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#129 Der staat, der feind

Ich lächze ja immer nach neuen True-Crime-Formaten, sei es Podcast oder Dokus oder sowas.
Und jetzt hat Paulina was für mich.
Wobei es ist ja eigentlich gar nicht so neu, weil eigentlich ist ja schon ein paar Jahre alt, die Geburtsstunde zumindest.
Es gibt nämlich ein Wiederauferstehen von Schuld und Sühne.
Das ist das Format, was Laura und ich mal als YouTube-Format gemacht haben und eine Doku haben wir dazu auch gemacht.
Und Laura hat das Erbe von Schuld und Sühne jetzt alleine an mich abgetreten.
Und wir haben das Format jetzt neu konzipiert und da laufen jetzt am 15. September, also diesen Freitag, ab 20.15 Uhr beide Dokus bei ZDF-Info.
Es gibt also eine ganze True-Crime-Night am Freitag.
Und das sind ja beides Fälle, die wir im Podcast noch nicht besprochen haben, ne?
Genau.
Ja, also wir hatten die hier mal als Vorschlag schon immer auf dem Tisch, aber die konnten wir ja jetzt nicht machen.
Und bei dem ersten Fall, da geht es eben um einen Mann, der ewig in einem Haus lebt und von heute auf morgen einfach verschwindet.
Und niemandem fällt das so richtig auf, bis auf eine einzigen Person.
Und die sorgt dann am Ende auch dafür, dass nicht nur der Fall gelöst wird, sondern auch noch ein weiterer in den Fokus der Ermittlungen rückt.
Und beim zweiten Fall, da geht es um einen Mann, der eine Affäre hat und über diese Affäre verliert er irgendwann die Kontrolle.
Und das kann er nicht akzeptieren und deswegen wird er alles in seiner Macht Stehende tun, um die wiederzubekommen.
Ich war ja jetzt nicht dabei beim Konzipieren und Drehen und so weiter.
Aber es ist doch schon so, dass es sich von der Doku, die wir zusammen gemacht haben, unterscheidet, weil ihr auch mit ExpertInnen sprecht und so ein bisschen Metathemen habt, oder?
Ja, genau. Also wir haben auch eine Art Oberthema, das über jedem Film schwebt.
Und eine unserer ExpertInnen, über die freue ich mich ganz besonders, das ist Christina Klemm.
Die ist Fachanwältin für Strafrecht und hat ein ganz hervorragendes Buch namens Akteneinsicht geschrieben.
Da geht es vor allem viel um Frauentötung.
Und dann haben wir in beiden Filmen aber auch jeweils Personen, die bei dem Fall eine Rolle gespielt haben.
Also seien das Angehörige oder FreundInnen des Opfers und dann eben auch den Mann, der den einen Fall sozusagen aufgeklärt hat.
Oder auch die Kriminalhauptkommissarin.
Okay, also ich weiß, was ich diesen Freitag ab 20.15 Uhr machen werde, wo ich sein werde.
Auf ZDF-Info.
Genau, auf meiner Couch und im Fernsehen läuft ZDF-Info.
Aber solltet ihr es nicht schaffen, das so zu machen wie ich, die Filme findet ihr auch in der ZDF-Mediathek und den Link packen wir euch in die Folgenbeschreibung.
Genau, ich würde mich super freuen, wenn ihr einschaltet.
Und damit herzlich willkommen zu Mordlust, einem Podcast der Partner in Crime.
Wir reden hier über wahre Verbrechen und ihre Hintergründe.
Mein Name ist Paulina Kraser.
Und ich bin Laura Wohlers.
In jeder Folge gibt es ein bestimmtes Oberthema, zu dem wir zwei wahre Kriminalfälle nach erzählen, über die diskutieren und auch mit Menschen mit Expertise sprechen.
Hier geht es um True Crime, also auch um die Schicksale von Menschen.
Bitte behaltet das immer im Hinterkopf, das machen wir auch.
Selbst wenn wir zwischendurch mal ein bisschen ungehemmter miteinander reden, das ist für uns immer so eine Art Comic Relief, aber natürlich nicht despektierlich gemeint.
Paulina, wie stehst du eigentlich zu Regeln, die dir der Staat vorgibt?
Also ich finde Regeln generell eigentlich ein ganz wichtiges Konstrukt im Zusammenleben und ich glaube auch ein weit unterschätztes Konstrukt.
Und das liegt natürlich auch daran, dass wir einfach so darauf gepolt sind, so zu leben, zumindest die meisten Menschen, wie es regelkonform ist.
Aber es ist natürlich deswegen ganz wichtig, weil wir so viele Menschen sind und wir brauchen ja irgendwas, das das Zusammenleben regelt.
Weil wenn alle Menschen machen würden, was sie wollten, halleluja.
Und in unserem Podcast geht es ja auch immer um Regeln und Regelbrechende.
Und zwar ja die, die die höchsten Regeln in Deutschland eigentlich missachten.
Und wir reden ja dann viel darüber, was passiert, wenn man sich nicht an diese Regeln hält.
Das stimmt, das sind dann natürlich Regeln, wo ich jetzt sagen würde, sehr sinnvolle Regeln, nämlich Gesetze, die im Strafgesetzbuch stehen.
Es gibt ja aber auch Regeln oder ja Regeln des Zusammenlebens, wie du schon sagst, die nicht so wichtig sind manchmal, ja.
Also ich sage dir mal ein Beispiel und da sehe ich halt besonders den Unterschied zwischen Großbritannien und Deutschland, ja.
Also wenn man an der Ampel steht und die Ampel ist rot, die Fußgängerampel, dann ist ja die Regel, dass man da eigentlich nicht drüber gehen sollte, weil es ist ja rot.
Und in Deutschland halten sich viele Leute da dran, im Gegensatz zu hier.
Hier hält sich eigentlich niemand da dran, ja.
Und ich habe mich jetzt auch schon ein bisschen hier an die Lebensweise gewöhnt, ist ja klar, ne.
Ich wohne hier, ich bin jetzt quasi schon Britin und laufe halt über die rote Ampel, wenn nicht gerade Autos kommen, ne, ist klar.
Oder wenn nicht gerade ein kleines Kind neben mir steht.
Und hier habe ich das Gefühl, die sehen diese rote Ampel so als Vorschlag.
Hier könnte man stehen bleiben, weil es könnte gefährlich werden.
Aber der Mensch an der Ampel entscheidet selbst für sich, ob es jetzt gefährlich ist oder nicht, darüber zu gehen.
Und wenn ich quasi weit und breit kein Auto sehe und diese Ampel ist fünf Minuten auf rot, weißt du, dann fällt es mir schwer, wenn ich jetzt in Deutschland bin, stehen zu bleiben.
Ja, genau.
Also bei mir wird es auch da schwierig, bei den Regeln, bei denen ich der Meinung bin, dass sie nicht so viel Sinn ergeben in dem Moment.
Ja.
Also generell großer Fan von Regeln, aber das ist natürlich schwierig, Regeln Menschen zu verkaufen, wenn man so ein bisschen das Gefühl hat, entweder die bringen nichts oder sie sind gar nicht notwendig.
Ja.
Also wie zum Beispiel, dass ja bei vielen Menschen in der Corona-Pandemie war.
Ich meine, da waren wir ja auch, haben uns sehr an Regeln gehalten, aber es gab ja dann auch viele und vielleicht hat man dann das ein oder andere Mal, hat man dann eine Freundin ein bisschen länger besucht, als man eigentlich hätte dürfen.
Genau. Ich finde, vor allem bei Corona, bei den Maßnahmen, hat sich so gezeigt, wer ist wie drauf, wer hält sich an alle Regeln und wer hinterfragt auch so ein paar Regeln.
Ja, aber nicht nur hinterfragen, sondern wer ist auch absichtlich aufmüpfig und ein Terrorschwein, ja?
Ja.
Weil manche, also bei manchen war es ja wirklich einfach nur, um gegen die Regeln zu verstoßen, aus Trotz.
Ja, das stimmt.
Weißt du, es gibt ja einmal dieses Empfinden, ist die Regel für mich jetzt tatsächlich sinnig?
Und was können wir mit dieser Regel aber für einen Effekt bewirken, wenn sich ganz viele Menschen daran halten, ne?
Und ich glaube, das waren vor allem auch so Punkte, wo dann viele gesagt haben, ja, hier geht es mir dann jetzt aber zu weit, weil sie in dem Moment ja nicht den großen Effekt gesehen haben, den das bringen konnte, sondern nur ihre eigenen Einschränkungen, die damit einhergingen.
Genau, und ich glaube, da ist auch diese Krux von Regeln, ne?
Wie weit empfindet ein jeder das Regeln des Staates einen beeinträchtigen oder eben nicht?
Helfen sie mir im Zusammenleben mit anderen oder beschränken sie mich in irgendeiner Weise zu doll, ne?
Genau, und das hat ja auch ganz viel damit zu tun, ob man dem Staat vertraut oder nicht, ne?
Und was für eine Beziehung man zum Staat und auch mit der aktuellen Regierung hat.
Und da hatte ich das Gefühl, das war in Deutschland auf jeden Fall ein bisschen schwieriger als in anderen Ländern.
Also ich habe viel in der Zeit mit meinen FreundInnen aus anderen Ländern in Europa darüber geredet und hatte schon das Gefühl, dass wir in Deutschland in der Zeit wirklich nochmal ein spezielleres Verhältnis zu den Regeln, die uns auferlegt worden sind, hatten und zu den Regierungsentscheidungen.
Bei uns in der Folge geht es heute um Menschen, die mit Regeln und Gesetzen, die uns der Staat auferlegt, wenig anfangen können.
Und mein Fall zeigt, was passieren kann, wenn jemand den Staat zum Sündenbock seines eigenen Fehlverhaltens erklärt.
Alle Namen habe ich geändert.
Schwarz, Rot und Gold.
Es sind diese drei Farben, die das Outfit des Mannes mit den zurückgekämmten dunklen Haaren und dem Zahnpasta-Lächeln schmücken.
Sie erstrecken sich über seinen hautengen Sportanzug und über die Scherpe, die über seiner rechten Schulter hängt.
Mr. Germany steht in großen weißen Lettern darauf.
Fröhlich und siegessicher blickt der junge Mann auf dem Foto von 1998 in die Kamera.
Er ist sichtlich stolz auf den Titel und darauf, in Sachen Schönheit zum Aushängeschild Deutschlands zu werden.
Doch es ist ein Stolz, der nicht lange währt und sich schon bald in tiefste Ablehnung verwandelt.
18 Jahre später.
Auf den ersten Blick wirkt es ganz normal.
Das Einfamilienhaus mit der terracottafarbenen Fassade hinter dem weißen Tor.
Lediglich ein schmaler Weg trennt die Immobilie in der Nähe von Leipzig von einem großen grünen Maisfeld.
Die Lage ist ruhig, beinahe idyllisch.
Zu dem Haus gehört auch ein großer Garten.
Grüne Heckenpflanzen umgeben ihn wie eine botanische Landesgrenze.
Und wenn man einen aufmerksamen Blick auf das, was dahinter liegt, erhascht,
dann wird deutlich, dass hier tatsächlich andere Gesetze zu herrschen scheinen.
Ein laminiertes Papier, das an einer Tanne befestigt ist,
zeigt eine Flagge, die nicht die der Bundesrepublik Deutschland ist.
Diese hier besteht zwar auch aus drei Querstreifen, die Farben sind aber schwarz, weiß und rot.
Außerdem prangt auf der Fahne ein rotes Dreieck,
in dessen Mitte ein Ochsenkopf mit ausgeprägten Hörnern und einer Krone abgebildet ist.
An diesem Morgen des 24. August 2016 ist die Flagge jedoch nicht das Einzige, das ins Auge fällt.
Auf der unregelmäßig bewachsenen Rasenfläche stehen zahlreiche Zelte und die Menschen,
die sie aufgebaut haben, stehen gebannt vor einem Mann, der in dunkelblauer Sweatshirtjacke
und schwarzem Käppi gekleidet einen roten Schnellhefter und das Grundgesetz in seinen Händen hält.
Der 41-jährige Eugen Albern ist an diesem Mittwochmorgen die Person,
auf die sich alle Aufmerksamkeit richtet.
Das liegt nicht nur daran, dass das hier sein Zuhause ist.
Er war es auch, der die zahlreichen Menschen zusammengetrommelt hat,
die sich nun um ihn herum platzieren.
Für Eugen ist heute nämlich ein wichtiger Tag.
Heute soll das Haus, in dem er seit zwölf Jahren mit seiner Frau Nathalie und den zwei gemeinsamen Söhnen lebt,
zwangsgeräumt werden.
Bereits vor einigen Wochen ist die Immobilie im Rahmen einer Zwangsversteigerung
offiziell an neue BesitzerInnen gegangen,
nachdem Eugen und Nathalie aufgrund enormer Zahlungsrückstände der Kredit gekündigt worden war.
Doch sein Zuhause einfach so aufzugeben, das kommt für Eugen nicht in Frage.
Er kann das nicht akzeptieren und will sich wehren.
Wie weit er dafür bereit ist zu gehen,
hat er erst vor wenigen Tagen in einem Video auf seinem YouTube-Kanal klargemacht.
In dem übereinstündigen Film betont Eugen sein Grundstück,
Zitat, mit Blut und Eisen verteidigen zu wollen.
Besonders bedrohliche Worte findet er darin für den Gerichtsvollzieher,
der sich für diesen Morgen angekündigt hat.
Wenn du am 24. August auftauchst, hört man Eugen aus dem Off sagen,
sei bereit zu sterben.
Eugen werde den Beamten, Zitat,
töten wie eine Sau, abschlachten wie Vieh.
Oh Gott, ach du meine Güte.
Doch dazu soll es nicht kommen.
Denn auf den Gerichtsvollzieher warten Eugen und seine rund 120 UnterstützerInnen
an diesem Mittwochmorgen vergebens.
Der 24. August 2016 erwirkt wie ein Sieg für Eugen.
Ganz kurz, 120 Leute sind da bei ihm zu Hause.
Ja, what the actual.
Die wollen dem dabei helfen, dass sein Haus ihm nicht weggenommen wird.
Doch die Euphorie hält nicht lange an.
Schon am nächsten Morgen hört Eugen den lauten Schrei
Polizei von seinem Grundstück ins Haus dringen.
Ein Schrei, der ihm verrät, dass es nun doch passiert.
Als er nach draußen sieht, um sich zu vergewissern, erkennt er die schwarz uniformierten Personen,
die seinen Garten stören.
