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#130 Gegen den willen

Und es hört nicht auf mit den Empfehlungen,
über die ich mich freue.
Denn Paulina sorgt weiter für Content.
Diesmal nicht mit einer Doku,
sondern mit meinem Lieblingsformat, einem Podcast.
Genau.
Also wenn ihr nach diesem Podcast hier noch mehr
über morbide Themen und Vergangenes hören wollt,
dann hört doch mal in den Podcast
vom Spiegel rein.
Moreno Plus Eins, der ist mit Juan Moreno.
Das ist der Journalist, der den Relotio-Skandal
damals aufgedeckt hat.
Und wir haben über den Tod geredet.
Okay, Tod ist ja auch unser Thema.
Aber bei euch in der Folge geht es jetzt nicht um Tod
speziell im Zusammenhang mit True Crime, oder?
Nee, wobei wir auch darüber geredet haben,
dass Tod an sich ja immer noch so ein Thema ist,
mit dem man sich ungerne beschäftigt,
gerade in Deutschland.
Und wir haben so ein bisschen darüber geredet,
ob mich vielleicht auch die Beschäftigung
mit True Crime ein Annäherungsversuch
aus sicherer Entfernung an den Tod
und dem damit verbundenen Schmerz sein könnte.
Okay, ich bin sehr gespannt.
Also wie gesagt, Moreno Plus Eins heißt der
und den kann man ab heute überall hören,
wo es Podcasts gibt.
Und jetzt geht's gleich los mit unserer Folge.
Und damit herzlich willkommen zu Mordlust,
einem Podcast der Partner in Crime.
Wir reden über wahre Verbrechen und ihre Hintergründe.
Mein Name ist Paulina Krasa.
Und ich bin Laura Wohlers.
In jeder Folge gibt es ein bestimmtes Oberthema,
zu dem wir zwei wahre Kriminalfälle nacherzählen,
über die diskutieren und auch mit Menschen mit Expertise sprechen.
Hier geht's um True Crime.
Also auch immer um die Schicksale von Menschen.
Bitte behaltet das immer im Hinterkopf.
Das machen wir auch.
Selbst dann werden wir zwischendurch mal ein bisschen
ungehemmter miteinander sprechen.
Das ist für uns so eine Art Comic Relief,
aber natürlich nicht despektierlich gemeint.
So, Laura, kam dir das lang vor?
Ja, das kam mir sehr lang vor.
Aber auch, weil ich jetzt die ganze Zeit darauf gewartet habe,
dass da jetzt was kommt.
Ja, da muss ich dich enttäuschen.
Es kommt gar nichts.
Ich wollte jetzt nur einmal vor Augen führen,
wie lang zehn Sekunden sein können.
Und viele von euch wissen natürlich auch schon,
worauf wir damit hinaus wollen,
weil sie es auf TikTok oder Instagram gesehen haben.
Diese zehn Sekunden können, wie wir sehen, sehr lang sein,
vor allem, wenn man darauf wartet, dass sie vorbeigehen.
Und warum machen Menschen darauf aufmerksam,
wie lange zehn Sekunden sein können?
Weil ein Gericht in Rom entschieden hat,
dass zehn Sekunden zu wenig sind,
als dass sich jemand der sexuellen Belästigung schuldig machen könnte.
Ja.
Genau, also es gab dieses Urteil im Juli
und das hat dann nicht nur Italien,
sondern eigentlich in ganz Europa für Empörung gesorgt.
Da stand nämlich ein Hausmeister einer Schule vor Gericht
und der hat nämlich einer 17-Jährigen
auf dem Weg ins Klassenzimmer in die Hose und Unterhose gefasst
und ihren Po begrapscht.
Und die Schülerin hat dann daraufhin Anzeige erstattet,
was man ja total verständlich findet.
Und vor Gericht gab der Typ dann die Tat auch zu,
allerdings nur insofern, dass er sagte,
ja, also er hat den Po angefasst,
aber nur von außen, also nicht in die Hose
und das Ganze habe er nur aus Spaß gemacht.
Spaß.
Es war bestimmt sehr witzig für alle Beteiligten.
Ja, für sie vor allem.
Weiß man ja, wie spaßig das ist,
wenn jemand einem an Hintern packt und dann zukneift.
Ja.
Habe ich neulich erst wieder gehabt, diese Erfahrung.
Fand ich auch sehr witzig.
Auf jeden Fall wurde der Hausmeister dann tatsächlich freigesprochen
mit der Begründung, dass dieser Krapscher, Zitat,
ungeschickt war, aber frei von lüsternen Absichten gewesen sei
und weil die Berührung ja nur zwischen fünf und zehn Sekunden gedauert habe.
Und deswegen sei der Straftatbestand der sexuellen Belästigung nicht erfüllt.
Okay.
Und bei elf Sekunden wäre das dann aber schon so wie...
Also was ist das für eine merkwürdige Begründung?
Fünf bis zehn Sekunden, das geht noch voll klar.
Ja, aber danach ganz klar sexuelle Belästigung.
Vorher?
Hahaha, witzig.
Einfach nur.
Ich verstehe überhaupt nicht, wie man das, also auch als Gericht,
das ernsthaft in Zusammenhang mit einer Zeitspanne setzen kann.
Also du kannst ein Leben innerhalb von Sekunden auslöschen.
Du kannst es innerhalb von Sekunden so verändern,
dass die andere Person ihr Leben lang davon geschädigt ist.
Du kannst ganz viele Straftaten innerhalb von weniger als zehn Sekunden begehen.
Und bei all diesen Straftaten ist es egal.
Wieso will man da jetzt einen Unterschied bei der sexuellen Belästigung machen?
Ja, einfach nur übel.
In Deutschland wäre der Hausmeister damit übrigens nicht so leicht davon gekommen.
Warum?
Das solltet ihr spätestens am Ende dieser Folge wissen.
Heute geht es bei uns nämlich darum,
wie wichtig das Einverständnis einer Person bei bestimmten Handlungen ist
und darum, wie die zu Straftaten werden,
wenn dabei etwas gegen den Willen der Person geschieht.
Genau.
Und nach unseren Fällen, von denen wir gleich erzählen,
sprechen wir vor allem über Themen, die auch viel zu oft im Alltag geschehen,
nämlich unter anderem Upskirting, Downblowsing.
Wir sprechen über VerteidigerInnen vor Gericht
und wie die versuchen darzulegen, dass eine Handlung einvernehmlich war.
Und es geht darum, ob sich Transmenschen vor dem Sex outen müssen
und was passiert, wenn beim Sex heimlich das Kondom abgezogen wird.
Dementsprechend geht es in der ganzen Folge um sexualisierte Gewalt,
allerdings jetzt nicht in Form der typischen Vergewaltigung, will man fast sagen.
Und mein Fall zeigt jetzt erstmal,
dass manchmal gar keine Gewalt nötig ist, um Menschen körperlich zu verletzen.
Alle Namen habe ich geändert.
Iris kann nicht mehr.
Die 39-Jährige ist ständig müde.
Als Mutter von zwei Kindern ist es normal, manchmal K.O. zu sein, das weiß sie.
Aber das hier ist anders.
Denn bei der Erschöpfung bleibt es nicht.
Im Juni 2009 machen Iris dann auch noch Gliederschmerzen zu schaffen,
bis sie mit Fieber flach liegt.
Was hat sie sich da bloß eingefangen?
Und das auch noch im Sommer?
Iris hofft, dass es einfach schnell wieder vorbeigeht.
Aber ihr Zustand wird nicht besser.
Im Gegenteil.
Als sie an einem Tag Blut erbricht, bekommt Iris es mit der Angst zu tun.
Jetzt will sie ins Krankenhaus.
Dort wird man bestimmt dafür sorgen, dass sie schnell wieder gesund wird.
Doch als die Ärztinnen nach etlichen Untersuchungen an ihr Bett treten und Iris den Grund für das Fieber,
die Schmerzen und das erbrochene Blut erfährt, begreift sie, dass sie nicht wieder gesund wird.
Nie wieder.
Die Diagnose für sie ein Todesurteil.
Vier Monate zuvor.
Iris klickt sich am PC durch ein Datingportal.
Seit ihre Ehe vor zwei Jahren in die Brüche gegangen ist, nagt die Einsamkeit an ihr.
Sie wünscht sich wieder einen Mann, mit dem sie gemeinsam alt werden kann.
Daher hat sie sich auf einer der vielen Plattformen angemeldet.
Vielleicht findet sie da jemanden, mit dem es wirklich für immer ist.
Da ploppt eine Nachricht auf.
Neugierig klickt Iris auf das Profil des Absenders namens Roman Beiker.
Sein Foto erklärt den Namen sofort.
Ein kerniger Mann, Mitte 40, mit einem schwarz-weiß karierten Halstuch und einer schwarz-roten Motorradkluft lehnt lässig an einem roten Motorrad.
Dazu passen die Worte, mit denen er sich auf seinem Profil beschreibt.
Zitat
Netter Beiker mit Ecken und Kanten.
Ich mag Tanzen, Natur, die Ostsee und bin im Sommer oft unterwegs.
Habe ein Sommerhaus in Dänemark.
Na, Lust, mich kennenzulernen?
Ähnliches steht auch in der Nachricht an Iris.
Von Romans Foto und seiner Beschreibung ist sie aber nicht wirklich überzeugt.
Der Kerl ist nicht ihr Typ.
Aber Roman Beiker lässt nicht locker, schreibt ihr immer wieder.
Iris' Abwehrhaltung beginnt allmählich zu bröckeln.
Vielleicht sollte sie ihm eine Chance geben, so viel Durchhaltevermögen, wie er an den Tag legt.
Warum eigentlich nicht?
Vielleicht entpuppt sich Roman ja als Traumprinz aus dem Märchen.
Und falls er doch nur ein Frosch sein sollte, gibt es online noch genug andere Männer.
Iris gibt sich einen Ruck.
Sie antwortet Roman und nachdem die beiden sich immer wieder hin- und herschreiben, funkt es auf einmal doch.
Bald darauf kommt Roman Iris in ihrer Heimat Neumünster besuchen.
Natürlich fährt der Beiker aus dem Osten Schleswig-Holsteins mit seiner Maschine bei ihr vor.
Spätestens als sie bei Kaffee und Kuchen sitzen, wirft Iris dann die letzten Zweifel über Bord.
Das finde ich dann immer lustig, wenn so harte Beiker Kaffee und Kuchen Kränzchen machen.
Roman ist ihr mehr als sympathisch.
Die beiden unterhalten sich gut, die Zeit vergeht wie im Flug.
Als es vor den Fenstern schon lange dunkel geworden ist, fragt Roman, ob es okay wäre, wenn er übernachten würde.
Nachts möchte er mit dem Motorrad ungern noch den ganzen Weg bis nach Hause fahren.
Iris hat nichts dagegen.
Im Gegenteil, sie freut sich, dass sie sich noch nicht verabschieden müssen.
Und so richtet sie auch kein Gästebett für ihn her, sondern nimmt Roman mit ins Schlafzimmer, um ihn noch besser kennenzulernen.
Zwischen den Laken braucht es nicht mehr so viele Worte wie an der Kaffeetafel,
aber eine Sache will Iris noch wissen, bevor sie sich in Romans Armen komplett fallen lassen kann.
Die 39-Jährige hatte schon lange keinen Sex mehr und sie ist vorsichtig.
Also fragt sie Roman nach Geschlechtskrankheiten, auch nach Aids.
Sicher ist sicher.
Roman beruhigt sie.
Sie braucht sich keine Sorgen zu machen, sagt er.
Er mache zur Vorsicht jedes halbe Jahr einen Aids-Test und sei es kürzlich wieder beim Check gewesen.
Iris ist erleichtert über Romans Antwort.
Trotzdem bittet sie ihn zu verhüten.
Aber mit Kondom kann Roman nicht, sagt er.
Iris ist hin und her gerissen.
Eigentlich will sie das nicht.
Aber mit Roman ist es so schön.
Das Date erreicht gerade erst seinen Höhepunkt.
Soll es ja zumindest.
Ja.
Iris willigt also ein.
Ein hauchdünnes Gummi soll dem, was der Beginn von etwas Großem sein könnte, nicht im Weg stehen.
Weißt du, warum ich da jetzt lache?
Nee.
Ach so, doch.
Ja, doch, doch, doch, doch, verstehe ich.
Und bei dem Eintreffen bleibt es nicht.
In den nächsten Wochen und Monaten sehen sich Iris und Roman öfter und kommen sich immer näher.
Auch im Bett.
Iris freut sich, dem Motorrad-Fan eine Chance gegeben zu haben.
Sie hat wieder einen Mann in ihrem Leben.
Diesmal vielleicht für immer.
Die Zukunft malt sich Iris rosig aus, bis es sie im Juni auf einmal erwischt.
Auch Roman ist nicht fit.
Ihn plagt ein hartnäckiger Husten.
Außerdem hat er oft Nasenbluten.
Aber Iris geht es noch schlechter.
Sie kämpft nicht nur mit andauernder Müdigkeit, sondern auch mit Gliederschmerzen und Fieber.
Als sie dann noch Blut erbricht, kommt sie ins Krankenhaus.
Nach einer langen Woche finden die Ärztinnen endlich den Grund für die Schmerzen heraus.
Iris ist HIV-positiv.
Als sie das hört, zieht es ihr den Boden unter den Füßen weg.
Sie fällt und fällt und nichts ist da, um sie aufzufangen.
Wie lange habe ich noch zu leben, ist die erste Frage, die sie den Ärztinnen stellt.
Die versuchen, ihr Hoffnung zu geben.
HIV ist kein Todesurteil.
Die Infektion ist zwar nicht heil, aber gut behandelbar.
Noch dazu, wenn sie so früh entdeckt wird wie bei ihr und sich das Virus noch nicht so stark ausgebreitet hat.
Welches Jahr ist das nochmal?
Da sind wir jetzt im Jahr 2009.
Ah ja, okay.
Dass Iris sich in einem sehr frühen Stadium der Erkrankung befindet, können die MedizinerInnen daran erkennen,
dass ihre Viruslast sehr hoch ist und ihr Körper noch keine Antikörper gebildet hat.
Bei konsequenter Behandlung lässt sich das HIV-Virus daher gut in Schach halten,
sodass es sich nicht weiter ausbreitet und es gar nicht zu einem Ausbruch von Aids kommt.
Also dazu, dass das Immunsystem so geschwächt wird, dass der Körper sich nicht mehr gegen Krankheitserreger wehren kann.
Die Worte der ExpertInnen beruhigen Iris aber nur wenig.
Klar ist, sie ist unheilbar krank, infiziert mit einem potenziell tödlichen Virus.
Von wem sie dieses hat, ist für Iris klar.
Roman.
Nur mit ihm hatte sie in letzter Zeit Sex.
Aber er meinte doch, er sei gesund.
Hat er sie ernsthaft angelogen?
Iris ist verzweifelt.
Hätte sie doch bloß auf das Kondom behaart.
Als die Roman erzählt, dass sie HIV-positiv ist und nur er sie hat anstecken können, reagiert der ganz anders als erwartet.
Anstatt zu leugnen, entgegnet er lapidar.
Naja, dann haben wir es jetzt wohl beide.
Also, das ist doch nicht sein Ernst.
So wie von wegen, na, da müssen wir ja jetzt erst recht kein Kondom mehr benutzen auch, ja?
Oh, ist das ekelhaft.
Ja, für ihn ja quasi super, weil er kann ja auch gar nicht mit Kondom.
Ja, ja.
Komisch scheint auch irgendwie eine Volkskrankheit bei einigen zu sein.
Überhaupt würden sich in Deutschland ja jeden Tag etwa acht Menschen mit HIV infizieren.
Da kommen es auf die Paar, die er ansteckt, auch nicht an.
Sagt er das?
Das sagt er, mhm.
Oh, für Iris sind diese Worte nach der Diagnose der zweite Schock.
Der Mann, mit dem sie regelmäßig ihr Bett teilt und mit dem sie Hand in Hand in die Zukunft gehen wollte,
zeigt weder eine Spur von Verständnis noch Reue.
Stattdessen sagt er ihr, ohne mit der Wimper zu zucken, dass man heutzutage eher an der Schweinegrippe sterben würde.
Und irgendwann müssten sie ja eh alle mal sterben.
