00:00:30
Auch über die Schicksale von Menschen.
00:00:31
Bitte behaltet das immer im Hinterkopf.
00:00:33
Auch wenn wir hier zwischendurch mal ein bisschen ungehemmter miteinander sprechen.
00:00:36
Das ist für uns nur so eine Art Comic Relief.
00:00:38
Aber es ist natürlich nicht respektierlich gemeint.
00:00:40
Also Laura, es gibt ja die Chessie, wie ich sie nenne.
00:00:44
Und die Chessie ist ja die neue, in Anführungsstrichen, Freundin von deinem Vater.
00:00:49
Und für dich, ja, technisch gesehen, sowas ähnliches wie eine Stiefmutter.
00:00:54
Wie stehst du zu der Chessie?
00:00:57
Ich liebe ja die Chessie, aber das war ja nicht immer so.
00:01:00
Ganz am Anfang, als sie sozusagen in mein Leben getreten ist, oder eher gesagt in Papas, war das ganz schlimm für mich.
00:01:06
Und ich wollte das nicht.
00:01:08
Und ich habe das dann auch quasi versucht zu verhindern.
00:01:10
Also in dem Sinne, dass ich sie nicht kennenlernen wollte, weil ich habe damals schon nicht mehr zu Hause gewohnt.
00:01:15
Dieser Situation, sie kennenzulernen, konnte ich dann auch ganz gut aus dem Weg gehen.
00:01:19
Kann man verstehen, man ist mit der Gesamtsituation erstmal unzufrieden.
00:01:23
Man will das alles nicht.
00:01:24
Aber als du sie dann kennengelernt hast, konnte sie dich dann sofort von sich überzeugen oder hat das dann auch noch gedauert?
00:01:29
Irgendwie schon sofort.
00:01:31
Aber ich habe auch gemerkt, dass sie sich sehr, sehr viel Mühe gegeben hat, was mir natürlich auch irgendwie geschmeichelt hat.
00:01:37
Und die hat halt auch direkt klar gemacht, dass jetzt nicht irgendwie einer auf Stiefmutter macht.
00:01:43
Ja, da warst du ja auch schon erwachsen.
00:01:45
Aber ich finde es schon interessant.
00:01:46
Also ich meine, man hat Stiefelternteilen gegenüber natürlich manchmal so einen Vorbehalt.
00:01:51
Zum einen, weil das natürlich ein neuer Partner, eine neue Partnerin an der Stelle, wo früher mal das eigene Elternteil gestanden hat.
00:01:59
Das ist ja was, womit man erstmal umgehen muss.
00:02:01
Aber zweitens sind ja vor allem auch Stiefmutter irgendwie negativ behaftet.
00:02:06
Da trägt sicherlich auch Aschenputtel was zu bei, also das Märchen, da ist ja die Stiefmutter, die dem Stiefkind nicht die Aufmerksamkeit und Liebe zukommen lässt, die es eigentlich braucht.
00:02:16
Und man sagt ja auch, etwas stiefmütterlich behandeln.
00:02:20
Und das wiederum impliziert ja, dass die Stiefmutter, also vor allem geht es ja viel um die Stiefmutter, die Stiefkinder immer schlecht oder zumindest schlechter behandeln würde.
00:02:28
Ja, und solche Fälle gibt es ja tatsächlich auch wirklich.
00:02:32
Und dann gibt es Fälle, bei denen das Zusammenleben sogar ganz furchtbare, tödliche Folgen haben kann.
00:02:38
Und über diese sprechen wir heute.
00:02:40
Und deshalb gibt es jetzt schon mal am Anfang der Folge eine Triggerwarnung für den gesamten Inhalt, denn es geht eben um Gewalt gegen Kinder.
00:02:48
Mein Fall heute macht deutlich, dass eine neue Liebe das Leben einer Familie von Grund auf verändern kann.
00:02:54
Manchmal sogar so gravierend, dass sie daran zugrunde geht.
00:02:58
Alle Namen habe ich geändert.
00:03:03
Drei Tage vor Weihnachten in Köln
00:03:06
Als die AnwohnerInnen der nordrhein-westfälischen Großstadt aus ihren Fenstern gen Himmel blicken,
00:03:10
vertreiben die Rotorblätter von Hubschraubern jegliche vorweihnachtliche Stimmung aus den Häusern und ersetzen sie durch eine bedrückende Unruhe.
00:03:19
Als dann auch noch etliche Polizeiwagen mit dröhnenden Lautsprecherdurchsagen durch sämtliche Straßen, Alleen und Gassen fahren und um Mithilfe bei einem vermissten Fall bitten, weiß schon bald ganz Köln, dass jetzt dringend ein Weihnachtswunder gebraucht wird.