Es ist die Situation, auf die er sich und eigentlich auch seine UnterstützerInnen vorbereitet hat,
von denen allerdings bereits gestern viele wieder abgereist waren,
nachdem sich der Gerichtsvollzieher nicht hatte blicken lassen.
Eine Ausnahmesituation, in der Eugen genau weiß, was zu tun ist.
Also eilt er zu seinem Schuppen, wo er seinen Revolver aufbewahrt,
tritt hinaus und richtet ihn auf die vier SEK-Beamten,
die nur wenige Meter vor ihm ebenfalls ihre Waffen gezückt haben.
Eugens Blick ist entschlossen und hasserfüllt.
Ein Finger am Abzug.
Verpisst euch, schreit er ihnen entgegen.
Die Polizisten weisen Eugen dagegen an, die Pistole fallen zu lassen.
Doch der 41-Jährige kommt dem nicht nach.
Im Gegenteil.
Er wirkt immer selbstbewusster.
Schreit, schießt doch.
Er schießt mich doch.
Verpisst euch von meinem Grundstück, sonst knalle ich euch ab.
Etwa drei Minuten stehen sich Eugen und die SEK-Beamten gegenüber.
Dann fallen fünf Schüsse.
Und zwei Männer gehen zu Boden.
Es sind knatternde Geräusche, mit denen der Hubschrauber wenige Minuten später abhebt.
An Bord Eugen, der von insgesamt vier Kugeln getroffen wurde.
Neben dem Durchschuss des rechten Handgelenks,
einer Wunde am rechten Oberarm und einer zertrümmerten Speiche,
ist es vor allem das Gemisch aus Blut und Luft in seiner Brusthülle,
das seinen Zustand kritisch macht.
Eugen wird in das Universitätskrankenhaus Leipzig geflogen.
In einer Notoperation werden seine Verletzungen versorgt.
Danach wird er in ein künstliches Koma versetzt.
Einmal muss er sogar wiederbelebt werden.
Doch Eugen schafft es, sich zurückzukämpfen.
Als er vier Tage nach der Operation erstmals die Augen wieder aufschlägt,
blickt er jedoch nicht in die Gesichter seiner Frau oder seiner zwei Söhne.
Stattdessen steht ein unbekannter Mann neben seinem kranken Bett,
der sich als Ermittlungsrichter zu erkennen gibt
und Eugen den Haftbefehl vorliest, der gegen ihn vorliegt.
Versuchter Totschlag, lautet der Vorwurf, mit dem Eugen konfrontiert wird.
Denn der 41-Jährige soll bei der Zwangsräumung seines ehemaligen Hauses
nicht nur Kugeln abgekriegt, sondern auch selbst verteilt haben.
Mit seinem Revolver habe er, so nimmt es die Staatsanwaltschaft an,
auf einen SEK-Beamten geschossen und diesen am Hals getroffen.
Dass gegen Eugen nun wegen eines versuchten Tötungsdelikts ermittelt wird,
scheint ihn allerdings nicht übermäßig zu interessieren.
Er fühlt sich nämlich von dem Haftbefehl gar nicht angesprochen
und weist den Ermittlungsrichter darauf hin,
dass er nicht Eugen Albarn sei, sondern Eugen der Große.
Hatte der was am Kopf abbekommen?
Nee, nur am Oberkörper.
Doch davon lassen sich Polizei und Staatsanwaltschaft wiederum nicht beeindrucken,
weshalb am 9. Oktober 2017 vor dem Landgericht Halle
der Prozess gegen Eugen Albarn beginnt.
Über ein Jahr ist es mittlerweile her, dass die Zwangsräumung aus dem Ruder gelaufen ist,
bei der Eugen einen Polizisten angeschossen haben soll
und nach eingehenden Ermittlungen geht man nun nicht mehr von versuchtem Totschlag,
sondern von versuchtem Mord aus.
Als die Tür aufgeht, erfüllt das Blitzlichtgewitter der anwesenden JournalistInnen den Saal.
Eugen, elegant im dunkelblauen Anzug gekleidet,
steht an der Türschwelle und lässt seinen Blick über die Anwesenden schweifen.
Ob der mittlerweile 42-Jährige die Ernsthaftigkeit der Anklage erkennt,
erscheint angesichts seines Verhaltens fraglich.
Eugen kaut Kaugummi und grinst.
Begleitet von vermummten Justizbeamten begibt er sich selbstbewusst
zu seinem vorgesehenen Platz auf der Anklagebank.
Doch anstatt sich einfach auf dem grauen Polsterstuhl niederzulassen,
holt er im theatralischen Schneckentempo nacheinander die Bücher heraus,
die sich in seiner matschwarzen Tasche befinden.
Ein Rechtswörterbuch, die Strafprozessordnung und das Grundgesetz.
Letzteres hält Eugen besonders lange in der Hand.
Wie eine Trophäe posiert er damit für die zahlreichen PressevertreterInnen.
Als der vorsitzende Richter die Anwesenden schließlich bittet, sich zu setzen, bleibt Eugen stehen.
Es ist ein Verhalten, das für viele irritierte Gesichter sorgt.
Doch Eugens skurrile Auftritt ist mehr als eine sonderbare One-Man-Show.
Er ist Ausdruck eines Lebenswandels, den das Gericht im Verlaufe des Prozesses nach und nach rekonstruiert
und der zugleich Antworten darauf liefert, wie eine einfache Zwangsräumung so aus dem Ruder laufen konnte.
Lange Zeit schien es ganz normal zu verlaufen, das Leben von Eugen Albarn.
Bereits in jungen Jahren stellt er fest, womit er punkten kann, seinem Aussehen.
Mit seinen großen braunen Augen und seinen markanten Gesichtszügen entspricht Eugen dem,
was viele Menschen als gut aussehend und kernig bezeichnen würden.
Immer wieder verschaffen ihm diese Merkmale Treppchen, Plätze und Medaillen bei Schönheitswettbewerben.
Das Jahr 1998 erweist sich in dieser Hinsicht als besonders erfolgreich.
Eugen wird gekrönt.
Der 23-Jährige darf sich Mr. Germany nennen.
Es ist ein Highlight in seinem Leben, das zwei Jahre später nur noch von Nathalie getoppt werden kann, seiner großen Liebe.
Die 21-Jährige Logopädin ist Model und laut Beschriftung ihrer Scherpe Miss Germany des Jahres 2000.
Also quasi the perfect match.
Die klischeehafte Verbindung lockt natürlich die Presse an.
Was folgt sind Fotoshootings, Interviews, Home-Stories.
2003 heiratet das Paar.
Die Geburten ihrer zwei Söhne machen ihre Familie vollständig.
Ein Eigenheim ist das Einzige, was noch fehlt.
2004 erwerben Eugen und Nathalie dann ein Grundstück in Sachsen-Anhalt mithilfe eines Kredits
und werden stolze BesitzerInnen eines großen Einfamilienhauses mit Pool und allem möglichen Chichi.
Doch was als Meilenstein in ihrem Familienleben geplant war, erweist sich im Laufe der Zeit als finanzielles Fiasko.
Denn Eugen und Nathalie sind weder vermögend, noch verdienen sie viel Geld.
Von dem Glamour, den das Schönheitspaar vielleicht nach außen hin versprüht, ist fernab der Foto- und Fernsehkameras nichts zu finden.
Nach seinem Höhenflug als Mr. Germany gerät Eugen zunehmend in eine berufliche Abwärtsspirale.
Erst kündigt ihm der Mobilfunkkonzern, bei dem er einige Jahre angestellt war.
Dann floppt seine eigene Firma, die auf Photovoltaikanlagen spezialisiert war.
Eugen und Nathalie geraten finanziell immer weiter in den Rückstand.
Schnell sind es nicht nur offene Kreditzahlungen.
Ab 2006 können sie keine Abwassergebühren mehr zahlen.
Mit Beginn des Jahres 2012 bleibt auch die Grundsteuer aus.
Der Schuldenberg wächst und wächst.
Doch statt sich seinen finanziellen Problemen zu stellen, entscheidet Eugen sich für einen anderen Umgang damit.
Er wird misstrauisch.
Zunächst vor allem in Bezug auf die Banken, die ihnen die Kredite genehmigt haben.
Gegenüber Nathalie äußert Eugen ab 2014 immer wieder Zweifel an der Seriosität und Rechtsmäßigkeit der Kreditinstitute.
Auch den Darlehensvertrag, den sie mit dem Hauskauf abgeschlossen haben, will Eugen auf einmal nicht mehr als rechtens anerkennen.
Je enger sich die symbolische Schuldenschlinge um seinen Hals schnürt,
desto mehr distanziert er sich von seiner Verantwortung für seine Probleme.
Was ihm dabei hilft, sind verschwörungstheoretische Artikel und Foreneinträge,
in denen es darum geht, wie Banken und die Politik ein böses Spiel mit der deutschen Bevölkerung treiben würden.
Zeitgleich beginnt Eugen juristische Fachliteratur zu lesen.
Das Grundgesetz und verschiedene Verwaltungsvorschriften werden zu seinem liebsten Lesestoff
und Eugen wird das, was man einen Winkeladvokaten nennt.
Ein Pseudo-Jurist, der Paragrafen wörtlich und nur zu seinen Gunsten auslegt.
Ein Beispiel.
Weil es in einer Verwaltungsvorschrift heißt, dass eine Unterschrift lesbar sein müsse,
erklärt Eugen Zahlungsaufforderungen und andere amtliche Schreiben ab jetzt für ungültig,
weil er die Unterschrift darauf angeblich nicht entziffern könne.
Wie weit sein verdrehtes Rechtsverständnis bald schon reicht, zeigt sich auch daran,
dass Eugen beginnt, Schuldscheine anzufertigen,
in denen er von BeamtInnen und Justizbeschäftigten Schadensersatz fordert.
Ein Vorgehen, das Eugen einer Anzeige wegen Nötigung und Urkundenfälschung beschert.
Aber auch ein Vorgehen, das genauso wie viele seiner neuen Ansichten ganz typisch für die Szene ist,
in die Eugen immer weiter abdriftet.
Die ReichsbürgerInnen- und SelbstverwalterInnen-Szene.
Zu den Menschen gehören, die die Bundesrepublik Deutschland sowie all ihre Institutionen und Gesetze ablehnen.
Spätestens ab 2015, so nimmt es das Gericht an, wird auch Eugen fester Teil dieser Szene.
Denn ab da ist er überzeugt, den deutschen Staat, den gibt es nicht.
Er ist ein Konstrukt ohne Rechtsgrundlage.
Daher gelten für Eugen auch keine finanziellen Verbindlichkeiten mehr,
wie Stromrechnungen oder gar Steuern zahlen, glaubt er.
Zu seiner ablehnenden Haltung gegen alles, was den deutschen Staat angeht,
gesellen sich mit der Zeit auch immer mehr verschwörungsideologische Überzeugungen.
So glaubt Eugen, dass dunkle Finanzmächte die deutsche Regierung installiert haben,
um das deutsche Volk auszurotten.
So würden die Menschen in Deutschland ohne Rechtsgrundlage von der Regierung und der Finanzwelt in Sklaverei gehalten.
Eugen vermutet hinter jeder staatlichen Handlung, hinter jedem bürokratischen Akt eine Intrige.
Und somit gibt es für den ehemaligen Schönheitskönig Deutschlands nur eine logische Konsequenz.
Er will aus der BRD austreten.
Auf 500 Quadratmetern hinter einem weißen Gartentorn grünen Heckenpflanzen
schafft Eugen sich seine eigene Lebensrealität.
Im Jahr 2015, zwei Jahre nachdem ihm und seiner Frau erstmals mit einer Zwangsversteigerung ihres Hauses gedroht wird,
hängt Eugen ein Blatt Papier mit einer Reichsbürgerinnenflagge an einem Baum in seinem Garten.
Die Erklärung folgt in wenigen Sätzen darunter.
Es gelten ausschließlich die Gesetze des Staates all.
Zur Wiederhandlung werden hart bestraft, heißt es auf dem Zettel.
All kommt übrigens von Alban.
Es ist gewissermaßen die Geburtsstunde seines eigenen Fantasiestaates,
zudem Eugen auch das benachbarte Grundstück seiner Schwiegereltern zählt.
Hier in all ist Eugen so etwas wie die erwachsene und männliche Antwort auf Pipi Langstrumpf.
Er macht sich die Welt, wie sie ihm gefällt.
Polizistinnen, Gerichtsvollzieherinnen und andere Beamtinnen haben auf seinem Staatsgebiet nichts zu sagen.
Das ist aber ein bisschen gefährlicher als Pipi Langstrumpf, glaube ich.
Aber Eugen hält sich ja nicht nur in seinem selbst ernannten Staatsgebiet auf.
Auch außerhalb der grünen Heckenpflanzen tut er daher seine Ansichten und Überzeugungen kund.
An den Wochenenden fährt er jetzt regelmäßig zu Treffen und Versammlungen gleichgesinnter Staatsgegner in,
auf denen er sich als eloquenter Redner gibt.
Im Grundgesetz steht, alle Macht geht vom Volke aus, erklärt er.
Also bin ich der Chef und die Polizistinnen meine Angestellten, schussfolgert er daraus.
Zugleich ruft Eugen in seinen Ansprachen immer wieder zu Widerstand gegen das System auf.
Eugen selbst leistet ihn in Form schriftlicher Dauerbeschallung.
Regelmäßig versendet er ausufernde Briefe und E-Mails an Gläubiger und Behörden.
Mit beleidigendem, manchmal sogar mit drohendem Inhalt.
Als ein Gerichtsvollzieher Eugen 2015 mit der Zwangsversteigerung droht,
schreibt Eugen, sie haben keinerlei Befugnisse, um in den Staat all einzudringen.
Sollten sie es dennoch tun, wird das als terroristischer Akt betrachtet,
sowie als Kriegserklärung gewertet.
Eugen unterbindet jegliche Kontaktaufnahme von außen.
2016 hängt er dann den Briefkasten vor seinem Grundstück ab.
Es ist ein symbolischer Akt, mit dem Eugens Systemablehnung zugleich ein neues Level erreicht.
Er tritt nun immer aggressiver auf.
Postbotinnen, die auf seinem Grundstück nach einem Briefkasten suchen,
werden von ihm beschimpft und bedroht.
Und wenn Polizistinnen versuchen, ihm behördliche Schreiben persönlich zu überreichen,
zeichnet Eugen das Ganze mit seiner Handykamera auf,
teilt die Videos anschließend in den sozialen Netzwerken,
nennt die Beamtinnen Terroristen und weist sie an,
sich von seinem Staatsterritorium fernzuhalten.