Ja, das kann man dann ja immer sagen.
Du stirbst vielleicht an Eheck und dann schiebt man die Verantwortung von sich weg, oder was?
Iris ist fassungslos.
Roman hat also genau gewusst, welchem Risiko er sie aussetzt.
Hat er es darauf angelegt, sie anzustecken?
Als Iris die letzten Monate mit Roman in ihrem Kopf Revue passieren lässt und über Anhaltspunkte nachdenkt,
fällt ihr eine Situation ein, die ihr jetzt mehr als verdächtig vorkommt.
Vor circa acht Wochen, also zu der Zeit, in der sie sich laut den Ärztinnen infiziert haben muss,
gab Roman ihr Tabletten fürs Immunsystem.
Sie dachte sich nichts dabei.
Ein Immunbooster schadet ja nicht.
Aber jetzt ist ihr klar, es müssen Tabletten gewesen sein, die das Immunsystem nach einer HIV-Infektion gezielt unterstützen.
Offenbar, weil Roman sich schon gedacht hat, dass er sie angesteckt haben könnte.
Iris fühlt sich wie im falschen Film.
Hätte sie gewusst, dass Roman positiv ist, hätte sie niemals eingewilligt, mit ihm zu schlafen, ohne zu verhüten.
Warum hat er sie angelogen und auf Sex ohne Kondom behaart?
Wie lange ist er selbst schon infiziert und kann er kein Verständnis für sie aufbringen?
Iris hat so viele Fragen, doch Roman blockt sie alle ab.
Iris ist am Boden zerstört.
Er hat die Diagnose und jetzt scheint es, als wäre sie plötzlich wieder auf sich alleine gestellt.
Roman fängt sie nicht auf.
Und deshalb beendet Iris die Beziehung.
Aber ganz loslassen kann sie irgendwie doch noch nicht.
Also telefoniert sie ab und zu mit Roman.
Doch was er bei diesen Gesprächen von sich gibt, ist von Taktgefühl oder Anstand weit entfernt.
So prallt der 47-Jährige mit neuen Bekanntschaften, die er wie sie online kennengelernt hat.
Da erinnert sich Iris an seine Worte.
Auf die Paar, die er ansteckt, käme es nicht an.
Als er einige Namen der Frauen aufzählt, mit denen er sich schon getroffen hat,
und sagt, dass er bald noch diese und jene Dame treffen will, ist Iris klar, sie muss etwas unternehmen.
Sie lockt sich also auf der Datingseite ein und recherchiert, wer die Frauen sind, die Roman datet.
Iris will sie warnen vor dem Mann, der nicht nur ein falsches, sondern ein lebensgefährliches Spiel mit ihnen spielt.
Die 39-Jährige ist fest entschlossen, nicht zuzulassen, dass es noch andere Opfer gibt.
Denn welches Leid Roman verursacht, erfährt Iris jeden Tag am eigenen Leib.
Ihren Alltag muss sie um Ärztinnenbesuche und Termine bei der Aids-Hilfe herum planen.
Iris weiß jetzt, dass sich HIV gut behandeln lässt, vor allem wenn es wie bei ihr früh entdeckt wird.
Aber sie weiß auch, dass sie ihr ganzes Leben lang täglich Tabletten nehmen muss, um zu verhindern,
dass sich das Virus in ihrem Körper ausbreitet und vielleicht doch Aids ausbricht.
Und die Nebenwirkungen der Medikamente sind nicht ohne.
Sie reichen von Übelkeit über Kopfschmerzen und Schwindel bis zu Schlafstörungen und Verdauungsproblemen.
Außerdem muss Iris jetzt besonders aufpassen, sich nichts einzufangen, weil das Virus ihr Immunsystem schwächt.
Und selbst wenn sie sich nicht mit einer Erkältung oder Schlimmerem ansteckt, kann das Virus auch so massive Schäden anrichten.
Es kann nämlich nicht nur das Immunsystem angreifen, sondern auch Muskeln, Nerven und Organe wie Herz oder Gehirn.
Um das zu verhindern, ist eine konsequente Behandlung notwendig.
Denn ohne die endet eine HIV-Infektion im Schnitt nach zwölf Jahren tödlich,
weil sie das körpereigene Immunsystem komplett zerstört.
Der Gedanke, dass in ihrem Körper ein lebensbedrohliches Virus haust, ist unerträglich für Iris.
Was, wenn sie trotz Behandlung an Aids erkrankt?
Wie viele Jahre sind ihr noch vergönnt und wird sie ihre Kinder aufwachsen sehen?
Fragen wir diese quälen sie irgendwann so sehr, dass sie es ohne psychologische Hilfe nicht mehr durch den Alltag schafft.
Eine solche Odyssee sollte niemand bestreiten müssen.
Schon gar nicht unschuldige Frauen, die in Roman vielleicht auch den Mann fürs Leben sehen.
Und erst wenn es zu spät ist, erkennen, dass er nicht der Prinz aus dem Märchen ist, sondern der böse Wolf höchstpersönlich.
Um das zu verhindern, sucht Iris jetzt die Single-Foren nach den Namen ab, die er genannt hat.
Denen, die sie findet, schreibt sie und warnt vor dem Mann, der sie mit HIV angesteckt hat.
Sie mag sich gar nicht vorstellen, wozu Roman fähig ist.
Und sie weiß nicht, welche Folgen eine Infektion bei einer Person haben kann,
die vielleicht eh schon ein angeschlagenes Immunsystem hat oder eine Vorerkrankung.
Was, wenn ein Date mit ihm zur tödlichen Falle wird?
Daher redet sie auch Roman nochmal ins Gewissen.
Er muss aufhören.
Doch der denkt nicht dran.
Er sagt Iris, er sei nicht verpflichtet, jemandem von der Infektion zu erzählen.
Und als wäre das nicht schlimm genug, prahlt er mit der nächsten Bekanntschaft.
Also wie kann man denn so verantwortungslos mit der Gesundheit von anderen Menschen umgehen?
Ganz schlimm.
Und so sieht Iris das dann auch und die hat endgültig genug.
Sie macht sich auf den Weg zur Polizei, zeigt Roman an und löst sich so schließlich ganz von ihm.
Sehr gut, Iris.
Iris.
Am 16. September 2009 klingelt dann Romans Telefon.
Und diesmal ist kein Date dran, sondern die Kriminalpolizei.
Weil die Beamtinnen noch keine handfesten Beweise haben, um ihn direkt festnehmen zu können,
erhält er zunächst eine Gefährdungsansprache.
Ach, das ist ja witzig.
Ich wusste gar nicht, dass man eine Gefährdungsansprache auch in Bezug auf Sex bekommen kann.
Aber ja, in dem Fall ist er dann ja auch eine Gefahr für die öffentliche Ordnung und Personen in dem Fall.
Das wusste ich auch nicht.
Aber es ist natürlich total sinnvoll, weil sie ja von Iris auch wissen, dass er immer weitermacht und sich immer mit neuen Dates trifft,
dass die da sofort reagieren, auch wenn sie ihn nicht festnehmen können, aber wenigstens ihm schon mal klar machen,
hallo, stopp.
Danach stürzen sich die PolizistInnen wieder in die Ermittlungen.
Iris hat ausgesagt, dass Roman neben ihr noch mindestens zu drei anderen Frauen Kontakt hatte und mit ihnen wohl auch Sex ohne Kondom.
Zwei Wochen später steht die Polizei dann mit einem Haftbefehl vor Romans Tür.
Der 47-Jährige kommt in U-Haft wegen Wiederholungsgefahr.
Ein halbes Jahr später, am 31. März 2010, beginnt vor dem Landgericht Kiel dann der Prozess gegen ihn.
In einem Saal des großen rot-braunen Backsteingebäudes muss Roman auf der Anklagebank Platz nehmen.
Als sich die Staatsanwältin erhebt, erfahren alle im Raum, was ihm vorgeworfen wird.
Roman muss sich wegen gefährlicher Körperverletzung in sieben Fällen verantworten.
Denn die Ermittlungen haben bestätigt, dass er nicht nur mit Iris ungeschützten Sex hatte,
obwohl er von seiner gefährlichen Krankheit wusste, sondern offenbar mit sechs weiteren Frauen.
Keine von ihnen habe er über seine Erkrankung informiert
und daher ohne ihr Einverständnis ungeschützten Sex mit ihnen gehabt.
Dabei habe Roman billigend in Kauf genommen, sie anzustecken.
Von den insgesamt sieben hatten fünf großes Glück.
Obwohl Roman auch bei ihnen kein Kondom verwendete, infizierten sie sich nicht.
Anders als Iris und Claudia.
Auch Claudia lernt Roman online kennen.
Im Juli 2009, also fünf Monate nach Iris.
Claudia hat sich ein halbes Jahr zuvor von ihrem Mann getrennt.
Die Frau Ende 40 sehnt sich nach Liebe und starken Armen, die sie halten.
Roman ist ihr gleich sympathisch.
Mitte Juli 2009 treffen sie sich das erste Mal und nur eine Woche später zieht er bei ihr ein.
Da kommt es dann zum Sex.
Wobei Claudia, wie Iris, Roman vorab, nach Aids fragt und er ihr erklärt, er sei kerngesund.
Nach Aids fragt, das hört sich so an wie so, brauchst du Aids für mich?
Ich fand das tatsächlich bei der Recherche auch, also es hat mich tatsächlich gewundert, dass so explizit danach gefragt wurde.
Weil es ist 2009 und ich meine, also ich habe diese Dates momentan nicht, ne?
Deswegen, ich weiß nicht, ob ich das so fragen würde.
Also ich weiß, dass ich gerade früher in meiner Teenager-Zeit sehr viel darüber geredet habe.
Mit meinen Sexualstrafpartnern, wie du sozusagen pflegst.
Also ja, das war damals auf jeden Fall schon ein Thema, auch einfach, weil die Angst vor der Krankheit damals ja so groß war.
Ja, und ich finde das ja auch total gut, dass die Frauen das gemacht haben.
Problem ist, wenn dir dann ein Arschloch gegenübersteht, das dich anlügt.
Und Claudia will trotzdem mit einem Kondom auf Nummer sicher gehen.
Roman erwidert aber wie gehabt, dass er damit nicht könne.
Claudia ist unschlüssig, doch die Angst, dass Roman sie verlässt und sie wieder alleine ist, ist stärker als jedes andere Gefühl.
Also lassen sie das Gummi weg.
Nicht nur einmal, sondern auch jedes darauf folgende Mal.
Ein paar Tage später erhält Claudia auf der Dating-Seite dann eine Nachricht.
Eine Iris schreibt ihr, dass sie sich vor Roman in Acht nehmen solle.
Er sei HIV-positiv und habe Iris infiziert.
Claudia ist irritiert.
Was soll das denn?
Als ihr Roman davon erzählt, erklärt der ihr, Iris sei eine eifersüchtige Ex, die nur Mist erzähle.
Er habe kein HIV, das habe er doch gesagt.
Claudia glaubt Roman und schläft weiter mit ihm.
Doch knapp vier Wochen nach ihrem ersten Date fühlt sie sich auf einmal ganz schlecht.
Claudia ist fiebrig.
Als sie dann plötzlich nicht mehr alleine stehen und gehen kann, wird sie panisch.
Wo kommt das auf einmal her?
Claudia lässt sich sofort ins Krankenhaus bringen, indem die Ärztinnen nicht nur die Lähmungserscheinungen und den fiebrigen Infekt feststellen, sondern auch akutes Nierenversagen.
Die Diagnose?
Claudia ist HIV-positiv.
Als sie das hört, bricht ihre Welt zusammen.
Weil sie sofort weiß, von wem sie das Virus hat, bereut sie es, Roman so schnell vertraut zu haben.
Warum hat sie sich das Kondom ausreden lassen und warum hat sie dieser Iris nicht mehr Glauben geschenkt?
Das muss sie nun teuer bezahlen.
Claudia stürzt in ein tiefes Loch.
Vor allem, weil sie das Krankenhaus erst nach sechs Wochen Aufenthalt und auch nur im Rollstuhl verlassen kann.
Ihre Beine sind nach wie vor gelähmt.
Zu Hause braucht die Ende-40-Jährige nun rund um die Uhr Hilfe.
Nicht nur physisch, sondern auch psychisch.
Claudia ist depressiv, leidet sehr darunter, dass Roman sie mit dem unheilbaren Virus angesteckt hat, das ihr Leben zerstört hat.
Daher entschließt sie sich auch, einen Monat später im Prozess die Nebenklage anzunehmen.
Genau wie Iris.
Und vor Gericht zeigt sich, Romans Masche war nicht nur bei Iris und Claudia, sondern auch bei den anderen Frauen immer ähnlich.
Er lernt sie online kennen, es kommt schnell zum Sex, immer ohne Kondom.
Wenn die Frauen wegen Aids fragen, sagt er, kein Grund zur Sorge, er sei gesund.
Die Staatsanwältin resümiert, Roman habe die Frauen wissentlich der potenziell tödlichen Gefahr ausgesetzt und sie mit einer Geschlechtskrankheit infiziert.
Und das ist gefährliche Körperverletzung und somit eine Straftat.
Als Roman am ersten der sieben angesetzten Prozesszage in den Zeug in den Stand tritt, bestreitet er nicht, was er getan hat.
Aber er beteuert, dass ihm nie in den Sinn gekommen sei, er könnte seine Sexualpartnerinnen anstecken.
In der stundenlangen Befragung zeigt sich, dass Roman offenbar eine andere Einstellung zur HIV hat, als die meisten anderen Menschen.
Nach drei Ehen sucht er Anfang 2009 online nach einer neuen Freundin.
Auf Seiten mit verheißungsvollem Namen wie poppen.de.
Die Treffen laufen in seinen Augen immer ähnlich ab.
Erst Kaffee und Kuchen, dann unterhält man sich und abends ist man ins Bett gegangen.
Auf poppen.de verabredet man sich also zu Kaffee und Kuchen.
Das ist mir neu.
Das ist sein Zitat.
Auf diesen letzten Programmpunkt habe er es aber, anders als die Staatsanwältin behauptet, nicht angelegt.
Aber wenn er nicht mit Sex angefangen hätte, hätten es die Frauen getan, sagt er.
Warte mal ganz kurz, aber die Iris hat den noch nicht auf poppen.de kennengelernt.
Nee, poppen.de ist vor Iris.
Okay, gut.
Der Richter hakt ein, aber das wäre doch ein guter Moment gewesen, um über die Krankheit zu informieren.
Doch es wirkt fast so, als würde Roman die Frage nicht verstehen.
Wieso hätte er darüber reden sollen?
Ihm sei es super gegangen.
Für Roman scheint HIV nicht mehr als eine Nebensache zu sein.
Das war allerdings nicht immer so.
Im Dezember 2004 kommt Roman, damals 42, völlig kaputt ins Krankenhaus.
Er hat in kürzester Zeit 25 Kilo Gewicht verloren und kämpft mit einer schweren Lungenentzündung.
Die Diagnose ist eindeutig.
Roman ist nicht nur HIV-positiv.
Die Infektion ist bereits so weit fortgeschritten, dass er an Aids erkrankt ist.
Er muss ab sofort Medikamente nehmen und regelmäßig zum Check kommen.
Die Ärztinnen erklären ihm auch, dass er ansteckend für andere sein kann.
Roman befolgt die Anweisungen, nimmt Tabletten und geht zur Aids-Ambulanz, wo HIV und Aids-PatientInnen betreut werden.
Das Personal kontrolliert die Viruslast im Körper und davon abhängig werden die Medikamente angepasst.
Seine Disziplin zahlt sich aus.
Er kriegt die Krankheit in den Griff.
Dann lernt er 2006 Annemarie kennen.
Anders als ihm im Krankenhaus erklärt wurde, benutzt er beim Sex mit ihr kein Kondom.
Annemarie bittet ihn auch nicht darum.
Seine Termine bei der Aids-Ambulanz erklärt er ihr allerdings als Arzttermine wegen seiner Lunge.
Als Romans Viruslast durch die Behandlung dann aber unter die Nachweisgrenze rutscht, interpretiert er dies als geheilt sein.
Er glaubt, so könne er niemanden mehr anstecken, weshalb er auch seine Therapie abbricht.
Das passt ihm ohnehin gut in den Kram, denn er hat vor kurzem in Dänemark Arbeit als Maler gefunden.
