00:00:00
Paulina, erinnerst du dich noch daran, was ich dir letztens bei Instagram geschickt habe,
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worauf du nur mit No Way geantwortet hast?
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Julian Zietlow bei Onlyfans.
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Einmal zur Aufklärung, das habe ich nicht geschickt.
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Nicht, dass hier falsche Gedanken kommen.
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Aber nee, das meine ich nicht.
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Es geht um diese Geschichte mit dem Wurm im Gehirn.
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Oh ja, ja, ja, ja.
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Das ist ja schon ein bisschen länger her jetzt, aber daran erinnere ich mich sehr gut.
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Und zwar geht es da um eine Geschichte aus Australien, bei der es sich ein Parasit,
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genauer gesagt ein acht Zentimeter langer Wurm, im Gehirn einer Frau gemütlich gemacht hat
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und dort dafür gesorgt hat, dass die unter anderem vergesslich wurde.
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Es ist so eine schlimme Vorstellung für mich, dass irgendwelche Würmer in meinem Körper rumlungern.
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Und diese Geschichte hat mich aber jetzt in ein Rabbit Hole geführt, weil ich mich daraufhin gefragt habe,
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was können Parasiten im Gehirn noch alles auslösen außer Vergesslichkeit?
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Weil wir hatten doch in der letzten Folge, also auf jeden Fall mehr im Spaß als im Ernst,
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haben wir doch darüber philosophiert, dass das HIV-Virus in Roman aus meinem Fall
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ihn möglicherweise zu einem Sexsüchtigen gemacht hat, der dann wahllos mit Frauen ungeschützten Sex hatte,
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um das Virus zu verbreiten.
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Na Moment, aber das war ja auch so.
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Also das Gericht hat ihm ja eine verminderte Schuldfähigkeit bescheinigt, weil?
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Ja genau, weil das Gehirn sich schon so weit abgebaut hatte.
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Ja, aber es ist ja quasi nicht nachgewiesen, das, was wir gesagt haben.
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Also dass das Virus sozusagen das Gehirn so kontrolliert hat, damit Roman das macht,
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damit sich das Virus sozusagen verteilen kann.
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Ja, da haben wir aber ein bisschen gesponnen natürlich, mal wieder.
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Naja, und bei meiner Recherche jetzt bin ich auf jeden Fall auf Berichte gestoßen,
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die vermuten lassen, dass zumindest der Erreger von Syphilis die sexuelle Aktivität infizierter Menschen steigern soll.
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Also wir waren da mit unserer Theorie jetzt nicht so falsch.
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Insofern, dass ein Virus oder ein Erreger das Verhalten des Wirts so manipulieren kann,
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dass es weiter überlebt oder er weiter überlebt und sich dann verbreiten kann, ja.
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Genau, und dann bin ich noch auf einen tschechischen Forscher gestoßen,
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der davon überzeugt ist, dass der Parasit Toxoplasma gondii das Verhalten von Menschen beeinflusst.
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Und wo man das schon lange erforscht ist an Mäusen und Ratten.
00:02:46
Und da ist es tatsächlich nachgewiesen, dass diese Tiere, wenn sie mit Toxoplasmen infiziert werden,
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dass die sich ganz merkwürdig auf einmal verhalten, weil sie dann nicht mehr zum Beispiel von einer Katze weglaufen,
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sondern eher gerade von dem Geruch der Katze angelockt werden und auch generell risikofreudiger sind oder unvorsichtiger.
00:03:06
Und da ist die Theorie dann, dass der Parasit im Gehirn der Tiere Reaktionen hervorruft,
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die sie quasi zu willigen Opfern von Katzen machen, okay?
00:03:17
Und warum Katzen?
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Weil Katzen die Endwirte von Toxoplasmen sind.
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Weil, also da müssen die hin, nur da können sie sich geschlechtlich vermehren.
00:03:26
Können die sich geschlechtlich vermehren?
00:03:29
Ja, also das können sie nur in der Katze.
00:03:32
Der MDR hat es auch Sex genannt, durchgehend in seinem Artikel.
00:03:37
Also, dass die Parasiten da in der Katze Sex haben wollen und deswegen in die Katze zurück müssen, weil es nur da geht.
00:03:45
Also, ergibt Sinn, ne?
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Mäuse, Ratten sollen zu den Katzen, damit die Toxoplasmen in die Katzen können, ja?
00:03:53
Jetzt ist es aber so, dass auch jeder zweite Mensch in Deutschland diesen Mikroorganismus in sich trägt, die Toxoplasmen.
00:04:00
Oh, und ich wollte dich gerade fragen, ob du glaubst, dass ich das habe, weil ich mich in letzter Zeit zu viel mit Menschen umgetrieben habe, die mir nicht unbedingt gut tun.
00:04:10
Ich begebe mich in Gefahr in psychische, weil ich von einem Parasiten gelenkt werde.
00:04:16
Doch, ich habe das.
00:04:20
Also, ja, also du und ich haben das möglicherweise auch und dieser tschechische Forscher, der hat eben untersucht, wie sich das auswirkt.
00:04:28
Also, mit Fragebögen und psychologischen Tests von infizierten Menschen.
00:04:32
Und seine Studien zeigen, nur auf Männer jetzt bezogen, dass befallene Männer unter anderem generell misstrauischer sind,
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lockerer gegenüber gesellschaftlichen Normen, also dass sie die erbrechen,
00:04:46
und deutlich langsame Reaktionen zeigen als Nicht-Infizierte.
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Und der Forscher hat mittlerweile riesige Datenmengen, aber er kann nicht beweisen,
00:04:55
dass jetzt tatsächlich der Parasit für diese Persönlichkeitsveränderung verantwortlich ist.
00:04:59
Weil dazu müsste der die biochemischen Prozesse im Gehirn aufklären und das ist mit dem heutigen Wissensstand offenbar so noch nicht möglich.
00:05:07
Wo er sich aber sicher ist, ist, dass es Parasiten gibt, die das menschliche Verhalten noch sehr viel stärker beeinflussen würden als Toxoplasmen.
00:05:17
Und was ich mit dieser Story jetzt quasi andeuten will, ist, dass vielleicht wir in 20 Jahren mal eine Mordlustfolge mit dem Oberthema Parasiten machen,
00:05:28
in der wir dann erzählen, wie ein Wurm einen Menschen dazu gebracht hat, jemand anderen umzubringen und der Mensch dann deshalb als schuldunfähig eingestuft wurde.
00:05:38
Ich habe eine Frage. Dieser Parasit, von dem du gesprochen hast, mit den Katzen, wie heißt der?
00:05:45
Das ist die Krankheit, die dadurch entsteht.
00:05:47
Ja, genau. Der Parasit heißt Toxoplasma gondii.
00:05:50
Okay, dieser Toxoplasma gondii. Wie sieht der aus? Ist es auch ein Wurm?
00:05:55
Nee, der ist ganz, ganz, ganz klein. Das sieht man gar nicht.
00:05:58
Gut, okay. Du hast es schon in deinem Gehirn gesehen.
00:06:02
Ja, okay. Ich bin froh, dass das, was ich offenbar habe, kein Wurm ist. Aber ich muss damit jetzt dringend zum Arzt.
00:06:10
Ja, lass das mal testen.
00:06:12
Ja, aber will man das? Ehrlicherweise ist das ja auch eine philosophische Frage, wie man sein Leben sieht.
00:06:18
Möchte man die Maus sein, die vor der Katze wegrennt? Oder möchte man die Maus sein, die sich der Katze stellt?
00:06:23
Vielleicht behalte ich den Parasiten auch doch.
00:06:26
Das könnte möglicherweise ein aufregenderes Leben sein und ich werde erhobenen Hauptes meiner Zukunft als Viscas entgegenschreiten.
00:06:34
Und damit herzlich willkommen zu Mordlust, einem Podcast der Partner in Crime.
00:06:40
Wir reden hier über wahre Verbrechen und ihre Hintergründe.
00:06:42
Mein Name ist Paulina Kraser.
00:06:44
Und ich bin Laura Wohlers.
00:06:45
In jeder Folge gibt es ein bestimmtes Oberthema, zu dem wir zwei wahre Kriminalfälle erzählen, darüber diskutieren und auch mit Menschen mit Expertise sprechen.
00:06:53
Hier geht es um True Crime und das heißt auch immer um die Schicksale von Menschen.
00:06:57
Bitte behaltet das immer im Hinterkopf.
00:06:59
Das tun wir auch, selbst wenn wir zwischendurch mal ein bisschen ungehemmter miteinander reden.
00:07:03
Das ist für uns so eine Art Comic Relief, aber nicht despektierlich gemeint.
00:07:06
Leute, seit Folge 1 reden wir von den Mordmerkmalen.
00:07:11
Das begleitet uns hier schon die ganze Zeit im Podcast.
00:07:14
Unser Podcast heißt ja auch wie eins.
00:07:17
Und diese Mordmerkmale, das ist ja dieser kleine, aber gravierende Unterschied bei vorsätzlichen Tötungsdelikten, der einen Mord von einem Totschlag abgrenzt.
00:07:27
Genau, und der Unterschied ist nicht geplant oder nicht geplant, wie das uns immer noch einige Leihinnen gerne weismachen wollen.
00:07:36
Ja, oder wie der nette Schauspieler, mit dem wir neulich in der Talkshow waren, der uns das erklärt hat.
00:07:43
Nein, nein, nein, das ist nicht der Unterschied.
00:07:48
Wer uns regelmäßig hört, der sollte das auch wissen.
00:07:50
Also ein Mord und damit sozusagen das schlimmste Delikt in unserem Strafgesetzbuch begeht man, weil man jemanden vorsätzlich oder bedingt vorsätzlich tötet.
00:07:57
Beispielsweise, weil man ein Motiv hat wie Mordlust oder das zur Befriedigung des Geschlechtstriebs macht, aus Habgier handelt oder sonstige niedrige Beweggründe hat.
00:08:08
Es ist aber auch dann ein Mord, wenn man ihn auf bestimmte Art und Weise begeht, also heimtückisch handelt, grausam oder mit gemeingefährlichen Mitteln.
00:08:16
Und vor gar nicht allzu langer Zeit haben wir auch über die Tötungen gesprochen, die einen bestimmten Zweck erfüllen sollen, nämlich zum Beispiel eine andere Tat zu verdecken.
00:08:25
Ja, und heute sprechen wir über das letzte Mordmerkmal, das noch aussteht, die Ermöglichungsabsicht.
00:08:32
Und die ist von der Idee her relativ ähnlich zu der Verdeckungsabsicht, weil beide Mordmerkmale müssen in Verbindung mit einer anderen Straftat stehen.
00:08:40
Und über die Verdeckung haben wir in Folge 112 gesprochen.
00:08:42
Vielleicht erinnert ihr euch daran, ich habe den Fall von Julian erzählt.
00:08:46
Das war so ein, naja, ich möchte sagen ein schnöseliger Enkel.
00:08:49
Und zwischen ihm und seinem wohlhabenden Opa gab es Streit, weil der Opa ihm gedroht hat, den Geldhahn abzudrehen.
00:08:56
Und vor lauter Wut und Verzweiflung hat Julian dann seinen Opa getötet.
00:09:00
Allerdings ist ihm dann eingefallen, naja, meine Oma ist ja auch im Haus und wenn die jetzt den toten Opa hier liegen sieht, dann ist das für mich schlecht.
00:09:08
Also hat er daraufhin auch noch seine Oma umgebracht, um, und jetzt kommt's, den Totschlag an seinem Opa zu verschleiern.
00:09:15
So hat es das Gericht nachher festgestellt.
00:09:18
Genau, bei der Verdeckungsabsicht wird also getötet, um eine vorherige Straftat zu vertuschen.
00:09:23
Und bei der Ermöglichungsabsicht, um die es jetzt heute geht, ist es so, dass durch die Tötung eine andere Straftat erst ermöglicht werden soll.
00:09:31
Und wie das in der Praxis aussieht, zeigen euch die Fälle, die wir heute mitgebracht haben.
00:09:35
Mein Fall zeigt, was manche Menschen bereit sind zu tun, um ihre Fantasien in die Wirklichkeit umzusetzen.
00:09:43
Alle Namen habe ich geändert und die Triggerwarnung findet ihr, wie immer, in der Folgenbeschreibung.
00:09:48
8. November 2020.
00:09:51
Die Sonne neigt sich bereits dem Horizont zu, als ein schriller Klang das Büro der Berliner Polizei durchdringt.
00:09:57
Es ist das Telefon, an dessen anderen Ende sich eine Frau meldet.
00:10:02
In ihrer Stimme hallt Entsetzen wieder.
00:10:04
Aufgeregt berichtet sie den Beamten, dass sie auf einem Feld in Pankow einen Knochen gefunden hat.
00:10:11
Ohne Zeit zu verlieren, machen sich die PolizistInnen auf zu dem Waldstück am Buchholzer Graben.
00:10:15
Dort angekommen, macht sich Verwunderung in ihren Reihen breit.
00:10:19
So etwas haben sie noch nie gesehen.
00:10:21
Vor ihnen, auf dem Waldboden, verschleiert vom Nebel, liegt ein menschlicher Oberschenkelknochen.
00:10:28
Das Besondere an ihm, er ist komplett skelettiert und sieht aus, als hätte jemand ihn fein säuberlich präpariert.
00:10:37
Etwa zwei Monate zuvor.
00:10:38
Laute Bässe dröhnen durch die WG in Lichtenberg und vermischen sich mit dem Hall von Stimmen und dem Klirren von Gläsern,
00:10:45
während der Duft von selbstgekochtem Essen die Luft erfüllt.
00:10:48
In der Küche steht ein großer Mann mit dunkelblonden Locken und blaugrauen Augen hinter dem Herd.
00:10:53
Es ist Olli, der erst vor wenigen Tagen von seinem Montageeinsatz am Bodensee zurückgekehrt ist und jetzt ein paar Tage Urlaub hat.
00:11:01
Und die möchte der 44-Jährige nun zu Hause in Berlin genießen.
00:11:04
Und genießen heißt für Olli Sex, Drugs and Rock'n'Roll.
00:11:09
Die Sau rauslassen.
00:11:11
Und genau das hat er auch für den heutigen Freitagabend, den 4. September 2020, geplant.
00:11:16
Gemeinsam mit seinem Mitbewohner Timo hat er dafür einige Bekannte eingeladen.
00:11:22
Und von denen hat Olli viele.
00:11:23
Die Menschen um ihn herum schätzen seine lebensfrohe und gleichzeitig sensible Art.
00:11:28
Worüber viele aus seinem Umfeld allerdings nicht Bescheid wissen, ist seine Sexualität.
00:11:33
Nur seine besten Freundinnen weiht Olli darin ein, dass er sowohl auf Frauen als auch auf Männer steht
00:11:38
und gerne mit SexarbeiterInnen, Pärchen oder Fremden aus dem Internet schläft, um seine sexuellen Fantasien auszuleben.
00:11:46
Auch jetzt, nachdem seine Gäste weg sind und die Party vorbei ist, will Olli, was das angeht, noch auf seine Kosten kommen.
00:11:52
Weil er und die anderen auch den ganzen Samstag durchgefeiert haben, ist er an diesem Samstagabend so aufgedreht, dass er kein Auge zukriegt.
00:11:59
Also zückt er sein Handy und lockt sich bei Planet Romeo ein.
00:12:03
Einer Dating-App für homosexuelle Männer, auf der Olli sich Spieltrieb 1976 nennt.