00:03:32
Ein Weihnachtswunder, das dem Kind hilft, nachdem mit Hochdruck gesucht wird.
00:03:37
Drei Jahre zuvor
00:03:38
Plattenbau, hohe Arbeitslosigkeit, sozialer Brennpunkt.
00:03:43
Der Stadtteil Chorweiler in Köln gilt seit den 70er Jahren als Problembezirk.
00:03:47
Hier, in einem Hochhaus mit fahler Fassade, lebt die 17-jährige Alexandra.
00:03:52
Schon ihre Kindheit war genauso wie die Gegend, in der sie lebt.
00:03:56
Als Alexandra vier Jahre alt ist, lassen sich ihre Eltern scheiden.
00:04:01
Ihr Vater war gewalttätig und hat die Familie verlassen.
00:04:03
Zehn Jahre später ziehen ihre beiden Geschwister aus.
00:04:07
Ihre Mutter interessiert sich mehr für Hochprozentiges als für Alexandra.
00:04:10
Also sucht sich der Teenager mit den mittellangen braunen Haaren andersweitig Aufmerksamkeit und Liebe.
00:04:16
Sie lernt einen Jungen in ihrem Alter kennen, von dem sie nach nur einem Monat Beziehung schwanger wird.
00:04:21
Der verlässt sie daraufhin und macht die mittlerweile 18-Jährige, damit zur alleinerziehenden Mutter.
00:04:26
Als Alexandra ihre Tochter Mia Anfang Dezember 2010 das erste Mal im Arm hält, könnte sie platzen, vor Glück.
00:04:33
Endlich spürt Alexandra, was es heißt, jemanden bedingungslos zu lieben.
00:04:37
Die frischgebackene Mama versucht das neugeborene Glück zu genießen, aber es ist hart.
00:04:42
Die kahle und lieblose Umgebung, in der sie mit ihrer Mutter lebt, lässt ein sorgenfreies Leben nicht zu.
00:04:48
In dem jetzt dreiköpfigen Haushalt fehlt das Geld an allen Ecken und Enden.
00:04:53
Doch wenige Wochen nach Mias Geburt streift ein Hoffnungsschimmer Alexandras Leben.
00:04:57
Sie begegnet dem zwölf Jahre älteren Jens.
00:04:59
Acht Monate später ziehen Alexandra und Baby Mia in eine gemütliche Zwei-Zimmer-Wohnung mit ihm.
00:05:05
Mia ist ein fröhliches Kind.
00:05:07
Wenn sie mit ihren Kuscheltieren spielt, heilt ein helles Lachen durch die Räume und ihr kleiner Mund verzieht sich zu einem breiten Grinsen.
00:05:14
Auch wenn Jens nicht Mias leiblicher Vater ist, behandelt er das zierliche Mädchen mit den blonden Locken und den großen blauen Kulleraugen wie sein Eigenfleisch und Blut.
00:05:22
Jens bietet Alexandra den Halt, den sie in ihrer eigenen Familie nie erfahren hatte.
00:05:27
Und trotzdem verlässt Alexandra ihn nach eineinhalb Jahren wegen eines anderen Mannes.
00:05:32
Im August 2012 lernt die 20-Jährige nämlich über eine gemeinsame Freundin, Timo, kennen.
00:05:37
Timo ist deutlich jünger als Jens.
00:05:39
Anstatt zwölf Jahre trennen Alexandra und ihre neue Flamme jetzt nur noch drei Jahre.
00:05:44
Neuer Partner, selbe Wohnung.
00:05:46
Jens zieht aus und Timo zieht in den vierten Stock des Plattenbaus ein.
00:05:51
Bei Timo fühlt Alexandra sich wohl und begehrt und noch dazu verstanden.
00:05:54
Denn mit ihm teilt sie einen ähnlichen Lebensweg.
00:05:57
Beide hatten eine schwierige Kindheit, beide sind arbeitslos und beide sind bereits in jungen Jahren Eltern geworden.
00:06:03
Timos Sohn Elias ist nur ein halbes Jahr nach Mia auf die Welt gekommen.
00:06:07
Dass ihre beiden Kleinen nahezu im gleichen Alter sind, entpuppt sich als echter Gewinn.
00:06:12
Auf einmal hat Mia so etwas wie einen kleinen Bruder.
00:06:15
Nur leider kann Elias nicht ihr Dauerspielgefährte sein.
00:06:19
Der Einjährige lebt nämlich nicht bei Timo, sondern bei dessen Ex-Freundin.
