00:00:08
Ja, Laura, jetzt sitzen wir hier und wissen gar nichts mit unserer Zeit anzufangen.
00:00:16
Verdammt, Justitias Wille ist vorbei.
00:00:20
Genau, gestern kam die letzte Folge und damit auch die Folge zur Urteilsverkündung.
00:00:27
Und jetzt war es das erst mal.
00:00:30
Erst mal, genau, das war ja die erste Staffel.
00:00:33
Falls ihr die Folgen noch nicht gehört habt, hier nochmal eine Herzensempfehlung von uns für unser eigenes Projekt.
00:00:40
Manche warten ja immer, bis alle Folgen draußen sind, weil sie das so durchbingen möchten oder so.
00:00:46
Ich mag sowas viel lieber, ich kann nicht eine Woche warten.
00:00:49
Naja, Laura, dann go.
00:00:51
Du kannst jetzt alle Folgen von Justitias Wille hören und wir würden uns natürlich sehr, sehr freuen, wenn ihr das auch macht.
00:00:56
Wir haben da, und wir sagen es jetzt zum tausendsten Mal, so viel Arbeit, so viel Herzblut reingesteckt.
00:01:01
Aber deswegen würden wir uns natürlich auch freuen, wenn ihr euch die Zeit nehmt und euch das anhört.
00:01:06
Es ist ein wichtiges Thema zu einer wichtigen gesellschaftlichen Debatte.
00:01:09
Wir hoffen, dass wir mit dem Podcast natürlich auch ein Informationsangebot für euch zur Verfügung gestellt haben.
00:01:14
Auf Grundlage dessen ihr euch eine Meinung bilden könnt zu dem Thema Suizidhilfe.
00:01:19
Und jetzt widmen wir uns wieder mit ganzem Herzen unserem Erstgeborenen.
00:01:24
Und damit herzlich willkommen zu Mordlust, einem Podcast der Partner in Crime.
00:01:28
Wir reden hier über wahre Verbrechen und ihre Hintergründe.
00:01:31
Mein Name ist Paulina Kraser.
00:01:32
Und ich bin Laura Wohlers.
00:01:34
In dieser Folge haben wir wieder ein Oberthema für euch, zu dem wir zwei wahre Kriminalfälle nacherzählen, darüber diskutieren und auch mit Menschen mit Expertise sprechen.
00:01:42
Hier geht es um True Crime, also auch um die Schicksale von Menschen.
00:01:45
Bitte behaltet das immer im Hinterkopf.
00:01:47
Das machen wir auch, selbst dann, wenn wir hier auch mal ungehemmter kommentieren.
00:01:51
Das ist für uns so eine Art Comic-Oleaf, aber natürlich nicht despektierlich gemeint.
00:01:55
Im Oktober 1991 erschießt ein 29-Jähriger zwei Polizisten auf einem Waldparkplatz in NRW.
00:02:02
Der Mann hatte davor einen Fake-Notruf abgesetzt, indem er von einem angeblichen Wildunfall gesprochen hat, um die Polizei zu ihm zu locken.
00:02:10
Das Landgericht Hildesheim verurteilt ihn 1995 wegen zweifachen Mordes zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe.
00:02:16
Und jetzt wurde vor kurzem bekannt, dass dieser Mann im Juli dieses Jahres aus dem Gefängnis entlassen wird.
00:02:23
Also nach insgesamt 33 Jahren.
00:02:25
Und wir wissen aus diesem Podcast ja auch, dass lebenslang in der Regel nicht tatsächlich lebenslang bedeutet.
00:02:31
Zumindest nicht im Sinne von ein Leben lang im Gefängnis, ohne Aussicht, irgendwann nochmal wieder freizukommen.
00:02:38
Obwohl die lebenslange Freiheitsstrafe grundsätzlich genau das meint, können die meisten Verurteilten nach 15 Jahren zum ersten Mal einen Antrag auf Aussetzung ihrer Strafe stellen.
00:02:47
Dem wird dann auch oft stattgegeben.
00:02:49
Statistisch gesehen kommen die meisten nach 18 Jahren frei.
00:02:53
33 Jahre ist jetzt aber halt trotzdem sehr lang.
00:02:57
Im Durchschnitt sitzt man nämlich eigentlich nur etwa, nur in Anfangszeichen, etwa 18 Jahre in Haft, wenn man lebenslang bekommen hat.
00:03:04
Warum der Polizistenmörder so viel länger drin bleiben musste, hat mit seiner Schuld zu tun.
00:03:09
Die wog nämlich besonders schwer.
00:03:11
Und wieso das so war und welche TäterInnen das noch betrifft, darum geht's in unserer heutigen Folge.
00:03:18
Mein Fall zeigt, dass die Liebe manchmal nicht nur ein seltsames, sondern auch ein tödliches Spiel ist.
00:03:23
Alle Namen habe ich geändert.
00:03:28
Auf den ersten Blick wirkt er völlig unscheinbar.
00:03:32
Der kleine weiße Umschlag, den sie da in ihren Händen hält und auf dem ihr Name vermerkt ist.
00:03:37
Doch als sie den Brief herausnimmt und das Papier genauer betrachtet, zieht sich in ihr alles zusammen.
00:03:43
Sie kennt die Schrift.
00:03:44
Den Verfasser dieser handgeschriebenen, schnulzigen Zeilen, der sie als sein Mädchen bezeichnet
00:03:50
und ihr versichert, dass er sie für immer lieben werde.
00:03:54
Es ist ein Bekenntnis, das einst auf Gegenseitigkeit beruhte.
00:03:58
Doch nun ist da, wo Liebe war, nur noch Hass.
00:04:01
Etwa zwei Monate zuvor.
00:04:04
Zugegeben, ein bezugsfertiger Neubau ist es nicht, den sich Moritz hier im nordrhein-westfälischen Wald feucht ausgesucht hat.
00:04:12
Doch seine Vorfreude schmälert das nicht.
00:04:15
Nach und nach wird er die Räume, die im Moment noch veraltet und heruntergekommen wirken,
00:04:19
schon noch in ein gemütliches Zuhause verwandeln.
00:04:22
In sein Zuhause.
00:04:24
Und das von Julia.
00:04:25
Vor ca. einem Jahr haben sich Moritz und Julia auf einem Autotuning-Treffen kennengelernt
00:04:30
und sich auf Anhieb gut verstanden.
00:04:32
Seither sind sie gut befreundet und sehen einander regelmäßig.
00:04:36
Und in Zukunft wollen sie nicht nur gemeinsam an Fahrzeugen herumschrauben,
00:04:40
sondern auch zusammenleben.
00:04:42
Denn Moritz und Julia gründen eine WG.
00:04:44
Moritz weiß, dass es viel Arbeit kosten wird, die Bude auf Vordermann zu bringen.
00:04:48
Doch vor dieser Aufgabe schreckt der Sunnyboy mit den sanften, dunklen Augen und den kurzgestylten Haaren keineswegs zurück.
00:04:55
Er ist ein Mensch, der gerne anpackt.
00:04:57
Genauso wie die 22-jährige Julia.
00:04:59
Eine Eigenschaft, die sie beide bei den kommenden Renovierungsarbeiten nun unter Beweis stellen müssen.
00:05:06
Ein paar Tage später.
00:05:09
Moritz und Julia sind erschöpft.
00:05:12
Stundenlang haben sie heute Kisten geschleppt, Möbel gerückt und alte Tapeten abgerissen.
00:05:17
Die beiden sind froh über das, was sie geschafft haben und über die Unterstützung, die sie dabei hatten.
00:05:21
Von Julias Papa zum Beispiel.
00:05:23
Aber auch von Kai.
00:05:24
Der 22-Jährige ist nicht nur ein gemeinsamer Freund, er ist auch Julias Ex-Partner.
00:05:29
Obwohl die Trennung der beiden erst wenige Monate zurückliegt, pflegen sie nach wie vor einen harmonischen Umgang miteinander.
00:05:36
Das finde ich irgendwie gut.
00:05:37
Also wenn man so über sein Ego hinweg ist und da während der Beziehung nichts furchtbar Verletzendes und Unfaires vorgefallen ist,
00:05:44
dann finde ich, können Echsen auch die besten Freunde sein.
00:05:49
Also aus Erfahrung kann ich da jetzt nicht berichten, aber liegt wahrscheinlich an meinem Ego.
00:05:53
Aber bei denen klappt es offenbar sehr gut und daher hatte Kai dann auch direkt seine Hilfe bei den Renovierungsarbeiten angeboten,
00:06:00
als er wusste, dass die beiden zusammenziehen wollen.
00:06:03
Julia und ihr Vater sind an diesem Abend die Ersten, die den Feierabend einläuten und die Wohnung verlassen.
00:06:09
Jetzt sind sie nur noch zu dritt.
00:06:11
Moritz, Kai und Paul, ein weiterer gemeinsamer Freund.
00:06:15
Zusammen tätigen sie noch ein paar letzte Handgriffe, ehe sich auch die letzten beiden Helfer gegen 19.30 Uhr verabschieden.
00:06:22
Moritz dagegen bleibt.
00:06:24
Er will noch einen Schrank aufbauen.
00:06:25
Morgen werden sie wieder alle gemeinsam fleißig sein, so lautet das Vorhaben, auf das sich die drei verständigen.
00:06:31
Doch einhalten werden sie es nicht.
00:06:34
Es ist kurz nach 23 Uhr, als das Blaulicht mehrerer Polizeiwagen in einem Industriegebiet die Dunkelheit erhält.
00:06:43
Normalerweise findet sich hier außerhalb der Arbeitszeiten der ansässigen Firmen nahezu keine Menschenseele wieder.
00:06:49
Doch an diesem späten Abend sorgt die grausame Entdeckung eines Autofahrers dafür, dass zahlreiche Einsatzkräfte vor Ort sind.
00:06:56
Am Straßenrand, kurz vor einem Metallzaun, liegt ein lebloser Körper.
00:07:00
Wie ein roter Teppich erstreckt sich die Blutlache, die ihn umgibt, auf dem grauen Asphalt.
00:07:06
Doch der schlimmste Anblick bietet sein Oberkörper.
00:07:09
Er ist übersät mit zahlreichen Stich- und Schnittverletzungen.
00:07:12
Im Bereich der Brust sowie am Hals.
00:07:14
Doch auch die Verletzungen an den Beinen sind gravierend, wie die feuchte und dunkelrot verfärbte Jeans verrät.
00:07:20
Die Notärztin, die wenige Minuten nach dem Notruf eines Autofahrers eintrifft,
00:07:25
kann für den jungen Mann, der offenbar einem brutalen Verbrechen zum Opfer gefallen ist, nichts mehr tun.
00:07:30
Während der gestundene Körper in einem Leichensack verschwindet,
00:07:33
nimmt die Mordkommission Mönchengladbach die Ermittlungen auf.
00:07:36
Es gilt nun herauszufinden, was in dem abgelegenen Industriegebiet passiert ist
00:07:40
und wer dem jungen Mann das Leben genommen hat.
00:07:43
Dem Mann, der mittlerweile als der 27-jährige Moritz identifiziert werden konnte.
00:07:47
Die zahlreichen Stich- und Schnittverletzungen sprechen für die ErmittlerInnen eine eindeutige Sprache.
00:07:54
Ihnen ist klar, dass sie es hier nicht mit einem gewöhnlichen Tötungsdelikt zu tun haben,
00:07:58
sondern mit einem sogenannten Overkill.
00:08:00
Ein Verbrechen, bei dem das Opfer gleich mehrere tödliche Verletzungen aufweist.
00:08:04
Das bestätigt auch das Obduktionsergebnis.
00:08:08
Insgesamt 52 Stiche und Schnitte zählen die RechtsmedizinerInnen auf Moritz' Körper.
00:08:13
Einige davon trafen die Lunge, durchtrennten die Halsschlagader und verletzten Moritz' Herz.
00:08:19
Letztendlich, so stellt man fest, starb er an einem Schock infolge des Blutverlustes.
00:08:24
sowie an einem Versagen seines Atmungssystems.
00:08:27
Ein Tod, der einer Hinrichtung gleicht.
00:08:30
Auf der Suche nach Hinweisen widmet sich die Mordkommission den Betrieben,
00:08:34
die hier im Industriegebiet kurz vor der deutsch-niederländischen Grenze ihren Sitz haben.
00:08:38
Vielleicht, so die Annahme der PolizistInnen, verfügt einer von ihnen über eine Überwachungskamera,
00:08:43
die etwas aufgezeichnet hat, das ihnen helfen könnte.
00:08:46
Und tatsächlich, so eine Kamera gibt es.
00:08:50
Der Inhaber einer am Tatort ansässigen Firma berichtet,
00:08:53
erst gestern, am Tattag, ein Gerät an der Fassade seines Betriebs installiert zu haben.
00:08:58
Gestern Abend habe er auch gleich eine Mitteilung über eine registrierte Bewegung erhalten.
00:09:03
Doch als er die entsprechende App auf seinem Handy geöffnet habe, um auf die Kamera zuzugreifen,
00:09:07
habe er nichts Ungewöhnliches gesehen.
00:09:10
Dafür jedoch gehört.
00:09:12
Ein schmerzerfülltes Stöhnen, wahrscheinlich von einem Mann.
00:09:15
Das Geräusch habe ihn besorgt und er sei deshalb nochmal zum Betrieb gefahren.
00:09:19
Als er dort angekommen sei, habe er schockiert einen leblosen Körper am Straßenrand entdeckt
00:09:25
und sei auf einen Autofahrer gestoßen, der bereits den Notruf verständigt hatte.
00:09:29
Die Polizei beschlagnahmt die Kamera und macht sich daran,
00:09:32
das Videomaterial vom 2. Oktober auszuwerten.
00:09:35
Eine zeitintensive und zunächst auch undankbare Aufgabe.
00:09:39
Denn vor allem in den Abendstunden gleichen die Aufnahmen nahezu einem dunklen Standbild.
00:09:44
Zumindest bis die digitale Anzeige der Kamera etwa 22.45 Uhr zeigt.
00:09:49
Auf dem Bildschirm verfolgen die ErmittlerInnen,
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die plötzlich zwei Autos in Höhe eines Kreisverkehrs parallel zueinander halten
00:09:56
und anschließend auf den nahegelegenen Parkplatz fahren.
00:09:59
Die Lichtverhältnisse sind schlecht und die Qualität der Aufnahme dürftig,
00:10:03
doch das grisselige Video genügt, um zu erkennen, was danach passiert ist.
00:10:07
Den BeamtInnen wird klar, Moritz hatte keine Chance.
00:10:11
Denn er war seinen Angreifern zahlenmäßig haushoch unterlegen.
00:10:15
Während die PolizistInnen das Video immer wieder zurückspulen,
00:10:19
hält das Leben für zwei Menschen die metaphorische Pausentaste gedrückt.
00:10:25
Die Nachricht vom Tod ihres Sohnes hat die 51-Jährige und ihren 57-Jährigen Mann im Italienurlaub erreicht.
00:10:32
Und das alles andere als behutsam.
00:10:34
Noch bevor die Polizei das Ehepaar kontaktierte,
00:10:37
hatten sie aus den Medien erfahren, dass Moritz niedergestochen wurde.
00:10:41
Boah, ein Horror.
00:10:42
Ein wahrgewordener Albtraum für die Eltern.
00:10:44
Unverzüglich haben sie ihren Urlaub abgebrochen und sind nach Hause zurückgekehrt.
00:10:48
Am heutigen 4. Oktober stehen sie nun an der Stelle, an der Moritz, ihr Momo, sein Leben lassen musste.
00:10:56
In einer kleinen privaten Trauerfeier wollen Familienmitglieder und Freundinnen wie Paul und Kai, dem 27-Jährigen, heute gedenken.
00:11:04
Nacheinander legen sie Blumen auf den grauen Asphalt und platzieren rote Grablichter vor dem Metallzaun an der Stelle, wo sein Leichnam entdeckt wurde.
