschreibung.
00:00:53
Wenn ihr was bestellen wollt, dann tut es am besten bald.
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Wir wissen von den letzten Malen, dass man das dann vergisst, wenn man ein paar Tage Zeit hat.
00:01:00
Und dann ist das Drama wieder groß.
00:01:02
Und wir können euch nicht alle in den Arm nehmen, um euch zu trösten.
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Und wir können auch nicht garantieren, dass es diese Produkte beim nächsten Job noch gibt.
00:01:12
Und die Socken sind tatsächlich auch limitiert.
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Also es spricht viel dafür, einfach jetzt auf shop.partnerandcrime.de zu gehen und vorzubestellen.
00:01:21
Und dann wäre da noch eine Sache, bei der wir eure Hilfe bräuchten.
00:01:26
Paulina hat mich nämlich dazu überredet, Mordlust doch noch einmal beim Deutschen Podcastpreis anzumelden.
00:01:33
Obwohl das beim letzten Mal nicht so eine angenehme Erfahrung war, wie wir euch ja schon mal im Podcast erzählt haben.
00:01:40
Genau, also das hat jetzt ein bisschen Überredungsarbeit gekostet, Laura noch mal dazu bewegen, dass wir uns da noch mal bewerben.
00:01:46
Weil beim letzten Mal, als wir es getan haben, also vor zwei oder drei Jahren, da waren wir die Einzigen, die während der Corona-Zeit dann auch wirklich vor dem Bildschirm saßen.
00:01:55
Außer die Johnsons, die waren auch noch anwesend, alle anderen haben sich vertreten lassen bei der Preisverleihung vom Publikumspreis.
00:02:02
Wir haben danach, also vor allem du, im Podcast schön abgehatet, übergemischtes Hack, Baywatch Berlin und die Pochers sowieso.
00:02:13
Ja, das war halt irgendwie nicht so nett für die Fans, da dann einfach nicht aufzutauchen und mal kurz die Laptop-Kamera einzuschalten.
00:02:20
Haben wir uns richtig Freunde mitgemacht auch.
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So unüberlegt nach oben zu treten.
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Naja, das haben uns alle verziehen und jetzt möchten wir eben einen neuen Versuch starten.
00:02:32
Und deswegen könnt ihr jetzt für uns abstimmen bei dem Publikumspreis.
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Und zwar sind wir da in der Kategorie Wissen.
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Und wir würden uns wirklich sehr, sehr, sehr, sehr freuen, wenn ihr für uns abstimmen würdet unter deutscher-podcastpreis.de.
00:02:46
Den Link dazu würden wir euch auch noch mal in die Shownotes packen.
00:02:49
Und wenn wir diesen Preis gewinnen, ich weiß zwar nicht, ist es ein actual Preis, den man bekommt, den würde ich dann auch dir, Paulina, widmen.
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Und den dürftest du bei dir ganz prominent in der Wohnung aufstellen.
00:03:03
Und du würdest mir unseren Preis widmen.
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Das finde ich ja toll.
00:03:10
Und damit herzlich willkommen zu Mordlust, einem noch nicht preisgekrönten Podcast der Partner in Crime.
00:03:17
Mein Name ist Paulina Graser.
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Und ich bin Laura Wohlers.
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In jeder Folge gibt es normalerweise ein Oberthema, zu dem wir zwei wahre Kriminalfälle nacherzählen, über die diskutieren und auch mit Menschen mit Expertise sprechen.
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Hier geht es um True Crime, also auch um Schicksale von Menschen.
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Bitte behaltet das immer im Hinterkopf.
00:03:34
Das machen wir auch.
00:03:35
Auch dann, wenn wir zwischendurch mal etwas ungehemmter kommentieren.
00:03:38
Das ist für uns eine Art Comic Relief, aber natürlich nicht despektierlich gemeint.
00:03:42
Die Leute, die hier immer wieder einschalten und sich den Podcast immer wieder anhören, die wissen, dass wir schon seit fast von Beginn an immer ein Oberthema haben.
00:03:51
Und wenn man etwas sehr, sehr lange macht, dann hat man auch mal Lust auf was Neues.
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Und wir möchten jetzt mal was Neues ausprobieren.
00:03:59
Und zwar brechen wir jetzt unser Konzept ein bisschen auf.
00:04:02
Und zwar haben wir uns gedacht, dass wir jetzt mal jede einen Fall erzählt, unabhängig voneinander, in zwei unterschiedlichen Wochen.
00:04:11
So, dass jetzt quasi diese Woche ein Fall von der Laura kommt und nächste Woche ein Fall von mir.
00:04:16
Wir wollen das jetzt einfach mal zwei Wochen probeweise ausprobieren, weil wir damals schon bei der Costa Concordia-Folge gemerkt haben,
00:04:22
dass es einfach Fälle gibt, bei denen es sich lohnt, ein bisschen mehr darüber zu erzählen, als wir das normalerweise machen.
00:04:28
Es wird aber dann heute jetzt nicht so sein, dass nur ich zu hören bin, auch wenn ich die Geschichte erzähle.
00:04:33
Paulina wird auch immer wieder Hintergrundwissen einführen oder Sachen erzählen, die irgendwie zu diesem Fall passen.
00:04:40
Was so ein bisschen vielleicht an die Ahas erinnert.
00:04:43
Und wie gesagt, das ist jetzt erstmal nur ein Probelauf.
00:04:45
Wir wollen erstmal gucken, wie sich das damit anfühlt.
00:04:47
Wir wissen, Änderung tut manchen Leuten erstmal weh, aber nehmt als Trostpflaster zwei Folgen Mordlust hintereinander.
00:04:57
Also es gibt dann keine Off-Woche diesmal.
00:05:04
Und weil ich mich für diese Folge jetzt ja an kein Oberthema halten musste, konnte ich einen Fall auswählen, den ich schon ganz lange mal erzählen wollte, der aber irgendwie nie so richtig in ein Oberthema reingepasst hat bei Mordlust und der mich jetzt bei der Recherche auch nochmal so richtig mitgenommen hat.
00:05:23
Am Morgen, also am 11. Mai, einen Tag nach der Veröffentlichung dieser Folge, jährt sich nämlich ein wirklich abscheuliches Verbrechen aus Sachsen-Anhalt zum siebten Mal.
00:05:31
Und in dem Fall, den ich euch jetzt erzähle, geht es um Fehler in der Polizeiarbeit, eine zweifelhafte Mutter-Sohn-Bindung und um eine Beziehung, die nicht nur für die Beteiligten toxisch ist, sondern auch für die Menschen in ihrem Umfeld lebensgefährlich wird.
00:05:46
Es ist ein lauer Mittwochabend im Mai 2016, als Yang Ji mit vollgepacktem Einkaufskorb die Türschwelle ihrer WG übertritt.
00:06:02
Tagsüber hat die Sonne satt vom Himmel gestrahlt, deshalb herrschen jetzt um 9 Uhr abends trotzdem noch angenehme Temperaturen draußen.
00:06:10
Für die Studentin die perfekte Zeit, um Joggen zu gehen.
00:06:13
Also lässt Yang Ji den Einkaufskorb auf ihrem Schreibtisch stehen, ohne ihn auszupacken und macht sich bereit.
00:06:19
Die 25-Jährige streift sich ein weißes Top über, schlüpft in schwarze Sport-Leggings und Jogging-Schuhe und schnappt sich ihr Handy samt Kopfhörer.
00:06:27
Während sie die Stufen im Treppenhaus hinunter geht, wippt ihr langer, dunkler Pferdeschwanz im Takt und als sie aus dem gelb angestrichenen Haus mit den prunkvoll verzierten Fenstern aufs Kopfsteinpflaster tritt, leuchten die Reflektoren an ihrer Leggings in der Dämmerung.
00:06:40
Yang Ji ist gut auf ihre Laufrunde vorbereitet, doch für das Martyrium, das die Studentin erwartet, ist sie nicht gewappnet.
00:06:48
Die zierliche Yang Ji geht gerne laufen.
00:06:51
Hier in Dessau schnürt sie beinahe jeden Abend ihre Turnschuhe für ihre übliche Runde.
00:06:56
Von ihrer WG aus die Straße runter, an einem Antiquitätenladen, einer Kirche und einem Buchladen vorbei.
00:07:01
Dann muss sie kurz an der Hauptverkehrsstraße entlanglaufen, bis sie am Stadtpark ankommt.
00:07:06
Hier wird die Umgebung nicht nur grüner, Yang Ji passiert auch ein großes gläsernes Gebäude, das Bauhausmuseum.
00:07:12
Dort werden die Möbelstücke und Ideen von berühmten ArchitektInnen ausgestellt, die sich der weltbekannten Kunstschule verschrieben haben.
00:07:19
Hier in Dessau wurde einst die Hochschule des Architekten Walter Gruppius gegründet.
00:07:24
Seitdem ist die Stadt für den minimalistischen Bauhausstil bekannt und die Lehren werden auch heute noch an die Studierenden weitergegeben.
00:07:31
Yang Ji ist eine von ihnen. Für ihren Masterabschluss in Architektur ist sie vor zwei Jahren von der chinesischen Provinz Henan im Osten des Landes nach Sachsen-Anhalt gezogen.
00:07:40
Etwa 600 junge Menschen aus China tun es Yang Ji jedes Jahr gleich und kommen hierher.
00:07:46
Inzwischen hat sich eine richtige kleine Community entwickelt, in der Yang Ji viele FreundInnen gefunden hat.
00:07:52
Mit einigen von ihnen wohnt sie in ihrer WG in dem gelben Altbauhaus zusammen.
00:07:55
Zwar ist die Studentin oft schüchtern und zurückhaltend, wenn sie Fremden begegnet, wenn sie sich aber einmal wohlfühlt, blüht sie auf und kann gar nicht mehr aufhören zu plappern.
00:08:04
Und Yang Ji ist talentiert. An ihrer chinesischen Hochschule ist sie eine von wenigen, die von einem deutschen Professor persönlich ausgewählt wurden, um an der bekannten Bauhausuni zu studieren.
00:08:15
In den vergangenen Semestern ist die junge Frau zu einer der besten Studentinnen ihres Jahrgangs geworden. Und bald schon hat sie es geschafft.
00:08:21
In wenigen Monaten steht ihr Masterabschluss bevor. Yang Ji kann dann als Architektin zu ihren Eltern nach Henan zurückkehren.
00:08:28
Die junge Frau weiß, dass es ihrem Vater Yong und ihrer Mutter Mai nicht leicht gefallen ist, sie nach Deutschland gehen zu lassen.
00:08:35
Besonders, weil sie ihr einziges Kind ist und das Geld knapp.
00:08:38
Doch die beiden haben sie und ihre Träume schon immer unterstützt.
00:08:42
Zum Dank will sie ihnen irgendwann ein selbstentworfenes Traumhaus bauen.
00:08:46
Dafür sitzt sie sogar schon fleißig an den Entwürfen.
00:08:48
Bevor es aber soweit ist, freut sich Yang Ji einfach darauf, sie wiederzusehen und bald wieder gemeinsam mit ihrem Vater joggen zu gehen.
00:08:55
Zu Hause in Henan ist das nämlich ihr gemeinsames Hobby.