Doch was Eugen so offensiv für sich beansprucht,
gehört ihm ab Juli 2016 auf dem Papier nicht mehr.
Weil Eugen und Nathalie insgesamt über 400.000 Euro Schulden haben,
wird das Grundstück zwangsversteigert.
In wenigen Wochen soll er das Haus mit seiner Familie verlassen haben.
Als der 41-Jährige dem nicht nachkommt,
legt der zuständige Gerichtsvollzieher schließlich einen Termin zur Zwangsräumung fest.
Daraufhin stellt Eugen das Video mit dem Titel
Finale 24.08.2016
Faschisten der BRD gegen All ins Netz,
in welchem er die Räumung nicht nur als kriegerischen Angriff auf den heiligen Staat All bezeichnet,
sondern dem Gerichtsvollzieher mit dem Tod droht.
Heilig auch noch.
Und der Clip entfaltet seine Wirkung.
Von dem Gerichtsvollzieher fehlt am Morgen des 24. August 2016 jede Spur.
Dafür stürmen 200 Schaften der Polizei Sachsen-Anhalt am Tag darauf Eugens Grundstück.
Dort treffen die Beamtinnen auf massiven Widerstand.
Denn nicht nur Eugen ist bereit zu kämpfen,
sondern auch diejenigen seiner UnterstützerInnen, die noch geblieben sind.
Es fliegen Steine.
Ein Mann mit Gehbehinderung schlägt mit seiner Krücke um sich.
Ein anderer, der nur in Boxershorts bekleidet ist,
beißt einem der Polizisten wie ein Terrier ins Bein.
Als Eugen die BeamtInnen bemerkt,
holt er seine Pistole, die er schließlich auf die vier Männer vor ihm richtet,
bis einer von ihnen zwei Schüsse abfeuert, um Eugen zu entwaffnen.
Der erste verfehlt den 41-Jährigen.
Der zweite trifft ihn am rechten Oberarm
und ruft zugleich eine Gegenreaktion hervor.
Obwohl Eugen verwundet ist,
denkt er nicht daran, seinen Revolver niederzulegen.
Im Gegenteil, seine Wut auf die Männer,
die er als illegale Eindringlinge in seinen Staat betrachtet
und die ihm sein Hab und Gut stehlen wollen,
ist jetzt größer als je zuvor.
Und so entscheidet sich Eugen für eine kleine Bewegung
mit großen Konsequenzen.
Kurz nachdem er getroffen wurde,
hebt er seinen verwundeten Arm erneut,
krümmt die Finger um den Abzugshahn und schießt einmal.
Damit trifft er einen der SEK-Beamten am Hals,
der nur dank seiner Schutzkleidung nicht schwer verletzt wird.
Dann strecken ihn drei weitere Polizeikugeln
nieder.
Eugen, der sich wegen seines Schusses
nun vor den RichterInnen am Landgericht Halle verantworten muss,
ordnet die Geschehnisse des Tattages allerdings anders ein.
Denn er sieht sich als das einzige Opfer hier.
Am 25. August 2016 hätten ihn nichts anderes
als Verbrecher zu Hause überfallen.
Eine Waffe habe er zur Verteidigung seines Staates
zwar in der Hand gehalten,
und vielleicht habe sich ein Schuss gelöst,
als er getroffen wurde,
er habe aber zu keinem Zeitpunkt mit Absicht abgedrückt.
Es ist eine Schutzbehauptung,
denn nicht nur die übereinstimmenden Zeugenaussagen der SEK-Beamten,
sondern auch ausgewertete Videos von Bodycams
sprechen gegen seine Version der Tat.
Eugen ist das offenbar egal.
Er nimmt die Gerichtsverhandlung gar nicht ernst.
Das macht er zum Beispiel deutlich,
indem er die Prozesstage immer wieder mit ausschweifenden Monologen in die Länge zieht,
in anderen Momenten dann aber behauptet,
kein rechtliches Gehör zu finden.
Dabei liegen vor ihm seine Bücher,
unter anderem eben das Grundgesetz.
Wieso eigentlich immer das Grundgesetz?
Also das hört sich für mich nicht so an,
als wäre er eigentlich ein großer Fan davon.
Also laut unserem Experten in dieser Folge,
das ist Politologe Jan Rathje,
der sich intensiv mit der Szene beschäftigt,
ist das wohl eine Strategie,
die ReichsbürgerInnen immer mal wieder nutzen,
zum Beispiel dann eben,
um staatliche Institutionen und Behörden zu beeindrucken,
beziehungsweise einzuschüchtern,
in dem die quasi vorgeben,
dass sie halt krasses juristisches Wissen haben
und auf Augenhöhe mit denen argumentieren können.
Ja, genau.
Also nur weil ich ein Strafgesetzbuch hochhalte,
bin ich ja auch keine Strafverteidigerin
oder weiß, was da drin steht.
Also was für ein Quatsch.
Eugen erklärt, dass man hier vor Gericht
ein ganz mieses Spiel mit ihm spielen würde
und dass alle verantwortlichen Scharlatane und Teilzeitfaschisten wären,
die das Volk verhetzen und bösartig
sowie verräterisch handeln würden.
Ach, die schreiben Faschisten Stellen auch als Teilzeit aus,
wusste ich gar nicht.
Solche Aussagen sind ganz typisch für ReichsbürgerInnen
und SelbstverwalterInnen
und sorgen dafür,
dass sie im Volksmund oft genug als Verrückte abgetan werden.
Wie zurechnungsfähig Eugen ist,
soll ein forensischer Psychiater den Anwesenden erklären.
Der Experte, der Eugen während der Verhandlungen beobachtet,
beschreibt ihn als charismatisch.
Eugen wisse zu blenden
und habe den Gerichtsprozess als Bühne
zur Verbreitung seiner Ansichten genutzt.
Der Sachverständige ist sich sicher,
Eugens Verhalten entspricht dem eines klassischen Selbstverwalters,
eine Person, die Teil der ReichsbürgerInnenbewegung ist
und idealerweise ihren eigenen Staat gründen möchte.
Dafür spreche unter anderem der Papierterrorismus,
den Eugen gegen Behörden und Ämter betrieben habe,
die Gründung eines Fantasie-Staates
und das Abhängen seines Briefkastens.
Für Eugen seines Mechanismen gewesen,
die eigenen finanziellen Schwierigkeiten zu umgehen
und strafrechtliche Konsequenzen abzuwenden.
Damit hat er den Staat zum Sündenbock seines eigenen Fehlverhaltens gemacht.
Diese verquere Sicht auf die Bundesrepublik Deutschland
hätten aber weder seine Einsichts- noch seine Steuerungsfähigkeit
während der Tat beeinflusst,
so der Sachverständige.
Das habe ich auch schon oft mit dir versucht,
vor allem morgens, wenn die Arbeit losgeht.
In Bezug auf was sagt der Richter das?
Also der meint generell Eugens Verhalten.
Also dass er jetzt einfach keine Rechnungen bezahlt,
dann seinen Briefkasten abhängt und so weiter
und ja damit quasi so tut,
ich bin nicht da,
ich kann ja keine Post empfangen,
ich bin weg.
Dem Urteil, dass er am 56. Protesttag spricht,
wird Eugen nicht mit Ignoranz begegnen können.
Mit dem Schuss auf einen SEK-Beamten
hat Eugen sich des versuchten Mordes
aus niedrigen Beweggründen,
in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung,
Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte
und Verstöße gegen das Waffengesetz schuldig gemacht.
Das Gericht ist sich sicher,
es war die bloße Ablehnung,
die Eugen am Augustmorgen vor mittlerweile drei Jahren
dazu gebracht hat,
den Abzug seines Revolvers zu betätigen.
Die Ablehnung der PolizistInnen
als RepräsentantInnen eines von ihm verhassten Systems,
eines von ihm nicht anerkannten Staates.
Seine hemmungslose Eigensucht
habe Eugen zur Tat verleitet.
Der Erhalt seines Fantasiestaates
sei ihm wichtiger gewesen
als das Leben des SEK-Beamten.
Den Tötungsentschluss
habe Eugen zwar situationsbedingt
spontan gefasst,
er beruhe jedoch auf langfristig gebildetem Hass,
so die Begründung des Urteils.
Für diese Tat
wird Eugen zu einer siebenjährigen Haftstrafe verurteilt.
reagiert so, wie man es von ihm erwarten würde.
Er grinst.
Ob es nur Show
oder er wirklich amüsiert darüber ist,
ist unklar.
Fest steht jedoch,
Eugen verlässt an diesem Abend
als verurteilter Straftäter den Gerichtssaal.
Mehrere vermute Männer sind anwesend,
um ihn abzuführen.
Justiz steht auf ihren schwarzen Westen.
Ein Begriff,
dem Eugen vermutlich ebenso wenig Bedeutung schenkt
wie der Bezeichnung Polizei.
Eugen erkennt die Beamten,
die sich dicht vor und hinter ihm platzieren,
nicht an.
Und dennoch sind sie es,
die ihm nun den Weg
in sein vorerst neues Zuhause weisen.
Einem Ort,
an dem die Regeln
der Bundesrepublik Deutschland gelten.
Und damit endet die Geschichte von all,
mit der Verurteilung ihres Gründers.
Und wo einst ein Fantasiestadt war,
befindet sich heute wieder
ein ganz normales Grundstück,
mit einem Familienhaus,
Garten und Briefkasten.
Ja, das ist für einen Menschen,
der sich schon nicht in Freiheit
an unsichtbare Regeln halten mochte.
Das nenne ich sie jetzt mal,
weil die Regeln,
an die wir uns halten
und die Gesetze,
die sehen wir ja nicht.
Weil das ist ja eigentlich unser Kompass,
nach dem wir handeln sollten,
aber nicht sichtbar.
Und weil er sich daran
schon nicht halten konnte,
hat er jetzt natürlich
eine ganz sichtbare Grenze
auferlegt bekommen.
Und das sind die Gitterstäbe.
Also darüber hinaus
kann er jetzt nicht.
Ja, einmal das.
Und was Regeln angeht,
sind die natürlich da,
wo er jetzt wohnt,
noch mal viel, viel schärfer
und deutlicher für ihn zu spüren,
jeden Tag am eigenen Leib.
Wann er ist
oder wann er zum Beispiel rausgehen kann
oder wann er Besuch empfangen kann
und so weiter.
Ja, und er ist jetzt unter
permanenter Kontrolle des Staates,
den er ja ablehnt.
Ja, so ist das halt,
wenn man sich nicht an die Gesetze hält
und eine erhebliche Straftat begeht.
Ja.
Was mich wirklich gewundert hat,
ist, dass er so viele UnterstützerInnen gefunden hat.
Also 120 Leute,
die da bei ihm im Garten stehen.
Ich finde das schon wirklich gruselig,
dass sich Leute so einfach
in so eine Sache mit reinziehen lassen.
Ja.
Vor allem in eine rechtswidrige Sache,
wo nachher auch noch jemand angeschossen wird.
Also ich meine,
wussten die jetzt nicht,
aber die waren schon bereit
oder zumindest einige von denen
waren schon bereit,
mit Gewalt vorzugehen.
Das hat man ja auch gesehen.
Der eine hat den Polizisten
ins Bein gebissen.
Der andere hat mit seiner Krücke
absurd um sich geschlagen.
Also es waren jetzt nicht nur Menschen,
die einfach solidarisch mit,
sozusagen neben Eugen standen
und auf den Gerichtsvollzieher gewartet haben,
sondern da waren dann Leute,
die ganz klar sich dann auch
gegen die Polizei gestellt haben
und da ordentlich Randale gemacht haben.
So, jetzt ist ja in meinem Fall
ziemlich klar geworden,
dass Eugen von der Bundesrepublik Deutschland
nichts hält
und damit auch nicht alleine ist.
120 UnterstützerInnen,
haben wir ja gerade schon gesagt.
Aber laut Verfassungsschutz
sind in Deutschland
circa 23.000 Personen
der Überzeugung,
dass die Bundesrepublik Deutschland
nicht legitim ist.
Deswegen werden sie der sogenannten
ReichsbürgerInnen-
und SelbstverwalterInnenbewegung
zugeordnet,
womit wir dann jetzt auch
beim Oberthema dieser Folge sind.
und was ReichsbürgerInnen
und SelbstverwalterInnen
für Überzeugungen haben
und was die beiden Gruppen unterscheidet.
Darum geht es jetzt in meinem AHA.
Also erstmal hat das Gericht ja festgestellt,
dass Eugen ein sogenannter Selbstverwalter ist.
Und tatsächlich ist das für mich
ein Begriff gewesen,
den ich vor dieser Folge
noch nie gehört habe,
im Gegensatz zu Reichsbürger.
Aber von Reichsbürger
hat im Prozess von Eugen
keiner gesprochen.
Die Presse hat das teilweise schon gemacht
und dann quasi beides synonym verwendet.
Und das ist aber falsch,
weil es ist nicht dasselbe.
Was die beiden Gruppen
zwar gemeinsam haben,
ist, dass sie die Existenz
der Bundesrepublik Deutschland
eben leugnen.
Also sie erkennen Deutschland
nicht als legitimen
und souveränen Staat an
und sagen quasi,
wir leben eigentlich nur
in einer Staatssimulation.
Und wie sie auf diese Idee kommen,
das erzähle ich gleich.
Aber weil ReichsbürgerInnen
und SelbstverwalterInnen
eben diese Idee gemein haben,
werden die bezüglich Zahlen
und Daten vom Verfassungsschutz
als gemeinsame Szene gefasst.
Was sie aber unterscheidet,
sind die Schlüsse,
die die Beteiligten daraus ziehen.
Klassische ReichsbürgerInnen,
so nenne ich die jetzt mal,
die sind der Meinung,
dass es nach wie vor
das Deutsche Reich gibt.
Daher auch der Name.
Und das glauben die,
weil sie sich da
auf ein Urteil
des Bundesverfassungsgerichts
von 1973 beziehen.
wird es ein bisschen kompliziert,
aber wir wollen da ja genau sein.
Also damals war Deutschland
ja noch geteilt
und 1973 hat das Bundesverfassungsgericht
eine Entscheidung zum damaligen
Grundlagenvertrag zwischen der
Bundesrepublik und der DDR getroffen.
Und in dieser Entscheidung steht,
dass das Deutsche Reich,
was ja eigentlich von 1871
bis 1945 existierte,
nicht untergegangen ist,
sondern in der Bundesrepublik
aufgegangen,
also identisch ist.