00:11:12
Rest in Peace, Momo, ist auf einem aufgestellten Holzkreuz vermerkt, an dem ein Foto von ihm befestigt ist.
00:11:18
Doch viel Zeit ist zu betrachten, bleibt Elke und Jörg nicht.
00:11:22
Immer wieder kommen Menschen auf sie zu, die sie umarmen und ihnen ihr Beileid aussprechen.
00:11:27
Elke und Jörg blicken an diesem Tag in viele vertraute Gesichter, die ihnen verdeutlichen, dass sie mit ihrer Trauer nicht alleine sind.
00:11:33
Ein schmaler Trost, denn egal wie groß die Anteilnahme auch sein mag, ihr Kind bringt sie ihnen nicht zurück.
00:11:40
Während Moritz' Familie trauert, geht für die Mordkommission die Ermittlungen weiter.
00:11:45
Anhand der Kameraauswertung wissen die Beamtinnen mittlerweile, dass Moritz am Abend seines Todes auf vier Männer getroffen ist.
00:11:53
Was die Hintergründe der Tat betrifft und die Identitäten der Personen, die auf dem Video nur schemenhaft zu erkennen sind, tappen die ErmittlerInnen jedoch noch im Dunkeln.
00:12:00
Ein Zustand, der sich an diesem 4. Oktober ändert, als die Tür zur Wache der Mordkommission aufgeht und drei junge Männer eintreten, die von mehreren AnwältInnen begleitet werden.
00:12:10
Tarek, Mert und Ali lauten die Namen, mit denen sie sich vorstellen.
00:12:14
Und ihr Anliegen lässt die Beamtinnen hellhörig werden.
00:12:17
Sie wollen Angaben zu dem Toten aus dem Gewerbegebiet machen, denn sie wüssten, wie er gestorben sei.
00:12:23
In den kommenden Stunden werden die drei Männer getrennt voneinander befragt.
00:12:26
Und für die PolizistInnen wird dabei vor allem eine Sache schnell klar.
00:12:30
Tarek, Mert und Ali sind keine gewöhnlichen Zeugen.
00:12:34
Sie sind die Personen aus dem Überwachungsvideo.
00:12:36
Es war eine zufällige Begegnung zwischen den vier Männern und Moritz.
00:12:41
Da sind sich vor allem die Anfang-20-Jährigen Mert und Ali einig.
00:12:45
In den Gesprächen mit den Vernehmungsbeamtinnen berichten die beiden am Abend des 2. Oktober auf ihren Kumpel Tarek gewartet zu haben, der sie in die Disco habe fahren wollen.
00:12:53
Wenig später sei ein schwarzer Wagen vorgefahren.
00:12:57
Tarek habe auf dem Beifahrersitz gesessen, am Steuer ein Mann, den die beiden nicht kannten.
00:13:02
Tarek habe ihn ihnen als sein Bruder vorgestellt.
00:13:04
Dann seien sie zu viert los.
00:13:07
Auf dem Weg zum Nachtclub habe Tareks Bruder in einem Kreisverkehr angehalten und sich mit dem Fahrer eines entgegenkommenden Autos unterhalten.
00:13:14
Beide hätten ihre Wagen auf einen Parkplatz gelenkt.
00:13:18
Dann, so geben es Mert und Ali an, sei das Aufeinandertreffen mit dem Fahrer des anderen Autos plötzlich eskaliert und Tarek und sein Bruder seien auf den anderen Autofahrer losgegangen.
00:13:27
Tareks Bruder sei es dann auch gewesen, der den anderen getötet habe.
00:13:31
Eine Version, an der auch Tarek in seiner Vernehmung festhält.
00:13:36
Ebenso wie seine Freunde berichtet auch der 17-Jährige von der Fahrt Richtung Diskothek, der Begegnung im Kreisverkehr und der Eskalation auf dem Parkplatz.
00:13:44
Doch er hat noch mehr zu sagen, denn anders als Mert und Ali kennt er den Mann, der am Steuer saß, gut und liefert der Polizei einen Namen.
00:13:54
Der hilfsbereite Umzugshelfer, der Ex-Freund von Julia und derjenige, der erst vor wenigen Wochen erfahren musste, dass seine große Liebe ihr Herz schon wieder neu vergeben hat.
00:14:07
Es ist Juli 2017, als Kai und Julia ein Paar werden.
00:14:11
Zunächst läuft zwischen ihnen alles gut.
00:14:13
Vor allem Kai schwebt auf Wolke 7.
00:14:15
Noch nie hat er so für jemanden empfunden wie für Julia.
00:14:18
Er liebt einfach alles an ihr.
00:14:21
Jede Stärke, jede Macke.
00:14:22
Und er ist überzeugt, dass sie die Frau fürs Leben ist.
00:14:25
In einem Mehrfamilienhaus, das Kais Vater bauen lässt, wollen die beiden bald gemeinsam eine Wohnung beziehen.
00:14:31
Und um seinem Mädchen das Zuhause zu bieten, das es verdient, hat Kai kürzlich einen Kredit aufgenommen.
00:14:36
Rund 20.000 Euro sollten genügen, um ihre zukünftige Wohnung einzurichten.
00:14:41
Doch der Einzugstermin verschiebt sich immer wieder.
00:14:44
Die Fertigstellung der Wohnung dauert länger als gedacht und Julia wird langsam aber sicher ungeduldig.
00:14:50
Um sie zu besänftigen, erzählt Kai ihr regelmäßig von Fortschritten in der Immobilie.
00:14:54
Doch oft entsprechen seine Angaben nicht der Wahrheit.
00:14:58
Julia, die regelmäßig dahinter kommt, verliert so das Vertrauen in ihren Freund.
00:15:02
Im Sommer 2018, die Wohnung ist nach wie vor nicht fertig, passiert schließlich etwas, womit Kai niemals gerechnet hat.
00:15:08
Julia will die Trennung.
00:15:10
Der 23-Jährige versteht die Welt nicht mehr.
00:15:14
Doch Julia ist fest entschlossen.
00:15:15
Sie besteht auf den Schlussstrich.
00:15:17
Und bricht Kai damit das Herz.
00:15:20
In den kommenden Wochen hat der Herzschmerz Kai fest im Griff.
00:15:23
Regelmäßig setzt er sich nachts hinter das Steuer seines Autos und fährt ziellos durch die Gegend, um den Kopf frei zu kriegen.
00:15:29
Doch dem Schmerz davon zu fahren, das gelingt ihm genauso wenig, wie die Trennung zu akzeptieren.
00:15:35
Den freundschaftlichen Umgang, den Kai und Julia auch nach Ende ihrer Beziehung miteinander pflegen,
00:15:39
nimmt der 23-Jährige immer wieder zum Anlass, um sich Hoffnung zu machen.
00:15:43
Es wird ein Liebescomeback zwischen ihnen geben.
00:15:46
Davon ist er überzeugt.
00:15:47
Er macht Julia regelmäßig Geschenke und sucht ihre Nähe.
00:15:50
Selbst dann, als er im September erfährt, dass sie mit Moritz, einem gemeinsamen Freund aus der Autotuning-Szene, zusammenziehen wird.
00:15:57
Einen Stich versetzt es ihm schon, dass er eine große Liebe vorhat, mit einem anderen Mann zusammenzuleben.
00:16:03
Aber ernsthafte Sorgen macht er sich nicht.
00:16:06
Die beiden gründen nur eine WG.
00:16:07
Das hat Julia ihm schließlich persönlich versichert.
00:16:10
Doch was Kai zu diesem Zeitpunkt nicht weiß,
00:16:12
es ist eine Lüge, die sie ihm und auch ihrer Clique aufgetischt hat.
00:16:17
Denn Julia und Moritz sind weit mehr als nur gut befreundet und zukünftige MitbewohnerInnen.
00:16:22
Sie sind ineinander verliebt und heimlich ein Paar.
00:16:25
Und Kai ist der Grund für ihr Versteckspiel.
00:16:27
Vor allem Julia ist klar, dass es ihrem Ex-Freund ein zweites Mal das Herz brechen würde,
00:16:31
wenn sie ihm erzählt, dass sie bereits einen neuen Partner hat.
00:16:34
Aus Rücksicht haben sie und Moritz sich deswegen darauf geeinigt,
00:16:38
ihre Beziehung zunächst einmal für sich zu behalten
00:16:40
und vorzugeben, als Freundinnen zusammenzuziehen.
00:16:43
Ein Schauspiel, das Kai den beiden über Wochen abkauft.
00:16:47
Zumindest bis zu jenem Tag Mitte September.
00:16:50
Es ist ein guter Freund, der Kai bei einem Tuning-Treffen zur Seite nimmt.
00:16:54
Die Worte, die er von sich gibt, sind eindeutig.
00:16:57
Kai müsse endlich akzeptieren, dass es mit Julia vorbei sei.
00:17:01
Schließlich hätten alle im Freundeskreis schon längst gemerkt,
00:17:03
dass zwischen ihr und Moritz etwas laufe.
00:17:05
Es ist eine Ansage, die Kai die Gesichtsfarbe aus den Wangen zieht.
00:17:10
Er kann nicht glauben, was er da hört.
00:17:11
Weiß nicht, was er mit diesen niederschmetternden Informationen anfangen soll.
00:17:15
Doch Fakt ist, nur wenige Wochen später ist Moritz tot.
00:17:20
Wie sehr Kais Eifersucht ihn zuletzt im Griff hatte, das weiß Tarek genau.
00:17:25
Denn ihn und Kai, so erzählt er es den Vernehmungsbeamtinnen am 4. Oktober,
00:17:30
verbindet ein besonderes Band.
00:17:31
Seit Tareks Mutter und Schwester nach einem abgelehnten Asylantrag
00:17:35
vor rund eineinhalb Jahren nach Albanien zurückgekehrt sind,
00:17:37
lebt der 17-Jährige bei den Eltern seines Freundes Kai,
00:17:40
die ihn bei sich aufgenommen haben.
00:17:42
Er und Kai nennen einander Brüder.
00:17:45
Sie sind Familie.
00:17:46
Und innerhalb einer Familie ist man füreinander da.
00:17:49
Daran hat vor allem Kai Tarek in den vergangenen Wochen immer wieder erinnert.
00:17:54
Tarek berichtet den PolizistInnen,
00:17:56
dass Kai dem Neuen seiner Ex-Freundin Moritz
00:17:59
eine Abreibung verpassen wollte.
00:18:00
Kai habe ihn deswegen darum gebeten, Leute zu suchen,
00:18:03
die seinen Nebenbruder für ihn verprügeln würden.
00:18:06
Aus Pflichtbewusstsein gegenüber seinem Bruder
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habe Tarek sich nicht getraut zu verneinen.
00:18:11
Doch eigentlich habe er damit gar nichts zu tun haben wollen.
00:18:14
Immer wieder habe er deswegen über Wochen
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irgendwelche Ausreden vorgeschoben,
00:18:18
um Kai hinzuhalten.
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Etwa, dass er angebliche Mittäter gefunden habe
00:18:22
und dass diese aber 3000 Euro für die Beauftragte Trachtprügel verlangen würden.
00:18:26
Doch letztendlich sei ohnehin alles anders gekommen.
00:18:30
Als sie sich auf dem Parkplatz trafen,
00:18:32
habe Kai ihm aufgeregt erklärt,
00:18:34
dass der Fahrer des anderen Wagens der Neue seiner Ex-Freundin sei
00:18:37
und dass er schlecht über ihre Familie spreche.
00:18:41
Aus diesem Grund habe sich Tarek dazu verleiten lassen,
00:18:43
Moritz ins Gesicht zu schlagen.
00:18:45
Danach habe er ihm mit einem Messer ins Bein gestochen.
00:18:48
Einmal, zweimal, maximal vier, fünfmal.
00:18:50
Und das aber nur, weil er gedacht habe,
00:18:53
Moritz würde eine Waffe ziehen.
00:18:54
In jedem Fall habe er sich mit dem Messer nur verteidigen
00:18:57
und Moritz auf keinen Fall töten wollen.
00:18:59
Ganz anders als Kai,
00:19:02
der ihm kurze Zeit später das Messer abgenommen
00:19:03
und Moritz immer wieder in den Oberkörper gestochen habe.
00:19:06
Tareks Anschuldigung hat Konsequenzen.
00:19:09
Einen Tag später wird Kai festgenommen.
00:19:12
Und er ist bereit zu reden.
00:19:14
Der kräftige Typ mit den kurzen, dunkelbörnten Haaren
00:19:17
gesteht, Moritz getötet zu haben
00:19:20
und liefert den Grund gleich mit.
00:19:21
Moritz habe einen Fehler begangen,
00:19:23
macht Kai den PolizistInnen klar.
00:19:25
Er habe sich an sein Mädchen rangemacht.
00:19:28
Sei der Frau nahegekommen, die zu ihm gehöre.
00:19:32
Es sind Aussagen, die den BeamtInnen vor Augen führen.
00:19:35
Der Mann, der ihnen gegenüber sitzt, ist schwer gekränkt.
00:19:38
Und mit seiner Rolle als Ex-Freund hat er sich nie abgefunden.
00:19:44
etwa neun Monate nach dem brutalen Verbrechen an Moritz,
00:19:48
beginnt der Prozess.
00:19:49
Vor allem für Moritz' Eltern Jörg und Elke
00:19:51
ist es ein besonderer Tag.
00:19:53
Hand in Hand betreten der Mann mit dem Schnauzer
00:19:56
und die Frau mit dem grauen Kurzhaarschnitt
00:19:57
den Schulgerichtssaal des Landgerichts Aachen.
00:20:00
Doch statt sich auf einem der ZuschauerInnenplätze niederzulassen,
00:20:03
steuern die beiden auf zwei gepolsterte Stühle
00:20:05
neben der Staatsanwaltschaft zu.
00:20:07
Elke und Jörg haben sich entschieden,
00:20:08
die Nebenklage anzutreten.
00:20:10
Seit ihr Sohn gewaltsam aus dem Leben gerissen wurde,
00:20:13
ist für das Ehepaar nichts mehr so,
00:20:15
wie es einmal war.
00:20:15
Jeden Abend geht der einst lebensdurstige Jörg
00:20:18
früh ins Bett, um seiner Trauer zu entkommen.
00:20:21
Moritz' Mutter Elke hat vor lauter
00:20:23
Komma 20 Kilo abgenommen
00:20:25
und zuckt jedes Mal zusammen,
00:20:26
wenn sie die Sirenen von Polizei und Rettungswagen hört.
00:20:30
Die anwesenden JournalistInnen richten ihre Kameras
00:20:32
immer wieder auf Moritz' Eltern.
00:20:34
Fotografisch halten sie ihre traurigen Augen fest,
00:20:37
mit denen sie durch ihre gerahmten Brillen blicken.
00:20:39
Andere Prozessbeteiligte dagegen sind darauf bedacht,
00:20:43
kein gutes Bild abzugeben.
00:20:44
Kai, der an diesem ersten Verhandlungstag
00:20:47
in Handschellen in den Saal geführt wird,
00:20:49
schirmt sein Gesicht mit einem orangefarbenen Hefter
00:20:51
vor dem Blitzlichtgewitter ab.
00:20:53
Gekleidet im schwarz-grau melierten Kurzarmhemd
00:20:56
und Bluejeans nimmt er Platz auf einer der Anklagebänke,
00:20:59
die sich über zwei Reihen erstrecken.
00:21:01
Denn er ist nicht der Einzige,
00:21:03
dem der Prozess gemacht wird.
00:21:04
Auch Tarek, Mert und Ali müssen sich ab heute
00:21:07
vor Gericht verantworten,
00:21:08
wegen gemeinschaftlichen Mordes.
00:21:10
Denn die Version von der angeblichen Zufallsbegegnung
00:21:13
nimmt die Staatsanwaltschaft den Männern nicht ab.