00:12:09
Um kurz vor 1 Uhr nachts erregt dann ein Mann Ollis Aufmerksamkeit.
00:12:19
Bei Sex and the City hatte doch Stanford ein Date mit Big Tool for You.
00:12:25
An was für Sachen du dich immer erinnern kannst, das finde ich krass.
00:12:29
Ich gucke das gerade nochmal.
00:12:30
Schlechts gealtert, möchte ich dazu sagen.
00:12:32
Aber der Name offenbar immer noch im Game.
00:12:36
Olli fackelt nicht lange und schreibt ihm eine Nachricht.
00:12:41
Hast eventuell Lust auf ein geiles Treffen?
00:12:44
Vier Minuten später blinkt die Antwort auf Ollis Display auf.
00:12:47
Ja, gerne, schreibt Dosenöffner 79.
00:12:50
Heute Nacht bei dir, fragt Olli.
00:12:52
Gerne, wohne in Pankow, meint der Unbekannte und fragt Olli kurz darauf, ob er Camps möge.
00:12:58
Was meinst du mit Camps, erkundigt sich Olli und teilt Dosenöffner 79 mit, dass er hin und wieder Poppers nehme.
00:13:05
Kannst du nicht so schulen, als ob das ein richtiger Name wäre.
00:13:09
Geht das jetzt die ganze Zeit?
00:13:12
Nein, der kriegt bald einen Namen.
00:13:14
Aber gerade weiß Olli noch nicht den Namen von Dosenöffner 79.
00:13:21
Also, Olli teilt dem mit, dass er hin und wieder Poppers nehme.
00:13:24
Eine synthetische Droge, die ein Gefühl von Wärme erzeugt, enthemmend und sexuell stimulierend wirkt.
00:13:29
Poppers ist okay.
00:13:31
Ich habe G da, falls du magst, schreibt der Fremde aus Pankow.
00:13:34
G steht für Liquid Ecstasy.
00:13:38
Kommt drauf an, wie es wird.
00:13:39
Wenn's geil wird, gern, antwortet Olli, bevor der Mann ihm seine genaue Adresse mitteilt und Olli voller Vorfreude unter die Dusche springt, um sich für sein bevorstehendes Date frisch zu machen.
00:13:49
Er schlüpft in eine karkifarbene Stoffhose, kombiniert sie mit einem T-Shirt und zieht ein kariertes Hemd drüber.
00:13:55
Als er um kurz vor zwei Richtung Tür läuft, hört er gerade noch, wie Timo, der auch nicht schlafen kann, viel Spaß ruft.
00:14:01
Dann steigt Olli in ein Taxi und teilt dem Fahrer die Adresse in Pankow mit.
00:14:05
Während die nächtlichen Straßen Berlins mit all ihren Lichtern und Schatten an ihm vorbeiziehen, zückt Olli wieder sein Handy und fragt den Mann, mit dem er sich gleich treffen will, ob er ihm ein Glas Wasser bereitstellen könne.
00:14:16
Ja, mach ich. Kannst auch direkt was anderes haben zum Aufgeilen, antwortet Dosenöffner 79.
00:14:22
Magst du gleich ein Glas Cola mit Zusatz trinken?
00:14:25
Weißt was? Ich bin so aufgeregt. Ja, bitte, tippt Olli.
00:14:29
Nur wenige Minuten später steht Olli vor einem großen Mehrfamilienhaus.
00:14:33
Es ist das Haus, in dem sein unbekannter Date-Partner wohnt.
00:14:36
Da dieser ihm bereits gesagt hat, dass seine Klingel kaputt ist, gibt Olli ihm via App Bescheid, dass er jetzt da ist.
00:14:42
Und 2.36 Uhr blinkt Ollis Handy dann erneut auf und eine Nachricht erscheint auf dem Display.
00:14:48
Ollis Herz schlägt schneller.
00:14:50
Sorry, bin total aufgeregt und nervös, schreibt er,
00:14:54
und ahnt dabei nicht, dass ihm heute Nacht kein heißes Sex-Date bevorsteht,
00:14:58
sondern sein schlimmster Albtraum.
00:15:00
Drei Tage später geht bei der Berliner Polizei eine Vermisstenmeldung ein.
00:15:05
Ein Mann Mitte 40 soll nach einer nächtlichen Verabredung nicht mehr in seine WG zurückgekehrt sein.
00:15:10
Der Name des Mannes?
00:15:14
Alarmiert machen sich die Beamtinnen mit einer Personenbeschreibung und Fotos auf die Suche nach dem Vermissten.
00:15:18
Doch der scheint wie vom Erdboden verschluckt.
00:15:21
Und so schreibt die Berliner Zeitung knapp drei Wochen später.
00:15:25
44-Jähriger verschwand kurz vor einer Verabredung.
00:15:28
Ob es zu dieser Verabredung kam und mit wem er sich treffen wollte, ist bisher unklar.
00:15:33
Eine Meldung, von der sich die Beamtinnen Hinweise auf Ollis Aufenthaltsort erhoffen.
00:15:39
Auch ein zweiter Aufruf einen Monat später bringt den Ermittlenden keine neuen Erkenntnisse.
00:15:42
Allerdings gelingt es ihnen in der Zwischenzeit mithilfe von Ollis Telefonanbieter,
00:15:47
die letzten ausgegangenen Anrufe von seinem Handy zu rekonstruieren.
00:15:50
Unter ihnen ist die Nummer des Taxifahrers, der Olli nach Pankow gebracht hat.
00:15:55
Er kann den Beamtinnen schließlich die Adresse nennen, zu der Olli in der Nacht seines Verschwindens wollte.
00:16:00
Außerdem finden die Ermittlenden dank der Handydaten heraus,
00:16:03
dass Olli vor seinem Verschwinden auf Planet Romeo aktiv war.
00:16:07
Daher bittet die Polizei des Einwohnermeldeamts anschließend um Fotos aller Personen,
00:16:11
die in dem Mehrfamilienhaus in Pankow leben,
00:16:13
während ein Beamter sich bei Planet Romeo anmeldet
00:16:16
und alle NutzerInnen, die in der Nähe der fraglichen Adresse registriert sind, unter die Lupe nimmt.
00:16:21
Und tatsächlich stimmt das Profilbild eines Mannes mit einem Foto vom Einwohnermeldeamt überein.
00:16:27
Es zeigt den 41-jährigen Thomas Schindler, der sich auf der Dating-App Dosenöffner 79 nennt.
00:16:33
Bevor die Ermittlenden jedoch weitere Schritte einleiten können,
00:16:37
klingelt am 8. November gegen 16 Uhr das Telefon im Polizeipräsidium.
00:16:41
Am anderen Ende meldet sich eine Frau, die berichtet, dass sie im Wald am Buchholzer Graben einen Knochen gefunden hat.
00:16:47
Sofort wird der Fundort abgesperrt und der fleischlose Knochen als Beweismittel sichergestellt.
00:16:53
Als die Polizei das gesamte Waldstück und die angrenzenden Felder mit Leichenspürhunden durchstreift,
00:16:57
stößt sie auf weitere Knochensplitter.
00:17:00
Alle Fundstücke kommen auf direktem Weg in die Gerichtsmedizin, wo DNA-Proben genommen werden.
00:17:05
Und dabei stellt sich heraus, die vom Fleisch befreiten menschlichen Überreste stammen von dem vermissten Oliver Riedel.
00:17:13
Das Rätsel um sein Verschwinden ist damit ein für allemal geklärt.
00:17:18
Allerdings wirft diese Erkenntnis ein schier endloses Netz neuer Fragen auf.
00:17:22
Warum musste Olli sterben?
00:17:25
Wie ist er gestorben?
00:17:26
Und wer hat ihn umgebracht?
00:17:27
Um Antworten zu finden, übernimmt die Mordkommission den Fall.
00:17:31
Und die Ermittlenden entscheiden sich als nächstes dazu, Mantrailing-Hunde einzusetzen,
00:17:35
die die Duftspur einer gesuchten Person oft auch noch Tage später kilometerlang verfolgen können.
00:17:40
Die Beamtinnen bringen ihre vierbeinigen Helfer an die Stelle im Wald, an der sie Ollis Knochen entdeckt haben.
00:17:46
Dort lassen sie sie Ollis Fährte aufnehmen und dann geht's los.
00:17:49
Knapp drei Kilometer lang führen die Hunde die Ermittlenden durch die belebten Wohnviertel von Pankow.
00:17:54
Straße für Straße schnüffeln sie sich voran.
00:17:57
Bis sie in der Nähe eines kleinen Parks vor einem Mehrfamilienhaus plötzlich Halt machen.
00:18:01
Es ist dieselbe Adresse, die der Taxifahrer bereits der Polizei genannt hat.
00:18:06
Das Haus, in dem Thomas Schindler wohnt.
00:18:08
Das bestärkt die Berliner Mordkommission in ihrem Verdacht,
00:18:11
dass sie bei ihm wortwörtlich an der richtigen Adresse sind
00:18:14
und Olli dieses Haus nicht mehr lebend verlassen hat.
00:18:17
Am 18. November stehen die Beamtinnen deshalb um 6.30 Uhr morgens mit einem Durchsuchungsbeschluss
00:18:23
und einem Haftbefehl vor Thomas' Wohnungstür.
00:18:25
Der korpulente Mann mit schütterem, blonden Haar und Brille lässt sie eintreten.
00:18:30
Schon im Flur fallen den Ermittlenden kleine und größere rote Flecken an der Wand auf.
00:18:35
Sie folgen der blutigen Spur, die sich bis ins Badezimmer durchzieht.
00:18:39
Auch im Arbeitszimmer werden sie fündig.
00:18:42
Dort steht eine blutverschmierte Gefriertruhe.
00:18:44
Dazu gesellt sich ein dreiteiliges Schlachtermesserset und eine Knochensäge.
00:18:49
Eines der Messer hat einen blauen Griff.
00:18:51
An diesem und an der Säge klebt ebenfalls Blut.
00:18:54
Es wird immer klarer, Olli muss hier gestorben sein.
00:18:59
Als die Ermittlenden in Thomas' Wohnzimmer einen Stapel aus Zeitschriften durchblättern,
00:19:03
keimt ein unheimlicher Verdacht in den Köpfen der Beamtinnen auf.
00:19:07
Denn zwischen den Magazinen finden sie eine Anleitung, die Schritt für Schritt erklärt,
00:19:12
wie man einen Mann kastriert und schlachtet.
00:19:15
Langsam setzen sich die Puzzleteile zusammen.
00:19:19
Eine Schlachtanleitung, die Gefriertruhe, die Messer, die Säge, das ganze Blut.
00:19:25
Könnte es sein, dass Thomas diese Anleitung bei Olli in die Tat umgesetzt hat?
00:19:29
Um das zu klären, wird Thomas in den nächsten Tagen genau unter die Lupe genommen.
00:19:33
Und ein Blick in seine Vergangenheit zeigt, dass das Schlachten bereits in seiner Kindheit eine Rolle gespielt hat.
00:19:39
Thomas Schindler wächst gemeinsam mit seinen streng katholischen Eltern in einem 400-Seelen-Dorf in der Pfalz auf.
00:19:47
Sein Vater ist gelernter Metzger und so bekommt Thomas von Kindesbeinen mit, wie sein Vater Tiere tötet,
00:19:53
ihre Eingeweide entfernt und sie schließlich zur Nahrung verarbeitet.
00:19:56
Während der kleine Thomas morgens bei den Schlachtungen zuschaut,
00:19:59
singt er mittags im Jugendchor und hilft als Messdiener im Gottesdienst.
00:20:03
Es sind diese scheinbaren Gegensätze, die sich wie ein roter Faden durch Thomas' ganzes Leben ziehen.
00:20:08
Nach der Schule studiert er Mathe und Chemie auf Lehramt, zieht nach Berlin und unterrichtet an einer Sekundarschule.
00:20:15
Doch sobald die Schulglocke das letzte Mal läutet, tauscht Thomas seine biedere Arbeitskleidung
00:20:20
gegen eine schwarze Vollmontur, packt sich den Sound von Gothic-Bands auf die Ohren
00:20:24
und trifft sich mit Gleichgesinnten aus der Szene.
00:20:26
Jedes Jahr fährt er über Pfingsten nach Leipzig zum größten Gothic-Festival der Welt.
00:20:31
Ansonsten verbringt Thomas viel Zeit online.
00:20:34
Geschützt durch die Anonymität des Internets, sucht er dort nach Männern für virtuelle Rollenspiele oder private Sextreffen.
00:20:42
Obwohl Homosexualität in seinem christlichen Elternhaus ein großes Tabu ist.
00:20:46
Thomas steht aber nicht nur auf Sex mit Männern, sondern explizit auf BDSM.
00:20:51
Dabei geht es ihm vor allem um das Gefühl von Macht.
00:20:54
Er möchte, dass sich sein Partner ihm völlig ausliefert, sodass er über ihn verfügen kann.
00:20:59
Doch Bondage und Rollenspiele, bei denen er der Meister und sein Gegenüber sein unterliegender Sklave ist,
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reichen Thomas schon bald nicht mehr aus.
00:21:06
Sein Verlangen nach Macht steigert sich immer weiter und weiter.
00:21:10
Er will nicht nur dominieren, er will die ultimative Kontrolle.
00:21:13
Ihn erregt es am stärksten, wenn sein Partner komplett handlungsunfähig ist.
00:21:18
Deshalb betäubt er seine Sexualkontakte ab dem Jahr 2013 immer wieder.
00:21:23
Die Drogen dafür, wie zum Beispiel das G, stellt er selbst her.
00:21:27
Durch sein naturwissenschaftliches Studium kennt er sich gut mit den unterschiedlichen Dosierungen und Wirkungen aus.
00:21:33
Er ist, wenn man so will, der Real-Life-Walter-White,
00:21:36
nur dass der eine mit der Herstellung von Drogen seiner Familie unter die Arme greifen will
00:21:40
und es dem anderen um die Auslebung seiner sexuellen Fantasien geht.
00:21:45
Also der Walter hatte irgendwann auch ganz schön Dreck am Stecken, ja.
00:21:50
Aber ganz am Anfang war das doch seine Intention, oder?
00:21:54
Naja, das war die Idee, aber der hat ja nachher immer weitergemacht und wurde halt ein richtig Krimineller.
00:22:00
Der hat die Freundin von seinem Kumpel verrecken lassen.
00:22:03
Ich wollte aber gerne diesen Vergleich.
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Gut, lässt du mir bitte diesen Vergleich?
00:22:10
Hast du das gesehen?
00:22:13
Die Serie, hast du die Serie gesehen?
00:22:20
Der Walter kam mir hier zu gut weg.
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Kannst ihn trotzdem haben.
00:22:27
Ausgelebt hat sich Thomas in den letzten Jahren aber vor allem mit einem Mann.
00:22:32
2013 lernt Thomas den 40-jährigen verheirateten Mann aus Bremen über Planet Romeo kennen.
00:22:39
2014 treffen sie sich zum ersten Mal persönlich.
00:22:41
Auf der körperlichen Ebene harmonieren Thomas und Jürgen perfekt.
00:22:45
Sie ergänzen sich wie Ying und Yang.
00:22:47
Denn Jürgen erregt es, ausgeliefert zu sein, sich vollkommen hinzugeben.
00:22:51
Und das kann Thomas Jürgen ermöglichen, indem er Drogen für ihn bereitstellt.
00:22:55
Der Sex zwischen den beiden läuft dann immer gleich ab.