Räumig gesehen jetzt nur teilidentisch,
weil Deutschland ja geteilt war.
Aber auch auf der Seite
des Deutschen Bundestages
heißt es heute noch,
dass die Bundesrepublik Deutschland
nicht der Rechtsnachfolger
vom Deutschen Reich ist,
sondern mit ihm
als Völkerrechtssubjekt identisch ist.
Und genau diesen Part
ignorieren die ReichsbürgerInnen
aber gerne
und sagen deswegen,
naja,
die eigentliche legitime Staatsgewalt,
die würde ja beim Deutschen Reich liegen.
Das ist aber leider
handlungsunfähig gerade.
Aber die Bundesrepublik,
die darf eigentlich keine Macht
über uns als BürgerInnen ausüben.
Das stimmt aber nicht,
denn ein Land kann sich schon
politisch oder eben
staatsorganisatorisch
in der Identität ändern.
Bei den SelbstverwalterInnen
ist das ein bisschen anders.
Die teilen zwar eben das Narrativ,
dass Deutschland
kein legitimer Staat sei.
Bei denen spielt
das Deutsche Reich explizit
aber keine Rolle.
Bei denen ist es eher so,
dass sie sagen,
sie können einfach
durch eine Erklärung
jetzt aus der Bundesrepublik
austreten.
also denen geht es primär
um den Autonomie-Gedanken.
Deswegen sind SelbstverwalterInnen
auch meistens halt die Leute
in der Szene,
die dann diese Fantasie-Staaten gründen,
wie Eugen sein All.
Beide Gruppen ziehen dann aber teilweise
auch dieselben
Pseudo-Argumente heran,
um halt zu beweisen,
dass es Deutschland
so eigentlich gar nicht gibt.
Also gerade bei den ReichsbürgerInnen
ist zum Beispiel die Idee
sehr verbreitet,
dass Deutschland immer noch
von den Alliierten kontrolliert werde,
weil es keinen Friedensvertrag gab.
Und ja, es gab keinen Friedensvertrag,
es gab aber nach und nach
einseitige Friedenserklärungen.
Dann gibt es noch die Ansicht,
dass Deutschland
gar keine Verfassung hat.
Und ja, damals hatte man 1949
das Grundgesetz erstmal provisorisch erlassen,
weil man durch eine eigene Verfassung
der Wiedervereinigung mit der DDR
halt nicht im Weg stehen wollte.
Inhaltlich ist das aber
wie eine Verfassung
und wurde auch bei der Wiedervereinigung
zur Verfassung von
Gesamtdeutschland erklärt.
Dann sagen die noch,
das Grundgesetz gilt aber nicht,
weil es nicht zur Volksabstimmung
gegeben wurde.
Aber das muss es auch nicht,
weil wenn dem so wäre,
dann hätte Deutschland
noch nie eine geltende
Verfassung gehabt,
weil weder die Reichsverfassung
von 1871
noch die der Weimarer Republik
dem Volk irgendwie
zur Abstimmung vorgelegt wurde oder so.
Also was man hier ganz klar sieht,
ist, ReichsbürgerInnen
und SelbstverwalterInnen
lassen halt
einzelne Fakten bewusst
außen vor,
damit es ihnen
in den Kram passt.
Und die beste Erzählung
für mich
ist aber immer noch,
dass Deutschland ja eigentlich
eine Firma ist.
Ja, eine GmbH.
Ja,
und da sind die darauf gekommen,
weil sie einen
Handelsregister-Eintrag
beim Amtsgericht in Frankfurt
am Main von 1990
gefunden haben.
Und da gibt es nämlich
eine Deutschland GmbH.
Das ist allerdings die
Bundesrepublik Deutschland
Finanzagentur GmbH
und die hat die
Finanzverwaltung des Bundes
zur Aufgabe.
Die ReichsbürgerInnen
und SelbstverwalterInnen
meinen aber,
nein,
Deutschland sei eine Firma
und wir alle sind die Angestellten.
Und das würde man ja auch
schon allein daran sehen,
dass wir alle
den Personalausweis haben.
immerhin steht Personal
ja für das Personal,
was arbeitet.
Und deswegen ist der Ausweis
auch eigentlich gar kein Ausweis,
sondern halt so ein Mini-Arbeitsvertrag
mit der Firma Deutschland.
Ja.
Ist ja auch ganz klar.
Ja.
Ich finde es nur so komisch,
weil wenn ich für Deutschland arbeite,
wieso kriege ich dann kein Geld,
sondern muss eigentlich nur Steuern
die ganze Zeit bezahlen?
Also ich bezahle ja nur.
Das finde ich einen bescheuerten
Arbeitsvertrag.
Du könntest ja
Sozialleistungen beziehen
und dann wirst du ja Geld bekommen.
Ja.
Von deinem Arbeitgeber.
Na gut.
Ich muss aber nur zahlen,
zahlen, zahlen.
Ja.
Wer was erwirtschaftet,
kann auch was abgeben.
So.
Und bei diesen ganzen Ideen,
die die haben, ja,
da könnte man sich ja denken,
naja,
die können das ja alle
in ihren Köpfen denken,
was die wollen.
Also die Gedanken sind frei,
so nach dem Motto.
Aber wir haben ja an Eugen gesehen,
dass wenn sich diese Idee
im Kopf verfestigt,
der Staat habe nichts zu sagen,
ist, dass daraus dann
verschiedene Sachen resultieren können.
Und das ist eben das Problem,
weil wenn man wirklich der Meinung ist,
dass Deutschland kein legitimer Staat ist,
dann gelten die Regeln
für einen ja auch nicht.
Also das heißt,
die Zugehörigen der Szene,
die zahlen beispielsweise
keine Steuern teilweise.
Und wenn sie einen Strafzettel bekommen,
dann wird auch der nicht gezahlt.
Und stattdessen legen die dann Widerspruch ein.
Und damit sind dann aber
die Ämter und Behörden beschäftigt.
Manche schicken dann auch
ihren Personalausweis zurück
und stellen sich dann
eigene Dokumente aus,
weisen sich dann so aus.
Und das sind tatsächlich auch schon
die ersten Anzeichen
für eine Radikalisierung.
Und das Problem
bei diesem Verhalten ist,
dass das zwangsläufig
zu einem Konflikt
mit dem Staat führt,
an den sie ja nicht glauben.
Was heißt Glauben?
Dem sie die Legitimität absprechen.
Und wenn sie dann irgendwas
an eine Behörde schreiben wie
Hören Sie jetzt auf,
mir das und das zu schreiben?
Ich zahle das nicht.
Ansonsten wird das und das passieren.
Also irgendwie versuchen
die andere Seite einzuschüchtern.
Dann machen die sich damit auch strafbar.
So hat vor kurzem erst
das Amtsgericht Heiligenstadt
ein Reichsbürger
wegen versuchter Nötigung,
versuchter Erpressung,
Beleidigung und Urkundenfälschung
zu einem Jahr und neun Monaten
Haft auf Bewährung verurteilt,
weil der Mann gegenüber den Behörden
mit seinen Schreiben,
die er da geschickt hat,
eine Drohkulisse aufgebaut hat.
Der Mann hat sich dann vor Gericht
von seinen Taten distanziert.
Aber es gibt eben auch welche,
die sich noch weiter radikalisieren.
Und wenn die dann sanktioniert werden,
dann ist das in ihren Augen
eben ein unrechtmäßiger Eingriff
vom Staat.
Und da hilft dann in deren Augen
nur noch Gewalt.
Also die haben dann quasi
so eine Art Notwehrgedanken.
Also Notwehr gegen den Staat.
Ja, und das war ja genauso bei Eugen.
weil er hat das ja so gesehen,
als habe er sich nur gegen die Eindringlinge
wehren wollen,
die nach seiner Meinung
unrechtmäßig sein Grundstück betreten haben.
Und er hat auch explizit gesagt vor Gericht,
dass er mit seiner Waffe
auch nur seinen Staat verteidigen wollte.
Ja, in deren Köpfen ist das dann so.
Ja.
Sollte dem einen oder der anderen
treuen Mordlusthörer
in diese Geschichte, die jetzt kommt,
bekannt vorkommen,
dann hat das einen guten Grund.
Da kommen wir aber später nochmal drauf zurück.
Mein Fall zeigt,
dass die verzweifelte Suche nach Liebe
einen manchmal in die Arme
von Menschen treiben kann,
deren Überzeugungen nicht nur fragwürdig,
sondern auch gefährlich sind.
Einige Namen habe ich geändert.
Die Leute, die sich hier in Altrese
in der Nähe des Dorfteiches niedergelassen haben,
sind bereits einiges gewohnt.
Nahezu täglich sorgt der Bewohner
des alten Wirtshauses für akustische Eskapaden
und zieht mit seinen Musikinstrumenten
durch die Ortschaft.
Mal sind es Gitarrenspiel und lautstarker Gesang.
An anderen Tagen machen Trompetenklänge und Geschrei
die dörfliche Idylle zunichte.
In den Parolen, die er von sich gibt,
sind meistens nur einzelne Wörter klar zu verstehen.
Revolution zum Beispiel.
Aber auch Republik und Arschlöcher.
Von der verstörenden Szene,
die sich an diesem 23. Juli 2016
an seinem Haus abspielt,
bekommt die Nachbarschaft jedoch ausnahmsweise mal nichts mit.
Dafür jene, die ihm auf Facebook folgen.
Denn sie wird von einer Handykamera eingefangen.
Eine pinke Puppe hängt an einem dunklen Faden.
Der Plastikkörper ist nackt.
Langsam baumelt er vor der fleckigen Fensterscheibe hin und her.
Zwischen den Beinen der Puppe klemmt etwas,
das aussieht wie ein Nashorn.
Das Ganze wirkt irgendwie obszön
und wird von einem Schluchzen und Wimmern im Hintergrund begleitet.
Niemals werde ich sie vergessen, hört man eine brüchige Männerstimme sagen.
Niemals.
Etwa fünf Jahre zuvor.
Für die 27-jährige Sarah ist es ein komisches Gefühl,
sich selbst diesen Satz sagen zu hören.
Geschweige denn, ihr eigenes Gesicht im Fernsehen zu sehen.
Die junge Frau mit dem dunklen, fransigen Kurzhaarschnitt
hat in dem grauen Sessel im Wohnzimmer ihrer Eltern Platz genommen.
Ihre blauen Augen, die von eckigen Brillengläsern umrahmt werden,
sind auf den Fernseher vor ihr gerichtet.
Es ist die erste Folge der Kuppelshow Schwer verliebt,
die Sat.1 an diesem Sonntag im Juli 2011 ausstrahlt.
Ein Format, in dem Übergewichtige mithilfe des Senders
die große Liebe finden sollen.
Sarah ist eine von ihnen.
Für die Teilnahme an der Sendung
hat sich die junge Frau aus einem guten Grund entschieden.
Denn Liebe und Geborgenheit von einem Mann sind Dinge,
nach denen sich Sarah schon seit einer ganzen Weile sehnt.
Bisher meinte es das Leben nicht sonderlich gut mit Sarah.
In ihrem Zuhause im rheinland-pfälzischen Ida-Oberstein
wächst sie in bescheidenen, gar ärmlichen Verhältnissen auf.
Das Geld ist immer knapp.
Da Sarahs Vater herzkrank und arbeitsunfähig ist,
sorgt ihre Mutter allein für die Familie
und schiebt in einem benachbarten Supermarkt eine Schicht nach der anderen.
Schon als Kind ist Sarah irgendwie anders und gehört nie dazu.
Wenn großzügig Einladungskarten zu Geburtstagsfeiern verteilt werden,
geht sie leer aus.
Die Schulpausen verbringt sie allein.
Sie wird ausgelacht, wenn sie mal wieder in Stoffhose statt Jeans zum Unterricht erscheint.
Es sind kindliche Gemeinheiten, die sich im Laufe der Zeit zuspitzen.
Im Teenager-Alter ist Sarah nämlich nicht mehr nur außen vor,
sondern muss auch herbe Mobbing-Attacken über sich ergehen lassen.
Wie die genau aussehen, vertraut sie ihrem Tagebuch an.
Auf einer Seite steht, wie eine Gruppe Mädchen sie auf der Toilette abfängt,
ihr eine Tüte über den Kopf stirbt und diese unten zudrückt,
sodass Sarah Angst hat zu ersticken.
Ein anderes Mal schreibt sie von 70 Ohrfeigen,
die ihr eine Mitschülerin mit der flachen Hand gibt.
Auf anderen Seiten schüttet sie ihr Herz über eine Verfolgungsjagd von MitschülerInnen
nach Schulabschluss aus, die ihr Beleidigungen an den Kopf werfen.
Der Hauptschulabschluss und das Ende der Schulzeit wirken daher zunächst wie ein Befreiungsschlag.
Sarah hofft auf einen Neuanfang.
Die Ausbildung zur Hauswirtschaftlerin, mit ihr soll nun alles besser werden.
Doch auch in der Gruppe der Auszubildenden wird sie verspottet und drangsaliert.
Zuckerbrot und Peitsche nennt sie es in ihrem Tagebuch, dem sie sich immer wieder anvertraut.
Welche positiven Erlebnisse das metaphorische Zuckerbrot bilden, lässt sie aber offen.
Um in ihr trostloses Leben etwas Freude einziehen zu lassen,
taucht Sarah, seit sie klein ist, in Fantasiewelten ab.
Auch heute, mit 27 Jahren, flüchtet sie regelmäßig aus der Realität.
Eine große Rolle spielen dabei ihre rund 160 Barbie-Puppen,
die Sarah zum Teil liebevoll und akkurat aneinandergereiht auf ihrem kleinen Ikea-Regal positioniert hat.
Die langweiligen Plastikdamen mit den eleganten Outfits und den glänzenden Haaren
sind für Sarah nicht nur eine Sammelleidenschaft.
In ihrem Zimmer ihres Elternhauses, in dem Sarah nach wie vor lebt,
denkt sie sich, umgeben von Twilight-Postern und Hello Kitty-Plüschherzen,
Geschichten für ihre Barbies aus.
Freundschaften, Beziehungen.
Sarah lässt sich spielerisch das Leben führen, das ihr bisher verborgen geblieben ist.
Manchmal teilt sie Ausschnitte dieser Geschichten in den sozialen Medien,
auf Facebook zum Beispiel oder der Plattform WerkenntWen.
Letzteres ist ein Netzwerk, auf dem Sarah 2011 eine Nachricht erhält,
die sie stutzig, aber auch neugierig macht.