An den Wochenenden fährt er dann zurück nach Schleswig-Holstein zur Annemarie, aber eben nicht mehr zur Aids-Ambulanz.
Als die Beziehung zu Annemarie Anfang 2009 in die Brüche geht, will Roman online neue Bekanntschaften schließen.
Mit zwei Frauen hat er ein kurzes Verhältnis, ehe er im Februar Iris kennenlernt.
Als sie ihn abserviert, nachdem sie sicher ist, dass er sie mit HIV infiziert hat, macht er eine neue Bekanntschaft.
Michaela.
Doch bevor es zum Sex kommt, konfrontiert Michaela ihn mit der Nachricht einer Iris.
Laut der solle sie sich vor Roman hüten, er sei HIV-positiv.
Roman streitet das ab, alles Quatsch.
Wenn überhaupt, habe Iris ihn infiziert.
Michaela glaubt ihm nicht und bricht den Kontakt ab.
Roman sucht sich die nächste Frau, Claudia.
Inzwischen merkt er allerdings selbst, dass es ihm ohne Medikamente nicht mehr super geht.
Kurz vor dem ersten Date mit Claudia geht er nach rund zwei Jahren mal wieder in die Aids-Ambulanz.
Die Tests zeigen, die Erreger in seinem Körper haben Resistenzen gebildet.
Roman braucht dringend neue Medikamente.
Seine Viruslast ist extrem erhöht.
Er ist hoch ansteckend.
Trotzdem trifft er Claudia und überredet sie zu Sex ohne Kondom.
Anders als Michaela gibt Claudia nichts auf die Warnung, die Iris ihr schickt.
Claudia infiziert sich.
Weil sie dann mit ihm nichts mehr zu tun haben will, sucht er sich online die nächste Frau.
Bianca.
Auch mit ihr hat er ungeschützten Sex.
Doch auch sie wird von Iris gefunden und angeschrieben.
Sie solle aufpassen.
Roman sei HIV-positiv.
Als Bianca daraufhin heimlich Romans Medikamente überprüft und schwarz auf weiß liest, was Iris ihr erzählt hat, wirft sie ihn aus der Wohnung.
Kurz darauf zeigt Iris Roman an.
Roman erhält die Gefährdungsansprache und trifft sich danach trotzdem mit einer weiteren Frau zum Sex.
Dann beendet die Polizei seinen Sexfeldzug mit dem Haftbefehl.
Sex ist ein Wort, das in diesem Prozess häufig fällt.
Es hat ganz den Anschein, als sei es Romans einziger Lebenszweck.
Ob sich das in irgendeiner Weise auf seine Schuldfähigkeit auswirkt, soll die psychiatrische Sachverständige einschätzen, die als nächstes in den Zeug in den Stand tritt.
Sie hat Roman ausführlich begutachtet und sich durch seine Krankenakte gewühlt.
Dabei ist nicht nur sein Fokus auf Sex klar zutage getreten, von ihm gab es da auch so Aussagen wie, er habe so viel Sex gehabt, das hätte für drei Leben gereicht,
sondern auch ein schleichender Gedächtnisverlust, der schon Mitte der 90er bei ihm eingesetzt hat.
Laut der Sachverständigen könne sich Roman etwa seit dieser Zeit nicht einmal mehr an emotionale Informationen wie die Namen seiner Intimpartnerinnen erinnern
und auch nicht daran, wo und wann er sich selbst mit HIV angesteckt oder wie er auf die Diagnose im Jahr 2004 reagiert habe.
Also ehrlicherweise finde ich nicht, dass Roman den Eindruck macht, als wären seine Intimpartnerinnen für ihn in irgendeiner Weise mit Emotionalität verknüpft.
Ja, finde ich auch, das stimmt.
Aber er kann sich eben auch nicht an sowas erinnern wie die Diagnose, wie er darauf gereagiert hat und so weiter.
Als die MedizinerInnen damals die HIV-Infektion erkannt haben, entdeckten sie dabei auch Zeichen einer ausgeprägten Hirnatrophie.
Ein Hinweis auf eine HIV-Enzephalopathie, auch bekannt als HIV-assoziierte Demenz.
Das heißt, das Virus hatte bis dato bereits Romans Hirn befallen und für einen Abbau der Hirnmasse gesorgt.
Also tut mir leid, aber so hört sich das bei dem auch an.
Nee, ich meine ernsthaft, da muss man ja fast überlegen, ob der sich im Klaren darüber war, was der da gemacht hat und ob er das wirklich alles so einschätzen konnte.
Weil ich war richtig wütend auf den, aber jetzt habe ich noch Sorge, dass du mir gleich erzählst, dass das Virus dafür gesorgt hat, dass der da oben nicht mehr richtig bei Verstand war.
Ja, ja, in die Richtung geht das jetzt hier.
Und die Sachverständige sagt auch, dass sein niedriger IQ heute das bestätige.
Auch sein gestörtes Sozialverhalten, das ist ja das, was du da gerade angesprochen hast, führt die Sachverständige auf die hirnorganischen Abbauprozesse zurück.
Romans gesteigertes sexuelles Verlangen, bei dem es ihm wirklich nur noch um die Befriedigung seiner sexuellen Bedürfnisse und nicht mehr um langfristige Beziehungen oder das Wohl seiner Partnerinnen ging,
aber zum Beispiel auch die Tatsache, dass er von ihres Sorgen wegen der Infektion genervt war, zeige, dass er die Konsequenzen seines Tuns nicht mehr vollständig überblicken könne.
Das Fazit der Gutachterin daher, die durch die HIV-Infektion ausgelösten hirnorganischen Abbauprozesse führen bei Roman zu einer verminderten Schuldfähigkeit.
Wie sich das auf das Strafmaß auswirkt, zeigt sich fast exakt ein Jahr, nachdem Iris von ihrer HIV-Diagnose erfahren hat.
Am Montag, den 28. Juni 2010, wird Roman in den beiden Fällen von Iris und Claudia wegen gefährlicher Körperverletzung und in den Fällen von Annemarie, Bianca und den drei anderen Frauen wegen versuchter gefährlicher Körperverletzung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren verurteilt.
Er habe die Frauen gegen ihren Willen mit einer Geschlechtskrankheit angesteckt, beziehungsweise eine Infektion billigend in Kauf genommen.
Wegen seiner hirnorganischen Störung wird zudem die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet.
Klar sei dem Gericht, dass Romans Hirnschäden irreversibel sind und nur noch schlimmer werden.
Dabei sei jetzt schon die Befriedigung seines Sexualtriebs im Fokus seines Handelns und blende fast alles andere aus.
Die Kammer geht daher nicht davon aus, dass Roman die Frauen mit böser Absicht mit dem Virus infiziert hat.
Es sei ihm zwar bewusst gewesen, dass er sie anstecken und wie gefährlich eine Infektion sein kann.
Sein Fokus habe jedoch auf dem Geschlechtsverkehr gelegen.
Er habe keine Empathie und, Zitat, verkennt auch sich selbst gegenüber grotesk die Realität.
Daher sei davon auszugehen, dass Roman nach der Haft einfach weitermache wie bisher und er deshalb gefährlich für die Allgemeinheit sei.
Für Iris und Claudia ist das Urteil ein schwacher Trost.
Sie sind zwar froh zu wissen, dass andere Frauen jetzt vor Roman geschützt werden.
Trotzdem macht es die Verbrechen an ihnen nicht ungeschehen.
Denn Iris und Claudia sind unheilbar krank.
Sie müssen nicht nur ihr Leben lang Medikamente nehmen.
Sie müssen auch damit rechnen, möglicherweise früher zu sterben.
Und als ob das nicht schon belastend genug wäre, sind sie der Stigmatisierung und den Vorurteilen ausgesetzt,
die es gegen HIV-positive Menschen immer noch gibt.
Roman hat sie nicht nur körperlich schwer verletzt, sondern auch seelisch.
Gerade in ihres Leben ist der Gedanke an den Tod zu einem festen Begleiter geworden.
Besonders präsent ist er, wenn vierteljährlich der Termin in der Aids-Ambulanz ansteht.
Dann gibt es nur ein Thema, an das die zweifache Mutter denken kann.
Was, wenn doch Aids ausgebrochen ist?
Roman hat ihr Leben zerstört.
In einem Moment, in dem sie sich ihm so nackt und verletzlich offenbart hat, wie es nur geht.
Dieses Vertrauen hat er schamlos ausgenutzt.
Nur an einem Detail kann sich Iris klammern.
Sie hat ihm die Stirn geboten.
Sie hat andere gewarnt und die Polizei informiert.
Und so letztlich verhindert, dass noch mehr Frauen zu seinen Opfern wurden.
Ja, und zum Glück hat sie das getan, denn das hat das Gericht ja am Ende auch festgestellt,
dass das ganz dringend war auch, dass der aus dem Verkehr gezogen wird,
weil da eben eine Gefahr für die Allgemeinheit ist.
Das habe ich mich dann auch gefragt, als du auf das Urteil so zugesteuert bist.
So jemanden kannst du denn ja nicht wieder rauslassen.
Vor allem nicht, wenn der gar nicht wirklich weiß, was er tut.
Und klar ist, dass das wieder passieren wird.
Aber das finde ich absurd.
Das hört sich ja wirklich so an, wie in so einem Horrorfilm.
Als würde sich das Virus so im Menschen verbreiten, dass es Besitz von ihm ergreift
und dann auch noch genau das bei ihm bewirkt, was dem Virus hilft, sich weiter zu verbreiten.
Das ist ja richtig gruselig.
Ja, das stimmt.
Wieso, ja, wieso, als würde dieses Virus den Roman als Wirt besetzen, um sich weiter über die Menschheit zu verbreiten.
Das stimmt wirklich.
Hierbei muss man aber dann, da komme ich auch gleich nochmal im Aha drauf, aber auch sagen,
wir wissen eben nicht, wann sich Roman angesteckt hat.
Und als er 2004, da ging es ihm schon so schlecht, 25 Kilo abgenommen, schwere Lungenentzündung.
Da kam er ins Krankenhaus und da haben sie ihm dann die Diagnose gegeben.
Und da war es dann sozusagen dann auch schon so weit gekommen, dass es das Gehirn angegriffen hat.
Bei den anderen Frauen hat man jetzt gesehen, die kamen direkt danach und denen konnte auch sehr gut geholfen werden.
Und die nehmen regelmäßig ihre Medikamente und können damit gut leben.
Auch Claudia sitzt jetzt nicht mehr im Rollstuhl oder so.
Das war quasi am Anfang dieser Infektion irgendwie eine Nebenwirkung, weil jeder Körper auch irgendwie anders reagiert.
Und ja, es ist wirklich gruselig, was dem Roman gesundheitlich dadurch passiert ist.
Ja, und da muss man ja auch mal dazu sagen, es gibt viele Leute, die wollen ja immer nicht zum Arzt gehen,
weil sie Angst vor der Diagnose dann haben.
Aber damit machen sie es im Zweifel eben noch schlimmer.
Weil du in so einem Fall, sieht man ja jetzt ganz deutlich und bei vielen anderen Krankheiten natürlich auch,
viel besser behandeln kannst, wenn rechtzeitig was getan wird.
Ich meine, das ist halt auch so unbefriedigend, weil wenn die Krankheit ihm sozusagen den Verstand schon langsam geraubt hat,
dann ist das für die Opfer natürlich auch, ich meine, die haben natürlich jedes Recht,
trotzdem wütend zu sein, ganz klar.
Aber es ist natürlich auf eine Art unbefriedigend, weil die eigene Wut ja nicht so richtig kanalisiert werden kann,
wenn man die andere Person nicht dafür verantwortlich machen kann,
weil er vermindert schuldfähig war.
Ja, ich meine, das ist jetzt wie ich denken würde, ne?
Ja, es ist auf jeden Fall nicht so klar, der böse Wolf, also der Traumprinz, der sich in den bösen Wolf verwandelt hat,
so klar ist es halt eben nicht, ja.
Also Roman wurde ja jetzt vom Gericht wegen gefährlicher Körperverletzung verurteilt,
weil er eben wusste, dass er HIV hat, dass seine Sexualpartnerin aber verschwieg
und trotzdem ohne Kondom mit ihnen Sex hatte.
Und diesen Straftatbestand hat der BGH übrigens 1988 explizit um HIV herum definiert.
Mit der Begründung, dass eine Person, die sich mit HIV infiziert,
selbst infektiös wird und das auch ihr Leben lang bleibt.
Nun muss man dazu sagen, dass HIV heute, anders als in den 80ern,
also als das sozusagen Gesetz wurde, längst kein Todesurteil mehr ist.
Im Gegenteil, ne?
Inzwischen ist das sehr gut behandelbar und mit Medikamenten lässt sich das Virus auch sehr gut unterdrücken.
sogar so, dass wenn es seit mindestens sechs Monaten nicht mehr nachweisbar ist im Blut,
dass man dann laut deutscher Aids-Hilfe sogar ungeschützten Sex haben kann,
weil es dann nicht mehr übertragen werden kann.
Genau, und ich kenne tatsächlich einige, die nicht wissen,
dass HIV zumindest in einigen Ländern, muss man ja auch dazu sagen,
jetzt nicht mehr so zu bewerten ist wie früher,
weil es sich halt jetzt einfach recht gut behandeln lässt.
Man sollte natürlich trotzdem gerade bei oft wechselnden SexualpartnerInnen immer ein Kondom benutzen.
Weil da war HIV früher schon sehr abschreckend für die Leute.
Also habe ich so in meinem Umfeld mitbekommen, weil viele einfach Angst davor hatten, das Virus zu bekommen.
Aber natürlich muss ein Kondom auch heute noch sein.
Es gibt nämlich natürlich noch ganz viele andere Krankheiten, die beim Sex übertragen werden können.
HPV, was auch immer, Chlamydien.
Ja, Syphilis, Tripper und eben auch HIV, weil das sei jetzt vielleicht auch nochmal gesagt,
HIV ist immer noch in der Regel tödlich, wenn es nicht behandelt wird.
Ja, also diese Behandlung und dafür können wir so dankbar sein, dass es das heutzutage gibt, ist essentiell.
Und deshalb bringt eine infizierte Person, die eine andere ansteckt, deren Leben allgemein in Gefahr.
Weshalb es auch heute eben noch eine gefährliche Körperverletzung ist.
Und es ist auch nicht so, dass Roman jetzt ein Einzelfall war.
Wahrscheinlich erinnern sich auch die meisten von euch noch an einen anderen Fall,
der nur zwei Monate nach dem Prozess gegen Roman in den Medien war.
Und zwar der von Nadja Benaissa von den No Angels.
Sie wurde nämlich auch wegen gefährlicher Körperverletzung verurteilt,
weil sie ungeschützten Sex mit einem Mann hatte, ohne ihm zu sagen, dass sie eben HIV-positiv ist
und ihn dann damit angesteckt hat.
Sie hat das laut eigener Aussage nicht absichtlich getan und meinte,
dass Verhütung in ihrer Branche, womit sie dann ja wahrscheinlich die Musikbranche meint,
kaum eine Rolle gespielt habe und Sexpartner auch nie nach Kondomen gefragt hätten.
Außerdem sei ihre Infektion zu dem Zeitpunkt schon bekannt gewesen.
Also sei sie davon ausgegangen, dass der Mann Bescheid wusste.
Ich meine, das ist jetzt auch alles lange her und das wird sie mittlerweile bereuen und so.
Aber wie kann sich die Welt so sehr um sich selbst drehen?
Das habe ich mir auch gedacht.
Dass man denkt, jeder kennt dich und weiß alles über dein Leben,
sodass sie das dann nicht mehr sagen muss.
Und es geht ja gar nicht darum, dass die nach einem Kondom gefragt haben,
sondern es ist einfach so, wenn du eine Krankheit hast, die sexuell übertragbar ist,
dann bist du dafür verantwortlich, dass ein Kondom benutzt wird,
selbst wenn die andere Person offen dafür wäre, keines zu benutzen.
Denn wenn ihr das bewusst wäre und sie Kenntnis über diese Krankheit hätte,
dann würde sie ihr Einverständnis ja niemals geben.
Und weil du diesen Wissensvorsprung hast, bist du ja dann in der Verantwortung.