00:22:58
Thomas betäubt Jürgen und knipst Fotos von ihm, damit der sich später anschauen kann, was Thomas mit ihm alles so angestellt hat.
00:23:04
So kriegt er die Ohnmacht und Wehrlosigkeit, die er sich wünscht, und Thomas die absolute Kontrolle.
00:23:10
Einmal fotografiert Thomas, wie er Jürgens Genitalien abbindet und so tut, als würde er ihm seinen Penis abschneiden.
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Ein anderes Mal lässt Thomas Jürgen ein Leichenhemd anziehen und hängt einen Zettel an seinen Zeh, auf dem steht,
00:23:23
Jürgen Meisner, gestorben am 12. Dezember 2014.
00:23:27
Und das Thema Sterben rückt mit der Zeit immer mehr an den Fokus der beiden.
00:23:34
Mit verschiedenen Betäubungsmitteln, die Thomas Jürgen unter die Haut spritzt, spielen sie schon bald Tötungen nach.
00:23:40
Thomas tötet und Jürgen stirbt.
00:23:43
Das gefällt Thomas, denn Herr über das Leben eines anderen zu sein, verleiht ihm größtmögliche Macht.
00:23:48
Und Jürgen gefällt es, jegliche Kontrolle über sein Leben zu verlieren und auch darüber, was nach dem Tod mit ihm passiert.
00:23:55
Denn als Thomas ihm einmal schreibt, dass er, nachdem er ihn umgebracht hat, gerne seine Genitalien einlegen und braten würde, findet Jürgen das Zitat cool.
00:24:05
Ab 2019 werden Thomas' Kannibalismus-Fantasien dann auch immer konkreter.
00:24:10
Auf Foren wie Real Butchers and Cannibals do not exist, recherchiert er unter dem Pseudonym Metzgermeister79,
00:24:17
wie man Menschen schlachtet und dann verspeist und wie man seine Spuren im Anschluss am besten verwischen kann.
00:24:23
Und ist da auch von den langen Schweinen die Rede? Wir wissen doch, dass die langen Schweine heißen, die Menschen.
00:24:29
Ja, er sucht da nach einem Longpick, eben einem Menschen, der sich danach sehnt, ein Schlachtschwein zu sein und von ihm gegessen werden will.
00:24:38
Weißt du, und dann sagen manche Leute, sie seien kinky, wenn sie ein bisschen auf Fesselspiele stehen.
00:24:45
Also, gibt da wirklich noch ganz andere Sachen.
00:24:50
Im Sommer 2020 sieht es dann so aus, als hätte Thomas in Jürgen diese Person offline gefunden.
00:24:56
Zu dem Zeitpunkt sind die beiden bei der Planung ihres nächsten Treffens, das folgendermaßen ablaufen soll.
00:25:02
Jürgen soll im September nach Berlin zu Thomas kommen.
00:25:05
Dort will Thomas ihn dann zunächst mit Liquid Ecstasy betäuben und anschließend töten.
00:25:09
Und zwar, indem er Jürgens Kehle von hinten mit einem Messer durchschneidet.
00:25:14
Als Jürgen nachfragt, ob er denn schon wisse, welches Messer er dafür benutzen will, schreibt Thomas,
00:25:18
ja, ich habe drei Schlachtermesser, davon das kleinste, blauer Griff.
00:25:22
Danach würde Thomas Jürgens Körper gerne ausbluten lassen und zerlegen.
00:25:26
Einige Teile davon möchte er essen oder in einer Kühltruhe lagern.
00:25:30
Jürgens Penis und seinen Kopf möchte er als Trophäen behalten.
00:25:34
Einige andere Teile entsorgen.
00:25:36
Und auch dafür hat Thomas schon einen genauen Plan, den er Jürgen mitteilt.
00:25:40
Er will die Körperteile in einen Sack packen und sie mit einem Mietauto irgendwo hinfahren,
00:25:44
wo man sie gut vergraben kann.
00:25:46
Irgendwann fragt Jürgen Thomas, für wie wahrscheinlich er es halte,
00:25:50
dass er nach seiner Tötung nicht erwischt werde.
00:25:52
Ziemlich wahrscheinlich.
00:25:54
Ich will als Cold Case zurückbleiben, antwortet Thomas.
00:25:57
Ende August beginnt Thomas dann mit den konkreten Vorbereitungen für ihr Wiedersehen.
00:26:02
Er kauft eine Gefriertruhe und erzählt Jürgen davon.
00:26:05
Geil, mein vorübergehendes Grab, antwortet der.
00:26:08
Oh nee, das ist mir echt eine Spur zu doll.
00:26:13
Wenn ich wüsste, dass mein Tod nie aufgeklärt werden würde, wäre ich sofort dabei.
00:26:18
Jürgen wäre sofort dabei, schreibt er.
00:26:22
Und genau das ist der springende Punkt.
00:26:25
Für Jürgen ist das Ganze nämlich ein Spiel.
00:26:27
Eine Art mentales Vorspiel, das auf den späteren Sex einstimmen soll.
00:26:32
Fantasie und nicht echt.
00:26:34
Thomas auf der anderen Seite scheint das Ganze allerdings wirklich ernst zu meinen.
00:26:38
Ein Gedanke, der auch Jürgen kommt.
00:26:40
Kurz vor dem Treffen sagt Jürgen Thomas dann nämlich ab.
00:26:43
Sein Ehemann habe die Chats gelesen und gedroht, ihn in die Psychiatrie einzuweisen,
00:26:48
wenn er tatsächlich nach Berlin fahre, schreibt er Thomas.
00:26:51
Den Bremer haben am Ende doch Zweifel beschlichen.
00:26:55
Wobei das nicht so abwegig wäre mit dem Einweisen.
00:26:57
Also wenn man sich das vorstellt, man findet so eine Texte, dann möchte man ja auch, dass
00:27:03
die Person einfach sicher bleibt und sich da nicht irgendwelchen gefährlichen Sexualpraktiken
00:27:10
Die Berliner Polizei, die die Chats mit Jürgen jetzt auswertet, findet die Zweifel, die er
00:27:16
hatte, gerechtfertigt.
00:27:17
Könnte es sein, dass Thomas das, was er mit Jürgen fantasiert hat, am Ende in der Nacht
00:27:22
vom 5. auf den 6. September mit Olli umgesetzt hat, weil Jürgen ihm kurzfristig abgesprungen
00:27:28
Eine Frage, die ab dem 10.
00:27:30
August 2021 im Prozess gegen Thomas geklärt werden soll.
00:27:34
Der holzgetäfelte, stuckverzierte Saal 500 des Berliner Landgerichts ist an diesem Tag
00:27:39
bis auf den letzten Platz besetzt, als der Angeklagte durch die massive Tür geführt wird.
00:27:43
Thomas trägt ein kariertes grünes Hemd und einen Mund-Nasen-Schutz.
00:27:47
In einem Kasten aus Holz, Glas und Metallstreben nimmt er hinter seinen beiden Verteidigerinnen
00:27:53
Es ist 9.44 Uhr, als sich der Staatsanwalt erhebt und mit der Verlesung der Anklageschrift
00:27:58
Ollis letzte Stunden, so wie sie aus der Sicht der Ermittelnden abgelaufen sind, noch einmal
00:28:03
vor dem inneren Auge aller Anwesenden lebendig macht.
00:28:06
Gegen 3 Uhr nachts hebt Olli das Glas Cola mit Liquid Ecstasy zum Mund, das Thomas ihm hingestellt
00:28:12
Als die Flüssigkeit bis auf den letzten Tropfen in Ollis Rachen verschwunden ist, haben
00:28:17
Thomas und er Sex.
00:28:18
Doch plötzlich, ohne dass er weiß, wie ihm geschieht, schneidet Thomas dem stark benebelten
00:28:23
Olli von hinten mit einem Messer die Kehle durch.
00:28:25
Olli verliert dadurch schnell sehr viel Blut und stirbt kurz darauf.
00:28:30
Als er tot ist, trennt Thomas Ollis Genitalien ab, um sie später zu essen.
00:28:34
Dafür besucht er im Internet die Seite Küchentippfehlerbraten-Hackfleisch-vermeiden.
00:28:40
Ich glaub das nicht.
00:28:41
Danach beginnt er Ollis Leiche in der Badewanne zu zerteilen.
00:28:45
Mindestens einen Teil davon deponiert er in der Gefriertruhe in seinem Arbeitszimmer.
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Ollis Torso wickelt er in schwarze Folie ein und packt ihn in einen Müllsack.
00:28:53
Dann mietet er sich ein Carsharing-Fahrzeug, fährt in den Pankoer Norden, legt Ollis Torso
00:28:58
und seinen Schädel auf einer Wiese ab, in dessen Nähe er in den raufholgenden Nächten
00:29:02
auch weitere Leichenteile entsorgt.
00:29:04
Der Staatsanwalt ist also davon überzeugt, dass Thomas seinen Schlachtplan genauso umgesetzt
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hat, wie er ihn zuvor in den Chats beschrieben hat.
00:29:11
Mit der einzigen Ausnahme, anstelle von Jürgen, wählte er Olli als sein Opfer.
00:29:15
Somit ist Thomas nun wegen Mordes angeklagt.
00:29:18
Denn für die Staatsanwaltschaft lesen sich die Chats mit Jürgen im Nachhinein wie ein Drehbuch
00:29:23
für das, was sich in der Nacht vom 5. auf den 6. September ereignet hat.
00:29:28
Um das Gericht von seiner Theorie zu überzeugen, ruft der Staatsanwalt gleich zu Beginn seinen
00:29:32
wichtigsten Zeugen in den Zeugenstand, Jürgen.
00:29:35
In allen Details erzählt er dem Vorsitzenden, wie er Thomas kennengelernt hat, wie er in den
00:29:39
letzten Jahren zu seiner Affäre wurde und wie der Sex zwischen ihnen ablief.
00:29:43
Auch Auszüge von Thomas und Jürgens Chats werden vorgelesen.
00:29:47
Dazu muss Jürgen allerlei Fragen über sich ergehen lassen.
00:29:50
Ihm ist das Ganze sichtlich peinlich und er gibt an, traumatisiert zu sein.
00:29:55
Ich kann Ihnen das leider nicht ersparen, erklärt der Vorsitzende.
00:29:58
Denn auch wenn es zu dem Treffen zwischen Jürgen und Thomas im September 2020 nie gekommen
00:30:03
ist, ist seine Aussage für das Gericht von enormer Bedeutung.
00:30:06
Denn durch sie werden die Parallelen zu Ollis Tod deutlich.
00:30:10
Dazu zählen das Blut mit Ollis DNA in Thomas' Badewanne, an der Knochensäge und an dem blauen
00:30:16
Messer aus dem dreiteiligen Set, das Thomas in den Chats vorher eindeutig als das Messer
00:30:20
benannt hat, mit dem er damals noch Jürgen töten wollte.
00:30:24
Dann die Teile von Ollis Leiche, die in der Zwischenzeit nach und nach in Pankow aufgetaucht
00:30:28
sind und sich wie ein Mosaik um Thomas' Wohnung verteilt haben.
00:30:31
Alle Teile bis auf Ollis Genitalien.
00:30:34
Die sind bis heute verschwunden.
00:30:36
Dann sein Torso, der in einen schwarzen Müllsack gepackt war.
00:30:40
Und die Routen der Carsharing-Autos, die Thomas nach seinem Tod genommen hat.
00:30:45
Mit jedem weiteren Verhandlungstag wächst die erdrückende Fülle an Indizien gegen Thomas.
00:30:50
Der Angeklagte selbst sieht das allerdings ganz anders.
00:30:54
Am 10. Verhandlungstag, Ende September, lässt er eine seiner Verteidigerinnen eine Erklärung
00:30:58
verlesen, in der er betont, Olli nicht getötet zu haben.
00:31:02
Vielmehr sei das alles ein Unfall gewesen.
00:31:05
Olli sei bereits betrunken bei ihm angekommen.
00:31:08
Und weil es gefährlich sei, Alkohol und G zu mischen, habe er ihm gesagt, dass er das mit
00:31:12
dem G lieber lassen solle.
00:31:14
Doch Olli habe nicht auf ihn gehört und habe es trotzdem eingenommen.
00:31:17
Nachdem sie dann Sex gehabt hätten, habe er Olli angeboten, dass er in seinem Wohnzimmer
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schlafen könne, damit er so spät in der Nacht nicht noch einmal durch die ganze Stadt
00:31:24
Olli habe das Angebot angenommen.
00:31:27
Daraufhin sei Thomas schlafen gegangen.
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Als er am nächsten Morgen aufgewacht sei, habe Olli bereits tot auf dem Sofa gelegen.
00:31:34
Eine Überdosis, vermutet er.
00:31:36
Er habe Panik bekommen und noch versucht, Olli wiederzubeleben.
00:31:39
Thomas habe auch überlegt, einen Krankenwagen oder die Polizei zu rufen.
00:31:44
Doch er habe sich dagegen entschieden, weil er befürchtet habe, dass dann herauskommen
00:31:47
würde, dass er homosexuell sei.
00:31:49
Er stamme aus einer streng katholischen Familie, habe sich noch nie geoutet.
00:31:53
Kurzerhand habe er sich deshalb entschlossen, dass die Leiche weg müsse.
00:31:57
Also habe er Ollis toten Körper in die Badewanne buxiert, was für ihn extrem schwer, nicht nur
00:32:03
psychisch, sondern auch physisch gewesen sei, und habe begonnen, die Leiche zu zerteilen
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und anschließend die einzelnen Teile wegzubringen.
00:32:11
Ollis Genitalien habe er in diesem Zusammenhang nur abgetrennt, weil er Angst gehabt habe, dass
00:32:15
seine DNA wegen des Sex darauf zu finden sei.
00:32:19
Mit fester Stimme trägt die Verteidigerin die Worte ihres Mandanten vor.
00:32:23
Ganz zum Ende will Thomas vor allem noch eines loswerden.
00:32:27
Ein Satz, der ihm wahrscheinlich so von seiner Verteidigung ans Herz gelegt wurde.
00:32:40
Und zwar, weil es hier um ein ganz bestimmtes Mordmerkmal geht.
00:32:43
Die Befriedigung des Geschlechtstriebs.
00:32:45
Mit diesem Mordmerkmal haben wir uns ja auch schon ausführlich in Folge 121 beschäftigt.
00:32:50
Ihr erinnert euch, das liegt immer dann vor, wenn jemand einen anderen Menschen tötet, um sich
00:32:55
sexuell zu befriedigen.
00:32:57
Dabei kann die Art und Weise der sexuellen Befriedigung ganz unterschiedlich aussehen.
00:33:02
Beispielsweise kann das Mordmerkmal festgestellt werden, wenn die TäterInnen durch die Tötung
00:33:06
selbst sexuelle Befriedigung suchen, aber auch wenn jemand tötet, um sich später sexuell
00:33:11
So war das zum Beispiel auch bei Armin Meyres, dem Kannibalen von Rothenburg, den ich mal
00:33:15
besprochen habe, der sein Opfer zerstückelt und sich dabei gefilmt hat, um sich das Video
00:33:20
später zur Befriedigung anzuschauen.
00:33:23
Bei ihm wurde das Mordmerkmal der Befriedigung des Geschlechtstriebs schließlich bejaht,
00:33:26
weil der BGH der Meinung war, es reicht aus, wenn TäterInnen die Tötung als Mittel ansehen,
00:33:31
um ihre sexuelle Befriedigung zu bekommen, egal wann.