Eine Userin, die sich als TV-Scout vorstellt, fragt Sarah, ob sie sich vorstellen könnte,
an einer neuen Dating-Show des Senders Sat.1 teilzunehmen.
Sarah ist irritiert, wieso man ausgerechnet auf sie kommt,
aber ihre Neugierde setzt sich durch und sie beginnt, das mitgeschickte Bewerbungsformular auszufüllen.
Vielleicht wird es ja so etwas wie Bauersuchtfrau, denkt sie sich damals.
Sarah mag die Sendung, findet sie romantisch und lustig.
Außerdem wünscht sie sich schon lange nicht sehnlicher als einen Partner an ihrer Seite.
Als Sarah ihre Bewerbung abschickt, ist sie voller Hoffnung, die sich kurze Zeit später tatsächlich erfüllt.
Die Produktionsfirma ist interessiert an ihr und will Sarah gerne für ihre Sendung dabei haben.
Bald darauf steht Sarah schließlich für schwer verliebt vor der Kamera.
Doch wirklich Spaß an den Dreharbeiten hat sie nicht.
Mehr noch, sie fühlt sich unwohl.
Das liegt nicht nur daran, dass ihr Volker und Klaus,
die Männer, zwischen denen sich Sarah am Ende der Sendung entscheiden soll,
überhaupt nicht zusagen.
Sarah hat zudem das Gefühl, nicht sie selbst sein zu können
und den Eindruck, dass man sie vorführen möchte.
Dabei ist sie keinesfalls die dümmliche Witzfigur, als die sie sich dargestellt fühlt.
Sie ist einfach nur etwas unselbstständiger als viele Erwachsene
und muss im Alltag oft sozusagen an die Hand genommen werden.
Jedes Mal, so wird es Sarah später einer Journalistin erzählen,
wenn sie Zweifel an einer Szene äußert oder eine Regieanweisung nicht befolgen möchte,
weist man sie am Set scharf auf den Vertrag hin, den sie unterschrieben habe.
Im Sommer 2011 verfolgen schließlich fast drei Millionen Menschen Woche für Woche die Sendung.
Sie sehen, wie Sarah in Radlerhose und BH im Bade sich schwimmt,
wie sie Lego-Fan Volker zu sich ins Bett holt
und wie sie in Stresssituationen zum übergroßen Nutella-Glas greift.
Es sind acht Folgen mit großem Fremdschämen-Potenzial,
die Sarah zur Lachnummer der Sendung machen.
Besonders aber zur Lachnummer ihres Wohnorts.
Die kennen wir, lautet nur einer der zahlreichen Kommentare,
die es online zu Sarahs Personen gibt.
Die haben wir schon in der Schule gemobbt.
Aber nicht nur im Netz wird Sarah zur Zielscheibe von Hohn und Spott.
In dem Supermarkt, in dem sie regelmäßig Regale auffüllt,
zeigen Leute lachend mit dem Finger auf sie.
Nachts klingelt es regelmäßig Sturm an ihrer Haustür.
Der Wirt einer ortsbekannten Kultkneipe sorgt für eine Demütigung der besonderen Art.
Er zeigt die Show Woche für Woche zur Belustigung auf Großleinwand.
Sarah hat von dem beschämenden Public Viewing,
das sie gewissermaßen zur Anti-Heldin macht, gehört.
Sie ist verzweifelt und am Boden zerstört.
Eigentlich wollte sie nur die Chance auf ein wenig Glück ergreifen,
doch das Gefühl, mit dem sie jetzt jede Nacht zu Bett geht,
kennt sie schon von damals.
Da ist sie wieder, die Einsamkeit und die innere Stimme, die ihr sagt,
dich versteht keiner, dich wird nie jemand lieben.
Doch so sehr Sarah die Anfeindungen, die sie erlebt, auch verletzen,
den Traum von Zweisamkeit, ist sie nicht bereit aufzugeben.
Den Glauben an die Liebe können sie mir nicht nehmen,
schreibt sie in ihr Tagebuch.
Ohne Liebe gehe ich tot.
Ohne Liebe kein Leben.
Sarah sucht weiter.
Nach Liebe und Anerkennung.
Und 2015, vier Jahre nach dem TV-Fiasko,
verändert sich ihr Leben dann endlich so, wie sie es sich gewünscht hat.
Sie ist verliebt in den Mann, von dem sie hofft,
dass er all ihre Sehnsüchte erfüllt.
Der 50-jährige IT-Techniker ist der erste und vielleicht ja auch der letzte Mann an Sarahs Seite.
Nachdem Frank vor wenigen Wochen in ihr digitales Postfach getreten ist, ging alles ganz schnell.
Das kleine Zimmer mit den Star-Postern an den Wänden ist nun nicht mehr ihr Zuhause und auch ihre Heimat Ida Oberstein hat sie für Frank hinter sich gelassen.
Nachdem die beiden im Januar angefangen hatten, auf Facebook miteinander zu schreiben, ist sie einen Monat später sogar zu ihm an die Mecklenburgische Seenplatte gezogen.
In Ida Oberstein hatte Sarah zuletzt nichts mehr gehalten.
Ihre Mutter war Anfang des Jahres unerwartet verstorben, ihr Vater ist mittlerweile dement und in einem Pflegeheim untergebracht.
Im 400-Personen-Örtchen Alt-Rese ist ab sofort ein ehemaliger Landgasthof Sarahs Zuhause.
Vor einigen Jahren hat Frank es noch als gastronomischen Betrieb geführt.
Nun dient das rustikale Haus ihnen als Eigenheim.
Mit der Beziehung zu Frank geht für Sarah ein echter Lebenstraum in Erfüllung.
Dass sie mal jemand länger als fünf Minuten ertragen kann, hatte sie sich damals bei ihrer Schwerverliebt-Teilnahme gewünscht
und jetzt sogar jemanden gefunden, der sein Leben mit ihr teilen will.
Dass Frank fast 20 Jahre älter ist als die mittlerweile 31-Jährige, ist für sie kein Problem.
Auf Facebook schreibt sie einer Bekannten,
Ich glaube, der Frank ist der Einzige, der es gut mit mir meint.
Gemeinsame Schnappschüsse und Selfies schmücken fortan die Online-Profile von Sarah und Frank.
Es sind Bilder, auf denen die beiden glücklich wirken.
Doch während Sarah denkt, ihren Märchenprinzen gefunden zu haben,
ist die Alt-Rese-Nachbarschaft alles andere als ein Fan von dem 50-Jährigen.
Regelmäßig terrorisiert er die AnwohnerInnen mit seinem Gitarren- und Trompetenspiel bis tief in die Nacht
und marschiert mit den Instrumenten durch die Straßen.
Franks Gedankenwelt ist diffus, teilweise düster, wie man seinem Profil entnehmen kann.
Auf Facebook hat Frank den Beinamen Satyana gewählt.
Ein hinduistischer Begriff, der sowas wie die Wahrheit bedeutet.
Frank postet oft und regelmäßig, teilweise bis zu 30 Mal täglich.
Vor allem Verschwörungstheorien, in denen dunkle Mächte und Dämonen eine Rolle spielen, widmet er sich.
Aber auch Anubis, der Gott der Einbalsamierung und Mumifizierung, hat es ihm offenbar besonders angetan.
Weiter kann man auf seinem Profil sehen, dass er offenbar an den Fortbestand des Königreichs Preußen glaubt
und Sympathien für den Zentralrat europäischer Bürger hegt.
Ein Verein, gegründet von einem Mann namens Mustafa Selem S., der den Behörden als notorischer Quirulant bekannt ist und der ReichsbürgerInnenbewegung zugeordnet wird.
Jener Bewegung, der sich auch Frank online zugehörig zeigt.
In einem Video, das er postet, sagt Frank, die haben das Vierte Reich gegründet hinter unserem Rücken.
Ich weiß Bescheid, deshalb soll ich aus dem Verkehr gezogen werden.
Ein Verschwörungsgedanke, wie er typisch für die ReichsbürgerInnen-Szene ist.
Am 23. Dezember 2015, einen Tag vor Heiligabend, betreten Sarah und Frank das Amtsgericht in Idar-Oberstein.
Einen Termin haben sie nicht, doch Frank hat die rund 800 Kilometer Fahrtweg aus einem guten Grund auf sich genommen.
Er will, dass Sarahs gerichtliche Betreuerin von ihren Aufgaben entbunden wird.
Das Gericht hat sie Sarah erst vor einigen Monaten nach dem Tod ihrer Mutter zur Seite gestellt, um sie zu unterstützen.
Bei Behördengängen zum Beispiel oder anderen bürokratischen Hürden des Lebens.
Frank hält das für Blödsinn. Schließlich kann er sich nun um Sarah kümmern.
Als ein Richter dem im Foyer stehenden Paar seine Hilfe anbietet, verlangt Frank, dessen Dienstausweis zu sehen.
Der Richter ist verwirrt, kommt seinem Wunsch jedoch nach.
Frank entgegnet darauf hin, dass er den Beamten nicht anerkenne.
Er sei ein Bediensteter der BRD und die sei wiederum nichts anderes als eine GmbH.
Die Situation im Gerichtsgebäude spitzt sich zu. Frank beginnt lautstark zu singen.
Ich dachte jetzt, lauthals zu schreien, aber er singt, okay.
Als ein Mitarbeiter des Sicherheitspersonals dazukommt und ihn bittet, das Gebäude zu verlassen, wird Frank aggressiv.
Immer wieder schlägt er nach dem Mann.
Die Polizei wird verständigt, doch Frank flieht mit Sarah im Schlepptau ins Auto und fährt mit quietschenden Reifen davon.
Auf der Rückfahrt nach Alt-Rese dreht er ein Video, das er kurz danach postet.
Die Fänger sind die Bullen, sagt Frank in die Kamera, während er am Steuer sitzt.
Die Schlepper sind die Rettungsdienste und die Schließer sind die Weißkittel.
Dann schwenkt die Kamera auf Sarah.
Ja, stimmt sie schüchtern zu.
Man bekommt den Eindruck, als wisse sie selbst nicht so richtig, was Frank damit eigentlich sagen will.
Ebenfalls aus Franks Facebook-Timeline kann man entnehmen, dass er und Sarah mittlerweile geheiratet haben.
Zumindest sieht Frank das so.
Vor einem Standesamt haben sie den Bund der Ehe zwar nicht geschlossen,
dafür begründet Frank ihren Status als Ehepaar mit seltsamen Schriftstücken,
die belegen sollen, dass er Sarah als Reichsbürger geheiratet hat.
Eine Hochzeit war etwas, was sich Sarah früher vermutlich nicht mal zu träumen gewagt hat.
Doch trotz der symbolischen Verbindung, die Frank mit ihr hat, schwebt sie nicht auf Wolke 7.
Im Gegenteil.
Die Beziehung scheint ihr immer mehr zuzusetzen, lässt Schwere statt Leichtigkeit in Saras Leben einziehen.
Im Januar 2016, Sarah ist mittlerweile ein Jahr mit Frank zusammen,
steht sie allein am Dorfteich in Alt-Rese.
Dicke Tränen kullern über ihre blassen Bange.
Sie schluchzt, ist verzweifelt.
Als ein aufmerksamer Nachbar sie fragt, was los sei, berichtet es aus ihr heraus.
Sarah berichtet, dass Frank sie zu Hause festhalte.
Immer wieder müsse sie gegen ihren Willen Pillen schlucken, die sie nicht kenne.
Mithilfe des Nachbarn ruft Sarah die Polizei und sie findet Zuflucht in einem Frauenhaus.
Doch der endgültige Schlussstrich, er gelingt ihr nicht.
Bereits kurze Zeit später sehen AnwohnerInnen sie wieder durch Alt-Rese spazieren,
Hand in Hand mit Frank.
Ihre Anschuldigung gegen ihn hat sie fallen gelassen.
Die Angst vor der erneuten Einsamkeit scheint für Sarah unerträglich.
9. August 2016
Es ist ein übler Geruch, der den PolizistInnen an diesem Dienstagmorgen in die Nase steigt.
Eigentlich sind sie wegen einer gemeldeten Ruhestörung zu dem alten Landgasthof mit der laxfarbenen Fassade gefahren.
NachbarInnen hatten sich darüber beschwert, dass der Hausbewohner nackt in seinem Garten Trompete spielt.
Wieder einmal.
Ich kann mir vorstellen, dass das nicht so witzig ist, wenn du gegenüber von so jemandem wohnst.
Nein, das stimmt.
Das stimmt.
Ich habe ja Nachbarn, die den ganzen Tag musizieren.
Und wenn ich dann noch mitbekommen würde, dass das nackt passiert und ich das sehe, dann würde ich aber wirklich die Polizei rufen.
Jetzt muss man aber dazu sagen, dass die bei dir ja auch noch Flöte spielt.
Flöte ist ja nun wirklich das furchtbarste Instrument.
Geige, Flöte, Klavier.
Ja, alles okay, aber die Flöte.
Ja, das stimmt.
Eine Blockflöte.
Aber Geige ist doch auch schlimm, wenn man das noch nicht so gut kann.
Geige, wenn man es nicht kann, ist auch richtig furchtbar.
Aber eigentlich, die können das schon, aber mit der Geige machen sie nur traurige Musik.
Das sorgt bei mir immer für so einen ganz komischen Bauch, so einen nervösen Bauch, weißt du?
Für mich wäre das so, als ob mein Leben dann ja so permanent so einen Soundtrack hätte.
Und dann würde ich mich selbst in so einem Kinofilm sehen, wie ich zu Hause sitze und esse.
Und dann dabei ist so diese traurige Musik, das macht ja alles viel schwerfälliger.
Und das Witzige ist, bei der Flöte, weißt du, was sie jetzt gerade neu haben?
Das Kind, das das spielt, lernt gerade die Musik vom Pink Panther.
Das heißt, das höre ich den ganzen Tag.
Aber da würde ich zum Beispiel dann an deiner Stelle mich so auf die Zehenspitzen stellen
und dann so durchs Haus tapseln und immer gucken, dass mein Mann mich nicht sieht, weißt du?
Okay, das versuche ich beim nächsten Mal.
Oder ihm dann immer so hinterher spionieren, bei so alltäglichen Sachen, die er macht.
Naja.
Okay.
Zurück zum nackten Trompeter.
Genau, also von Frank scheint die sich ja wirklich belästigt zu fühlen, aus einem guten Grund.
Und der strahlt ja auch was Bedrohliches aus, ja.
Ja.
