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#124 Alles auf rot

Wir haben ja bereits länger den Mindestlohn in Deutschland, was ich toll finde, weil als
ich früher gearbeitet habe, das erste Mal mit 16, da habe ich in einem Restaurant gecaynert
für 5 Euro die Stunde.
Ja, ich habe für 6, das weiß ich noch.
Allerdings auch schwarz.
Also netto, aktuell beträgt der Mindestlohn ja 12 Euro brutto.
Allerdings nicht für alle in diesem Land.
Im Gefängnis sieht das nämlich ein bisschen anders aus.
Da wird teilweise für 1,37 Euro die Stunde gearbeitet.
Und deswegen haben jetzt zwei Inhaftierte aus Bayern und Nordrhein-Westfalen geklagt.
Nun muss man auch dazu sagen, die Arbeit im Gefängnis ist in den meisten Bundesländern
auch noch verpflichtend.
Und dahinter steht natürlich dieser Resozialisierungsgedanke, also dass man auch in Haften im geregelten
Alltag hat, dass man da aktiv ist, aber auch, dass man halt sich von dem Geld, was man da
verdient, Sachen kaufen kann.
Aber manche müssen eben auch Opferfamilien Geld zukommen lassen oder halt irgendwelche
Schulden begleichen.
Und wie soll das nun mit einem Stundenlohn von 1,37 Euro bis 2,30 Euro gehen?
Also das war so die Zahl, die das Gericht gesagt hatte.
Kaum geht das, hat das Bundesverfassungsgericht jetzt geurteilt und gesagt, dass die derzeitige
Vergütung in Nordrhein-Westfalen und Bayern verfassungswidrig sei.
Gefangene müssten auch den Sinn und Nutzen der Arbeit erkennen.
Und da war man bisher halt weit von entfernt, sagt auch der Sprecher der Gefangenengewerkschaft
Manuel Matzke gegenüber der SZ.
Man sei da aktuell eher auf dem Stand, dass ich Arbeit nicht auszahle.
Also das würde den Gefangenen vermittelt werden.
Das Gericht wollte sich jetzt allerdings nicht dazu hinreißen lassen, einen Mindestlohn zu
verhängen.
Also die sagen, es könnte auch andere Anreize geben, wie dass man eine frühere Haftentlassung
bekommt als Gegenleistung für die Arbeit oder so.
Also ich finde das auch krass, wenn man sich das vorstellt, warum ist die Arbeit weniger
wert, wenn man sie im Gefängnis vollbringt?
Weißt du, wenn ich jetzt Schreiner im Gefängnis bin und irgendwie genau den gleichen, also das
ist alles theoretisch, aber genau den gleichen Schrank baue, wie Hans Peter, der zwei Kilometer
weiter in seiner Schreinerei seinen Schrank baut, wie kann man das dann rechtfertigen, dass
das so viel weniger wert ist?
Weil du von dem Schrank, den du im Gefängnis baust, keine Miete und kein Essen bezahlen
musst.
Würde man jetzt wahrscheinlich meinen, aber ja, nee, klar, also 1,37 Euro ist natürlich
ein Witz.
Ich habe jetzt auch eine Frage, die wir vielleicht jetzt nicht hier beantworten können, aber wer
macht sich denn dann die Taschen voll?
Also wenn dieser Schrank, dieser theoretische Schrank, ja, im Gefängnis wird er gebaut und
dann wird er später für 50 Euro verkauft, wie der Schrank von Hans Peter oder wie ich ihn
genannt habe, auch für 50 Euro.
Wer kriegt denn dann das ganze Geld?
Weißt du, was ich meine?
Ja, also ich weiß nicht, ob das Beispiel nicht ein bisschen hinkt, weil dazu müsstest
du ja erst mal Tischler oder Schreiner sein, um den Schrank für denselben Preis verkaufen
zu können, wie ein ausgewildeter Hans Peter das außerhalb des Gefängnisses gemacht hat.
Die Frage ist, welche Art von Arbeit gehen sie danach etc.
und ich weiß auch nicht, ob man sich mit der Arbeit wirklich die Taschen voll macht, weil
manche arbeiten ja auch zum Beispiel in der Küche.
Wer macht sich denn von einem Küchenessen im Gefängnis die Taschen voll?
Nee, aber generell, also nicht nur dieses, die Arbeit ist so und so viel wert, hier und
draußen sozusagen.
Nee, ich finde nämlich auch dieses Argument von wegen Arbeit lohnt sich nicht, dass das
total Sinn ergibt.
Also wenn ich höre 1,37 und ich bin, keine Ahnung, 15 Jahre in Haft und mache das, wieder
verfestigt sich dieser Gedanke, boah, wieso mache ich das hier eigentlich für diesen Lohn?
Also, ja.
Ja, total und mal abgesehen davon, dass du damit halt niemanden unterstützen kannst außerhalb
des Gefängnisses, du zahlst dann auch nicht richtig in die Rentenversicherung mit ein
und dann besteht die Chance, dass du halt in der Altersarmut endest und ehrlicherweise
ist die Chance eh viel höher, wenn du irgendwie, keine Ahnung, 10, 15 Jahre bei Kapitalverbrechen
jetzt nicht am normalen Leben teilgenommen hast.
Also deswegen finde ich das auch gut und vor allem, wenn es darum geht, auch die Opfer
zu entschädigen.
Ja.
Und damit herzlich willkommen zu Mordlust, einem Podcast der Partner in Crime.
Wir reden hier über wahre Verbrechen und ihre Hintergründe.
Mein Name ist Polina Kraser.
Und ich bin Laura Wohlers.
In jeder Folge gibt es ein bestimmtes Oberthema, zu dem wir zwei wahre Kriminalfälle nacherzählen,
über die diskutieren und auch mit Menschen mit Expertise sprechen.
Wir reden hier über True Crime, das heißt, es geht auch immer um echte Schicksale.
Bitte vergesst das nicht.
Selbst dann, wenn wir zwischendurch mal ein bisschen ungehemmter miteinander reden, das
ist für uns so eine Art Comic Relief, aber natürlich nicht despektierlich gemeint.
Polina, ich will jetzt zu Anfang dieser Folge ein kleines Spiel spielen mit dir, ja?
Und das geht so.
Ich nenne dir jetzt drei bestimmte Ereignisse und du musst mir sagen, bei welchem Ereignis
du die Wahrscheinlichkeit, dass es eintritt, am höchsten beziehungsweise am niedrigsten
einschätzt, okay?
Also, welches dieser Szenarien ist deiner Meinung nach am wahrscheinlichsten?
Also, da wäre ich safe bei dem Hundebiss, dass das am wahrscheinlichsten ist.
Dann würde ich tatsächlich den Blitz sagen und dann das Flugzeug, weil ich glaube halt,
dass viel öfter natürlich Menschen von Hunden gebissen werden und man eine Infektionskrankheit
entwickelt, bla bla bla.
Dann glaube ich das mit dem Blitz, weil ich einfach schon ein paar Dokus darüber gesehen
habe und Flugzeug sage ich einfach so weit hinten, weil man das den Leuten ja immer sagt,
das ist nie passiert.
Okay, also es ist leider ganz falsch.
Also, am wahrscheinlichsten ist es tatsächlich, dass man bei einem Flugzeugabsturz stirbt.
Die Wahrscheinlichkeit liegt nämlich bei 1 zu 3 Millionen.
Der Biss eines Hundes ist für einen von 40 Millionen tödlich und sehr, sehr unwahrscheinlich
ist es tatsächlich, von einem Blitz erschlagen zu werden, weil das passiert nur einem von 10
Milliarden Menschen.
Gut, jetzt habe ich auf einmal doch ein bisschen Flugangst bekommen.
Schön.
Aber das mit dem Blitz, dass das so selten passiert, das hat mich auch gewundert.
Vor allem, weil man als Kind ja immer lernt, dass man auf keinen Fall bei Gewitter auf einem
Feld stehen soll oder schwimmen gehen soll oder sowas.
Ja, oder sich halt nicht unter den Baum stellen soll, weil man dann erschlagen wird, aber halt
nicht vom Blitz, sondern vom Baum.
Ja.
Also diese ganzen Wahrscheinlichkeiten, die habe ich übrigens aus einem Spiegelartikel und
da habe ich noch eine Wahrscheinlichkeit gesehen, die mich noch mehr überrascht hat als
alles, was ich dir bisher erklärt habe.
Ist es das mit dem Kugelschreiber?
Nee.
Was ist das?
Da geht es darum, was gefährlicher ist, einen Kugelschreiber oder eine Schusswaffe.
Und die Antwort lautet natürlich der Kugelschreiber, zumindest in Deutschland, weil hier wohl, ich
weiß nicht, wie seriös die Quellen sind, ja, weiß ich einfach nicht, aber weil hier wohl
im Jahr 300 Menschen daran sterben, weil sie Teile eines Kugelschreibers verschluckt haben.
Und hingegen werden nur 70 Leute Opfer einer Schusswaffe.
Okay, krass, das hätte ich auch nicht gedacht.
Warum machen Menschen das?
Warum essen die ihre Kugelschreiber?
Also ich glaube nicht, dass sie die wirklich essen.
Ich glaube, dass sie damit spielen und dann springt so die Feder raus und dann landet das
im Rachen vielleicht.
Okay.
Also rate mal bitte, wie hoch die Wahrscheinlichkeit ist, dass von 23 Personen auf einem Fußballfeld,
also alle SpielerInnen plus SchiedsrichterInnen, mindestens zwei Personen am selben Tag Geburtstag
haben, also Tag und Monat, ja, nicht Jahr, mindestens, mindestens zwei Personen am selben Tag Geburtstag.
2 zu 365.
Nee.
Wieso?
Es ist 1 zu 2 und die Wahrscheinlichkeit liegt bei über 50 Prozent.
Hä?
Ja.
Ich habe es auch überhaupt nicht verstanden, ja, aber es ist so, das Ganze nennt sich auch
Geburtstagsparadoxon und zum falschen Schätzen der Wahrscheinlichkeit kommt es.
Darf ich was raten?
Ja.
Weil wir denken, dass auf jeden Geburtstag im Jahr, also auf jeden Tag im Jahr dieselbe
Anzahl Menschen fallen, aber dabei haben alle am sechsten, sechsten Geburtstag.
Nee.
Also ganz viele.
Nein, auch nicht.
Also im Internet habe ich gelesen, dass es dazu kommt, weil danach gefragt wird, wie wahrscheinlich
es ist, dass mindestens zwei beliebige Personen aus einer Gruppe an einem und demselben beliebigen
Tag im Jahr Geburtstag haben.
möglicherweise wird das Problem aber oft interpretiert als, wie wahrscheinlich ist es, dass eine
bestimmte Person aus einer Gruppe an einem bestimmten Tag im Jahr Geburtstag hat und dann
noch die Übereinstimmung mit dem Geburtstag einer anderen zusätzlichen Person dazukommt.
Und diese Wahrscheinlichkeit ist tatsächlich viel geringer.
Was ist der Unterschied?
Also ich glaube, die, die sich überhaupt nicht damit auskennt, ist, dass man dann denkt, gut,
die eine Person hat jetzt vielleicht am 17.
Juni Geburtstag.
Wie wahrscheinlich ist es, dass mindestens noch eine Person am 17.
Juni Geburtstag hat.
Ach so, und das ist sozusagen bei den allen ja dann egal, weil es muss einfach nur zwei müssen
aufeinander passen.
Und es ist egal, welcher Tag von denen ist das.
Ja.
Ah, okay.
Aber wie rechnet man das?
Ja, gib mal ein.
Bei Google oder was?
Ja.
Geburtstags-Paradoxon.
Sendung mit der Maus.
Nee.
Doch, die haben den rechten Weg ziemlich gut.
Nein.
Die haben den rechten Weg gut aufge...
Nur, dass ihr das wisst, wir haben normalerweise andere Quellen als die Sendung mit der Maus.
Das?
Mhm.
Okay, also hier steht voll einfach, zumindest für ein Mathe-Genie, wie es unser Könnerkind
Jonas ist.
Die Maus musste hingegen erst ein bisschen nach...
Ich bin die Maus, ja.
...um auf einen Rechenweg zu kommen.
Denn um die Wahrscheinlichkeit zu berechnen, müssten alle denkbaren Kombinationen berücksichtigt
werden.
Es gibt einen Trick, der in der Wahrscheinlichkeitsrechnung oftmals weiterhilft.
Wir berechnen einfach die Wahrscheinlichkeit des Gegenteils.
Und zwar, dass alle 23 Spieler an unterschiedlichen Tagen Geburtstag haben.
Wenn wir diese Wahrscheinlichkeit von 100% abziehen, haben wir die gesuchte Wahrscheinlichkeit.
Okay, also hier steht, wir entnehmen der Gruppe den ersten Spieler.
Dieser kann an jedem beliebigen Tag im Jahr Geburtstag haben, also an 365.
Wir entnehmen der Gruppe die zweite Person.
Für die bleiben dann noch 364 Tage übrig.
So, und so geht das weiter.
Bis dann alle 23 Personen an verschiedenen Tagen Geburtstag hätten.
So, und dann rechnet man das aus.
So berechnet man dann die Wahrscheinlichkeit 365 durch 365 mal, 364 durch 365 mal, 363 durch
365, bla bla bla, bis zum Ende.
Und dann kommt da 0,4927 raus.
Umgerechnet im Prozent sind das 49% etwa.
Und das bedeutet, mit einer Wahrscheinlichkeit von 49 irgendwas Prozent haben alle Spieler an unterschiedlichen Tagen Geburtstag.
Und das heißt umgekehrt, die Chance, dass mindestens zwei am selben Tag Geburtstag haben, 50,73 ist.
Da wäre ich ja im Leben nicht drauf gekommen.
Da wäre ich ja im Leben nicht drauf gekommen.
Nee.
Mathe.
Ich hoffe, wir haben nicht alle unsere ZuhörerInnen verloren.
Weil ihr fragt euch wahrscheinlich, was das jetzt mit True Crime zu tun hat.
Naja, ich sag jetzt mal am Anfang so viel.
Das Abschätzen von Wahrscheinlichkeiten hat für manche Menschen einen so großen Stellenwert,
dass sie dafür das Leben anderer aufs Spiel setzen.
Mein Fall zeigt, wie ein Mensch auf der verzweifelten Suche nach dem Glück zur tödlichen Gefahr werden kann.
Alle Namen habe ich geändert.
Tiefblaues Wasser, saftig grüne Wiesen und in der Ferne Berge, die gen Himmel ragen.
Der Schliersee in Bayern verspricht eine traumhafte Kulisse für lange Spaziergänge und eine Auszeit in der Natur.
Genau das, was Frank, Felicitas und die gemeinsamen Mischlingshunde jetzt brauchen.
Denn in der Ehe des 52-Jährigen mit braunem Haar und Brille und seiner sechs Jahre jüngeren Frau mit Kurzhaarschnitt kriselt es seit einer Weile.
Er ist als Tierarzt bereits mehrfach in der Vox-Show Hund, Katze, Maus im Fernsehen aufgetreten.
Sie ist Beamtin bei einer städtischen Behörde.
Die beiden sind seit 16 Jahren verheiratet.
Aber nun steht sogar im Raum, dass Frank bald aus der gemeinsamen Wohnung auszieht.
Auf den lange geplanten gemeinsamen Urlaub will aber keiner der beiden verzichten.
Und der Abstand vom Alltag könnte dem Paar vielleicht sogar gut tun.
Also geht es an einem Sonntag Ende September 2019 vom Heimatort Borchen bei Paderborn mit Franks schwarzem Hyundai los Richtung Süden.
Felicitas sitzt am Steuer, Frank ist Beifahrer und die Hunde sitzen auf der Rückbank des Autos.
Doch gute Stimmung herrscht im Inneren des Wagens nicht gerade.
Und dann, während die grüne Landschaft zwischen Erlangen und Nürnberg auf der A3 an ihnen vorbeifliegt, kracht es.
Der schwarze Hyundai der beiden kollidiert erst mit einem vor ihnen fahrenden Ford Focus und dann mit einem Audi.
Frank und Felicitas Wagen gerät ins Schleudern, prallt gegen die Mittelleitplanke, schnellt dann über alle drei Fahrspuren und kommt schließlich auf dem Seitenstreifen rechts zum Stehen.