00:08:58
Meist laufen sie spätabends los, sodass die Sonne nicht auf ihre helle Haut prallt.
00:09:03
Eine Gewohnheit, die Yang Ji auch in Deutschland beibehalten hat.
00:09:06
Für heute hat sie ihre Joggingrunde schon fast beendet.
00:09:10
Es ist etwa halb zehn, als Yang Ji in ihre Straße einbiegt und erneut an dem Antiquitätengeschäft vorbeikommt, das sie schon auf dem Hinweg passiert hat.
00:09:18
Sie ist nur noch drei Häuser von ihrem Zuhause entfernt, als sich ihr eine fremde Frau in den Weg stellt.
00:09:23
Sie ist etwas kleiner als Yang Ji, wirkt ein paar Jahre jünger und hat ein rundes Gesicht, das von rotblonden Haaren umrahmt wird.
00:09:32
Sie bedeutet, Yang Ji anzuhalten.
00:09:34
Die wird langsamer und kommt schließlich zum Stehen.
00:09:36
Vielleicht braucht die fremde Hilfe.
00:09:38
Und tatsächlich gestikuliert sie wild und zeigt immer wieder auf das Haus, in dessen Erdgeschoss sich der Antiquitätenladen befindet.
00:09:45
Yang Ji spricht fast kein Deutsch und kann sich deshalb nur schlecht mit der Frau verständigen.
00:09:49
Trotzdem glaubt sie zu verstehen, was diese von ihr will.
00:09:53
Sie soll mit ins Haus kommen und helfen, Kisten ins obere Stockwerk zu tragen.
00:09:57
Yang Ji schaut sich mit ihren mandelförmigen, dunkelbraunen Augen verunsichert um.
00:10:02
Es ist schon dunkel und eigentlich will sie lieber sofort nach Hause.
00:10:06
Aus Höflichkeit folgt sie der Frau dann aber trotzdem in Richtung Hauseingang.
00:10:10
Als die Sonne am nächsten Morgen aufgeht, fangen Yang Jis MitbewohnerInnen an, sich Sorgen zu machen.
00:10:16
Yang Ji hat keinen Freund, bei dem sie übernachtet haben könnte.
00:10:20
Ihr Einkaufskorb steht noch immer unberührt auf ihrem Schreibtisch und überhaupt, es sieht ihr gar nicht ähnlich, nachts nicht nach Hause zu kommen.
00:10:26
Es ist etwa halb zwölf, als eine Freundin von Yang Ji an der Bürotür von Luana Chen klopft.
00:10:32
Teacher Chen, wie sie von den Studierenden genannt wird, kommt selbst aus China und ist an der Hochschule als Kontaktperson für die chinesischen Studierenden tätig.
00:10:40
Auch jetzt ist sie die erste Anlaufstelle, an die sich Yang Jis Freundin wendet, um ihr zu sagen, dass diese in der Nacht nicht nach Hause gekommen ist.
00:10:48
Also wir wissen ja jetzt aus anderen Fällen, wie wichtig es ist, relativ schnell zu reagieren, wenn jemand verschwindet.
00:10:54
Und bei einer Person, die sonst nie, nicht nach Hause kommt oder auch immer Bescheid sagt, wenn sie sich verspätet oder so,
00:11:02
denke ich mir natürlich jetzt hier, wieso gehen die nicht direkt zur Polizei, um sich Hilfe zu holen.
00:11:10
Weil natürlich bei so einem Vermisstenfall es um jede Sekunde geht, die vergeht.
00:11:15
Und wenn man eben erst jetzt nochmal zu einer Vertrauenslehrerin geht, dann verspätet sich das natürlich alles, bis es dann endlich mal bei der Polizei ankommt.
00:11:24
Das stimmt allerdings in einem fremden Land, in dem man die Sprache nicht spricht, kann ich auch verstehen, dass man sich an jemanden wendet, der die Sprache spricht und da einfach dann vielleicht auch bei der Polizei unterstützend zur Seite stehen kann.
00:11:37
Ja, und es ist dann aber leider auch nicht so, dass die Luana jetzt direkt die Polizei anruft, sondern die meldet sich erstmal bei ihrem Mann.
00:11:43
Und er ist der Professor, der Yang Ji fürs Studium nach Dessau geholt hat.
00:11:48
Aber er ist dann schon so geistesgegenwärtig, dass er sofort reagiert, weil als der hört, dass Yang Ji von ihrer Joggingrunde im Stadtpark nicht zurückgekehrt ist, glaubt er schon an das Schlimmste.
00:12:00
Und das hängt mit einem ganz anderen Fall zusammen und zwar mit dem Mord an Alberto Adriano.
00:12:06
Der wurde nämlich genau da, also im Dessauer Stadtpark, getötet, als er im Juni 2000 nachts auf dem Heimweg von Freundinnen war.
00:12:14
Drei junge Männer hatten ihn damals erstmal beleidigt und sind dann auf ihn los.
00:12:18
Also die haben ihm die Kleidung vom Leib gerissen und dann ganz lange auf ihn eingeprügelt, bis die Polizei kam.
00:12:24
Für den 39-jährigen Adriano aus Mosambik war das dann halt leider schon zu spät.
00:12:29
Also er war dann so stark verletzt, dass er drei Tage später im Krankenhaus auch starb.
00:12:33
Und im Prozess gegen die drei Männer wurde dann auch recht schnell klar, warum Alberto sterben musste.
00:12:38
Und zwar hatte einer der Täter vor Gericht erklärt, weil ich ihn hasse, weil er schwarz ist.
00:12:44
Und der einzige von den drei Männern, der volljährig war, wurde dann auch wegen Mordes aus niedrigen Beweggründen zu einer lebenslangen Haftstrafe verurteilt.
00:12:52
Und die anderen beiden waren aber zum Tatzeitpunkt minderjährig und haben deswegen eine Strafe nach Jugendstrafrecht von jeweils neun Jahren bekommen.
00:13:00
Und an Alberto erinnert heute noch eine steinerne Säule im Dessauer Stadtpark, in die Blumen und die Worte Alberto Adriano Opfer rechter Gewalt eingraviert wurden.
00:13:09
Und eben zu Ehren wurde auch ein Rap-Song, der heißt Adriano, letzte Warnung, geschrieben.
00:13:15
Da haben 14 deutsche Rapper mit Migrationshintergrund mitgewirkt, um ein Zeichen gegen Rassismus zu setzen.
00:13:30
Darunter war zum Beispiel Selmy Deluxe, aber auch Xavier Naidoo.
00:13:35
Und letzterer hat sich dann, Überraschung, im Jahr 2020 in einem Interview mit dem rechtspopulistischen Magazin Kompakt von dem Song distanziert.
00:13:45
Er sagt da zum Beispiel, dass es Passagen in dem Song gibt, die ihm heute gar nicht mehr passen,
00:13:51
weil es laut Europol ja auch keine rechte Gewalt in Deutschland mehr geben würde.
00:13:56
Damit bezieht er sich aber offenbar auf eine Aussage vom AfD-Politiker Nikolaus Fest, der das einfach so gesagt hat.
00:14:04
Und dass das natürlich nicht so ist, wurde bereits von dem ARD-Faktenfinder widerlegt.
00:14:09
Und was Naidoo auch in diesem Interview sagt, ist, dass er sich damals von der Situation, also in Bezug auf diesen Song,
00:14:17
gewaltig gefühlt hat, weil man ihn instrumentalisiert habe, da mitzumachen.
00:14:22
Also, auch wenn es heute keine rechte Gewalt mehr geben würde, was ja nicht so ist,
00:14:27
wusste Xavier Naidoo ja aber damals, dass Alberto Adriano aus rechten Motiven getötet wurde.
00:14:33
Also, hätte der da jetzt im Nachhinein lieber kein Zeichen gegen rechte Gewalt gesetzt, oder wie?
00:14:39
Ja, und es ist natürlich auch traurig zu hören, weil Xavier Naidoo war halt damals natürlich ein großer Künstlerer,
00:14:48
und viele Leute, die sehr bewegt waren von diesen Verbrechen, die haben sich dann natürlich auch gefreut,
00:14:53
wenn sich eine prominente Stimme dagegen erhebt und dann Jahre später sowas darüber zu sagen, ist natürlich übel.
00:15:00
Ja, aber vor allem für die Angehörigen und Freundinnen von Alberto.
00:15:05
Also, was soll das?
00:15:07
Naja, also wir wissen alle, dass es noch rechte Gewalt gibt und dass es noch verbreitet ist.
00:15:13
Genauso wie der Professor Robert, der sofort die Polizei ruft, als er eben von seiner Frau hört,
00:15:19
dass eine der chinesischen Studentinnen aus dem Stadtpark nicht nach Hause gekommen ist.
00:15:23
Und so beginnt eine Stunde später in der Innenstadt eine Großfahndung nach Yangjili.
00:15:28
Rund um den Stadtpark und Yangjis WG werden ZeugInnen befragt,
00:15:32
Hinterhöfe und Keller abgesucht,
00:15:34
auch Hubschrauber und Wärmebildkameras kommen zum Einsatz.
00:15:37
Doch die Bemühungen sind vergeblich.
00:15:39
Obwohl sie wahrscheinlich mitten in der Stadt verschwunden ist,
00:15:42
scheint Yangjili vom Erdboden verschluckt zu sein.
00:15:45
Genau wie ihr Handy.
00:15:47
Immer wieder versuchen die PolizistInnen, es zu orten.
00:15:51
Bis es plötzlich ein Signal von sich gibt.
00:15:53
Etwa 24 Stunden, nachdem Yangjili zum Laufen aufgebrochen ist,
00:15:57
lockt sich ihr Mobiltelefon für kurze Zeit in einem Funkmast nahe ihrer WG ein.
00:16:02
Ein Hoffnungsschimmer.
00:16:03
Vielleicht sogar ein Lebenszeichen.
00:16:05
Am nächsten Morgen, etwa 36 Stunden nach ihrem Verschwinden, noch eins.
00:16:09
Wieder wird das Handy eingeschaltet.
00:16:11
Ein Beamter wählt die Nummer der Vermissten.
00:16:14
Lange Zeit hört er nur das Freizeichen.
00:16:16
Dann knackt die Leitung.
00:16:17
Der Anruf wird entgegengenommen.
00:16:19
Eine Männerstimme meldet sich.
00:16:21
Wer ist da, fragt der Polizist.
00:16:23
Dann legt der Mann auf.
00:16:25
Vier Minuten später wird das Handy wieder ausgeschaltet.
00:16:28
Während die Leitung zu Yangjili tot ist,
00:16:31
stehen ihre Eltern in engem Telefonkontakt mit Luana und Robert von Yangjili's Hochschule.
00:16:36
Vater Yong und Mutter Mai sind natürlich voller Sorge um ihr einziges Kind.
00:16:40
Am schlimmsten ist für Vater Yong, dass er aus 7000 Kilometern Entfernung rein gar nichts tun kann,
00:16:45
um bei der Suche nach seiner Tochter zu helfen.
00:16:47
In Henan ist er ein hochrangiger Polizist.
00:16:51
Am liebsten würde er sich direkt in die Ermittlungen stürzen,
00:16:53
um alles daran zu setzen, sie so schnell wie möglich wiederzufinden.