Und als den Beamtinnen nun der beißende Gestank durch die geöffnete Haustür entgegenschlägt,
ahnen sie schon, dass es in dem Haus noch ein größeres Problem gibt als den nackten Störenfried.
Die NachbarInnen hatten außerdem gemeldet, dass sie die Lebensgefährtin von Frank schon länger nicht mehr gesehen hätten.
Die BeamtInnen beschließen folglich, Franks Haus zu betreten, um nach ihr zu suchen,
müssen ihn jedoch zuvor fixieren, um sich Zutritt zu verschaffen.
Der entblößte Frank macht an diesem frühen Sommermorgen einen verwirrten und zugleich aggressiven Eindruck.
Er ist apathisch, wirkt nahezu wahnhaft auf die Gerufenen.
Während dem 51-Jährigen in einem Rettungswagen Beruhigungsmittel injiziert werden,
treten die PolizistInnen über die Türschwelle und damit hinein in einen Schauplatz der Verwahrlosung.
Franks Haus ist komplett zugemüllt.
Tische und Flächen der hellen Holzmöbel sind bedeckt mit Lebensmittelresten und unzähligen Kram.
Auf dem Fußboden liegen Seiten aus Pornomagazinen dicht aneinander und bilden so etwas wie einen obszönen Teppich.
Zwischen den Heften, die nackte Frauen zeigen, befinden sich vereinzelt Barbie-Puppen.
Einigen fehlen Gliedmaßen, andere wirken, als seien sie mit gespreizten Beinen bewusst geschmacklos in Szene gesetzt.
Doch der verstörendste Anblick erwartet die PolizistInnen im Badezimmer.
Auf einer Sackkarre neben der verdreckten Badewanne liegt die Quelle dessen, was sie bereits am Eingang gerochen haben.
Optisch erinnert es an ein übergroßes Päckchen, zusammengeschnürt und umgeben von mehreren Schichten Malervlies und Alufolie, eingewickelt in einer Plastikplane.
Unter den Schichten befindet sich eine Leiche.
Die Verwesung ist so stark fortgeschritten, dass das Ergebnis der rechtsmedizinischen DNA-Untersuchung erst einige Tage später eine traurige Gewissheit bringt.
Es ist Sarah, die Lebensgefährtin von dem Hausbesitzer.
Und sie ist schon seit einer ganzen Weile tot.
Frank hatte das Video mit der nackten, baumelnden Barbie offenbar nach ihrem Tod aufgenommen und bei sich auf der Facebook-Seite veröffentlicht.
Niemals werde ich sie vergessen. Niemals, sagt er darin.
Aber wieso musste Sarah überhaupt sterben?
Nach dem grausamen Fund in seinem Badezimmer wird Frank festgenommen.
Einen Tag später sitzt er auf der Polizeistation nun zwei Beamten zur Vernehmung gegenüber.
Der Platz neben ihm ist frei, denn er hat mehrfach klargemacht, keinen Rechtsbeistand zu benötigen.
Frank ist gesprächig.
Mehr noch, er wirkt, als wolle er sich von der Seele reden, was ihn seit Wochen beschäftigt.
Nämlich, warum Sarah tot in seinem Haus lag.
Also nimmt Frank die Polizisten mit in die Geschehnisse des Tages vor etwa zwei Monaten.
Wie lange genau es her ist, kann Frank nicht mehr sagen.
Was passiert ist, weiß er stattdessen noch ganz genau zu beschreiben.
Der 51-Jährige erzählt, dass er an diesem unbekannten Tag Gegenstände vermisst, darunter seine Schlüssel und mehrere Brillen.
Er ist sich sicher, dass Sarah die versteckt hat.
Sie streitet das ab, doch Frank glaubt ihr nicht.
Im Gegenteil, er glaubt zu wissen, wieso sie das getan hat.
Sarah sei eine Spionin, ein Spitzel.
Der Bundesnachrichtendienst habe sie auf ihn angesetzt und es gibt nur eine Möglichkeit herauszufinden, was der Geheimdienst gegen ihn in der Hand hat.
Folter.
An Händen und Haaren fesselt Frank Sarah nackt an das gemeinsame Bett.
Dann greift er zur selbstgebastelten Peitsche und schlägt zu.
Oh Gott.
Wieder und wieder treffen die 20 Zentimeter langen Lederfransen mit voller Wucht Saras Körper.
Frank will, dass Sarah Schmerzen hat, um ihr so leichte Informationen zu entlocken.
Doch egal wie oft Frank auch zum Schlag ansetzt, das erhoffte Geständnis von Sarah bleibt aus.
Rund zwei Stunden dauert die Tortur, dann verliert Sarah das Bewusstsein.
Frank kontrolliert ihren Puls und ihre Atmung.
Nichts.
Der 51-Jährige setzt zur Reanimation an, drückt wiederholt mit seinen Händen rhythmisch auf ihren Brustkorb.
Kurzzeitig kommt Sarah wieder zu sich, dann schließen sich ihre Augen erneut.
Dieses Mal für immer.
Als Frank feststellt, dass Sarah tot ist, bringt er sie in die Badewanne und macht sie sauber, um Abschied von ihr zu nehmen.
Dann schnürt er sie auf eine Sackkarre, fährt sie darauf zur Kleiderkammer, wo er sie in diverse Materialien und Stoffe einwickelt und stellt die Karre mit Sarahs umwickelter Leiche drauf, danach wieder im Badezimmer ab.
So beschreibt es Frank zumindest den Vernehmungsbeamten.
Als diese ihn daraufhin fragen, warum er keine Rettungskräfte verständigt habe, führt Frank einen merkwürdigen Grund an.
Er habe Sarah bei sich behalten wollen.
In den Medien verbreitet sich der mutmaßliche Foltermord von Sarah im rasanten Tempo.
Schwer verliebt, da zu Tode gequält und TV-Sternchen totgepeitscht, lauten im August 2016 die Überschriften in Zeitungen und Onlinebeiträgen.
Fünf Jahre nach ihrer Teilnahme an der Fernsehshow, die für Sarah zur absoluten Vollkatastrophe wurde, findet sie nun erneut in den Medien statt.
Doch statt hämischer Kommentare sind es diesmal bedauernde und wohlwollende Worte, die sich in den sozialen Netzwerken häufen.
Es ist der Rückhalt, den Sarah sich immer gewünscht hat, den ihr zu Lebzeiten aber niemand bereit war zu geben.
Und das hat mich wirklich aufgeregt, dass so viele im Nachgang jetzt so tun, als seien sie davon betroffen.
Also ich meine, gut, ja, vielleicht hat sie das dann auch in dem Moment betroffen gemacht.
Aber wenn da nur einer dabei war, der sie früher verspottet hat, der auf so einem Public Viewing dabei war und so,
dann glaube ich denen natürlich eigentlich kein Wort.
Das fühlt sich für mich immer so an, als würde man sich durch so gefakte Betroffenheit irgendwie wichtig machen wollen.
Ja, mag ich gar nicht sowas.
Am 25. Januar 2017 beginnt dann vor dem Landgericht Neubrandenburg der Prozess gegen Frank.
Boulevardblätter haben den 51-Jährigen mittlerweile den Beinamen Peitschenmörder gegeben.
Doch um einen potenziellen Mord soll es ja am Landgericht in den nächsten vier Verhandlungstagen nicht gehen.
Körperverletzung mit Todesfolge, lautet der Vorwurf der Staatsanwaltschaft, dem sich Frank auf der Anklagebank stellen muss.
Die Staatsanwaltschaft ist überzeugt, es waren seine Peitschenhebe, die zu Saras Tod führten.
Aus dem zunächst Geständigen ist mittlerweile ein schweigsamer Angeklagter geworden.
Frank äußert sich nun nicht mehr zu den Anschuldigungen, die gegen ihn erhoben werden.
Ein Schild mit der handgeschriebenen Aufschrift
»Elende Lügenpresse«, das er immer wieder vor seinem Gesicht platziert,
stellt das einzige Statement dar, das er abgibt.
Was genau er den BerichterstatterInnen ankreidet, lässt er offen.
War es wirklich Franks Folter, wie er seine Tat in der Vernehmung selbst beschrieb, die Sarah das Leben nahm?
Das Gericht hat zur Beantwortung dieser Frage nur wenig, auf das es sich stützen kann.
Ein Rechtsmediziner, der als Gutachter gehört wird, macht klar,
dass Saras Leiche bei der Obduktion schätzungsweise zwei Monate nach der Tat so stark verwest gewesen sei,
dass es unmöglich war, eine genaue Todesursache zu bestimmen.
Im Hinblick auf Franks Geständnis bei der polizeilichen Vernehmung sagt der Gutachter jedoch,
dass stundenlanges Auspeitschen durchaus dazu geeignet sei, den Tod eines Menschen herbeizuführen.
Es sei etwa möglich, dass Sarah infolge der Misshandlungen ein Herz-Kreislauf-Versagen erlitten habe.
Vorerkrankung habe sie in jedem Fall nicht gehabt.
Im Gegensatz zu Frank, dessen psychiatrische Vorgeschichte von der Strafkammer genauer unter die Lupe genommen wird.
Als Sarah Frank Anfang 2015 online kennenlernt,
ist er alles andere als der stabile, ihr haltgebende Mann, den sie in ihm vermutet.
Frank hat zu diesem Zeitpunkt erst kürzlich ein psychiatrisches Krankenhaus verlassen.
Zwei Wochen hatte er dort verbracht,
nachdem er nach der Trennung von seiner Ex-Frau damit gedroht hatte, das gemeinsame Haus anzuzünden.
Diagnose Psychose
Im Juni 2016, Sarah und Frank sind zu diesem Zeitpunkt gut eineinhalb Jahre ein Paar,
wird Frank außerdem eine bipolare affektierte Störung diagnostiziert.
Eine Erkrankung, die sich bei ihm in einer emotionalen Achterbahnfahrt aus Traurigkeit,
Gereiztheit und übertriebener Euphorie kennzeichnete.
Die psychiatrische Sachverständige, die vor Gericht Angaben zu Franks Zustand machen soll,
spricht zudem von einem paranoid-halluzinatorischen Syndrom,
das sich vor allem daran zeige, dass Frank fest davon überzeugt sei,
dass Sarah vom Bundesnachrichtendienst auf ihn angesetzt worden war.
Ob Frank zum Tatzeitpunkt wahnhaft gewesen sei, sei ihrer Ansicht nach nicht gutachterlich einschätzbar.
Am 17. März 2017 fällt dann die zuständige Strafkammer das Urteil.
Frank wird wegen Körperverletzung mit Todesfolge und Freiheitsberaubung mit Todesfolge für schuldig befunden
und zu einer Freiheitsstrafe von fünf Jahren verurteilt.
Die Peitschenhebe, die Frank Sarah zufügte,
laut Auffassung des Landgerichts waren die ursächlich für Sarahs Tod.
Doch der Schuldspruch gegen Frank ist keinesfalls das juristische Ende des Verbrechens.
Es ist vielmehr der Anfang.
Denn Franks Verteidigung will das Urteil nicht akzeptieren
und legt Revision ein.
Und der BGH prüft das Urteil auf Rechtsfehler,
die auch online beanstandet werden.
Eine Gruppe von Menschen bekennt sich zu Frank und betont,
dass er unschuldig sei.
Die Stimmen sprechen beispielsweise von befangenen RichterInnen
und von Frank als einen politischen Gefangenen
und einem Skandal,
in dem Justiz und Medien bewusst zulasten Franks Lügen und Vertuschen würden.
Und einige dieser Stimmen meldeten sich in diesem Jahr
auch bei einem Crime-Podcast,
namens Mordlust,
der damals schon über den Fall von Sarah berichtete.
Das heißt, wir haben in einer der ersten Folgen,
welche war das?
Vier?
Sieben.
Genau, da haben wir über den Fall schon mal berichtet.
Wir haben den damals anders erzählt.
Und wir haben damals tatsächlich,
weil da waren wir ja noch Mini-Crime-Podcast darin,
nicht bedacht, dass das Urteil zu dem Zeitpunkt noch nicht rechtskräftig war,
als wir darüber berichtet haben.
Und das ist tatsächlich was, das machen wir heute nicht mehr so,
weil wir einfach am liebsten mit gesicherten Informationen arbeiten möchten.
Und uns war das damals noch nicht klar,
dass die Informationen, auf die wir uns beziehen
und mit denen wir den Fall erzählt haben,
dass die sozusagen noch nicht final durch sind
und noch kein Gericht gesagt hat,
ja, so war es.
Und deswegen meldeten sich dann damals,
ich weiß nicht,
zwei, drei Leute bei uns über unseren Instagram-Kanal.
Und die eine Person hat einfach das mit der Revision uns erzählt.
Das fand ich völlig okay.
Die anderen Nachrichten waren tatsächlich etwas bedrohlicher.
Und ich erinnere mich auch noch,
dass irgendwann uns mal ein anderer Crime-Podcast,
weil es tatsächlich nicht mehr welcher es war,
angeschrieben hatte,
die den Fall eigentlich auch mal behandeln wollten.
Dass die aber auch gehört haben,
dass das Umfeld von Frank relativ bedrohlich wird,
also zumindest ein Teil davon.
Und wir hatten denen dann damals auch davon erzählt,
woraufhin sie den Fall dann nicht mehr machen wollten.
Wir haben den Fall damals runtergenommen,
weshalb Folge 7 auch nur die Erzählung von Laura enthält
und haben uns jetzt entschieden,
zu diesem Oberthema den Fall nochmal zu machen.
Der ist auch komplett nochmal neu aufbereitet,
diesmal auch mit dem ersten Urteil als Quelle und so.
Und seit der letzten Veröffentlichung
gab es auch noch ein bisschen Bewegung in dem Fall,
wozu ich jetzt komme.
Nach unserer Veröffentlichung hatte die Revision tatsächlich Erfolg.
Und das heißt, dass die Dinge,
die das erste Gericht festgestellt hatte,
so keinen Bestand mehr hatten,
sodass es dann zu einem neuen Prozess kam.
An den kommenden 52 Verhandlungstagen des neuen Prozesses
werden insgesamt 82 ZeugInnen gehört.
Vier Sachverständige aus den Bereichen Rechtsmedizin und Psychiatrie.
Sie alle sollen dieses Mal ein deutlicheres Bild zeichnen.
Von Frank und seinem Zustand am verheerenden Sommertag 2016.
Denn die Frage nach Franks Schuldfähigkeit
spielt diesmal die zentrale Rolle.