Ja, deshalb wurde sie dann am Ende auch zu zwei Jahren auf Bewährung und 300 Stunden gemeinnützige Arbeit verurteilt.
Ich habe mich dann noch gefragt, was wäre eigentlich, wenn die Person,
die beim Sex unwissentlich und eben gegen ihren Willen infiziert wird, dann an den Folgen stirbt.
Und die Frage habe ich an Professorin Tatjana Hörnle weitergegeben.
Die ist Sexualstrafrechtlerin und unsere Expertin in dieser Folge.
Sie hat uns erklärt, dass das Urteil dann vermutlich fahrlässige Tötung lauten würde,
weil selbst wenn die infizierte Person nicht davon ausgegangen wäre, dass die andere Person sterben könnte,
weil HIV ja eben inzwischen sehr gut behandelbar ist,
gibt es immer noch ein Restrisiko.
Und das wäre in diesem Fall theoretisch dann ja auch eingetreten.
Genau, aber das geht natürlich nur dann, wenn die Person vor dem Urteil schon verstorben ist.
Also rückwirkend geht das dann nicht mehr.
Ich spreche jetzt hier gerade nur von HIV,
weil man dazu im Vergleich jetzt zu anderen Geschlechtskrankheiten
auch am meisten juristisch Relevantes findet.
Allgemein kann man aber sagen, dass die Infektion mit Geschlechtskrankheiten,
also nicht nur HIV, sondern die meisten erheblichen Krankheiten,
dass das dann in der Regel als Körperverletzung durch Gesundheitsschädigung verurteilt wird.
Eventuell kommt da auch schwere oder gefährliche Körperverletzungen in Betracht,
aber da muss man dann immer gucken, wie gefährlich ist die Krankheit,
ist sie jetzt schon ausgebrochen, wie wahrscheinlich ist der Ausbruch
und auch, ob der Täter oder die Täterin jetzt mit Vorsatz gehandelt hat.
Grundsätzlich ist aber die Wahrscheinlichkeit,
dass jemand an einer sexuell übertragbaren Krankheit stirbt, recht gering, sagt Frau Hörnle.
Was häufiger vorkommt, ist, dass beim Sex Krankheiten wie jetzt Chlamydien oder Tripper übertragen werden,
die dann unfruchtbar machen.
Und das könnte laut unserer Expertin als schwere Körperverletzung verurteilt werden,
weil der Verlust der Fortpflanzungsfähigkeit vor Gericht genauso schwer wiegt,
wie zum Beispiel jetzt der Verlust der Sehkraft.
Was ich ja interessant finde, denn sehen zu können, ist ein Sinn.
Und ich meine, okay, das andere gibt manchen Menschen Sinn im Leben,
aber ich hätte nicht gedacht, dass das irgendwie gleich bewertet wird,
weil es ja in Bezug auf Nachwuchs auch andere Alternativen gibt.
Was mich an dem Fall halt auch bedrückt hat, und das hast du ja auch gesagt,
ist, dass Iris und Claudia auch mit diesen Vorurteilen zu kämpfen haben,
mit denen die halt leben müssen, seitdem sie infiziert wurden.
Und das ist ja zumindest nichts, was ein Gericht wirklich einschätzen kann,
wie schlimm das bis dahin und auch in Zukunft wird für die entsprechende Person.
Und das ist, obwohl es mittlerweile diese Behandlungsmethoden gibt,
auch heute noch so, dass Menschen mit HIV sehr stark unter Diskriminierung leiden.
Das zeigt auch eine Umfrage der Deutschen Aids-Hilfe aus dem Jahr 2020.
Darin hatten 15 Prozent der Befragten, die mit HIV infiziert waren, angegeben,
dass sie deswegen schon mal verbal beleidigt wurden.
Und 19 Prozent wurde einen Gesundheitsdienst verweigert.
Und was natürlich ganz drastisch betroffen ist,
das können wir uns ja alle denken, ist das Sexualleben von den Betroffenen.
Da haben 47 Prozent angegeben, sexuell zurückgewiesen worden zu sein.
Ja, und diese Diskriminierung, die kommt halt zum einen davon,
dass HIV heute immer noch mit sowas wie sexueller Freizügigkeit,
Drogengebrauch oder auch Homosexualität assoziiert wird.
Und das sind halt immer noch Eigenschaften,
die von Teilen der Gesellschaft abgewertet werden.
Aber was noch mehr zu der Diskriminierung beiträgt,
ist die Angst vor einer eigenen Ansteckung.
weil man eben Kontakt zu HIV-positiven Menschen hat.
In einer repräsentativen Telefonbefragung der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung von 2017
haben zwar 83 Prozent der Befragten erklärt,
dass sie sicher mit einer HIV-positiven Person am selben Arbeitsplatz arbeiten würden.
Aber nur 17 Prozent haben angegeben,
eine betroffene Person bei Sympathie zu küssen.
Und nur zwei Prozent würden sicher Sex mit Kondom mit einer Person haben,
die HIV-positiv ist.
Wie wäre das denn bei dir?
Da habe ich mir auch Gedanken zu gemacht.
Ich meine, ich muss sagen,
nachdem ich jetzt so viel zu dem Thema gelesen habe,
glaube ich,
dass meine Angst,
die ich vielleicht davor dann schon hatte,
jetzt deutlich geringer ist.
Aber natürlich möchte ich mich nicht mit einer unheilbaren Krankheit anstecken
und wäre deswegen wahrscheinlich,
wenn es jetzt so wäre,
dass ich Single wäre und jemanden kennenlernen würde
und die Person sagt mir,
sie ist HIV-positiv,
dass ich dann natürlich schon Sorge davor hätte,
dass das dann passiert.
Und ich glaube,
das zeigt einfach,
wie stigmatisiert diese Krankheit ist.
Und da habe ich aber halt auch so ein bisschen die Hoffnung,
dass wir das mit der heutigen Folge
auch so ein bisschen aufbrechen können,
weil ich wäre mir ziemlich sicher,
wenn mir das jetzt jemand sagen würde,
dann würde ich erst mal schlucken.
Also wenn das jetzt ist,
mit dem ich mir vorstellen könnte,
sexuell aktiv zu werden.
Sexuell aktiv zu werden, genau.
Ich bin mir aber ganz sicher,
dass die Angst, die wir haben,
das ist ja immer die Angst für etwas Unbekanntem
und dass man die ganz schnell beiseite legen könnte,
wenn man sich ganz intensiv mit dem Thema beschäftigt.
Ich glaube aber auch wirklich,
dass man relativ problemlos eine Partnerschaft führen kann
mit jemandem, der sich infiziert hat.
Ja, das machen ja auch viele
und sind dabei dann halt vorsichtig.
Ja, genau.
Und ich glaube,
deswegen ist Aufklärung auch so wichtig
für alle Beteiligten,
damit betroffen oder nicht mehr so
unter dieser Diskriminierung leiden müssen.
Mein Fall führt uns heute mal in die USA
und zeigt, wie wichtig Zustimmung ist
und dass ohne sie auch der sehnlichste Wunsch
zum Albtraum werden kann.
Einige Namen habe ich geändert.
Der schwungvolle Jingle einer US-Talkshow
dröhnt durch den Raum,
als Alison am Montag,
den 9. Dezember 2019,
vom Fernseher sitzt.
Die 47-Jährige sieht,
wie der Host begleitet vom tosenden Applaus
auf die Bühne marschiert.
Es ist Dr. Phil,
der die gleichnamige TV-Show moderiert.
Kurze Info dazu.
Dr. Phil ist eigentlich so eine Instanz in den USA,
wird ganz viel eingeladen
zu so psychologischen Fragen.
Er macht aber eher so Entertainment, ehrlicherweise.
Und vielleicht verbindet man ihn auch manchmal
ein bisschen zu sehr
mit so einer Figur des Seelenklempners,
obwohl er eigentlich gar keine gültige Zulassung mehr hat.
Aber er ist trotzdem sehr beliebt in den USA
und vor allem auch in Crime-Podcasts.
Das ist ja auch der,
der zum Beispiel die Gypsy Rose Blanchard interviewt hat.
Also die Frau,
die ihre Mutter getötet hatte,
nachdem die sie jahrelang
Münchhausen bei Proxy Style misshandelt hat
und von der wir auch schon mal im Podcast gesprochen haben.
Genau, der und Alison,
die sieht jetzt gerade seine eigene Show
bei sich im Fernsehen.
Als er seine GesprächspartnerInnen
auf die Bühne bittet
und sich eine von ihnen als Jacoba vorstellt,
wird Alison hellhörig.
Der Name sagt ihr etwas.
Sie lauscht aufmerksam,
was Jacoba berichtet.
Jacoba erzählt von ihrem Leben,
das jahrelang auf einer großen Lüge beruhte.
Und noch ehe die 45-minütige Show zu Ende ist,
ist sich Alison sicher,
dass sie und Jacoba
eine schreckliche Wahrheit verbindet.
Denn wo viel Weisheit ist,
da ist viel grämen.
Und wer viel lernt,
der muss viel leiden.
Buchprediger, Kapitel 1, Vers 18.
Fünfeinhalb Jahre zuvor.
Als Jacoba 2014 das Päckchen vor sich liegen hat,
fühlt sich die 34-Jährige aus Indianapolis
wie ein Kind an Weihnachten.
Die Schachtel ist klein,
das Versprechen dahinter riesig.
Der Inhalt soll ihr dabei helfen,
herauszufinden,
was sie sich schon seit 25 Jahren fragt.
Wer ist ihre Familie?
Schon als kleines Mädchen fiel ihr auf,
dass sie mit ihren blonden Haaren
und den blauen Augen anders aussieht,
als ihre Mom Debbie und ihr Dad Alan,
die beide dunkle Augen und Haare haben.
Jacoba fragt ihre Eltern damals,
ob sie adoptiert ist.
Debbie verneint das.
Aber als Jacoba nicht aufhört,
nachzubohren,
erklärt ihre Mutter,
dass sie mit Anfang 20 unbedingt schwanger werden wollte.
Das Problem,
Jacobas Vater Alan ist zeugungsunfähig.
Deswegen haben sie sich damals
an ein Kinderwunschzentrum gewandt.
Ein Samenspender erfüllte Debbie und Alan
dann den Wunsch vom eigenen Kind.
Dank ihm gibt es Jacoba heute.
Heute, mit Mitte 30,
ist Jacoba damit im Reinen.
Auch wenn Alan nicht ihr biologischer Vater ist,
ist er doch ihr Dad.
Nur das zählt.
Die Identität des Spenders ist ihr egal.
Die Vaterfigur in ihrem Leben ist besetzt.
Was Jacoba mehr umtreibt,
hat der unbekannte Spender
noch andere Kinder gezeugt.
Denn das würde bedeuten,
sie hätte Geschwister.
Und die wünscht sie sich sehnlichst.
Jacoba ist nämlich Einzelkind.
Laut Kinderwunschzentrum
wird ein Spender zwar öfter eingesetzt,
aber maximal dreimal.
Das hatte man damals Mutter Debbie erzählt.
Denn was auf keinen Fall passieren soll,
ist, dass in einer Region
zu viele Menschen leben,
die blutsverwandt sind,
ohne es zu wissen.
Die Gefahr wäre zu groß,
dass sich Geschwister ineinander verlieben.
Jacoba hat sich das Päckchen
bei 23andMe bestellt,
einem Unternehmen,
das DNA-Tests für Privatpersonen anbietet.
Sie packt das Röhrchen aus,
füllt es mit ihrem Speichel
und schickt es an die Firma zurück.
Sollte es Halbgeschwister geben,
die diesen Test auch gemacht haben,
dann würde sie das erfahren
und hätte sogar die Möglichkeit,
Kontakt herzustellen.
Die Chance ist nicht gering.
Diese Tests sind zu der Zeit sehr beliebt,
weil sie auch Aufschluss darüber geben sollen,
wo die Vorfahren herkommen.
Jacoba ist aufgeregt.
Bald kann sie vielleicht die Leerstelle füllen,
die sie seit ihrer Kindheit spürt.
Rufe mich,
so will ich dir antworten.
Und ich will dir anzeigen,
große und gewaltige Dinge,
die du nicht weißt.
Das Ergebnis des DNA-Tests
bekommt Jacoba etwa acht Wochen,
nachdem sie ihn abgeschickt hat.
Im Herbst 2014 sitzt sie vor dem PC.
Das ist der Moment,
auf den sie so lange hingefiebert hat.
Nach ein, zwei Klicks
baut sich auf der Webseite von 23andme
eine Seite mit dem Titel
Jacoba Stammbaum auf.
Von ihrem Namen gehen zwei Linien weg.
Eine nach rechts,
zur Mutter Debbie
und eine nach links,
zum Symbolbild eines Mannes
namens unbekannter Vater.
Jacoba hofft,
dass sich von da aus
weitere Linien aufbauen.
Und tatsächlich,
gleich fünf führen zu Symbolbildern von Frauen
und zwei weitere zu zwei Männern.
Unter allen sieben steht
unbekanntes Halbgeschwister.
Jacobas Freude ist riesig.
Sie hat tatsächlich Geschwister
und nicht nur ein oder zwei,
sondern sogar sieben.
Aber das Hochgefühl
öppt schnell wieder ab,
denn etwas macht sie stutzig.
Ihre Mutter meinte,
ein Spender würde maximal
dreimal eingesetzt werden.
Wie kann sie dann
sieben Schwestern und Brüder haben?
Aber kann es nicht sein,
dass die Person dreimal
als Spender aufgetreten ist
und dann auch eigene Kinder gezeugt hat?
Ganz genau,
das hätte ich jetzt auch
als redaktionelle Anmerkung
gleich dazu gesagt,
weil genau,
also wir wissen natürlich nicht,
wie viele Kinder
er selber noch gezeugt hat.
Ja.
Aber das ist das,
was Jacoba in dem Moment denkt
und es kommt ihr seltsam vor.
Sie nimmt Kontakt
zu ihren Halbgeschwistern auf.
Die Freude,
darüber sich gefunden zu haben,
wird allerdings auch bei ihnen getrübt,
von der Skepsis,
gleich so viele Geschwister zu haben.
Jetzt interessiert Jacoba doch,
wer der Mann ist,
der insgesamt acht Kinder gezeugt hat.
Sie und ihre Geschwister
haben viele Fragen.
Die Antwort liegt bei dem Unbekannten.
Also geben sie sich ein Versprechen.
Sie werden ihn finden.
Sprich zu ihm Philippus,
Herr,
zeige uns den Vater
und es genügt uns.
Johannes Kapitel 14, Vers 8.
Jacoba und ihre Geschwister
werden zu AhnenforscherInnen.
Aber sie müssen keine staubigen Unterlagen
in muffigen Archiven wälzen.
Stattdessen sind sie regelmäßig
auf ancestry.com unterwegs.
Die Datenbank für Familienforschung
hält Milliarden von Geburts-,
Heirats- und Sterbeurkunden,
Telefonbücher und anderen Dokumenten bereit.
Jedes Wochenende
telefoniert Jacoba mit ihren Geschwistern.
Immer wieder tippen sie Namen
von allen möglichen näheren
und weiter entfernten Verwandten
in die Suchleiste ein.
Unter anderem von einer Sylvia,
die laut Stammbaum
ihre Cousine zweiten Grades sein soll.
Könnte sie den entscheidenden Hinweis
auf ihren unbekannten Vater liefern?
Jacoba schreibt Sylvia,
um herauszufinden,
welche Nachnamen
in ihrer Familie vorkommen.
Sylvia antwortet
und als Jacoba einen der Namen liest,
ist es wie ein Schlag in die Magengrube.
Donald Klein.
Jacoba kennt einen Donald Klein.
Er ist Arzt.
Genauer gesagt,
er ist der Arzt,
bei dem ihre Mutter Debbie
vor 35 Jahren
zur Kinderwunschbehandlung war.
Und Jacoba war auch schon einmal bei ihm.
Mit 18 hatte sie versucht,
Infos zu dem Samenspender
von ihm zu bekommen.
Er hatte aber erwidert,
dass er die Daten dazu nicht mehr habe.
Jacoba wird schlecht.
Das bedeutet,
sie stammt nicht
von einem anonymen Samenspender ab.
Und bei ihren Halbgeschwistern
muss es genauso sein.
Doch wieso?
Es sind quälende Fragen,
die sich die Familien stellen müssen.