00:16:58
Einen Tag lang harren Yong und Mai in einer Art Schockstarre aus.
00:17:01
24 Stunden vergehen, in denen sie auf den erlösenden Anruf warten,
00:17:05
der ihnen die Angst nehmen und ihr Kind zurückbringen soll.
00:17:07
Doch als das Telefon schließlich wieder klingelt, wird alles um sie herum schwarz.
00:17:12
In Dessau wurde eine halbnackte Frauenleiche gefunden.
00:17:15
Die soll so schlimm zugerichtet sein,
00:17:17
dass eine Identifizierung anhand ihres Aussehens nicht möglich sei.
00:17:22
Der Fundort der Leiche legt aber die schlimmstmögliche Vermutung nahe.
00:17:26
Sie liegt im Hinterhof eines Wohnhauses,
00:17:27
das weniger als 100 Meter von Yangjis WG entfernt ist.
00:17:31
Eine kurze Weile ist es still in der Leitung.
00:17:34
Yong sagt nichts.
00:17:36
Er weiß, dass die Chancen, dass seine Tochter noch lebt, verschwindend gering sind.
00:17:40
Mai schreit im Hintergrund.
00:17:44
Ich hoffe es nicht.
00:17:45
Aber sie ist es.
00:17:48
Wenige Tage später wird die Mutmaßung von der Gerichtsmedizin bestätigt.
00:17:52
Die DNA-Analyse hat ergeben,
00:17:53
dass es sich bei der toten Frau ohne Zweifel um Yangji handelt.
00:17:56
Die Art und die Vielzahl ihrer Verletzungen deuten darauf hin,
00:18:00
dass die 25-Jährige langsam und vor allem qualvoll gestorben ist.
00:18:04
Nahezu keine Stelle ihres Körpers ist nicht von Blut unterlaufen.
00:18:08
Selbst in der Lunge hat es sich gesammelt.
00:18:10
Die Todesursache war letztendlich eine Lungenfettembolie
00:18:13
als Folge der massiven Gewalteinwirkungen gegen den gesamten Körper.
00:18:18
Fremde DNA und Spermaspuren an der Leiche weisen außerdem auf ein Sexualverbrechen hin.
00:18:23
Allerdings wurde nicht nur männliche DNA gefunden, sondern auch weibliche,
00:18:27
was darauf hindeuten könnte, dass mehr als nur eine Person an der Tat beteiligt war.
00:18:32
Während für Yong und Mai auf der anderen Seite des Globus die Welt zusammenbricht,
00:18:36
ist auch in Deutschland die Anteilnahme groß.
00:18:38
Studierende und Lehrkräfte an Yangjis Hochschule weinen, als sie die Nachricht erreicht.
00:18:43
Einige von ihnen organisieren einen Gedenklauf für Yangji.
00:18:46
150 Menschen treffen sich daraufhin im Stadtpark, um gemeinsam bis zur Hochschule zu joggen.
00:18:51
Es ist ein Weg, der sich ewig anfühlt und der von zahlreichen Tränen gesäumt wird.
00:18:56
Neben der Trauer herrscht bei vielen aber auch noch ein anderes Gefühl vor.
00:19:02
Die Polizei kann bisher nicht ausschließen, dass der Tod von Yangji einen rassistischen Hintergrund hat und dass die TäterInnen noch einmal zuschlagen könnten.
00:19:09
Die Sorge geht so weit, dass die chinesische Regierung ihre BürgerInnen in Ostdeutschland dazu auffordert,
00:19:15
besonders auf ihre Sicherheit zu achten und abends nicht das Haus zu verlassen.
00:19:20
Außerdem warnt das Land generell vor Reisen nach Sachsen-Anhalt.
00:19:23
Einige Studierende ziehen deshalb ihre Anmeldung für ein Studium an der renommierten Hochschule in Dessau zurück.
00:19:29
Also mit dieser Hintergrundgeschichte von Dessau kann man das natürlich irgendwie ein Stück weit nachvollziehen.
00:19:35
Allerdings finde ich, es ist auch ein bisschen Panikmache.
00:19:38
Die haben gar keinen Anhaltspunkt dafür, dass es so ist, außer ihre Nationalität.
00:19:43
Aber denn da generell eine Reisewarnung für Sachsen-Anhalt auszusprechen, finde ich ein bisschen seltsam,
00:19:50
weil es ja auch ein ganz bestimmtes Setting war.
00:19:53
Eine Frau, die abends alleine joggen war.
00:19:57
Ja, also dass das von der Regierung so ausgesprochen wird, das finde ich auch ein bisschen ungewöhnlich und vielleicht auch ein bisschen übertrieben.
00:20:05
Ich weiß aber nicht, wie ich selber reagieren würde.
00:20:09
Was ich jetzt über Yang Ji weiß, ist, dass sie ja eben nicht so viel Deutsch gesprochen hat
00:20:14
und jetzt auch eher in ihrer Community unterwegs war.
00:20:17
Also vor allem mit anderen chinesischen Studierenden.
00:20:20
Und wenn du da in einem Land bist, wo du dich vielleicht eben auch nicht so heimisch fühlst
00:20:26
und niemanden außer deine chinesischen Freundinnen kennst,
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könnte ich mir vorstellen, dass ich dann vielleicht auch erst mal abreisen würde
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und vielleicht ein paar Wochen später wieder kommen würde, wenn man weiß, was denn da eigentlich passiert ist.
00:20:40
Ja, also es ist natürlich generell ein Verbrechen, was erst mal tiefen Schock auslöst.
00:20:47
Yang Jis Eltern sind zumindest acht Tage nach dem Fund ihrer toten Tochter genau auf dem Weg dorthin, also nach Dessau.
00:20:56
Und es ist das erste Mal, dass Yong und Mai mit eigenen Augen sehen, wo ihr Kind gelebt und gelernt hat.
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Yang Ji selbst hat nicht mehr die Möglichkeit, ihnen zu zeigen, wo sie am liebsten Kaffee getrunken und Kuchen gegessen hat
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oder wo sie saß, als sie das Traumhaus für die beiden plante.
00:21:12
Anstelle von Yang Ji werden Yong und Mai von Luana und Robert in Empfang genommen.
00:21:15
Und einer der ersten Wege führt in Yang Jis WG-Zimmer.
00:21:19
Die Polizei hat ihre Spurensuche in der Wohnung bereits abgeschlossen und alle BewohnerInnen sind aus Angst vor der Nähe zum Tatort Hals über Kopf ausgezogen.
00:21:27
Nur Yang Jis Zimmer scheint, als würde sie gleich zurückkommen.
00:21:31
Der Einkaufskorb steht noch immer vollgepackt auf ihrem Schreibtisch.
00:21:34
Yong kann Süßkartoffeln, Ingwer, Bananen und Honig darin entdecken.
00:21:40
Da schlägt er mit der Hand auf den Tisch. Einmal, zweimal, dreimal. Seine Schläge werden immer lauter.
00:21:45
Und dann fängt er an zu weinen.
00:21:47
Der Schmerz in seiner Brust ist fast nicht auszuhalten.
00:21:50
Auch Mai schluchzt im Hintergrund.
00:21:53
Sie kann nicht untätig rumstehen und fängt an, das Zimmer aufzuräumen, als ihr plötzlich Yang Jis Tagebuch in die Hände fällt.
00:21:59
Yong und Mai lesen gemeinsam.
00:22:01
Yang Jis schreibt von einem Marathon, den sie bald zurück in China laufen möchte, und von Reisen, die sie zusammen mit ihren Eltern plant.
00:22:08
In den Zeilen erkennen die Eltern ihre tote Tochter wieder.
00:22:11
Ein wertvolles Stück Erinnerung.
00:22:13
Und noch mehr. Ein Beweisstück.
00:22:15
Vielleicht lässt sich darin ja ein Hinweis darauf finden, wer Yang Jis das angetan hat, denkt Yong.
00:22:21
Er wundert sich, warum die Polizei das Buch nicht beschlagnahmt hat und es immer noch hier rumliegt.
00:22:26
Der Polizist in ihm erwacht.
00:22:28
Auch als er gemeinsam mit Mai, Luana und Robert zum Fundort von Yang Jis geht, fängt er an zu ermitteln.
00:22:34
Yong glaubt, wer auch immer seiner Tochter das angetan hat, muss die Umgebung gekannt haben.
00:22:38
Yang Jis Körper wurde achtlos unter einem hohen, buschigen Nadelbaum in einem Hinterhof abgelegt,
00:22:43
in unmittelbarer Nähe eines Dixi-Klos an der Baustelle.
00:22:46
Der Täter hat sich keine große Mühe gegeben, die Leiche zu verstecken.
00:22:50
Er muss sich sicher gefühlt haben, kombiniert Yong.
00:22:54
Er läuft die Umgebung ab und sieht sich in der Nachbarschaft um, auf der Suche nach einer Spur.
00:22:59
Dabei ist es ja nicht Yong, der die Ermittlungen leitet, sondern eine Sonderkommission.
00:23:04
Gebildet wurde sie von Joachim Thürmer, dem Revierleiter in Dessau.
00:23:08
Thürmer ist seit vier Jahren Chef der Polizeidirektion und nie war der Druck auf die Ermittlungsarbeit so hoch wie jetzt.
00:23:15
Schließlich wurde eine junge Frau mitten in der Innenstadt von der Straße geholt, vergewaltigt und grausam misshandelt.
00:23:23
Und aufgrund dieser Brutalität gibt es in der Stadt halt jetzt auch kein anderes Thema mehr.
00:23:28
Und nicht nur in Dessau oder in ganz Deutschland, sondern auch in China berichten die Medien darüber.
00:23:34
Und alle wollen antworten.
00:23:36
Ich habe da neulich mit jemandem drüber gesprochen und die Person sagte zu mir,
00:23:57
Naja, wenn freiwillig DNA-Proben abgegeben werden, dann ist doch ganz klar, dass der Verdächtigenkreis sich ja nur zwischen denen befindet, die die DNA nicht abgeben würden.
00:24:07
Wie siehst du das?
00:24:09
Ja, also ich weiß auch nicht, was so eine freiwillige Abgabe, also ja, also der Täter oder die Täterin würde man jetzt nicht unbedingt unter den Freiwilligen vermuten.
00:24:21
Und ich habe mich ja auch gefragt, würde ich da eigentlich hingehen, wenn man das jetzt hier in der Stadt machen würde?
00:24:27
Und ich würde eigentlich sagen, nee. Also habe ich eigentlich keine Zeit für.
00:24:30
Hä? Was ist denn mit dir los?
00:24:34
Also, ja, das hört sich wirklich doof an, aber weiß ich nicht, ob ich es machen würde.
00:24:40
Also wenn die jetzt zu mir nach Hause kommen würden und ich stehe an der Tür und die sagen, machen Sie mal A,
00:24:46
dann würde ich natürlich nicht sagen, nee, B, aber extra hin und so, weiß ich jetzt nicht.
00:24:55
Das ist jetzt ein schlechtes Vorbild.
00:24:58
Geht ja nur darum, einen Täter zu finden oder eine Täterin, die eventuell nicht nur dir gefährlich werden könnte, sondern auch noch anderen wollten.