Eine Frau lauscht den Erzählungen im Gerichtssaal besonders gebannt.
Für die 28-jährige Krankenschwester Nele,
eine junge Frau mit langen rot-braunen Haaren,
ist der Ausgang des Prozesses auch wegweisend für ihr weiteres Leben.
Denn sie ist die neue Frau an Franks Seite.
Bereits im Jahr 2017 beginnt sie,
dem in Urhaft sitzenden Frank Briefe zu schreiben,
sich für ihn und seine Geschichte zu interessieren.
Kurze Zeit später werden sie ein Paar.
Nele ist sich sicher, Frank ist unschuldig
und keinesfalls das Monster, für das er in den Medien gehalten wird.
Neles Loyalität reicht so weit,
dass sie für Frank sogar ihre Heimat in Rheinland-Pfalz
hinter sich gelassen hat
und zu ihm nach Mecklenburg-Vorpommern gezogen ist.
Wie Sarah damals hat sie für Frank ihren Lebensmittelpunkt verlagert.
Nele sucht sich eine Wohnung in Neustrelitz
und nimmt Frank schließlich bei sich auf,
als er im September 2018 nach mehr als zwei Jahren in Haft entlassen wird.
Nele möchte mit ihm eine Familie gründen,
am liebsten in seinem alten Haus in Altrese,
in dem Frank zuvor mit Sarah gelebt hat und das seither leer steht.
Der wurde nach zwei Jahren freigelassen,
obwohl noch ein Prozess lief oder wie?
Ja, genau.
Also man weiß nicht so genau,
saß der vorher die ganze Zeit in U-Haft oder so,
aber der wurde dann zwischenzeitlich entlassen, ja.
Oh Gott.
16 Monate nach Prozessauftakt
scheint es dann so,
als sollten Neles Träume,
zumindest keine Gitterstäbe mehr im Weg stehen.
Am 19. Juni 2020
verkündet das Landgericht Neubrandenburg sein neues Urteil.
Frank wird wegen Körperverletzung,
versuchter Nötigung und Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte verurteilt.
Das Gericht kommt diesmal zu dem Schluss,
dass Frank zur Tatzeit vermutlich wahnhaft und somit zumindest vermindert schuldfähig gewesen sei.
Und nicht nur das.
Auch die Peitschenhiebe gelten nun mit Hinweis auf den fortgeschrittenen Verwesungszustand von Sarahs Leiche
nicht mehr sicher als todesursächlich.
250 Euro, so hoch ist die Geldstrafe, die Frank zahlen muss.
Es ist der Preis für ein Leben in Freiheit fernab eines Gefängnisses.
Die Staatsanwaltschaft kündigt Revisionen an,
doch der Antrag wird den BGH niemals erreichen können.
Drei Monate später.
Vermutlich ist es so etwas wie das traurige Finale.
Geschockt stehen die BewohnerInnen des Mehrfamilienhauses in Neustrelitz
zwischen den roten Feuerwehrautos auf der Straße und blicken nach oben.
Dicker Qualm steigt aus den weiß gerahmten quadratischen Fenstern der Dachgeschosswohnung,
in der es einige Minuten zuvor eine Explosion gegeben hat.
Die Flammen haben sich mittlerweile einen Weg bis in den Dachstuhl gebahnt.
Es ist Franks Wohnung, die an diesem 25. September 2020 Lichterloh brennt.
Seit etwa zwei Wochen lebt der 55-Jährige alleine hier, ohne seine Nele.
Zwischen den beiden hatte es in den letzten Wochen immer wieder lautstarke Auseinandersetzungen gegeben.
Die 28-Jährige hatte den Eindruck, immer weniger an ihren Partner heranzukommen,
der wie in seiner eigenen Welt lebt.
Deswegen beschließt sie, für ein paar Wochen zu ihren Eltern zu ziehen.
Frank soll reflektieren und darüber nachdenken, was er an seiner Partnerin hat.
Doch nachdem Nele weg war, hat Franks Wahn offenbar ein neues Ausmaß angenommen.
Regelmäßig rufen NachbarInnen die Polizei, weil er schreiend am Fenster steht
oder mit einem Jagdmesser durch die Straße läuft.
Vor ein paar Tagen hat Frank ein Video auf Facebook gepostet,
das nun wie eine Vorankündigung der Katastrophe wirkt.
Frank hält darin seine Handykamera auf eine Gaskartusche,
in der undefinierbare Gegenstände vor sich hinkokeln.
Richtiges Feuer ist kalt, nicht heiß, kommentiert er immer wieder,
mal singend, mal geheimnisvoll sprechend.
Was das zu bedeuten hat, weiß niemand.
Was die Rettungskräfte jedoch wissen, die Frank an diesem Freitag aus seiner Wohnung bergen,
um den 55-Jährigen steht es nicht gut.
Ein Rettungshubschrauber fliegt Frank in eine Spezialklinik.
Doch wenige Stunden nach seinem Eintreffen verstirbt er dort an seinen Verletzungen.
Der Feuertod von Frank hat zur Konsequenz, dass das zuletzt gesprochene Urteil gegen ihn
auch nicht rechtskräftig werden wird.
Zugleich legt er die Hoffnung in Schutt und Asche.
Die Hoffnung von Nele auf eine gemeinsame Zukunft mit Frank.
Die Hoffnung der Staatsanwaltschaft auf Revision und die Hoffnung von Saras Zugehörigen,
zu erfahren, was ihr im verhängnisvollen Sommer 2016 widerfahren ist.
Ohne Liebe gehe ich tot, so schrieb es Sarah einst in ihr Tagebuch.
Doch letztendlich scheint es, als sei es eben jene Sehnsucht nach Zweisamkeit gewesen,
die ihr zum Verhängnis wurde.
Und falls sich jetzt jemand fragt, warum wir diesen Fall wieder erzählen,
obwohl ja wieder Revision eingelegt wurde und das Urteil ja wieder nicht rechtskräftig war,
also es ist keinesfalls so, dass man über die Fälle nicht berichten könnte,
wenn sie noch nicht rechtskräftig waren, aber es kommt ein bisschen darauf an, wie.
Und das wissen wir natürlich jetzt. Darauf haben wir diesmal natürlich geachtet.
Und am Ende können wir jetzt halt eben einfach nicht sagen,
woran Sarah gestorben ist und welche Schuld da Frank getroffen hätte.
Ich meine, du hast mir den Fall ja auch schon mal erzählt.
Aber was jetzt wieder so hängen geblieben ist bei mir, ist,
dass Sarah einfach so eine tragische Figur ist und dass sie mir so leid tut.
Weil erstens, was sie sich einfach gewünscht hat, ist halt endlich mal Liebe zu erfahren,
weil sie ja auch irgendwie selber geglaubt hat, die nicht zu verdienen
oder weil sie dann auch sowas gesagt hat wie,
niemand hält es länger mit mir aus oder sowas Furchtbares.
Und dann dachte sie, diese Liebe in Frank gefunden zu haben
und merkt dann aber mit der Zeit, dass der das auch nicht gut mit ihr meint.
Und dann hat sie einfach wirklich diesen schrecklichen Tod da erleben müssen.
Und das ist ja dann auch nicht direkt aufgefallen, dass sie nicht mehr da war.
Weißt du, das ist dann auch nochmal, das finde ich so traurig.
Ja.
Und was ich mir aber auch schon während deiner Fallerzählungen gedacht habe,
ist, kommt da noch was mit einer verminderten Schuldfähigkeit oder sowas?
Weil es wirklich ja teilweise sich sehr danach angehört hat,
als wäre irgendwas nicht mit ihm in Ordnung.
Und dann habe ich gedacht, okay, er hat aber eigentlich ja auch viele Ideen,
die Eugen aus meinem Fall auch hatte.
Und bei ihm ist aber ja ganz klar gewesen,
also haben sie ganz klar im Gericht auch festgestellt,
der ist schuldfähig und so weiter.
Und das finde ich irgendwie interessant, weißt du,
weil teilweise haben sie halt sehr merkwürdige Einstellungen.
Genau, und darauf wurde ja im ersten Prozess nicht genügend eingegangen,
also auf eine mögliche verminderte Schuldfähigkeit.
Und das zweite Urteil gibt es ja nicht.
Deswegen weiß ich nicht, was im zweiten Prozess sozusagen dazu stattgefunden hat.
Aber die Nele, also die letzte Freundin von Frank,
die hat in Interviews erzählt, dass Frank Drogen konsumiert habe.
Und so wie sich das angehört hat, auch viel.
Und zwar so, dass sie nicht mehr an ihn herankam
und er dann auch immer streitsüchtig wurde in diesen Phasen.
Und sie hat auch angedeutet,
dass das schon in der Zeit von Sarah ein Problem war.
Und ich meine, das wissen wir,
dass er in der Zeit sich auf jeden Fall auch schon sehr auffällig verhalten hat,
ob es nun an Drogen lag oder woran auch immer.
Aber auf jeden Fall lässt sein Verhalten von damals
ja auch schon auf den Zustand der geistigen Verwirrung von damals schließen.
Aber, wie wir an Eugen auch gesehen haben,
sind eben nicht alle ReichsbürgerInnen oder SelbstverwalterInnen geistig verwirrt.
Und man kann auch nicht sagen,
so oder so ist der typische Reichsbürger
oder die typische SelbstverwalterIn.
Dafür ist die Szene einfach viel zu heterogen.
Also es gibt da ganz verschiedene,
mehr oder weniger gut organisierte Gruppierungen,
Online-Netzwerke und aber auch Einzelpersonen
mit unterschiedlichen Überzeugungen und Vorstellungen,
die sogar auch miteinander manchmal konkurrieren.
Das Einzige, was man zur Demografie sagen kann,
ist, die meisten, also so um die 67 Prozent sind männlich,
sind älter als 40 Jahre
und sind auch schon recht lange in der Szene aktiv.
Und zwar so lange,
dass sich ihre Ansichten und Überzeugungen schon sehr verfestigt haben.
Die Amadeu Antonio Stiftung betont außerdem,
dass sich vor allem Menschen dem Milieu zuwenden,
die mit der Moderne hadern und sich nach Zusammenhalt sehen,
klare Handlungsanweisungen und Aufgaben im Leben wollen.
Und da holt die Szene dann die eben ab,
weil die ein ganz konkretes Weltbild haben.
Es gibt aber tatsächlich vor allem drei Motive,
auf die man immer wieder stößt,
wenn es um die Motivation geht,
warum sich jetzt ein Mensch der ReichsbürgerInnen
oder SelbstverwalterInnen-Szene zuwendet.
Und darum geht es jetzt in meinem Aha.
Auch wenn es da noch erheblichen Untersuchungsbedarf gibt,
eines von den Motiven, von denen man immer wieder hört,
ist die Wiederbelebung des deutschen Reichs.
Und das darf man jetzt nicht unbedingt immer
mit rechter Ideologie oder Rechtsextremismus gleichsetzen,
obwohl der historische Kontext das natürlich nahe legt.
Aber der Verfassungsschutz vermutet trotzdem,
dass gerade einmal etwas mehr als 5% aller ReichsbürgerInnen
und SelbstverwalterInnen rechtsextremistisch sind.
Wobei einige dieser Zahl auch sehr kritisch gegenüberstehen,
weil nicht so ganz transparent ist,
wie der Verfassungsschutz überhaupt zu dieser Zahl kommt.
Laut Verfassungsschutz seien RechtsextremistInnen ja jene,
die die Ansicht vertreten,
dass die Zugehörigkeit zu einer Ethnie oder Nation
über den tatsächlichen Wert eines Menschen entscheidet.
Und diese Ansicht, die teilen eben längst nicht alle ReichsbürgerInnen.
Aber vielen geht es eben einfach darum,
dieses schlafende Deutsche Reich wieder zum Leben zu erwecken.
Weil sie ja der Meinung sind, das ist nie untergegangen.
Und jetzt sagen die halt auch,
unsere Regierung, die dient ja der Bundesrepublik Deutschland
und die gibt es ja gar nicht.
Ja, aber man kann jetzt daraus nicht schließen,
dass die alle das Deutsche Reich so zurückhaben wollen,
wie das damals war, oder?
Weil dann müsste man ja schon sozusagen
die alle in die rechte Schublade packen,
wenn die das einfach wieder auferstehen lassen wollen,
so wie es war.
Nee, genau.
Also es geht eher darum,
dass sie eigentlich ja eine legitime Regierung haben möchten,
deren Gesetze dann auch gelten würden.
Weil unsere gelten ja angeblich nicht.
Und deswegen, weil die eben auch RegierungsvertreterInnen vermissen,
ernennen die sich dann auch teilweise selber zu welchen.
Und dann schreiben die an die Behörden,
ich bin hier kommissarischer Reichsministerpräsident XY
und ich verlange jetzt das und das.
Eine andere Motivation geht mit dem Festhalten
an Verschwörungsmythen einher.
Da wird dann ganz gerne von Strippenziehern
und geheimen Mächten und so weiter gesprochen,
wie das bei Eugen ja auch war.
Und das hat aber auch ganz klar einen antisemitischen Charakter
und ist an diese Erzählung von einer kleineren Elite geknüpft,
die heimlich die Welt beherrschen würde.
Der Politologe Jan Rathje,
der hat uns im Interview erzählt,
dass diese Verschwörungsmythen auch mittlerweile oft
Hand in Hand mit Rechtsextremismus gehen.
Zum einen ist es so, dass eine historische Kontinuität
von extremen Rechten und antisemitischen Gruppierungen
und Individuen innerhalb des Gesamtmilieus existiert.
Das heißt, seit dem Untergang des nationalsozialistischen
Deutschen Reichs versuchen Extremrechte,
ein nationalsozialistisches Deutsches Reich
wieder handlungsfähig zu machen.
Und als Teil dieser Strategie haben sie immer auch Antisemitismus genutzt.
Das heißt, sie haben eigentlich den alten Mythos der jüdischen Weltverschwörung
auf ihre aktuelle politische Situation angewandt,
indem sie behauptet haben,
Jüdinnen und Juden würden eigentlich die geheimen Mächte hinter den Alliierten sein,
die schon seit Jahrhunderten versuchen würden, das deutsche Volk zu vernichten
und auch sozusagen den Nationalstaat des deutschen Volkes, das deutsche Reich.
Also Antisemitismus spielt schon eine Rolle in der Ideologie von ReichsbürgerInnen und SelbstverwalterInnen.
Aber vielen Menschen, die zu der Szene dazukommen,
denen ist das am Anfang gar nicht so richtig bewusst, sagt Rath hier.