00:21:16
Die Anklage ist überzeugt,
00:21:18
Die Tötung von Moritz beruhte auf einem Plan
00:21:20
und in den waren alle vier fest eingebunden.
00:21:23
Dafür spreche unter anderem die WhatsApp-Konversation
00:21:27
zwischen Kai und Tarek,
00:21:28
die auf Tareks Handy sichergestellt worden war
00:21:30
und nun vorgelesen wird.
00:21:32
Am 24. September,
00:21:34
rund eine Woche vor der Tat,
00:21:35
schreibt Kai, Zitat,
00:21:37
kannst dir vorstellen,
00:21:38
wie ich mich in letzter Zeit fühle.
00:21:39
Ich weiß, Bruder,
00:21:41
antwortet Tarek ihm
00:21:42
und fügt eine Minute später hinzu,
00:21:44
ich rede mit den Typen,
00:21:46
ich mache das fett,
00:21:47
ich frage, wie viel das kostet.
00:21:49
aber so schnell wie möglich.
00:21:52
dafür hast du dann auch einen Gut.
00:21:53
Egal, was du dann hast,
00:21:54
du kannst mich dann immer anrufen.
00:21:56
In anderen Nachrichten
00:21:58
werden die beiden konkreter,
00:21:59
tauschen sich über Moritz aus
00:22:02
wo man es machen werde.
00:22:03
Die vorgetragenen WhatsApp-Nachrichten
00:22:06
setzen Jörg und Elke zu.
00:22:08
An den kommenden Prozesstagen
00:22:10
suchen die beiden immer wieder bewusst
00:22:11
den Blickkontakt zu den vier Angeklagten.
00:22:13
Vor allem zu Kai,
00:22:15
der ihnen auf Moritz' Trauerfeier
00:22:17
sogar persönlich
00:22:18
sein Beileid ausgesprochen hatte.
00:22:19
Doch erwidert werden ihre Blicke nicht.
00:22:22
Während Tarek, Mert und Ali
00:22:24
die meiste Zeit die Holztische vor ihnen fixieren,
00:22:26
wirkt Kai nahezu überheblich.
00:22:28
Wenn er nicht gerade das Kaugummi
00:22:30
in seinem Mund maltretiert,
00:22:31
schmunzelt er in sich hinein
00:22:33
oder scherzt mit seinem Anwalt.
00:22:35
Sich persönlich zur Tat zu äußern,
00:22:37
hat er nicht vor.
00:22:37
Lediglich in einer schriftlichen Erklärung,
00:22:40
die sein Strafverteidiger verliest,
00:22:42
präsentiert er eine neue Version des Tatgeschehens.
00:22:44
Denn von einem Verbrechen aus Eifersucht,
00:22:47
wie er es in der Polizeivernehmung geschildert hatte,
00:22:49
will er nun nichts mehr wissen.
00:22:50
Stattdessen behauptet er,
00:22:52
Moritz im Affekt getötet zu haben.
00:22:54
Der neue Partner seiner Ex-Freundin
00:22:56
habe ihn nach einer Prügelei auf dem Parkplatz
00:22:58
als impotenten Idioten beschimpft.
00:23:01
Da seien bei Kai die Sicherung durchgebrannt.
00:23:04
Mehr kommt von ihm nicht.
00:23:05
Doch die Geschehnisse des 2. Oktober 2018 zu rekonstruieren,
00:23:10
gelingt dem Gericht auch ohne seine Hilfe.
00:23:12
Denn nach einigen Verhandlungstagen
00:23:14
nimmt sich die Kammer schließlich das wichtigste Beweisstück vor.
00:23:17
Das Überwachungsvideo.
00:23:20
die nun auf einer Großleinwand gezeigt werden,
00:23:22
in Kombination mit den Chat-Nachrichten,
00:23:24
zeichnen ein eindeutiges Bild davon,
00:23:28
Moritz sterben musste.
00:23:29
Um seinem Herzschmerz ein Ende zu setzen,
00:23:32
schmiedet Kai im September 2018 einen Plan.
00:23:35
Davon ist das Gericht überzeugt.
00:23:39
den neuen seiner großen Liebe Julia,
00:23:41
Denn sobald der 27-Jährige tot ist,
00:23:44
da ist Kai sich sicher,
00:23:45
steht einem Liebescomeback zwischen ihm und seiner Julia
00:23:48
nichts mehr im Weg.
00:23:48
Um sein Vorhaben in die Tat umzusetzen,
00:23:51
wendet er sich an seinen Pflegebruder Tarek.
00:23:55
der wie ein echter Bruder für ihn ist,
00:23:57
weiß um seinen Kummer und seine Wut.
00:23:58
Und Kai wiederum weiß,
00:24:00
dass Tarek Kontakte ins kriminelle Milieu hat.
00:24:02
Also weiht er den Teenager ein
00:24:05
mögliche Mittäter für die Tat zu suchen.
00:24:07
Bereits kurze Zeit später
00:24:09
teilt Tarek Kai mit,
00:24:10
zwei Männer gefunden zu haben,
00:24:11
die sich an Kais Plan beteiligen würden.
00:24:14
er zahlt ihnen 3.000 Euro.
00:24:16
Kai willigt ein.
00:24:17
Der mörderische Plan gilt als besiegelt.
00:24:20
Am 2. Oktober 2018
00:24:23
passiert es schließlich.
00:24:24
Nachdem Kai den ganzen Tag
00:24:25
bei den Renovierungsarbeiten
00:24:27
holt er am späten Abend
00:24:29
dann Mert und Achli ab.
00:24:30
Gemeinsam wollen sie zunächst überprüfen,
00:24:33
ob sich Moritz noch in der neuen Wohnung befindet.
00:24:35
Doch die Frage erübrigt sich,
00:24:37
als Kai im Kreisverkehr
00:24:39
eines Industriegebiets
00:24:40
ein Fahrzeug entgegenkommt,
00:24:41
das er nur zu gut kennt.
00:24:42
Es ist der Wagen von Moritz,
00:24:44
seinem heimlichen Erzfeind,
00:24:46
dem er eben noch
00:24:46
beim Renovieren geholfen hat.
00:24:48
Auch Moritz scheint Kai zu bemerken
00:24:50
und die beiden Autos
00:24:51
kommen nebeneinander zum Stehen.
00:24:53
Das Gericht ist überzeugt,
00:24:54
Kai beschließt nun,
00:24:55
seinen Plan vorzuziehen
00:24:57
und sich die spätabendliche Lehre
00:24:59
im Gewerbegebiet zunutze zu machen.
00:25:01
Bei heruntergelassenen Fensterscheiben
00:25:03
schlägt er Moritz vor,
00:25:04
noch gemeinsam eine zu rauchen,
00:25:05
ehe beide ihre Fahrt fortsetzen.
00:25:07
Kurz darauf lenken sie ihre Autos
00:25:10
nacheinander auf den angrenzenden Parkplatz.
00:25:12
Was dann passiert,
00:25:13
zeigt das Überwachungsvideo.
00:25:14
Moritz ist der Erste,
00:25:16
Ein paar Mal zieht er an seiner Zigarette,
00:25:18
ehe sich auch die Türen
00:25:20
des anderen Wagens öffnen
00:25:21
und zwei Männer hinaustreten.
00:25:24
Geradewegs gehen die beiden
00:25:26
Dann holt Tarek plötzlich aus
00:25:29
und schlägt Moritz
00:25:30
unvermittelt ins Gesicht.
00:25:31
Es ist der Moment,
00:25:33
in dem sich die Hintertüren
00:25:34
von Kais Fahrzeug öffnen
00:25:35
und auch Mert und Ali aussteigen
00:25:38
in dem bei Moritz die Panik aufsteigt.
00:25:40
Zu viert kesseln die jungen Männer
00:25:43
der sich zunächst aus der Gruppe
00:25:45
Doch sie holen ihn schnell wieder ein.
00:25:47
Dann sticht Tarek Moritz
00:25:49
mehrmals in die Beine.
00:25:50
Daran lässt das Video
00:25:51
trotz schlechter Auflösung
00:25:53
Gemeinsam machen sich die Männer
00:25:55
den schwerverletzten Moritz
00:25:57
zu Kais Auto zu schleifen.
00:25:58
Mit vereinter Kraft
00:26:00
hiefen sie ihn in den Kofferraum
00:26:01
und schließen ihn darin ein.
00:26:03
Doch als die vier Täter
00:26:04
wieder losfahrbereit im Wagen sitzen,
00:26:05
geht plötzlich die Heckklappe auf.
00:26:07
Moritz hat sich befreit.
00:26:09
Offenbar hat er trotz seiner Verletzung
00:26:11
all seine Kräfte mobilisiert,
00:26:13
um seinen Angreifern zu entkommen.
00:26:15
sein Überlebensinstinkt
00:26:16
ihn auch antreibt,
00:26:17
die Flucht gelingt ihm nicht.
00:26:19
Denn was das Video
00:26:20
als nächstes dokumentiert,
00:26:21
lässt viele Prozessanwesende
00:26:23
den Blick von der Leinwand abwenden.
00:26:26
der bis eben noch
00:26:26
am Steuer des Wagens saß,
00:26:27
nimmt die Verfolgung auf.
00:26:29
Bereits nach wenigen Metern
00:26:31
in Höhe eines Metallzauns
00:26:32
hat er Moritz eingeholt
00:26:34
und drückt ihn zu Boden.
00:26:35
Dann zeigt die Aufnahme,
00:26:37
wie Kai sich über Moritz beugt
00:26:39
und mit dem Messer ausholt.
00:26:41
Wieder und wieder.
00:26:45
Irgendwann lässt er sein Opfer
00:26:47
am Straßenrand liegen,
00:26:48
steigt wieder ins Auto
00:26:49
und fährt mit seinen drei Komplizen davon.
00:26:51
Elke und Jörg sind fassungslos.
00:26:55
Um das Tatgeschehen
00:26:56
möglichst genau zu analysieren,
00:26:57
spult das Gericht
00:26:58
das Video immer wieder zurück.
00:27:01
müssen die trauernden Eltern
00:27:02
auf der Großleinwand mit ansehen,
00:27:04
wie Moritz gewaltsam
00:27:05
niedergestochen wird,
00:27:07
ihrem Sohn zur Hilfe eilt
00:27:10
seinen angeblichen Freund,
00:27:11
nicht nur tötet,
00:27:12
sondern nahezu hinrichtet.
00:27:16
nicht mit der Frau zusammen ist,
00:27:18
die Kais Meinung nach
00:27:20
Nach einigen Minuten
00:27:22
nimmt Elke schließlich
00:27:24
Sie hat genug gesehen.
00:27:26
Als es der Kammer genauso geht,
00:27:28
wird nach fünf Monaten
00:27:29
am 20. Dezember 2019
00:27:31
das Urteil verkündet.
00:27:32
Wegen des Mordes an Moritz
00:27:34
werden alle vier Angeklagten
00:27:35
schuldig gesprochen.
00:27:36
Das Gericht hält es für erwiesen,
00:27:38
dass nicht nur Kai
00:27:41
auf dem Gewissen hat.
00:27:41
Auch Mert und Ali,
00:27:43
die ihn in den Kofferraum sperrten,
00:27:44
um ihn an der Flucht zu hindern,
00:27:47
der die beiden anheuerte
00:27:48
und sich ebenfalls beteiligte,
00:27:49
haben den Mord begangen.
00:27:51
Denn mit ihrem Handeln
00:27:52
davon ist die Kammer überzeugt,
00:27:54
haben sie unmittelbar
00:27:55
der geplanten Tötung
00:27:57
Da Tarek zum Zeitpunkt
00:27:59
gerade einmal 17 Jahre alt war,
00:28:01
wendet das Gericht
00:28:02
das Jugendstrafrecht an.
00:28:04
Die nächsten siebeneinhalb Jahre
00:28:06
sollen ihm in Haft
00:28:07
das Unrecht seiner Tat
00:28:10
die Kai, Mert und Ali
00:28:12
Sie werden zu lebenslangen
00:28:13
Haftstrafen verurteilt.
00:28:15
In seiner Urteilsbegründung
00:28:18
vorsitzende Richter
00:28:19
vor allem an Kai.
00:28:20
Er sei erschüttert
00:28:21
von der unfassbaren Kälte
00:28:23
und der geringen Wertschätzung
00:28:25
für ein Menschenleben,
00:28:26
die Kai mit dieser Tat
00:28:28
Zudem ist er überzeugt,
00:28:29
seine Schuld wiegt
00:28:30
deutlich schwerer
00:28:31
als die seiner Komplizen.
00:28:32
Kai habe die Tat,
00:28:34
mit der er Moritz
00:28:35
loswerden wollte,
00:28:36
von langer Hand geplant
00:28:38
und emotionalen Druck
00:28:39
17-jährigen Tarek
00:28:41
damit dieser ihn unterstütze.
00:28:43
Während der Ermittlungen
00:28:44
und des Prozesses
00:28:45
habe er weder Reue
00:28:46
noch Einsicht gezeigt
00:28:47
und habe nicht nur
00:28:49
sondern auch aus einem
00:28:50
niedrigen Beweggrund
00:28:52
Von Eifersucht getrieben
00:28:54
aus einem besonders
00:28:55
verachtenswerten
00:28:56
Tatmotiv ermordet.
00:28:57
Nämlich in der Erwartung,
00:28:59
dass er mit dem Mord an ihm
00:29:00
das einzige Hindernis
00:29:02
das einem Liebescomeback
00:29:04
und Julia im Weg stehe.
00:29:05
Zudem sah sein brutales
00:29:07
Vorgehen nahe an der
00:29:08
Verwirklichung der Grausamkeit
00:29:09
und damit eines dritten
00:29:11
Mordmerkmals gewesen.
00:29:12
Eine juristische
00:29:13
Bestandsaufnahme,
00:29:15
die besondere Schwere
00:29:16
der Schuld festgestellt wird.
00:29:18
Anders als Mert und Ali
00:29:20
wird er also nicht
00:29:21
die Möglichkeit haben,
00:29:22
aus der Haft entlassen
00:29:25
die Freiheit erlangen wird,
00:29:27
Sie standen so kurz davor,
00:29:31
öffentlich zu machen.
00:29:32
Doch letztendlich
00:29:33
endete das gemeinsame Leben
00:29:35
von Moritz und seiner
00:29:36
bevor es richtig begann.
00:29:39
weil Kai es nicht
00:29:40
ertragen konnte,
00:29:41
dass seine große Liebe
00:29:42
mit einem anderen Mann
00:29:44
Im Dezember 2018,
00:29:46
noch vor Prozessbeginn
00:29:48
am Aachener Landgericht,
00:29:49
hat Julia einen Brief
00:29:50
aus der JVA Köln bekommen.
00:29:51
Ein Liebesbrief,
00:29:53
den Kai in U-Haft
00:29:55
und in dem er ihr
00:29:56
seine ewige Liebe
00:29:59
dass Kai immer noch
00:30:00
ein Liebescomeback
00:30:01
mit ihr zu feiern.
00:30:05
brutal getötet hat.
00:30:08
handgeschriebenen
00:30:09
Zeilen bedeutungslos.
00:30:11
dem ihr Herz gehört,
00:30:14
heißt nicht Kai,
00:30:16
So ein Schwachsinn,
00:30:20
der liebt die ja
00:30:22
Wenn man jemanden
00:30:23
dann möchte man auch,
00:30:25
Und dann akzeptiert man auch,
00:30:27
nicht die Person ist,
00:30:28
die sie glücklich machen kann.
00:30:29
Ja, wenn das alles
00:30:31
nicht so schrecklich
00:30:32
dann würde man sagen,
00:30:36
Was der Kai sich
00:30:37
hier zusammenreinnt,
00:30:38
ja, nach dem Motto,
00:30:39
der Moritz muss weg
00:30:41
und dann kommt Julia
00:30:42
sicher wieder mit mir
00:30:43
weil ich bin ja hier
00:30:44
sicher nicht das Problem.