Wenig später steht der Verkehr auf dem Streckenabschnitt der A3 in beide Richtungen still.
Die Autobahn ist abgesperrt, überall blinken blaue Warenleuchten von Krankenwagen, Feuerwehr und Polizeiautos, die sich an der Unfallstelle sammeln.
Den Rettungskräften bietet sich ein schrecklicher Anblick.
Der am Unfall beteiligte schwarze Ford, den Felicitas und Frank zuerst gerammt haben, wurde gegen einen Baum am Straßenrand geschleudert und ist danach quer auf der rechten Seite liegen geblieben, sodass nur noch die rechten Räder den Boden berühren.
Das Auto ist ein Wrack, alle Scheiben sind gesprungen und das Dach ist stark eingedrückt.
Neben dem Wagen versorgen ErsthelferInnen eine 72 Jahre alte Frau, die auf dem Beifahrersitz im Ford saß und den Zusammenstoß gerade so überlebt hat.
Sie trägt schwere Verletzungen davon und muss sofort ins Krankenhaus.
Ihr Mann, der am Steuer saß, stirbt noch an der Unfallstelle.
Ein tragischer Unfall, der mehrere Verletzte und sogar einem Menschen das Leben kostet.
Doch tatsächlich war es kein Unfall, sondern der letzte Akt eines grauenvollen Plans.
Einige Meter weiter, ebenfalls am äußeren Fahrbahnrand, steht der schwarze Hyundai von Frank und Felicitas.
Das Auto ist beschädigt, die Hunde des Ehepaars sind unweit davon entfernt an der Leitplanke an der rechten Seite der Fahrbahn angebunden worden.
Sie sind genau wie Frank unverletzt und wohl auf.
Nur Felicitas ist nicht bei ihnen.
Sie liegt auf dem grauen Asphalt der Gegenfahrbahn.
Der Grund, wieso auch dort mittlerweile jeglicher Verkehr zum Stehen gekommen ist.
Die 46-Jährige hat lebensgefährliche Verletzungen.
AugenzeugInnen berichten, dass sie von einem Auto erfasst wurde.
Sie lebt, aber braucht schnellstmöglich medizinische Versorgung.
Und die kommt aus der Luft.
Nur Minuten später hören die Menschen, die in ihren Autos auf die Weiterfahrt warten, die regelmäßigen Geräusche der Rotoren eines Helikopters.
Die Baumkronen am Rand der Autobahn biegen sich im Wind, als der Hubschrauber unweit der Unfallstelle landet.
Felicitas wird von den Rettungskräften auf eine Liege geschneit und ins Innere des Luftfahrzeugs geschoben, das sie auf schnellstem Weg in eine Klinik nach Nürnberg bringt.
Währenddessen beginnt die Polizei damit zu rekonstruieren, wie es zu dem Verkehrsdrama kommen konnte.
ZeugInnen berichten, dass der Wagen von Frank und Felicitas beim Spurwechsel mit den beiden anderen Fahrzeugen kollidiert ist, ohne seine Geschwindigkeit zu reduzieren.
Wie Felicitas anschließend auf die Gegenfahrbahn gekommen ist, wollen die PolizistInnen wissen.
Nach dem Unfall sei sie über drei Fahrbahnen gelaufen, über die Mittelleitplanke geklettert und sei direkt in den Gegenverkehr gerannt, heißt es.
Niemand kann sich erklären, warum.
Auch Frank gibt an, bei der Beantwortung der Frage nicht helfen zu können.
Nachdem der Wagen zum Stehen gekommen ist, habe er seiner Frau aus dem Wagen geholfen und ihr eine Warnweste angelegt.
Felicitas habe keine sichtbaren Verletzungen gehabt und sollte die Hunde an der Leitplanke festbinden, während er die Polizei anruft.
Die A3 bleibt an diesem Vormittag mehrere Stunden lang gesperrt.
Als sie anschließend wieder für den Verkehr freigegeben wird, sind die Spuren des Unfalls zwar größtenteils beseitigt,
wie es aber überhaupt dazu kommen konnte, ist immer noch unklar.
Warum hat Felicitas die Kontrolle über ihren Wagen verloren?
Und warum hat sie nicht gebremst?
Und wieso ist sie auf die andere Fahrbahn gerannt?
Fragen, die nur Felicitas beantworten kann, wenn sie dazu imstande wäre.
Um nah bei seiner Frau sein zu können, bucht Frank ein Hotelzimmer in der Nähe des Krankenhauses.
Dann ruft er Felicitas Bruder Ulrich an.
Ihre Familie zu Hause in Borchen muss wissen, was mit ihr passiert ist.
Frank bittet Ulrich seiner Mutter Gerda Bescheid zu sagen, denn Felicitas und ihre Mutter stehen sich sehr nah.
Obwohl Felicitas längst auf eigenen Beinen steht und als Beamtin genügend verdient,
ist sie nie aus dem Elternhaus ausgezogen.
Stattdessen hat sie sich das Obergeschoss im Haus zur eigenen Wohnung ausgebaut.
Dort lebt sie seit Jahren mit Frank und den gemeinsamen Hunden und Katzen.
Im unteren Stockwerk des Hauses lebt ihre Mutter Gerda.
Die 76-jährige Witwe ist zwar geistig und körperlich noch fit, braucht aber manchmal Hilfe im Alltag.
Dann greift ihr Felicitas unter die Arme, etwa beim Haare waschen oder beim Rasen mähen.
Im Gegenzug passt Gerda ab und an auf die Haustiere von Felicitas und Frank auf.
Für Gerda wird die Nachricht vom Unfall ihrer Tochter ein Schock sein.
Doch ihr Bruder Ulrich erreicht Mutter Gerda gar nicht erst.
Sie geht weder ans Telefon noch öffnet sie die Haustür.
Das ist ungewöhnlich.
Ulrich und seine Frau Bettina verschaffen sich schließlich mit einem Ersatzschlüsselzutritt zum Haus.
Doch auch drinnen keine Spur von Gerda.
Dafür ist ihr Schlafzimmer verschlossen.
Ungewöhnlich.
Die beiden sind sich sicher, hier stimmt etwas nicht.
Sie müssen sich Zutritt zum Schlafzimmer verschaffen.
Ulrich besorgt sich eine Brechstange und holt einen Nachbar zur Hilfe.
Gemeinsam brechen die Männer mit Gewalt die Tür auf.
Auf den Anblick allerdings, der sie hinter der Tür erwartet, sind sie nicht vorbereitet.
Gerda liegt blutüberströmt in ihrem Bett.
Sie ist tot.
Die alte Frau ist spärlich mit einer Decke zugedeckt.
Auf ihrem Kopf liegt ein gelb-blaues Kissen und daneben zwei Nachttischlampen aus Metall,
deren gläserne Lampenschirme zersprungen sind.
Es ist ein brutaler Anblick.
Wie in einem überzeichneten Krimi.
Kurze Zeit später betreten PolizistInnen und SanitäterInnen Gerda Schlafzimmer,
das offenbar zum Tatort geworden ist.
Als sie das Kissen und die Decke vom leblosen Körper der alten Frau entfernen,
offenbaren sich tiefe Wunden in ihrem Gesicht.
An ihrem Scheitel sowie an ihrem linken Ohr.
Ihre Oberlippe ist aufgerissen.
An ihren Armen finden die Beamten in den Kratzspuren.
Selbst an ihren Oberschenkeln sind mehrere bis zu zwölf Zentimeter lange Schnittwunden zu erkennen.
Wer auch immer das getan hat, hat massive Gewalt gegen die alte Frau angewandt.
Sofort kommen die Nachttischlampen, deren Stiele aus Metall sind, als Tatwaffe in Frage.
Denn an ihnen klebt Blut.
Zwei saubere, offenbar gewaschene Scherben aus dem gläsernen Lampenschirm findet die Spurensicherung schließlich im Badezimmer.
Und dann fällt den ErmittlerInnen noch etwas in die Hände, das eine Erklärung für dieses Schreckensszenario liefert.
Es ist ein Brief, der gut sichtbar auf Gerdas Wohnzimmertisch platziert wurde.
Er ist an Ulrich und seine Frau Bettina gerichtet.
Darin steht, Frank hat Mutter umgebracht.
Er konnte sie nicht mehr sehen und hören.
Er ist immer so jähzornig, aggressiv.
Mutter hatte schon Angst vor ihm.
Auf vier Seiten beschreibt Felicitas ein Horrorszenario.
Wie Frank nach einer Betriebsfeier am frühen Samstagmorgen betrunken ins Schlafzimmer seiner Schwiegermutter gegangen ist, sie erschlagen und erstickt hat.
Sie selbst musste alles mit ansehen.
Sie habe sogar gemeinsam mit Gerda gegen Frank gekämpft, doch ihr Mann sei zu stark gewesen.
Er habe ihre Mutter ermordet und Felicitas danach gezwungen, seine Spuren zu beseitigen.
Seitdem halte er sie in der gemeinsamen Wohnung fest.
Felicitas vermutet im Brief, dass ihr das Schlimmste noch bevorstehe.
Sie schreibt, dass er sie auf dem anstehenden Urlaub ebenfalls umbringen wolle.
Ich schaffe ihn nicht.
Zu stark.
So ihre Worte der Verzweiflung.
Nach Rücksprache mit den PolizistInnen, die am Unfallort in Bayern waren, ergibt das, was auf der A3 passiert ist, nun plötzlich Sinn.
Vielleicht hatte Felicitas versucht zu fliehen, den Unfall womöglich absichtlich herbeigeführt, weil das ihre einzige Chance war zu entkommen und ist deswegen in den Gegenverkehr gelaufen.
Hauptsache weg von ihrem Ehemann, egal wohin.
Hauptsache überleben.
Einige Stunden später in Nürnberg.
Frank ist mit den Hunden in seinem Hotelzimmer.
Am Nachmittag hat er versucht, Felicitas im Krankenhaus zu besuchen.
Vergeblich.
Ihr Zustand sei noch zu schlecht, haben die ÄrztInnen gesagt, deswegen dürfe er nicht zu ihr.
Jetzt ist es bereits ein Uhr in der Nacht.
Schlafen zur Zeit.
Doch daraus wird nichts, denn plötzlich stürmt ein Sondereinsatzkommando der Polizei in das spärlich eingerichtete Zimmer.
Kurz darauf klicken die Handschellen um Franks Handgelenke.
Ihm wird der Totschlag seiner Schwiegermutter vorgeworfen, deren Leiche mehr als 300 Kilometer entfernt gefunden wurde.
Frank schweigt.
Für ihn geht es in eine Zelle in Untersuchungshaft, aus der er so bald nicht mehr herauskommen wird.
Drei Tage später im Krankenhaus.
Felicitas konnte sich inzwischen von der Tragödie und ihren Verletzungen erholen und ist wieder ansprechbar, sogar vernehmungsfähig.
Zwei PolizeibeamtInnen nehmen an ihrem Krankenbett Platz und lauschen, während Felicitas beginnt, detailreich von der Nacht zu erzählen,
in der ihr der eigene Ehemann offenbar auf grausamste Art und Weise die Mutter genommen hat.
Frank habe sie in der Tatnacht unter Vorhalten eines Taschenmessers gezwungen, dabei zuzusehen, wie er Gerda misshandelt.
Sie habe sich sogar auf die Kissen setzen müssen, die er Gerda aufs Gesicht gelegt habe, um sie zu ersticken.
Anschließend habe er Felicitas in die eigene Wohnung gezerrt und dort mit einem Hemd an ein Heizungsrohr gefesselt, wann immer er mit den Hunden zum Gassegehen draußen war.
Ihre Handykarte habe Frank am Samstagmittag nach der Tat zerschnitten und über die Klospülung entsorgt.
In einem unbemerkten Moment habe sie sich aber losreißen und den Brief schreiben können, den sie anschließend in der Wohnung ihrer Mutter deponiert hat, damit ihr Bruder ihn findet.
Der Unfall allerdings, erzählt sie, habe sich wie folgt ereignet.
Frank habe ihr ins Lenkrad gegriffen und ihren Fuß von der Bremse ferngehalten.
Er sei für den Zusammenstoß verantwortlich gewesen.
Doch wieso genau er das getan hat, erfahren die BeamtInnen nicht, denn Frank hüllt sich noch immer in Schweigen.
Die Polizei kann zwar nachweisen, dass er am Tatabend auf einer Betriebsfeier war.
Für die frühen Morgenstunden, in denen Gerda getötet wurde, hatte er aber kein Alibi.
Schon bald sind die Medien voll von Schlagzeilen.
NachbarInnen erzählen der Presse, dass Frank und Felicitas fluchtartig in den Urlaub aufgebrochen seien und dass die beiden Hunde mitgefahren sind.
Normalerweise würde Gerda sie versorgen, wenn das Ehepaar nicht da sei.
Die Staatsanwaltschaft bestätigt öffentlich, dass Frank verdächtigt wird.
Zitat
Was die Öffentlichkeit zu diesem Zeitpunkt nicht weiß, die Ermittlungen geraten nur kurze Zeit später ins Stocken.
Denn abgesehen von dem Brief und Felicitas Beschreibung des Geschehens gibt es quasi keine Spur, die auf Frank hinweist.
Weder an Gerdas Körper noch an den blutverschmierten Nachttischlampen kann Franks DNA gesichert werden.
Auch an den beiden Taschenmessern, die im Haus gefunden und von KriminaltechnikerInnen untersucht werden,
gibt es keine Spuren, die darauf hinweisen, dass Frank sie benutzt hat, um Felicitas zu bedrohen.
Auch mit den Befragungen des Umfelds kommen die Ermittlungen nicht weiter.
Es bestätigt nicht mal jemand, dass Frank seine Schwiegermutter sonderlich nervig gefunden hat.
Drei Monate nach Franks Festnahme muss sich die Staatsanwaltschaft dann schließlich eingestehen,
sie hat nicht genügend Indizien gegen den Tierarzt in der Hand, um Anklage gegen ihn zu erheben.
Ende Dezember, nach einem Weihnachtsfest und mehr als 90 Tagen in Untersuchungshaft,
kommt Frank schließlich aus dem Gefängnis frei.
Der Mord an Gerda ist offiziell ungeklärt, genau wie die Frage,
bei wem die Verantwortung für den tragischen Unfall auf der A3 liegt,
bei dem noch ein weiterer Mensch sein Leben verloren hat.
Die Antworten liefert erst ein Prozess, der im Oktober 2020, mehr als ein Jahr nach der Tat vor dem Landgericht Paderborn startet.
Sowohl Frank als auch Felicitas werden bei diesem eine entscheidende Rolle spielen.
Doch während Frank nur als Zeuge aussagen muss, nimmt Felicitas auf der Anklagebank Platz.
In Jeans und hellgrünem Hemd wird sie in den Gerichtssaal geführt und hält sich einen roten Aktenordner vors Gesicht.
Der inzwischen 48-Jährigen wird vorgeworfen, ihre Mutter ermordet, ihren Mann falsch beschuldigt
und den Unfall auf der Autobahn absichtlich herbeigeführt zu haben.
Und obwohl Frank nicht angeklagt ist, wird er vor Gericht Licht ins Dunkel bringen,
wie die einst so idyllisch wirkende Familie ein so tragisches Ende nehmen konnte.
Also Felicitas hat ihre eigene Mutter umgebracht und zwar so brutal, also ich habe das noch nicht ganz verstanden,
die hat ja quasi mit den Scherben der Lampe die Beine aufgeschnitzt oder was?
Ja, genau. Das wirft die Anklage ihr vor.
Und warum sollte sie sowas machen?
Das wirst du jetzt erfahren.
Rückblick
Frank und Felicitas lernen sich 20 Jahre zuvor im Jahr 1999 auf der Arbeit kennen.
Als Kreistierarzt versorgt er nicht etwa Haustiere,
sondern kümmert sich auf kommunaler Ebene um Themen wie Tierschutz und Gesundheit.
Sie arbeitet währenddessen in derselben Kreisverwaltung als Beamtin
und obwohl Frank noch verheiratet ist, beginnt er einige Monate später eine Beziehung mit Felicitas.
Die beiden sind glücklich und bald darauf verlässt Frank seine damalige Frau für seine neue Liebe.