00:25:09
Aber ich weiß ja, dass ich es nicht war und die meine gar nicht brauchen.
00:25:13
Ich weiß, aber die Polizei weiß das nicht.
00:25:15
Und deswegen denke ich mir, eigentlich ist der Gedanke von diesem Freund gar nicht so verkehrt gewesen,
00:25:21
dass in der Regel sich ja eben nicht die zur freiwilligen Abgabe melden, die die Tat begangen haben.
00:25:28
Das ist mir zumindest kein Fall bekannt, wo dann zufällig auf einmal was aufploppte.
00:25:33
Plus ist es ja auch theoretisch möglich, bei einem Massengentest dann beispielsweise den Bruder des Täters zu erwischen.
00:25:40
Also wenn der jetzt seine Probe freiwillig abgibt, hat dann sein Bruder, also der Täter ja schon mal schlechte Karten.
00:25:47
Und es ist ja tatsächlich so, dass es der Polizei dabei hilft, wenn sie zum Beispiel in der Spur nachgehen und dann denken,
00:25:55
okay, in diesem Umkreis, sagen wir mal, es hat jetzt was mit dem Wohnort zu tun.
00:26:00
Ja, es muss jemand aus einer Straße sein.
00:26:02
Und wenn die dann wissen, in der Straße leben 500 Leute und 350 davon aber haben sich schon freiwillig zum Test gemeldet,
00:26:09
dann ist das ja schon eine Hilfe.
00:26:12
Nehmt euch auch bitte kein Beispiel an mir.
00:26:14
Das war jetzt alles theoretisch.
00:26:16
Und in Dessau machen das auch viele.
00:26:19
Also viele Menschen gehen da hin und geben eben freiwillig ihre Probe ab.
00:26:22
Und einer von ihnen erscheint zwölf Tage nach dem Fund von Yangjis Leiche auf dem Revier.
00:26:29
Der junge, großgewachsene Mann möchte aber nicht nur seine Probe abgeben, er möchte auch noch was loswerden.
00:26:35
Und zwar, sagt er, sei es gut möglich, dass seine DNA mit der auf dem Opfer übereinstimmen könnte.
00:26:44
Dafür gäbe es aber eine Erklärung.
00:26:47
Und zwar, er und seine Freundin Linda hätten am Tag vor Yangjis Verschwinden Sex mit einer Asiatin gehabt, erklärt er.
00:26:54
Er kenne ihren Namen nicht, könne aber versichern, dass der Dreier einvernehmlich in seiner Wohnung stattgefunden habe und dass es nicht zur Anwendung von Gewalt gekommen sei.
00:27:04
Wie oft passiert das, dass man in Dessau Sex mit Leuten hat, dessen Namen man nicht kennt?
00:27:12
Ich war noch nie in Dessau.
00:27:14
Weiß nicht, wie die Szene da so verbreitet ist.
00:27:18
Die anonyme Sex-Szene, meinst du?
00:27:21
Hier in Berlin ist es natürlich ein Mega-Ding.
00:27:26
Der 20-Jährige mit den braunen Haaren und dem jugendlichen Gesicht möchte den Verdacht entkräften, der jetzt nahe liegt, dass er etwas mit dem Tod von Yangjis zu tun hat.
00:27:35
Aber die PolizistInnen nehmen ihm die Geschichte vom gewaltfreien Dreier nicht ab.
00:27:41
Auch deshalb nicht, weil der Mann namens Marcel kein unbeschriebenes Blatt ist.
00:27:44
Seit seiner Jugend ist er immer wieder mit der Polizei aneinander geraten.
00:27:48
Außerdem hat er bis vor kurzem noch ganz in der Nähe von Yangjis WG gewohnt.
00:27:52
Marcel wird daher noch auf der Wache vorläufig festgenommen.
00:27:55
Linda, seine Freundin, die beim Dreier dabei gewesen sein soll, soll als nächstes vernommen werden.
00:28:00
Die Spurensicherung macht sich indes auf den Weg zu der ehemaligen Wohnung des Paares, in der laut Marcels Aussage der Sex stattgefunden haben soll.
00:28:08
Die Wohnung, die die BeamtInnen vorfinden, liegt in einem Eckhaus nur wenige Meter vom Fundort der Leiche entfernt.
00:28:14
Im Erdgeschoss befindet sich ein Antiquariat, im zweiten Stockwerk wohnten bis vor kurzem Marcel und Linda.
00:28:20
Seit deren Umzug steht das Apartment leer.
00:28:23
Hier deutet nichts auf ein Verbrechen hin.
00:28:25
Ein anderer Anblick erwartet die ErmittlerInnen jedoch im ersten Stockwerk des Hauses.
00:28:30
Die Wohnung, die schon seit einiger Zeit nicht mehr bewohnt und dessen Tür nicht abgeschlossen ist, ist voller Blutspuren.
00:28:37
Sie sind teilweise mit bloßem Auge erkennbar und reichen vom Halskörper bis an die drei Meter hohe Decke.
00:28:43
Hier muss ein Kampf um Leben und Tod stattgefunden haben, der sich nicht mit Marcels Geschichte vom gewaltfreien Dreier vereinen lässt.
00:28:50
Das untermauern auch die Ergebnisse der DNA-Analyse.
00:28:54
Nicht nur die Spermaspuren stammen von Marcel.
00:28:57
Unter Yangjis Fingernägeln wurden auch Hautschuppen von ihm gefunden.
00:29:00
Die beweisen nicht nur, dass es einen Kampf mit Marcel gab, sondern auch, dass sich Yangji heftig gewehrt hat.
00:29:06
Er und seine Freundin Linda sitzen mittlerweile seit einem Tag in Untersuchungshaft, da beruft die Staatsanwaltschaft eine Pressekonferenz ein.
00:29:13
Vor zahlreichen Mikrofonen verkünden die Behörden ihren Fortschritt.
00:29:17
Man habe zwei Tatverdächtige festgenommen, die angeben, am Tag vor Yangjis Verschwinden einvernehmlichen Sex mit einer Asiatin gehabt zu haben.
00:29:25
Yang und Mai sind geschockt, als ihnen übersetzt wird, was da gerade im Fernsehen läuft.
00:29:32
Ihre Tochter soll Sex mit zwei Fremden gehabt haben und das muss jetzt auch noch der ganzen Welt erzählt werden?
00:29:38
Sie sind sich sicher, nie hätte sich ihr zurückhaltendes, schüchterndes Kind freiwillig für einen Dreier mit Unbekannten verabredet.
00:29:45
Für die chinesischen Eltern ist es nur schwer auszuhalten, dass ihre Tochter von den mutmaßlichen TäterInnen auch noch nach ihrem Tod durch den Dreck gezogen wird.
00:29:53
Yang und Mai sind nicht die einzigen Eltern, die die Pressekonferenz gebannt verfolgen.
00:29:58
Auch bei Revierleiter Joachim Thürmer zu Hause gibt es im Moment kein anderes Thema.
00:30:03
Der Fall Yangji, für den er die Sonderkommission zusammengestellt hat, beschäftigt ihn nämlich nicht mehr nur auf professioneller Ebene, sondern auch persönlich.
00:30:10
Denn Marcel, der Tatverdächtige, ist sein Stiefsohn.
00:30:14
Joachim Thürmer ist seit einigen Jahren nämlich mit Marcells Mutter Antje verheiratet.
00:30:19
Sie ist ebenfalls Polizistin in Dessau und hatte sich vor ein paar Tagen freiwillig gemeldet, um Befragungen im Fall von Yangji durchzuführen.
00:30:28
Und Joachim, der hat Marcel noch zwei Tage vor seiner Festnahme beim Umzug geholfen.
00:30:32
Was dann noch wirkte wie ein ganz normaler Gefallen zwischen Stiefvater und Stiefsohn, sorgt in Dessau inzwischen für einige Unterstellungen.
00:30:40
Wurden bei dem Umzug vielleicht Beweismittel vernichtet und haben die persönlichen Verstrickungen der Eltern vielleicht die Ermittlungsarbeiten beeinflusst?
00:30:48
Und das fragen sich dann auch nicht nur die Menschen in Dessau.
00:30:53
Das wird dann auch öffentlich in den Zeitungen diskutiert.
00:30:56
Denn weil auch immer mehr Ungereimtheiten und polizeiliche Fehler zutage treten.
00:31:01
So wird zum Beispiel auf dem Baustellengerüst, welches das Wohnhaus unmittelbar neben dem Fundort von Yangjis Leiche umgibt, eine breite Blutspur übersehen.
00:31:10
Ein Hinweis darauf, dass Yangjis Körper aus einem der oberen Stockwerke über das Gerüst nach unten befördert wurde.
00:31:16
Und Marcel und Linda sind zu der Zeit die einzigen BewohnerInnen des Hauses und hätten daher zumindest einmal befragt werden müssen.
00:31:24
Also bevor sich Marcel selbst bei der Polizei gemeldet hat.
00:31:28
Aber das wurden sie nicht.
00:31:30
Und der zuständige Polizist gibt zu, dass er Marcel und Linda absichtlich nicht kontaktiert habe.
00:31:35
Und zwar, weil er Marcel als Sohn seiner Kollegin Antje erkennt und von ihm, Zitat, nur blöde Antworten erwartet hatte.
00:31:44
Auch im Erdgeschoss des Hauses übersehen die ErmittlerInnen ein entscheidendes Indiz.
00:31:48
Schilder an der Glasfront des Antiquitätenladens weisen nämlich darauf hin, dass der Bereich vor dem Laden videoüberwacht wird.
00:31:54
Trotzdem fragt niemand den Ladenbesitzer nach den Aufnahmen, obwohl diese wichtige Szenen aufgezeichnet haben.
00:32:01
Der Ladenbesitzer bringt das Beweismaterial dann einfach selbst ständig zur Polizei, die womöglich nie danach gefragt hätte.
00:32:08
Also da ist man jetzt wirklich dann auch noch auf die Hilfe der Bevölkerung angewiesen.
00:32:13
Und das mit dem Tagebuch war ja auch schon dieses Ding.
00:32:15
Also da kriegt man als Elternpaar natürlich auch ein richtig schlechtes Gefühl.
00:32:20
Weil du willst ja in dem Moment nichts anderes, als endlich wissen, was mit deinem geliebten Kind passiert ist.
00:32:26
Das, was dir am wichtigsten auf der Welt war.
00:32:28
Und dann kriegst du daraus, da machen die Leute ihre Arbeit nicht richtig.
00:32:32
Also das verärgert einen natürlich total und gibt einem ja auch gar keine Sicherheit in das Rechtsempfinden und in den deutschen Staat.
00:32:40
Und tatsächlich ist es auch nicht das erste Mal, dass die Dessauer Polizei wegen schlechter Arbeit in der Kritik steht.
00:32:46
Viele von euch können sich wahrscheinlich auch noch an den Fall Uri Jalloh erinnern.
00:32:51
Den haben wir hier bei Mordlust mal kurz angerissen.
00:32:53
Das war ein 35-jähriger Asylbewerber, der 2005 in seiner Zelle verbrannt ist.
00:32:59
Das war auch in Dessau.
00:33:00
Und zwar genau auf dem Revier, um das es jetzt hier geht.