00:06:22
Bevor Alexandra mit Timo zusammengekommen ist, haben er und Elias alle zwei bis drei Tage Zeit miteinander verbracht.
00:06:29
Doch seitdem auch seine Ex-Freundin einen neuen Partner an ihrer Seite hat, verkomplizierte sich alles.
00:06:34
Der neue Partner seiner Ex will nämlich nicht, dass Timo so eine große Rolle im Leben seiner Ex und Elias spielt.
00:06:40
Und die sieht das ähnlich.
00:06:42
Auch, weil es in der Vergangenheit immer wieder Streit mit Timo gab.
00:06:46
Aus diesem Grund wurde unter Einschaltung des Jugendamtes entschieden, dass Timo seinen Sohn nur noch jedes zweite Wochenende zu sich holen darf.
00:06:52
Seitdem ist Timo oft traurig und Alexandra versucht deshalb regelmäßig, ihren Partner aufzubauen.
00:06:58
Auch wenn es nicht sein eigenes Kind ist, habe Timo so immerhin viel Zeit für Mia.
00:07:03
Alexandra ist es wichtig, dass die beiden ein gutes Verhältnis zueinander haben.
00:07:07
Wenn Elias dann auch noch zu Besuch ist, sehen die vier, wie sie gemeinsam auf dem Spielplatz herumtollen, aus wie eine Bilderbuch-Patchwork-Familie.
00:07:15
Ohne dass man ahnt, welch Grauen eines der Familienmitglieder noch treffen wird.
00:07:20
13 Uhr am 21.12.2012
00:07:24
Das junge Paar betritt die Wache der Polizeiinspektion 4 in Köln.
00:07:29
Dort berichtet Alexandra etwas, das die BeamtInnen sofort in Alarmbereitschaft versetzt.
00:07:33
Ihre zweijährige Tochter Mia ist spurlos verschwunden.
00:07:37
Ein Kleinkind wird vermisst?
00:07:39
Das ist eine absolute Horrornachricht.
00:07:41
Die Polizei weiß, dass jetzt jede Minute zählt und jeder noch so winzige Hinweis hilfreich sein kann.
00:07:47
Die 20-Jährige bricht immer wieder in Tränen aus.
00:07:50
Nur stockend kann sie von den BeamtInnen befragt werden.
00:07:54
Deshalb soll auch Timo helfen, herauszufinden, wo Mia stecken könnte und macht in einem separaten Raum Angaben zu ihrem Verschwinden.
00:08:01
Beide geben an, dass sie mit dem Mädchen im nahegelegenen Olof-Palme-Park auf dem Spielplatz waren.
00:08:07
Der Park ist für die AnwohnerInnen des Kölner Nordens eine Entspannungsoase.
00:08:11
Auf der weitläufigen grünen Fläche werden im Winter Schneemänner gebaut.
00:08:14
Auf Hügeln sieht man dann Kinder mit ihren Eltern rodeln.
00:08:17
Doch von Schnee und Schlittenspaß ist heute nicht viel zu sehen.
00:08:21
Die Temperaturen sind zu mild.
00:08:23
Und trotzdem fühlt sich der Raum, in dem Alexandra vom Verschwinden ihrer zweijährigen Tochter berichtet, mit einer eisigen Kälte.
00:08:30
Mia hätte geschaukelt, sie und Timo auf der Parkbank gesessen und sich unterhalten.
00:08:35
Für circa zehn Minuten wären sie in ein Gespräch vertieft gewesen und hätten deswegen die Kleine aus den Augen gelassen.
00:08:41
Aber als sie dann kein Kettenrasseln mehr gehört und ihre Blicke auf die Schaukel gerichtet hätten, wäre Mia schon nicht mehr zu sehen gewesen.
00:08:49
Sofort hätten sie ihren Namen gerufen, alle Büsche um den Spielplatz herum abgesucht und wären die Wege abgelaufen, die sich vom Spielplatz in mehrere Richtungen erstrecken.
00:08:58
Aber ihre verzweifelten Rufe und das Knirschen des Kiesbodens unter ihren Füßen wäre das einzige gewesen, was sie gehört hätten.
00:09:05
Der Leiter der Vermisstenstelle zieht alle Register.
00:09:18
Mia zu finden hat absolute Priorität.
00:09:22
Deshalb bittet der erfahrene Polizist um Verstärkung von Hundertschaften aus jeglichen Kölner Dienststellen.
00:09:27
Aber bis die bereit sind auszuschwärmen, ist der feine Geruchssinn von kalten Schnauzen gefragt.