Er zieht zu Felicitas, fünf Jahre nach ihrem Kennenlernen heiraten die beiden.
Ihr Leben verbringen sie von da an gemeinsam.
Ihr Geld aber trennen Frank und Felicitas mittels Ehevertrag.
Güter und Vermögenswerte wollen sie unabhängig voneinander halten.
Dafür, dass Frank mit in Felicitas Wohnung in ihrem Elternhaus leben darf, überweist er ihr monatlich eine Miete von 380 Euro.
Jahrelang geht die Ehe der beiden gut.
Sie schaffen sich Haustiere an, verreisen gerne.
Erst 2017, also 13 Jahre nach der Hochzeit, bekommt Frank mit, dass Felicitas sich ab und zu am Computer an Sportwetten beteiligt.
Als er sie darauf anspricht, macht sie kein Geheimnis daraus.
Meistens setzt sie auf Tennisspiele, manchmal auch auf Fußballpartien, sagt sie.
Gar kein Thema, immerhin sei sie damit sehr erfolgreich.
Frank glaubt ihr, denn Felicitas leistet sich in letzter Zeit häufiger Luxusartikel.
Sie fährt mittlerweile einen 7er BMW und schenkt Freundinnen teuren Champagner zum Geburtstag.
Und so macht er sich auch keine Sorgen.
Erst als sie ihn Ende des Jahres darum bittet, seine Miete diesmal für das ganze Jahr 2018 im Voraus gesammelt auf ihr Konto zu überweisen, wird er stutzig.
Trotzdem gibt er ihr die 4560 Euro auf einen Schlag und vertraut ihr.
Ein Fehler, wie später klar wird.
Denn heute weiß er, dass er ihr lieber nicht vertraut hätte.
Vor Gericht hat er seiner einstigen Ehefrau nun nichts mehr zu sagen.
Noch vor dem Prozess hat Frank die Scheidungspapiere unterzeichnet.
Als er jetzt seine Aussage als Zeuge macht, erklärt er, wie er die Dinge erlebt hat.
Als er in der Tat nachts spät und angetrunken von der Betriebsfeier nach Hause kommt, fällt Frank nur noch ins Bett.
Felicitas hatte schon angekündigt, heute ausnahmsweise in der Wohnung ihrer Mutter, also im unteren Stockwerk des Hauses, zu übernachten, weil es Gerda nach einem Sturz nicht gut gehe.
Deshalb wundert er sich nicht, als sie nicht da ist.
Auch als er am nächsten Morgen aufwacht, liegt seine Frau nicht neben ihm im Bett.
Erst als Frank vom morgendlichen Gassi mit den Hunden zurückkommt, ist Felicitas wieder in der gemeinsamen Wohnung.
Ihm fällt nichts Ungewöhnliches an ihr auf.
Und so machen sich die beiden an die letzten Erledigungen vor dem Urlaub und fahren am Sonntagmorgen früh los.
Es wundert ihn zwar, dass Felicitas unbedingt selbst fahren will, trotzdem überlässt er seiner Frau das Steuer.
Nach drei Stunden Autofahrt kommt es dann zum Streit, weil sie auf der Überholspur abrupt erst langsamer und dann wieder schneller wird.
Frank hält Felicitas eigentlich für eine gute Fahrerin, aber das jetzt nervt ihn.
Er bittet Felicitas, ihn ansteuert zu lassen, aber sie will nicht anhalten.
Frank gibt schließlich klein bei, weil ihm nichts mehr einfällt, um seine Frau davon zu überzeugen, die Plätze zu tauschen.
Er schließt seine Augen und sieht so nicht, wie Felicitas von der linken Spur abrupt auf die mittlere Fahrbahn wechselt.
Er spürt nur noch den heftigen Ruck durch seinen Körper.
Es ist die erste Kollision mit dem Ford-Fokus.
Was machst du da?
Schreit er.
Aber Felicitas bremst nicht, sondern fährt zielgerichtet in die Rückseite des nächsten Autos.
Bis heute hat Frank keine Antwort darauf, was Felicitas auf der Autobahn zu diesen Aktionen getrieben hat.
Warum sie nicht langsamer gefahren ist.
Warum sie sein Leben gefährdet hat und warum sie in den Gegenverkehr gelaufen ist.
Denn seit ihrer Verhaftung schweigt seine Ex-Frau.
Dabei wird den Anwesenden im Gerichtssaal Tag für Tag mehr klar, wie groß das Netz aus Lügen ist, das sie jahrelang um sich herum gesponnen hat.
Nur um niemanden, auch nicht ihren engsten Vertrauten, wissen zu lassen, dass sie ein Glücksspielproblem hat, aus dem sie alleine nicht mehr herauskommt.
Ein Gutachter, der sich Felicitas finanzielle Situation im Rahmen der Ermittlungen genauer angesehen hat, legt nun vor Gericht die Fakten auf den Tisch.
Die Angeklagte hat bereits 2014, drei Jahre bevor Ehemann Frank davon erfahren hat, mit den Online-Sportwetten begonnen.
Damals investiert sie in einem Jahr mehr als 10.000 Euro und verliert 9.100 davon.
Am Ende bleiben von dem Einsatz nur 900 Euro auf ihrem Konto übrig.
Aber der herbe Verlust schreckt Felicitas nicht ab.
Über die Jahre steckt sie immer mehr Geld in ihr neues Hobby.
Ab und zu gewinnt sie, unterm Strich steht aber im Grunde immer ein Minus.
Im Jahr vor der Tat setzt die Beamtin fast 76.000 Euro bei Sportwetten.
Nur 17.500 Euro bekommt sie davon zurück.
Der Differenzbetrag lässt ihren Schuldenberg weiter anwachsen.
Vor Gericht macht der Gutachter klar, dass Felicitas insgesamt mehr als 215.000 Euro verspielt hat.
90 Bankkonten sowie eine Vielzahl an Klein- und Kurzzeitkrediten laufen auf ihren Namen.
Zudem hat die 48-Jährige eine Grundschuld in Höhe von 86.000 Euro auf ihre Dachgeschosswohnung aufgenommen.
173.000 Euro muss Felicitas irgendwie zurückzahlen.
Einen Teil davon auch an ihre eigene Mutter.
Der Gutachter kann darlegen, dass auch Gerda in den Jahren 2018 und 2019 je einen Kredit für ihre Tochter aufgenommen hat.
Ein Großteil des Geldes wanderte direkt nach Erhalt auf das Konto von Felicitas.
Die zahlte ihrer Mutter wiederum pro Monat etwa 600 Euro zurück.
Vor Gericht wird damit deutlich, Felicitas hatte ein Motiv, ihre eigene Mutter umzubringen.
Eine Theorie, die Ulrich, Felicitas Bruder, vor Gericht untermauern kann.
Er tritt als Nebenkläger gegen seine Schwester auf.
Ulrich erzählt, dass es da eine Situation gab, die ihm und seiner Frau Bettina im Nachhinein verdächtig vorkommt.
Ein Vorfall, der beweisen könnte, dass Felicitas sich noch auf andere Art und Weise versuchte, über Gerda zu bereichern.
Ulrichs Frau Bettina sagt im Zeug in den Stand aus, dass Rentnerin Gerda etwa einen Monat vor ihrem Tod zu ihr gekommen sei und behauptet habe, dass 500 Euro auf ihrem Konto fehlen.
Gemeinsam gehen die beiden Frauen damals zur Polizei, um Anzeige zu erstatten.
Als Felicitas davon erfährt, meldet sie sich bei Bettina.
Sie sagt, dass sie das Geld auf Wunsch ihrer Mutter abgehoben habe, weil Gerda einen Versicherungsbetrug begehen wollte.
Es sollte so aussehen, als wäre sie bestohlen worden.
Das Geld wolle Gerda anschließend ihren Enkelkindern schenken.
Doch einen Monat später ist Gerda tot und Ulrichs und Bettinas Kinder haben nie ein Geldgeschenk erhalten.
Die Kammer sieht es vielmehr als erwiesen an, dass Felicitas die IT-Karte ihrer Mutter gestohlen und das Geld für sich selbst geklaut hat.
Auf den Überwachungsaufnahmen der Bank sieht man eine Person ganz in schwarz gekleidet, mit aufgespanntem Regenschirm.
Obwohl man sie nicht eindeutig erkennen kann, hat das Gericht keine Zweifel daran, dass es Felicitas ist.
Offenbar hatte sie ihre eigene Mutter bereits über Monate dazu benutzt, ihre Spielsucht zu finanzieren.
Und als das nicht mehr reichte, beschloss sie, Gerda zu töten und es ihrem Ehemann in die Schuhe zu schieben.
Der Kammer und den ZuschauerInnen vor Gericht ist inzwischen klar, dass man dem, was Felicitas sagt, nur wenig Glauben schenken.
Und dass die Geschichte, die sie in ihrem vierseitigen Brief und später in der polizeilichen Vernehmung zum Besten gegeben hat, nicht stimmen kann.
Keine einzige Spur am Tatort deutet auf Franks Täterschaft hin.
Dafür kann Felicitas DNA mehrfach nachgewiesen werden.
Auch ihre Handydaten stimmen nicht mit ihrer Aussage überein.
Ihren Angaben zufolge hat Frank ihre SIM-Karte am Samstagnachmittag zerschnitten und ihr das Handy abgenommen.
Dabei wurden am Sonntagmorgen noch Fotos mit ihrem Mobiltelefon aufgenommen und sie war bei WhatsApp online.
Außerdem scheint es wenig glaubwürdig, dass sie sich zwar aus der angeblichen Gefangenschaft ihres Mannes befreien konnte, um den Brief zu schreiben,
es aber nicht fertigbrachte, aus der Wohnung zu flüchten.
Die Indizien sprechen eine klare Sprache und trotzdem zieht sich der Prozess in die Länge.
Felicitas Verteidiger wollen einen Freispruch für ihre Mandantin erwirken und stellen deshalb immer wieder neue Beweisanträge, die Frank belasten sollen.
Schließlich bricht sogar Felicitas selbst ihr Schweigen und lässt sich vor Gericht zumindest zu ihrer Laufbahn ein.
Sie erzählt von ihrem seriösen Beschäftigungsverhältnis bei der Stadtverwaltung,
von den schlimmen Umständen in der Untersuchungshaft und von ihrem guten Verhältnis zu ihren Eltern.
Der letzte Punkt berührt sie sichtlich.
Ihre Stimme stockt und zittert, während sie ihre vorbereiteten Worte von einem Blatt Papier abliest.
Für eine kurze Zeit hört sie ganz auf zu reden.
Dann fängt sie sich wieder.
Mitleid hat im Saal niemand.
Zu grauenvoll ist der Gedanke daran, dass Felicitas ihre Mutter auf grausame Art und Weise erschlagen haben soll,
nur um ihre Spielschulden zu begleichen.
Doch genau davon ist die Staatsanwaltschaft überzeugt.
Die Indizien belegen, dass es keine Affekttat war, sondern dass sie den Mord an Gerda bewusst über längere Zeit geplant hat.
Als Gerda dann Ende September 2019 stürzt, scheint die Situation für Felicitas Plan perfekt.
Sie sagt Frank, dass sie bei ihrer Mutter übernachten wolle, um für sie zu sorgen.
Stattdessen verabreicht sie ihr aber einen Cocktail aus freiverkäuflichen Schlafmitteln, den Gerda nicht überleben soll.
Die alte Dame schläft ein. Felicitas legt sich neben sie und wartet.
Doch Plan A geht nicht auf.
Als Felicitas am nächsten Morgen erwacht, ist ihre Mutter noch am Leben.
Also greift sie zu den links und rechts am Kopfende des Betts stehenden Nachttischlampen.
Felicitas weiß, dass ihre Mutter Makumar einnimmt.
Ein Medikament, das die Blutgerinnung hemmt und Gerda so an offenen Wunden überdurchschnittlich viel Blut verlieren würde.
Also fängt sie an, auf ihre Mutter einzuschlagen.
Sie schlägt zu, bis die gläsernen Lampenschirme zersplittern.
Ihre Mutter versucht sich mit ihren gebrechlichen Händen gegen sie zu wehren, aber Felicitas hält das nicht von ihrem tödlichen Plan ab.
Mindestens elf wuchtige Schläge treffen Gerda im Gesicht- und Kopfbereich.
Zwei große Glasscherben nutzt Felicitas zudem, um ihrer Mutter die Oberschenkel aufzuschneiden.
Die 76-Jährige ist zu schwach.
Sie verblutet in ihrem eigenen Bett.
Felicitas wäscht die beiden Scherben sauber und legt sie am Waschbecken ab.
Dann verschließt sie das Schlafzimmer ihrer Mutter und geht nach oben in ihre Wohnung, wo Frank wenig später vom Spaziergang mit den Hunden zurückkommt.
Ihr Plan ist allerdings nur teilweise aufgegangen.
Der ganze Gewaltakt war so nicht geplant.
Eigentlich wollte sie sagen, dass Gerda still und leise im Schlaf gestorben ist.
Stattdessen muss sie sich nun mit dem Gedanken anfreunden, dass ihre Tat auffliegt.
Während sich Frank an diesem Samstagmorgen auf den anstehenden Urlaub vorbereitet, herrscht in Felicitas Kopf Chaos und ihre Situation erscheint ihr zunehmend aussichtslos.
Sie möchte nicht, dass jemand erfährt, was sie getan hat.
Und sie möchte nicht mit der Schuld leben, die sie auf sich geladen hat.
Also beschließt sie, die Tat zunächst ihrem ahnungslosen Mann anzuhängen, um die Schuld von sich abzulenken und dann in den Tod zu fahren.
Sie schreibt den Brief, deponiert ihn in der Wohnung ihrer Mutter und setzt sich hinter das Steuer des Autos, um einen Unfall zu provozieren, bei dem sie gemeinsam mit Frank aus dem Leben scheiden soll.
Doch es kommt anders. Statt den beiden stirbt eine andere Person auf der A3.
Also entschließt sie sich, in den Gegenverkehr zu laufen, wo sie von einem Auto erfasst wird.
Sie flieht nicht vor Frank, sondern vor den Schulden, die sie nicht zahlen kann, und vor der Schuld, die auf ihr lastet.
Im März 2021, eineinhalb Jahre nach dem Unfall, kann Felicitas nicht fliehen.
Die Staatsanwaltschaft fordert eine Verurteilung wegen Mordes aus Habgier und eine lebenslange Freiheitsstrafe.
Die Kammer schließt sich der Forderung an.
Laut Urteil war Felicitas Hauptmotiv ein Gewinnstreben, mit dem sie rücksichtslos die Existenz eines Menschen geopfert hat, um letztlich ihre finanziellen Schulden abbauen zu können.
Sie selbst sieht das anders und legt Revisionen ein.
Der Antrag wird abgewiesen, damit ist das Urteil rechtskräftig.
Dass Felicitas mehr als nur ein Leben ausgelöscht hat, steht nirgends niedergeschrieben.
Die Ermittlungen, die wegen des Mordes an dem Mann, der bei dem Unfall auf der A3 gestorben ist, noch bei der Staatsanwaltschaft Nürnberg-Fürth laufen,
werden aufgrund von Felicitas Verurteilung in Paderborn eingestellt.
Der Entscheidung liegt § 154 der Strafprozessordnung zugrunde.
Demnach müssen Straftaten nämlich nicht aufgeklärt werden, wenn die mögliche Strafe gegenüber einer anderen nicht beträchtlich ins Gewicht fällt.
Also kurzum, Felicitas hatte bereits die Höchststrafe jetzt erhalten und da kann das zweite Verfahren jetzt auch nicht mehr erreichen.
Also das finde ich ja irgendwie richtig doof.
Und dann kann ich auch verstehen, warum es oft heißt, unser Rechtssystem wäre irgendwie TäterInnen freundlich oder so.
Weil so eine rechtliche Aufklärung ist ja nicht nur dafür da, dass TäterInnen ihre gerechte Strafe bekommen,
sondern ja auch für die Angehörigen, dass die halt, dass man irgendwie für die Aufklärung schafft
und dass die dann mit einem Urteil auch vielleicht besser mit der ganzen Sache abschließen können.
Ja, also aufgeklärt ist der Fall.
Aber sie ist halt auf dem Papier nicht die Mörderin oder die Totschlägerin dieses Mannes.