00:33:04
Uri wurde damals von einer Polizeistreife mit auf die Wache genommen, weil er Frauen auf der Straße belästigt und Widerstand gegen die Polizei geleistet haben soll.
00:33:13
Daraufhin wurde er in einer Zelle an beiden Armen und beiden Beinen, also quasi an allen Enden, an das Zellenbett gefesselt.
00:33:21
Und wenige Stunden später brach dann im selben Raum Feuer aus.
00:33:25
Die Polizisten, die damals Dienst hatten, die wollen aber davon nichts mitbekommen haben, sodass Uri bei lebendigem Leib in seiner Zelle verbrannte.
00:33:34
Später erklärte die Dessauer Polizei dann, dass Uri selbst ein Feuerzeug in die Zelle geschmuggelt haben soll.
00:33:40
Und obwohl er gefesselt war, soll er die feuerfeste Matratze, auf der er lag, aufgerissen und das brennbare Innere herausgeholt und angezündet haben.
00:33:50
Und natürlich haben nicht nur Freundinnen und die Familie von Uri Zweifel an dieser Geschichte.
00:33:56
Ich meine, abgesehen davon, dass man sich das schwer vorstellen kann, wie das möglich sein soll, gefesselt all das zu bewerkstelligen,
00:34:04
stellt sich dann auch ein bisschen die Frage, wieso sollte er das eigentlich tun?
00:34:08
Mit all diesen Fragen beschäftigen sich dann zwei Gerichtsprozesse und mehrere langwierige Revisionsverfahren.
00:34:15
Heute, fast 20 Jahre nach Uris Tod, kann man aber immer noch nicht mit Sicherheit sagen, was damals in Zelle 5 der Dessauer Polizei passiert ist.
00:34:23
Ein Gutachten legt aber nahe, dass der damals 37-Jährige misshandelt wurde und das Brandbeschleuniger im Spiel gewesen sein muss.
00:34:31
Außerdem fand man heraus, dass nach seiner Verhaftung Uri mehrere Knochenbrüche erlitten hatte, unter anderem im Schädeldach und im Nasenbein.
00:34:40
Und deswegen glauben halt eben manche, dass die Polizei Uri erst gequält und dann ermordet hat, und zwar aus rassistischen Gründen.
00:34:48
FreundInnen und AktivistInnen haben dann die Initiative in Gedenken an Uri Jalloh gegründet und setzen sich seit Jahren jetzt dafür ein, dass in dem Fall neu ermittelt und verhandelt wird.
00:34:59
Im Februar 2023, also jetzt erst vor kurzem, wurde bekannt, dass der Fall jetzt vor den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte kommen soll.
00:35:06
Und das wäre jetzt auch tatsächlich die letzte Instanz für die Aufklärung und damit halt auch eben die letzte Möglichkeit, dass irgendwann mal Gerechtigkeit oder Aufklärung in den Fall kommt.
00:35:18
Ja, also das finde ich auch diese Geschichte, die hat mich so lange beschäftigt und ich, immer wenn ich die wiederhöre, werde ich einfach nur wütend.
00:35:27
Der WDR, beziehungsweise die Autorin Margot Overath, hat jahrelang zu dem Fall recherchiert und einen wirklich ganz, ganz tollen, mehrteiligen Podcast dazu produziert.
00:35:35
Der heißt Uri Jalloh und die Toten des Polizeireviers Dessau.
00:35:38
Und darin geht es nicht nur um Uri Jalloh, sondern auch noch um zwei weitere Menschen, die nach, beziehungsweise in Polizei gewahrsam, der Polizei Dessau gestorben sind.
00:35:50
Und wo man bis heute nicht genau weiß, was passiert ist und da relativ viel gemauschelt wurde.
00:35:56
Also dieses Polizeirevier ist halt wirklich vorbelastet.
00:36:02
Und ich würde euch jetzt gerne sagen, dass es im Fall von Yang Jili keine Hinweise darauf gibt, dass der Revierleiter Joachim Thürmer und seine Frau Antje irgendwas über den Mord wussten oder die Ermittlungen irgendwie beeinflusst haben.
00:36:14
Aber das kann ich halt nicht mit Sicherheit.
00:36:16
Die Anrufliste von Antje's Handy zeichnet zumindest in den zwölf Tagen zwischen Yangjis Verschwinden und Marcells Aussage bei der Polizei ganze 40 Telefonate zwischen Mutter und Sohn auf.
00:36:27
Der letzte Anruf geht am Abend vor Marcells Verhaftung ein.
00:36:31
Und ich weiß nicht, wie das bei euch da draußen ist.
00:36:34
Aber 40 Telefonate in zwölf Tagen mit den eigenen Eltern, ja, weiß ich nicht, wann das bei mir, also das war bei mir auf jeden Fall, ist das noch niemals in meinem ganzen Leben vorgekommen.
00:36:48
Also ich glaube, ich telefoniere mit meinem Vater einmal im Monat.
00:36:53
Aber man darf ja auch nicht von sich selber ausgehen.
00:36:55
Also die haben ja auch den Umzug gemacht.
00:36:58
Vielleicht haben die aufs Kind aufgepasst öfter mal.
00:37:00
Ja, ich judge auch nicht.
00:37:02
Nee, nee, so hört sich das auch nicht an.
00:37:04
Naja, auf jeden Fall wird das Polizist in Ehepaar natürlich dann auch angesprochen, auch zum Beispiel von der Mitteldeutschen Zeitung.
00:37:12
Und in dem Interview weisen die alle Anschuldigen von sich.
00:37:16
Joachim Türmer sagt, er sei wegen Knieproblemen beim Umzug auch gar nicht in der Wohnung im zweiten Stockwerk gewesen.
00:37:22
Er habe nur Möbel mit dem Auto hin und her transportiert.
00:37:25
Und Antje gibt zwar zu, dass sie am Abend vor der Aussage ihres Sohnes einen Anruf von Marcells Handy auserhalten hat.
00:37:31
Allerdings sei nicht Marcel, sondern dessen Freundin Linda am Apparat gewesen.
00:37:36
Sie habe ihr dann von dem einvernehmlichen Dreier mit einer Asiatin erzählt.
00:37:40
Und Antje habe Linda daraufhin gesagt, dass Marcel morgen dringend zur Polizei gehen soll und die Geschichte den ErmittlerInnen erzählen soll.
00:37:49
Also, wir möchten hier nichts bewerten.
00:37:51
Aber ich frage mich tatsächlich, wie glaubwürdig ist das, dass eine Mutter, die selbst bei der Polizei ist, das von ihrer Schwiegertochter hört und dann nicht noch einmal selbst mit ihrem Sohn sprechen möchte?
00:38:03
Ja, das und sie als Polizistin ja vor allen Dingen wird ja auch aus Erfahrung wissen, wie wichtig so eine Vernehmung dann ist.
00:38:12
Wenn man mit so einer krassen Tat irgendwie in Verbindung gebracht werden könnte, kann mir einfach nicht vorstellen, dass sie Marcell da nicht zumindest, ja nicht Tipps gegeben hat, aber irgendwie ihm was mit an die Hand gegeben hat, wie man sich da verhalten soll.
00:38:28
Ja, also ich glaube, das kommt natürlich auch immer darauf an, ob du als Elternteil glaubst, war mein Kind das oder nicht.
00:38:34
Das ist ja auch noch eine schwierige Frage.
00:38:36
Aber generell ist es natürlich so, egal, ob Elternteile was wissen oder nicht, als Angehörige müssen weder die Mutter noch der Stiefvater Marcel ans Messer liefern.
00:38:46
Also selbst, wenn sie etwas wüssten und selbst, obwohl sie PolizistInnen sind.
00:38:50
Also es ist natürlich unglücklich gewesen, dass die damals an den Ermittlungen beteiligt waren oder sich dann Anche sogar freiwillig gemeldet hat.
00:38:58
Dann ist das natürlich ein ganz klarer Interessenkonflikt, aber rein rechtlich muss kein Elternteil sein Kind belasten.
00:39:05
Und es ist zumindest so, dass die Staatsanwaltschaft auch keinen Anfangsverdacht gegen die beiden sieht und deshalb werden auch keine Ermittlungen in Richtung Mitwisserschaft angestellt oder so.
00:39:14
Was aber passiert, das Innenministerium in Sachsen-Anhalt entzieht dem Revier in Dessau die komplette Ermittlungsarbeit im Fall Yang Jili.
00:39:21
Ab sofort ermitteln jetzt PolizistInnen aus Halle.
00:39:25
Außerdem wird das Landeskriminalamt eingeschaltet, um die bisherige Polizeiarbeit auch nochmal zu überprüfen.
00:39:31
Also die Menschen sollen wieder Vertrauen in die Behörde bekommen.
00:39:34
Es ist aber ein Vertrauen, das Jong und Mai lange verloren haben.
00:39:39
Also die können die Unprofessionalität der Behörden gar nicht fassen
00:39:43
und haben deshalb auch eine Dienstaufsichtsbeschwerde gegen den leitenden Staatsanwalt eingereicht.
00:39:48
Und eigentlich wünschen sie sich nichts anderes, als in Ruhe Abschied von ihrer Tochter nehmen zu können.
00:39:53
Am 2. Juni, drei Wochen nach Yangjis Tod, bringen sie ihren geschundenen Körper dann auch ins Krematorium.
00:39:59
Dort legt Jong seine Hand auf den geschlossenen Sarg seiner Tochter und entschuldigt sich immer wieder bei Yangji dafür,
00:40:05
dass er ihr beigebracht hat, sich zu wehren.
00:40:07
Er glaubt nämlich, hätte er es anders gemacht, könnte sie heute vielleicht noch am Leben sein.
00:40:14
Einen Tag später sitzen Jong und Mai dann noch ein letztes Mal im WG-Zimmer ihrer Tochter in Dessau.
00:40:18
Sie haben die Asche von Yangji auf dem Schoß, als ihnen ein YouTube-Video geschickt wird, das am selben Tag aufgenommen wurde.
00:40:26
Es zeigt die Eltern des mutmaßlichen Täters, wie sie schunkelnd eine eigene Kneipe in einer Kleingartensiedlung eröffnen.
00:40:33
Auch die Bild-Zeitung berichtet, wie Antje am Eingang lächelnd Sektgläser verteilt und Joachim in Jeans und T-Shirt hinterm Tresen steht.
00:40:40
Auf den Zeitpunkt angesprochen, sagt Joachim der Presse, das eine hat mit dem anderen nichts zu tun.
00:40:46
Und egal was kommt, unser Leben ist doch eh zerstört.
00:40:49
Klar, also deren Leben natürlich, das ist das, was hier am meisten zerstört wurde.
00:40:59
Jong und Mai können auch nicht fassen, was sie da sehen.
00:41:01
Sie verstehen Antje und Joachim einfach nicht.
00:41:04
Die feiern, während ihr Sohn im Gefängnis sitzt und Yangjis Einäscherung gerade einmal 24 Stunden her ist.
00:41:11
Nie wieder, sagen sie sich, wollen sie nach Deutschland zurückkommen.
00:41:13
In das Land, das ihnen ihre Tochter genommen hat und das sie nur noch mit Schrecken und Ungerechtigkeit verknüpfen.