Jacobas Mutter Debbie
ist geschockt,
als sie davon erfährt.
Sie hätte niemals geglaubt,
dass ihr Arzt
einfach sein eigenes Sperma
statt des eines Spenders nimmt.
Sie hatte Klein damals vertraut
und er hatte das schamlos ausgenutzt.
Und sie
und noch viele weitere getäuscht.
Wie viele es tatsächlich sind,
wissen sie nicht,
denn ihnen sind nur die bekannt,
die sich bei 23andMe angemeldet haben.
Jacoba wird klar,
Dr. Klein
muss zur Rechenschaft gezogen werden.
Die Rache ist rein,
die Rache ist mein,
ich will vergelten.
Zu seiner Zeit
soll ihr Fuß gleiten,
denn die Zeit ihres Unglücks
ist nah
und ihr künftiges
eilt herzu.
Das fünfte Buch Mose,
Kapitel 32, Vers 35.
Jacoba setzt sich wieder
an den PC,
der in der Zwischenzeit
ihr Instrument
zur Wahrheitsfindung geworden ist.
Heute aber
dient er nicht der Recherche,
sondern hilft ihr dabei,
ihre Wut abzubauen.
Und zwar über die Webseite
der Generalstaatsanwaltschaft
von Indiana.
Sie legt Verbraucherbeschwerde ein.
Die Antwort,
die sie erhält,
ist ernüchternd.
Man werde die Sache untersuchen.
Doch Ewigkeiten
passiert nichts.
Jacoba erträgt das nicht.
Was ihr und ihren Geschwistern
und vor allem ihren Müttern
angetan wurde,
ist eine himmelschreiende
Ungerechtigkeit.
Und so versucht sie,
sich anders Gehör zu verschaffen.
Über die Medien.
Sie kontaktiert
alle möglichen
Nachrichtenagenturen,
aber niemand will
ihre Geschichte erzählen.
Bis auf eine.
Im Februar 2015
fast ein halbes Jahr
nach der schrecklichen
Entdeckung,
meldet sich die Fox-Moderatorin
Angela Gnaut.
Jacoba ist glücklich
und hat das Gefühl,
dass sie der Gerechtigkeit
ein Stück näher kommt.
Und vielleicht melden sich
noch mehr Geschwister bei ihr.
Bald darauf
gibt es einen TV-Bericht
über Jacoba,
ihre Halbgeschwister
und den heimlichen
Samenspender.
Nur,
dass der offenbar
der bekannte Arzt
Donald Klein ist,
wird nicht veröffentlicht.
Währenddessen
gelingt es Jacoba
und den anderen,
zu zwei weiteren Geschwistern
Kontakt aufzunehmen,
die sie ausfindig
machen konnten.
Dr. Kleins
eigene Kinder,
die er mit seiner Frau
gezeugt und großgezogen hat.
Kleins Sohn
Duck und seine Tochter
Donna hören sich an,
was Jacoba berichtet.
Wir wollen ihn treffen,
wir haben Fragen,
erklärt Jacoba.
Und er soll uns
in die Augen sehen,
das ist das Mindeste.
Duck und Donna
versprechen ihren Vater,
zu einem Treffen
zu überreden
und halten Wort.
Einige Zeit später
sitzt Jacoba
mit fünf Geschwistern
in einem Lokal.
Das Klackern
seines Gehstocks
hören sie schon
bevor der 76-Jährige,
der den Arztkittel
vor einigen Jahren
an den Nagel gehängt hat,
um die Ecke biegt.
Mit weißem Bart
und Brille
erinnert er eher
an den Weihnachtsmann.
Doch einen gütigen Blick
und ein freundliches Lächeln
suchen Jacoba
und die anderen vergeblich.
Im Gegenteil,
Donald Klein
sieht nicht so aus,
als sei er hier
um den Menschen,
die aller Wahrscheinlichkeit
nach seine Kinder sind,
eine Freude zu machen.
Unter seinem Pullover
erkennt Jacoba
die Umrisse einer Pistole.
Soll das einschüchtern?
Hä?
Sie werden trotzdem
Antworten verlangen.
Und tatsächlich
antwortet Klein.
Auf die Frage,
warum er ihren Müttern
seinen Samen eingesetzt hat,
sagt er,
dass manchmal
kein frisches
Spendersperma
vorhanden gewesen sei.
Da habe er ihm
sein eigenes benutzt.
Das habe er nur getan,
weil er gespürt habe,
wie sehr die Frauen
ein Kind gewollt hätten
und er ihnen dabei
helfen wollte.
Als seine eigenen Kinder
sehe er diese Kinder
jetzt jedoch nicht an.
Und als Jacoba
und die anderen
wissen wollen,
wie viele Kinder
so gezeugt wurden,
sagt er 15.
Das bedeutet,
neben ihr und den
sieben Geschwistern,
die sie schon ausfindig
gemacht hat,
gibt es noch sieben.
Sieben weitere,
die nichts von ihrem
biologischen Vater wissen.
Die Geschwister wollen,
dass Klein einem
DNA-Test zustimmt,
um zu bestätigen,
was er im Gespräch
zugegeben hat.
Er ist der biologische
Vater von Jacoba
und den anderen.
Doch das will er
auf keinen Fall.
Erst recht nicht will er,
dass das alles öffentlich wird.
Dann wäre seine 57-jährige
Ehe am Ende.
Er betont noch mal,
er habe damals nicht
das Gefühl gehabt,
etwas Falsches zu tun.
Das Treffen endet
und lässt alle
Geschwister ernüchtert
zurück.
Einige hatten
zumindest noch
die Hoffnung,
dass der ehemalige
Arzt heute zu dem steht,
was er damals getan hat.
Tatsächlich klang es
eher danach,
als würde er das alles
schnell unter den Teppich
kehren wollen.
Alles ist mir erlaubt,
aber nicht alles
dient zum Guten.
Alles ist mir erlaubt,
aber nichts soll
Macht über mich haben.
Erster Korintherbrief,
Kapitel 6, Vers 12.
Dr. Klein ist kein Mensch,
der sich gerne Fehler
nachsagen lässt.
Bereits in den 70ern
eröffnet er in Indianapolis
seine Kinderwunschklinik.
Erst ein Jahr zuvor
kam in England
das erste
durch künstliche Befruchtung
gezeugte Baby
zur Welt.
Klein weiß,
dass in den USA
eins von fünf Paaren
unter Unfruchtbarkeit leidet
und denen will er helfen.
So ist er der erste
Gynäkologe,
der beschädigte Eileiter
mit Lasertechnik repariert.
Außerdem führt er
Inseminationen durch.
Wenn die Befruchtung
der Eizelle
auf natürlichem Weg
nicht klappt,
ist er derjenige,
der den Samen
mit einer Art Spritze
in die Vagina injiziert.
Auch paarend
mit unfruchtbaren Männern
kann der Mediziner helfen
mit einem
anonymen Samenspender.
Die meisten der Spender
sind Mediziner,
die im Krankenhaus
gegenüber der Praxis
arbeiten.
Das hat den Vorteil,
dass die Wege
kurz sind.
Denn Spermien
überleben nur
wenige Tage.
Klein ist ein
hochgeschätzter Mediziner,
der keinen Widerspruch duldet.
Er ist überzeugt zu wissen,
was richtig ist.
Und diesen Anspruch
erhebt er sowohl
medizinisch
als auch moralisch.
In seiner christlichen
Freikirchengemeinde
gehört er zum Vorstand.
Mit seiner Frau
hält er Kurse
für hunderte Eltern ab
mit dem Titel
Kinder auf Gottesweise
erziehen.
Wie wichtig ihm der Glaube ist,
zeigt sich auch in der Praxis.
In den Räumen
hängen Kreuze,
dazu Stickbilder
mit christlichen Sprüchen
und Bibelfersen.
Klein zitiert
einen Vers auch,
als er Jakoba
und die anderen
in dem Lokal trifft.
Er sagt zu Jakoba,
ich kannte dich,
ehe ich dich
im Mutterleib
bereitete.
Jeremiah Kapitel 1
Vers 5
Ein Vers,
der Jakoba,
die ebenfalls
gläubige
Christin ist,
zur Weißglut treibt.
Was erlaubt sich Klein?
Denkt er,
als Arzt sei er
gottgleich?
Dass er mit seinen
Fähigkeiten als Mediziner
Menschen erschafft
und Leben schenkt?
Wüten fährt sie ihn an,
wagen sie nicht,
mit meinem Gott
ihre Taten
zu rechtfertigen.
Jakobers Nerven
werden über die Zeit
immer dünner.
Weder sie
noch Journalistin Angela
kommen einen Schritt weiter.
Von der Staatsanwaltschaft
gibt es noch immer
keine Rückmeldung.
Aber sie will,
dass Klein dafür
gerade stehen muss,
dass er seine Position
derart ausgenutzt hat.
Dass er so viele Frauen
ohne ihr Einverständnis
mit seinem Sperma
befruchtet hat.
Dass erwachsene Menschen
ihr Leben infrage stellen.
Dass er so viele Familien
belogen hat.
Und dass er noch immer lügt.
Denn Klein hat seinen Sperma
nicht nur dann benutzt,
wenn kein anderes
verfügbar war,
sondern je nach Lust
und Laune.
Das wird spätestens dann klar,
als Jakoba Julie
kennenlernt,
die 14.
unter den Geschwistern.
Auch Julies Mutter Diana
lässt sich in den 80ern
von Dr. Klein behandeln.
Sie weint jedes Mal,
wenn ihr wieder eine Freundin
erzählt, dass sie schwanger ist.
Diana und ihr Mann Steve
wünschen sich so sehr ein Kind,
aber auf natürlichem Weg
klappt es nicht.
Also lässt sich Diana
von Dr. Klein beraten.
Kurz darauf
kommt sie fast im Laufschritt
in seine Praxis.
Es muss schnell gehen,
denn sie hat eine
kostbare Fracht dabei.
Das Sperma ihres Mannes Steve.
Klein setzt ihr den Samen ein
und neun Monate später
kommt Tochter Julie zur Welt.
überglücklich stattet Diana Klein
noch einmal einen Besuch ab,
um ihm das Wunder zu zeigen,
das er möglich gemacht hat.
Jahre später erfährt Julie
aus den Nachrichten von Jakoba
und dem mutmaßlichen
Samenspendebetrug.
Julie ist überzeugt,
Jakoba sieht ihr sehr ähnlich
und sie weiß,
dass auch ihre Mutter
bei einem Fruchtbarkeitsarzt war.
Könnte es vielleicht sein,
dass sie gar nicht
von ihrem Vater Steve
gezeugt wurde,
sondern von dem
behandelnden Arzt?
Sie will einen DNA-Test
machen lassen,
aber ihre Mutter winkt ab.
Das sei nicht nötig.
Sie ist felsenfest davon überzeugt,
dass ihr behandelnder Arzt
ihr den Samen ihres Mannes
eingesetzt hat.
Kurze Seiteninfo am Rande.
Zu dem Zeitpunkt
ist ja noch nicht bekannt,
wer dieser Arzt ist.
Deswegen ist die Mutter
hier vielleicht auch nicht
davon überzeugt,
einen Test machen zu wollen,
weil damit könnte theoretisch
ja auch ein anderer Arzt
aus der Gegend gemeint sein.
Julie aber will Gewissheit haben
und bereut ihre Entscheidung
in dem Moment,
in dem sie das Testergebnis erhält.
Ihr Vater ist nicht
ihr biologischer.
Als sie ihrer Mutter
davon erzählt,
bricht auch Diana
in Tränen aus.
Sie hat Dr. Klein vertraut
und er hat einfach
Steves Sperma
durch sein eigenes ersetzt.
Ihre Wut auf den Mann,
der sie und Steve
um ein gemeinsames Kind
gebracht hat,
ist unbendig.
Und als sie Steve offenbart,
dass er nicht Julies
biologischer Vater ist,
sieht sie regelrecht,
wie für ihn eine Welt
zusammenbricht.
Auch er kann seine Tränen
nicht zurückhalten.
Klein hat ihm alles genommen,
sagt er.
Und auch Julie selbst
stürzt in eine Identitätskrise,
weiß nicht mehr,
wer sie eigentlich ist.
Klein hat also nicht nur
angeblich verzweifelten Paaren
mit unfruchtbaren Männern
ohne ein Verständnis
mit seinem Samen
zu einem Kind verholfen,
sondern auch jenen,
die gar keinen
Samenspender gebraucht hätten.
Und dann stimmt das Argument
von dem Arzt ja auch nicht,
von wegen,
hab ich ja nur gemacht,
weil kein frisches
Spendersperma da war.
Ja, nein, genau.
Also es wurde noch absurder.
Ja.
Schicksale wie das von Julie,
Diana und Steve sind es,
die Jacoba antreiben.
Sie will,
dass sich Klein für seine Taten
vor Gericht verantworten muss.
Sonst kommt sie nicht zur Ruhe.
Denn es ist nichts verborgen,
was nicht offenbar werde.
Auch nichts Heimliches,
was nicht kund werde
und an den Tag komme.
Lukas, Kapitel 8, Vers 17.
Inzwischen überlegt Jacoba
jedes Mal,
wenn sie jemanden in ihrem Alter
mit blonden Haaren
und blauen Augen trifft,
ob sie auch mit dieser Person
verwandt ist.
Überall sieht sie
potenzielle Geschwister.
Die meisten von denen,
die sie schon kennen,
leben in einem Radius
von 40 Kilometern.
Einige ihrer Kinder
gehen gemeinsam zur Schule,
ohne dass sie vorher wussten,
dass sie verwandt sind.
Klein sagt zwar,
es seien maximal 15 Geschwister,
doch Jacoba weiß,
dass das gelogen ist.
Denn über die Datenbank
ergeben sich immer weitere Treffer.
Und das sind nur die Menschen,
die sich dort registriert haben.
Inzwischen sind es schon 20,
die laut DNA-Test
ebenfalls von Klein gezeugt wurden.
Jedes Mal,
wenn sie mit einem
oder einer von ihnen schreibt,
fühlt sie sich furchtbar.
Denn sie ist es,
die mit der Information,
die sie hat,
ein weiteres Leben zerstören wird.
Umso mehr verbeißt sich
Jacoba darin,
Klein dran zu kriegen.
Mit Reporterin Angela
erhöht sie im Frühsommer 2016,
anderthalb Jahre nachdem sie
von Kleins Vaterschaft erfahren hat,
den Druck auf ihn.
Angela erklärt Klein,
dass Fox die Story diesmal
mit seinem Namen
veröffentlichen werde.
Wenig später
geschehen in Indianapolis
merkwürdige Dinge.
Julie, Geschwisterkind Nummer 14,
wird gehackt.
Alle Mails und Dokumente,
die Klein betreffen,
verschwinden aus ihrer Cloud.
Eine ihrer Halbschwestern
bekommt einen Anruf
von der Friedhofsverwaltung,
ob sie nicht ein Grab kaufen wolle.
Jacoba selbst
stellt eines Morgens fest,
dass jemand die Radmuttern
an ihrem Auto entfernt hat
von allen vier Reifen.
Und Gott segnete sie
und sprach zu ihnen,
ihr seid fruchtbar
und mehret euch
und füllet die Erde
und machet sie euch untertan.
Das erste Buch Mose,
Kapitel 1, Vers 28.
Die Schikanen
schüren Angst
unter den Geschwistern,
aber der unbändige Wille Klein,
der sich regelrecht
als Schöpfer aufgespielt hat,
auf einer Anklagebank zu sehen,
wächst und wächst.
Jacoba denkt,
so ein himmelschreiendes Unrecht
muss bestraft werden.
Vielleicht könnte man Klein
ja wegen Vergewaltigung
ranbekommen.
Immerhin haben die Mütter
ihrer Geschwister
alle nicht eingewilligt,
dass er ihnen
seinen Sperma indiziert.
Allerdings kommt Jacoba
bei der Justiz
keinen Schritt weiter
und hat auch einen Verdacht,
wieso.
Als sie von der Staatsanwaltschaft
eine E-Mail bekommt,
dass man ihr keine Informationen
über ihr Vorgehen
zukommen lassen kann,
entdeckt sie,
dass die Mail im CC
noch an eine weitere Adresse
geschickt wurde.
Eine Quiverfull-Adresse.
Davon hat sie noch nie gehört.