Ja.
Für die Witwe, die ihren Ehemann bei dem Autounfall verloren hat, ist das ein schwacher Trost.
Ja.
Felicitas hatte ihren Weg Gefährten genommen.
Genau wie sie ihrem Bruder, die Mutter, genommen hat und den Kindern die Oma.
Und wenn Felicitas Plan aufgegangen wäre, hätte sie auch Frank das Leben genommen.
So waren es immerhin mehr als drei Monate, in denen er unschuldig in Untersuchungshaft saß.
Die Wahrscheinlichkeit in Deutschland, in einen Autounfall zu geraten, liegt bei etwa drei Prozent.
Die Wahrscheinlichkeit von seiner Frau, mit einem Mord beschuldigt zu werden, dürfte weitaus geringer sein.
Frank ist beides passiert.
Deshalb hat er mit der Scheidung nicht nur Felicitas, sondern auch Wahrscheinlichkeiten und Sportwetten aus seinem Leben verbannt.
Inzwischen hat er eine neue Liebe in sein Leben gelassen.
Eine Frau, die ihm dabei geholfen hat, den Prozess durchzustehen.
Und mit der er nun vielleicht endlich zu den grünen Wiesen und den Bergen nach Bayern fahren kann, ohne dabei Gefahr zu laufen, von ihr getötet zu werden.
Also wie schlimm ist denn bitte diese Frau?
Also dass sie dann den Plan hat, sich und ihren Mann zu töten bei dieser Autofahrt?
Aber davor unbedingt noch ihrem Mann den Mord an ihrer Mutter in die Schuhe zu schieben.
Die tötet sich doch sowieso.
Der Plan war doch danach sowieso weg zu sein.
Wie kann man, also wie hinterhältig kann man eigentlich sein?
Auch noch im Tod dann.
Im Tod.
Und ja nicht nur das.
Die hat ja auch anderen Leuten erzählt, dass ihre eigene Mutter, die ihr immer geholfen hat, Versicherungsbetrug begehen wollte.
Ja, der Bettina hat sie das erzählt.
Ja, und zwar nur, um ihren eigenen Diebstahl irgendwie zu vertuschen.
Also geht's eigentlich noch?
Ja, also ich finde, was hier auch gar keine Berücksichtigung gefunden hat, ist genau wie dieser fehlende Prozess gegen den Autofahrer, der auf der A3 gestorben ist, dass sie ja auch noch ihren Mann töten wollte.
Also ich konnte dazu nichts finden und wenn ich höre, dass das andere Verfahren eingestellt wurde, dann wird es bei dem wahrscheinlich genauso sein.
Aber wie viele Straftaten und Verfehlungen und alles kann ein Mensch eigentlich innerhalb von 24 Stunden begehen.
Und vor Gericht hat sie ja auch gesagt, was für eine tolle Beziehung sie zu ihren Eltern hat.
Wo ich mir so denke, so brutal, wie du deine eigene Mutter umgebracht hast.
Also so brutal sind viele Fälle nicht gewesen, die wir hier schon im Podcast hatten.
Also ich habe für diese Frau gar keine Worte. Ich verstehe das gar nicht, wie man so sein kann.
Also ich habe mir eben auch vorgestellt, als ich das erzählt habe, wie das ist, wenn du als Mutter merkst, deine eigene Tochter, mit der du ja offenbar vorher kein Zerwürfnis großartig hattest oder so und die dich sogar teilweise gepflegt hat.
Und der du auch Geld gegeben hast die ganze Zeit für ihre Sachen.
Ja, dann sitzt die auf einmal auf dir drauf und versucht dich zu töten.
Also diese arme Frau, was die in ihren letzten Momenten noch für eine Enttäuschung erleben muss, dass ihre eigene Tochter jetzt ihr Leben beendet.
Das ist so krass.
Also bei Felicitas hat am Ende ihre Spielsucht dazu beigetragen, dass sie kriminell geworden ist.
Und da ist sie jetzt nicht die einzige und damit sind wir beim heutigen Oberthema und zwar der Glücksspielsucht und was die im schlimmsten Fall mit Menschen machen kann.
Die endet natürlich jetzt nicht immer mit Mord.
Das ist natürlich die schlimmste Art, was passieren kann.
Aber es gibt natürlich auch viel harmlosere Arten zu spielen.
Also auch ganz harmlose Arten.
Mag man meinen?
Zum Beispiel Greifarmautomat.
Habe ich irgendwie jetzt als erstes dran gedacht.
Aber das hast du ja auch noch letztens gemacht.
Ja, beim Hafengeburtstag in Hamburg.
Und ich habe da entdeckt, also ich habe ja nicht viele Talente, aber da saßen die ersten drei Münzen, die ich in unterschiedliche Automaten gesteckt habe, richtig.
Also ich habe drei Tiere da rausgezogen.
Das weißt du doch.
Nee.
Hast du doch auf Instagram gesehen.
Ja, aber ich dachte, einen hattest du doch.
Ich dachte nur, du hattest ein Kuscheltier.
Also ich habe doch nachher noch, weil meine Freundin, bei der ich übernachtet habe, die hatte nachher das Bett voll mit diesen Kuscheltieren und war so ein bisschen, naja, was soll ich jetzt damit?
Was passiert jetzt?
Also deine ersten drei Versuche haben alle geklappt.
Ich habe nicht gesagt, dass ich nicht nach dem jeweils ersten Versuch noch mehr Geld reingesteckt habe, um noch welche rauszuholen.
Das habe ich nicht gesagt, aber jeweils der erste Versuch an diesen drei Automaten, wo ich nachher Tiere rausgezogen habe.
Okay, also die, das möchtest du aber auch nicht sagen, wie viel Münzen jeweils nach den geglückten Greifarmaktionen reingeworfen wurden.
Na, doch, also es wären vielleicht 15 Euro oder 20 Euro.
Das sagt mir gar nichts. Also ein Euro kostet das oder was?
Unterschiedlich, je nachdem, wie groß die Tiere sind.
Okay.
Voll die Experte.
15 Euro. Ja, okay, wie viel kriege ich dazu?
Du willst doch nur wieder ausrechnen und dann willst du jetzt noch ein Bild von den Tieren sehen und willst dir ausrechnen, ob sich das gelohnt hat.
Ja, genau.
Ja, da kann ich dir aber sagen, ich habe eine sehr große Ananas mit einem ganz süßen Gesichtsausdruck daraus geholt.
Das hat sich sehr gelohnt.
So, und das Ding ist, ich habe halt jetzt gedacht, das hat was mit meiner Geschicklichkeit zu tun.
Hat es wahrscheinlich auch ein bisschen.
Aber nach einem Urteil des Amtsgerichts Cottbus ist das tatsächlich, also ist der Greifarmautomat ein Spielgerät,
weil es eben auch Geld behält, wenn ich daneben greife oder das Tier dann am Ende zu schwer ist oder was auch immer.
weshalb die dann da rausrutschen aus diesem Greifarm.
Ja.
Und nach dem, was ich jetzt so in Foren über die Geräte gelesen habe, teilweise auch in Beiträgen von SchaustellerInnen,
kann man bei manchen Automaten auch die Ausspuckwahrscheinlichkeit einstellen.
Wie?
Man kann die manipulieren.
Na, was heißt manipulieren?
Das ist halt, du kannst halt gewisse Anpassungen vornehmen, wie auch zum Beispiel der Anpressdruck.
Ja, okay.
Aber offenbar gibt es Automaten, wo du auch einstellen kannst, wie oft der am Tag was ausspucken soll.
Oder eben, wie schnell dieser Greifarm zurück über die Schiene fährt.
Und wenn du das einstellst, wenn es jetzt sehr schnell ist, dann oder eben dieser Anpressdruck.
Weil man kann sich vorstellen, wenn der Arm sehr fest zugreift, ist die Wahrscheinlichkeit natürlich höher, dass das Tier in der Zange bleibt.
Ja.
Deswegen gibt es jetzt übrigens in Thailand auch schon Forderungen, dass diese Automaten nicht überall rumstehen sollen, weil Jugendliche halt ja dazu Zugang haben.
Und was ist ja normalerweise bei Glücksspielgeräten nicht so, also dürfte zumindest nicht so sein.
Ja.
Und auch in Thailand gelten die Greifarmautomaten eigentlich als illegale Spielautomaten.
Und man sagt eben, dass die halt der Einstieg in die Spielsucht sein können.
Und alleine, als ich darüber jetzt eben gelesen habe, hatte ich schon wieder Lust, da Tiere rauszuziehen.
Wirklich, weil für mich sind diese Dinger, ich habe das noch nie gemacht, weil für mich ist es eine Verarsche.
Weil ich wirklich denke, dass die so konzipiert sind, dass du das sowieso nichts rauskriegst.
Und ich habe doch neulich diese Tiere raus.
Ja, deswegen bin ich ja gerade so erstaunt.
Erst eine Woche vorher auf Mallorca auf der Kirmes auch.
Ja, deswegen bin ich jetzt auch so erstaunt.
Aber wiederum nicht so erstaunt, dass man die offenbar halt manipulieren kann und das einstellen kann, wie oft.
Gibt es Greifautomat-Weltmeisterschaften?
Weil wenn ja, sehe ich mich da.
Ich könnte eine neue Karriere starten.
Bitte nicht.
Naja, egal.
Also ich bezweifle.
Allerdings, auch wenn das ein Spielgerät ist, dass es sehr viele Greifarmautomat-Süchtige gibt.
Neben dir.
Neben mir.
Die daran arm geworden sind.
Oder an diesen Geräten jetzt explizit ihre Existenz verspielt haben.
Aber bei anderen Glücksspielen sieht das natürlich ganz anders aus.
Ja, laut Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung gab es 2021 in Deutschland fast eine halbe Million Menschen zwischen 16 und 70 Jahren, die von einem problematischen Glücksspielverhalten oder einer Glücksspielsucht betroffen waren.
Eine Studie von der Uni Bremen und dem Institut für interdisziplinäre Sucht- und Drogenforschung geht sogar davon aus, dass 1,3 Millionen Menschen in Deutschland eine Glücksspielstörung haben und nochmal drei Millionen mehr erste Anzeichen zeigen oder zumindest gefährdet sind, süchtig zu werden.
Und da gehöre ich zu.
Zu den Gefährdeten?
Ja.
Ja, ja, also auf jeden Fall.
Ja.
Laura weiß schon von diesem dunklen und auch irgendwie tristen Kapitel in meinem Leben.
Ist vielleicht jetzt auch nicht verwunderlich, nachdem ich so über diesen Greifautomaten geredet habe.
Aber ich habe mit Anfang, Mitte 20 tatsächlich ein Spielverhalten gehabt, was ich als sehr problematisch jetzt beschreiben würde.
Und mit problematisch meine ich, die Vorlesung in der Uni hat um 11 angefangen, das Automatencasino hat um 10 aufgemacht und zweimal die Woche bin ich dann halt vor der Uni da hingegangen.
Ich kann mir das nicht vorstellen.
Ich glaube das nicht.
Ja.
Ich kann das nicht.
Das muss eine andere Person gewesen sein.
Aber du hast mich auch noch nie beim Spielen oder beim...
Nee.
Aber du weißt, wie ich mit deinen Eltern im Urlaub bin, beim Kartenspielen.
Stimmt, ja.
Emotional würde ich sagen, würde ich das bezeichnen.
Naja, ich lasse mich halt da voll reinziehen in diese Situation.
Und das fällt mir dann auch schwer, das wieder loszulassen.
Stimmt.
Und das erste Mal gemerkt, habe ich das witzigerweise bei meinem Game Boy und zwar beim Pokémon-Spiel.
In dem Spiel gab es nämlich eine Spielhalle.
Und ich glaube, da musste man am Automaten sich entweder Münzen erspielen oder irgendein Getränk.
Das weiß ich jetzt nicht mehr genau.
Also es war auf jeden Fall die Aufgabe, an den Automaten was zu erspielen.
Und irgendwann habe ich gemerkt, die Aufgabe hatte ich schon längst durch.
Aber ich, beziehungsweise Ash, hinder immer noch am Automaten.
Also es war halt auch so ein einarmiger Bandit.
Und dann hat man natürlich im Laufe seines Lebens noch ein paar Mal irgendwie Berührungen mit so Spielen oder so gemacht.
Aber als ich studiert habe, da kam dann eben das Problem.
Und es fing halt damals so an, dass ein paar Leute nach der Arbeit, also ich habe ja damals gekellnert, noch in eine Bar sind, wo diese Automaten standen.
Und so fing das dann halt an, obwohl ich das natürlich vorher wusste, dass das keine gute Idee ist.
Aber ich bin halt leider vergnügungssüchtig.
Ich weiß jetzt, das war damals keine richtige Sucht, weil ich dann nach ein paar Monaten, in denen ich das auch vor meinem Partner geheim gehalten habe.
Danach war das mir dann von der Last her irgendwann zu groß.
Und als er das dann auch erfahren hat, dass ich das manchmal mache, war mir sozusagen der Stress, der dadurch entstanden ist, auch zu groß.
Und ich habe auch zweimal abends eine richtig unangenehme Begegnung gemacht mit so Leuten.
Weil ich meine, gerade in so Automaten-Casinos hängen halt auch manchmal wirklich seltsame Gestalten rum.
Das glaube ich.
War immer so ein Zauberer.
Wieso war der ein Zauberer?
Der hat halt gesagt, der ist Zauberer und dass er Assistentinnen für seine Zaubershow braucht.
Ach so, okay.
Und ich dachte, ja, wahrscheinlich sägst du mich in zwei Teile oder lässt mich halt eben verschwinden.
Aber ja, also deswegen ist offenbar keine Sucht gewesen.
Und ich kann auch heute noch ins Casino gehen und das nicht dann wieder nächste Woche auch noch machen oder so.
Sondern zweimal im Jahr oder so das machen und dann einigermaßen Freude daran haben.
Und dann, also es ist jetzt kein Thema mehr.
Wobei ich natürlich dringend davon abraten würde, das überhaupt zu tun.
Aber ist es denn bei dir nur dieses ins Casino gehen?
Du würdest jetzt nicht auch im Internet spielen oder so zum Beispiel für deine eigene Unterhaltung?
Ich sollte nicht und deswegen mache ich es nicht.
Ich kann das halt gar nicht verstehen.
Ich finde das total spannend, das so zu hören.
Ja, weil ich das irgendwie auf nichts beziehen kann.
Irgendwas, was ich spiele in meinem Leben, wo ich dann das Gefühl hätte, ich könnte jetzt nicht aufhören oder ich würde das jetzt voll gern weiterspielen oder um Geld oder sowas.
Ja, nee, total.
Ich habe auch vorhin überlegt, mit was man das vergleichen kann, als ich das Gefühl jetzt mit diesem Greifarmautomaten wieder hatte.
Und ich habe erst gedacht, ob man irgendwie so Hunger oder Durst, aber das ist natürlich viel zu überzogen, wenn du das jetzt mit ernstem Hunger vergleichst.
Aber vielleicht, wenn du gerade richtig Lust auf Sex hast.
Naja, und warum ich jetzt erfahren habe, dass ich doch nicht süchtig war, was ich eine Zeit lang halt dachte wegen dieser Sachen, weil das ja schon echt regelmäßig war und so.
Aber wer süchtig ist und wer nicht, das wird in der Medizin mit ganz klaren Klassifikationsmerkmalen bestimmt.
Und welche das sind und was im Körper bei so einer Sucht passiert, darum geht es jetzt in meinem Aha.
Psychologisch süchtig sind Menschen, für die das Glücksspiel zum zentralen Lebensinhalt wird.
Und Anzeichen dafür sind dann halt, dass die Betroffenen soziale Beziehungen und Freizeitaktivitäten dann halt immer mehr vernachlässigen oder dann halt das auch gar nicht mehr machen.
Und dass die Intensität des Spielens sich steigert.
Das ist aber, glaube ich, immer so, wenn man erst mal so dann, also dahin so abrutscht in die Richtung.
Also man zockt dann länger, häufiger und auch riskanter.
Und das Verlangen nach dem Glücksspiel wird dann auch heftiger.
Und wenn man dann als Betroffener nicht spielen kann, dann kann man auch körperliche Entzugserscheinungen bekommen.