00:09:32
Gleich mehrere Spürhunde schnüffeln jeden Zentimeter auf dem Spielplatz im Park ab.
00:09:37
Auch auf den Gehwegen und den bewaldeten Flecken sollen die Hunde die Fährte des Mädchens aufnehmen.
00:09:41
Doch ohne Ergebnis.
00:09:44
Am frühen Abend werden deshalb die Fahndungsmaßnahmen erheblich erweitert.
00:09:48
Suchtrupps durchkämmen das komplette Stadtgebiet, während über Parkanlagen ein Hubschrauber mit Wärmebildkamera kreist
00:09:54
und Fahrzeuge mit Lautsprechern durch die eingrenzenden Wohngebiete ziehen.
00:09:58
PassantInnen und AnwohnerInnen werden um Mithilfe gebeten.
00:10:01
Die quälend langen Stunden der Ungewissheit fühlen sich für viele wie ein Wettlauf gegen eine Sanduhr an.
00:10:06
Mit jedem Sandkorn, das durch die dünne Öffnung rieselt, verringert sich die Chance, Mia wohl aufzufinden.
00:10:12
Mittlerweile hat sich die Dunkelheit wie eine Decke über Köln gelegt.
00:10:15
Keiner der Suchenden denkt daran aufzugeben, niemand will nach Hause, bevor Mia gefunden ist.
00:10:20
Um 23 Uhr und damit 10 Stunden, nachdem sie als vermisst gemeldet wurde,
00:10:25
entdeckten zwei BeamtInnen etwas zwischen dunklen Nadelbäumen rund zwei Kilometer östlich des Parks,
00:10:30
in dem Mia zuvor gespielt hatte, nahe eines Sees.
00:10:33
Mit jedem Schritt in Richtung des Fundes wird das furchtbare Bild deutlicher.
00:10:37
Zwischen den Ästen einer Tanne spitzen goldene Löckchen hervor.
00:10:42
Man könnte meinen, es ist ein Engel.
00:10:44
Die stille Hoffnung auf ein Weihnachtswunder löst sich schnell in der kühlen Dezemberluft auf,
00:10:49
nachdem die Beamter feststellen, dass es ein kleiner Kinderkörper ist,
00:10:52
der kopfüber in den dichten, stacheligen Ästen hängt.
00:10:57
Sie ist nackt, eiskalt und tot.
00:11:00
Auf dem frostigen Waldboden um ihre Leiche herum liegen Kinderklamotten verstreut.
00:11:05
Dass die Einsatzkräfte genau hier den grausamen Fund machen, ist aber kein Zufall.
00:11:09
Der entscheidende Hinweis kam aus der Polizeiwache, die Alexandra und Timo wenige Stunden zuvor betreten hatten.
00:11:16
Denn auf der Wache wird schnell klar, hier stimmt etwas nicht.
00:11:21
Alexandras Geschichte passt nicht zu der Version, die Timo einen Raum weiter von sich gibt.
00:11:26
Laut Mias Mutter waren die drei alleine auf dem Spielplatz im Park.
00:11:29
Timo hingegen beteuert, dass noch andere Leute da waren.
00:11:33
Überwürdigerweise machen beide auch unterschiedliche Angaben zum Ablauf des Vorabends.
00:11:37
Da sind sie zu dritt auf den Weihnachtsmarkt am Kölner Dom gegangen, sagt Alexandra.
00:11:42
Timo meint, sie haben die Wohnung gar nicht verlassen, sondern daheim einen Film angeschaut.
00:11:47
Außerdem wirkt Alexandra sehr nervös, während Timo die Ruhe in Person ist.
00:11:52
Was stimmt und was stimmt nicht?
00:11:54
Um das herauszufinden, fasst die Polizei den Entschluss, beide jetzt als Beschuldigte zu befragen.
00:12:00
Und dieser Schachzug zeigt Wirkung bei beiden, stiftet gleichzeitig aber noch mehr Verwirrung.
00:12:05
Sowohl Alexandra als auch Timo erzählen plötzlich ganz neue Geschichten.
00:12:10
Beide erzählen nun ihre Version eines grausamen Geschehens, das der jeweils andere zu verantworten haben soll.
00:12:16
Der 23-jährige Timo belastet seine Freundin schwer.
00:12:20
Er behauptet, er sei im Vortag erst spätabends nach Hause gekommen.
00:12:24
Da hätte Mia bereits tot in ihrem Zimmer gelegen.
00:12:27
Alexandra habe behauptet, das Mädchen sei auf eine Kiste gefallen und daraufhin gestorben.