00:33:34
Vermutlich betont Thomas deshalb in seiner Erklärung jetzt auch weiter, Zitat,
00:33:39
All meine sexuellen Schätz kannibalistischer Art waren reine Fantasien.
00:33:43
Den Tod von Olli habe ich weder gewollt noch in Kauf genommen.
00:33:46
Sein Tod tut mir unendlich leid.
00:33:49
So unterschiedlich wie die beiden Versionen der Tatnacht sind, sind auch die Forderungen,
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in den Schlussplädoyers.
00:33:54
Während die Staatsanwaltschaft davon überzeugt ist, dass Thomas Olli in eine Falle gelockt hat
00:33:58
und somit lebenslange Haft wegen Mordes und Störungen der Totenruhe sowie die besondere
00:34:02
Schwere der Schuld beantragt, verlangt Thomas' Verteidigung einen Freispruch.
00:34:06
Ihrer Meinung nach habe die Beweisaufnahme nämlich lediglich ergeben, dass Thomas vom Töten
00:34:11
und Verspeisen von Menschenfleisch fantasiert habe, nicht aber, dass er es auch tatsächlich
00:34:17
Reine, Zitat, Fantasien, Sexfantasien, selbst auch Kannibalismusfantasien seien aber nicht
00:34:25
Januar 2022, um kurz vor 17 Uhr, erhebt sich der Vorsitzende dann hinter seinem hölzernen
00:34:30
Pult und verkündet das Urteil.
00:34:32
Auch wenn die genaue Art und Weise, wie Thomas Olli getötet hat, nicht klar festgestellt werden
00:34:36
konnte und auch nicht, ob er Teile seiner Leiche tatsächlich verspeist hat, hält der Richter
00:34:41
Thomas' Version von einem Unfall für vollkommen unglaubhaft.
00:34:45
Die Kammer folgt also dem Antrag der Staatsanwaltschaft und Thomas wird wegen Mordes und Störung
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der Totenruhe zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe verurteilt.
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Es ist menschenverachtend, was sie getan haben, eine ganz verabscheuungswürdige Tat, sagt
00:34:58
der Vorsitzende.
00:34:59
Dabei schaut er Thomas immer wieder direkt in die Augen.
00:35:02
Der erwidert den Blick des Richters.
00:35:04
Allerdings ohne jede Regung.
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Allnahmslos sitzt er auf seinem Platz und lauscht so, als würde ihm das alles gar nichts angehen.
00:35:11
Dabei sieht die Kammer in Thomas' Fall gleich drei Mordbergmale als erfüllt an.
00:35:15
Heimtücke, Befriedigung des Geschlechtstriebs und die Ermöglichung einer anderen Straftat.
00:35:20
Heimtückisch hat Thomas Olli laut Gericht getötet, weil Olli nicht im Ansatz mit einem Angriff
00:35:25
auf sein Leben gerechnet hat, sondern Thomas sogar so sehr vertraut hat, dass er sich ihm
00:35:29
völlig ausgeliefert hat, als er freiwillig das Liquid Ecstasy zu sich nahm.
00:35:33
Die Befriedigung des Geschlechtstriebs bejaht die Kammer, weil Thomas Olli getötet hat,
00:35:37
um sich durch das Töten selbst sowie durch das anschließende Zerlegen der Leiche und das
00:35:41
Verspeisen von Ollis Genitalien sexuell zu erregen.
00:35:44
Da ist die Kammer sich aufgrund der Chats sicher.
00:35:46
Außerdem hat Thomas Olli umgebracht, um eine andere Straftat, nämlich Teile von Ollis Körper
00:35:51
abzutrennen und zu verspeisen, zu ermöglichen.
00:35:54
Das fällt nämlich unter die Störung der Totenruhe.
00:35:57
Auch die besondere Schwere der Schuld stellt das Gericht am Ende fest.
00:36:00
Eine vorzeitige Haftentlassung ist für Thomas also quasi unmöglich.
00:36:04
Alles, was Olli in seiner Todesnacht wollte, war ein wenig Spaß.
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Er konnte nicht schlafen, war zu aufgedreht und hatte sich auf ein heißes Sexdate mit einem
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Fremden gefreut.
00:36:14
Auf ein nächtliches Abenteuer, wie er es schon viele Male hatte.
00:36:17
Dass dieser Mann ausgerechnet ein Drehbuch im Kopf hatte, das nicht mit Tinte geschrieben
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war, sondern mit Blut, war für Olli nicht im Entferntesten zu ahnen.
00:36:26
Doch so wurde er zur Hauptfigur eines Horrorfilms.
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Ein Schlachtopfer eines Menschen, der sein Vertrauen ausgenutzt hat, sodass am Ende von
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Olli nicht mehr als ein Paar vom Fleisch befreite Knochen übrig geblieben sind.
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Also ich fand es ganz spannend, weil wir hatten ja jetzt schon ein paar Kannibalenfälle, dass
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man jetzt so gut diesen Werdegang nachvollziehen konnte, wie sich das bei ihm entwickelt hat.
00:36:48
Und da ist das ja fast tragisch, dass er da Jürgen getroffen hat und der ihm auch noch eine
00:36:53
Art Legitimation für seine absurden Fantasien gegeben und das dann vielleicht auch noch weiter
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angestachelt hat.
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Also wenn die Vorstellungen da schon so weit sind, da kann man ja davon ausgehen, dass
00:37:05
das nicht gut ausgeht.
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Ja, vor allem für die eine Seite.
00:37:09
Aber manchmal will ja die andere Seite das auch.
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Manchmal ist es ja auch andersrum.
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Manchmal ist es ja so, dass die Langschweine gegessen werden möchten und dann andere Leute
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dazu überreden, irgendwas mit denen zu machen.
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Das war ja bei dem Opfer von Armin Maivis so.
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Was ich aber so krass finde, ist, dass sich der Thomas dann einfach irgendein Opfer ausgesucht
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hat, wie den Olli, der wirklich ja total nichtsahnend einfach da bei ihm vor der Tür stand und ihm
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dann ja auch wirklich so doll vertraut hat, dass er von ihm sowas wie Liquid Ecstasy nimmt und
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dann sozusagen so hintergangen und auf so eine furchtbare Art und Weise getötet wird und einfach
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missbraucht wird, als dieses in Anführungszeichen Langschwein, wie furchtbar das auch für die
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Familie sein muss, diesen ganzen Fall so langsam aufgeklärt zu bekommen und dann im Gericht zum
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ersten Mal von diesem Chat und von diesem Drehbuch, was es ja schon am Ende des Tages war, erfahren, dass
00:38:10
der Thomas dann mit dem Olli ausagiert hat.
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Das Gericht ist ja jetzt zu dem Schluss gekommen, dass Thomas Olli getötet hat, um danach eben seine
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Kannibalismusfantasien umzusetzen, also den Körper zu zerlegen und Teile der Leiche zu essen, auch wenn
00:38:26
letzteres Jahr nie bewiesen werden konnte.
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Und dieser Zweck der Tötung ist laut Gericht als besonders verwerflich einzuschätzen und deshalb wurde die Tötung von
00:38:35
Olli dann ja auch als Ermöglichungsmord verurteilt.
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Was an dem Zweck so verwerflich ist, hat uns Rechtsanwalt Benedikt Müller erklärt, der in dieser Folge unser
00:38:44
Experte für Strafrecht ist.
00:38:46
Die verwerfliche Gesinnung, die in dem Mordmerkmal der Ermöglichungsabsicht zum Ausdruck kommt, liegt
00:38:51
gerade darin, dass der Mord aus dem zentralen Motiv heraus begangen wird, zusätzliches beziehungsweise
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weiteres Unrecht zu begehen.
00:38:58
Der Täter ist also bereit, ein menschliches Leben als Mittel einzusetzen, um weitere Straftaten
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Straftaten zu begehen.
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Zur Verwirklichung seiner kriminellen Ziele ist er sprichwörtlich bereit, über Leichen
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Bei dem Mordmerkmal geht es also darum, dass die Täter in die andere Straftat, wie in meinem
00:39:16
Fall jetzt die Störung der Totenruhe, darunter fällt dann das Zerlegen und darunter würde
00:39:22
auch das Verspeisen der Leiche fallen, um jeden Preis begehen wollen und dafür eben auch
00:39:27
nicht vor dem Tod eines Menschen zurückschrecken.
00:39:29
Was für die Bejahung des Mordmerkmals übrigens keine Rolle spielt, ist, ob die Täter in die
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Straftat, wegen der sie töten, dann überhaupt begehen.
00:39:37
Das heißt, auch wenn Thomas mit Ollis Leiche im Nachhinein gar nichts gemacht hätte, also
00:39:42
sie nicht mal zerteilt hätte, wäre die Tat trotzdem ein Ermöglichungsmord, weil allein
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die Absicht, dass er ihn dafür getötet hat, ausreicht.
00:39:49
Egal ist auch, ob die Täter in die Straftat für sich selbst oder für eine andere Person
00:39:54
ermöglichen wollen.
00:39:56
Also auch wenn Thomas Olli jetzt getötet hätte, damit zum Beispiel Jürgen ihn im
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Nachhinein essen könnte, dann hätte Thomas trotzdem wegen Mordes zur Ermöglichung verurteilt
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In der Praxis ist es allerdings oft gar nicht so einfach, jemanden wegen dieses Mordmerkmals
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Warum das so ist, hat uns unser Experte beantwortet.
00:40:14
Das Problem ist, dass man den Leuten schlicht nicht in den Kopf schauen kann und sich deshalb
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deren Gedankenwelt mit einem Blick auf das äußere Tatgeschehen, die Aussage von Zeuginnen,
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oder sonstigen Begleitumständen erschließen muss.
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Ein ganz triviales Beispiel aus dem Alltag hierzu.
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Stellen Sie sich vor, Sie haben einen nahen Angehörigen, denen geht es ganz offensichtlich
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schlecht, aber sie oder er will oder kann Ihnen nicht erzählen, warum das so ist, sondern
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Sie müssen das aus den Umständen, was in letzter Zeit so vorgefallen ist, Ihre Einschätzung
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der Situation und so weiter irgendwie erschließen.
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Und dass das, vorausgesetzt, es gibt jetzt keinen ganz offensichtlichen Anlass, nicht nur
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schwierig, sondern auch fehleranfällig ist, das dürfte einleuchten.
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Und so ähnlich ist das eben mit der Absicht.
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Es geht um innere Vorgänge, die nicht ohne weiteres erkennbar sind.
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Das heißt, um das Mordmerkmal bejahen zu können, brauchen die Gerichte, wie so oft, Aussagen
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beziehungsweise Geständnisse von den TäterInnen.
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Wenn man die nicht hat, wird es schwierig.
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Vor allem, wenn die Spurenlage nicht gut ist.
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Und deshalb waren in Thomas' Fall die Chats mit Jürgen, in denen er ja ganz offen über
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seine Gefühle und auch über die Intentionen und den Planen und so weiter gesprochen hat,
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natürlich ein absoluter Jackpot und am Ende ja auch fast der Hauptgrund, warum es zu
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einer Verurteilung gekommen ist.
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Mein Fall zeigt, was passiert, wenn grenzenlose Gier auf fehlende Menschlichkeit trifft.
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Alle Namen habe ich geändert.
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Der Weg mit dem Auto vom kleinen Ort Höfen zum Bahnhof Bad Tölz dauert knapp 20 Minuten.
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Als die 76-jährige Marianne sich auf den Weg macht, beginnt der an der rund 15 Meter langen
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gepflasterten Einfahrt und führt sie von ihrem Haus entlang der Blumenbeete und kunstvoll
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zu kegeln geschnittenen Büschen raus auf die Straße.
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Mariannes Garten erinnert an einen Park.
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Er ist ihr größtes Hobby.
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Die Frau mit den kurzen weißen Haaren und dem warmherzigen Lachen liebt die Natur.
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Kein Wunder also, dass es ihr hier in Höfen so gut gefällt.
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Das kleine Dorf liegt ca. 20 Kilometer östlich des Starnberger Sees.
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Endlose grüne Wiesen, umrahmt von den Gipfeln der Alpen.
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Während sie jetzt zum Bahnhof unterwegs ist, ziehen genau diese idyllisch an Marianne vorbei.
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Höfen ist eine ruhige Gegend.
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Gerade mal 90 Menschen leben hier.
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Über die Jahre sind Marianne viele davon ans Herz gewachsen.
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Ihren NachbarInnen reicht sie öfter mal frisch gebackene Schwarzwälder Kirschtorte, Käsekuchen
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und noch warme Apfelküchlein über den Zaun.
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Im Ort schätzt man Mariannes lebensbejahende Art.
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Doch seit ca. 4 Monaten fällt ihr das Lachen schwer.
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Im Oktober letzten Jahres ist ihr Ehemann Werner, der zuvor an Demenz erkrankt war, gestorben.
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Über Monate hatte Marianne ihn zuvor gepflegt.
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Allerdings brauchte sie dabei Hilfe.
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Allein konnte sie den Haushalt und die Versorgung ihres kranken Mannes nicht stimmen.
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Doch seit Werners Tod lebt Marianne alleine in dem freistehenden, mit schwarzem Holz verkleideten
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Einfamilienhaus und freut sich ganz besonders auf Tage wie diesen.
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Tage, an denen sie Besuch bekommt.
00:43:13
Es sind Brigitte und Erich, die heute bei Marianne vorbeischauen.
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Die drei Freunde haben sich bereits vor Jahren auf Kur kennengelernt.
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Brigitte, ebenfalls Mitte 70, kommt aus Frankfurt, der fünf Jahre ältere Erich aus Hagen.
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Beide trifft Marianne nun in Bad Tölz.
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Um ihr Wiedersehen zu feiern, gehen die drei gemeinsam essen.
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Danach lassen sie gemütlich bei Marianne zu Hause den Abend ausklingen, bevor sie sich
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ins erste Obergeschoss begeben und zu Bett gehen.
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Brigitte in dem einen Zimmer, Marianne und Erich in einem anderen.
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Ganz kurz, und Brigitte und Erich, die sind verheiratet?
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Also das sind einfach drei FreundInnen, die sich erst in den 70ern sozusagen gefunden haben.
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Ich weiß nicht genau, wann die sich gefunden haben.
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Vor ein paar Jahren auf Kur hieß es.
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Und Brigitte und Erich sind kein Paar, denn Erich geht ja jetzt zu Marianne ins Bett.
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Ich dachte schon, ach wie süß und schön, einfach noch so eine Freundschaft im späten Leben.
00:44:13
Aber das ist natürlich auch schön, was da jetzt passieren soll.
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Also das ist so, dass die Zimmer so öfter unter den drei RentnerInnen aufgeteilt werden.
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Denn Marianne und Erich haben seit Jahren bereits eine Affäre.
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Und deswegen treffen...
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Genau, heimlich.
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Deswegen die Nachbarschaft soll das nicht wissen.
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Und deswegen treffen sich die beiden auch nur, wenn Brigitte als Alibi-Freundin von Erich dabei ist.
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Hör voll cool von der Brigitte, dass die da so als Alibi dabei ist.
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Ja, also Bedürfnisse gibt es bis ins hohe Alter.
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Ich meine, die sind auch über 70.
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Das ist jetzt nicht so alt, ne?
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Nee, du weißt ja, wie alt mein Vater jetzt gerade geworden ist.
00:44:58
Ich muss immer...
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Dein Vater ist...
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Ich sehe jetzt immer, wenn ein 70-Jähriger eine Rolle spielt, dann habe ich deinen Vater vor Augen.