Aufhören soll da genauso schwer wie bei einer Alkohol- oder Drogensucht sein.
Und warum das so ist, hat uns Psychologe Dr. Tobias Heyer von der Uni Bremen erklärt, der seit mehr als 20 Jahren zum Thema Glücksspiel forscht.
Sie können in das Hirn eines Glücksspielsüchtigen gucken und dann sehen sie, dass dieselben, letztendlich dieselben Hirnregionen aktiviert sind wie beim Suchtmittelkonsum, wie als wenn sie koksen würden.
Heyer spricht da von einem Belohnungssystem, das mit Dopamin funktioniert.
Und das Ding ist, das Dopamin wird nicht erst ausgeschüttet, wenn man gewinnt, sondern halt schon vorher.
Also wenn der Gewinn überhaupt in Aussicht gestellt wird.
Also quasi jedes Mal, wenn ich auf den Knopf drücke oder wie halt in dem Fall von Felicitas, wenn die die Webseite geöffnet hat, um dann halt im Internet zu zocken.
Weil es könnte ja sein, dass man diesmal den Hauptgewinn kriegt.
Ja, und das kann ich doch ein bisschen nachvollziehen, merke ich jetzt gerade, weil ich meine, ich habe auch schon mal Lotto gespielt in meinem Leben, vielleicht zweimal oder dreimal.
Aber wenn man dann diesen Schein hat und das ausfüllt, dann denkt man ja natürlich darüber nach, was ist, wenn das jetzt richtig ist und was ist, wenn ich jetzt den Hauptgewinn gewinne.
Was mache ich mit dem Geld und so? Und wenn man darüber nachdenkt, da merke ich ja selber, dass da bei mir Dopamin ausgeschüttet wird oder was weiß ich.
Weil ich, man wird ja direkt so euphorisch und denkt so, wie wäre das, wenn man so viel Geld hätte, was würde ich mir dann kaufen und wie cool wäre das eigentlich, wenn ich jetzt gewinnen würde.
Also Lotto, aber wahrscheinlich, weil ich das einfach, weil ich dieses andere Ding, aber Lotto.
Ja, aber beim Lotto, weißt du, das ist gleich so ein Riesengewinn. Bei diesen Automaten, was kommt da raus? Keine Millionen, ja.
Dann ist das nicht interessant, Frau Wurz.
Genau, bei mir kommt das so bei mir erst bei den Millionen raus.
Aber ja, selbst Lotto reicht schon, um dieses Belohnungssystem anzukurbeln.
Und ich meine, das funktioniert auch mit anderen Mitteln, also Essen oder Sex oder halt wie Suchtmitteln.
Und was man damit ja immer macht, ist schöne Gefühle hervorrufen, um die schlechten auszublenden.
Also zum Beispiel Stress oder Konflikte.
Und deswegen sage ich auch, dunkle Phase in meinem Leben, mir ging es nämlich psychisch gar nicht gut zu der Zeit.
Und unser Experte ordnet das Spielen da auch nochmal ganz klar ein.
Deswegen kann man letztendlich die Teilnahme am Glücksspiel auch als Mechanismus der Emotionsregulation bezeichnen.
Sie regulieren ihre Gefühle.
Letztendlich ist das Glücksspiel der Kauf von Emotionen, nicht mehr und nicht weniger.
Ich würde ja ehrlicherweise auch sagen, dass es gar nicht Glücksspiel heißt, weil man Glück braucht, um zu gewinnen,
sondern Glück beim Spielen empfindet.
Beim Gewinn wären die Emotionen jetzt natürlich eh sehr positiv.
Und man will dann sofort noch mehr gewinnen.
Also wenn man jetzt einmal getroffen hat, dann gleich nochmal.
Und die meisten würden ja jetzt vielleicht aufhören, wenn das Geld dann knapp wird.
Oder wenn sie Freundinnen und Familie belügen müssen.
Aber bei pathologischen SpielerInnen ist das dann halt ein bisschen anders.
Also Tobias Heyer spricht da vom sogenannten Chasing-Verhalten.
Zu Chase jagen, hinterherjagen von Verlusten.
Also die Gedankenlogik der Spielenden ist nicht, ich höre jetzt mal auf, ich spare Geld,
ich arbeite vielleicht ein bisschen mehr, sondern die Logik ist, ich muss nur noch einmal weiterzocken.
Dann kommt der große Gewinn und dann kann ich meinen Verlust so wieder ausgleichen
und vielleicht auch Geld, das ich mir geliehen habe, zurückgeben.
Das funktioniert natürlich nicht, ist aber Spielerlogik.
Und so war das damals bei mir ja auch.
Also als ich gespielt habe, war ich Studentin und ich bin zwar nebenbei Joben gegangen,
aber ich war natürlich immer voll am Limit mit meinem Geld.
Und trotzdem hat das logisch bei mir überhaupt nicht gegriffen.
Und ich erinnere mich an eine Situation, wo ich halt abends mit Freundinnen ausgegangen bin
und wir haben was gegessen und ich habe schon währenddessen gedacht,
das, was ich hier jetzt ausgebe, das hole ich mir gleich beim Spielen wieder rein.
Und dann bin ich halt nach dem Essen allein ins Automatencasino gefahren.
Das ist wirklich interessant, weil für mich ist es so, wenn ich ins Casino gehe, dann weiß ich, dass ich verliere.
Ja, das musst du natürlich auch so sehen und das sehe ich heute natürlich auch so.
Wenn ich jetzt heute ins Casino gehe und mich an den Roulette-Tisch setze, dann sage ich vorher,
okay, ich nehme jetzt hier den und den Betrag und der ist jetzt vorher schon weg.
Okay, ja.
Ja, das wäre logisch, aber so funktioniert das ja dann nicht, wenn man schon an der Sucht nahe ist oder dahin schlittert.
Was mir übrigens damals aufgefallen ist, mag vielleicht wenig überraschend sein,
aber Frauen sind in Automatencasinos natürlich eine Seltenheit gewesen.
Also eh in Casinos würde ich sagen generell immer mehr Männer überschuss,
aber gerade junge Frauen sind da wirklich am seltensten und das spiegelt sich auch bei den Betroffenen von der Spielsucht wieder.
Also junge Männer sind am meisten betroffen, eh jüngere Leute, weil sie für einen Risikokick anfälliger sind,
weil die Gehirnregion, die für die Impulskontrolle verantwortlich ist, erst ab Mitte 20 vollständig ausgebildet ist.
Und die Sucht geht oft mit einer Arbeitslosigkeit einher oder mit einem geringen Einkommen.
Da würde ich auch eher sagen, in Casinos sind auch viele ältere Damen, deren Mann vielleicht nicht mehr lebt,
die sehr viel Pelz tragen und sehr anfällig sind dann halt auch noch Menschen mit einer familiären Vorgeschichte.
Also wenn man beispielsweise mit einem Elternteil aufgewachsen ist, das glücksspülsüchtig war,
dann hat man ein vier bis fünf Mal höheres Risiko, auch daran zu erkranken, sagt Tobias Heyer.
Ja und wenn man so viel spielt, dass einem dann irgendwann das Geld ausgeht,
dann liegt bei manchen der Weg in die Kriminalität jetzt nicht so fern.
Also in die Beschaffungskriminalität, wo es sich halt um so Betrug, Diebstahl, Raub und sowas dreht.
Eben alles, bei dem man irgendwie schnell an Geld kommen kann, halt um weiter zu spielen.
Das kann sich immer mehr steigern, sodass die Betroffenen dann irgendwann ihre Moral komplett über Bord werfen
und eben anfangen, Menschen zu belügen, zu betrügen oder eben auch anderen Geld zu klauen,
wie das ja Felicitas in deinem Fall dann auch bei ihrer Mutter gemacht hat.
Und wie viele aber am Ende aufgrund ihrer Sucht kriminell werden, das kann nicht so einfach beantwortet werden.
Ja, weil das bei vielen jetzt auch nicht auffällt, über auch, dass sie überhaupt süchtig sind oder halt viel spielen.
Also ich habe damals auch einen Arbeitskollegen gehabt, dessen Verlobte auch gar nichts davon wusste
und der war halt auch sehr verschuldet wegen des Spielens.
Ja, und es ist auch generell so, dass jetzt pathologische SpielerInnen ziemlich gut darin sind, halt ihre Sucht zu verstecken
und es ist natürlich auch nicht immer einfach nachzuvollziehen, ob jetzt wirklich zwischen der Spielsucht und dem Delikt,
also zum Beispiel in einem Diebstahl, wirklich ein unmittelbarer Zusammenhang besteht.
Also ist der oder diejenige wirklich ausschließlich fürs Spielen kriminell geworden oder war der Hang zur Kriminalität schon vorher da und die Spielsucht hat das dann verstärkt?
Ja, aber generell sagt die Forschung schon, dass es da eine Verbindung zwischen Sucht und Beschaffungskriminalität gibt.
Das hat uns auch Tobias Heyer nochmal im Interview erklärt.
Es gab halt Studien in Kliniken mit Leuten, die da halt schon zur Behandlung ihrer Spielsucht waren
und von denen gaben 35 bis 90 Prozent, je nach Studie, an, dass sie schon mal kriminell geworden sind, um an Geld fürs Spielen zu kommen.
Mein Fall zeigt, was passiert, wenn der Ort, an dem das Spiel im Vordergrund stehen sollte, zum Schauplatz brutaler Gewalt wird.
Alle Namen habe ich geändert.
Ein stiller Alarm kann unbemerkt ausgelöst werden.
Er wird durch einen einzigen Knopf aktiviert, der unauffällig an einer Tür oder hinter einer Theke angebracht ist.
Wer ihn drückt, schickt einen Notruf an die Polizei.
Menschen, die sich vor einem Einbruch fürchten, haben so einen Knopf oder Unternehmen, bei denen viel Geld lagert.
Der stille Alarm, der am Morgen des 6. Juni 2014 um 7.19 Uhr bei der Polizei in Kirchheim-Bolanten in Rheinland-Pfalz eingeht, kommt aus einer Spielhalle.
Die BeamtInnen machen sich sofort auf den Weg, denn falls es sich um einen Überfall handelt, könnten die TäterInnen noch vor Ort sein.
In der Spielhalle angekommen, erwartet sie allerdings ein ungewöhnlicher Anblick.
Normalerweise sollte um diese Zeit schon geöffnet sein, doch jetzt ist der große Raum komplett dunkel.
Kein buntes Licht, das ihnen von den zahlreichen Spielautomaten entgegenflackert, die sich an den Wänden aneinanderreihen.
Und auch hinter der Theke, an der normalerweise Getränke und Wechselgeld über den Tresen gehen, steht niemand.
Überhaupt ist hier keine Mensch Seele.
Niemand, der eine Bedrohung darstellt und niemand, der den Notruf ausgelöst haben könnte.
Trotzdem ist den PolizistInnen sofort klar, dass es sich nicht um einen Fehlalarm handelt, denn auf dem Boden vor ihnen entdecken sie mehrere Haarbüschel.
Hier muss ein Angriff stattgefunden haben.
Der Blick hinter die Theke verrät, wie blutig dieser gewesen sein muss.
Auf dem Teppich ist so viel Blut, dass sich bereits eine Gelee-artige Masse gebildet hat.
Auf einem Hocker daneben liegt ein rot eingefärbtes Geschirrtuch.
Die unweit entfernte Kasse der Spielothek ist leergeräumt.
Für die Polizei ist klar, das geraubte Geld ist jetzt zweitrangig.
Die Beamtinnen müssen den Menschen finden, zu dem die Haare und das Blut gehören.
Etwa zwei Stunden zuvor.
Als Antonia die Haustür öffnet und ins Freie tritt, ist es noch früh am Morgen.
Und trotzdem strahlt die Sonne schon vom Himmel.
Das schöne Wetter hat ihr das Aufstehen etwas erträglicher gemacht, denn die 18-Jährige freut sich über den warmen Juni-Tag.
Auch, wenn jetzt erstmal eine Frühschicht auf sie wartet.
Das bedeutet, dass der Wecker heute schon zeitig geklingelt hat, aber auch, dass sie früher Feierabend machen und den Tag im Freien ausklingen lassen kann.
Außerdem ist heute Freitag.
Wenn sie die Schicht hinter sich gebracht hat, kann sie endlich ins Wochenende starten.
Ein entspannter Spaziergang zur Arbeit ist heute Morgen aber nicht drin, denn Antonia ist spät dran.
Weil sie vor wenigen Tagen einen Unfall hatte, kann sie nicht mit ihrem Auto fahren, sondern muss zu Fuß laufen.
Und das dauert jetzt doch länger als gedacht.
Ihr Weg führt sie an den Rand der Stadt, in ein Gewerbegebiet an der Bundesstraße.
Dort, umgeben von Autohäusern und Fitnessstudios, liegt die Spielothek, in der sie jobbt.
Die Sonne muss Antonia am Vormittag also gegen eine abgedunkelte Halle und bunt blinkende Automaten eintauschen.
Nicht unbedingt verlockend, aber immerhin ist das Geld einfach verdient.
Tagsüber sind meist nur fünf oder sechs Gäste da, denen Antonia Drinks macht und denen sie Geld zum Spielen wechselt.
Manche KundInnen kennt sie bereits, weil sie öfters kommen.
Fast alle sind sehr freundlich.
So auch der Mann, der heute schon vor der Spielhalle wartet, als Antonia etwas gehetzt gegen sieben Uhr bei der Arbeit ankommt.
Zwar kennt sie seinen Namen nicht, aber das Gesicht mit den buschigen Augenbrauen und den wenigen Haaren auf dem Kopf kommt ihr sofort bekannt vor.
Der Mann, den sie auf Mitte 40 schätzt, ist Stammgast und spielt regelmäßig an den Automaten, wenn Antonia Schicht hat.
Meist wechselt er nur kleine Beträge bis 20 Euro bei ihr.
Manchmal spricht er auch mit den blinkenden Maschinen vor sich.
Vielleicht, um sein Glück zu beeinflussen?
Wer weiß, er ist jedenfalls immer ruhig und freundlich.
Auch jetzt läuft er in Sport schon und mit Rucksack auf dem Rücken direkt auf Antonia zu und fragt, wie es ihr geht.
Die 18-Jährige antwortet, dass es ihr gut gehe und stellt dieselbe Rückfrage.
Doch von ihm keine Antwort.
Komisch, denkt sie sich.
Dann bittet sie ihn, kurz vor der Spielhalle zu warten, bis sie die Alarmanlage entschärft hat.
Antonia schließt also die Tür des Gebäudes auf und geht über die Schwelle in den Flur der Spielothek hinein, an dessen Wand ein großer Spiegel hängt.
Sie steuert auf die Alarmanlage zu und macht sich daran zu schaffen, als der Mann plötzlich hinter sie tritt und sagt, es tut mir leid.
Antonia denkt, dass er sich entschuldigt, weil er so früh dran ist, aber da packt er sie schon, hält sie fest, drückt ihr einen harten Gegenstand gegen den Hinterkopf und ruft Überfall.
Im Spiegel kann Antonia die Waffe erkennen, mit der er sie bedroht.
Und damit übernimmt die Angst das Sagen in Antonias Körper.
Sie ist ganz allein mit dem Mann in einer Umgebung, in der keine Wohnhäuser stehen und zu einer Zeit, in der die Betriebe noch wie ausgestorben sind.
Niemand da, der sie hören oder retten könnte.
Dann schritt plötzlich ein greller Ton durch die Halle.
Die Alarmanlage ist losgegangen.
Antonia hatte es nicht rechtzeitig geschafft, sie auszuschalten vor lauter Schreck.
Das Geräusch ist grässlich und laut und mit der Spannung, die im Raum liegt, beinahe nicht auszuhalten.
Jetzt ist es nicht nur Antonia, die Panik hat, sondern auch der Mann, der in ihrem Rücken steht.
Er fordert sie auf, die Anlage sofort auszuschalten.
Angsterfüllt versucht sie, den richtigen Code einzugeben, aber ihre Gedanken sind wie betäubt.
Ihre Finger zittern.
Zehn Sekunden.
Zwanzig Sekunden.
Dann schafft sie es endlich.
Um sie herum wird es abrupt still.
Die Bedrohung hinter ihr bleibt.
Der Mann will nun, dass sie die Eingangstür verschließt.