Deshalb dürfe man jetzt auch nicht verallgemeinern und sagen,
alle aus der Szene sind antisemitisch oder rechtsextremistisch.
Aber die berufen sich dann schon auch auf diese große Bandbreite an Behauptungen und Ansichten in diese Richtung.
Also das reicht von individuellen Schuldzuweisungen,
wie zum Beispiel in dem der jüdischen Gemeinschaft die Schuld an der eigenen Arbeitslosigkeit gegeben wird,
bis hin zur Holocaust-Leugnung.
Ja, also viel ist dabei.
Und in dem Zusammenhang von Verschwörungsvorstellungen stößt man dann aber auch unweigerlich auf das Feld der Esoterik.
Und auch diese Inhalte mischen sich mittlerweile offenbar immer mehr in dieser Szene mit rechtsextremistischen Gedanken gut.
Also es gibt vor allem bei Feindbildern eine krasse Überschneidung von RechtsextremistInnen,
VerschwörungstheoretikerInnen und EsoterikerInnen.
Das hat man auch bei den Corona-Demos gesehen, wer da so alles nebeneinander gelaufen ist.
Also da hat man sich ja auch schon gewundert.
Ist an sich jetzt aber nichts Neues.
Also man spricht da von Conspiracy und Spirituality.
Und der dritte Grund, warum sich viele Menschen der Szene anschließen, ist die finanzielle Krise oder generelle Krisen.
Und da holt die Szene die Leute ab, indem man sagt, naja, also Deutschland gibt es ja als Staat gar nicht.
Und deswegen kann der Staat auch kein Geld von dir verlangen.
Also wenn du Schulden hast oder wenn du Steuern zahlen musst.
Interessanterweise beziehen aber einige schon staatliche Leistungen.
Also man sieht, es ist immer so ein bisschen da, wo man selber was von hat.
Das wird dann genommen, da wird das dann anerkannt.
Aber wo man dann Verpflichtungen hätte oder was einem nicht gefällt, das wird abgelehnt.
Und deswegen kann es dann aber auch sein, dass so Sachen wie ein Sorgerechtsstreit oder ähnliches,
dass solche Sachen dann dazu führen, dass man dem Staat dann plötzlich feindlich gegenübersteht
und sich der Szene zuwendet, weil man einfach ein großes Ungerechtigkeitsempfinden dann bekommt.
Ja, und so ging es ja auch vielen dann zum Beispiel im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie.
Und dazu sagt Geheimdienstexperte Michael Göttschenberg im Podcast Dark Matters,
dass die Corona-Protestbewegung auch eine große Rolle beim Aufschwung und Wachstum der Szene gespielt hat.
Und das ergibt ja auch irgendwie Sinn, weil in der Zeit, das haben wir ja am Anfang besprochen,
hat der Staat mehr durchgegriffen als sonst, halt Maßnahmen verhängt, an die wir uns alle halten mussten.
Und das mag man ja in der Szene nicht.
Und dass dann auch andere Leute nicht einverstanden waren mit den Maßnahmen,
das haben sich dann die AnhängerInnen auch zunutze gemacht und quasi in dem Zuge neue Leute zu sich geholt.
Genau, und was aber auch ein Grund für das aktuelle Wachstum sein kann, ist,
dass gerade auch in der Corona-Zeit sich einige Promis mit der Szene verbunden haben
und so ein bisschen mit der geliebäugelt haben.
Wie zum Beispiel, ein bisschen ist gut, Attila Hildmann hat das schon ziemlich doll getan.
Also der war ja früher als veganer Koch bekannt geworden und ist in der Corona-Zeit dann durch sehr, sehr,
skurrile Verschwörungsmythen aufgefallen, wo er gegen das Impfen wetterte,
wie etwa mit, euer Ego soll in eine Cloud hochgeladen werden.
Die Leitung in eurem Körper wird gelegt durch eine Impfung und die darin enthaltene Nanotechnologie
stellt die Verbindung her zur Cloud.
Wow.
Also das ist wirklich schon richtig, richtig lost, ja.
Ja.
Naja, und dann erzählte er eben auch das Märchen davon, dass Deutschland kein souveräner Staat sei
und postete Fotos von Flaggen vom Deutschen Reich.
Ja, und das war ja auch ganz ähnlich bei Xavier Naidoo.
Ich meine, die beiden haben offenbar ja nie öffentlich sich zu dieser ReichsbürgerInnen-Szene zugehörig erklärt.
Und Xavier hat sich ja mittlerweile auch distanziert.
Allerdings sehen wir ja, viele Dinge, die Xavier damals gesagt hat, sind inhaltlich identisch mit der Ideologie der ReichsbürgerInnen-Bewegung.
Der hat zum Beispiel 2011 im ARD-Morgenmagazin auch gesagt, dass Deutschland immer noch besetzt sei, keinen Friedensvertrag habe und dementsprechend auch eben kein echtes Land sei.
Ey, ganz kurz, stell dir vor, du bist die Moderatorin und dann sitzt du da und dann passiert dir sowas.
Dann denkst du doch, heilige Scheiße.
Was jetzt?
Ja.
Werbung.
Es ist auch live, ne?
Ja.
Was macht man dann?
Schreiend davonrennen.
Und dann gab es ja auch noch den Song von dem Marionetten.
Vorherin behauptet er beispielsweise, dass PolitikerInnen von Puppenspielern gesteuert würden.
Und auch er hat sich ja bereits öfter mal antisemitisch geäußert.
Genau.
Und wenn wir jetzt sowas hören, wie von Attila Hildmann oder so mit diesen Nanochips und so, das klingt, als hätten die nicht mehr alle beisammen.
Und das finde ich ja auch einen legitimen Gedanken.
Ja.
Was man nur nicht machen darf, ist, sie deswegen als Verrückte oder Verblendete abzutun und daraus dann den Schluss zu ziehen, dass sie nicht gefährlich sein können.
Weil klar, nicht alle sind gefährlich, aber manche bleiben auch komplett nur für sich und in ihrer eigenen Welt.
Und der Verfassungsschutz, der zählt auch nur in Anführungsstrichen 10 Prozent von ihnen.
Also von den insgesamt 23.000 Personen zum sogenannten gewaltorientierten Personenpotenzial.
Aber die Gewalttaten, die von ReichsbürgerInnen und SelbstverwalterInnen ausgehen, die sind in den letzten Jahren schon gestiegen.
Und daran sieht man eben, dass sie sehr wohl gefährlich sein können.
Und man kann da tatsächlich auch von einer problematischen Entwicklung in der Szene sprechen.
Also, dass man sieht, dass sich die Gruppe eher auch weg von diesen Verteidigungsaktionen bewegt, wie im Fall von Eugen, hin zu dem Trend, dass die jetzt eher auch proaktiv handeln.
Deshalb warnt Generalbundesanwalt Peter Frank auch ganz deutlich vor einer wachsenden Gewaltbereitschaft der ReichsbürgerInnen-Szene in Deutschland.
Und weil inzwischen eben nicht nur die Gewalttätigkeit, sondern auch die Vernetzung zugenommen habe und man einen stärkeren Zusammenschluss beobachten kann,
sieht die Bundesanwaltschaft auch so ein bisschen die Gefahr, dass sich dort eine kriminelle oder terroristische Vereinigung bildet.
Weshalb man sich dann 2022 auch explizit für ein robusteres Vorgehen entschieden hat gegen ReichsbürgerInnen.
Und deswegen übernimmt jetzt auch in speziellen Fällen die oberste deutsche Strafverfolgungsbehörde, also die Bundesanwaltschaft, die Verfolgung.
So war das zum Beispiel auch in dem Fall von dieser Gruppe rund um den Prinz Reuss.
Das ist ein Immobilienunternehmer und Finanzberater aus Frankfurt am Main.
Und der und mehr als 20 andere Personen wurden im Dezember 2022 bei einer Razzia wegen eines mutmaßlich geplanten Staatsstreichs festgenommen.
Und Reuss explizit wegen des dringenden Tatverdachts als Redelsführer an der Bildung einer terroristischen Vereinigung teilgenommen zu haben.
Und diese Razzia, die gilt übrigens als bisher größter Antiterroreinsatz in der Geschichte der Bundesrepublik.
Nur mal, um die Dimensionen hier klar zu machen.
Antiterror deswegen, weil man bei der Gruppe von Reuss das bisher größte mutmaßliche rechte Terrornetzwerk von ReichsbürgerInnen vermutet.
Ja, und warum eigentlich Terror?
Weil diese Gruppe wirklich geplant haben soll, einen gewaltsamen Putsch durchzuführen, also die Regierung zu stürzen.
Und Ziel soll gewesen sein, eine neue Regierung zu bilden mit Reuss als Staatsoberhaupt und mit der ehemaligen AfD-Abgeordneten und Richterin Birgit Malsack-Winkelmann als Justizministerin.
Und das mit der war richtig wild, die hatte, und da sehen wir dann auch wieder den Bezug zur Esoterik, so eine Wahrsagerin von Steuergeldern beschäftigt.
Und die saß auch noch mit im Parlamentsbüro als Sachbearbeiterin in Teilzeit.
Ja, und für diese Frau, die ist übrigens Astrologin, hatte man auch schon einen Ministerin-Posten ausgewählt, den es heute noch gar nicht gibt.
Nämlich im Ministerium für Transkommunikation, zuständig für spirituelle und astrologische Fragen.
Ja, und diese Astrologin war übrigens 2018 auch an der Gründung des AfD-Ortsverbands in Heppenheim beteiligt.
Und neben AfD- bzw. ehemaligen AfD-FunktionärInnen sollen sich unter den Gruppenmitgliedern bzw. Kontaktpersonen auch mehrere aktive Soldaten, ehemalige KSK-Soldaten und aktive Polizisten befunden haben.
Und um die neue Regierung durchzusetzen, also das sagen bisher die Ermittlungen, sollte dann ein Kommando aus diesen Personen, aus diesen Polizisten und ehemaligen Soldaten etc. mit Waffengewalt den Deutschen Bundestag stürmen und dort MinisterInnen und den Bundeskanzler Olaf Scholz festnehmen.
Das war der Plan.
Ja, und ehrlicherweise hört es sich ein bisschen witzig an, aber es macht auch Sorge, wenn man jetzt hört, ah ja, da sitzen also solche Leute in unseren Sicherheitsbehörden, die ja eigentlich die freiheitlich-demokratische Grundordnung schützen sollen, aber dann eigentlich von innen heraus dagegen ankämpfen.
Im Mai 2022 gab es einen Lagebericht, aus dem hervorgeht, dass es 327 Fälle in den deutschen Sicherheitsbehörden gab, bei denen tatsächliche Anhaltspunkte für Bestrebungen gegen die freiheitlich-demokratische Grundordnung festgestellt wurden.
Das waren jetzt natürlich nicht alles ReichsbürgerInnen, klar, aber eben auch oder jene, die deren Ideologie teilen, zumindest teilweise.
Und da soll es jetzt eine Änderung des Bundesdisziplinargesetzes geben, mit dem Innenministerin Nancy Faeser es den Behörden erleichtern will, Zitat, Verfassungsfeinde schneller aus dem öffentlichen Dienst zu entfernen.
Und was der Staat außerdem macht, um halt der wachsenden Gefahr dieser Szene irgendwie zu begegnen, ist auch einfach die gefährlichen Personen, die Paulina eben genannt hat, das sind dann so ungefähr 2300, zu beobachten.
Also so war das denen ja jetzt dann auch möglich, den geplanten Putsch von der Prinz-Royce-Gruppe da zu verhindern, weil seit 2016 die Szene eben beim Verfassungsschutz als Verdachtsfall geführt wird.
Und das heißt, man darf die Leute beobachten, also man darf zum Beispiel Telefone abhören oder so.
Und seitdem gibt es halt auch immer wieder Razzien, die sind dann natürlich nicht alle so groß wie in dem Fall von dem Prinz-Royce, aber es gibt sie, weil die Szene eine sehr große Waffenaffinität hat, so nennt sich das.
Also die haben richtig viele Waffen und das hat man auch bei der Razzia der Reuss-Gruppe gesehen, bei der wurden fast 100 Waffen gefunden und die meisten sogar legal.
Und was der Staat jetzt natürlich versucht, ist die ReichsbürgerInnen zu entwaffnen und bis Ende 2022 wurden auch schon rund 1100 Angehörigen der Szene die Waffenerlaubnis entzogen.
Aber Nancy Faeser fordert auch hier mehr, also die möchte eine Verschärfung des Waffenrechts durchsetzen, um die halt wirklich zu entwaffnen.
Ja, und was man daran halt einfach sieht, ist, die Politik, die nimmt das sehr, sehr ernst und hat explizite Forderungen und sagt ja auch alleine durch solche großen Razzien,
dass ReichsbürgerInnen und SelbstverwalterInnen eben nicht nur Menschen sind, die an eine Verschwörung glauben oder so Fantasie-Staaten gründen, ha, ha, ha.
Und vor allem irgendwie die Behörden lahmlegen, sondern dass man die halt wirklich ernst nehmen muss, weil sie potenziell eine Gefahr für unsere Demokratie auch darstellen.
Ja.
Und das mit einem hohen Gewaltpotenzial.
Ja. Und um mit noch einer guten Nachricht hier aus der Folge zu gehen, für euch, aber auch für uns.
Wir haben uns nämlich jetzt einen Rechtsbeistand dazu geholt, in dem Sinne, dass wir unsere Folgen jetzt immer final nochmal von StrafrechtsexpertInnen hören lassen.
Genau. Wir hatten da auf Instagram einen Aufruf gemacht. Erstmal vielen, vielen tausend Dank für alle, die uns geschrieben haben.
Wir sind da relativ schnell mit einer Kanzlei zusammengekommen, die heißt Abel und Kollegen.
Und das freut uns total, weil die Kanzlei auch so alle Rechtsbereiche abdeckt.
Also wir haben ja gemerkt, manchmal geht es hier bei uns auch eher ins Medizinrecht oder ins Erbrecht.
Und da werden die uns jetzt immer mit Rat und Tat zur Seite stehen.
Und da freuen wir uns sehr darüber, dass wir da jetzt einen verlässlichen Partner haben, der uns und damit ja auch euch hilft, das Strafrecht zu verstehen.
Das war ein Podcast der Partner in Crime.
Hosts und Produktion Paulina Kraser und Laura Wohlers.
Redaktion Jennifer Fahrenholz und wir.
Schnitt Pauline Korb.
Rechtliche Abnahme und Beratung Abel und Kollegen.