Sie recherchiert
und erfährt,
dass Quiverfull
der Name einer Bewegung
unter konservativen,
protestantischen
und weißen Paaren ist.
Im Zusammenhang
mit der Bewegung
stößt sie außerdem
immer wieder auf den Bibelferst,
den Klein für sie zitiert hat.
Ich kannte dich,
ehe ich dich
im Mutterleib breitete.
Jacoba findet das verdächtig.
Sie findet außerdem heraus,
dass die Anhänger
in der Bewegung
Feminismus strikt ablehnen
und davon überzeugt sind,
es sei von Gott gewollt,
dass die Frau
dem Mann untergeben ist.
Sie reduzieren Frauen
auf ihre Rolle als Mutter
und auf einen Körper,
der so viele Kinder
wie möglich produzieren soll.
Je mehr, desto besser.
Denn die Kinder
sollen als Botschafter
in Gottes
die konservativen
Quiverfull-Werte
in der Welt verbreiten.
Und dabei handelt es sich
auch um rassistische Ideologien.
Sie glauben,
dass sie den Menschen,
die nicht weiß sind,
überlegen sind.
Die AnhängerInnen
sollen hohe politische Ämter
anstreben
und so letztendlich
dafür sorgen,
dass das bürgerliche Gesetzbuch
mehr und mehr
den Werten der Bibel entspricht.
Jacoba schluckt,
gehört Klein
auch zu dieser Bewegung.
Ist er ein rassistischer Fanatiker
der Frauen
als Gebärmaschine
missbraucht hat
und das Sperma
der Männer
durch sein eigenes
getauscht hat,
damit die Kinder
möglichst nach dem aussehen,
was das Naziregime
als die perfekten
arischen Menschen
beschrieb?
Sie und ihre Geschwister
sind alle weiß,
die meisten haben
blonde Haare
und blaue Augen.
Bei dem Gedanken,
dass der Mann,
der sie gezeugt hat,
sie genau deshalb gezeugt hat,
wird Jacoba schlecht.
Um wenigstens vor Gericht
Vergeltung zu bekommen,
kämpft Jacoba weiter.
Es dauert zwei Jahre,
bis ein Staatsanwalt bereit ist,
sich der Sache anzunehmen.
Kurze Zeit später fahren
Polizeiwagen vor
Kleins Anwesen vor.
Jetzt kann er sich der Sache
nicht mehr entziehen,
die er so lange verweigert hat.
Er muss einen DNA-Test machen,
damit Jacoba endlich Sicherheit hat,
ob Klein ihr biologischer Vater ist.
Das Ergebnis ist eindeutig.
Die Wahrscheinlichkeit,
Er wird über die Menschen
der Welt Gericht halten.
Er wird die gottlosen Menschen,
die sich gegen ihn aufgelehnt haben,
für ihr Handeln bestrafen
und sie für alle Beleidigungen
gegen ihn verurteilen.
Judas Brief, Kapitel 1, Vers 15.
Im September 2016 geschieht endlich das,
was sich Jacoba seit zwei Jahren wünscht.
Klein muss sich vor Gericht verantworten.
Den Saal, der sich im City-County-Building,
einem Hochhaus aus Glas und Stahl
mit 28 Stockwerken befindet,
könnten Kleins Kinder und ihre Familien
wohl alleine füllen.
Mittlerweile weiß Jacoba
von 49 anderen Frauen und Männern,
die ihre Geschwister sind.
Für sie wurde aus 23andMe
49andMe.
Oh Gott, ja.
50 Leben,
in die sich der Mann
ohne Einverständnis gedrängt hat.
Frauen,
denen er seinen Sperma injiziert hat,
die dem niemals zugestimmt hätten.
Er hat 50 Paare getäuscht
und 50 Kinder gezeugt,
von denen er jetzt nichts wissen will.
Als Klein an diesem Tag
im September in den Saal geführt wird,
fixieren den alten Mann
etliche Augenpaare.
Doch Jacoba hofft,
dass es vor allem die Justiz ist,
die heute genau hinsehen wird.
Weil sie mit ihrer Beschwerde
den Stein ins Rollen gebracht hat,
bekommt sie Rederecht.
Im Zeuginnenstand richtet sie ihre Worte
an Klein,
doch vor allem soll die Richterin sie hören.
Jacoba möchte erzählen,
wie viel Leid Klein über die Geschwister
gebracht hat,
wie viel Familien er zerstört hat.
Doch sie kommt nicht weit.
Einspruch euer Ehren
und irrelevant
schallt es durch den Raum.
Kleins Verteidigerin
unterbricht Jacoba immer wieder
und meist wird den Einwänden
stattgegeben.
Denn im Prozess geht es gar nicht darum,
dass Klein jahrelang Frauen
ohne deren Einverständnis
mit seinem Sperma geschwängert hat.
Diesen Straftatbestand
gibt es in Indiana
nämlich gar nicht.
Und eine Vergewaltigung
kommt auch nicht in Frage.
Ihm wird kein Fruchtbarkeitsbetrug
oder ähnliches vorgeworfen,
sondern nur Behinderung
der Justiz in zwei Fällen.
Gegenüber den Ermittelnden
hat Klein nämlich
nicht die Wahrheit gesagt.
In einem Brief
an die Ermittlungsbehörden
schrieb er etwa,
ich kann aus voller Überzeugung sagen,
dass ich niemals
mein eigenes Sperma
für die Befruchtung benutzt habe
und behinderte
mit dieser Lüge
die Arbeit der Justiz.
Und nur darum geht es vor Gericht.
Das macht nicht nur
Kleins Verteidigerin,
sondern auch die Richterin
allen Anwesenden
unmissverständlich klar.
Für Jacoba ist es ein herber Schlag,
dass sie quasi mundtot gemacht wird.
Ihr Anwalt hatte ihr zwar erklärt,
dass es schwierig sein würde,
aber sie hatte die Hoffnung,
dass das Gericht
Kleins Taten
nicht ungesühnt lässt.
Der dagegen versucht,
seine Weste
so weiß wie möglich zu halten.
Dabei helfen viele
Unterstützerinnen.
Bei seiner Familie,
der Kirchengemeinde
und früheren KollegInnen
genießt er nach wie vor
einen hervorragenden Ruf
als exzellenter Mediziner.
Schließlich habe er
so vielen Menschen
den Wunsch
vom eigenen Kind erfüllt.
Tatsächlich ist das
auch ein Zwiespalt,
mit dem Julies Mutter
Diana zu kämpfen hat.
Ohne Klein gäbe es
Julie nicht,
die sie über alles liebt.
Sogar ein Staatsanwalt,
der nicht in den Prozess
involviert ist,
schreibt,
Klein sei ein guter Mann,
bei dem man
milde walten lassen sollte.
Klein selbst
zeigt sich in seinem
letzten Wort
reumütig.
Die Justizbehinderung
gibt er zu
und entschuldigt sich dafür.
Er habe aus Angst
gehandelt und
dummerweise gelogen.
Zur Richterin sagt er,
Euer Ehren,
ich bitte um Gnade
und Mitgefühl für mich.
Ich habe aus der
Heiligen Schrift gelernt,
dass der Weg
eines Narren
in seinen Augen
richtig ist.
Eine Erklärung dafür,
warum er überhaupt
mindestens 50 Frauen
ohne ihr Einverständnis
mit seinem Sperma
befruchtet hat,
gibt er nicht ab.
Alle,
die ohne Gesetz
gesündigt haben,
werden auch ohne
Gesetz verloren gehen.
Und alle,
die unter dem Gesetz
gesündigt haben,
werden durchs Gesetz
verurteilt werden.
Brief des Paulus
an die Römer,
Kapitel 2, Vers 12.
Der 14.
Dezember 2017
ist ein wichtiger Tag
für Jacoba.
Heute entscheidet
das Gericht
über die Zukunft
des Mannes,
den sie so dringend
hinter Gittern sehen will.
Dieser Wunsch geht
aber nicht in Erfüllung.
Donald Klein
wird wegen Behinderung
der Justiz
zu einer
einjährigen
Bewährungsstrafe
verurteilt.
Außerdem muss er
500 Dollar
Geldstrafe zahlen
plus 185 Dollar
Gerichtskosten.
Die Richterin
begründet ihre Entscheidung
mit den ohnehin
überfüllten Gefängnissen
und der Tatsache,
dass sich Klein
noch nie etwas habe
zu Schulden kommen lassen.
Jacoba und ihre Geschwister
können es nicht fassen.
Julies Mutter Diana
ist den Tränen nah.
Dieses Urteil
ist ein Witz.
Die Geschichte,
die das Leben
so vieler Menschen
zerstört hat,
endet in ihren Augen
nicht mit einem
richtigen Schuldspruch.
Der Mann,
der ihnen allen
das Leid angetan hat,
landet nicht hinter Gittern.
Er spaziert aus dem
City County Building
einfach wieder nach Hause
zu seiner
richtigen Familie.
So als wäre nie
etwas gewesen.
Jacoba und die anderen
können nicht wieder
in ihren Alltag
zurückkehren.
Den gibt es so nicht mehr,
seitdem sie im
Herbst 2014
den DNA-Test gemacht hat.
Seither muss sie sich
immer wieder um
Familienzuwachs kümmern.
Jeden Morgen
wacht sie mit einem
Gedanken auf.
Was, wenn wieder
jemand auftaucht?
Oft genug
lockt sie sich zu Recht
mit dieser Sorge
in das Online-Portal ein.
Denn auch nach dem
Verfahren hört der
Stammbaum nicht
auf zu wachsen.
Immer wieder
tauchen neue
Geschwister auf.
Ich habe keine
größere Freude
als die,
zu hören,
dass meine Kinder
in der Wahrheit
wandeln.
Dritter Johannesbrief,
Kapitel 1, Vers 4
Obwohl es sie
selbst viel Kraft
kostet,
kontaktiert
Jacoba die Frauen
und Männer.
Sie weiß,
wie irritierend es ist,
neben einem
DNA-Testergebnis
auch noch einen
Haufen Geschwister
zu bekommen,
von deren
Existenz man
nicht mal wusste.
Eine davon,
Nummer 61,
ist Alison.
Auch sie
erhält eine
Nachricht von
Jacoba,
dass sie vermutlich
verwirrt sei
und sich an sie
wenden könne.
Alison versteht
in dem Moment
gar nicht,
was die Person
auf 23andme
von ihr will.
Sie hatte zwar gesehen,
dass bei dem
Symbolbild ihres
Vaters etliche
Linien zu
Halbgeschwistern
führten,
hatte das aber
für einen Fehler
im System gehalten.
Also ignoriert
Alison Jacobas
Nachricht.
Bis zum 9.
Dezember
2019,
als sie sich
zu Hause
Dr. Phil
ansieht
und stockt,
als er seine
Talkshow mit
einer Frage
eröffnet.
Wie würden
sie sich fühlen,
wenn sie
herausfinden würden,
dass der
Fruchtbarkeitsarzt
ihrer Mutter
eigentlich ihr
biologischer Vater
ist?
Als dann noch
Jacoba ihre
Geschichte erzählt,
erinnert sich
Alison an den Namen
und ihre Nachricht.
Die 47-Jährige
ist am Boden
zerstört,
als sie begreift,
dass ihr Vater
nicht ihr biologischer
Vater ist,
sondern Dr. Klein.
Der Mann,
bei dem ihre Mutter
nicht nur Patientin war,
sondern mit dem
ihre Mutter,
Selbstmedizinerin,
auch noch viele
Jahre zusammengearbeitet hat.
Auch sie
erfährt jetzt,
dass ihr Kollege
bei der
Kinderwunschbehandlung
sein eigenes
Sperma
benutzt hat.
Was für
Alison
allerdings das
Schlimmste ist,
Klein ist
nicht nur ihr
biologischer Vater,
sondern war auch
jahrelang ihr
Gynäkologe.
Allein,
wenn sie an die
Besuche in seiner
Praxis denkt,
an die Abstriche,
die Brustuntersuchung,
wird Alison
schlecht vor
Scham und Eke.
Doch das
Gefühl,
alles übersteigt,
ist unbändige Wut
auf diesen Mann,
der seine Macht
schamlos ausgenutzt hat.
Wut ist auch die
Emotion,
die Jakoba
nach wie vor
antreibt.
Nach Alison
erfährt sie in den
folgenden Jahren
noch von 33
weiteren
Geschwistern.
2022
sind sie
insgesamt
94.
94 Frauen,
die Klein ohne ihr
Einverständnis
durch sein
Sperma
geschwängert hat.
94 Kinder,
die als Erwachsene
eine Antwort
finden müssen
auf die Frage
Wer bin ich
eigentlich?
Ihr biologischer
Vater wird ihnen
dabei nicht helfen
und auch die
Justiz nicht.
Aber Jakoba
lässt sich nicht
unterkriegen.
Dr. Klein
hat sie nicht
gebrochen.
Immer wenn er
ihr heute in den
Sinn kommt,
hat sie nur
einen Gedanken.
Sie wird
weiterhin für
jede Frau
kämpfen,
an der er sich
vergriffen hat
und sich einsetzen
für all ihre
Geschwister.
Für die,
die sie schon
kennt und für
die, die sie
noch nicht
kennt.
Ein Leben lang.
Boah,
nee.
Was ist das
bitte für
einen Fall?
Also erstmal
muss ich sagen,
wie furchtbar
das sein muss,
wenn du dich
einfach bei
dieser Plattform
da anmeldest,
wo du doch
auch mal
so einen Test
gemacht hast,
oder?
Mhm.
Ja.
Mit also
wirklich
keinem
Hintergedanken
und irgendwie
aus einer Lust
und Laune
heraus
und dann
erfährst du
das,
was dein
komplettes Leben
erschüttert,
deine Identität
Identität
erschüttert.
Vielleicht
bist du
eines von
den Kindern,
wo du
dachtest
und auch
dein Vater
dachte,
dass er
dein
biologischer
Vater ist.
Also
deine Welt
ist ja
einfach
erschüttert
und wie
soll man
damit
überhaupt
klarkommen?
Also
erstmal
damit,
dass
dein
Vater
nicht
dein
Vater
ist
und
dann
erfährst
du
noch,
ob
das
alles
absichtlich
von
einer
Person
initiiert
wurde
und du
nicht mal
die
einzige
Person
warst
oder
beziehungsweise
deine Mutter,
der so etwas
angetan
wurde.
Und was
für eine
Ungerechtigkeit
auch in
welcher
Quantität
das
stattgefunden
hat.
94
bis
heute,
das sind
auf jeden
Fall
noch
mehr.
Und es
werden
natürlich
auch
mehr,
je mehr
Öffentlichkeit
dieser Fall
bekommt,
der war
jetzt
relativ
groß,
einige von
euch
werden
ihn
sicherlich
auch
kennen,
weil
es
eine
Doku
darüber
auf
Netflix
gab,
wo
Jakoba
eben
auch
spricht.
Ah ja.
Okay,
aber was
mich
jetzt noch
interessiert,
was ist
jetzt mit
dieser
weißen
Bewegung,
so nenne
ich das
jetzt mal?
Also
hat sich
da noch
irgendwas
ergeben,
also
gab es
da
irgendwie
mehr
Anhaltspunkte
als
jetzt
diese
E-Mail-Adresse?
Ja,
also
diese
Queerful-Bewegung
und das
Zitat,
was Klein
und die
Bewegung
benutzen.
Ach so,
ja,
aber
weiß man,
von wem die
E-Mail-Adresse
war?
Nee,
das weiß man
nicht.
Also
in der
Doku
wird das
so
angedeutet,
als ob
das
theoretisch
natürlich
die
Adresse
von
jemandem
sein
kann,
der
ebenfalls
in der
Justiz
arbeitet
und
in die
Ermittlungsbehörden
hin auch
hatte.
Und das
ist ja
sowieso
so krass,
dass der
nicht
zur
Rechenschaft
gezogen
wird,
weil
es
da
keinen
Straftatbestand
gibt.
Und das
ist generell
ja ein
Problem,
nur weil
man sich
so was
krank,
Irres,
Kriminelles
gar nicht
über,
also so was
kann man
sich gar
nicht
vorstellen,
dass
jemand
das
macht,
deswegen
gibt es
dafür
keinen
Straftatbestand,
aber
das kann
ja
nicht
sein.