00:30:45
Und dass er nicht mehr
00:30:47
dafür sorge ich selber,
00:30:47
ich bringe den einfach um
00:30:48
und dann kommen wir zusammen.
00:30:50
Und ich werde das auch
00:30:51
nicht vertuschen oder so,
00:30:52
ich werde den einfach
00:30:55
das wird dann auch noch
00:30:56
von der Videokamera
00:30:59
die wird mich lieben.
00:31:00
Ich schreibe ihr einfach
00:31:00
einen Brief aus der U-Haft
00:31:01
und dann kommen wir
00:31:02
wieder zusammen.
00:31:05
da würde man doch
00:31:06
eigentlich denken,
00:31:07
was hat denn hier
00:31:08
der psychiatrische Gutachter
00:31:10
eigentlich zu gesagt?
00:31:10
Ja, da war nichts,
00:31:13
deswegen habe ich
00:31:13
das rausgelassen.
00:31:14
Wieder war nichts.
00:31:15
Es gab natürlich,
00:31:15
da gab es nichts
00:31:18
Nee, also der hat
00:31:21
nichts gefunden,
00:31:21
deswegen habe ich es
00:31:22
rausgelassen, ja.
00:31:23
Okay, interessant.
00:31:27
Wir kennen das ja
00:31:27
aus anderen Fällen,
00:31:28
auf einmal so verzweifelt ist,
00:31:30
dass man die Person
00:31:30
nicht halten kann
00:31:31
und dieser Schmerz
00:31:32
über den Verlust
00:31:34
dass man dann halt
00:31:34
eben zur Tat schreitet
00:31:36
und richtet sich das
00:31:37
in so einer Beziehungskonstellation,
00:31:38
weil man verlassen wurde
00:31:39
ja auch oft gegen die Frau
00:31:41
und hier projiziert Kai
00:31:43
für all sein Unglück
00:31:46
und sieht dann dabei
00:31:47
offenbar ja gar nicht,
00:31:48
wie du eben auch schon gesagt hast,
00:31:50
damit zu tun haben könnte.
00:31:52
Ja, und wenn man sich
00:31:53
mal die Tat anguckt,
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die die Eltern ja auch
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immer wieder anschauen mussten,
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was ich mir so schrecklich vorstelle,
00:31:59
da in diesem Gerichtssaal
00:32:00
auf der Großleinwand.
00:32:01
Ja, aber wenn man sich
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diese Tat an sich anschaut,
00:32:04
stellt man ja auch wirklich fest,
00:32:06
da kommt echt einiges zusammen.
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dass die ja befreundet waren
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und er ihnen dann quasi so
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komm, wir rauchen noch eine Zigarette,
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in so einen Hinterhalt lockt,
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also vier gegen einen
00:32:22
und dann 52 Messerstiche,
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das muss man sich auch mal vorstellen,
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wo die Kammer ja dann auch gesagt hatte,
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das Schrammtier schon nah
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an der Grausamkeit.
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Und da hat es mich jetzt nicht so gewundert,
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dass das Gericht dann die besondere Schwere
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der Schuld festgestellt hat.
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Wie die aber im Einzelnen geregelt wird,
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darum geht es jetzt in meinem Aha.
00:32:44
Erstmal, wie schwer die Schuld
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eines Täters oder einer Täterin wiegt,
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das ist eine Frage,
00:32:50
mit der sich Strafgerichte
00:32:51
ja grundsätzlich auseinandersetzen müssen.
00:32:53
Und Schuld meint in dem Fall
00:32:55
das Ausmaß der individuellen Verantwortung
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einer Person für eine begangene Straftat.
00:33:00
Und dieses Ausmaß zu bestimmen
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ist natürlich wichtig,
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um dann entscheiden zu können,
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wie hart eine Strafe sein muss,
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damit die dann auch gerecht ist.
00:33:08
Und dazu schauen sich Gerichte,
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das haben wir auch schon bei Mordlust
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zur Genüge erklärt,
00:33:12
verschiedene Sachen an,
00:33:13
also Tatumstände,
00:33:14
aber auch die Motivation dahinter
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und auch die persönliche Situation
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der Person und so weiter.
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Und wenn Täter in ein Verbrechen begehen,
00:33:24
das mit einer lebenslangen
00:33:25
Freiheitsstrafe bestraft wird,
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dann haben die Gerichte
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eben zusätzlich noch die Möglichkeit,
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die besondere Schwere
00:33:31
der Schuld festzustellen.
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Wann das am Beispiel von Mord der Fall ist,
00:33:34
erklärt uns Dr. Kai Daniel Weil,
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der ist Rechtsanwalt bei unserer Kanzlei
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des Vertrauens Abel und Kollegen
00:33:39
und Experte unserer heutigen Folge.
00:33:42
Also die besondere Schwere der Schuld
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ist eigentlich ein Mittel,
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das insbesondere natürlich bei Verfahren,
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die den Vorwurf des Mordes betreffen,
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Verfahren oder Fälle herausstellen sollen,
00:33:54
die irgendwie über das,
00:33:56
ich sag mal, normale Maß
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eines Mordes hinausgehen,
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also die in irgendeiner Art und Weise
00:34:01
vielleicht krasser oder auch extremer sind
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als so der klassische Mord.
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Und dieses Herausstellen,
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wie Weil es bezeichnet,
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hat nicht nur zur Folge,
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dass man dann TäterInnen vor Augen führt,
00:34:11
dass man ihr Verbrechen halt besonders schlimm findet,
00:34:14
sondern das hat auch konkrete Auswirkungen
00:34:16
auf ihre Strafe.
00:34:17
Weil anders als Menschen,
00:34:18
die in Anführungszeichen
00:34:19
nur zur Lebens lang verurteilt werden,
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bei denen zusätzlich auch noch
00:34:23
die besondere Schwere der Schuld festgestellt wird,
00:34:25
nämlich nicht automatisch die Möglichkeit,
00:34:27
nach 15 Jahren wieder rauszukommen.
00:34:30
die lebenslang bekommen,
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dürfen nach 15 Jahren
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einen Antrag auf Aussetzung
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der lebenslangen Freiheitsstrafe
00:34:35
zur Bewährung stellen
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und dann theoretisch nach 15 Jahren raus.
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Menschen mit besonderer Schwere der Schuld
00:34:41
können das nicht.
00:34:42
Bei denen wird erst während der Haft entschieden,
00:34:45
wie viel länger die noch sitzen müssen.
00:34:47
Ob die besondere Schwere der Schuld vorliegt,
00:34:49
ist immer eine Frage zum einen des Gerichts,
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das über die eigentliche Tat entscheidet,
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später, wenn es dann um eine etwaige Aussetzung
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der Haftstrafe geht,
00:34:57
aber auch wieder des Vollstreckungsgerichts.
00:34:59
Und tatsächlich gibt es dann auch nur eine Vorgabe.
00:35:02
Und zwar verlangt der Bundesgerichtshof
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sogenannte Umstände von Gewicht.
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Das klingt ziemlich vage und ist es auch.
00:35:10
Allerdings gibt es so ein paar Kriterien,
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die sich im Laufe der Zeit durchgesetzt haben.
00:35:14
Und zwar wird die besondere Schwere der Schuld
00:35:17
oft dann festgestellt,
00:35:18
wenn TäterInnen besonders brutal und grausam vorgegangen sind.
00:35:21
Oder wenn die Opfer große Qualen erleiden mussten
00:35:24
oder das Verbrechen an sich besonders verachtenswert ist.
00:35:28
Das kann zum Beispiel der Fall sein,
00:35:29
wenn TäterInnen mehrere Mordmerkmale erfüllen
00:35:32
oder wenn es mehrere Opfer gibt,
00:35:35
mehrere Straftaten begangen wurden
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oder das Motiv besonders verwerflich ist.
00:35:40
Ein besonders verwerfliches Motiv gab es zum Beispiel
00:35:43
im Fall des Polizistenmörders vom Anfang dieser Folge.
00:35:47
Weil der hat nach der Tat ausgesagt,
00:35:49
dass er aus allgemeinem Hass gegenüber der Polizei gehandelt hat.
00:35:53
Nun darf man sich das aber auch nicht beispielsweise so vorstellen,
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dass RichterInnen einfach Mordmerkmale zählen,
00:35:59
um dann zu entscheiden,
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ob die besondere Schwere der Schuld angebracht ist.
00:36:02
Oder dass mehrere Opfer automatisch bedeuten,
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dass die besondere Schwere der Schuld bejaht wird.
00:36:08
Tatsächlich kommt es nicht auf einen dieser Faktoren allein an,
00:36:13
sondern es geht um alle Umstände zusammen.
00:36:15
Also Gesamtwürdigung ist dann das Stichwort,
00:36:18
das der Bundesgerichtshof da verlangt.
00:36:20
Und zwar von der Tat und der TäterInnen-Persönlichkeit.
00:36:24
Und bei dieser Gesamtwürdigung kommt RichterInnen ziemlich viel Macht zu.
00:36:29
Zum einen, weil diese Umstände von Gewicht,
00:36:32
von denen Laura gerade gesprochen hat,
00:36:33
eine ziemlich vage Formulierung sind.
00:36:36
Und zum anderen, weil der BGH die Gesamtwürdigung einer Kammer
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nicht einfach durch seine eigene ersetzen kann.
00:36:42
Also sprich, der BGH kann nicht einfach sagen,
00:36:44
also so wie ihr die Umstände jetzt gewichtet habt,
00:36:47
das ist falsch, wir gewichten so und so.
00:36:49
Also wir merken,
00:36:50
die Entscheidung über die besondere Schwere der Schuld
00:36:53
ist immer eine Einzelfallentscheidung.
00:36:55
Und zwar sowohl abhängig von Tat und TäterInnen,
00:36:58
als auch von der jeweiligen Kammer, die das entscheidet.
00:37:01
Es kann so sein, dass eine Kammer
00:37:04
die besondere Schwere der Schuld feststellt
00:37:06
und sieht ganz deutlich,
00:37:07
aber eine andere würde die gar nicht feststellen.
00:37:10
Überregionale Zahlen dazu,
00:37:12
wie häufig die besondere Schwere der Schuld festgestellt wird,
00:37:15
Grundsätzlich gibt es ohnehin
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nicht viele verlässliche Daten dazu.
00:37:20
Zahlen der Leibniz-Universität Hannover
00:37:22
zeigen aber immerhin,
00:37:24
dass 2013 und 2014
00:37:26
jede fünfte Verurteilung wegen Mordes
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mit der besonderen Schwere der Schuld verknüpft wurde.
00:37:31
Und das scheint ein guter Richtwert zu sein.
00:37:34
Die kriminalistische Zentralstelle
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hat nämlich 2021 festgestellt,
00:37:38
dass bei 17,3 Prozent der GefängnisinsassInnen,
00:37:40
die zu lebenslang verurteilt wurden
00:37:43
und in dem Jahr entlassen wurden,
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die besondere Schwere der Schuld vorlag.
00:37:47
Also bei etwa jeder sechsten Person.
00:37:49
Es kommt also gar nicht selten vor,
00:37:51
was ich eigentlich gedacht hätte,
00:37:53
weil ich habe dann mal so Revue passieren lassen
00:37:56
und bei fünf Jahren Mordlust-Recherche
00:37:58
hatte ich die besondere Schwere der Schuld
00:38:00
gefühlt nicht häufig auf dem Tisch.
00:38:03
Nee, würde ich auch sagen.
00:38:04
Also nicht jeder sechste Mord,
00:38:07
den wir hier verhandeln,
00:38:09
in Anführungszeichen,
00:38:10
glaube ich nicht.
00:38:11
Naja, es wäre auch interessant zu wissen,
00:38:13
wie oft wir eigentlich hier von Mord sprechen.
00:38:16
Kann das nicht mal jemand machen,
00:38:18
mit einer KI oder so rausfinden?
00:38:21
Nee, das wäre wirklich toll,
00:38:23
wenn wir hier über alle Fälle,
00:38:24
die wir hier erzählt haben,
00:38:25
so eine Statistik hätten.
00:38:28
Gibt es Menschen mit viel Freizeit da draußen?
00:38:30
Ich hatte es ja erst hier gedacht,
00:38:31
das könnte unsere Redakteurin noch mal nachgucken
00:38:34
und dann dachte ich mir so,
00:38:35
oh, da kriege ich Ärger,
00:38:38
wenn ich so was vorschlange.
00:38:39
Wie lange soll die da ran?
00:38:41
Kannst du bitte noch mal alle Mordlust-Folgen hören?
00:38:44
So, das Interessante ist jetzt,
00:38:46
dass die Geschichte, die ich jetzt erzähle,
00:38:48
sich wirklich komplett von deiner unterscheidet.
00:38:50
Nicht nur von der Tatbegehung,
00:38:52
sondern auch von den Motiven her.
00:38:54
Aber auch wenn wir uns den Fall jetzt nicht
00:38:56
wegen des Oberthemas ausgesucht hätten
00:38:58
und deswegen von vornherein gewusst hätten,
00:39:00
dass die besondere Schwere der Schuld festgestellt wurde,
00:39:02
kann man bei der Tat ganz klar sagen,
00:39:05
das ist ein Anwärter für die besondere Schwere der Schuld.
00:39:08
Mein Fall Laura zeigt,
00:39:12
dass es nicht nur Freundschaften wie unsere gibt,
00:39:16
sondern auch das Schlimmste
00:39:18
in einem Menschen hervorrufen können.
00:39:20
Dieser Fall wird sehr schlimm,
00:39:23
deswegen findet ihr die entsprechende Triggerwarnung
00:39:25
auch in der Folgenbeschreibung.
00:39:26
Alle Namen habe ich geändert.
00:39:28
Schon lang ist er aus ihnen herausgewachsen.
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Seinen winzigen Babyschuhen,
00:39:34
die an den Schnürsenkeln unter dem Rückspiegel baumeln.
00:39:36
Sie schwingen hin und her,
00:39:38
während er den schwarzen Kleinwagen durch die Straßen lenkt.
00:39:41
Heute Nachmittag wusste er noch nicht,
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wie dieser Tag verlaufen würde,
00:39:45
doch nun weiß der Mann am Steuer des Fiat Puntos genau,
00:39:48
was er zu tun hat.
00:39:50
Den Blick nach vorne gerichtet,
00:39:51
greift er zum Handy, um seine Mutter anzurufen.
00:39:54
Er wird heute nicht wie verabredet zum Essen kommen,
00:39:56
das muss er ihr noch sagen.
00:39:58
Er hat andere Pläne.
00:40:00
Und die haben mit etwas zu tun,
00:40:02
was gerade in seinem Kofferraum liegt.
00:40:08
Einige Stunden zuvor.
00:40:10
Es ist ein sonniger Tag,
00:40:11
der die Menschen in Nordrhein-Westfalen erfreut.
00:40:14
Kurz vor den Osterfeiertagen
00:40:16
zeigt sich der Frühling heute von seiner besten Seite
00:40:18
und zieht viele vor die Tür.
00:40:19
So auch Noah und Lina.
00:40:22
Die beiden Kinder hält es an diesem Sonntag nicht im Haus.
00:40:25
Sie wollen raus und etwas erleben.
00:40:27
Schließlich müssen sie sich morgen schon wieder
00:40:29
ihre Ranzen auf die Rücken schnallen und zur Schule.
00:40:31
Noah und Lina sehen einander sehr ähnlich.
00:40:35
Und das liegt nicht nur an den nahezu identischen Brillen,
00:40:38
durch die sie auf die Welt blicken.
00:40:39
Sie haben die gleichen braunen Augen,
00:40:41
das gleiche dunkelblonde Haar.