00:12:32
Timo hätte sich dann nur schlafen gelegt und bevor er heute aufgewacht ist, hätte Alexandra die Leiche der Kleinen schon alleine aus der Wohnung geschafft.
00:12:40
Die beschuldigte Mutter des zweijährigen Mädchens, dessen Leiche mittlerweile aus den Nadelbaumästen befreit wurde, zeichnet hingegen ein vollkommen anderes Bild.
00:12:49
Sie sagt, Timo sei der Schuldige.
00:12:52
Wann und woran genau Mia aber gestorben sei, will Alexandra nicht mehr wissen.
00:12:57
Nur, dass sie und Timo die Leiche in der vergangenen Nacht am See unweit des Olof-Palmeparks entsorgt hätten.
00:13:02
Totes Kind in der Wohnung, Leiche weggeschafft.
00:13:05
Damit hat die Polizei nicht gerechnet, als die Zweijährige noch wenige Stunden zuvor als vermisst gemeldet wurde.
00:13:11
Haben sie es hier etwa auf einmal mit einem Mord zu tun?
00:13:15
Die BeamtInnen sind sich unsicher, wer die Wahrheit sagt und wer lügt.
00:13:19
Nur eine Tatsache können sie mit Gewissheit als Realität verbuchen.
00:13:22
Mia wird nie wieder ihre blauen Augen öffnen.
00:13:26
Nachdem sich die Nachricht, dass Mia tot aufgefunden wurde, wie ein Lauffeuer verbreitet hat, stürzt sich die Presse auf den Fall.
00:13:32
Dass die eigene Mutter und der Stiefvater etwas mit dem Tod des Kindes zu tun haben sollen, lässt die Tasten der JournalistInnen glühen.
00:13:40
Einige Tage nach der traurigen Nachricht von Mias Tod bildet sich nahe des Leichenfundortes eine Menschentraube.
00:13:46
Hier am Pariser Platz legen Dutzende Menschen Blumen, Teddys und Schutzengelchen für das Kölner Mädchen auf den Boden, das so früh aus dem Leben gerissen wurde.
00:13:55
In den Gesichtern der etwa 400 Menschen lassen sich Zorn und pures Entsetzen erkennen.
00:14:00
Aber allen voran überwiegt die enorme Trauer.
00:14:03
Wie die Kerzen, die in dieser Dezembernacht den Pariser Platz erhellen, bringt die Obduktion Licht ins Dunkle.
00:14:10
Mias Leiche wird vom Fundort in die Rechtsmedizin gebracht.
00:14:13
Besonders der Kopf und das Gesicht des Kleinkindes sind übersät mit Spuren stumpfer Gewalteinwirkungen.
00:14:17
Dunkelblaue Flecken erstrecken sich über ihre zarten Wangen, die Lippen sind aufgeplatzt, das linke Auge dick angeschwollen.
00:14:25
Kahle Stellen am Kopf deuten daraufhin, dass Strähnen von Mias blonden Locken ausgerissen wurden.
00:14:30
Der Rechtsmediziner stellt außerdem fest, dass mindestens zehnmal brutal gegen Mias Kopf geschlagen wurde, was eine anschließende massive Hirnschwellung verursachte und schließlich zu ihrem Tod führte.
00:14:41
Ein Detail lässt den Rechtsmediziner aufmerken.
00:14:44
Die Verletzungen an Mias Körper sind nicht frisch, sondern bereits mehrere Tage alt.
00:14:50
Jetzt ist sich die Polizei sicher.
00:14:52
Weder Timo noch Alexandra haben die ganze Wahrheit erzählt.
00:14:55
Die beiden sitzen seit dem Tag der vermissten Meldung in Urhaft.
00:14:59
Die Kölner Staatsanwaltschaft hat sofort reagiert, indem sie Anklage gegen die junge Mutter und ihren Freund erhoben hat.
00:15:04
Zwei Monate nach ihrem Tod findet Mias geschundener Körper in Form von Asche die letzte Ruhe.
00:15:10
In einem Meer aus weißen Rosen steht im Februar eine Rosa ohne in der Kirche.
00:15:15
So klein, dass sie fast untergeht.
00:15:17
Die andächtigen Worte des Pfarrers werden von einer einzigen Frage überlagert.
00:15:22
Wieso musste das kleine Mädchen sterben?
00:15:25
Den Ermittlenden ist klar, dass die Antwort auf diese Frage bei Alexandra und Timo zu finden sein muss.
00:15:31
Also lassen sie beide erneut befragen.
00:15:33
Das hier ist Timos Version.