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Aber dein Vater ist auch einfach ein sehr aufgeweckter 70-Jähriger.
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Lassen wir es bei diesem Wort, ja.
00:45:10
Naja, zurück nach Höfen, wo eben Marianne und Erich sich ein Bett teilen.
00:45:15
Die Nacht ist bereits über Höfen eingebrochen, als plötzlich ein ohrenbetäubender Knall die Stille durchbricht und Marianne aus dem Schlaf reißt.
00:45:23
Die Tür zu ihrem Schlafzimmer wird aus der Verankerung gerissen und kracht auf den Boden.
00:45:27
Verstört schlägt Marianne ihre Augen auf und schreckt hoch.
00:45:30
Aus der Dunkelheit tauchen zwei schwarze Schatten auf, die sich schnell auf sie zubewegen.
00:45:35
Es sind zwei maskierte Männer und einer von ihnen schlägt Erich, der gerade versucht, sich aufzurichten, zweimal mit der Faust ins Gesicht.
00:45:42
Dann nimmt der Mann irgendetwas in seine Hand und schlägt damit wieder und wieder auf Erichs Kopf ein.
00:45:47
Währenddessen geht der andere Mann auf Marianne los.
00:45:49
Auch seine Schläge treffen sie mitten ins Gesicht.
00:45:52
Sie schreit um Hilfe.
00:45:53
Das ruft den zweiten Mann auf den Plan, der sie offenbar daran hindern will und nun auch auf sie mit dem Gegenstand einschlägt.
00:46:00
Einmal, zweimal, dreimal.
00:46:02
Schmerz durchfährt Mariannes Körper.
00:46:04
Erich liegt bereits regungslos neben ihr, während die Welt um sie herum in Schwärze versinkt.
00:46:10
Als Marianne wieder zu Bewusstsein kommt, ist das Nächste, was sie wahrnimmt, wie einer der Männer versucht, sie zu fesseln, während sie noch immer auf ihrem Bett liegt.
00:46:17
Voller Verzweiflung versucht sie erneut nach Hilfe zu schreien.
00:46:21
Wieder wird das sofort mit Gewalt unterbunden.
00:46:23
Einer der Männer packt sie mit seinen kräftigen Armen an ihren Beinen und wirft sie auf den Boden, sodass sie auf dem Rücken liegen bleibt.
00:46:30
Dann tritt der bullige Mann mit seinen Füßen auf ihren Kopf ein.
00:46:33
Immer wieder, bis Marianne wieder in den Dämmerzustand driftet.
00:46:36
Das, was hier an diesem Abend stattfindet, ist ein Akt beispielloser Gewalt.
00:46:40
Ein Verbrechen, dem an diesem Abend drei hilflose RentnerInnen zum Opfer fallen, ohne dass sie selbst Ahnung hätten haben können.
00:46:49
Die Nacht hat den Himmel bereits dunkel gefärbt, als zwei Polizeibeamte drei Tage später vor dem mit schwarzen Holz verkleideten Einfamilienhaus stehen.
00:46:57
Ein besorgter Mann hatte sie gebeten, hier einmal nach dem Rechten zu sehen, da er eine Freundin, die dort zu Besuch sei, seit Tagen nicht erreichen kann.
00:47:04
Die Tür des Hauses steht offen, drinnen brennt Licht.
00:47:07
Als die beiden Männer über die Türschwelle treten, lässt bereits der erste Blick ins Wohnzimmer und die angrenzende Küche nichts Gutes vermuten.
00:47:14
Durch das Erdgeschoss des Einfamilienhauses zieht sich eine Spur der Verwüstung.
00:47:19
Auf dem Boden liegen unzählige Dinge verteilt.
00:47:21
Langsam arbeiten sich die zwei Polizisten vor, bis sie an einer Treppe, die in den Keller führt, ankommen.
00:47:27
Die Stufen nach unten sind überzogen von getrocknetem Blut.
00:47:30
Die Beamten folgen ihnen.
00:47:32
Unten durchqueren sie mehrere Räume, in denen Schränke offen stehen und Schubladen durchwühlt sind,
00:47:37
bis sie an einer abgeschlossenen Metalltür ankommen.
00:47:40
Der Schlüssel steckt von außen, die beiden Männer drehen ihn und öffnen die Tür.
00:47:44
In dem kleinen Heizungsraum ist es dunkel.
00:47:47
Die Beamten leuchten mit einer Taschenlampe hinein.
00:47:50
Plötzlich enthüllt der Lichtkegel einen Menschen.
00:47:52
Es ist eine ältere Frau.
00:47:54
Ihr Gesicht ist übersät von blauen Flecken.
00:47:56
Ihre Augen sind angeschwollen.
00:47:57
Sie atmet nur noch ganz schwach und ist bewusstlos.
00:48:01
Die Beamten lassen den Schein der Taschenlampe weiter durch den Raum wandern.
00:48:04
Da entdecken sie tatsächlich in der Ecke eine weitere Person.
00:48:07
Es ist ein älterer Mann.
00:48:09
Schnell rufen die Polizisten den Rettungsdienst.
00:48:12
Während der kurz darauf eintrifft und sich um die beiden SeniorInnen kümmert, sehen sich die beiden Beamten weiter im Haus um und finden im Obergeschoss noch eine Person.
00:48:20
Eine ältere Dame liegt auf dem Bauch auf einem Bett und ist blutüberströmt.
00:48:24
Ihre Beine sind gefesselt.
00:48:26
Der herbei eilende Notarzt kann nun noch ihren Tod feststellen.
00:48:30
Genauso ist es mit dem Mann im Keller.
00:48:32
Und auch die alte Dame, die man mit ihm dort gefunden hat, ist dem Tod näher als dem Leben und muss auf der Stelle ins Krankenhaus gebracht werden.
00:48:39
Sie ist nicht ansprechbar, eine Vernehmung unmöglich.
00:48:42
Die alte Dame wird den BeamtInnen also erst einmal nicht dabei helfen können, herauszufinden, was hier überhaupt passiert ist.
00:48:48
Dafür sprechen die Spuren im und um das Anwesen Bände.
00:48:53
Am Küchenfenster des Hauses kann die Polizei Hebelspuren entdecken.
00:48:56
Ein umgedrehter Eimer und eine umgedrehte Regentonne sind wie eine Art Tritthocker davor platziert.
00:49:01
Dazu die durchwühlten Schränke.
00:49:03
Alles deutet auf einen Raubmord hin.
00:49:05
Auch wenn sie nicht wissen, was in dem Haus fehlt.
00:49:09
Die Soko Höfen wird gegründet, die von nun an wegen zweifachen Mordes und Tateinheit mit versuchtem Mord ermittelt und beginnt, die Spuren zu sichern.
00:49:17
Sobald die Sonne aufgeht, machen sich die KriminaltechnikerInnen in ihren blauen Schutzanzügen daran,
00:49:22
das Anwesen akribisch nach DNA, Blutspuren, Finger- und Schuhabdrücken, Haaren- und Hautpartikeln abzusuchen.
00:49:28
Während hinter dem Haus dutzende Einsatzkräfte mithilfe von Polizeihunden die angrenzenden Felder und den Wald durchforsten.
00:49:35
Hubschrauber kreisen über die Region.
00:49:38
Gleichzeitlich wird bekannt, dass es sich bei den Opfern um die Hauseigentümerin Marianne Auer
00:49:42
sowie zwei befreundete SeniorInnen Erich Thalmann und Brigitte Böhm handelt, die zu Gast bei Marianne waren.
00:49:48
Laut Ermittlungen sollen die drei bereits mindestens zwei Tage in dem Haus gelegen haben, bevor sie gefunden wurden.
00:49:54
Außerdem geht die Polizei davon aus, dass es mehrere TäterInnen gegeben haben muss.
00:49:58
Im Haus werden mindestens drei unterschiedliche Schuhabdrücke festgestellt.
00:50:02
Schon bald arbeiten mehr als 50 BeamtInnen an dem Fall.
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Ein Fallanalytiker wird hinzugezogen und auch mithilfe des Fernsehens versuchen die BeamtInnen ihr Glück.
00:50:11
Am 1. März 2017 eröffnet das Verbrechen in Höfen die Sendung Aktenzeichen XY.
00:50:17
Es ist der Soko-Chef persönlich, der fragt, wer hat verdächtige Beobachtungen gemacht?
00:50:22
Dazu werden 10.000 Euro Belohnung ausgesetzt.
00:50:25
Mehr als 130 Hinweise gehen daraufhin ein, aber eine heiße Spur bleibt aus und die TäterInnen bleiben damit vorerst auf freiem Fuß.
00:50:33
Das bringt Konsequenzen mit sich.
00:50:36
Konsequenzen, die man in Höfen tagtäglich spüren kann.
00:50:39
Denn inzwischen herrscht in dem kleinen Dorf, in dem die Menschen noch vor ein paar Tagen über den Gartenzaun hinweg fröhlich miteinander geplaudert haben,
00:50:46
Haustüren nicht einmal verschlossen waren, eine unheimliche Stille.
00:50:49
Die EinwohnerInnen haben Angst, viele haben Alarmanlagen einbauen lassen.
00:50:53
Denn was, wenn die TäterInnen nochmal zuschlagen und es diesmal ihr Haus ist?
00:50:59
Die Unsicherheit liegt wie ein düsterer Schatten über dem bayerischen Idyll, das plötzlich wie ausgestorben wirkt.
00:51:05
Anstelle von Kindern, die auf den Straßen spielen, sieht man jetzt alle 10 Minuten einen Streifenwagen.
00:51:09
BeamtInnen auf Polizeipferden und Kamerateams mit ReporterInnen durch den Ort streunern.
00:51:14
Ansonsten weit und breit nichts.
00:51:17
Keine Menschenseele.
00:51:18
Ein Zustand, den die Polizei so schnell wie möglich ändern will.
00:51:23
Also klopfen sie an so gut wie jede Haustür, befragen über 250 ZeugInnen und sprechen mit Menschen, die Marianne, Erich oder Brigitte nahestanden, ob sie einen Verdacht gegen jemanden hegen.
00:51:34
Doch dann ist es ein kleiner Zigarettenstummel, der den ersten Durchbruch bringt.
00:51:39
Er wurde 300 Meter entfernt von Mariannes Haus an einem Feldweg gefunden.
00:51:43
Auf diesem konnten die ExpertInnen eine DNA-Spur entdecken.
00:51:47
Und als die BeamtInnen diese DNA nun durch die bundesweite Datenbank jagen, leuchtet auf einmal ein Treffer auf.
00:51:53
Viktor Wojcik, 43, wohnhaft in Städtiden, Polen und mit einschlägigem Vorstrafenregister.
00:52:00
Unzählige Diebstähle, Sachbeschädigung, Fahren ohne Fahrerlaubnis und Körperverletzung.
00:52:05
Und nicht nur deswegen ist er interessant.
00:52:07
Er steht außerdem im Verwandtschaftsverhältnis zu einer Frau, deren Name bei der Befragung des Umfelds von Marianne mehr als einmal aufkam.
00:52:15
Eine Frau namens Alexandra.
00:52:18
In Mariannes Haus haben in den letzten Jahren immer wieder verschiedene Pflegekräfte gelebt, die sich um Mariannes Mann Werner kümmerten.
00:52:25
Bekannt war in der Nachbarschaft, dass eine von ihnen, Alexandra, Marianne nicht besonders sympathisch gewesen war.
00:52:31
Eine 49-jährige Frau aus Polen, die Werner bis vor seinem Tod im vergangenen Jahr gepflegt hat.
00:52:37
Viktor Wojcik ist ihr sechs Jahre jüngerer Bruder.
00:52:41
Damit sind sich die BeamtInnen sicher.
00:52:43
Hier sind sie auf der richtigen Spur.
00:52:45
Viktor und Alexandra werden zur Fahndung ausgeschrieben.
00:52:48
Außerdem wertet die Soko die Verbindungsdaten sowohl von ihren Handys als auch von den Handys der drei SeniorInnen aus.
00:52:54
Da nicht alle Telefone im Haus sichergestellt werden konnten, geht man davon aus, dass sie zum Diebesgut gehören.
00:53:01
Tatsächlich hat sich Erichs Gerät am 23. Februar, also am mutmaßlichen Tattag, um 3.19 Uhr nachts in einer Funkzelle in der Nähe einer Raststätte auf der A95, ca. 25 km von Mariannes Haus entfernt, eingeloggt.
00:53:15
Der nächste Step ist also, die Überwachungskameras der Tankstelle zu sichten und zu überprüfen, ob sich auch bildlich belegen lässt, dass Viktor und Alexandra an jenem Abend gemeinsam dort unterwegs waren, wo sich Erichs Handy befand.
00:53:27
Doch die Kameras geben keinen Hinweis darauf.
00:53:30
Stattdessen sticht den Ermittlenden ein Mann ins Auge, der um 3.18 Uhr den Verkaufsraum der Tankstelle betritt.
00:53:37
Er trägt eine Cap und ein Sweatshirt mit einem Duffy-Duck-Aufdruck.
00:53:40
Könnte er Alexandra und Viktor an der Tankstelle gesehen haben, vielleicht etwas Auffälliges beobachtet haben oder zumindest Angaben zu ihrem Auto machen?
00:53:48
Um an den Mann heranzukommen, wird sein Bild den Medien zugespielt und veröffentlicht.
00:53:53
Es ist ein landesweiter Aufruf nach einem Mann, der eventuell dazu beitragen kann, ein furchtbares Verbrechen aufzuklären.
00:53:59
Während diese Fahndung noch aussteht, erweist sich die vorherige bereits als erfolgreich.
00:54:04
Am 8. März, keine zwei Wochen nach der Tat, kann die Polizei Alexandra in Prenzlau festnehmen.
00:54:09
Fast zeitgleich erreicht die Soko ein interessanter Hinweis von den polnischen Behörden.
00:54:14
Der Mann von der Tankstelle, den die Soko über die Medien versucht hat, ausfindig zu machen, kann als der 23-jährige Marek Krohl identifiziert werden.
00:54:24
Ein, wie sich herausstellt, guter Freund von Alexandras Bruder Viktor, der in der Nähe von Bamberg lebt.
00:54:30
So wird aus den mutmaßlichen Zeugen nun plötzlich eine weitere Person, die ins Visier der Ermittlungen gelangt.
00:54:36
Der Verdacht erhärtet sich, nachdem klar wird, dass am Tatort inzwischen neben Victors DNA auch noch zwei weitere DNA-Spuren identifiziert wurden.
00:54:45
Eine von eben jenem Marek, der an der Tankstelle aufgenommen wurde, und eine von Alexandras 23-jährigem Sohn.
00:54:53
Doch bisher konnte nur Alexandra dingfest gemacht werden.
00:54:57
Von ihrem einschlägig vorbestraften Bruder Viktor, ihrem Sohn Jan und Marek, dem Mann von der Tankstelle, fehlt weiterhin jede Spur.
00:55:04
Es ist Mitte März, drei Wochen nach der Tat, als die BeamtInnen in der Wohnung von Marek in Bayern stehen und jeden Zentimeter auf links drehen.
00:55:12
Weil die Soko noch immer nicht weiß, was genau fehlt, halten sie nach typischem Liebesgut-Ausschau.
00:55:17
Und tatsächlich finden sie in einem Koffer einen Laptop und unter dem Bett eine Plastiktüte voller Schmuck.
00:55:24
Doch das ist nicht das einzige Versteck, auf das die BeamtInnen stoßen.