Antonia spürt immer noch die Waffe an ihrem Hinterkopf, also tut sie, was er sagt.
Auch als er sie ins Innere der Spielhalle in Richtung Theke leitet, wehrt sie sich nicht.
Sie versucht stattdessen dem Angreifer gut zuzureden.
Tu mir doch nichts, ich war doch immer lieb zu dir, sagt sie.
An der Theke angekommen, rückt der Mann endlich von ihr ab.
Er geht links an ihr vorbei in Richtung Kasse und zielt nun frontal mit der Pistole auf sie.
Antonia fleht weiter um ihr Leben und fängt schließlich an, erst laut um Hilfe und dann nach ihrer Mutter zu schreien.
Och Mann, die ist halt auch noch so jung, ne?
Ja.
Der Mann geht nicht auf sie ein, fordert sie stattdessen auf, die Kasse zu öffnen.
Nach kurzem Suchen nimmt Antonia den Schlüssel aus dem Versteck, schließt auf und bittet weiter, ihr nicht wehzutun.
Er reagiert wieder nicht, sondern holt ein Tuch aus seinem Rucksack und verbindet damit sein Gesicht.
Antonia versteht nicht, was das soll.
Was geht er sich, um bei seiner Flucht mit dem Geld nicht erkannt zu werden?
Aber sie hatte ihn doch bereits erkannt.
Eine böse Vorahnung macht sich in ihr breit.
Wird er sie töten, weil sie sein Gesicht gesehen hat?
Voller Angst sieht sie dem Mann dabei zu, wie er sich alle Scheine aus der Kasse in eine Hosentasche und alle zwei Euro Münzen in die andere steckt.
Insgesamt weniger als 800 Euro.
Antonia schlägt ihm vor, die Spielhalle jetzt durch den Notausgang zu verlassen.
Sie werde ihn auch sicher nicht verraten, sagt sie mit Nachdruck.
Und das meint sie ernst.
Sie würde alles dafür tun, dass er die Waffe senkt und mit dem Geld in seinen Taschen einfach abhaut.
Ohne ihr noch einmal nahe zu kommen und ohne sie zu verletzen.
Nur ist da nichts, was sie tun kann.
Der Mann hat seine Entscheidung offenbar bereits gefällt und zersprengt mit nur einem Satz all ihre Hoffnung.
Ich werde nicht gehen, sagt er und greift erneut in seinen Rucksack.
Wenig später folgen PolizistInnen in einer Blutspur, die durch die Spielhalle raus über eine Wiese bis in einen Straßengraben führt.
Dort liegt eine junge Frau.
Blut kühlt aus ihrem Hals, der von unzähligen tiefen Schnittwunden übersät ist.
Die BeamtInnen können es fast nicht glauben, aber es sieht aus, als hätte jemand versucht, der Frau den Kopf abzuschneiden.
Die Wunden klaffen weit auseinander, aber sie lebt.
Ihr Brustkopf hebt und senkt sich schwach.
Sie ist erschöpft und ihre Haut ist eiskalt.
Trotzdem ist sie bei Bewusstsein.
Sofort wird ein Notruf abgesetzt.
Die Frau muss so schnell wie möglich ins Krankenhaus.
Während die BeamtInnen auf die Rettung warten, setzen sie sich neben die Schwerverletzte ins Gras.
Es ist wichtig, dass ihr Körper jetzt nicht aufgibt, sondern weiterkämpft.
Nur noch ein paar Augenblicke.
Um sie nicht zu verlieren, versuchen die PolizistInnen mit ihr zu sprechen.
Es grenzt an ein Wunder, dass sie noch antwortet.
Ihr Name sei Antonia, sagt sie mit leiser Stimme.
Und bevor der Rettungshubschrauber neben ihr landet, kann sie der Polizei sogar noch Hinweise auf den Mann geben, der ihr das angetan hat.
Dann hebt der Helikopter ab Richtung Kaiserslautern und der Kampf um das Leben der 18-Jährigen beginnt.
Im Krankenhaus stellen die ÄrztInnen fest, wie schlimm Antonias Zustand wirklich ist.
Ihre Körpertemperatur ist viel zu niedrig.
Sie hat Unmengen an Blut verloren und rings um ihren Hals sind mehr als 30 Schnittwunden zu finden.
Manche von ihnen so tief, dass beide oberflächlichen Halswehen und ein Muskel durchtrennt wurden.
Sogar die Hauptschlagader liegt frei.
Wäre der Schnitt nur einen Millimeter tiefer gegangen, wäre sie sofort gestorben.
Aber die Schnittwunden sind nicht alles.
Antonia hat außerdem ein Schädel Hirntrauma und mehrere Unterblutungen erlitten.
Der Täter muss mit immenser Gewalt auf ihren Kopf eingewirkt haben.
Aufgrund der vielen schwerwiegenden Verletzungen droht ihr Körper zu kapitulieren.
Antonia erleidet im Krankenhaus einen Schlaganfall mit linkseitiger Lähmung.
Dem Personal in der Notaufnahme ist klar, Antonias Leben hängt nur noch an einem seidenden Faden.
Die Polizei versucht indessen schnellstmöglich herauszufinden, wer die junge Frau lebensgefährlich verletzt
und knapp 800 Euro aus der Kasse der Spielotheke stolen hat.
Dazu sucht man nicht nur den Tatort auf Spuren ab, sondern auch die nähere Umgebung.
Vielleicht ist der Täter zu Fuß geflohen, dann kann er nicht weit gekommen sein.
Doch von dem Unbekannten fehlt jede Spur.
Schon einen Tag später holt sich die örtliche Polizei Hilfe von der Kriminalinspektion in Worms und der in Mainz.
Eine Sonderkommission namens Spiel wird gebildet und um potenzielle ZeugInnen zu finden,
entscheiden sich die Ermittlenden an die Öffentlichkeit zu gehen.
In den Zeitungen in Rheinland-Pfalz kann man nun lesen, dass nach einem Mann 40 bis 45 Jahre alt und mit Glatze gesucht wird.
Außerdem heißt es, wo ist jemand, auf den die Beschreibung passt, am Tattag zu spät oder gar nicht zur Arbeit erschienen?
Wer verfügt plötzlich über Geld und wer hat Kleidung ohne erkennbaren Grund entsorgt?
Und tatsächlich, anhand von verschiedenen Aussagen kann die Polizei schließlich einen Mann identifizieren, der verdächtig erscheint.
Er trägt eine Halbglatze, ist in der Spielhalle bekannt und seit einer Woche nicht bei der Arbeit erschienen.
Sein Vorgesetzter sagt, dass sich der 54-Jährige namens Boris am Morgen der Tat wegen Übelkeit freinehmen wollte.
Er habe seinen Angestellten daraufhin in die Notaufnahme geschickt.
Seitdem habe er den Mann nicht mehr gesehen.
Auch zu Hause können die ErmittlerInnen Boris nicht antreffen.
So hat die Soko zwar einen Namen, aber immer noch keine Spur.
Und auch nicht von der Pistole, mit der Antonia bedroht, oder der Tatwaffe, mit der er ihr den Hals aufgeschlitzt hat.
Außerdem bleibt die Frage nach dem Motiv.
Wenn er nur Geld wollte, warum hat er dann offenbar versucht, Antonia zu köpfen?
Vier Tage nach der Tat in der Klinik in Kaiserslautern.
Hier liegt Antonia in einem sterilen Krankenhausbett und kämpft noch immer ums Überleben.
Aufgrund der vielen Verletzungen und dem hohen Blutverlust hat ihr Körper eine lebensbedrohliche Entzündung entwickelt.
Eine Art Blutvergiftung.
Es sieht nicht gut aus.
Tagelang bangen ihre Liebsten um die 18-Jährige.
Dann endlich die gute Nachricht der Ärzteschaft.
Antonias Zustand bessert sich.
Sie wird weiterleben.
Doch ihr Leben wird nicht mehr das sein, das sie kannte.
Als Antonia Besuch empfangen kann, nimmt nicht nur ihre Familie an ihrer Seite Platz, sondern auch zwei Polizeibeamtinnen, die statt Blumen oder Genesungskarten schlechte Nachrichten mitbringen.
Denn von dem Mann fehlt noch immer jede Spur.
Er laufe immer noch irgendwo da draußen herum, bewaffnet und äußerst gefährlich.
Niemand weiß das besser als Antonia.
Die Beamtinnen wollen nun von ihr wissen, ob sie sich noch an Details der Tat erinnern kann.
Aber Antonia kann nicht weiterhelfen.
Ihre Erinnerungen sind verschwommen.
Sie hat selbst viele Fragen und nur wenige Antworten.
Zwei Wochen nach dem Verbrechen an Antonia klingelt dann plötzlich das Telefon auf dem Polizeirevier.
Am anderen Ende der Leitung meldet sich der Inhaber einer Pizzeria.
Bei ihm im Laden sei ein Mann, der sich stellen möchte, sagt er.
Als die Beamtinnen in dem Lokal ankommen, steht vor ihnen ein augenscheinlich verwahrloster Mann.
Er ist ungepflegt, nicht rasiert und er scheint seine Klamotten tagelang nicht gewechselt zu haben.
An seinen Handgelenken sind tiefe Schnittverletzungen sichtbar.
Die PolizistInnen haben keinen Zweifel.
Es ist Boris.
Irgendwie seltsam, dass der sich in der Pizzeria stellt.
Ja, ich glaube, dass er davor eine Pizza da gegessen hat.
Wieso?
Also im Urteil stand, dass er halt eine Pizza gegessen hat.
Nicht, wo er die genau, ob er in dieser Pizzeria die Pizza gegessen hat, aber in der Zeit, wo er sozusagen auf der Flucht war, hat er eine Pizza gegessen.
Also hat er die gegessen, um nochmal ordentlich reinzuhauen.
Mit dem Geld, was er da vielleicht erbeutet hat und hat dann gesagt, hier bin ich.
Auf der Wache angekommen, erklärt er, dass er durstig sei.
Er bekommt Wasser und Kaffee und trinkt mehr als zwei Liter.
Die PolizistInnen bieten ihm auch etwas zu essen an.
Damit möchte Boris allerdings warten.
Er will erst erzählen, was passiert ist.
Ob er sicher sei, dass er dazu bereit ist, fragt ein Polizeibeamter mit Blick auf die Narben an seinen Handgelenken, die auf eine Selbstverletzung hindeuten.
Boris nickt und beginnt mit seiner Version der Geschehnisse vom 6. Juni 2014.
Er sagt, dass er am frühen Freitagmorgen vor zwei Wochen ganz spontan entschlossen habe, die Spielothek zu überfallen.
Es sei der letzte Tag gewesen, an dem er seine Stromrechnung in Höhe von 435,40 Euro hatte begleichen können, bevor ihm die Elektrizität abgeschaltet worden wäre.
Also brauchte er Geld.
Um seinen Plan in die Tat umzusetzen, habe er eine ungeladene Schreckschusspistole, Klebeband und ein Katermesser eingepackt.
Er wollte Antonia eigentlich nichts tun, doch sie habe so laut geschrien.
Aus Panik habe er ihr zuerst auf den Kopf geschlagen, sagt Boris.
Weil sie aber immer noch keine Ruhe gegeben hat, habe er ihr dann mit einem Teppichmesser zwei bis vier Schnitte am Hals zugefügt.
Danach habe ihn der Mut verlassen und er sei mit dem Geld geflohen.
Die knapp 800 Euro habe er dann aber in ein Gebüsch geschmissen.
Daran habe Blut geklebt, weshalb er es nicht mehr habe behalten wollen.
Die letzten zwei Wochen habe er sich im Wald versteckt und mit einem Messer versucht, sich zu suizidieren.
Boris kommt nach seinem Geständnis in Untersuchungshaft.
Eine Nachricht, die nicht nur besorgte BürgerInnen in der Umgebung erleichtert, sondern vor allem Antonia.
Ihre Erinnerungen an die grauenvollen Minuten, in denen Boris sie in seiner Gewalt hatte, sind inzwischen klarer geworden.
Sie ist sich sicher, dass der richtige Mann hinter Gittern sitzt.
Sie weiß aber auch, dass er nicht die Wahrheit sagt.
An ihrem Hals sind nicht die roten Male von zwei bis vier Schnitten zu sehen, sondern von mindestens 30.
Jedes Mal, wenn Antonia in den Spiegel schaut, wird sie an den Angriff erinnert, an die Todesangst und an den Mann, der ihr das angetan hat.
Noch schwerer wiegen allerdings die Narben, die Boris in Antonias Kopf hinterlassen hat.
Seit der Tat ist sie nicht mehr dieselbe.
Die 18-Jährige ist, als sie nach elf Tagen aus dem Krankenhaus entlassen wird, nicht nur weiter auf physische Hilfe angewiesen, sondern auch auf psychische.
Es wird so schlimm, dass sie stationär aufgenommen werden muss.
Antonia leidet unter starken Angstzuständen.
Im September, knapp drei Monate nach der Tat, versucht sie, eine Ausbildung im Verkauf anzufangen.
Sie will wieder ins Leben zurückfinden, wieder Geld verdienen und selbstständig sein.
Doch es geht nicht.
Die junge Frau, die einst in einer dunklen Halle vor allem männliche Kundschaft bedient hat, bekommt es jetzt mit der Angst zu tun, wenn ein Mann das Geschäft betritt, in dem sie arbeitet.
Sie muss die Ausbildung wieder abbrechen und während das Leben für alle um sie herum weitergeht, scheint Iris seit der Tat stillzustehen.
Ihre Tage in diesem Sommer verbringt sie nicht wie andere 18-Jährige im Freibad oder auf Partys, sondern arbeitet mit psychiatrischer Hilfe das Erlebte auf und bereitet sich auf das vor, was noch kommt.
Denn was Antonia noch mehr Angst als fremde Männer macht, ist der Gerichtsprozess, der ihr kurz vor Weihnachten bevorsteht.
Dort muss sie nämlich dem Mann gegenüber treten, der diese unkontrollierbaren Angstzustände in ihr ausgelöst hat.
Der Mann mit Halbglatze und buschigen Augenbrauen, der ihr eine Pistole an den Kopf gehalten und ein Messer an den Hals gestochen hat.
Sie fürchtet diesen Tag, aber sehnt ihn auch gleichzeitig herbei.
Denn sie will, dass er für das, was er getan hat, verurteilt wird.
Um den Ausgang der Gerichtsverhandlung mit zu beeinflussen, hat sich Antonia dafür entschieden, die Nebenklage anzutreten.
Beim ersten Verhandlungstag im Dezember bleibt ihr Platz im Gericht trotzdem leer.
Sie bleibt der Anklageverlesung wegen schweren Raubes in Tateinheit mit versuchtem Mord fern.
Sie weiß, was passiert ist und muss es nicht nochmal aus fremdem Mund hören.
Antonia betritt den Gerichtssaal erst am zweiten Verhandlungstag.
Der schlimmste Tag in ihrem Leben ist inzwischen mehr als ein halbes Jahr her und heute wird sie den Mann wiedersehen,
der sie damals am Rande zum Tod zurückgelassen hat.
Die mittlerweile 19-Jährige ist angespannt, als sie neben ihrer Anwältin Platz nimmt.
Sie weiß, wenn gleich die Tür rechts hinten in der Ecke aufgeht, dann sieht sie in das Gesicht, das sich in ihrem Kopf eingebrannt hat.
Sie will keine Schwäche zeigen.
Als sich die Tür dann wirklich öffnet, hält Antonia stand.
Ohne mit der Wimper zu zucken, sieht sie direkt ins Gesicht des hageren Mannes.
Verlegen erwidert er den Blickkontakt.
Kurz öffnet er sogar den Mund, um etwas zu sagen.
Bevor das passieren kann, stellt sich Antonias Anwältin allerdings schützend vor sie.
Daraufhin schließt Boris den Mund wieder und setzt sich auf die Anklagebank.
Als Antonia im Zeuginnenstand Platz nimmt, macht sie sich bereit, um allen Anwesenden im Saal von ihrem Überlebenskampf zu erzählen.
Von dem Angriff, der sie mit tiefen Narben am Körper und in der Seele zurückgelassen hat.
Und so kehrt sie an den Moment im Juni zurück, an dem ihr bewusst wird,
dass der Mann in der Spielothek nicht einfach mit dem Geld fliehen wird.