00:15:36
Anfang 2012 findet er mit Alexandra seine neue Liebe und damit auch eine neue Bleibe.
00:15:42
Trotzdem ist er unzufrieden mit seinem Leben.
00:15:45
Die Trennung von Sohn Elias macht ihm sehr zu schaffen.
00:15:48
Und als wäre das nicht genug, sieht er jeden Tag, wie Alexandra Zeit mit Mia verbringt.
00:15:53
Jedes Lachen, jedes gemeinsame Schläfchen auf dem Sofa fühlt sich für Timo an, als würde man ihm unter die Nase reiben, was er mit Elias nicht haben kann.
00:16:02
Wieso darf Alexandra ihre Tochter Tag und Nacht bei sich haben und ich meinen Sohn nicht, fragt er sich.
00:16:08
Dem enormen Frust, den er innerhalb kurzer Zeit entwickelt, kann er nur entkommen, wenn Elias bei ihm ist.
00:16:13
Die Wochenenden mit seinem Sohn sind Timo heilig.
00:16:16
Er pflegt eine liebevolle Beziehung zu ihm, steckt aber auch viel Arbeit in eine strenge Erziehung.
00:16:21
Denn während Alexandra viel mit Mia kuschelt, sie auf den Arm nimmt und oft einknickt, wenn ihre Tochter sie mit ihren großen blauen Augen anfunkelt,
00:16:29
ist Timo der Meinung, dass Kinder schon früh Disziplin und Gehorsam beigebracht werden muss.
00:16:34
Er empfindet Alexandras Umgang mit ihrer Tochter als viel zu lasch.
00:16:39
Viel zu lasch ist etwas milde ausgedrückt, wenn man hört, was Alexandra der Polizei über Timos Erziehungsmaßnahmen zu berichten hat.
00:16:46
Sie erzählt den Ermittelnden Folgendes.
00:16:48
Als Timo damals in das Familienleben der beiden tritt, wird für sie schnell klar, dass er denkt, dass sich Mia viel zu sehr an Alexandra klammert und von ihr komplett verhätschelt wird.
00:16:58
Timo will bei der Erziehung von Mia ein Mitspracherecht.
00:17:02
Zunächst freut sich Alexandra darüber, denn obwohl die beiden erst wenige Wochen zusammen sind, will sie, dass Timo möglichst schnell Mias Adoptivvater wird.
00:17:10
Schon bald wird ihr aber klar, dass ihre Vorstellungen von Erziehung und die von Timo meilenweit auseinander liegen.
00:17:16
Wenn sich Alexandra beispielsweise zu Mia runterbeugen will, um sie auf den Arm zu nehmen, geht Timo dazwischen und zieht Alexandra von ihrer Tochter weg.
00:17:25
Wenn die Zweijährige weint oder nach ihrer Mama schreit, setzt Timo sie einfach in ihr Kinderzimmer und verschließt die Tür von außen.
00:17:32
Die gedämpften Rufe und das Wimmern soll Alexandra ignorieren, Mia nicht so viel Aufmerksamkeit schenken.
00:17:37
Anfangs widersetzt sich Alexandra demnoch.
00:17:41
Dann wird es oft laut in der Zweizimmerwohnung, vor allem dann, wenn Timo vorher getrunken hat.
00:17:46
Und das tut er oft.
00:17:47
Alexandra will, dass er damit aufhört, aber Timo ignoriert ihre Bitten und kippt das Zeug weiter seinen Rachen runter.
00:17:55
Das, was Alexandra der Polizei berichtet, ergänzt das Bild, das die Ermittlenden schon durch seine Akte von ihm bekommen haben.
00:18:01
Neben Fahrens ohne Führerschein wurde Timo bei mehreren Diebstählen und Drogenbesitz erwischt.
00:18:06
Im April 2012 hat er wegen Körperverletzung eine Geldstrafe auferlegt bekommen.
00:18:10
Weil er die nicht zahlen kann, droht ihm acht Monate später der Knast.
00:18:15
Kurz vor Mias zweiten Geburtstag im Dezember erhält Timo die Ladung zum Haftantritt.
00:18:19
Wenig später ist sie tot.
00:18:21
Was letztendlich dazu geführt hat, soll fünf Monate später im Prozess geklärt werden.
00:18:26
Mias gesamte Leidensgeschichte, die dort im Kölner Landgericht enthüllt wird, erschüttert nicht nur die Anwesenden im Saal,
00:18:33
sondern auch jeden, der in der Presse davon liest.
00:18:35
Am 16. April 2013 tritt Timo mit gesenktem Kopf zur Anklagebank.