00:40:43
Bei Lina ist es schulterlang und leicht gelockt.
00:40:46
Noah trägt es kurz.
00:40:47
Optisch könnten die beiden als Zwillinge durchgehen,
00:40:50
wäre da nicht der Altersunterschied von zwei Jahren.
00:40:53
Der Elfjährige und seine neunjährige Schwester
00:40:56
bilden ein klassisches Geschwisterpaar.
00:40:58
Sie streiten und vertragen sich,
00:41:00
beschuldigen und verbünden sich.
00:41:02
Doch allen voran machen sie eins.
00:41:04
Sie spielen miteinander.
00:41:05
Zum Beispiel auf der alten Zeche.
00:41:07
Ein ehemaliges Bergwerk,
00:41:09
in dem früher Steinkohle abgebaut wurde.
00:41:11
Nun, wo es draußen wärmer wird,
00:41:13
suchen sie immer wieder das Gelände auf,
00:41:16
das sich gerade mal einen Kilometer entfernt
00:41:18
von ihrem Zuhause befindet.
00:41:19
Für Noah und Lina gleicht die Zeche
00:41:22
einem Abenteuerspielplatz.
00:41:23
Ihnen macht es großen Spaß,
00:41:25
in die vielen Schächte zu klettern
00:41:26
und die Höhlen zu erkunden.
00:41:28
Deswegen wollen sie auch heute wieder dorthin.
00:41:30
Voller Vorfreude treten die Kinder aus der Haustür
00:41:34
Es wird das letzte Mal sein,
00:41:36
dass sie gemeinsam zum Spielen aufbrechen.
00:41:38
Einige Stunden später.
00:41:41
Es ist ein besorgniserregender Anruf,
00:41:44
der die Polizei an diesem Abend
00:41:45
gegen 20.40 Uhr erreicht.
00:41:47
Am anderen Ende der Leitung
00:41:48
meldet sich eine Frau.
00:41:49
Obwohl sie sich hörbar Mühe gibt, Ruhe zu bewahren,
00:41:52
sind die Angst und die Sorge,
00:41:53
die in ihrer zittrigen Stimme mitschwingen,
00:41:55
nicht zu überhören.
00:41:56
Sie vermisst ihre Kinder.
00:41:58
Am Nachmittag seien ihr Sohn und ihre Tochter
00:42:01
zum Spielen in einer Steinkohlezeche aufgebrochen.
00:42:03
Nach Hause gekommen seien sie jedoch nicht.
00:42:06
In den vergangenen Stunden hätten sie und ihr Mann
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selbst nach den beiden gesucht,
00:42:10
seien umhergelaufen, die Gegend abgefahren.
00:42:13
Doch all das ohne Erfolg.
00:42:14
Ihren Sohn und ihre Tochter hätten sie nicht gefunden.
00:42:17
Noah und Lina sind verschwunden.
00:42:20
Nachdem die Polizei die Vermisstenmeldung aufgenommen hat,
00:42:23
beginnen BeamtInnen mit der Suche nach den Geschwistern.
00:42:26
Nach und nach nehmen sie nahezu jeden Quadratmeter
00:42:29
des Wohnortes der Geschwister unter die Lupe.
00:42:31
Doch nicht nur sie halten Ausschau.
00:42:33
Das Verschwinden von Noah und Lina
00:42:35
hat sich mittlerweile herumgesprochen.
00:42:36
Viele besorgte AnwohnerInnen
00:42:38
haben ihre Abendpläne über Bord geworfen,
00:42:40
um bei der Suche zu helfen.
00:42:42
Wachsam laufen sie Wege und Straßen entlang,
00:42:44
rufen die Namen der Kinder in die Dunkelheit hinaus
00:42:47
und leuchten mit Taschenlampen in düstere Ecken.
00:42:49
Je später es an diesem Sonntag wird,
00:42:52
desto größer wird die Sorge um Noah und Lina.
00:42:55
Während einige bereits vom Schlimmsten ausgehen,
00:42:58
sind andere um Optimismus bemüht
00:43:00
und machen einander Mut.
00:43:01
Mit Sicherheit klärt sich alles auf.
00:43:03
Bestimmt geht es den beiden gut.
00:43:05
So muss es einfach sein.
00:43:07
Alles andere wäre unerträglich.
00:43:11
31. März 2003, der nächste Tag.
00:43:14
Es sind die wohl schlimmsten Momente
00:43:15
im Berufsleben von PolizistInnen.
00:43:17
Seit einigen Minuten
00:43:19
sitzen BeamtInnen der Mordkommission
00:43:21
einer Frau gegenüber,
00:43:21
die einem Zusammenbruch nahe ist.
00:43:24
Es ist die Mutter von Noah und Lina.
00:43:26
Ihr lautes Schluchzen lässt ihren Oberkörper erzittern.
00:43:29
Denn die Nachricht,
00:43:30
die die ErmittlerInnen ihr soeben übermittelt haben,
00:43:32
sollte keinen Elternteil jemals zu hören bekommen.
00:43:36
In der Nähe eines Waldparkplatzes
00:43:38
hat ein Spaziergänger am frühen Morgen
00:43:39
die Leiche eines Kindes entdeckt.
00:43:41
Die Hände gefesselt mit Kabelbinder.
00:43:43
Der Kopf umhüllt von einer Plastiktüte.
00:43:47
Zaghaft zeigen die BeamtInnen der weinenden Frau
00:43:49
ein Bild vom Gesicht des Leichnams,
00:43:51
die nur einen kurzen,
00:43:52
schmerzerfüllten Blick darauf wirft.
00:43:54
Ja, das ist unser Baby,
00:43:58
mit dem sie die Vermutung
00:43:59
der Mordkommission bestätigt.
00:44:03
der gestern Nachmittag
00:44:03
zum Spielen aufgebrochen war,
00:44:05
Von seiner Schwester
00:44:07
fehlt weiterhin jede Spur.
00:44:10
Unmittelbar nach dem Leichenfund von Noah
00:44:11
nimmt die Polizei die Ermittlungen auf.
00:44:13
Für die BeamtInnen gilt es nun herauszufinden,
00:44:16
wer den Elfjährigen,
00:44:17
der laut Obduktionsergebnis erstickt wurde,
00:44:19
gewaltsam aus dem Leben gerissen hat.
00:44:21
Und noch etwas beschäftigt die PolizistInnen.
00:44:24
Wo ist die kleine Lina?
00:44:25
Während hinsichtlich Noah
00:44:28
traurige Klarheit herrscht,
00:44:29
ist das Schicksal der Neunjährigen
00:44:30
nach wie vor ungewiss.
00:44:32
Zwar liegt die Vermutung nahe,
00:44:34
einem Verbrechen zum Opfer gefallen ist.
00:44:36
Schließlich ist sie
00:44:37
am Tag ihres Verschwindens
00:44:38
gemeinsam mit ihrem Bruder
00:44:39
zum Spielen aufgebrochen.
00:44:40
Doch die ErmittlerInnen
00:44:42
geben die Hoffnung nicht auf,
00:44:43
die neunjährige Leben zu finden.
00:44:45
In den kommenden Tagen
00:44:46
wird die Suche nach Lina
00:44:47
daher intensiviert.
00:44:49
Hundertschaften der Polizei
00:44:51
durchkämmen gemeinsam
00:44:52
mit Ehrenamtlichen
00:44:53
des Malteser Hilfsdienstes
00:44:54
die umliegenden Wälder.
00:44:55
PolizeitaucherInnen
00:44:57
nehmen sich jeden
00:44:58
noch so kleinen Tümpel
00:44:59
in der Region vor
00:45:00
und Bundeswehrflugzeuge
00:45:01
halten mit Wärmebildkameras
00:45:03
aus der Luft Ausschau
00:45:04
nach dem vermissten Mädchen.
00:45:06
Die Sorge um Lina
00:45:07
ist in ihrem Wohnort
00:45:08
mittlerweile omnipräsent.
00:45:11
halten AnwohnerInnen
00:45:12
eines der verteilten
00:45:13
Flugblätter in den Händen,
00:45:14
schauen bedrückt
00:45:15
auf das abgebildete Foto
00:45:18
was mit der Neunjährigen
00:45:21
die auch die PolizistInnen
00:45:23
und alle freiwilligen
00:45:24
HelferInnen beschäftigt.
00:45:26
Denn eine Person,
00:45:28
die sich an der Suche
00:45:29
nach Lina beteiligt,
00:45:30
sorgt sich nicht
00:45:31
wirklich um sie.
00:45:33
ist nur Fassade.
00:45:35
was mit dem kleinen Mädchen
00:45:37
Fünf Tage später.
00:45:40
Das rot-weiß gestreifte
00:45:42
unterbricht das harmonische
00:45:43
Grün der umliegenden Bäume.
00:45:45
An anderen Tagen
00:45:46
bietet das Waldstück
00:45:47
eine idyllische Kulisse.
00:45:49
am 6. April 2003,
00:45:57
nach Lina gesucht,
00:45:58
nachdem ihr Bruder
00:45:59
schon gefunden wurde.
00:46:01
der am heutigen Sonntag
00:46:02
zu einem Ende kommt.
00:46:04
zu keinem Glücklichen.
00:46:05
Auch Lina ist tot.
00:46:07
Ein Spaziergänger
00:46:08
hat ihre Leiche hier
00:46:09
rund 50 Kilometer
00:46:10
von ihrem Zuhause
00:46:11
entfernt gefunden.
00:46:16
Plastiktüte bedeckt.
00:46:17
Die PolizistInnen
00:46:20
blasses Gesicht schauen
00:46:21
und auf die Striemen,
00:46:22
die ihren schmalen Hals
00:46:24
Lina wurde erdrosselt.
00:46:26
Genauso wie Noah
00:46:30
Die traurige Gewissheit
00:46:32
der Neunjährigen
00:46:34
ErmittlerInnen zu.
00:46:36
Lina lebendig zu finden,
00:46:37
war von Tag zu Tag
00:46:39
geringer geworden.
00:46:40
Das war ihnen klar.
00:46:42
steht ihnen erneut
00:46:43
die schlimmste Aufgabe
00:46:46
den Eltern beibringen.
00:46:52
hängt wie eine dunkle
00:46:54
55.000 EinwohnerInnen
00:46:57
betreten zahlreiche
00:46:58
Menschen an diesem
00:46:59
die katholische Kirche
00:47:00
mit der rotbraunen
00:47:01
Die schwarze Kleidung,
00:47:03
die die meisten von ihnen
00:47:05
bildet einen Kontrast zu den
00:47:06
weißen Wänden und dem
00:47:08
Tageslicht, das durch die
00:47:09
großen Fenster hineindringt.
00:47:10
Etwa zwei Wochen nach dem
00:47:12
Verschwinden von Noah und Lina
00:47:13
ist heute der Tag gekommen,
00:47:15
an dem die Kinder
00:47:16
beigesetzt werden.
00:47:17
Auf einem Friedhof,
00:47:18
der nur einen Katzensprung
00:47:20
von ihrem Zuhause
00:47:21
werden sie künftig
00:47:22
ihre letzte Ruhe finden.
00:47:24
Doch zunächst soll ein
00:47:25
Trauergottesdienst an das
00:47:27
Leben der Geschwister
00:47:28
Ein Leben, das viel zu
00:47:30
kurz war und das durch ein
00:47:31
Verbrechen gewaltsam beendet
00:47:33
Etwa 1500 Personen sind
00:47:36
gekommen, um an der Messe
00:47:38
Familienmitglieder und
00:47:39
FreundInnen, aber auch
00:47:40
LehrerInnen und ganze
00:47:42
Vor allem für die anwesenden
00:47:44
Kinder ist der Tod von Noah
00:47:45
und Lina unbegreiflich.
00:47:47
Noch vor kurzem saßen sie
00:47:49
gemeinsam im Klassenzimmer und
00:47:50
sind über den Schulhof
00:47:52
Nun müssen sie von den
00:47:53
beiden Abschied nehmen.
00:47:54
Da die Kirche nicht auf so
00:47:56
viele Menschen ausgelegt ist,
00:47:58
müssen viele der Trauergäste
00:47:59
draußen bleiben.
00:48:00
Ein Lautsprecher, der extra
00:48:01
für den heutigen Tag
00:48:02
aufgestellt wurde, gibt ihnen
00:48:03
dennoch die Möglichkeit, den
00:48:05
Gottesdienst zu verfolgen.
00:48:06
Wer dagegen einen Platz auf
00:48:08
einer der Holzbänke drinnen
00:48:09
ergattert hat, wird nicht nur
00:48:11
Zeug in emotionaler Worte,
00:48:12
sondern auch eines traurigen
00:48:15
Am Altar stehen zwei kleine
00:48:17
Särge aus Buchenholz, verziert
00:48:19
mit zahlreichen roten Rosen.
00:48:21
In Liebe Mama und Papa
00:48:22
steht in geschwungener
00:48:23
Schrift auf einem weißen
00:48:25
Die Eltern von Noah und Lina
00:48:27
haben in einem Seitenschiff
00:48:28
der Kirche Platz genommen.
00:48:30
Etwas abseits der
00:48:31
trauernden Menge lauschen sie
00:48:33
von dort aus den Worten
00:48:34
Für den Geistlichen, der den
00:48:36
Gottesdienst leitet, sind die
00:48:37
getöteten Kinder keine
00:48:39
Erst vor zwei Jahren stand
00:48:41
er Noah und Lina in dieser
00:48:42
Kirche gegenüber, als er die
00:48:44
Kommunion der beiden
00:48:45
durchgeführt hat.
00:48:46
Die Worte, die er zu
00:48:47
Beginn seiner Predigt
00:48:48
spricht, zeugen von
00:48:49
Fassungslosigkeit und Schmerz
00:48:52
Am liebsten möchte ich
00:48:54
schweigen, gesteht er den
00:48:55
Ein Satz, mit dem er
00:48:57
vermutlich vielen aus der
00:48:59
Doch Trauer und Anteilnahme
00:49:01
beschränken sich nicht nur
00:49:02
auf die Kulisse der
00:49:03
Immer wieder sieht man
00:49:05
heute, am Tag von
00:49:06
Noahs und Linas Beisetzung,
00:49:08
Antennen schwarze
00:49:09
Schleifen befestigt
00:49:10
Viele Geschäfte haben
00:49:12
zudem ihre Ladentüren
00:49:13
verriegelt und Schaufenster
00:49:15
Sie bleiben heute
00:49:17
Das grausame Schicksal der
00:49:19
getöteten Kinder ist omnipräsent
00:49:20
bei Menschen in ihrem
00:49:22
Und das auch noch Tage
00:49:24
Denn neben Entsetzen ist da
00:49:26
noch etwas, das der Tod von
00:49:28
Noah und Lina in ihnen
00:49:31
Die Tatsache, dass die
00:49:33
Person, die Noah und Lina
00:49:34
getötet hat, noch frei
00:49:35
herumläuft, gleicht vor allem
00:49:37
für Eltern einem echten
00:49:39
Viele Mütter und Väter lassen
00:49:40
ihren Nachwuchs nicht mehr
00:49:41
alleine draußen spielen.
00:49:43
Orte, die einst von herzlichem
00:49:45
Kinderlachen erfüllt wurden, sind
00:49:46
nun ebenso verlassen wie
00:49:48
Und SchülerInnen, die sich vor
00:49:50
kurzem noch alleine auf den
00:49:51
Weg zur Schule machten, werden
00:49:52
nun schützend von ihren
00:49:53
Eltern begleitet.
00:49:54
Eines ist allen hier
00:49:57
Die Normalität wird erst
00:49:59
wieder einkehren, wenn das
00:50:00
Verbrechen an Noah und Lina
00:50:02
Das ist auch der
00:50:05
Während Eltern ein
00:50:06
wachsames Auge auf ihre
00:50:07
Kinder werfen, laufen die
00:50:08
Ermittlungen weiter auf
00:50:10
Insgesamt 80 BeamtInnen einer
00:50:12
Sonderkommission setzen nun
00:50:13
alles daran, herauszufinden, was
00:50:15
den Geschwistern am 30.