Nachdem er die Kasse leergeräumt hat und Antonia ihm vorschlägt, durch den Hinterausgang zu fliehen,
sagt er, ich werde nicht gehen und holt ein Panzertape aus seinem Rucksack.
Dann packt er Antonias Hände, drückt sie hinter dem Rücken aneinander und wickelt das Tape mehrmals um ihre Gelenke.
Mit jeder Klebebandschicht bekommt Antonia mehr Angst.
Sie schreit wieder um Hilfe, immer lauter.
Sie hofft, dass irgendwer sie hört, dass irgendwer diesen Albtraum beendet.
Da platziert der Fremde ein Stück Klebeband auf ihrem Mund und nimmt ihr damit neben ihrer Freiheit auch noch ihre Stimme.
Aber Antonia kämpft weiter, windet sich und tatsächlich, das Tape lockert sich von ihrem Mund
und für kurze Zeit kann sie wieder laut rufen.
Dann geht alles ganz schnell.
Antonia spürt, wie ihr mehrfach mit der Pistole auf den Kopf geschlagen wird.
So heftig, dass sie zu Boden geht.
Als sie den rauen Teppich unter sich spürt, sieht sie, wie der Räuber ein Tuch aus seiner Hosentasche zieht.
Es erinnert sie an ein Stofftaschentuch, wie es ihre Uroma benutzt, um sich die Nase zu schnäuzen.
Eigentlich harmlos, aber jetzt hat Antonia Panik, dass der Mann das Tuch in K.O.-Tropfen gedrängt hat, um sie zu betäuben.
Das darf nicht passieren.
Sie muss bei Bewusstsein bleiben, um ihr Leben rauszukommen.
Also schlägt und tritt sie um sich, als er ihr das weiße Tuch auf den Mund drückt.
Und auch dann noch, als er beide Hände um ihren Hals legt und sekundenlang zudrückt, wehrt sich Antonia mit all ihrer Kraft.
Da steht er auf und tritt ihr gegen den Kopf.
Antonia schreit weiter.
Kurz lässt er von ihr ab.
Dann kniet er sich wieder auf sie und plötzlich spürt sie einen stechenden Schmerz in ihrem Hals.
Einmal, zweimal, dreimal und immer weiter.
Es hört gar nicht mehr auf und es fühlt sich an, als würde er ihr mit den Fingern den Hals aufreißen.
Der Schmerz ist allgegenwärtig.
Er erfüllt jeden Winkel von Antonias Körper und macht sie schließlich bewegungsunfähig.
Es ist der Moment, in dem der Mann von ihr ablässt.
Antonia sieht, wie er plötzlich aufsteht, seine blutigen Hände an einem Geschirrtuch abwischt,
seine Sachen in seinen Rucksack packt und Richtung Tür geht.
Da richtet sich Antonia noch einmal auf und sagt die Worte, von denen sie nicht weiß, ob es ihre Letzten sein werden.
Du hast mir versprochen, mir nichts zu tun und jetzt blute ich so stark.
Dann sagt sie wieder in sich zusammen.
Der Mann lässt sie zurück.
Endlich ist Antonia allein in der Spielothek.
Auf dem Boden liegend kann sie in den Überwachungskameras sehen, wie der Mann wegläuft.
Jeder Zentimeter, den er sich entfernt, gibt ihr Hoffnung.
Doch sie weiß, sie braucht so schnell wie möglich Hilfe, sonst wird sie sterben.
Sie reibt ihre Hände so lange aneinander, bis sich die Panzertape-Fesseln lockern.
Dann nimmt sie noch einmal all ihre Kraft zusammen.
Antonia stützt sich auf ihre Hände und drückt sich nach oben,
um mit den Fingern den lebensrettenden Knopf hinter der Theke zu berühren, der die Polizei alarmiert.
Doch wer weiß, wann die eintrifft.
Antonia muss hier raus. Jetzt.
Also schleppt sie sich durch ein offenes Fenster in die Freiheit.
Sie schafft es, wenige Meter über eine Wiese bis rein in den Straßengraben,
wo sie die Polizei kurze Zeit später findet.
Spätestens jetzt ist allen Anwesenden im Gericht sehr klar, dass es fast unglaublich ist,
dass Antonia heute hier sitzt und sogar stark genug ist, ihrem Peiniger gegenüber zu treten
und ihre Aussage so gefasst vorzutragen.
Sie ist eine Kämpferin und ihr Mut beeindruckt alle.
Wie knapp Antonia dem Tod entkommen ist, unterstreicht auch die Aussage des Rechtsmediziners.
Er zählt noch einmal alle Verletzungen auf und stellt klar,
dass Antonia mit Sicherheit an ihren schweren Verletzungen gestorben wäre,
wenn man sie nur ein paar Minuten später gefunden hätte.
Ohne den Alarmknopf hinter der Theke hätte das also ihren Tod bedeutet.
Der Mann, der dafür verantwortlich ist, hat im Anschluss noch einmal die Möglichkeit,
seine Sicht der Dinge zu schildern.
Doch entgegen aller Beweise und trotz der Narben,
die er jetzt mit seinen eigenen Augen an Antonias Hals sehen kann, bleibt er dabei.
Er habe sie nicht töten, sondern nur ruhigstellen wollen.
Er wollte, dass sie das Bewusstsein verliert,
Also habe er sie mit seinem Cuttermesser ein wenig, Zitat, ritzen wollen.
Boris behauptet felsenfest, dass er nicht mit voller Kraft geschnitten,
sondern nur rübergezogen habe.
Er könne sich höchstens an drei oder vier Schnitte erinnern
und will direkt aufgehört haben, als er das Blut an seiner Hand gesehen hat.
Dann habe er das Geld genommen und sei geflohen.
Bei einem Blick zurück auf Antonia habe er gesehen, dass sie noch lebe.
Gott sei Dank, habe er gedacht,
dann könne sie sich ja bemerkbar machen.
Er habe nicht gewollt, dass sie stirbt, behauptet Boris.
Trotzdem hielt er es offenbar nicht für notwendig,
in Anbetracht des vielen Bluts anonym einen Rettungswagen zu rufen.
Boris bestreitet also vor Gericht die Tötungsabsicht und beschönigt den Rest.
Vor allem aber begibt er sich selbst in die Opferrolle.
Er erzählt ausführlich von der schweren Zeit, die er nach der Tat hatte.
Davon, wie er sich in den zwei Wochen nach der Tat
unter einer Baumwurzel versteckt und gefroren habe.
Von Hunger und Durst und einem misslungenen Versuch, sich zu suizidieren.
Und von der Panik, die ihn im Aufstieg, als er von Weitem PolizistInnen habe sehen können,
die nach ihm suchten.
Nach seiner Aussage ist dem Gericht klar, dass sich Boris vor allen Dingen bei der Polizei gestellt hat,
weil es ihm körperlich schlecht ging.
Und nicht etwa aus Reue oder aus Tateinsicht.
Warum er aber die Tat beging, ist immer noch nicht klar.
Ein psychiatrischer Sachverständiger soll Antworten liefern.
Im Zeug in den Stand erklärt der Experte, dass er zwar Eigentümlichkeiten in Boris' Persönlichkeit feststellen konnte,
aber keine ausgewachsene Persönlichkeitsstörung.
Vor der Tat habe er auch nicht an einer depressiven oder sogar suizidalen Krise gelitten.
Einzig und allein sein Glücksspielverhalten sei problematisch.
Der Sachverständige diagnostiziert ihm im Hinblick darauf eine Vorstufe des pathologischen Spielens.
Er habe zwar zeitlich begrenzt, aber trotzdem regelmäßig gespielt, um Langeweile und Unzufriedenheit zu kompensieren.
Noch am Abend vor der Tat saß er an den Automaten in derselben Spielothek, die er nur Stunden später überfallen hat.
Das Gericht braucht insgesamt nur fünf Verhandlungstage, um im Fall von Boris ein Urteil zu fällen.
Ende Januar 2015 wird es verkündet.
Die Kammer geht, anders als Boris es geschildert hat, davon aus, dass er den Überfall geplant hat.
Und zwar, um mit der Beute einerseits die offene Stromrechnung, andererseits aber auch seine Spielschulden zu begleichen.
Antonia habe er anschließend mit Tötungsvorsatz misshandelt.
Kein einziger Schnitt an ihrem Hals kann, wie von ihm angegeben, als Ritzer bezeichnet werden.
Die Tiefe und die Anzahl der Wunden spricht vielmehr dafür, dass Boris tatsächlich versucht hat, sein Opfer zu enthaupten.
Mit dem versuchten Mord habe er den schweren Raub vertuschen und sicherstellen wollen,
dass die junge Frau ihn nicht bei der Polizei verraten kann.
Damit bejaht das Gericht die Mordmerkmale Habgier und Verdeckungsabsicht.
Und so wird Boris wegen besonders schweren Raubs in Tateinheit mit versuchtem Mord zu zwölf Jahren Haft verurteilt.
Mit Abschluss des Prozesses geht es für Boris also zurück ins Gefängnis.
Höchstwahrscheinlich nicht für zwölf Jahre.
Er ist nicht vorbestraft und wenn alles gut läuft, kann er nach zwei Drittel der Haft einen Antrag auf vorzeitige Entlassung stellen.
Boris hat somit ein Datum, an dem er festhalten kann.
Ein Termin, an dem sein Leben wieder so sein könnte wie vor der Tat.
Antonia hingegen hat keinen Tag, an dem sie die Angst ablegen und wieder unbeschwert durchs Leben gehen kann.
Keinen Zeitpunkt, an dem die Narben auf ihrem Hals plötzlich unsichtbar werden.
Für sie beginnt nach Ende des Prozesses erneut eine stationäre Physio- und Psychotherapie, um weiter körperlich und seelisch zu heilen und aufzuarbeiten, was ihr passiert ist für 776 Euro, die er Peiniger aus der Kasse genommen und am selben Tag wieder weggeworfen hat.
Also das ist grauenhaft, grauenhaft, wie lang sich auch Zeit anfühlen muss, wenn du einen Knopf drückst und auch nicht weißt, sind die jetzt sofort auf dem Weg zu mir, was machst du bis dahin, kommt der Typ vielleicht nochmal zurück.
Ich weiß ja nicht, ob das einer der Gedanken dabei war, weshalb sie dann rausgerannt ist, aber wenn du von einem Graben sprichst, wo sie liegen geblieben ist, nachdem sie sich da rausgeschleppt hat, da hatte ich jetzt schon Sorge, wird sie da jetzt überhaupt rechtzeitig gefunden?
Ja, da geht es ja wirklich um Minuten dann.
Ja, ich kann mir vorstellen, dass sie einfach dachte, sie will da raus aus diesem Raum und zum Glück hat die Polizei dann ja durch diese Blutspuren in der Spielothek gecheckt,
Ja, aus welchem Fenster sie sich da geschleppt hat und hat sie dann gefunden.
Ein grauenhaftes Bild.
Und der Fall zeigt halt auch einfach, zu was manche Leute bereits und wenn sie halt nicht mehr weiter wissen, also jetzt in dem Fall wegen der Spielsucht, die ihn in den Abgrund getrieben hat.
Bei Boris wurde ja jetzt nur eine Vorstufe von so einer Spielsucht diagnostiziert, also bei dem war das jetzt nicht so ausgeprägt, dass es sich auf das Urteil ausgewirkt hat, aber bei einer
ausgeprägten Spielsucht kann das schon mal vorkommen, weil es sich dabei um eine krankhafte Impulskontrollstörung handelt, die in vielerlei Hinsicht schon mit einer Alkohol- oder Drogensucht vergleichbar ist.
Und wir wissen ja, wer im Drogenrausch und Verbrechen begeht, der kann unter Umständen mit einer Strafmildung rechnen, wenn die Steuerungsfähigkeit davon beeinflusst wird.
Vor Gericht stellt man sich deshalb natürlich auch die Frage, ob auch Spielsüchtige teilweise steuerungsunfähig sind und damit nach § 21 StGB vermindert schuldfähig handeln.
Die Antwort lautet Jein. Laut einem BGH-Urteil von 2004 stellt die Spielsucht in der Regel keine seelische Störung dar, die sich auf die Steuerungsfähigkeit auswirkt.
Es gibt aber Ausnahmen. Dann nämlich, wenn jemand so süchtig ist, dass er oder sie unter schwersten Persönlichkeitsveränderungen und oder Entzugserscheinungen leidet.
Also zum Beispiel, wenn man wegen der Spielsucht seine sozialen Beziehungen stark vernachlässigt, nicht mehr arbeiten gehen kann oder nonstop innerlich unruhig ist.
Und das war bei Boris ja nicht so. Der konnte seinem Beruf nachgehen und der hat auch nur um geringe Summen gespielt.
Sein Spielverhalten war also lange nicht so ausgeprägt, dass seine Steuerungsfähigkeit davon beeinflusst wurde oder dass er Recht und Unrecht nicht mehr unterscheiden konnte.
Anders war das im Fall des 36-jährigen Gustav, der wegen Betrugs in 28 Fällen angeklagt wurde.
In seinem Job sollte er nämlich eigentlich Geld von verschiedenen Kundinnen zur Anlage an eine Bank weiterleiten.
Stattdessen hat er das Geld, mehr als eine halbe Million Euro, aber in Spielbanken verspielt, am liebsten am Roulette-Tisch.
Vor Gericht konnte dann festgestellt werden, dass das Glücksspiel Gustav als Person total verändert hat.
Also der hat seine Beziehung und seinen Arbeitsplatz gefährdet, sein Umfeld belogen und sogar Entzugserscheinungen erlebt.
Sein ganzes Leben hat sich wirklich nur noch ums Spielen und die Beschaffung von Geld dafür gedreht.
So sehr, dass das Gericht dann von einem Zitat
Und so wurde am Ende eine erhebliche Verminderung der Schuldfähigkeit bei ihm festgestellt und Gustav zu, in Anführungszeichen, nur zwei Jahren auf Bewährung verurteilt.
Viele Infos zu dem Thema kommen aus einem Fallbericht des Psychologen und Suchtforscher Gerhard Meyer von der Uni Bremen.
Und er erklärt in diesem Bericht, dass die Relevanz der Glücksspielsucht in forensischen Gutachten mittlerweile deutlich zugenommen hat.
Also das Thema wird vor Gericht immer wichtiger.
Leider aber auch aus dem Grund, weil es halt oft Teil von einer Verteidigungsstrategie ist, damit die Täter eine mildere Strafe bekommen.
Also quasi als Schutzbehauptung.
Genau, das ist oft ein Grund und nicht, dass es etwa immer mehr Spielsüchtige gibt und demnach auch immer mehr Spielsüchtige, die irgendwelche Straftaten begehen.
Tobias Heyer hat auch im Interview gesagt, dass die Spielsucht halt eben nicht zum Freifahrtschein vor Gericht werden darf.
Also die Diskussion um die Steuerungsfähigkeit von Betroffenen hält er halt trotzdem für wichtig, weil wenn er die Krankheitsbilder vergleicht, sieht er kaum Unterschiede zu anderen Suchterkrankungen, sagt er.
Das sollte seiner Meinung nach dann auch forensisch ähnlich bewertet werden.
Und außerdem sagt er, dass die Spielenden tatsächlich phasenweise wie in Trance seien.
Er spricht da von einem sogenannten Hot-Mode.
Wenn Sie mal einen Hardcore-Spielenden befragen, wenn der aus der Spielhalle rauskommt, wie lange hast du gezockt?
Der sagt dir zwei Stunden, tatsächlich war er acht Stunden in der Spielhalle, weil er Raum und Zeitgefühl tatsächlich verliert und auch hier in einer Art anderem Erlebniszustand ist.
Der sogenannte Cold-Mode, wenn Sie rational denken, dann wissen die Glücksspielenden, spätestens wenn sie das Tageslicht oder das Nachtlicht sehen, ich habe wieder Scheiße gebaut.
Aber in der Spielsituation greift quasi ein anderer kognitiver Modus, der Hot-Mode.
Da geht es mehr um Emotionalität, nicht um Ratio.
Und da stellt sich schon die Frage, ob nicht diese Erlebniszustände zumindest vergleichbar sind, nicht identisch, aber vergleichbar sind, mit Erlebniszuständen unter Alkoholkonsum beispielsweise.