00:41:19
Daran erinnert sich auch nichts, als Antje und Joachim wenige Tage später ihre Quittung bekommen.
00:41:23
Weil sie bei der Eröffnung ihrer Kneipe offiziell krankgeschrieben waren, werden beide vom Dienst suspendiert.
00:41:30
Sechs Monate vergehen, bis im November 2016 am Landgericht Dessau der Mordprozess gegen Marcel und Linda startet.
00:41:38
Vor den Türen des Gebäudes stehen nicht nur deutsche, sondern auch chinesische MedienvertreterInnen,
00:41:42
genau wie zahlreiche BesucherInnen, die die Gerichtsverhandlung hautnah miterleben wollen.
00:41:46
Viele von ihnen sind chinesische Studierende, die schwarz gekleidet sind und weiße Rosen mitgebracht haben.
00:41:52
Ihnen allen steht die Frage ins Gesicht geschrieben, warum musste Yangji sterben?
00:41:57
Es ist dieselbe, die Jong und Mai täglich zu Hause in Henan quält.
00:42:01
Obwohl sie die Nebenklage angenommen haben, reisen sie auch für den Prozess nicht wieder nach Deutschland,
00:42:05
sondern lassen sich von ihren Anwälten vertreten.
00:42:08
Zu groß wäre der Schmerz, mit den Menschen in einem Raum zu sitzen,
00:42:11
die ihrer Tochter am 11. Mai 2016 unfassbares Leid angetan haben sollen.
00:42:16
Und zu groß der Schock, mit anhören zu müssen, was der Staatsanwalt nun verliest.
00:42:21
Er führt die Anwesenden im Saal mit der Anklageschrift zurück an den verhängnisvollen Abend
00:42:25
und hinter die schwere Haustür, hinter die Yangji gelockt wird.
00:42:29
Als die Flügeltür ins Schloss fällt, wird die Studentin plötzlich von hinten gepackt.
00:42:34
Der haarige Arm eines Mannes drückt sie fest an sich.
00:42:37
Eine Hand legt sich auf ihren Mund und macht es ihr unmöglich, nach Hilfe zu schreien.
00:42:41
Yangji beginnt sich zu wehren.
00:42:43
Ihr ganzer Körper windet sich, um sich zu befreien, doch ohne Erfolg.
00:42:46
Ihr Angreifer ist fast zwei Meter groß und sein Griff ist zu fest.
00:42:50
Aber was ist mit der Frau, die gerade noch bei ihr war?
00:42:53
Wieso hilft die nicht?
00:42:54
Yangji merkt, wie der Mann sie immer weiter von der Tür wegzieht.
00:42:57
Er schleppt sie zu einem Treppenaufgang, auf dem ein Seil liegt.
00:43:00
Yangji hat Panik und Todesangst.
00:43:02
Ihr ganzer Körper füllt sich mit Adrenalin.
00:43:04
Sie schlägt und tritt so stark um sich, dass es dem Fremden unmöglich ist,
00:43:08
sie mit dem Seil zu fesseln.
00:43:09
Stattdessen ringt er sie zu Boden und setzt sich auf sie.
00:43:13
Die Frau, die sie in die Falle gelockt hat, hilft ihr auch jetzt nicht.
00:43:18
Sie ist diejenige, die nun anfängt, ihre Beine zu fesseln.
00:43:21
Yangji versucht weiterhin, sich zu wehren.
00:43:23
Da schlägt der Mann mehrfach gegen ihren Oberkörper und ihre Beine
00:43:26
und beginnt dann damit, ihr die Klamotten auszuziehen.
00:43:29
Doch im Treppenhaus versucht er mehrfach, Yangji zu vergewaltigen.
00:43:33
Dass es ihm nicht auf Anhieb gelingt, macht ihn offenbar wütend.
00:43:36
Er wird immer brutaler.
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Schließlich schleppt er Yangji die Treppe hoch in eine Wohnung.
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Hier gibt es keine Lampen, alles ist dunkel.
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Nur das Licht aus dem Treppenhaus scheint schwach durch die offene Tür.
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Das, was man im Lampenschein erkennen kann, ist wenig.
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Als der Mann Yangji abwirft, knallt sie auf den kalten Linoleum-Boden.
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Die Frau steht einige Schritte entfernt von ihnen und sieht nur zu.
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Daher stellt man sie an und sie macht Licht mit ihrer Handytaschenlampe.
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Als der grelle Schein den Raum erleuchtet,
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sieht Yangji ihren Peiniger direkt vor sich auf einem Sofa sitzen.
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Es ist fast das einzige Möbelstück in diesem Raum.
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Offenbar ist die Wohnung nicht vermietet.
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Gilt das für das ganze Haus?
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Reagiert deswegen niemand auf ihre Schreie?
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Dann zwingt der Mann Yangji, seinen Penis in den Mund zu nehmen.
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Yangji will nicht.
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Denn wann immer sie sich wehrt oder versucht zu fliehen,
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holt der Fremde aus und schlägt zu.
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Und das ist nur der Anfang eines mehrstündigen Martyriums,
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das Yangji über ihren Körper ergehen lassen muss.
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Ihre einzige Rettung scheint die Frau im Raum zu sein,
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die aber die ganze Zeit tatenlos zusieht.
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Ab und zu, wenn im oberen Stockwerk Kinder weinen,
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verschwindet sie einige Minuten lang.
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In der Zeit könnte sie die Polizei oder einen Krankenwagen rufen,
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doch sie tut nichts dergleichen.
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Auch dann nicht, als der Mann ihr ebenfalls die Hose und den Slip herunterzieht,
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Yangjis Finger nimmt und ihn in den Intimbereich der Frau einführt.
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Sie steht nur da und tut nichts.
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Dann, nach einer gefühlten Ewigkeit, tritt sie einen Schritt zurück,
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verlässt den Raum und lässt Yangji mit ihrem Schicksal allein.
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Kurze Zeit später lässt auch der Mann von ihr ab.
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Er zieht sich an, setzt sich auf die Treppenstufen zwischen Yangji und ihrem Weg in die Freiheit und raucht.
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Yangji kann nicht fliehen.
00:45:14
Ihr ganzer Körper schmerzt von den Schlägen und den Misshandlungen, die ihr angetan wurden.
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Der ganze Fußboden ist mittlerweile voll von ihrem Blut und ihrem Erbrochenen.
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Sie sagt vor dem Sofa zusammen, zieht ihre Knie eng an ihren Oberkörper.
00:45:26
Sie will nur weg hier, überleben.
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Da kommt die Frau plötzlich wieder.
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Sie hat wieder ihr Handy dabei und diesmal eine Übersetzungs-App eingeschaltet.
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Mithilfe dieser will die Fremde wissen, ob Yangji einen Freund oder Geschlechtskrankheiten hat
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und ob jemand für sie die Polizei rufen würde.
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Yangji antwortet mit Nicken oder mit Kopfschütteln.
00:45:46
Die Antworten ruft die Frau dem Mann auf Deutsch zu.
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Dann verlässt sie wieder den Raum.
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Dafür betritt er ihn wieder.
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Und ohne Vorwarnung schlägt er so brutal zu, dass Yangji mehrfach schwarz vor Augen wird.
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Immer wenn sie wieder zu sich kommt, geht die Tortur von vorne los.
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Der Mann wirkt sie minutenlang, steckt ihren Kopf gegen den Fußboden
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und versucht, sie in einem Eimer voll Wasser zu ertränken.
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Yangji hat keine Chance.
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Irgendwann, nach mindestens drei Stunden voller Todesangst und Schmerzen,
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nimmt die 25-Jährige ihren letzten Atemzug.
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Als der Staatsanwalt die Anklageschrift niederlegt, sitzt der Schock in den Gesichtern der Anwesenden im Gerichtssaal tief.
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Die Brutalität ist für viele gar nicht zu fassen.
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Richtig real wird es dann, als das Überwachungsvideo aus dem Antiquitätenladen präsentiert wird.
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Die Aufnahme ist schwarz-weiß und trotzdem können alle deutlich erkennen, dass es die Angeklagte ist,
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die Yangji auf der Straße im Dämmerlicht der Straßenlaternen abfängt.
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Man sieht, wie sich die Studentin unsicher umsieht, so als würde sie auf Hilfe von außen warten.
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Viele der Zusehenden wünschen sich gerade nichts mehr, als dass Yangji ihrem Bauchgefühl vertraut und einfach weiterläuft.
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Die wenigen Meter zu ihrer Wohnung, in die Sicherheit ihrer WG.
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Doch alle müssen mit ansehen, wie Yangjis höfliche Art sie dazu bringt, der Angeklagten durch die schwere Holztür zu folgen.
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Dann wird vorgespult.
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Die Zeit, in der Yangji gequält wird, einfach übersprungen.
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Etwas, das man sich für sie gewünscht hätte.
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Wegen zwei Uhr nachts zeichnet das Video dann noch einmal etwas auf.
00:47:12
Es ist der Angeklagte, der sein Wohnhaus verlässt und am Antiquitätenladen vorbei um die Ecke biegt.
00:47:17
Er geht in Richtung des Baumes, unter dem Yangjis Körper später gefunden wurde.
00:47:22
Der Staatsanwalt ist sich sicher, dass er ihre Leiche um die Zeit noch mal weiter unter die tiefen Äste des Nadelbaums gezogen hat, um sie wenigstens ein bisschen zu verstecken.
00:47:30
Der Angeklagte, der das Video genauso wie alle anderen gesehen hat, verzieht keine Miene.
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Marcels Aussage nach hat er ja auch nichts mit Yangjis Tod zu tun.
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Dabei liegt ein Motiv sogar ziemlich nah.
00:47:42
Der Staatsanwalt wartet zumindest mit einigen aussagekräftigen Suchbegriffen auf, die Marcel einige Wochen vor der Tat auf Pornoseiten eingegeben hat.
00:47:51
Vergewaltigung, asiatische Frauen, brutal.
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Eine Fantasie, die er offenbar in die Tat umgesetzt hat.
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Die Rolle, die weniger klar ist, ist die von seiner Freundin Linda.
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Warum hat sie Marcel unterstützt?
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Warum hat sie eine unschuldige Frau in die Falle gelockt?
00:48:07
Mehrere Prozesttage vergehen, in denen man nur mutmaßen kann.
00:48:11
Dann, für alle Anwesenden unerwartet, will Linda plötzlich doch noch Aussagen.
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Ihr Lebenslauf soll wohl Antworten darauf geben, warum sie Marcel geholfen hat.
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Sie beginnt von ihrer Kindheit zu erzählen, die geprägt ist von Zurückweisung und Traumata.
00:48:25
Ihre Mutter macht damals kein Geheimnis daraus, dass sie ein unerwünschtes Kind ist.
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Ihr Stiefvater schlägt und vergewaltigt sie im Alter von 11 bis 13.
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Mit ihrer ersten Liebesbeziehung will Linda dann aus den Strukturen zu Hause ausbrechen,
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endlich weg von ihrer Mutter und deren gewalttätigen Partner.
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Doch auch Lindas Freund schlägt sie und als sie mit 16 unerwartet schwanger wird, lässt er sie sitzen.
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Ihr Sohn wird schließlich in einem Mutterkindheim geboren.