00:55:28
In einem an der Wohnung angrenzenden Waldstück findet die Soko etwas, mit dem sie nicht unbedingt gerechnet hätten.
00:55:34
Unter ein paar Zentimetern Erde wurde ein schwerer, bläulicher Safe aus Stahl vergraben.
00:55:39
Sorgfältig befördern die Ermittlungen ihn ans Tageslicht.
00:55:42
Der Safe ist aufgebrochen und leer.
00:55:44
Damit ist nun offenbar klar, auf was es die Bande bei Marianne abgesehen hatte.
00:55:49
Einen Tag später wird Marek in Polen verhaftet.
00:55:53
Kurz darauf folgt Alexandras Sohn Jan.
00:55:55
Und Ende März auch ihr Bruder Viktor, obwohl der wirklich alles dafür getan hat, dies zu verhindern.
00:56:01
Auf der Flucht vor der Polizei versteckte Viktor sich nämlich tagelang in der Nähe eines Waldes,
00:56:06
ließ sich die Haare wachsen und ein Bart stehen, kam tagsüber fast nicht mehr aus seinem Versteck
00:56:12
und wenn doch, dann nur maskiert mit Fahrradhelm und Brille.
00:56:15
Fast zum selben Zeitpunkt, als Viktor, Marek und Jan in Untersuchungshaft kommen,
00:56:20
schlägt in einer Klinik in Bad Aibling Ende März eine Frau in ihrem Pflegebett.
00:56:24
plötzlich ihre bärensteinfarbenen Augen auf und kommt langsam wieder zu sich.
00:56:28
Es ist jene alte Dame aus dem Keller, die die Rettungskräfte in letzter Sekunde
00:56:33
noch vor ihrem sicheren Tod retten konnten.
00:56:37
Allerdings ist sie schwach, sehr schwach und hat keinerlei Erinnerungen an das, was passiert ist.
00:56:42
All ihre Erinnerungen an jene schreckliche Nacht sind wie ausgelöscht
00:56:46
und so hört sie zum ersten Mal von dem Raubmord und davon,
00:56:49
dass ihre Freundin Brigitte und ihr Freund Erich, der offenbar mehr als das war,
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ihn nicht überlebt haben.
00:56:54
Der Schock bohrt sich noch tiefer, als sie hört, wer offenbar dafür verantwortlich sein soll.
00:57:00
Alexandra, die, die mit ihr monatelang zusammengelebt hat, der sie Werner anvertraut hatte.
00:57:06
Als wäre die Tat an sich nicht schon schlimm genug, muss Marianne jetzt auch noch verarbeiten,
00:57:10
dass sie die Täterin damals selbst ins Haus gelassen hatte.
00:57:14
Ein Gedanke, der sie lange nicht loslässt.
00:57:16
Als sie Ende April aus der Klinik in Bad Aibling entlassen wird, ist danach nichts mehr wie zuvor.
00:57:21
Jetzt ist Mariannes Alltag geprägt von ständigen körperlichen Schmerzen,
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die sich mit Verlust, Angst und Trauer mischen.
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Die Lebenslust, die Marianne ausgemacht hat, ist für sie ein Fremdwort geworden.
00:57:32
Inmitten dieser Zeit erreicht sie im Mai 2018 einen Brief.
00:57:37
Er ist von Alexandras Bruder Victor, der Marianne um Verzeihung bittet.
00:57:41
Sein Herz krampfe sich vor Schmerz.
00:57:44
Er knie vor ihr nieder, schreibt Victor.
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Was passiert, sei da eine Tragödie.
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Doch er habe sie nicht mal mit einem Finger berührt.
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Und er macht es noch absurder.
00:57:54
Er macht ihr nämlich ein Wiedergutmachungsangebot.
00:57:57
Laura, was meinst du denn, könnte das sein?
00:58:00
Was könnte er, der in Untersuchungshaft sitzt, Marianne anbieten?
00:58:05
Das Diebesgut wieder zurückzugeben, keine Ahnung.
00:58:09
Was will der, der denn anbieten?
00:58:10
Oder warte, ich weiß es.
00:58:12
Sagt er, er würde sich dann nach seiner Haft um sie kümmern,
00:58:17
wenn sie Hilfe braucht?
00:58:20
Also zum Glück nicht, weil das wäre ja pure Verspottung einfach.
00:58:24
Nein, Victor stellt sich Marianne großzügigerweise zur Verfügung,
00:58:28
falls sie mal, Zitat, ein Organ oder eine Bluttransfusion brauche.
00:58:35
Wie random ist das?
00:58:36
Also vor allem, wo man sich auch so fragt,
00:58:38
was glaubt Victor, wie viele Organe er spenden könnte
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und damit weiterleben könnte?
00:58:44
Also irgendein Organ, suchen sie sich was aus.
00:58:49
Herz ist leider nicht vorhanden.
00:58:50
Ungefähr eineinhalb Monate später wird im Hochsicherheitsgerichtssaal
00:58:55
der JVA Stadelheim der Prozess gegen Alexandra, Victor, Jan und Marik eröffnet.
00:59:01
In Handschellen werden die vier in den großen, hellen Raum geführt.
00:59:04
Der 44-jährige Victor trägt ein schwarzes Sakko, das an seinen gestillten Oberarm spannt.
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Das Licht der grellen Deckenstrahler spiegelt sich auf seinem glatt rasierten Schädel wieder.
00:59:14
Mit seinen blauen Augen wirft er den anwesenden PressevertreterInnen durch seine Brille
00:59:18
einen stechenden Blick entgegen, bevor er, am langen weißen Tisch der Anklagebank angekommen,
00:59:23
seiner Dolmetscherin demonstrativ einen Kuss auf die Hand drückt und Platz nimmt.
00:59:28
Seine Schwester Alexandra, die einen Cardigan in der gleichen Farbe wie ihre kurzgeschnittenen grauen Haare trägt,
00:59:34
sein Kumpel Marek und Neffe Jan verteilen sich auf den Sitzen um ihn herum.
00:59:39
Auf der anderen Seite des Saals finden sich vor den holzverkleideten Wänden mehrere Anwälte und Anwältinnen ein.
00:59:44
Es sind die RechtsvertreterInnen von Marianne und Brigittes Sohn, die im Prozess die Nebenklage antreten.
00:59:50
Neben ihnen sitzt die Staatsanwältin, die sich nur kurz darauf erhebt
00:59:54
und die Anklage gegen Alexandra, Viktor, Marek und Jan wegen Mordes, versuchten Mordes,
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erpresserischen Menschenraubs mit Todesfolge und besonders schweren Raubes mit Todesfolge verließt.
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Mit fester Stimme trägt sie die 160 Seiten lange Anklageschrift vor.
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Die grausamen Details der Tatnacht lassen die ZuschauerInnen fassungslos und kopfschüttelnd zurück.
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Es ist die eine Frage, die sich jetzt in den Augen vieler von ihnen spiegelt.
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Wie konnte es nur dazu kommen?
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Eine Frage, die den Anwesenden in den darauffolgenden Tagen durch die Expertise von Sachverständigen,
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Aussagen von ZeugInnen und der In-Augenscheinnahme von Beweisen Stück für Stück beantwortet werden soll.
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Es ist Ende August 2016, als die damals 48-jährige Alexandra über eine Vermittlungsfirma zu Marianne und Werner
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in das Einfamilienhaus in Höfen zieht.
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Von da an wohnt sie im Gästezimmer des Anwesens und pflegt den dementen Werner wochenlang Tag ein Tag aus.
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Gleichzeitig kümmert sie sich auch um den Haushalt und putzt.
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Eines Tages entdeckt sie dabei in einem Schrank im Keller einen bläulichen Safe aus Stahl.
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In diesem vermutet die Pflegerin Geld.
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Sie hat Marianne bereits öfter als einmal dabei beobachtet, wie sie in den Keller gegangen und dann mit größeren Mengen Bargeld zurückgekehrt ist.
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Und auch die Goldwaren und der viele Schmuck in den Schränken im Schlafzimmer des Ehepaars sind Alexandra nicht entgangen.
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Als Werner im Oktober 2016 stirbt und Alexandra wieder zurück nach Polen kehrt,
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in ein Leben, in dem sie jeden Cent zweimal umdrehen muss und sich die Schulden der Drogenprobleme ihres 22-jährigen Sohns Jan immer weiter anhäufen,
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weiß sie deshalb, wo es das Geld, das hier in ihrer Welt an allen Ecken und Enden fehlt, zu holen gibt.
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Bei Marianne in Höfen
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Genau diese Überlegung teilt sie Anfang Februar 2017 ihrem Bruder Viktor mit, als der sie zu Hause in Stettin besucht.
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Auch ihr Sohn Jan ist bei dem Gespräch dabei und so entwickeln sie gemeinsam eine Idee.
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Viktor und Jan könnten den Safe mitsamt des Inhalts aus dem Keller und die Wertsachen aus dem ersten Obergeschoss holen.
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Und Alexandra könnte dann von Stettin aus nach Deutschland fahren, kurz vor der polnischen Grenze auf sie warten,
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rausfahren und Ausschau nach Polizeikontrollen halten, sodass sie die Beute sicher in die Heimat bringen.
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Ein Plan, für den Viktor aber gerne noch einen dritten Mann an Bord hätte.
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Also ruft er seinen guten Freund Marek an, erzählt ihm von dem Vorhaben und Marek sagt zu, das Fluchtauto zu fahren.
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Bevor Viktor und Jan sich am 19. Februar 2017 auf den Weg nach Bamberg zu Marek machen,
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ruft Alexandra extra noch einmal bei Marianne an, um sicherzustellen, dass sie auch noch alleine in dem Haus lebt
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und beschreibt ihrem Bruder in allen Einzelheiten das Haus in Höfen, das vor kurzem noch ihr eigenes Zuhause war.
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Drei Tage später passiert ein silberner BMW gegen halb sechs am Abend das Ortseingangsschild Höfens und macht kurz dahinter Halt.
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Darin Viktor, Jan und Marek, die bereit sind, ihren Plan in die Tat umzusetzen,
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sobald sich die Nacht über Höfen legt, die mit dem Versprechen kommt, dass die drei ungesehen bleiben.
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Bis dahin vertreiben die drei sich die Zeit damit, Speed zu nehmen und Gras zu rauchen.
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Dann fahren sie los und parken ihr Auto an einem Feldweg, der etwa 300 Meter von Mariannes Haus entfernt am Waldrand liegt.
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Sie rauchen jeder noch eine und werfen die Stummel auf den Boden.
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Ein Fehler, der die Ermittlenden später auf ihre Fährte locken wird.
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Danach ziehen sich Alexandras Bruder Viktor und ihr Sohn Jan Sturmhauben übers Gesicht
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und macht sich auf den Weg zu Mariannes Haus, in dem noch Licht brennt.
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Beim Blick durch die Fenster müssen sie allerdings feststellen, dass Marianne nicht wie geplant alleine zu Hause ist.
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Sie hat offenbar Besuch und die drei haben jetzt Sorge, dass der ihren Plan durchkreuzt.
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Also binden sie als Unterstützung nun doch noch Fahrer Marek mit ein
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und warten, bis die drei Seniorinnen zu ihren Schlafzimmern ins erste Obergeschoss gehen.
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Viktor gibt jedem von ihnen ein Stück Abschleppseil, um die drei Seniorinnen damit zu fesseln.
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Wenn nötig, müsse man sie auch schlagen, gibt Viktor vor.
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Um kurz nach Mitternacht schiebt er dann das Rollo am Küchenfenster hoch,
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nimmt einen Schraubenzieher und hebelt das Fenster auf.
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Einer nach dem anderen steigt ins Innere des Hauses.
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Viktor macht die Taschenlampe an seinem Handy an und leuchtet ihnen den Weg.
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In der anderen Hand hält er ein Gewicht, das er aus einer Wanduhr aus der Küche genommen hat.
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Nach einigen Stufen erreichen sie das erste Obergeschoss, wo ihr Blick auf eine Zimmertür auf der rechten Seite fällt.
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Viktor öffnet sie einen Spalt und schaut hinein.
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Er erblickt Brigitte, die in dem Bett liegt und schläft.
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Das ist der Startschuss für ein Martyrium, das in den nächsten Augenblicken über die drei Seniorinnen hereinbricht.
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Denn Viktor, Marek und Jan wollen an das Geld, an den Schmuck und an das Gold.
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Und sie sind wild entschlossen, ohne Rücksicht auf Verluste alles, was ihnen und ihren Plan in die Quere kommen könnte, aus dem Weg zu räumen.
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Selbst wenn es Menschenleben kostet.
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Also stimmen Viktor und Jan jetzt auf die 76-jährige Brigitte zu.
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Sie wacht auf und schreit los.
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Viktor nimmt den Schraubenzieher und sticht mindestens zehnmal auf Brigittes Hinterkopf ein.
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Verzweifelt versucht sie, sich zu wehren.
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Doch Jan setzt sich auf ihren Rücken.
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Brigitte bleibt keine Chance.
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Drei ihrer Rippen brechen.
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Dabei attackiert Viktor sie so lange, bis Brigitte verstummt.
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Während Jan daraufhin die Füße der Bewusstlosen fesselt, prescht Viktor mit Marek bereits in Richtung des nächsten Zimmers, dessen Tür verschlossen ist, vor.
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Mit voller Wucht stürzt sich Viktor gegen die Tür, hinter der sich Marianne und Erich befinden.
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Auch Erich wird von Viktor in die Bewusstlosigkeit versetzt.
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Zunächst mit seiner Faust, dann mithilfe des Uhrengewichts.
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Währenddessen versucht Marek, Marianne zu überwältigen.
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Als Viktor bemerkt, dass Marianne von Mareks Schlägen allerdings nicht bewusstlos wird, bezeichnet er dessen Schläge als die einer Pussy und übernimmt.
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Viktor bricht Mariannes Widerstand umgehend mit dem Uhrengewicht, das er ihr gegen den Kopf schlägt.
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Obwohl sie bereits regungslos auf dem Boden liegt, setzt Jan noch Tritte gegen den Kopf und Oberkörper nach.
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Dann packt er sie an ihren Beinen, schleift sie in den Flur und anschließend zwei Steintreppen runter bis in den Keller.
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Wieder und wieder schlägt Mariannes Kopf dabei auf den harten Steinstufen auf.
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Viktor macht dasselbe mit Erich, bevor er gemeinsam mit Marek das erste Obergeschoss auf der Suche nach Wertgegenständen auf den Kopf stellt.
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Zwei Goldbahnen, ein Laptop, Schmuck sowie eine goldene Armbanduhr und zwei Handys, darunter das von Erich, packen sie in einen Wäschekorb.
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Dann begeben sie sich alle drei in den Keller.
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Während Viktor und Jan dort den Safe aus dem Schrank hiefen, schleift Marek, Marianne und Erich in einen Heizungsraum.
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Als er den Raum gerade wieder verlassen will, öffnet Erich seine Augen und berührt seinen Knie.
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Marek tritt daraufhin mehrfach auf seinen Kinn, seinen Hals und seinen Oberkörper ein.
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Danach verschließen sie die Tür von außen und überlassen die beiden SeniorInnen ihren Verletzungen.
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Die drei schleppen den Safe, in dem sich 100.000 Euro Bargeld befinden, und den Wäschekorb mit ihrer restlichen Beute zum Auto und fahren den Weg wieder zurück zu Mareks Wohnung nach Bamberg.