00:50:16
März widerfahren ist.
00:50:18
Und vor allem, wer für ihren
00:50:20
Tod verantwortlich ist.
00:50:21
In den ersten Tagen, nach dem
00:50:23
Fund von Linas Leiche, haben
00:50:25
sich die Ermittlungen vor allem
00:50:26
im Verborgenen abgespielt.
00:50:28
Immer wieder hatten
00:50:29
PolizistInnen neugierige
00:50:30
JournalistInnen vertröstet, die
00:50:32
sich nach dem Stand der
00:50:33
Ermittlungen erkundigt
00:50:34
Doch nun, wenige Tage nach der
00:50:37
Beisetzung der Kinder, geht die
00:50:38
Sondereinheit erstmals an die
00:50:40
Denn die BeamtInnen sind auf der
00:50:42
Suche nach möglichen
00:50:44
Und das aufgrund konkreter
00:50:46
Am Tag des Verschwindens von
00:50:48
Noah und Lina hatte ein Anrufer
00:50:49
bei der Polizei einen schwarzen
00:50:51
Kleinwagen gemeldet, der sich
00:50:52
ungewöhnlich fortbewegt hatte.
00:50:54
Das Auto sei Schlangenlinie
00:50:56
gefahren und habe einen
00:50:57
Dauerhubton von sich gegeben.
00:50:58
Und ein Kind habe immer wieder
00:51:00
gegen eines der Fenster
00:51:02
Am Tag der Meldung hatten
00:51:03
PolizistInnen dieser
00:51:04
Beobachtung noch nicht viel
00:51:06
Bedeutung beigemessen.
00:51:07
Nun ziehen die ErmittlerInnen
00:51:09
jedoch in Erwägung, dass es
00:51:10
womöglich Noah oder Lina
00:51:12
waren, die panisch auf sich
00:51:13
aufmerksam machten.
00:51:14
Ein verzweifeltes Hämmer nach
00:51:16
Hilfe, die niemals kam.
00:51:17
Doch das ist nicht der
00:51:19
einzige Hinweis.
00:51:20
An den Fundorten haben
00:51:22
ErmittlerInnen männliche
00:51:23
DNA sichergestellt.
00:51:24
Zudem wurde an einer
00:51:26
Elektrikerzange, die nur
00:51:27
wenige Meter von Noahs
00:51:28
Leiche entfernt lag, ein
00:51:29
Fingerabdruck extrahiert.
00:51:31
Um diese Spuren verwertbar
00:51:33
zu machen, kündigt die
00:51:34
Mordkommission nun, knapp
00:51:35
zwei Wochen nach dem
00:51:36
Verschwinden der
00:51:37
Geschwister, Großes an.
00:51:38
Ein Massengentest.
00:51:40
Mehr als 2000 Männer
00:51:41
zwischen 14 und 70 Jahren
00:51:43
aus der Region sollen schon
00:51:44
bald freiwillig ihre
00:51:45
Münder öffnen, wenn die
00:51:46
Polizei die Wattestäbchen
00:51:48
Ein Vorhaben, von dem sich die
00:51:50
Ermittlenden viel
00:51:51
Doch zur Durchführung
00:51:53
dieses Tests soll es nicht
00:51:54
Die Stäbchen bleiben
00:51:56
Und das aus einem guten
00:51:58
In den Tagen nach dem
00:52:00
Zeuginnenaufruf der Polizei
00:52:01
klingeln die Telefone der
00:52:03
Beamtinnen nahezu in
00:52:05
Immer wieder wählen
00:52:06
Menschen die Hotline, die
00:52:07
die Mordkommission extra für
00:52:09
den Fall eingerichtet hat, um
00:52:10
ihre Beobachtungen oder
00:52:11
Vermutungen mitzuteilen.
00:52:12
Und irgendwann fällt den
00:52:14
Ermittlenden auf, eine
00:52:15
Stimme ist ihnen mittlerweile
00:52:18
Denn es gibt eine Person, die
00:52:19
sich regelmäßig bei ihnen
00:52:21
Hinweise hat sie nicht.
00:52:23
Stattdessen gibt der Mann an,
00:52:24
sich nach dem Stand der
00:52:25
Ermittlungen erkundigen
00:52:28
Wieder und wieder.
00:52:30
So viel Interesse, das
00:52:32
kommt den Beamtinnen
00:52:34
Sie beschließen, den
00:52:35
Unbekannten genauer unter die
00:52:37
Und auf den ersten Blick
00:52:39
entpuppt sich der Neugierige
00:52:40
als echter Wohltäter.
00:52:42
Als ehrenamtliches
00:52:43
Mitglied der Malteser
00:52:44
Hilfsorganisation setzt er
00:52:46
sich regelmäßig für
00:52:47
andere ein und hat sich in
00:52:48
den vergangenen Wochen
00:52:49
sogar an der Suche nach
00:52:51
Da den PolizistInnen seine
00:52:53
ständigen Nachfragen dennoch
00:52:54
suspekt vorkommen,
00:52:55
entscheiden sie sich dazu,
00:52:57
ihm einen Besuch abzustatten
00:52:58
und fahren zu seiner Wohnung.
00:53:00
Immer wieder betätigen sie die
00:53:02
Klingel und klopfen an die Tür
00:53:03
und verschaffen sich letztendlich
00:53:06
Eine Entscheidung, die sich als
00:53:08
richtig erweist.
00:53:09
Denn lange müssen die
00:53:10
BeamtInnen sich nicht umsehen,
00:53:11
um etwas zu entdecken,
00:53:12
das ihre Aufmerksamkeit
00:53:14
In einem der Räume finden sie
00:53:16
ein Werkzeug, das ihnen
00:53:17
bekannt vorkommt.
00:53:18
Eine Elektrikerzange.
00:53:20
Und zwar nicht irgendeine,
00:53:22
sondern genau dasselbe Modell,
00:53:24
das neben Noas Leiche gefunden
00:53:26
Es ist der Moment, in dem den
00:53:28
BeamtInnen klar wird, sie sind
00:53:30
auf der richtigen Spur.
00:53:31
Zwei Tage später.
00:53:33
Sieht so ein Kindermörder aus?
00:53:36
Es ist eine Frage, die sich
00:53:38
vermutlich viele Menschen
00:53:39
stellen, die an diesem Tag das
00:53:40
Fahndungsfoto der Mordkommission in
00:53:42
der Presse betrachten.
00:53:43
Denn rein optisch wirkt das, was
00:53:46
sie dort sehen, völlig unscheinbar.
00:53:48
Das volle Gesicht und die gerütteten
00:53:50
Wangen wirken beinahe kindlich.
00:53:52
Genauso wie sein zaghaftes
00:53:54
Lächeln, das den Blick auf eine
00:53:55
Zahnlücke freigibt.
00:53:57
Der 28-jährige Nico Blümel wird
00:53:59
seit heute polizeilich gesucht.
00:54:01
Doch er ist nicht der Einzige.
00:54:03
Neben ihm ist noch ein weiterer
00:54:06
Mann abgelichtet.
00:54:07
Paul Fischer steht darunter.
00:54:09
Der schmale Mann hat eine
00:54:10
Halbglatze und trägt eine Brille
00:54:12
mit runden, gerahmten Gläsern.
00:54:14
Der 33-jährige Paul Fischer und
00:54:17
der 28-jährige Nico Blümel werden
00:54:19
seit heute polizeilich gesucht.
00:54:21
Sie sind diejenigen, die Noah und
00:54:23
Lina getötet haben.
00:54:24
Davon gehen die ErmittlerInnen der
00:54:26
Mordkommission fest aus.
00:54:28
Aufgrund seiner ständigen Anrufe
00:54:31
war Blümel der Erste, der in den
00:54:32
vergangenen Tagen ins Visier der
00:54:34
Mordkommission geraten war.
00:54:35
Zudem wurde auf der Zange, welche
00:54:37
die ErmittlerInnen in seiner
00:54:38
Wohnung gefunden hatten, der gleiche
00:54:40
genetische Fingerabdruck festgestellt,
00:54:42
wie auf dem Werkzeug, das an Noas
00:54:44
Leichenfundort gefunden worden war.
00:54:46
Aber an dem Auffindeort war nicht nur die
00:54:48
DNA-Spur von einem, sondern von zwei
00:54:51
Männern sichergestellt worden.
00:54:52
Und dieser zweite soll Blümels Freund
00:54:55
und Nachbar Fischer sein.
00:54:56
Ein Mann, mit dem Blümel Tür an Tür
00:54:58
wohnt, viel Zeit verbringt und der in der
00:55:00
Vergangenheit nicht nur erwachsene Frauen
00:55:02
sexuell belästigt hat, sondern auch
00:55:05
Dass bei Blümel und Fischer trotz
00:55:07
Haftbefehl die Handschellen noch nicht
00:55:09
geklickt haben, liegt daran, dass sie
00:55:12
NachbarInnen geben an, die beiden Männer
00:55:14
das letzte Mal vor zwei Tagen gesehen zu
00:55:16
Seitdem fehlt von ihnen jede Spur.
00:55:19
Genauso wie von Blümels Auto.
00:55:21
Ein schwarzer Fiat Punto.
00:55:23
Die Polizei ist sich sicher, es ist der Wagen, mit
00:55:26
dem sie auf und davon sind, in dem sie ihrer
00:55:29
Verhaftung entgehen wollen und in dem
00:55:31
womöglich vor wenigen Wochen ein Kind
00:55:34
voller Todesangst gegen die Scheibe
00:55:37
Der nächste Tag.
00:55:39
Mit knatternden Geräuschen nähert sich der
00:55:41
Hubschrauber dem Flugplatz.
00:55:42
Die Männer, die wenig später herausgeführt
00:55:44
werden, werden bereits erwartet.
00:55:46
Und zwar von Menschen in Uniform.
00:55:48
Es sind Blümel und Fischer.
00:55:50
In Handschellen führen
00:55:52
Polizeibeamte sie zu den
00:55:53
Einsatzfahrzeugen, während Jacken, die sie
00:55:55
über ihren Köpfen tragen, ihre Gesichter
00:55:58
Nur einen Tag nach Beginn der
00:56:00
Öffentlichkeitsverhandlung werden Blümel
00:56:01
und Fischer an diesen Gründonnerstag der
00:56:03
Polizei übergeben.
00:56:04
Ein aufmerksamer Autofahrer hatte den
00:56:07
schwarzen Fiat mit dem gesuchten
00:56:08
Kennzeichen am frühen Morgen auf einer
00:56:10
Autobahn Richtung Basel entdeckt.
00:56:13
Kurze Zeit später wurden die flüchtigen
00:56:15
Männer an einer Raststätte festgenommen und
00:56:17
über den Luftweg nach Deutschland
00:56:20
Die Festnahme von Blümel und Fischer
00:56:22
lassen Polizei und Bevölkerung
00:56:24
Endlich sind die Männer
00:56:26
geschnappt, die Noah und Lina getötet
00:56:29
Endlich können Eltern ihre Kinder
00:56:31
wieder unbesorgt draußen spielen
00:56:33
In ihren Vernehmungen zeigen sich
00:56:35
Blümel und Fischer geständig.
00:56:36
Mehr noch, sie sind nahezu
00:56:39
Ausgiebig und präzise schildern sie die
00:56:41
Einzelheiten ihrer Taten.
00:56:43
Wie sie Noah und Lina beim
00:56:45
Spielen entdeckt haben.
00:56:46
Sie mit einer perfiden Masche zum
00:56:48
Auto gelockt haben und dass sie Noah
00:56:50
töteten, um sich ungestört Lina
00:56:52
widmen zu können.
00:56:53
Es sind Details, die den
00:56:55
VernehmungsbeamtInnen klar machen.
00:56:57
Die letzten Stunden von Noah und Lina
00:56:59
gleichen einem Martyrium.
00:57:00
Und dafür gehören die Männer
00:57:04
Es ist eine angespannte Stimmung, die vor
00:57:08
dem Landgericht herrscht.
00:57:10
Knapp sieben Monate nach dem Tod von
00:57:11
Noah und Lina ist nun der Tag
00:57:13
gekommen, an dem der Prozess gegen
00:57:15
ihre Peiniger beginnt.
00:57:16
Ein Ereignis, das die Emotionen
00:57:18
hochkochen lässt.
00:57:19
Denn zuletzt hatten Staatsanwaltschaft
00:57:21
und Mordkommission bestätigt, dass es
00:57:23
Blümel und Fischer offenbar nicht nur
00:57:24
darum ging, Noah und Lina zu töten.
00:57:26
Sie hatten auch ein sexuelles Motiv.
00:57:29
Im Landgericht ist die
00:57:30
Polizeipräsenz gewaltig.
00:57:32
Denn für den Prozess gelten hohe
00:57:34
Sicherheitsvorkehrungen.
00:57:35
So nehmen Fischer und Blümel, die an
00:57:37
diesem Mittwoch nacheinander den
00:57:38
Schwurgerichtssaal betreten, hinter
00:57:40
einer Panzerglas-Scheibe auf der
00:57:41
Anklagebank platz.
00:57:42
Die Plätze neben der
00:57:44
Staatsanwaltschaft bleiben unterdessen
00:57:46
Zwar treten die Eltern von Noah und
00:57:48
Lina die Nebenklage an, am Prozess
00:57:50
teilzunehmen und jenen Männern ins
00:57:52
Gesicht zu blicken, die ihnen das
00:57:53
Liebste genommen haben, das schaffen
00:57:55
sie jedoch nicht.
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Gemeinschaftlicher Mord,
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Freiheitsberaubung mit Todesfolge
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und sexueller Missbrauch.
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So lautet die Anklage der
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Staatsanwaltschaft.
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Schwerwiegende Vorwürfe, auf die
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Blümel und Fischer unterschiedlich
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Der 28-jährige Blümel, gekleidet im
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blauen Hemd und dunklem
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Nadelstreifenanzug, wirkt aufgeregt und
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nahezu ängstlich.
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Immer wieder zupft er seine Krawatte
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zurecht und schaut betreten zu Boden.
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Ganz anders als Fischer.
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Mit verschränkten Armen lauscht der
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33-Jährige der Anklageverlesung und
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wirkt teilnahms- und
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Ab und an verraten seine zuckenden
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Mundwinkel jedoch, dass er nur schwer
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ein Grinsen zurückhalten kann.
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Die Männer auf der Anklagebank würdigen
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sich keines Blickes.
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Nun, wo ihnen der Prozess gemacht wird,
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haben sie sich offensichtlich nichts mehr
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Dabei ist es noch nicht lange her, dass die
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beiden unzertrennlich waren, viel Zeit
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miteinander verbrachten und gegenseitig das
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Schlimmste ineinander zum Vorschein
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1993, zehn Jahre zuvor, lernen sich Fischer und Blümel in einem
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Spielzeuggeschäft kennen.
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Blümel schaut sich dort gerade Modellautos an, die er leidenschaftlich
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Die Männer kommen ins Plaudern und verstehen sich auf Anhieb.
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Der damals 18-jährige und unsichere Blümel ist beeindruckt von Fischers
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sicherem Auftreten und seiner forschen Art.
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Als die beiden schließlich Wohnungen im selben
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Mehrfamilienhaus beziehen und fortan Tür an Tür
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wohnen, verbringen sie noch mehr Zeit
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Vor allem Fischer ist oft zu Hause.
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Er ist arbeitslos und verdient sich lediglich mit
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Hausmeister-Tätigkeiten im gemeinsamen
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Wohnhaus ab und an etwas dazu.
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Blümel dagegen ist als
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Industrieelektroniker oft auf Montage.
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Die freien Tage, die er hat, wird mit
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er jedoch seinem Freund und Nachbar.