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Linda lebt noch in derselben Unterkunft, als sie Marcel kennenlernt.
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Obwohl er der Freund ihrer Cousine ist, gerät die 17-Jährige mit den hellroten Locken und der Brille ins Schwärmen.
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Marcel ist groß und muskulös, selbstsicher und mutig.
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Er ist alles, was Linda nicht ist.
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Sie ist überglücklich, als sie schließlich ein Paar werden.
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Rund zwei Jahre später werden die beiden dann Eltern.
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Doch von der Bilderbuchfamilie, die sich Linda wünscht, fehlt jede Spur.
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Das junge Paar ist arbeitslos, deshalb wird immer wieder das Geld knapp.
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Außerdem streiten sie sich heftig.
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Mal geht es um die ständig verdreckte Wohnung, mal um das gemeinsame Sexleben.
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Letzteres ist Marcel enorm wichtig.
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Er will viel Sex und akzeptiert kein Nein.
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Immer wieder erniedrigt und misshandelt er Linda, um zu kriegen, was er möchte.
00:49:32
Einmal, als sie ihn oral befriedigen soll, hält er ihr eine Pistole an den Kopf und droht damit, sie zu erschießen,
00:49:38
weil sie, Zitat, zu dumm ist, um ihn richtig zu befriedigen.
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Marcel sagt Linda nicht, dass es sich nur um eine Soft-Air-Pistole handelt.
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Sie tut, was er sagt.
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Oft erzählt er ja auch von seinen sexuellen Fantasien mit anderen Frauen.
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Linda wird dann eifersüchtig und gleichzeitig devot.
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Sie will unbedingt die richtige Frau für Marcel sein.
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Sie will ihm unbedingt geben, was er möchte.
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Das halten die beiden sogar in einem Vertrag fest,
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der besagt, dass Linda für die Befriedigung ihres Freundes verantwortlich ist.
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Wenn sie selbst keinen Sex haben will oder haben kann,
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muss sie sich eben um andere Frauen kümmern, die ihre Rolle sozusagen übernehmen.
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Linda unterwirft sich Marcel, aus Angst vor Gewalt, aber auch aus Angst, ihn zu verlieren.
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Gründe für dieses Verhalten findet der psychiatrische Sachverständige in Lindas Persönlichkeit.
00:50:26
Die 20-Jährige habe eine selbstunsichere, vermeidbare Persönlichkeitsstörung.
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Sie sei unreif, schüchtern, weitgehend unselbstständig und habe Angst vor Kritik und Ablehnung.
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Linda habe nach einer starken Person gesucht, an die sie sich klammern kann und diese in Marcel gefunden.
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Ihre hohe Bereitschaft, sich anzupassen und unterzuordnen, hat Marcel dann erkannt und ausgenutzt.
00:50:49
Den Respekt vor seiner Freundin und der Mutter seines Sohnes hat er schon lange verloren, wenn er ihn überhaupt je hatte.
00:50:55
Die einzige Frau, die Marcel respektiert, ist seine Mutter.
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Nach seiner Festnahme ist sie die Erste, die er anruft.
00:51:01
Er fleht, Zitat,
00:51:03
Antje und Marcel sind ein Team, eine Einheit.
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Sie hält zu ihm, als er mit 13 Jahren beschuldigt wird, einen 8-Jährigen zu sexuellen Handlungen gezwungen zu haben.
00:51:14
Sie hält zu ihm, als er als Jugendlicher die Psychotherapie abbricht.
00:51:19
Und sie hält zu ihm, als Linda sie um Hilfe bittet, weil sie Angst hat, dass Marcel ihr etwas antut.
00:51:24
Mutter Antje fällt es von Anfang an schwer, ihrem Kind Grenzen zu setzen und Marcel wiederum lernt nie, Autoritätspersonen zu akzeptieren.
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Nachdem Marcel die Schule mit dem Zeugnis der 9. Klasse verlässt, gerät er immer wieder mit AusbilderInnen und mit der Polizei in Konflikt.
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Schul- oder Arbeitsverhältnisse bricht er ab.
00:51:41
Bei der Freiwilligen Feuerwehr fliegt er aufgrund von Vorwürfen der Brandstiftung raus.
00:51:45
Polizeilich wird etwa 40 Mal gegen Marcel ermittelt.
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Mehrfach hält Antje als Polizistin ihre schützende Hand über ihren Sohn, versucht ihm in den Verfahren zu helfen.
00:51:55
Das führt dazu, dass Marcel nur viermal zu Geldstrafen oder Tagessätzen verurteilt wird.
00:52:00
Alle anderen Ermittlungen werden eingestellt.
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Im Gegensatz zu Linda wird Marcel vom psychiatrischen Sachverständigen als dominant und fordernd eingestuft.
00:52:09
Er stellt fest, dass Marcel häufig lügt, seine eigene Schuld von sich schiebt und über eine chaotische und unreife Sexualstruktur verfügt.
00:52:16
Marcel selbst habe ihm gesagt, Zitat,
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Mir ist relativ egal, was andere Leute von mir denken.
00:52:22
Ich verändere mich nicht.
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Der Gutachter bescheinigt ihm eine Persönlichkeitsstörung mit dissozialen, emotional instabilen und narzisstischen Merkmalen.
00:52:30
Außerdem spricht er von einer außergewöhnlichen Empathielosigkeit.
00:52:34
Okay, aber dann haben sich da ja wirklich zwei gefunden, denn der eine ist ein dominanter Narzisst und die andere ist so unselbstständig, dass sie einen Partner braucht, der genau diese Lücke in ihrem Leben quasi füllt.
00:52:47
Ja, das habe ich mir auch gedacht und ich habe mich dann an ein Interview erinnert, das ich mal mit der Psychologin Lydia Benecke zum Thema, das war so Beziehungskonstellationen bei Menschen, die zusammen Verbrechen ausüben, geführt habe.
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Und deshalb habe ich sie jetzt auch nochmal gefragt, ob sie uns die Beziehung von Marcel und Linda mal aus dem Blick einer Psychologin einordnen kann und das hat sie gesagt.
00:53:12
Die bei Marcel und Linda festgestellten Persönlichkeitsstörungen passten wie Schlüssel und Schloss zueinander.
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Marcels übermäßig selbstsichere, dominante Art zog Linda an.
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Diese hatte wiederum aufgrund ihrer schwierigen Biografie schwere Selbstwertprobleme und eine Persönlichkeitsstruktur, aufgrund derer sie leicht in eine gefühlsmäßige Abhängigkeit geraten konnte.
00:53:33
Das zunehmend emotional, körperlich und auch sexuell aggressive Verhalten von Marcel brachte sie daher nicht dazu, die Beziehung beenden zu wollen.
00:53:44
Ganz im Gegenteil versuchte sie umso mehr, alles zu tun, um ein Ende der Beziehung abzuwenden.
00:53:52
Diese Reaktion passte ideal zu Marcels Tendenz, sich selbst stets im Recht dazu zu sehen, die Gefühle und Bedürfnisse anderer Menschen zugunsten der eigenen Bedürfnisbefriedigung zu missachten.
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Somit blieben die beiden Menschen nicht nur in der destruktiven Beziehung miteinander, sondern ihre jeweiligen Persönlichkeitsbesonderheiten wurden durch die Beziehungsdynamik sogar verstärkt.
00:54:18
Und das begünstigte dann am Ende halt die Tat.
00:54:22
Lydia Benecke kann sich auch vorstellen, dass Linda ohne Marcel niemals Teil einer so schweren Straftat geworden wäre.
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Aber diese Beziehungskonstellation wird dann eben zur Lebensgefahr für andere, als Marcel beschließt, dass er einen Dreier haben will.
00:54:37
Linda erzählt jetzt vor Gericht, dass er vor der Tat wochenlang davon gesprochen hat.
00:54:42
Es sei Lindas Aufgabe, eine weitere Frau dafür zu organisieren.
00:54:45
Zunächst fragt sie ihre Cousine, Marcels Ex-Freundin, doch die lehnt ab.
00:54:49
Schließlich ist es Marcels Idee, dass Linda einfach eine fremde Frau auf der Straße ansprechen soll.
00:54:55
Am 10. Mai 2016 steht Linda also auf dem Bürgersteig vor dem Antiquitätenladen und möchte ihrem Freund seinen Wunsch erfüllen.
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Aber sie traut sich nicht.
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Als Linda mit leeren Händen zu ihm in die Wohnung zurückkehrt, droht Marcel ihr oder den Kindern etwas anzutun, wenn sie die Mission für ihn nicht ausführt.
00:55:10
Als Linda einen Tag später wieder vor der Haustür auf der Straße steht, weiß sie, dass sie Marcel nun eine Frau besorgen muss.
00:55:18
Als Yang Ji gegen 21.30 Uhr angelaufen kommt, wittert sie ihre Chance und schnappt zu.
00:55:23
Ach, also dann war Yang Ji aber ein komplettes Zufallsopfer oder wie?
00:55:28
Also davon geht das Gericht aus.
00:55:30
Okay, weil du vorhin gesagt hast, dass er vorher ja diese Vergewaltigungspornos in Anführungsstrichen mit asiatischen Frauen geschaut hat.
00:55:38
Deswegen dachte ich, dass die explizit so ein Opfer gesucht haben.
00:55:45
Also am Ende ist es ja auch nur das, was Linda sagt.
00:55:47
Also sie sagt, es war zufälligerweise dann eine asiatische Frau.
00:55:53
Naja, Linda erzählt jetzt auch nochmal vor Gericht die Tat aus ihrer Sicht.
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Während Marcel Yang Ji immer wieder vergewaltigt, geht Linda mehrmals nach oben in ihre Wohnung, um zu duschen und nach ihren Kindern zu sehen.
00:56:07
Als sie das letzte Mal ins zweite Stockwerk läuft und ihren Freund mit Yang Ji allein lässt, ahnt sie laut eigener Aussage nicht, dass er sie ermorden wird.
00:56:14
Erst eine Stunde später ruft Marcel Linda erneut nach unten in die leer stehende Wohnung.
00:56:18
Sie soll mit der Taschenlampe kontrollieren, ob sie noch Blut oder Erbrochenes sehen kann.
00:56:22
Linda fragt, warum.
00:56:24
Da zeigt Marcel ihr die Mülltonne aus dem Keller und sagt, dass, Zitat, die Chinesin da drin sei und dass er sie umgebracht habe.
00:56:30
Als sie erneut fragt, warum, entgegnet er schlicht, weil ich es kann.
00:56:36
Gemeinsam rollen sie die Tonne zu einem Fenster.
00:56:38
Marcel öffnet sie, zieht den leblosen Körper heraus und über ein Baustellengerüst, bis er ihn auf dem Boden im Hinterhof fallen lässt.
00:56:44
Linda geht zurück zu ihren Kindern.
00:56:47
Sie schläft in dieser Nacht auf dem Sofa.
00:56:49
Marcel erzählt ihr später, dass er die Leiche unter dem Nadelbaum abgelegt hat.
00:56:53
Während ihrer gesamten Aussage muss die 20-Jährige mit dem kindlichen Gesicht mehrfach innehalten, um ihre Tränen zu stoppen.
00:56:59
Dabei betont sie immer wieder, dass sie das alles nicht wollte und nur getan habe, um ihre Kinder und sich selbst zu schützen.