00:18:41
Um sich vor den neugierigen Blicken aus dem ZuschauerInnenbereich zu schützen,
00:18:44
zieht er die Kapuze seiner hellgrauen Sweatshirtjacke tief ins Gesicht.
00:18:48
Auf der Anklagebank ruht sein Blick auf seinen Händen.
00:18:51
Die Hände, die seiner Stieftochter laut Alexandra vor fünf Monaten das Leben genommen haben sollen.
00:18:57
Als die Mutter des Mädchens in den Saal 210 geführt wird, kann und will sich niemand so recht vorstellen,
00:19:03
dass sie am Tod ihrer eigenen Tochter Mitschuld haben soll.
00:19:05
Alexandra nimmt Platz und dreht dem Publikum den Rücken zu.
00:19:09
Sie und Timo würdigen sich keines Blickes.
00:19:12
Stattdessen wandern alle Augen zur Staatsanwältin.
00:19:14
Sie verkündet, dass für Timo eine lebenslange Haftstrafe wegen Mordes vorgesehen wird.
00:19:19
Warum die Anklage genau diese Verurteilung fordert, wird deutlich, als die Staatsanwältin vorliest,
00:19:25
was die Ermittlungsergebnisse für ein Tatgeschehen im Dezember 2012 zutage gebracht haben.
00:19:31
Es ist der 17.12. im Jahr zuvor.
00:19:33
Alexandra geht um halb zwölf vormittags in die Stadt.
00:19:37
Ihre kleine Tochter lässt sie mit Timo alleine in der gemeinsamen Wohnung.
00:19:40
In ihr schlummert immer noch die Hoffnung, dass Timo ein liebevolles Verhältnis zu Mia aufbaut,
00:19:45
daher bittet sie ihn, auf ihre Tochter aufzupassen.
00:19:47
Timo hat eigentlich keine Lust darauf und stimmt dem nur widerwillig zu.
00:19:52
Als hinter Alexandra die Tür ins Schloss fällt, sitzt Mia in ihrem Kinderzimmer und spielt.
00:19:57
Timo gönnt sich mit einer halben Flasche Wodka in Tos ein Bad.
00:20:00
In dem hochprozentigen Alkohol will er seine Sorgen ertränken.
00:20:04
Denn erst wenige Tage zuvor hat er die Ladung zum Haftantritt per Brief bekommen.
00:20:08
Nicht nur der Gedanke an das Gefängnis macht ihm zu schaffen,
00:20:11
sondern auch, dass er dadurch seinen Sohn Ilias über Weihnachten nicht sehen kann.
00:20:15
Das macht ihn nicht nur traurig, sondern auch sehr wütend.
00:20:18
Kurz nachdem sich Timo aus der Wanne hieft,
00:20:21
fängt Mia im Nebenzimmer an zu weinen und zu quengeln.
00:20:23
Genervt stapft er aus dem Bad ins Kinderzimmer und versucht Mia zu beruhigen.
00:20:28
Er nimmt sie auf den Arm und will ihr etwas zu trinken geben,
00:20:31
in der Hoffnung, dass sie danach wieder Ruhe gibt.
00:20:34
Aber die kleine Mia steigert sich von Minute zu Minute
00:20:37
in einen ohrenbetäubenden, schrillen Schreikrampf und schlägt um sich.
00:20:40
Die Trinkflasche fliegt auf den Boden.
00:20:43
Da brennt Timo die Sicherungen durch.
00:20:45
Er setzt Mia ab und schlägt ihr mit voller Wucht ins Gesicht.
00:20:49
Seine Faust trifft mehrmals das zarte Gesicht und den Kopf des Mädchens,
00:20:53
das nicht mal halb so groß ist wie er.
00:20:55
Der mit den blonden Locken bedeckte Kopf von Mia knallt auf den harten Laminatboden.
00:21:00
Vor lauter Schmerz und Schock schreit die Zweijährige wieder laut auf.
00:21:04
Das bringt Timo derart in Rage,
00:21:06
dass er Mia immer wieder an ihren feinen Haaren nach oben reißt und auf sie einprügelt,
00:21:11
solange bis Ruhe herrscht.
00:21:13
Timo lässt von ihr ab und geht ins Wohnzimmer,
00:21:16
wo er es sich auf dem Sofa bequem macht, um fernzusehen,
00:21:19
während Mia regungslos, umgeben von Blutspritzern, auf dem harten Boden liegt.
00:21:23
Gegen 15 Uhr dreht Alexandra den Wohnungsschlüssel im Schloss herum
00:21:27
und beginnt für Mia und Timo zu kochen, ohne nach den beiden zu sehen.