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Regelmäßig sitzen die zwei
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in einer der beiden Souterrain-Wohnung
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zusammen, tauschen sich aus, reden
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über Motorsport und trinken
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Rotwein. Und nach einigen
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Gläsern wird immer wieder klar, schnelle
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Fahrzeuge sind nicht das einzige gemeinsame
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Interesse der Männer.
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Sie teilen auch gewisse Fantasien.
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Furchtbare Fantasien.
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Und in denen spielen Kinder die Hauptrolle.
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Bereits seit einigen Jahren hat Blümel
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grausame Vorstellungen.
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Immer wieder stellt er sich vor, ein kleines
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Mädchen gefangen zu halten, sich an ihm
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zu vergehen und es zu quälen.
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Mit erwachsenen Frauen kann der unsichere
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Elektriker nichts anfangen.
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Sie schüchtern ihn ein und machen ihm
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Erst recht, seit er das erste Mal im Bett
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Zitat versagt hat.
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So erzählt er es später vor Gericht.
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Kindern dagegen fühlt er sich überlegen und
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diese Position gefällt ihm weitaus besser.
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Ähnlich ist das bei Fischer, in dem Blümel
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einen Gleichgesinnten gefunden hat.
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Fischer ist Exhibitionist.
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Immer wieder steht er nackt und
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masturbierend am Fenster, wenn
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Schulkinder daran vorbeilaufen.
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Es ist ein Verhalten, das ihm nicht nur
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immer wieder Probleme mit der Polizei
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einbringt, sondern auch ein Spitznamen.
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Rubbelmann, so nennen ihn die Kinder, die ihn
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regelmäßig entdecken.
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Eine Bezeichnung, die keine weitere
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Erklärung braucht.
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Habe ich das erzählt, dass mir das auch mal
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Da war ich vielleicht so 13 oder so.
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Da bin ich von der Schule nach Hause
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gelaufen, so einen Berg runter und da
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klatschte das dann irgendwie so ans Fenster
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und dann guckte ich so und dann sah ich
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halt da nur so Beine und halt einen
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wedelnden Penis.
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Der halt gegen das Fensterglas so
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ekelhaft geschlagen wurde vom Besitzer.
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Ob Blümel und Fischer Noah und Lina
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wirklich getötet haben, daran hegt im
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Gerichtssaal niemand auch nur einen
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Schließlich hatten die Angeklagten bereits
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kurz nach ihrer Verhaftung gestanden.
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Und auch nun, in Anwesenheit der
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Schwurgerichtskammer, sind beide bereit,
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über ihre Taten zu sprechen.
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Anders als Fischer, der während seiner
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Schilderung keinerlei Emotionen zeigt,
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bricht der jüngere Blümel dabei immer
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wieder in Tränen aus.
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Er habe nie vorgehabt, seine Fantasien
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in die Tat umzusetzen, beteuert er.
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Alles sei von Fischer ausgegangen.
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Der habe das Sagen gehabt, sei die
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treibende Kraft hinter den Verbrechen
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Doch seinem ehemaligen Freund die
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alleinige Schuld zuzuschieben, das
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gelingt Blümel nicht.
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Denn mit jedem grausamen Detail, das
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sie schildern, rekonstruieren sie nicht
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nur das Martyrium, das Noah und Lina
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erleiden mussten.
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Ihre Aussagen machen vielmehr deutlich,
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frei von Schuld ist keiner von ihnen.
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Ganz im Gegenteil.
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Am 30. März 2003 sitzen Blümel und Fischer
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wieder einmal gemeinsam im Auto.
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Bereits seit Monaten fahren sie
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regelmäßig durch die Gegend, um
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Ausschau nach jungen Mädchen zu halten.
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Auf die Pirsch fahren, so bezeichnet
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An einer verlassenen Steinkohlezeche
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entdecken die beiden schließlich
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zwei spielende Kinder, Noah und Lina.
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Vor allem die Neunjährige weckt das
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Interesse der Männer.
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Um die Kinder nicht sofort zu
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verschrecken, haben sich Blümel und Fischer
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eine perfide Masche überlegt.
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Sie geben sich als Zivilbeamte aus.
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Blümel ist dafür extra in eine alte
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Polizeijacke geschlüpft, die er zuvor
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übers Internet erworben hat.
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Als die Männer sich den Kindern nähern,
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erhebt Fischer seine Stimme.
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Halt, Polizei, ruft er.
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Dann zücken die beiden ihre vermeintlichen
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Dienstausweise, die nichts weiter als
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Videothekausweise sind und fordern die Kinder
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auf, ihnen zum Auto zu folgen.
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Noah und Lina offenbar eingeschüchtert
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Dann geht's ganz schnell.
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Blümel und Fischer packen nun die arglosen
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Geschwister, fesseln sie und bringen sie mit
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Klebeband auf ihren Mündern zum Schweigen.
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Dann zerren sie Noah und Lina in Blümels
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Auto und verstecken sie unter einer Decke.
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Eine ganze Weile fahren die beiden mit den
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verängstigten Kindern auf der Rückbank
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durch die Gegend.
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Minuten, in denen eines von ihnen womöglich
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panisch gegen ein Fenster klopft.
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Erst als die Dunkelheit das Tageslicht
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verdrängt, parken sie den Wagen in der
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Tiefgarage ihres Wohnhauses.
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Noah sperren sie in den Kofferraum.
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Lina nehmen sie mit in eine ihrer
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Mit ihr haben sie konkrete Pläne.
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Und da der Junge dabei nur stören würde,
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Da sind sich die beiden einig.
01:03:50
Während Fischer Lina bewacht, setzt sich
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Blümel also erneut hinter der Steuer und
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Während er den schwarzen Fiat durch die
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Straßen lenkt, in dessen Kofferraum Noah
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liegt, greift er zum Handy, um seine
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Mutter anzurufen.
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In einem kurzen Telefonat sagt er ihr, dass er
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heute nicht wie verabredet zum Essen kommen
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Er hat andere Pläne.
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Nach einigen Minuten erreicht der 28-Jährige
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schließlich einen abgelegenen
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Waldparkplatz und zerrt Noah heraus.
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Zunächst stülpt er ihm eine Tüte über den
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Ich konnte seinen Anblick nicht ertragen,
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gesteht er dem vorsitzenden Richter.
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Dann drückt er mit den Händen zu und tötet
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den Elfjährigen.
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Ein Entschluss, den auch der Mann bestätigt,
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der mit ihm auf der Anklagebank sitzt.
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Der Junge musste sterben, weil er seine Schwester
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nicht beschützt hat, stellt es Fischer dar.
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Eine furchtbare Behauptung.
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Als Blümel am Abend des 30.
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März schließlich nach dem Mord an Noah zurück
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nach Hause kehrt, erwartet Fischer ihn bereits.
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Gemeinsam fesseln sie Lina nun ans Bett,
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verbinden ihr die Augen und vergehen sich
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nacheinander an ihr.
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Den ganzen Abend.
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Die ganze Nacht.
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Ab und zu lösen sie ihre Fesseln,
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um mit ihr in die Wohnung nebenan zu wechseln.
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Es sind kurze Momente, in denen Lina den
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Höllenqualen entkommt.
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Doch kurz danach setzen die Männer den
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Missbrauch fort.
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Zwei Tage dauert das Leiden des kleinen Mädchens
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Dann beschließen Blümel und Fischer, auch sie zu
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In einem Waldstück legt Fischer ihr eine
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Paketschnur um den Hals und zieht zu.
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Als Lina wimmert, dass sie keine Luft mehr
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kriegt, sagt er ihr, Zitat,
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Statt, dass das ja auch Sinn und Zweck
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Als es den beiden Männern schließlich zu
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lange dauert, legt auch Blümel
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wortwörtlich Hand an und drückt Lina
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den Hals zu, bis das Leben aus ihr
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Anschließend fahren die Männer nach Hause,
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als sei nichts gewesen.
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Die Anwesenden im Gerichtssaal sind
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Die detaillierten Erzählungen der Täter sind
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für die meisten von ihnen kaum zu
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Auf den ZuschauerInnenbänken tauschen
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viele Menschen geschockte Blicke aus.
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Andere zücken immer wieder die
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Taschentücher, um sich die Tränen aus
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ihren Gesichtern zu wischen.
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Noah und Lina mussten Furchtbares
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Das ist spätestens jetzt allen von
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Doch eine Sache bleibt nach wie vor
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Was hat Blümel und Fischer zu Tätern
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solch grausamer Verbrechen gemacht?
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Es ist eine Frage, die beide selbst
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vor Gericht zu beantworten versuchen.
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Und zwar mit Ausführungen, die nur so
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vor Selbstmitleid triefen.
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Denn sowohl Fischer als auch Blümel
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machen Erlebnisse in ihrer Kindheit
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für ihre dunklen Gedanken
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Vor allem der 28-jährige Blümel
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suhlt sich nahezu in seiner Opferrolle.
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Hänselein, Mobbing, Prügel, all diese
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Dinge seien in seiner Kindheit
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omnipräsent gewesen.
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Und auch jetzt als Erwachsener
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würde man ihn stets klein halten,
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ihn für dumm verkaufen.
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Daher habe er sich ein Ventil
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Ich tauchte in Fantasien ab,
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sagt er dem Vorsitzenden
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Fantasien, in denen ich die
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Kränkung, die ich tagtäglich
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erlebte, heimzahle.
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Also sorry, aber der Typ soll
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einfach seine Klappe halten.
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Der macht mich so
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Und auch Fischer macht deutlich,
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dass er die Schuld für die
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Verbrechen an Noah und Lina
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keinesfalls nur bei sich sieht.
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Als er dem Gericht etwa
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schildert, dass er sich extra
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Zeit gelassen habe, Lina zu
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erdrosseln, macht er klar,
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ich wollte Rache nehmen, weil ich
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als Hausmeister oft von Kindern
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geärgert worden bin.
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Rache an einer Neunjährigen.
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Blümel und Fischer, sie beide
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sprechen lang und ausführlich
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über Kränkungen, die sie erlebt
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Doch es sind Angaben, von denen
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sich das Gericht unbeeindruckt
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Das Urteil, das am 8.
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Dezember verkündet wird, sorgt
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daher für keine großen
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Sowohl Blümel als auch Fischer
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werden wegen gemeinschaftlichen
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Mordes an Noah und Lina,
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Freiheitsberaubung mit
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Todesfolge sowie Missbrauch von
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Kindern zu einer lebenslangen
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Haftstrafe verurteilt.
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Gerade mal 40 Minuten dauert
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die Begründung des
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Vorsitzendenrichters.
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Er verzichtet darauf, den
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Tathergang noch einmal zu
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Er ist sich sicher, alle haben
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Der Jurist betont, dass er noch
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nie einen Fall verhandelt
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habe, der so verachtend,
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kaltherzig und unbegreiflich
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Bei der Begehung ihrer Taten
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hätten Blümel und Fischer als
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gleichwertige Partner gehandelt.
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Für sich genommen seien die
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beiden eher ängstliche, feige und
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harmlose Menschen.
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Gemeinsam hätten sie jedoch eine
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verhängnisvolle Gemeinschaft
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gebildet und sich in
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tragischer Weise ergänzt.
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Für das, was die beiden getan
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haben, gibt es keine
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Davon ist der Vorsitzende
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überzeugt und erkennt bei beiden
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Männern die besondere Schwere der
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Blümel und Fischer hätten ein
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grausames Verbrechen begangen, das
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an Kaltherzigkeit kaum zu
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übertreffen sei.
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Das zeige sich allein an der
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Vielzahl von Mordmerkmalen, die
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beide mit den Tötungen der Kinder
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So hätten Blümel und Fischer mit der
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Auslebung ihrer lang gehegten
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Fantasien nicht nur aus niedrigen
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Beweggründen gehandelt, sie hätten
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Noah und Lina auch getötet, um ihre
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zuvor begangene Straftat, nämlich die
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Freiheitsberaubung der Kinder, zu
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Zudem hätten beide mit dem Mord an
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Noah das Mordmerkmal der
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Ermöglichungsabsicht erfüllt.
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Der Junge habe sterben müssen, damit
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Fischer und Blümel sich ungestört dem
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Missbrauch der kleinen Schwester
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Diesen Männern die Möglichkeit zu geben,
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nach 15 Jahren wieder in Freiheit zu
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leben, ist mehr als unangemessen, meint die
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Mit der Begründung der besonderen
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Schuldschwere stellt der Richter Blümel
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und Fischer zugleich eine düstere
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Zukunftsprognose.
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Das, was die beiden in Haft erwarten,
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sei womöglich, Zitat, schlimmer als die
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Im Gefängnis könnten sie sich auf lange
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Zeit nicht sicher bewegen.
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Als Kindermörder und Kinderschänder
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würden sie dort auf der untersten
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Es sind Worte, die die Männer auf der
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Anklagebank unterschiedlich aufnehmen.
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Blümel weint leise vor sich hin.
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Fischer dagegen blickt starr und
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Kaugummi-Count aus dem Fenster.
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Hinaus in die Freiheit, die er und sein
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Komplize womöglich nie wieder erlangen
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Der Tod von Noah und Lina, er hat Spuren in
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ihrem Heimatort hinterlassen.
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Auch Jahre nach den grausamen Verbrechen an
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den Kindern suchen Menschen immer wieder die
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letzte Ruhestätte der Geschwister auf.
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Sie legen Blumen ab, zünden Kerzen an,
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betrachten die goldene Sonne, die auf dem
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geschwungenen Grabstein aus grauem Marmor
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eingraviert ist.
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Ein Symbol, das nur kurzfristig Trost
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Denn Fakt ist, gegen die Dunkelheit, die seit
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den Morden an Noah und Lina in die Herzen der
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AnwohnerInnen eingezogen ist, hat die Sonne
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Genau wie du gesagt hast am Anfang, wenn man
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diese Tat hört und wie die Kinder leiden
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kann man das zu 100% nachvollziehen, dass hier
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herausgestellt werden sollte, dass diese Taten
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schlimmer sind als die meisten anderen und
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deswegen auch eine besonders schwere Strafe
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Was mich aber ehrlich gesagt irritiert hat, ist,
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dass der Richter bei seiner Urteilsbegründung
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denen schon mal erzählt hat, was die in Haft
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erwarten können.
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Also finde ich ja, weiß ich nicht, also finde ich
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ja jetzt nicht schlecht, denen dann das noch mal so in die
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offene Wunde zu reiben.
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Aber hätte ich jetzt irgendwie so professionell gesehen
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nicht, auch nicht erwartet von einem Richter.
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Ja, also mich hat das tatsächlich auch gewundert.
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Ich könnte mir vorstellen, also dass der auch tatsächlich mit diesem Fall oder mit den
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Emotionen, die mit diesem Fall einhergehen, auch irgendwie überfordert war.
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Es ist ja wirklich auch kurz, 40 Minuten Urteilsbegründung, da auch darauf zu verzichten,
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die Tat noch mal zu erzählen.
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Also ja, so ein Fall wird der ja auch noch nicht auf dem Tisch gehabt haben.
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Ja, jetzt nur so auf dem Papier hat sich das erst mal so gelesen, als wäre er jetzt
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nicht unglücklich darüber, dass das quasi noch eine zusätzliche Strafe sein könnte,
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durchgeführt von der Gesellschaft.
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Nochmal ganz kurz, wie alt war der Täter in deinem Fall?
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Bei mir waren die ja 28, also das war der Blümel, der so ein bisschen die Voter war
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und 33 Jahre alt war der Fischer und damit waren zumindest die Haupttäter in unseren
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Fällen alt genug für die besondere Schwere der Schuld.
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Die gibt es nämlich erst ab 18 Jahren und warum, das erzähle ich jetzt in meinem Aha.