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Als nach neun Monaten und 36 Verhandlungstagen das Urteil verlesen wird, umklammern Lindas Hände ein Holzkreuz.
00:57:12
Ihre Anwältinnen plädieren aufgrund ihrer Unreife für eine Jugendstrafe, auch damit die Kinder mit ihrer Mutter aufwachsen können.
00:57:19
Marcels Verteidiger fordern ebenfalls eine Jugendstrafe, und zwar von maximal zehn Jahren.
00:57:24
Das Gericht urteilt anders.
00:57:26
Marcel wird am 4. August 2017 wegen Vergewaltigung und Mord mit Verdeckungsabsicht zu einer lebenslangen Haftstrafe mit besonderer Schwere der Schuld verurteilt.
00:57:35
Okay, aber dann ist das Gericht zu dem Schluss gekommen, dass Marcel Yangji vergewaltigen wollte und sie dann sozusagen nur deswegen umgebracht hat, um dann diese Sexualstraftat zu verdecken.
00:57:47
Ja, genau. Obwohl ich mir auch vorstellen könnte, dass es vielleicht schwer war, ein anderes Mordmerkmal jetzt ohne Zweifel festzustellen bei ihm, weil er ja wirklich bis zum Schluss auch nichts gesagt hat.
00:58:00
Lindas Strafe fällt deutlich geringer aus. Aufgrund ihrer Unreife wendet das Gericht bei ihr tatsächlich das Jugendstrafrecht an.
00:58:07
Wegen sexueller Nötigung wird sie zu einer Gefängnisstrafe von fünf Jahren und sechs Monaten verurteilt.
00:58:12
Vom Mord an Yangji wird Linda freigesprochen.
00:58:16
Das Gericht glaubt ihr demnach, dass sie nichts von der Absicht ihres Freundes wusste.
00:58:20
Für Yong und Mai Li, die nach jedem Prozessstag mit ihrem Rechtsanwalt Sven Peitzner telefoniert haben, ist das Strafmaß nur ein schwacher Trost.
00:58:27
Peitzner muss Vater Yong erst einmal erklären, dass das deutsche Strafmaß im Vergleich zum chinesischen viel weniger restriktiv ist.
00:58:34
In China existiert noch die Todesstrafe. Da würde ein solcher Fall wahrscheinlich anders ausgehen.
00:58:39
Was sich die Eltern vom Ausgang des Prozesses erhofft haben, hat uns ihr Anwalt im Interview erklärt.
00:58:45
Wichtig war für die Eltern, dass sie verurteilt werden und der Angeklagte hat ja eine lebenslange Freiheitsstrafe bekommen mit Feststellung der besonderen Schwere der Schuld.
00:58:58
Lindas Strafe ist nach Meinung von Yong, Mai und auch von Sven Peitzner aber deutlich zu milder ausgefallen.
00:59:18
Sie kannte ja ihren Freund, was das für ein einigermaßen brutaler Typ war, dass der, die nach der Vergewaltigung nicht einfach laufen lässt, um nach Hause zu gehen, um die Polizei anzurufen, lag auf der Hand.
00:59:41
Weil die Eltern mit dem Strafmaß nicht einverstanden sind, legt Sven Peitzner Revision beim Bundesgerichtshof ein.
00:59:49
Das Ziel ist, Linda soll wegen Beihilfe zum Mord verurteilt werden.
00:59:54
Doch der Antrag bleibt erfolglos.
00:59:56
Der BGH schließt sich am Ende dem Urteil des Landgerichts an.
00:59:59
Lindas Strafmaß ist also rechtskräftig.
01:00:02
Sie ist heute sogar schon wieder frei und kann sich um ihre beiden Söhne kümmern.
01:00:06
Auch bei Antje und Joachim ist vieles wie früher.
01:00:10
Sie arbeiten wieder im Polizeidienst, nachdem sie erfolgreich gegen ihre Suspendierung geklagt hatten.
01:00:16
Für Yong und Mai hingegen vergeht kein Tag, an dem sie nicht anders verbrechen und ihre Tochter denken.
01:00:21
An Yangjis erst im Todestag verbrennen sie einen Brief, den sie ihr geschrieben haben.
01:00:25
Die Worte sollen mit dem Rauch zu ihr in den Himmel steigen.
01:00:28
An unseren Sonnenschein Yangji, schreiben sie darin.
01:00:31
Heute ist es ein Jahr her, dass wir dich verloren haben.
01:00:35
Wir können einfach nicht verstehen, dass du nicht mehr bei uns bist.
01:00:37
Du bist so weit weg, doch so nah.
01:00:40
Wir schreiben dir diesen Brief schon seit langer Zeit und müssen immer und immer wieder aufhören,
01:00:45
weil das Papier durch unsere Tränen völlig durchnässt ist.
01:00:47
Wir können nicht mehr klar denken, wissen oft nicht, wie wir unsere Trauer in Worte fassen sollen.
01:00:52
Jedes Mal, wenn wir in deinem Zimmer sind, können wir nicht aufhören zu weinen.
01:00:57
Wir liegen auf deinem Bett und spüren deinen Atem, stellen uns vor, wir sprechen mit dir.
01:01:02
Warum kannst du nicht einfach zu uns kommen und sagen, Mama, Papa, ich bin wieder da.
01:01:08
Also wir sind ja sonst nicht für härtere Strafen, mehr, mehr, mehr, ne?
01:01:14
Aber in diesem Fall bin ich relativ froh, dass wir das juristische Mittel der besonderen Schwere der Schuld haben.
01:01:21
Denn dieser Mensch, den möchte ich nicht mehr irgendwo in unserer Gesellschaft wissen.
01:01:28
Nee, auch weil man eben schon das Gefühl hat, dass da vielleicht auch nichts mehr zu machen ist.
01:01:35
Weil er auch tatsächlich ja schon als Kind gelernt hat, dass ihm alles durchgeht.
01:01:40
Dass er machen kann, was er will.
01:01:43
Das hat natürlich jetzt nicht nur was mit der Erziehung zu tun, dass dieser Mensch so geworden ist, wie er ist.
01:01:47
Der hat auch diese Persönlichkeitsstörung, der ist ein Narzisst und so weiter.
01:01:51
Aber wenn man schon mit 20 Jahren sowas macht und so wenig Empathie für sein Gegenüber aufbringen kann, sei es seine Freundin und Mutter seines Sohnes Linda oder eben einer fremden Person gegenüber wie Yang Ji, dann habe ich da auch tatsächlich wenig Hoffnung auf Resozialisierung.
01:02:12
Also so oder so scheint dieser Mensch überhaupt nicht zu wissen, wie ein Zusammenleben mit anderen Menschen funktioniert in der Gesellschaft.
01:02:20
Der zieht das für sich Beste da raus, ohne sich darum zu kümmern, wie es anderen damit geht.
01:02:26
Das halte ich halt für sehr gefährlich.
01:02:28
Und von daher auch gut, dass er diese Strafe für dieses furchtbare Verbrechen bekommen hat.
01:02:33
Aber vielleicht sprechen wir auch noch mal kurz über Linda und ihre Rolle.
01:02:38
Also da habe ich jetzt die ganze Zeit auch drüber nachgedacht, weil es natürlich so ist, dass man Opfern von häuslicher Gewalt nicht vorwirft, Opfer von häuslicher Gewalt zu sein.
01:02:48
Wenn allerdings dieses, ich mache alles, was er sagt, weil ich Angst habe, dann darüber übergeht, dass andere auch Opfer von der Person werden, ist es halt was anderes.
01:03:00
Und da ist es nun mal eben nicht so, dass sie gar keine Wahl gehabt hat, auch wenn er ihr und den Kindern gedroht hat.
01:03:07
Ja, ich sehe das genauso.
01:03:10
Und ich meine, dieses Martyrium von der Yangji, das hat mehrere Stunden gedauert, ja.
01:03:16
Also wenn Linda selbst jetzt nicht handeln konnte, weil sie nicht dazwischen gehen wollte, weil sie Angst hat, dann selber Opfer zu werden, dann hätte sie zumindest in der Zeit, wo sie ja immer wieder nach oben gegangen ist, hätte sie die Polizei anrufen können.
01:03:32
Und stattdessen hat sie zum Beispiel ja auch die Szenerie da mit der Taschenlampe ausgeleuchtet, damit Marcel quasi das besser sehen kann, was er da macht.
01:03:42
Ich meine, wir haben jetzt hier mit dem Urteil gearbeitet und das Gericht hat ihr halt geglaubt.
01:03:48
Deswegen habe ich die Tat so erzählt, wie das Gericht das eben am Ende festgestellt hat.
01:03:52
Aber es gibt auch Menschen in der Berichterstattung, die das ja hinterfragen, ihre Rolle, ob sie nicht doch mehr getan hat, als einfach immer nur daneben zu stehen.
01:04:04
Es ist ja auch richtig, das zu hinterfragen, das wird das Gericht auch getan haben, aber wenn man es ihr nicht nachweisen kann, kann man sie dafür halt nicht verurteilen.
01:04:12
Ja, und um nicht ganz so schwer aus dieser Folge rauszugehen, haben wir noch eine Podcast-Empfehlung für euch.
01:04:18
Und zwar die fünfteilige Podcast-Doku-Serie Lubi von Studio Womens und dem SWR.
01:04:24
Darin wird die Geschichte eines Berliner Drogenfahnders Rolf L. erzählt, der lange als Teamführer der Brennpunktstreife im Görlitzer Park gearbeitet hat.
01:04:34
Also da, wo sehr viele Drogen von einer Hand in die andere wandern.
01:04:39
Was aber damals niemand ahnt, ist, dass Rolf L., den alle nur Lubi nennen, selbst kokainabhängig ist.
01:04:46
Und um seine Sucht zu finanzieren, er sich einem internationalen Autoschieberring in Berlin anschließt, bis das LKA ihm dann schließlich auf die Schliche kommt.
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Rolf L. ist seit Ostern dieses Jahres vorzeitig in den offenen Vollzug gekommen und kann deshalb selber berichten, wie und warum er kriminell wurde.
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Also ein Fall erzählt von dem Verbrecher selbst, das hört man ja nicht so häufig.
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Der Reporter Nino Seidel, der mehr als acht Stunden Interviewmaterial mit Rolf L. aufgezeichnet hat, ordnet die Geschichte aber immer wieder ein und kommentiert und hinterfragt auch immer wieder so, was der Lubi da so erzählt.
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Man kann es sich auf jeden Fall sehr gut anhören und kriegt einen Einblick in das Leben eines Polizisten, aber auch eines drogenabhängigen Kriminellen.
01:05:33
Podcast-Empfehlung von uns.
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Ihr findet Lubi jetzt auf allen Plattformen, wo man Podcasts hören kann.
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Und wir hören uns dann nächste Woche schon wieder mit dem Fall, den ich erzähle, den ich für gesellschaftlich sehr, sehr relevant halte.
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Ich bin auf jeden Fall sehr gespannt.
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Das war ein Podcast der Partner in Crime.
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Hosts und Produktion Paulina Graser und Laura Wohlers.
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Redaktion Isabel Mayer und wir.
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Schnitt Pauline Korb.