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Während Brigitte an ihrem eigenen Erbrochenen erstickt, Erich den etlichen Verletzungen an seinem Körper erliegt und Marianne eine gefühlte Ewigkeit neben der Leiche ihres Freundes verharren muss, nicht wissend, ob und wann Hilfe kommt.
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Jetzt, 18 Monate später, will für das, was an jenem Abend im Februar 2017 passiert ist, niemand Verantwortung übernehmen.
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Alle weisen die Schuld von sich und geben an, nur eine kleine Nebenrolle in dem Drama gespielt zu haben.
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Sei es Pfarrer Marek, der immer wieder darauf beharrt, lediglich Victors Anweisung Folge geleistet zu haben und sich sogar ganz entschieden dagegen gewehrt haben will, in Mariannes Haus einzusteigen und letztlich nur zugestimmt habe, weil Victor ihn bedroht habe.
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Oder sei es Victor, der die Tat als eine Dummheit unter Drogeneinnahme bezeichnet und deswegen nicht mehr wisse, was er alles getan habe, während der Tat an Halluzinationen gelitten und einen epileptischen Anfall gehabt haben will.
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Gleichzeitig ist er sich aber sicher, niemanden getötet zu haben.
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Oder Alexandras Sohn, der, wie Marek behauptet, selbst nur eine untergeordnete Rolle gespielt zu haben und überhaupt kaum etwas von den gewalttätigen Angriffen seiner Kumpanen mitbekommen haben will.
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Und auch Alexandra gesteht ihre Schuld nur teilweise ein.
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Sie bereue zwar den Tipp an ihrem Bruder Victor gegeben zu haben, allerdings sei von Anfang an lediglich geplant gewesen, nur den Tresor zu stehlen.
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Sie habe ihrem Bruder vertraut, der noch nie handgreiflich gewesen sei.
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Was, wie ein Blick in sein Vorstrafenregister zeigt, nicht stimmt.
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Denjenigen, die Victor jetzt vor Gericht erleben, fällt es allerdings schwer zu glauben, dass er ein Mann ist, der sich unter Kontrolle hat.
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Immer wieder rastet Alexandras Bruder im Gerichtssaal aus.
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Während Marek aussagt, raunt er ihm aufgebracht auf Polnisch zu.
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Du lügst so sehr, dass du selbst durcheinander kommst.
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Ein anderes Mal fällt er dem Vorsitzenden so oft ins Wort, bis dieser schließlich die Nerven verliert, aufsteht und ruft,
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ich möchte hier meine Verhandlungsleitung ausüben.
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Doch anstatt ruhig zu sein, brüllt Victor zurück, ich verlange von ihnen, dass sie mich respektieren.
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Dabei wirkt er so aggressiv, dass einige Polizistinnen ihn sofort umstellen und ihm Handschellen anlegen,
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während andere BeamtInnen zu den Ein- und Ausgängen sprinten, um sie zu sichern.
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Daraufhin knallt Victor in seiner Wut seinen Kopf auf den Tisch vor ihm.
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Und das ist längst nicht alles an unmöglichem Verhalten, das Victor an den Tag legt.
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Einmal verhält er sich so seltsam, dass sein Verteidiger erklärt, dass er den Eindruck habe, sein Mandant sei high.
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Victor glucks daraufhin und sagt, ich habe Nutella in der Hose.
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Daraufhin erklärt er lachend, er wolle jetzt in Ruhe gelassen werden.
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Er wisse nicht, was in seinem Kopf passiere.
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Also es ist auch, wie kommt er da jetzt an Stoff?
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Ja, wie kommt man da hin?
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Da kommt man immer ran.
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Im Gefängnis kriegt man doch alles.
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Dann pfeift er sich das da vor Gericht rein oder was.
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Das ist auch geil.
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Ich finde es so witzig, dass der Verteidiger das dann auch anmerkt und sich so denkt, was ist hier los?
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Es gibt natürlich Personen im Gerichtssaal, die das ganz furchtbar finden, dass die da sich noch so zum Affen machen und Marianne bleiben diese verstörenden Szenen zum Glück erspart.
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Damit sie nicht in einem Raum mit den Menschen, die ihre beiden Freundinnen mit brutalster Gewalt aus dem Leben gerissen haben und auch sie selbst fast umgebracht haben, aufhalten muss, hat sie sich bisher von ihrem Anwalt vertreten lassen.
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Jetzt macht die ältere Frau, die die drei Männer zum Sterben zurückgelassen haben, ihre Aussage aus einem Nebenraum des Strafjustizzentrums und wird per Video der Verhandlung zugeschaltet.
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In einem bunten Sommerkleid sitzt die inzwischen 77-Jährige vor der Kamera und erzählt dem Vorsitzenden, den sie als einzigen auf dem Bildschirm vor sich sieht, wie sehr die Tat auch heute, fast eineinhalb Jahre später, noch ihr Leben bestimmt.
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Auch wenn es sie viel Kraft kostet, versucht sie nichts davon auszulassen.
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Denn sie will alle vier so lang wie möglich hinter Gittern sehen.
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Was die mir angetan haben, macht mich schon fertig, sagt sie mit ruhiger Stimme.
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Alles gehe langsamer.
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Ihr rechter Fuß Schmerze, vor allem wenn sie länger liege oder gehe.
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Es gehen musste Marianne nach zweimonatigem Krankenhausaufenthalt in der Reha erst wieder mühsam lernen.
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Und trotzdem schafft sie es heute nur in den seltensten Fällen alleine.
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Denn durch die unzähligen Schläge und Tritte gegen ihren Kopf leidet sie unter starkem Schwindel.
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Und das sind nur die körperlichen Probleme.
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Auch psychisch leidet Marianne massiv.
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Seit der Tat hat sie eine Depression entwickelt und Angstzustände.
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Ob sie in ihrem Haus weiterbleiben kann, ungewiss.
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An die Tat selbst kann sich Marianne noch immer nicht erinnern.
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Zu schwer waren ihre Verletzungen.
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Zu groß der Schaden an ihrem Gehirn.
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Für dieses Leid und dafür, dass zwei Menschen sterben mussten,
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fordert die Staatsanwältin in ihrem Plädoyer Ende September 2018,
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deshalb alle vier Angeklagten wegen Mordes bzw. versuchten Mordes an Marianne,
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erpresserischen Menschenraubs, besonders schweren Raubs mit Todesfolge,
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sowie gefährlicher Körperverletzungen zu lebenslanger Haft zu verurteilen.
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Das Verbrechen bezeichnet sie dabei als Albtraum eines jeden Menschen.
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Und auch Mariannes Anwalt, der kurz danach zu Wort kommt, ist schockiert über die unfassbare Rohheit,
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die Viktor, Marek und Jan an den Tag gelegt hätten.
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Er betont, Marianne und Erich seien von ihnen in den Keller geschleift worden,
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um sie dort, Zitat, jämmerlich verrecken zu lassen.
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Die Verteidigung der Angeklagten sieht das, wenig überraschend, anders.
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Übereinstimmend erklären die AnwältInnen, der Plan dafür sei lediglich gewesen,
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bei Marianne einzubrechen und den Safe zu stehlen.
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Die Absicht, jemanden zu töten, hätten sie nicht gehabt.
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Die Tat sei vielmehr aus dem Ruder gelaufen.
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Und auch Alexandras Anwalt ist sich sicher, dass vor allem sie nicht damit habe rechnen können,
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dass der Einbruch in einem Gewaltverbrechen endet.
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Diesem Punkt stimmt die Kammer weitestgehend zu.
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Das Gericht ist nämlich der Meinung, dass Alexandra,
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obwohl sie bei der Planung der Tat zumindest billigend in Kauf genommen hat,
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dass Marianne möglicherweise durch Drohung oder leichte Gewalt eingeschüchtert werden könnte,
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nicht hätte wissen können, dass Viktor, Marek und Jan derart brutal vorgehen würden.
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Genauso wenig konnte sie vorhersehen,
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dass Erich und Brigitte im Haus anwesend seien und zu Schaden kommen würden.
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Und somit wird Alexandra Anfang Oktober, als der Vorsitzende das Urteil verkündet,
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lediglich wegen Raubes zu acht Jahren Haft verurteilt,
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während Viktor, Marek und Jan des Mordes,
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des versuchten Mordes, des Raubes mit Todesfolge,
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des versuchten Raubes mit Todesfolge,
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des besonders schweren Raubes und der gefährlichen Körperverletzung schuldig gesprochen werden.
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Bei Viktor und Jan stellt die Kammer zusätzlich die besondere Schwere der Schuld fest,
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weil sie im Gegensatz zu Marek beide vorbestraft waren
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und ihre Reue nicht glaubhaft verkaufen konnten.
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In Victors Fall verhängt das Gericht außerdem auch noch die anschließende Sicherungsverwahrung.
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Denn sein Unrechtsgehalt wiegt laut Ansicht des Gerichts am schwersten.
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Er sei die treibende Kraft hinter allem gewesen.
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Und eine Gefahr für die Allgemeinheit.
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Doch während die Worte des Vorsitzenden durch den Saal hallen,
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springt Viktor auf.
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Wieder umstellen ihn PolizeibeamtInnen.
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Die übrigen drei zeigen kaum eine Regung.
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So endet der Prozess gegen Alexandra und die drei Männer,
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die durch die Schläge und Tritte sicherstellen wollten,
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dass niemand ihnen in die Quere kommt, während sie Mariannes Haus leer räumten.
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Doch auch wenn der Fall damit rechtlich abgeschlossen ist,
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hält er Höfen noch Wochen später in Atem.
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Noch immer ist der brutale Raubmord in dem kleinen Dorf das Gesprächsthema.
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Das ländliche Idyll, die ehemalige Geborgenheit, haben Risse bekommen.
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Viele Menschen haben ihr Vertrauen verloren.
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Gerade SeniorInnen.
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Der Höfener Bürgermeister war damals einer der ersten am Tatort.
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Was ich dort gesehen habe, werde ich meinen Lebtag nicht vergessen,
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sagte er in einem Interview.
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So geht es vermutlich auch Marianne.
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2500 Euro hat sie als Wiedergutmachung erhalten.
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Ein Tropfen auf dem heißen Stein.
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Denn Wiedergutmachen lässt sich die Tat nicht.
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Das Geld wird Marianne weder ihre FreundInnen noch ihre Gesundheit
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noch die Unbeschwertheit ihres früheren Lebens zurückgeben.
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All das haben Viktor und die drei anderen ihr für immer genommen.
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mit ihrer grenzenlosen Gier, für die sie bereit waren, über Leichen zu gehen.
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Solche Fälle machen mich einfach richtig sauer.
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Wenn sich die Leute schon dafür entscheiden, bei fremden Leuten einzusteigen und irgendwelche Wertsachen zu stehlen und Geld zu stehlen,
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was sie selber nicht erwirtschaften, weil was weiß ich warum.
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Aber wenn dann noch so mit den Menschen, die da wohnen, umgegangen wird und einfach so auf die geschissen wird,
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wo ich mich frage, wieso kann man das dann nicht machen, wenn die nicht da sind?
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Oder wieso kann man das, wenn man das unbedingt machen will, wieso kann man das nicht anders handeln?
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Aber deswegen finde ich es halt auch so gut, dass es das Mordmerkmal der Ermöglichungsabsicht gibt.
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Weil es ist ja wirklich nur fair, dass wenn jemand, um sich zu bereichern, auf das Leben von anderen nichts gibt
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und dem Leben anderer so wenig Wert zuspricht, dass diese Personen mit der ganzen Härte des deutschen Strafrechts dann auch rechnen müssen.
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Ja, und als ich von dem Fall das erste Mal gehört habe, da war ich richtig so, warum haben die so viel Gewalt angewendet?
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Es war eigentlich, es ist doch nicht nötig, wenn da drei Männer sind.
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Also ich meine, die hätten die alle in einen Raum sperren können und fertig.
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Ja, und es waren ja auch alle SeniorInnen.
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Es war ja jetzt nicht so, dass da drei 20-jährige Männer auf die gewartet hätten.
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Ja, also wie Laura gerade ja schon gesagt hat, das Mordmerkmal der Ermöglichungsabsicht wurde ja sowohl bei Erichs und Brigittes Tötung
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als auch bei der versuchten Tötung von Marianne vom Gericht festgestellt,
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weil die Kammer der Meinung war, dass Viktor, Marek und Jan in allen drei Fällen den Tod der SeniorInnen
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zumindest für möglich gehalten und billigend in Kauf genommen haben.
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Das nennt man bedingter Vorsatz.
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Und interessanterweise reicht in Bezug auf die Tötung dieser bedingte Vorsatz aus,
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um das Mordmerkmal der Ermöglichungsabsicht zu bejahen.
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Also das heißt, das menschliche Leben muss gar nicht unbedingt bewusst als Mittel zum Zweck bei der Tat eingesetzt werden.
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Also TäterInnen müssen den Tod nicht unbedingt gewollt haben.
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Also es reicht, wenn sie das als Möglichkeit in Betracht gezogen haben,
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um halt schneller oder leichter an das zu kommen, was sie da eigentlich machen wollten.
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Also in meinem Fall wollten sie ja den Raub begehen.
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Und da kommen wir jetzt zum Knackpunkt, weil bei dieser zweiten Straftat, also bei eben dem Raub,
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da reicht der bedingte Vorsatz nicht aus.
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Dieser Zweck hinter der Tötung, also die Tat, die durch die Tötung ermöglicht werden soll,
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die muss nämlich mit voller Absicht begangen werden.
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Also sie muss das zentrale Motiv hinter allem sein.
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Und den Entschluss zu dieser zweiten Tat müssen die TäterInnen auch bereits vor der Tötung gefasst haben.
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Und der muss auch noch bei Begehung der Tat vorliegen.
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Also wenn der Fussel den Schäferhund tötet und sich danach entscheidet,
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pa, den Knochen von dem, den nehme ich auch noch mit,
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dann wäre in diesem Fall das Mordmerkmal der Ermöglichungsabsicht nicht erfüllt.
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Also kurz und knapp, TäterInnen müssen also gerade, um sich dadurch eine andere Straftat zu ermöglichen, töten.
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Und genau so war das eben bei Viktor, Marek und Jan.
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Also sie wollten die SeniorInnen nicht unbedingt töten, ihr Leben war denen quasi egal.
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Sie wollten aber sicherstellen, dass sie ihnen nicht in die Quere kommen oder die Polizei rufen,
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während sie dann halt das Haus leer räumen.
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Sie haben den Tod also in Kauf genommen, um eine andere Straftat,
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hier die Wegnahme der Gegenstände zu ermöglichen.
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Und deswegen wurde das Mordmerkmal der Ermöglichungsabsicht eben auch bei ihnen am Ende festgestellt.
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Und bei so einem Raubmord wie jetzt in deinem Fall,
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da sieht die Rechtsprechung in Deutschland eigentlich in der Regel immer den Ermöglichungsmord als gegeben an.
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Also Handy, Laptop und Geld klauen ist dann ja, wie du gerade gesagt hast,
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die Straftat, die dabei ermöglicht werden soll.
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Genau. Und anders sieht es aber bei ganz speziellem Liebesgut aus.
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Und jetzt stellen wir uns mal vor, Fantasie anstrengend.
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Laura, unsere Muster-Hufflepuff-Schülerin, die einen Hang zu teuren Schmuckstücken hat,
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möchte einen ganz speziellen Edelstein haben.
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Dieser Stein ist aber eingelassen in eine Statue, die in Hogwarts steht.