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Zunächst mal grundsätzlich ist auch bei Jugendlichen wichtig, sich anzuschauen, wie
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schwer die Schuld bei einer Tat eigentlich wiegt, weil Jugendlichen will man eine Freiheitsstrafe
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generell nur im, sagen wir jetzt mal so, äußersten Fall zumuten.
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Laut Paragraf 17 des Jugendgerichtsgesetzes nämlich auch nur dann, wenn eine sogenannte
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schädliche Neigung vorliegt oder die Schuld der jugendlichen TäterInnen schwer wiegt.
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Und bei der Bestimmung der Schuldschwere von Jugendlichen und Heranwachsenden gelten andere
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Kriterien als bei Erwachsenen, wie zum Beispiel bei Blümel und Fischer oder wie bei Kai.
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Unser Experte Dr.
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Weil erklärt das so.
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Wenn man diese Betrachtung anstellt, ist es weniger entscheidend, dass man sich die äußeren
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Umstände einer Tat anschaut.
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Beispielsweise wie brutal das Vorgehen war oder was jetzt im Erwachsenenstrafrecht damit
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für eine Rechtsfolge verbunden ist.
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Weil vielmehr entscheidend für das Jugendstrafrecht aufgrund des vorherrschenden Erziehungsgedankens
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eben die Frage ist, was kann ich denn für Rückschlüsse aus dieser Tat auf Persönlichkeit
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und diese innere Tatseite ziehen.
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Also man versucht irgendwo Charakter, Persönlichkeit und Motivation für die Tat bei der jugendlichen
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Person zu beleuchten.
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Und da ist es natürlich auch oft so, dass man so spezielle, ich nenne es mal jugendspezifische
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Das können einerseits gruppendynamische Effekte sein, aber auch andererseits, was man ganz
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oft hat, Abenteuerlust, Mutproben oder vielleicht auch eine Art Enthemmung durch Alkohol.
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Das heißt, wenn es um die Schuld von jugendlichen TäterInnen geht, gibt es also immer einen
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jugendspezifischen Abwägungsprozess, der von diesem Erziehungsgedanken geprägt ist.
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Und der hat zur Folge, dass die besondere Schwere der Schuld bei jugendlichen TäterInnen nicht
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festgestellt werden kann, egal wie schlimm und verachtenswert die Tat ist.
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Aber bei Heranwachsenden schon, also bei TäterInnen zwischen 18 und 21 Jahren, bei denen das
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Jugendstrafrecht unter bestimmten Voraussetzungen angewandt wird, können Gerichte die besondere
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Schwere der Schuld bejahen und damit dann auch die maximale Haftstrafe ausdehnen.
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Eigentlich können Personen, die nach Jugendstrafrecht verurteilt werden, maximal zehn Jahre kriegen.
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Aber stellen RichterInnen jetzt eben die besondere Schwere der Schuld bei den Heranwachsenden
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fest, dann sind auch 15 Jahre möglich.
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Unser Experte sagt dazu.
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Das hatte den Hintergrund, dass man gesagt hat, man will auch im Jugendstrafrecht, weil
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es ja immer noch ein Strafrecht ist und trotz des vorherrschenden Erziehungsgedankens bei
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Heranwachsenden einfach Fälle entsprechend kriminalisieren können, beziehungsweise darauf reagieren
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können, die eben von ihrer Schuld besonders schwer wiegen.
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Also Extremfälle will man dann auch entsprechend was entgegensetzen können, indem man sagt, man
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reagiert hier mit einer Freiheitsstrafe, die über das bisher mögliche Maß von zehn Jahren
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Ein Beispiel dafür ist ein Fall aus dem Jahr 2013.
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Da hat ein 20-Jähriger ein 14-jähriges Mädchen, das er übers Internet kennengelernt hat, mit
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zahlreichen Messerstichen getötet, nachdem die nach dem ersten Treffen keinen Kontakt mehr
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mit dem Typ haben wollte.
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Und da hat das Landgericht Cottbus die besondere Schwere der Schuld trotz Jugendstrafrecht festgestellt
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und ihn wegen Mordes zu 13,5 Jahren verurteilt.
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Gegen das Urteil ist der Angeklagte dann in Revision gegangen, was dazu geführt hat, dass
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sich auch der BGH nochmal einbringlich mit der besonderen Schuldschwere im Jugendstrafrecht
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auseinandergesetzt hat.
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Ja, und die RichterInnen in Karlsruhe haben dann nicht nur die Revision verworfen, sondern
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auch nochmal ganz klar gemacht, dass für die Feststellung der besonderen Schwere der Schuld
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bei Heranwachsenden genau die gleichen Maßstäbe gelten wie bei erwachsenen TäterInnen, sprich
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eine Gesamtwürdigung von Tat und TäterIn-Persönlichkeit.
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Anders als die 15 Jahre bei Heranwachsenden gibt es im allgemeinen Strafrecht aber keine
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Höchstdauer für lebenslange Freiheitsstrafen.
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Aber das bedeutet jetzt nicht, dass solche Inhaftierten zwangsweise für den Rest ihres Lebens
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im Gefängnis sitzen, also wirklich wortwörtlich lebenslang dann.
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Tatsächlich haben auch TäterInnen, bei denen die besondere Schwere der Schuld festgestellt
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wurde, die Möglichkeit, dass ihnen der Rest ihrer Freiheitsstrafe auf Bewährung erlassen
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Nur halt eben nicht nach 15 Jahren.
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Wobei man auch sagen muss, Ausnahmen bestätigen wie immer die Regel.
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Die weitere Vollstreckung ist nämlich dann nicht mehr geboten, wenn Inhaftierte zum Beispiel
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sehr krank oder sehr alt sind oder seit der Tatbegehung eine sehr lange Zeit verstrichen
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ist oder sich die inhaftierte Person um eine Wiedergutmachung des, sagen wir mal, Schadens
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Also wichtig und erforderlich sind Gründe, welche die besondere Schwere der Schuld nachträglich
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Aber in den allermeisten Fällen ist es eben so, dass nach 15 Jahren dann nicht die Entlassung
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ansteht, sondern ein Gericht nach circa 10 bis 13 Jahren der Haft festlegt, wie viele
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Jahre die verurteilte Person mit besonderer Schuldschwere noch mindestens on top auf die 15 Jahre
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Also um das nochmal anschaulich zu machen, für meinen Fall bedeutet das zum Beispiel, erst
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nach fast 15 Jahren, also dem frühestmöglichen Zeitpunkt, zu dem man erstmals an einen Aussetzungsantrag
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denken kann, erfährt Kai erst, wie lange er überhaupt noch drin bleiben muss.
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Also wenn die anderen aus dem Fall, es waren ja Ali, Mert und Tarek, die nur in Anführungszeichen
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lebenslang bekommen haben, schon fast theoretisch wieder draußen sind.
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In der Regel verhängen Gerichte da jetzt nicht mehr als mindestens 10 zusätzliche Jahre,
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aber eine Obergrenze gibt es auch da nicht.
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Und außerdem werden Inhaftierte nach Ablauf dieser zusätzlichen Zeit dann nicht einfach
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automatisch entlassen, sondern sie bekommen erst einmal nur die Möglichkeit, einen Antrag
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auf Bewährung zu stellen.
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Also so wie die zu lebenslanger Haft verurteilten, nach 15 Jahren die Möglichkeit bekommen, diesen
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Antrag zu stellen, bekommen die mit besonderer Schwere der Schuld dann eben nach diesen 15 plus
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zum Beispiel 10 Jahren die Möglichkeit, diesen Antrag zu stellen.
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Darüber entscheiden dann sogenannte Vollstreckungskammern.
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Das sind Gerichte, die überprüfen, ob es gerechtfertigt ist, den Rest der lebenslangen Haftstrafe auf Bewährung
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auszusetzen und ob man die betreffende Person dann auch guten Gewissens wieder in die Freiheit
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Vollstreckungsrechtliche Gesamtwürdigung nennt man das.
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Und dabei spielen verschiedene Kriterien eine Rolle.
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Zum einen geht es da nochmal um die Tatumstände, zum anderen aber auch um das Verhalten nach der
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Tat, insbesondere in Haft.
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Gab es eine gute Führung zum Beispiel im Gefängnis, eine Teilnahme an Rehabilitationen,
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Rehabilitationsprogramm und ist grundsätzlich eine positive Entwicklung erkennbar.
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Was bei Inhaftierten, die die besondere Schwere der Schuld bekommen haben, allerdings nochmal
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eine besondere Rolle spielt, ist das Thema Sicherheit der Allgemeinheit.
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Da holen sich Strafvollstreckungskammern vor ihrer Entscheidung nämlich immer ein Gutachten
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ein, in dem Sachverständige schildern, ob man die Person wieder zurück in die Gesellschaft
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lassen kann oder ob sie halt weiterhin als gefährlich einzustufen ist.
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Was seit Einführung der besonderen Schuldschwere übrigens immer wieder Thema ist, ist die
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Und das hat unter anderem den Hintergrund, dass die lebenslange Freiheitsstrafe, an die
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die besondere Schuldschwere ja gebunden ist, als solche auch immer wieder diskutiert wird.
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Und es ja Stimmen gibt, die sagen, eine lebenslange Haft ist menschenunwürdig.
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Selbst mit dieser Bewährungsmöglichkeit nach 15 Jahren.
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Die Strafverteidigervereinigungen haben sich 2016 in einem Paper beispielsweise für die
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Abschaffung der lebenslangen Freiheitsstrafe ausgesprochen.
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Darin heißt es, dass diese eine, Zitat, Vernichtungsstrafe sei und bei Betroffenen zu schwer
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heilenden Schäden führe.
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Genau, und deswegen sehen auch die Strafverteidigervereinigungen halt die besondere Schwere der Schuld
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besonders kritisch.
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Dieses Mehr an Strafe, was zu diesen vorgeschriebenen 15 Jahren noch abgesessen werden muss, würde
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von der zuständigen Strafvollstreckungskammer nämlich meistens erst so nach halt 10 bis 13
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Jahren im Vollzug festgelegt werden.
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Und das heißt ja, dass Inhaftierte sehr lange überhaupt gar nicht wissen würden, wann sie
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die Möglichkeit haben, wieder freizukommen.
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Und selbst nach diesen zusätzlichen Jahren sei dann noch nicht klar, ob die Betroffenen wirklich
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rauskommen, weil die Überprüfung durch die Strafvollzugskammern total streng sei.
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Angeblich würde da schon die kleinste Vermutung einer Rückfallgefahr dazu führen, dass der Rest
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der Haftstrafe nicht erlassen und auf unbestimmte Zeit fortgesetzt wird.
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Und genau diese Unbestimmtheit sieht man als problematisch, weil damit eben eine totale Ungewissheit
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über die tatsächliche Haftdauer einhergehen würde, die so krass sei, dass sie schwerwiegende
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psychische Auswirkungen haben, die Strafgefangenen demotivieren und sie in Lethargie und Passivität
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Und das muss ich jetzt auch mal sagen, also das sehe ich genauso.
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Also bevor ich mich jetzt mit diesem Thema beschäftigt habe, war mir nicht klar, dass die Inhaftierten
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nicht bei ihrem Antritt der Haft wissen, wie lange sie drin bleiben müssen, bis sie diesen
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Antrag auf Bewährung stellen dürfen.
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Das war mir irgendwie nicht klar, sondern dass sie erstmal eine ganz lange Zeit da drin sitzen
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und gar nicht wissen, habe ich jetzt schon, keine Ahnung, die Hälfte abgesetzt von dem,
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was sich absetzen muss oder ein Drittel oder also das stelle ich mir wirklich ein bisschen
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wie ein Psychoterror vor.
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Und das erinnert mich jetzt auch an diese Sache, die wir letztens bei dem Söring hatten.
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Da musste ich gerade auch dran denken, dass der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte
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da ja gesagt hat, dass die Todesstrafe wegen der emotionalen Belastung, die man da ja erfährt,
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unter Folterfalle und dass man ihn deswegen nicht in die USA ausgeliefert hätte, weil die
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ihn ja da vielleicht sogar erwartet hätte.
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Genau, also dass sie sich da so darauf bezogen hatten, dass dieses Warten auf die Todesstrafe,
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dass dieses Warten, dieses ungewisse Warten, wann das denn dann stattfindet, dass das
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eine zu dolle Folter ist sozusagen.
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Also genau diese Ungewissheit stelle ich mir einfach schwer aushaltbar vor.
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Ja, es ist schwer aushaltbar.
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Ich muss aber sagen, dass ich die Kritik daran nicht, also ich kann die nachvollziehen,
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aber ich finde sie nicht geeignet, das Konzept an sich über den Haufen zu werfen, weil
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dass sie nicht wissen, wann sie rauskommen, liegt ja darin begründet, dass man unter anderem
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auch erst gucken möchte, wie sie sich nach der Verurteilung verhalten, eben mit diesen
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Maßnahmen und so. Das heißt, du hast theoretisch als inhaftierte Person natürlich auch Einfluss
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darauf, wie viele Jahre du danach noch absitzen musst und wenn du dich halt entsprechend verhältst,
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fällt das dann, so in der Theorie, ja dann auch geringer aus für dich.
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Ja, und es ist ja auch so, dass ich sehe, dass man irgendwie ein Mittel, ein Werkzeug haben
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muss, um diese besonders schweren Fälle auch schwerer zu bestrafen. Wo wir wahrscheinlich
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auf demselben Nenner sind, ist eine andere Kritik an der besonderen Schuldschwere und zwar
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geht es da nicht um die Länge der Haft oder die Ungewissheit, sondern darum, wie sie
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festgestellt wird. Diese Gesamtwürdigung von Umständen mit Gewicht ist ja, wie wir eben
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schon gesagt haben, sehr vage und abgesehen davon, dass der BGH sagt, sowohl Tat als auch
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Täter in Persönlichkeit müssen berücksichtigt werden, gibt es ja überhaupt keine festgelegten
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Kriterien, auf die die RichterInnen zurückgreifen können.
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Ja, genau, das ist ein Problem, das sehe ich auf jeden Fall auch.
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Genau wie der Deutsche Anwaltverein, der hat 2014 dann auch gefordert, die besondere Schwere
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der Schuld als Rechtsinstrument abzuschaffen. Und auch das Bundesministerium für Justiz und
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Verbraucherschutz hat sich damit in dem Jahr damals auseinandergesetzt und eine ExpertInnengruppe
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zusammengestellt. Die ist dann aber zu dem Schluss gekommen, dass man die besondere Schuldschwere
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nicht abschaffen sollte, weil die sagen eben, nee, das ist schon gut, dass man damit halt
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so gesehen zwischen Einzelfällen differenzieren kann, was wir eben gesagt haben. Aber die
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sind zu dem Schluss gekommen, dass man eine Reform haben sollte. In ihrem Abschlussbericht
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empfehlen sie die besondere Schwere der Schuld, Zitat, aus Gründen der Klarstellung und der
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gleichmäßigen Rechtsanwendung näher zu konkretisieren. Und zwar indem feste Kriterien entwickelt und dann
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auch ins Strafgesetzbuch aufgenommen werden. Unter anderem die Tötung mehrerer Menschen, die Feststellung
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mehrerer Mordmerkmale oder auch das Begehen weiterer Straftaten. Also zumindest einige Faktoren, die die
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Gerichte jetzt eh schon heranziehen. Ja, zehn Jahre später ist noch nichts passiert. Die Mühlen der
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Justiz malen bekanntlich langsam. Gott hat die Erde nur einmal geküsst, genau an dieser Stelle, wo jetzt
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Deutschland ist. Wir können nur aufwarten. Was? Habe ich noch nie gehört. Das von den Prinzen. Okay.
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Das war ein Podcast der Partner in Crime. Hosts und Produktion Paulina Graser und
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Laura Wohlers. Redaktion Jennifer Fahrenholz und wir. Schnitt Pauline Korb.
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Rechtliche Abnahme und Beratung Abel und Kollegen.