Das
kann
ja
wirklich
ja
einfach
so
davon
kommt,
obwohl
er
so
viel
Leid
über
Menschen
gebracht
hat.
Das
macht
mich
richtig
wütend.
Ich
finde,
man
müsste
sich
auch
tatsächlich
mal
überlegen,
weil
es
gab
ja
damals
keinen
Straftatbestand
dazu.
Und
das
ist
natürlich
dem
geschuldet,
dass
das
Verfahren
noch
sehr
neu
war.
Und
es
ist
natürlich
schon
logisch,
dass
sich
erst
aus
einer
Entstehung
heraus
dann
auch
Gesetze
dazu
entwickeln.
Aber
in dieser
Zeit
ist da
ja ein
großes
Vakuum
von
Möglichkeiten,
wo man
offenbar
straffrei
handeln
kann.
Also
wie gesagt,
es gab
zu der
Zeit
keine
Straftat,
die das
irgendwie
strafrechtlich
gesehen
aufgefangen
hätte
in
Indiana.
Weder
zum
Zeitpunkt
der
Tat,
also
in den
70ern
und
in den
80ern
noch
zum
Zeitpunkt
der
Verhandlungen.
Und
das
hat
sich
aber
jetzt
geändert,
weil
es
nämlich
tatsächlich
Gesetz
auf den
Weg
zu
bringen,
das
Handlungen,
wie klein
sie
ausgeführt
hat,
illegal
macht.
Und
darum geht
jetzt
mein
Aha.
Das
trat
nämlich
am
1.
Juli
2019
in
Kraft.
Und
Ziel
der
Unterstützer,
die das
hinbekommen
haben,
dass es
dieses
Gesetz
jetzt
da
gibt,
ist
natürlich,
dass
das
Gesetz
auch
irgendwann
auf
Bundesebene
gilt.
Weil
durch
diese
DNA-Tests
für
daheim
hat
man
noch
44
andere
Ärzte
entdeckt,
die
wie
klein
Frauen
ohne
ihre
Zustimmung
ihr
eigenes
Sperma
eingesetzt
haben.
Diese
Zahl
ist
aus
der
Netflix
Doku.
Wie
gesagt,
rückwirkend
können
Klein und
die
anderen
dafür
aber
nicht
bestraft
werden,
weil es
in den
USA
genau
wie
in
Deutschland
ein
Rückwirkungsverbot
gibt.
Das
heißt,
dass
das
Gesetz,
was
jetzt
erlassen
wird,
das
zählt
dann
nicht
für
die
Taten,
die
damals
stattgefunden
haben.
Trotzdem
habe
ich
mich
jetzt
natürlich
gefragt,
ob
und
wenn
ja,
wie
Klein in
Deutschland
bestraft
worden
wäre.
Und
dabei
haben
wir bei
Professor
Brian
Valerius,
einem
Medizinrechtler
an der
Universität
Passau
nachgefragt.
Er hat
uns
erklärt,
dass
die
Handlung
an sich,
also das
Einsetzen
des
Spermas
wie
Kleines
gemacht
hat,
also
unter
Vortäuschen
einer
anderen
Identität
des
Spenders
hier als
Körperverletzung
verurteilt
werden
könnte.
Schwierig
dabei ist
natürlich,
dass
Frauen
wie
jetzt
Dirk
Hobers
Mutter
Debbie
ja genau
wussten,
auf welche
Behandlung
sie sich
einlassen,
also dass
sie mit
einem
Spendersamen
befruchtet
werden.
Und
deswegen
handelt es
sich laut
Professor
Valerius
dabei
nur um
einen
sogenannten
Motivirrtum
und zwar
über die
Identität
des
Spenders.
Nur kurz
bei einem
Motivirrtum,
da irrt
quasi die
erklärende
Person,
also die
ihr
Einverständnis
und ihre
Einwilligung
gibt,
über das
Motiv
zur
Abgabe
ihrer
Willenserklärung.
Und wenn
dieser
Motivirrtum
dann aber
wesentlich
genug ist,
und das
ist er
laut
Valerius
in diesen
Fällen
wie von
Klein,
weil die
Frau
ja ganz
sicher
davon
ausgehen
musste,
dass
das
Sperma
halt
entweder
vom
Partner
oder
von
einem
offiziellen
Spender
kommt
und eben
nicht
vom
Arzt
selbst.
Und
Professor
Valerius
sagt,
dass
dieser
Irrtum
ein
wesentlicher
Grund
ist,
der
ihre
ursprüngliche
Einwilligung
in diese
Insemination
an sich
unwirksam
macht.
Und
dann
würde man
laut
unserem
Experten
von
Körperverletzung
sprechen.
Das heißt,
bei uns
hätte Klein
deswegen
schon
verurteilt
werden
können.
Dass
das
Einverständnis
in bestimmter
Handlungen
generell
lange
kein
Thema
war,
dass
jetzt
die
Gesellschaft
oder
die
Justiz
ernst
genommen
haben,
das
sieht
man
übrigens
auch,
wenn
man
ins
Strafgesetzbuch
guckt.
Einige
Handlungen
sind
nämlich erst
seit kurzem
überhaupt
Straftaten.
Zum Beispiel
Upskirting,
also wer
anderen
absichtlich
und ohne
Einverständnis
unter Röcke
oder andere
Klamotten
fotografiert
oder filmt.
Zum Beispiel
keine Ahnung
auf der Rolltreppe
oder auf dem
Volksfest,
wenn man da
auf Bierbänken
tanzt.
Das ist erst
seit 2021
strafbar
und wird
mit bis zu
zwei Jahren
Haft- oder
Geldstraf
geahndet.
Dasselbe gilt
für
Downblowsing,
also wenn man
heimlich und
unerlaubt
in den Ausschnitt
fotografiert
oder filmt.
Da sind
wir ja auch
schon beim
Stichwort
Klamotten
und
Einverständnis.
Wir wissen
alle,
was sich Opfer
von sexualisierten
Übergriffen
immer wieder
anhören müssen.
Was
hattest du
an?
Richtig,
in Irland
hat
2018
ein Fall
für
Schlagzeilen
gesorgt.
Ein
27-Jähriger
stand vor
Gericht,
weil er
eine
17-Jährige
vergewaltigt
haben soll.
Er sagte
aber,
der Sex
sei
einvernehmlich
gewesen.
Und
seine
Verteidigerin
sagte
vor
Gericht
so Sätze
wie,
dass die
Jury
doch bitte
mal
die
Unterwäsche
des
Mädchens
berücksichtigen
solle.
Immerhin
trug sie
ja
einen
Tanga
mit
einer
Vorderseite
aus
Spitze.
Also so
nach dem
Motto,
wer
sowas
trägt,
der will
ja
eindeutig
Sex.
Und
die
Jury,
in der
übrigens
acht
Männer
und nur
vier
Frauen
saßen,
die
entschied
dann,
dass der
Mann
freigesprochen
werden
sollte.
Und
man
weiß
jetzt
nicht,
wie
stark
diese
Argumentation
der
Verteidigerin
das
Urteil
beeinflusst
hat,
aber
die
Empörung
danach
war
ja
riesig
zurecht.
Ja,
das ist
ja quasi
klassisches
Victim
Blaming
und
dabei
ist
natürlich
niemals
das
Opfer
schuld,
egal was
es
jetzt
anhatte
oder ob
es
nackt
rumgelaufen
ist
oder wie
viel
Alkohol
im Spiel
war
oder
whatever,
sondern
immer
nur
der
Täter
oder
die
Täter.
Genau
und
unsere
Expertin
Frau
Hörnle,
die
hat
uns
erklärt,
dass
es
schon
manchmal
auf
solche
Details
wie
Unterwäsche
in
zugehen,
dass
der
Sex
einvernehmlich
war,
also
sozusagen
ja mit dem
Spitzentanger,
da wollte sie
ja auf jeden Fall
Sex,
sonst hätte sie
ja einen
ollen
Baumwollschlüpper
oder
Unterbumpel.
Das ist
natürlich
Quatsch
und darauf
kann man
keine
schlüssige
Argumentationsstrategie
stützen,
also das
reicht jetzt
auch nicht
für einen
Freispruch
hier,
sagt
Hörnle.
Und
ich meine,
ich finde
es auch
wirklich
von der
Logik
her
absurd
und ich
weiß
nicht,
ob
die
Anwältin
einen
Spitzentanger
jetzt als
wahnsinnig
aufregendes
Dessous
empfindet,
aber man
nimmt ja in der
Regel einfach
das,
was sauber
ist und
ich kenne
das eher
so,
dass man,
wenn man
in Erwägung
zieht,
Sex zu
haben,
dann passt
oben und
unten
zusammen.
Und
selbst
dann regt
mich diese
Argumentation
der
Verteidigerin
auf,
weil selbst
wenn ich,
sagen wir,
ich würde
auf ein
Date
gehen
und habe
oben
unten
passend
an
und sage
morgens,
ich ziehe es
in Erwägung,
vielleicht sogar
Sex zu
haben den
Tag
über und
mir dann
aber drei
Stunden
später denke,
nein,
doch nicht,
dann will
sie mir
also sagen,
weil ich
Stunden
vorher die
Entscheidung
für das
Höschen
oder den
BH oder
was auch
immer
gefällt
habe,
dass ich
damit
dann eine
Einwilligung
für alles,
was danach
im Laufe
des Tages
passiert,
in sexueller
Hinsicht
gegeben habe
oder was,
ja,
also die
Willenserklärung
habe ich
dann schon
getroffen,
als ich
morgens in den
Schrank
gegriffen
habe.
Das finde ich
absurd
und scheußlich
und schäbig
finden wir das.
Ja,
weil es bei
Konsent,
also bei
einvernehmlichen
Handlungen
ja eben auch
darum geht,
dass die
Zustimmung
jederzeit
wieder
zurückgezogen
werden kann,
egal aus
welchen Gründen.
Ja,
was auch immer
mal wieder
als
Verteidigungsstrategie
herangezogen
wird,
ist die
sogenannte
Rough Sex
Murder
Defense,
auch bekannt
als
Fifty Shades
Defense,
also wir können
uns alle
denken,
woher das
kommt,
ne?
Und das
sind so Fälle,
in denen
ein Sexpartner
oder eine
Sexpartnerin
während des
Sex
stirbt
und die
Person,
die
überlebt hat,
dann am
Ende vor
Gericht sagt,
ja,
wir hatten
halt eben
diesen
Rough Sex
und die
Person,
die
gestorben
ist,
die
wollte
auch
diesen
Rough Sex,
die wollte
halt so
gewirkt
werden und
dann,
ja,
und dann war es
halt ein
Sexunfall
und die
Person ist
gestorben.
Und das ist
natürlich
problematisch,
sowas zu
sagen,
weil man
damit ja
impliziert,
die andere
Person ist
mit Schuld
und sie
hat quasi
zugestimmt,
dass sie
hier bei
dem
Sex
dann auch
sterben
kann.
Und
diese
Defense,
die
wurde
bis vor
kurzem
vor allem
in Großbritannien
immer wieder
versucht,
da gab es
fast 60
Frauen,
die von
einem Mann
getötet
wurden,
der danach
eben gesagt hat,
die Frau
hätte in
so harten
Sex
eingewilligt.
Aber das
geht heute
nicht mehr,
denn seit
2021
heißt es
im
Domestic
Abuse
Act,
dass ein
Opfer
nicht
zustimmen
kann,
wenn es
zur
sexuellen
Befriedigung
schwer
verletzt
oder
getötet
wird.
Und so
ähnlich
ist das
auch
in
Deutschland.
Also
bei
Fällen,
wo
jemand
durch
eine
Sexpraktik
wie
Fesseln
in die
Praktik
eingewilligt
hat.
Da heißt es
nämlich jetzt,
dass wer
eine Körperverletzung
mit Einwilligung
der verletzten
Person
vornimmt,
nur dann
rechtswidrig
handelt,
wenn die
Tat
trotz
Einwilligung
gegen die
guten
Sitten
verstößt.
Und was
das angeht,
hat der
BGH
2004
eine
Grundsatz
Entscheidung
getroffen.
Vorher
waren
nämlich
BDSM-Techniken
automatisch
Verstöße
gegen die
guten
Sitten.
Aber
der BGH
hat dann
entschieden,
der Knackpunkt
bei einer
Tat
gegen die
Handlung
kann man
jetzt zum Beispiel
nicht
einwilligen.
Also auch
wenn Person
A vorher
gesagt hat,
drück mir
die Luft
ab und
Person
B macht
das dann
und Person
A stirbt
daran,
dann würde
Person
B wegen
Körperverletzung
mit Todesfolge
verurteilt
werden.
Genau,
also ich finde,
wenn du
in der
Sexualpraktik
vor allem
eben oft
als Mann
eher
schon den
körperlich
dominanten
Part
einnimmst
und dann
auch noch
der Part,
der dann
Schmerzen
zufügt,
dann musst
du halt
eben die
Person
sein,
die
auf die
andere
achtet
und das
ist
natürlich
komplett
deine
Schuld,
denn die
Person
macht
ja
nichts.
Ja,
übrigens auch nur so
nebenbei erwähnt,
eine Absprache bietet sich auch immer an,
vor allem bei so dominanten Spielen generell,
also es ist auch nicht okay,
dem Partner oder der Partnerin einfach so ins Gesicht zu schlagen,
auch wenn man sich vorher vielleicht einig darüber war,
dass es ein bisschen härter sein kann oder so,
aber man muss der anderen Person auch mal eine Chance geben,
sich zwischendrin mal zu erklären,
dass alles okay ist,
also deswegen
regt mich diese Verteidigungstaktik auch so auf,
weil das so auf das Opfer abzuwälzen,
das finde ich halt wirklich absurd.
Man muss doch nach seinem Gegenüber schauen,
selbst wenn diese Person vorher in diese Sexpraktik an sich eingewilligt hat,
ja?
genau, also dieses Einwilligung in Sexpraktiken an sich ist eine Sache.
Was ist aber mit der Einwilligung, die du der Person gibst, mit der du Sex hast?
Das ist auch eine spannende Frage,
das ist auch eine spannende Frage, mit der sich auch schon viele Gerichte beschäftigt haben,
vor allem in Großbritannien.
da gab es mehrere Fälle,
da gab es mehrere Fälle, wo sich im Nachhinein, nachdem es Sex gab, herausgestellt hat, dass einer der Personen eine Transperson war.
Ob jetzt anatomisch schon angeglichen oder nicht, spielt jetzt erstmal keine Rolle.
Es wurden auf jeden Fall Transpersonen verurteilt, weil ihre SexualpartnerInnen gesagt haben,
hätte ich das vorher gewusst, dann hätte ich mich niemals auf diese sexuellen Handlungen mit der Person eingelassen.
Da wurde dann teilweise wegen sexueller Nötigung verurteilt
und Personen bekamen einen lebenslangen Eintrag im Katalog für SexualstraftäterInnen.
Und das hat natürlich für sehr, sehr viel Aufsehen gesorgt.
Natürlich bei der LGBTQIA plus Community, aber auch generell bei Menschen.
Also verschiedene WissenschaftlerInnen haben diese Gerichtsentscheidung auch kritisiert.
Der Rechtsrhetoriker Alex Sharp, der vertritt die Ansicht, dass die Fälle, die in England abgeurteilt wurden,
die Persönlichkeitsrechte von Transmenschen untergraben.
Und das sieht man in Deutschland tatsächlich vor allem rechtlich genauso.
Deborah Kempel, die damals Vorsitzende des Lesben- und Schwulenverbandes in Köln war,
hat in einem SZ-Interview erklärt, dass ihr diese Urteile an sich halt seltsam vorkommen,
weil auch in Großbritannien, da gelten ja eigentlich die europäischen Menschenrechte.
Und die sagen unter anderem auch, dass ein Zwangsouting von Transsexualität nicht erlaubt ist.
Aber um das hier einmal ganz kurz transparent zu machen, diese Medienlage und die Berichte,
die sind sehr unübersichtlich.
So ganz schlau wird man nicht.
Und auch Kempel fragt sich, wie sowas eigentlich in England hätte passieren können
und sagt aber auch in Deutschland, würde es nicht zu solchen Urteilen kommen.
Weil bei uns gibt es seit 1981 das Transsexuellengesetz.
Und da heißt es, dass der frühere Vorname der Person, also der Deadname,
Zitat, ohne Zustimmung des Antragestellers nicht offenbart oder ausgeforscht werden darf.