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Um den Stein zu bekommen, musst du jetzt gut aufpassen,
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müsstest du ihn aus der Statue herausschneiden.
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Ja, mit einem Schwert oder so.
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Dann sagt dir jemand, die Statue ist ein Horcrux.
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Das heißt, jemand, sagen wir Armin Maivis, hat seine Seele in Teile abgespalten und in einen Gegenstand gepackt,
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damit die Seele der Person noch weiterlebt, auch wenn der Körper schon tot ist.
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Dann wird dir weitergesagt, dass in der Statue der einzige Seelenanteil noch ist, der noch von Armin Maivis übrig ist.
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Und dass, wenn du den Stein aus der Statue schneidest, den Horcrux zerstörst und somit auch den Seelenteil von Armin Maivis und ihn tötest.
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Was macht unsere Hufflepuff, ist jetzt natürlich erst mal die Frage.
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Ja, also dadurch, dass du jetzt gesagt hast, es ist der einzige Teil, der noch da ist, würde ich es jetzt nicht machen, wenn du gesagt hättest, es gibt noch mehrere Teile.
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Nein, es gibt natürlich nur einen, sonst funktioniert das hier juristisch nicht.
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Ich bewege mich hier eh schon auf dünnem Eis, falls dir das aufgefallen ist.
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Also wir sagen jetzt, du bist doch, Laura, du möchtest doch gerne Schmuck haben.
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Aber Armin Maivis hat doch schon echt eine lange Strafe jetzt auch bekommen.
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Sag doch bitte jetzt einfach ja.
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Ich werde ihn mit dem Gryffindor-Schwert aus dieser Statue schneiden.
01:20:12
Du bist eine Hufflepuff.
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Du kannst das nicht mit dem Gryffindor-Schwert machen.
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Wie sie immer noch denkt, dass sie sich einfach ins Gryffindor-Haus schleusen kann.
01:20:24
Sie hat es bisher noch nicht überwunden.
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Na gut, dann nehme ich halt ein Hufflepuff-Schwert.
01:20:28
Okay, jetzt ist die Frage.
01:20:31
Du hast Armin Maivis getötet.
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Um den Stein zu bekommen.
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Hast du damit einen Ermöglichungsmord begangen?
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Ich würde sagen, nein.
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Und zwar, weil dann ja davon ausgegangen wird, dass die Tötungs-Gleichzeitig auch die Wegnahmehandlung ist.
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Also ein und dieselbe Tat.
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Ich nehme was weg und damit töte ich ja die Person.
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Und damit gibt es keine zweite nachgelagerte Tat, die sozusagen erst ermöglicht werden soll.
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Und dann ist es auch keine Ermöglichungsabsicht.
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Hast du das von Abel und Kollegen checken lassen, ob das so stimmt?
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Ja, ich habe das von unserer Rechtsberatung checken lassen.
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Und die sagen, die möchten jetzt die Zusammenarbeit mit uns wieder beenden.
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Die haben gesagt, so haben wir uns das nicht vorgestellt.
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Nein, also sie meinten, wenn der Seelenstein ein taugliches Tatopfer darstellt, dann könnte man das schon so sagen,
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weil man bei zeitgleicher Verwirklichung einer anderen Tat und der Tötung die Ermöglichungsabsicht nur schwer in Betracht ziehen könne.
01:21:40
Aber unser Experte Benedikt Müller hatte auch gesagt, dass eine Ermöglichungsabsicht schon mal bejaht wurde,
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wenn der Täter buchstäblich durch eine Person hindurch, also zum Beispiel durch Schießen,
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ein anderes Rechtsgut verletzen will, vor das sich das Tötungsopferschützen gestellt hat.
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Und das Beispiel jetzt, das hast du quasi als Alternative für das Medikamentenbeispiel genommen,
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was wir hier eigentlich erklären wollten, ja?
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Ich glaube, das hätte auch gereicht, das Medikamentenbeispiel, aber ich werde das jetzt hier nochmal erklären,
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weil Paulinas Beispiel, das ist ja einfach recht unwahrscheinlich, dass das mal passiert.
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Aber es gibt eben dieses typische Fallbeispiel in den Jura-Fuhren.
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Wenn bei einem Raub das Liebesgut halt nicht Wertgegenstände sind, sondern beispielsweise
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sehr kostspielige Tabletten, die überlebenswichtig sind und die Eigentümer in Anführungszeichen
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der Tabletten ohne diese Tabletten sterben würden, dann ist das Mordmerkmal der Ermöglichungsabsicht
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nämlich eben nicht erfüllt aus den Gründen, die ich eben gesagt habe, weil es im Grunde eine Tat ist,
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weil die Wegnahme von diesen lebenswichtigen Medikamenten gerade ohne eine weitere gesonderte
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Tötungshandlung zum Tod des Opfers führt.
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Ein bisschen anders gelagert ist das bei Schwangerschaftsabbrüchen.
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Und ich rede jetzt nicht von Schwangerschaftsabbrüchen, eine Frau geht in eine Praxis und möchte halt
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einen Abbruch vornehmen lassen, sondern die Fälle, in denen ein Mann ist es ja meistens eine
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schwangere Frau umbringt, weil er das Kind nicht haben will.
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Da könnte man ja jetzt sagen, der Mann tötet die Frau mit dem Zweck, die Schwangerschaft
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illegal abzubrechen.
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Allerdings ist sich die Rechtsprechung in diesem Fall nicht einig, ob das Mordmerkmal der
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Ermöglichungsabsicht wirklich bejaht werden kann.
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Und das kommt daher, weil man sich hier nicht sicher ist, ob der Schwangerschaftsabbruch
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überhaupt als eigenständige andere Straftat angesehen werden kann oder ob die Tötung der
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Frau nicht gleichzeitig auch der Schwangerschaftsabbruch ist, weil das ja auch körperlich zusammenhängt.
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Ja, und die aktuellste Rechtsprechung des BGH, die wir finden konnten dazu, ist aus 2015 und
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da wurde eigentlich entschieden, dass Tötungen, die darauf abzielen, eine Schwangerschaft abzubrechen,
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schon Ermöglichungsmorde sind.
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Ich sage jetzt eigentlich, weil es auch heute noch keine einheitliche juristische Meinung
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zu dem Thema gibt.
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Das sehen wir zum Beispiel an dem Fall Lilly, den habe ich in Folge 115 erzählt.
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Das war diese junge Frau, die mit ihrem Ex auf dem Volksfest ein bisschen zu hart rumgeschmust
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hat und halt dann dabei schwanger wurde und wo der Ex sie dann in den Wald geführt hat
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und erdrosselt hat, weil der nicht wollte, dass seine Frau von dieser Sache erfährt.
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Und in dem Fall urteilte das Gericht dann aber so, dass der Abbruch eine unmittelbare Folge
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der Tötung der Kindsmutter ist und damit das Mordmerkmal der Ermöglichungsabsicht auch
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hier nicht erfüllt ist, weil es quasi kein weiteres Unrecht war.
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Und das fand ich auch schon seltsam, weil sich das Landgericht ja offenbar nicht an die
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BGH-Entscheidung gehalten hat, weil der Fall, von dem Laura jetzt gerade erzählt hat, der
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war nach der BGH-Entscheidung.
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Und das ist so, weil es bei uns eben nicht so ist wie in den USA, wie man das da kennt
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mit diesen Präzedenzfällen, dass diese Entscheidung dann allgemein gültig ist, weil bei uns sind
01:24:58
die RichterInnen in ihrer Entscheidung dem Gesetz unterworfen und nicht der Entscheidung von anderen
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Genau, also wir hatten jetzt die Störung der Totenruhe, Raub und Schwangerschaftsabbrüche
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als Taten, die durch eine Tötung ermöglicht werden können.
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Betrug kann das Mordmerkmal der Ermöglichungsabsicht aber zum Beispiel auch erfüllen.
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Also wenn jemand zum Beispiel einen Menschen tötet, um dann seine Versicherung zu kassieren
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So einen Fall habe ich in dieser Schuld und Sühne-Doku besprochen.
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Ihr erinnert euch, die beiden Dokus, die rausgekommen sind.
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Und zwar ging es da um einen Trödelhändler, der Ende 2006 seinen Bekannten erschossen hat.
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Dann die Leiche mit einer Säge zerteilt und in einer Tiefkühltruhe versteckt hat, um
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danach zehn Jahre lang die Rente des Mannes zu kassieren.
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Und insgesamt waren das über 200.000 Euro.
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Und damit das funktioniert, hat sich der Trödelhändler all die Jahre um diese Wohnung des Toten gekümmert,
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die Miete weiterhin bezahlt, Formulare in seinem Namen ausgefüllt, Steuererklärungen gefälscht
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und Briefe in dessen Namen verschickt, Postkasten gelehrt, was weiß ich.
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Aber weil ein Nachbar des Toten quasi, also wirklich im wahrsten Sinne des Wortes, was
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gerochen hat und immer wieder auf den Gestank, der aus der Wohnung kam, hingewiesen hat, hat
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die Polizei dann am Ende die Wohnung auch aufgebrochen und die Leiche gefunden.
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Und so wurde dann der Trödelhändler im April 2018 auch vom Landgericht Berlin wegen Mordes
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zu lebenslanger Haft verurteilt und eben da das Mordmerkmal der Ermöglichungsabsicht festgestellt.
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Wenn ihr euch die Doku zu dem Fall nochmal anschauen möchtet, dann packen wir euch den
01:26:29
Link zur ZDF-Mediathek nochmal in die Folgenbeschreibung.
01:26:32
Kann ich auf jeden Fall sehr empfehlen, diese Doku.
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Und was man daran sieht, also an diesem Fall ist, dass die zweite Straftat, also die, warum
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die Tötung überhaupt erst begangen wird, gar nicht immer so ein schweres Delikt sein
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muss, also wie jetzt zum Beispiel Störung der Totenruhe oder sowas.
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Wichtig ist nur, dass es sich eben um eine Straftat handelt und jetzt nicht zum Beispiel
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um eine Ordnungswidrigkeit.
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Also wenn jemand jetzt zum Beispiel einen Mitarbeiter oder eine Mitarbeiterin des Ordnungsamts
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tötet, damit man später im Halteverbot packen kann, ohne einen Strafzettel zu bekommen,
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dann wäre das kein Ermöglichungsmord.
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Es wäre aber vermutlich trotzdem ein Mord, weil dieser Grund, jemanden umzubringen, ja auch
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einfach nur total Banane wäre.
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Also wahrscheinlich wäre es dann ein Mord aus sonstigen niedrigen Beweggründen oder
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Aber nur damit ihr das versteht, ist es halt wichtig, dass es eine Straftat ist und keine
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Ordnungswidrigkeit.
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Genau, und jetzt haben wir die ganze Zeit über das Töten gesprochen und normalerweise
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denkt man dabei ja an was Aktives, also was die TäterInnen tun.
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So war das ja auch in unseren beiden Fällen jetzt.
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Allerdings kann ein Ermöglichungsmord genauso gut durch bewusstes Nichtstun begangen werden
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und dann spricht man von einem Ermöglichungsmord durch Unterlassen.
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Genau, und damit ihr euch darunter was vorstellen könnt, hier auch ein theoretisches Beispiel.
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Ein Autofahrer nimmt einem Motorradfahrer die Vorfahrt und es kommt zu einem Unfall.
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Und daraufhin liegt der Motorradfahrer schwer verletzt am Boden.
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Der Autofahrer geht zu ihm, um nachzuschauen und bemerkt dabei, dass der Motorradfahrer
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eine Rolex trägt und er beschließt, die zu klauen.
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Und damit er das ungehindert machen kann, ruft er absichtlich keinen Krankenwagen.
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Und während der Autofahrer dann mit der teuren Uhr davon fährt, stirbt der Motorradfahrer
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noch am Unfallort.
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Und durch dieses bewusste Untätigsein, also Nichtstun oder eben juristisch ausgedrückt
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Unterlassen, ermöglicht sich der Autofahrer hier also den Diebstahl.
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So, und damit haben wir tatsächlich das letzte Mordmerkmal durch.
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Ich kann es nicht fassen.
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Nach fünf Jahren.
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Ja, und ich habe ehrlich gesagt nicht gedacht, dass wir mal alle behandeln werden, als wir
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mit dem ersten angefangen haben.
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Weil ich auch dachte, manche von denen sind halt nicht so spannend wie andere.
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Na, es ist halt immer sehr juristisch, ne?
01:28:54
Also hat man ja jetzt auch in der Folge gemerkt.
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Das ist halt eher, also kann auch trocken werden, ne?
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Im Nachhinein fand ich natürlich alle Folgen gut.
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Aber mich würde jetzt mal interessieren, wenn du jetzt sagen müsstest, was ist dein
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favorite Mordmerkmal?
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Ja, was soll das sein?
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Mordlust natürlich.
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Ey, wie witzig du meinst auch.
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Ja, weil ich das so undurchdringbar finde.
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Das ist das Einzige von denen, wo ich so das Gefühl habe, da sind sich bis heute Menschen
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nicht so drüber im Klaren, wie das eigentlich sein kann.
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Dass man einfach Mordlust hat und sehen möchte, wie ein Mensch stirbt.
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Ich wollte gerade sagen, ich habe das Gefühl, das ist das Grausamste, aber Grausam ist wahrscheinlich
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Ja, ich finde das auch tatsächlich so, weil mich da dann vor allem interessiert, also
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die TäterInnen und ihre Psyche, die Vergangenheit.
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Wie kann es dazu kommen, dass ein Mensch am Ende sich dafür entscheidet, jemand anderen
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zu töten aus Mordlust?
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Aber von unseren Mordmerkmalfolgen fand ich nicht die Mordlustfolge am besten, sondern die
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Was, glaube ich, aber vor allem an den Fällen lag, weil da hast du den Fall gemacht, wo
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ein Mann eine Mutter und ihren kleinen Sohn vor den ICE am Frankfurter Hauptbahnhof geschubst
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hat und ich habe den Fall gemacht, um diese vergifteten Pausenbrote, wo einfach ein Mann
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seine Kollegen heimlich mit Quecksilber vergiftet hat.
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Und beide Fälle finde ich so besonders und so interessant von den Motiven und vom Tathergang
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und so weiter, dass ich die Folge 62 auf jeden Fall allen nochmal ans Herz legen kann, die
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sie noch nicht gehört haben.
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Und weil wir hier ja auch immer so viele strafrechtliche Themen behandeln, wir wissen, dass uns auch einige
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StrafverteidigerInnen hören und wir wollten einmal sagen, wir haben bisher echt super Erfahrungen
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damit gemacht, Fälle zu erarbeiten mit den Rechtsbeiständen, also sei es jetzt die Vertretung des Beschuldigten
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oder der Beschuldigten oder NebenklagevertreterInnen oder auch Staatsanwaltschaft hatten wir ja auch
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schon mal oder Polizei, also wenn sich da draußen jemand angesprochen fühlt, der oder die mal
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einen Fall behandelt hat oder an dem mitgearbeitet hat oder so, den er gerne bei uns im Podcast
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hören möchte und vielleicht auch besprechen wollen würde bei uns, dann schreibt uns gerne.
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Ja, das wäre cool.
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Und damit sind wir durch, mit den Mordmerkmalen und mit dieser Folge.
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Das war ein Podcast der Partner in Crime.
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Hosts und Produktion Paulina Kraser und Laura Wohlers.
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Redaktion Vera Grün und wir.
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Schnitt Pauline Korb.
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Rechtliche Abnahme und Beratung Abel und Kollegen.