Und an was mich das erinnert hat, war diese Geschichte, dass mal jemand beim Computerspielen gestorben ist, wo ich mir dann wieder unsicher war, ob das nicht vielleicht eine Black-Story war.
Deswegen habe ich da jetzt nochmal nachrecherchiert.
Und es ist tatsächlich, ist gar nicht lustig, es ist tatsächlich so, dass vor allem in Südkorea Menschen sterben, weil sie zu lange spielen.
Also da gab es zum Beispiel einen 38-jährigen Mann, der 20 Tage vor dem PC gehockt hat und der hat sich nur von Nudelsuppe aus der Tüte ernährt.
Also der ist nicht verdurstet, sondern der ist einfach letztendlich tatsächlich an Erschöpfung gestorben, an Mangel aus Sauerstoff, Bewegung und natürlich auch an Schlafmangel.
Und es gab noch einen anderen Fall eines jungen Mannes, der hat 50 Stunden ununterbrochen gespielt und soll in dieser Zeit wohl tatsächlich weder gegessen noch getrunken haben und ist dann irgendwann komplett dehydriert vom Stuhl gefallen.
Wow, also dann hast du dich ja wirklich komplett aus Raum und Zeit geschossen.
Ja, aber eine Spielsucht kann man nicht nur mit einer Alkoholsucht vergleichen, sie treten auch häufig zusammen auf.
Eine zugegeben schon etwas alte Studie aus den USA hat in den Jahren 2001 und 2002 mehr als 43.000 Personen befragt und festgestellt, dass fast 75 Prozent der Menschen mit Spielstörung auch alkoholabhängig waren.
38 Prozent hatten darüber hinaus ein Drogenproblem.
Außerdem hat dieselbe Studie einen Zusammenhang mit anderen psychischen Krankheiten überprüft und herauskam, dass die Spielsucht häufig in Kombination mit einer Zwangsstörung, mit antisozialem Verhalten oder mit Paranoia auftritt.
Ja, und als ich das mit der Paranoia das erste Mal gehört habe, das hat mich halt gar nicht gewundert, weil ich wirklich schon so viele verschiedene verrückte Situationen beim Spielen erlebt habe.
Also angefangen bei Theorien, wie das mit den Automaten funktioniert.
Ja, also als ob das jetzt nicht irgendwie ein Zufallsgenerator ist irgendwie dahinter.
Und ich habe tatsächlich auch damals, ich habe den Beitrag leider nicht mehr gefunden, aber ich glaube, der war von Inforadio.
Und da haben die Spielende vor allem Frauen interviewt.
Und da ging es dann um irgendwelche Verschwörungstheorien, weil es sich für manche so anfühlt, als ob man anfangs eher gewinnt.
Und dann gibt es so Theorien, dass die BetreiberInnen unter der Bar so Knöpfe hätten, um den Automaten dann durchzugeben, wer neu ist und sozusagen noch angefixt werden muss.
Und wenn es, als du eben gesagt hast, dass du bei diesem Greifarm immer bei der ersten Sache gewonnen hast, habe ich, ich habe das auch sofort gedacht.
Und ich glaube ja auch mit den Automaten, also ich traue denen ja auch nicht, ich glaube halt nicht an diesen Zufallsgenerator.
Ich bin so paranoid bei dieser Spielsache.
Ich bin da so misstrauisch.
Ja, aber was soll denn, also.
Ja, dass die einfach einstellen, dass du nicht gewinnst.
Oder dass du halt, dass.
Weil ich kenne Leute, die haben schon gewonnen.
Ja, aber die haben mehr verloren, als dass sie gewonnen haben.
Nee, bei der einen weiß ich das wirklich gar nicht.
Echt?
Also, weil die hat halt sehr viel gewonnen.
Okay, aber ich sage, genau, das ist so mein Gefühl.
Ich bin da so misstrauisch.
Und deswegen, wenn ich im Casino bin, was ich ja manchmal dann auch mache, dann spiele ich immer nur Blackjack oder halt Roulette.
Wann gehst du mal ins Casino? Warum waren wir da noch nie zusammen?
Nee, ich möchte nicht mit dir.
Ich möchte nicht mit dir.
Ich habe Angst, dass du dann halt bleiben willst.
Natürlich will ich da bleiben.
Aber du würdest auch alleine bleiben.
Das stimmt.
Nee, aber ich war, ich sage mal, viermal in meinem Leben im Casino.
Und da habe ich aber immer nur eben Blackjack oder Roulette gespielt, weil ich da am wenigsten denke, dass mich irgendjemand bescheißen kann.
Ja, da gibt es Leute, die dir da widersprechen würden.
Und meinen Casinos beeinflussen auch die Kugel beim Roulette mit keine Ahnung was.
Es ist natürlich alles Quatsch, aber es gibt wirklich etliche solche Geschichten.
Auch so Sachen, die halt Glück bringen sollen natürlich.
Wenn du beim Roulette, sagen wir zum Beispiel, auf die 13 getroffen hast, dann muss der Chip da liegen bleiben, mit dem du getroffen hast.
Also du darfst den dann nicht woanders hinlegen.
Das bringt Unglück.
Und was mir letztes Mal auch aufgefallen ist, also ich habe das vorher nie gesehen.
Die Leute neben mir, die haben alle dasselbe Spiel gespielt.
Und da war es so, wenn man so Freispiele hatte, dann mussten sich auf dem Bildschirm so Kacheln aufbauen.
Und das mussten wenn möglich immer dieselben Symbole da drauf sein.
Und die Leute haben dann angefangen, wirklich jedes Mal die Kacheln, die noch nicht aufgedeckt waren, so mit den Fingern auf den Bildschirm rumzutippen.
Ja.
Um, ja, was genau zu tun.
Die machen das, weil sie denken, es bringt Glück.
Hex, Hex, Hex, Hex, Hex, Hex.
So haben die immer gemacht.
Auf den ganzen Bildschirmen haben die dann immer mit den Fingern so gemacht.
Und zwar alle.
Wo war das?
Na, in einem Casino.
Aber es ist ja kein Touchscreen, oder?
Nein.
Okay.
Gott.
Der Boris aus meinem Fall hat ja auch mit denen geredet.
Also diese Automaten, das ist wirklich suspicious alles für mich.
Ich möchte auch wirklich niemals so eine Spielothek betreten.
Jetzt mit deinen Geschichten und alles habe ich das Gefühl, wenn man da reinkommt, dann betritt man irgendwie so eine ganz neue Welt.
Ja, also du zoomst dich halt auch wirklich raus.
Für den Moment.
Und es ist natürlich auch nicht ein sehr soziales Spiel.
Ja.
Ist dann alleine irgendwo anders.
Ja, stimmt.
Auch nicht so cool.
Und dann hat es natürlich auch was sehr unglamouröses im Gegensatz zu Casinos.
Ich meine, die gibt es jetzt nicht so oft.
Es gibt irgendwie 65 oder so in Deutschland.
Aber Spielotheken gibt es halt weit häufiger.
Die letzte Zahl, die ich gefunden habe, war von 2021.
Da gab es so 5.000.
Und dann gibt es nochmal 6.000 Wettbüros.
Und das ist ja schon viel.
Also über 11.000 Anlaufstellen, wo du dem Spielen nachgehen kannst.
Das heißt, du findest die eigentlich an jeder Ecke.
Und diese hohe Verfügbarkeit, die wird halt natürlich auch von SuchtexpertInnen kritisiert.
Weil es heißt, die Suchtgefahr ist am höchsten, wo eine hohe Verfügbarkeit auf hohe Spielgeschwindigkeit trifft.
Und das ist halt eben das Ding mit diesen Lottospielen.
Ich glaube, deswegen catcht mich das auch nicht so.
Weil zweimal die Woche maximal irgendwie ein paar Zahlen ankreuzen und dann erst Tage später wissen, ob man gewonnen hat.
Das ist vergleichsweise einfach irgendwie langweilig.
Und Automaten hingegen oder halt Live-Wetten sind viel spannender und deswegen auch gefährlicher.
Weil man halt innerhalb von Sekunden weiß, ob man gewonnen oder verloren hat.
Und man halt sein Glück dann auch immer wieder versuchen kann und will.
Noch extremer ist das natürlich im Internet.
Also vor allem, was Verfügbarkeit angeht.
Weil du kannst ja 24-7 zu Hause zocken auf dem Handy.
Du musst nicht mal aufhören, wenn du auf Klo willst.
Ja, stimmt.
Aber nicht nur die Verfügbarkeit ist ein großes Problem.
Was jetzt Prävention von Spielsucht angeht, ist auch die Werbung.
Und da hatte Tobias Heyer noch einen guten Punkt.
Weil während wir es in Deutschland geschafft haben, jetzt Werbung für Zigaretten und Alkohol ordentlich einzuschränken,
ist man da laut ihm im Glücksspielbereich tatsächlich komplett falsch abgebogen.
Weil was er meint ist, dass das Glücksspiel im Rundfunk und im Internet grundsätzlich zwischen 9 Uhr abends und 6 Uhr morgens beworben werden darf.
Und für Sportwetten zum Beispiel gibt es überhaupt keine zeitliche Begrenzung.
Und wir wissen alle, Werbung wirkt.
Und das kann natürlich nicht nur neue SpielerInnen verführen, sondern auch die, die schon vorbelastet sind.
Also wenn man gerade versucht, mit dem Spielen aufzuhören und einem dann überall bunte Banner entgegen blinken,
die halt richtig fette Gewinne versprechen, dann kann man sich ja vorstellen, wie schwer das ist, da dann nicht drauf zu klicken.
Genau, das hatte auch der Autor Sascha Heilig erzählt.
Mit dem haben wir Hintergrundgespräche geführt für diese Folge.
Der war halt auch lange süchtig und nach Spielautomaten und hat es dann geschafft, spielfrei zu werden,
bis er dann diese Werbung von diesen Online-Casinos gesehen hat.
Weil das hat ihn wieder direkt reingezogen, hat er uns erzählt.
Ich meine, die sind halt auch verlockend.
Ich kenne das auch von so App-Werbungen.
Wenn ich da irgendwie eine App sehe oder ein Spiel und ich denke so, ah ja geil, das will ich auch gleich spielen.
Aber es gibt ja auch noch andere Methoden, wie zum Beispiel Influencer-Marketing.
Also wenn man zum Beispiel Influencer bezahlt, damit sie dann bei Streaming-Plattformen wie Twitch oder so
sich dabei aufnehmen, wie sie halt in Online-Casinos spielen.
Also man kann ihnen dann live dabei zuschauen, wie sie Geld einsetzen und dann halt ab und zu auch richtig ausrasten, wenn sie was gewinnen.
Ganz vorne mit dabei waren halt lange Zeit Knossi und Montana Black.
Und wir hören einmal kurz rein, wie viele Emotionen da losgelassen werden, wenn man gewinnt.
Das ist jetzt Knossi hier an der Stelle.
Und das sind dann unter Umständen seine zwei Millionen Follower in Montana Black hat fünf Millionen.
Das sind halt richtig viele Menschen, die sie dann mit diesen Streams erreichen können.
Und viele davon sind halt Jugendliche und junge Erwachsene, meist Männer.
Also genau die Zielgruppe, die da dann auch anfällig fürs Glücksspiel ist.
Aber die beiden streamen jetzt nicht mehr auf Twitch.
Darf man übrigens jetzt auch nur noch bei Sportwetten und Poker mittlerweile.
Und dieses Influencer-Marketing generell, da kann man sich ja fragen, wie korrekt das ist,
irgendwie seinen Followern Produkte anzudrehen, die man jetzt selbst gar nicht benutzen würde.
Also ich habe Montana Black, habe ich mal in einem Casino getroffen.
Also der konsumiert ja offenbar, was er da auch bewirbt.
Okay, ja.
Gut.
Das ist mir die liebste Influencer-Werbung, wenn die das auch wirklich dahinterstehen, ja.
Aber beim Glücksspiel, da ist es vielleicht nochmal eine Nummer problematischer,
das seinen Followern so zu verkaufen, so als, yay, das macht voll viel Spaß und macht mir das nach und so,
weil man eben weiß, dass das halt in der Sucht abrutschen kann.
Kann, muss es nicht.
Wie auch immer, wenn ihr irgendwie das Gefühl habt, ihr geht da irgendwie in eine komische Richtung bei Glücksspielen oder so.
Wir haben euch da zwei Webseiten in die Folgenbeschreibung gepackt, die Informationen und Telefonhilfe und Selbsthilfegruppen für Glücksspielsüchtige
oder welche, die auf dem Weg dahin sind oder deren Angehörige bereitstellen.
Meldet euch da, wenn ihr das Gefühl habt, dass ihr Hilfe braucht.
Das ist kostenfrei und anonym.
Da muss man sich auch nicht für schämen.
Ich tue es heute nur ein bisschen.
Jetzt weiß jeder davon.
Toll.
Aber es ist wirklich so, als du mir das zum ersten Mal erzählt hast, ich habe das irgendwie gar nicht geglaubt.
Ich fand das total absurd, dass das gefühlt nicht mehr ganz locker war, sozusagen, wie du gespielt hast.
Nee, gar nicht.
Nee, war es ja gar nicht.
Aber das ist witzigerweise was, was ich ganz oft als Reaktion kriege.
Dieses Du und das hätte ich ja nie gedacht.
Und ich denke dann immer, okay, was ist euer Bild von einer Person, die in eine Sucht abrutscht?
Also, okay, ich bin jung, kriege mein Leben einigermaßen in den Griff.
Aber, ne, also Süchte schleichen sich halt in viele Personen ein.
Ja, bei mir war das jetzt so, warum ich das jetzt bei dir nicht gedacht hätte, war, weil ich so dachte,
ja, die wird das ja besser wissen, als dass sie ernsthaft denkt, die gewinnt da jetzt mehr, als dass sie verliert.
Genau, aber du machst es ja nicht, also ich mache das nicht, um zu gewinnen, sondern weil es mir halt Spaß bringt in dem Moment.
Das ist ja dieses, das, was unser Experte auch gesagt hat, dieses, ich drücke auf das Knöpfchen und in dem Moment erkaufe ich mir damit eigentlich Glück.
Ja, es geht gar nicht so um, ich meine, man ärgert sich dann natürlich, wenn man gar nicht gewinnt und man die ganze Zeit nur verliert.
Aber deswegen ist dieser Punkt mit der Gefühlsregulierung für mich so interessant, weil mich das ja damals zu einer Zeit getroffen hat, wo es mir halt nicht so,
also ich tue jetzt so, als hätte das nichts mit, es hat mich getroffen wie ein Schicksalsschlager, ich bin ja schon selbstständig da rein spaziert,
aber eben einfach ein Instrument zu haben, sich so in eine ganz andere Welt begeben zu können und sich nicht mit seinen eigentlichen Problemen auseinandersetzen zu müssen,
weil ich glaube, dass das tatsächlich eines der größten Themen ist, warum Leute da halt hingehen, ne, also wie mit, wie mit anderen Süchten natürlich auch.
Dass es einen Auslöser gab oder irgendwas, vor dem man eigentlich fliehen möchte.
Ja, das ist es auf jeden Fall und Menschen wie ich, die das nicht nachvollziehen können, weil es ihnen halt nicht so viel Spaß macht,
können dann, glaube ich, eine Sucht wie eine Spielsucht einfacher runterreden als eine Drogensucht zum Beispiel.
Weil ich das natürlich, wenn ich höre, keine Ahnung, diese Droge macht das und das mit dir.
Ich wollte gerade sagen, Drogen machen dir halt schon Spaß.
Und dann kann ich es besser verstehen, wenn man diesen Kick immer wieder will.
Aber natürlich, wir haben es ja jetzt auch gehört, es ist eine anerkannte Krankheit, es ist eine Impulsstörung,
weil es eben dieses Dopamin ausschüttet, wie du sagst, und für einen kurzen Moment glücklich macht, wenn du diesen Knopf drückst.
Jetzt drücke ich den Ausknopf, das macht mich für heute auch glücklich.
Und euch alle traurig.
Das war ein Podcast der Partner in Crime.
Hosts und Produktion Paulina Graser und Laura Wohlers.
Redaktion Isabel Mayer und wir.
Schnitt Pauline Korb.