Also das bedeutet auch, dass Transmenschen nicht verpflichtet sind,
sich als solche zu outen, weder im beruflichen Kontext noch im privaten.
Ja, und das finde ich auch gut.
Also wenn sie das nicht wollen, dann sollte auch niemand Externes sie dazu zwingen können.
Also ich finde das absurd, mal abgesehen davon, dass ich es absurd finde,
irgendwelche Sachen aus der Vergangenheit beispielsweise das verpflichtend zu machen,
aus der Vergangenheit oder andere Hintergründe zu der eigenen Person offen zu legen.
Das muss man ja, wenn es die andere Person nicht durch beispielsweise Ansteckung von Krankheiten
jetzt in irgendeiner Weise einschränken oder betreffen könnte, muss man das ja auch nicht machen.
Ja.
Man muss ja auch nicht sagen, mit wem man verwandt ist oder so, ja.
Und ehrlicherweise ist das natürlich auch ein wahnsinniges Ungleichgewicht,
dass man Transmenschen in Großbritannien andere Pflichten auferlegen will als Cis-Menschen.
Also nochmal ganz kurz, Cis-Menschen sind jene, die sich mit dem Geschlecht,
das ihnen anhand äußerlicher Merkmale nach der Geburt zugeschrieben wurde, auch identifizieren.
Also Laura und ich sind zum Beispiel Cis-Menschen.
Die sagen das doch auch nicht.
Die sind ja auch nicht gezwungen, das vor dem Sex zu sagen.
Ja, ja, das stimmt.
Was übrigens auch erst seit kurzem unter Strafe steht, ist das sogenannte Stealthing.
Das ist, wenn man heimlich das Kondom abzieht und einfach weitermacht.
Obwohl vorher abgesprochen wurde, dass man nur mit Kondomsex hat.
So ein Fall wurde erst 2018 zum ersten Mal in Deutschland eben verhandelt.
Und da war es so, dass eine 20-Jährige aus Berlin ein Date mit einem 37-Jährigen hatte,
bei dem in der Wohnung und da kam es eben zum Sex.
Und dabei betonte sie, dass sie auf keinen Fall ohne Kondomsex haben will.
Und die hatten dann erst mal Sex in der Missionarstellung,
aber er wollte dann von hinten und dabei hat er heimlich das Kondom abgezogen,
einfach ohne weitergemacht und ist auch in ihr gekommen.
Sie hat dann danach gefragt, wo das Kondom ist und er nur so, ja, das ist wohl gerissen.
Aber sie hat das dann halt unbeschädigt neben dem Bett gefunden
und war natürlich stinksauer und meinte dann, was das soll.
Und er hat dann gesagt, ja, mit Kondom spürt er halt nichts.
Und sie war auch wirklich so sauer, dass sie die Polizei dann gerufen hat und er kam dann am Ende vor Gericht.
Und da ging es dann um die Frage, was das überhaupt für ein Straftatbestand ist,
wenn man halt heimlich das Kondom abzieht.
Und da hat das Gericht in dem Fall entschieden, dass die Penetration nicht strafbar war,
aber das Weglassen des Kondoms und verurteilt wurde der Typ deswegen wegen eines sexuellen Übergriffs zu acht Monaten auf Bewährung und er musste der Frau auch gut 3000 Euro zahlen.
Und der BGH hat jetzt aber diesen Februar doch entschieden, dass Stealthing auch als Vergewaltigung bestraft werden kann.
Die Begründung ist nämlich, die Frau hat dem Sex, also dem Eindringen in den Körper ausdrücklich nur unter der Bedingung zugestimmt, dass der Typ ein Kondom benutzt.
Und dem Sex ohne Kondom hat sie nicht zugestimmt, sondern deutlich abgelehnt.
Und der BGH sagt jetzt, Sex mit Kondom und Sex ohne Kondom ist eine qualitativ unterschiedlich sexuelle Handlung.
Und das, ihr Lieben, bezieht sich jetzt nicht auf das Gefühl, was man hat, sondern darauf, weil das Kondom vor Geschlechtskrankheiten und einer unbewollten Schwangerschaft schützt, wie wir wissen.
An dieser BGH-Entscheidung, da gibt es natürlich Kritik.
Also GegnerInnen sagen zum Beispiel, dass der BGH dadurch eine Möglichkeit gibt, sowas unter eine Bedingung zu stellen.
Und wenn die dann nicht erfüllt ist, dann sprechen wir von einer Vergewaltigung.
Und da hört man dann von so KritikerInnen, naja, als Frau kannst du dann ja auch sagen, ja, wir können Sex haben, aber nur, wenn du wirklich ein Ferrari fährst oder wenn du Single bist.
Hä?
Oder andersrum könnte der Mann sagen, ja, wir haben Sex, aber nur, wenn du wirklich die Pille nimmst.
Und wenn sich dann rausstellt, die nimmt sie nicht, dann ist das nicht mehr einvernehmlich gewesen.
Und dann könnte die jeweils andere Person wegen Vergewaltigung angezeigt werden, das sagen.
Die kritischen Stimmen.
Also das mit dem Ferrari ist ja ganz großer Quatsch, das zu vergleichen.
Aber ich finde auch nicht, dass man das mit dieser Pillensache vergleichen kann, die die Frau dann vorgibt zu nehmen.
Weil beim Stealthing kann die Frau ja gar nichts anderes machen, als vorher sagen, wir benutzen ein Kondom, weil sie sich jetzt zum Beispiel vor Krankheiten schützen will.
Und wenn der Mann dann heimlich das Kondom abzieht, ist die gearrscht.
Sie selbst kann sich ja kein Kondom anziehen.
Aber wenn der Mann jetzt auf keinen Fall will, dass die Sexualpartnerin beim Sex geschwängert wird, dann kann er selbst schon ein Kondom anziehen, um das zu verhindern.
Wenn die Frau dann heimlich das Kondom abziehen würde und nicht die Pille nehmen würde, dann wäre es zu vergleichen, aber dann ist es ja auch Stealthing.
Also ich finde das mit dem Ferrari-Fahren auch so absurd, weil das hat ja nichts mit dem Sex an sich zu tun.
Ein Kondom ist ja unmittelbar mit dem sexuellen Akt an sich verbunden und zwar auch noch in Bezug auf, naja, das, was halt eindringt.
Das ist doch komplett legitim, das vorher zu konkretisieren, wie das ablaufen soll.
Und deswegen finde ich, geht die Argumentation irgendwie voll am Thema vorbei.
Aber meinetwegen muss das jetzt auch nicht unbedingt Vergewaltigung sein.
Also es ist meinetwegen kann auch ein anderer Straftatbestand erfunden werden.
Ja, aber es ist auf jeden Fall was ganz anderes, wenn man vorher sagt, man will nur mit Kondom und dann der Sex ohne Kondom.
Es ist einfach eine komplett andere Sache.
Und abgesehen davon gibt es noch andere sexuelle Handlungen, die das Gericht als Vergewaltigung verurteilen kann, wenn der Konsens, also die Einwilligung fehlt, hat uns Sexualstrafrechtlerin Tatjana Hörnle erklärt.
Ein Beispiel, wenn vaginaler Verkehr abgesprochen war, aber der Mann überraschend Analverkehr vollzieht.
Das wäre eine andere Handlung mit Blick auf die soziale Bedeutung und mögliche Schmerzen.
In solchen Fällen kann das Gericht wegen Vergewaltigung verurteilen.
Ja, und es ist auch schon eine andere Art von Akt.
Also nur weil ich dir, Laura, erlaube, an die Süßigkeiten-Schublade zu gehen, darfst du noch lange nicht ans Weinregal.
Dass der BGH zu dieser Sache hier so eine eindeutige Entscheidung gefällt hat, ist meiner Meinung nach auch richtig.
Aber das liegt vielleicht auch daran, dass das Sexualstrafrecht in Deutschland seit 2016 ohnehin strenger geworden ist.
Weil seitdem gilt ja der Grundsatz, nein heißt nein.
Darüber haben wir in unserer Vergewaltigungsfolge, das war die 19, auch schon gesprochen.
Vorher war es eben so, dass der Straftatbestand einer Vergewaltigung nur dann erfüllt war, wenn sich das Opfer körperlich gegen den Übergriff gewehrt hat.
Und jetzt ist es aber so, dass es reicht, wenn jemand, Zitat, gegen den erkennbaren Willen einer anderen Person sexueller Handlung an dieser Person vornimmt.
Und wie dieser erkennbare Wille definiert ist, hat uns Professorin Hörnle erklärt.
Der Wille muss nach außen klar erkennbar sein.
Das heißt, für einen gedachten Beobachter erkennbar.
Das ist der Fall, wenn Verbalablehnung formuliert wird, aber auch, wenn mit Gesten ein Nein signalisiert wird.
Nun ist es unter bestimmten Umständen nicht möglich, sich zu äußern.
Etwa, wenn das Opfer schläft, in Vollnarkose liegt oder die sexuelle Handlung schnell und überraschend geschieht.
Oder der entgegenstehende Wille ist für alle erkennbar, weil das Opfer bedroht wurde.
Für solche Fälle sieht das Gesetz vor, dass genauso wie beim erklärten Nein eine Sexualstraftat vorliegt.
Das Problem mit der Einwilligung ist vor Gericht aber natürlich dann oft die Frage, ob der Wille der betroffenen Person für die andere Person auch erkennbar war.
Und dann steht da ja halt eben oft Aussage gegen Aussage.
Das ist ein Problem, das wird man jetzt immer haben.
Aber immerhin hat sich bei uns ja schon viel getan, also generell, was das Sexualstrafrecht angeht.
Ja, und vor 2016 wäre es nämlich bei uns auch möglich gewesen, dass dieser Hausmeister vom Anfang der Folge denn mit diesen 10 Sekunden Urteil dann halt nicht verurteilt worden wäre, hat uns Professorin Hörnle erzählt.
Weil bis zur Überarbeitung dieses Sexualstrafrechts galt, dass sexuelle Handlungen nur solche sind, die von einiger Erheblichkeit sind.
Deswegen wurden zum Beispiel auch so Grabscher, die durch eine Fußgängerzone laufen oder so und eine Frau an den Hintern gepackt haben oder an die Brust, nicht verurteilt.
Eben mit der Begründung, dass es ja nur ganz kurz gedauert habe und nicht erheblich genug gewesen sei.
Aber dann wurde das Sexualstrafrecht eben überarbeitet und zwar genau mit dem Hintergrund, auch solche Fälle dann erfassen zu können.
Ich meine, das war ja auch ein Freifahrtsschein für viele.
Und der Hausmeister wäre jetzt in Deutschland wahrscheinlich wegen sexueller Belästigung verurteilt worden, weil er den betroffenen Körperteil, also in dem Fall halt den Hintern, eindeutig sexualisiert hat.
Und da kommt es laut unserer Expertin dann halt eben nicht darauf an, ob das 5 oder 10 oder 15 Sekunden waren, die der Typ da dran rumgegrabscht hat.
Und was man dazu vielleicht einmal kurz sagen muss, es ist ja nicht so, dass das einmal kurz anfassen, was wäre, was nur Männer machen.
Also Frauen können ja genauso übergriffig sein.
Ich erinnere mich nämlich noch ganz genau daran, wie ein Mann aus meinem Umfeld beim Joggen an der, quasi an der Ampel stehen geblieben ist und von einer fremden Frau richtig hart auf den Arsch gehauen bekommen hat.
Nein.
Ja, und er so, weil ihm sowas tatsächlich vorher noch nie passiert ist, dass irgendwie eine Frau sozusagen
Ja, wir kommen in unsere Welt.
Ja.
Und die Grenzen überschritten hatte, war er so perplex, dass er nichts machen konnte.
Er wusste gar nicht, was er sagen soll oder wie er reagieren sollte oder so.
Und fand es natürlich sau unangenehm.
Und seitdem aber versteht er Frauen viel besser, wenn sie eben von diesem Gefühl erzählen, was sie dann bei solchen Sachen natürlich auch erleben.
Genau, und wir haben ja vor der Aufnahme der Folge auch darüber geredet.
Ich habe tatsächlich das Gefühl, dass die Frauen, die das machen, die Frauen, die diese Grenze übertreten, sich das vielleicht auch so ein bisschen für sich moralisch damit rechtfertigen, dass Frauen ja nicht übergriffig sein können, was ich jetzt natürlich in Anführungsstrichen mache, weil Frauen Männern körperlich unterlegen sind und weil es andersrum viel öfter passiert, weshalb sich bei einigen offenbar der Gedanke festgesetzt hat, dass Männer gar nicht sexuell belästigt werden können von Frauen.
Was natürlich absoluter Quatsch ist.
Ja, ich meine schon klar, es gibt ja Studien, die sexuelle Belästigung geschlechterspezifisch untersuchen und eine ist von der Hochschule Merseburg aus dem Jahr 2020.
Da geben 97 Prozent der Frauen an, schon mal sexuell belästigt worden zu sein.
Bei divers sind es 95 Prozent und bei Männern 55.
Aber es ist natürlich auf beiden Seiten nicht okay.
Neue Eskalation.
Ich war erst kürzlich in Emshorn feiern in meinem alten Jugendclub im Leitz.
Kommt so ein Vollidiot zu mir und meint, bist du nicht die vom Podcast und grapscht mir dabei erst mal voll an die Hüfte.
Und es ist ja ein körperlich übergriffiges Verhalten.
Und da sollte man ja als Belästigender vielleicht dann auch mal damit rechnen, dass die andere Person da mal körperlich übergriffig zurück wird auf eine sehr unschöne Art.
Wobei ich schon finde, dass es auch weniger geworden ist.
Also ich erlebe das jetzt heute nicht mehr so oft wie damals.
Ich habe wirklich die Hoffnung, dass das daran liegt, dass es einfach früher noch mehr Menschen gemacht haben, weil sie dachten, es sei in Ordnung.
Und jetzt da schon die Aufklärung da ist und es natürlich vielleicht auch Wirkung zeigt, eine abschreckende Wirkung, dass man dafür verurteilt werden kann.
Und dass es ein sexueller Übergriff ist.
Und deswegen finde ich das wahnsinnig wichtig, was da passiert ist.
Weil es offenbar nicht reicht, Menschen zu sagen, dass das nicht okay ist, sich über gewaltsam und in Überraschungsmomenten über die Grenzen von anderen hinwegzusetzen.
Ich hatte es neulich erst wieder, sogar mit jemandem, den ich eigentlich als Freund bezeichnet hatte vorher, kurz nicht aufgepasst, Hand am Po.
Und das hängt mir jetzt bis heute noch nach, weil ich so enttäuscht darüber war und dieser kurze Moment jetzt natürlich so alles auf den Kopf gestellt hat.
Und ich finde auch eben, was haben wir am Anfang schon gesagt mit diesen Sekunden, dass es einfach ja auch so lächerlich ist, dass das irgendwie einzugrenzen, auch wenn es ganz kurz war oder sowas.
Es ist immer das gleiche Gefühl, was man bekommt.
Man fühlt sich absolut erniedrigt, man fühlt sich nicht respektvoll behandelt, man fühlt sich in seiner Privatsphäre bedrängt.
Es ist nämlich schon ein echt krasser Übergriff einfach, weil es gegen den Willen passiert.
Und ich frage mich wirklich, und das macht mir wirklich am meisten Angst.
Wie können Menschen denken, erstens, dass es okay ist und zweitens sich darauf auch noch einen abgeilen?
Für mich wäre es doch der absolute Abturn, zu wissen, die Person möchte das nicht.
Oder auch nur, wenn die Möglichkeit besteht, die Person möchte das nicht.
Also was kann schön daran sein, jemand anderen in so eine Situation zu bringen?
Also sei es durch Gewalt, Überrumpelung oder Überforderung.
Ich raffe das einfach nicht.
Also ich hoffe wirklich, dass durch Aufklärung und auch Strafen solche Übergriffe dann weniger werden.
Ja.
Und das war's für heute.
Tschüss.
Das war ein Podcast der Partner in Crime.
Hosts und Produktionen Paulina Kraser und Laura Fohlers.
Redaktion Magdalena Höcherl und wir.
Schnitt Pauline Korb.
Rechtliche Abnahme und Beratung Abel und Kollegen.