00:21:31
Als sie damit fertig ist und ihre Tochter ruft, liegt Timo immer noch auf der Couch.
00:21:35
Alexandra hört weder die glockenhelle Stimme
00:21:38
noch die tapsigen Schritte ihrer zweijährigen Tochter Richtung Wohnzimmer,
00:21:41
also sieht sie nach ihr.
00:21:42
Das, was die junge Mutter beim Öffnen der Kinderzimmertür sieht,
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erscheint ihr zunächst seltsam.
00:21:47
Sie entdeckt keine spielende Mia, die in ihre bunte Fantasiewelt vertieft ist,
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sondern einen winzigen, seitlich gedrehten Körper auf dem Boden, der sich nicht rührt.
00:21:56
Die Mutter kniet sich neben ihre Tochter und dreht sie um.
00:21:59
Der Anblick versetzt ihr einen Schock.
00:22:01
Mia ist vollkommen apathisch.
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Ihr linkes Auge ist zugeschwollen,
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die Pupille im rechten Auge bewegt sich schnell hin und her.
00:22:08
Vollkommen überfordert und panisch will Alexandra ihre Tochter aufsetzen.
00:22:12
Mia übergibt sich mehrmals,
00:22:14
während sie wie eine leblose Puppe nach vorne zusammensackt.
00:22:17
Ihr Zustand ist alarmierend.
00:22:19
Alexandras Hände zittern.
00:22:20
Was ist in den dreieinhalb Stunden passiert, als sie weg war?
00:22:24
Timo, er muss es ihr sagen.
00:22:26
In diesem Moment schwankt der Angetrunkene ins Kinderzimmer.
00:22:29
Er setzt sich zu den beiden auf den Boden und versucht Mia aufzuwecken.
00:22:33
Unbeholfen pustet er dem reglosen Mädchen zuerst ans Gesicht.
00:22:36
Danach rüttelt er an ihrem Ärmchen, aber die Zweijährige reagiert nicht.
00:22:41
Alexandra fragt ihrem Freund, was denn passiert ist.
00:22:44
Timo sagt, er wisse es nicht.
00:22:46
Er habe geschlafen und nichts mitbekommen.
00:22:48
Dann hebt er Mia vom Boden und legt sie ins Bettchen.
00:22:51
Als würde der Schlaf das, was er angerichtet hat, schon wieder richten.
00:22:54
Mit dieser fatalen Entscheidung beginnt der Todeskampf der kleinen Mia.
00:22:59
Alexandra schaut an diesem Tag nur noch einmal nach ihrer Tochter.
00:23:02
Nee, ich kann nicht mehr.
00:23:04
Das war doch, um wie viel Uhr war das jetzt?
00:23:06
Es ist doch 13 Uhr erst.
00:23:11
Also, was ist denn da los?
00:23:13
Also, das ist ja, ich kann es gar nicht, ich kann es gar nicht glauben.
00:23:16
Ja, und Mia befindet sich noch immer im Delirium und winselt ganz leise Mama und Au.
00:23:24
Alexandra deutet das als gutes Zeichen.
00:23:27
Es geht bergauf, denkt sie, setzt sich zu Timo auf die Couch und schaut bis in die Abendstunden fern.
00:23:32
Am nächsten Morgen sind Mias blaue Flecke im Gesicht dunkler geworden.
00:23:37
Sie ist zwar ansprechbar, aber ihr geht es augenscheinlich immer noch sehr schlecht.
00:23:41
Alexandra nimmt sie das erste Mal, seitdem sie sie am Vortag hingelegt hat, aus dem Bett und hält ihr ein Kühlpad gegen den Kopf.
00:23:47
Das war es mit der Versorgung dann aber auch.
00:23:50
Sie legt ihre übel zugerichtete Tochter wieder ins Bett und sieht den ganzen Tag nicht mehr nach ihr.
00:23:55
Damit bricht die zweite Nacht an, in der Mia mit enormen Schmerzen in ihrem Zimmer alleine gelassen wird.
00:24:00
Der nächste Tag ist der 19.12. und Timo ist unterwegs.
00:24:04
Jetzt sind nur Mutter und Tochter in der Wohnung.
00:24:07
Das Gesicht des Kindes sieht schlimm aus und sie wirkt viel schwächer als gestern noch.
00:24:11
Alexandra verbringt den Tag an ihrem Handy und vor dem Fernseher.
00:24:15
Gegen 16 Uhr schaut sie nach Mia.
00:24:18
Die liegt noch immer in ihrem Bettchen und hat die Augen geschlossen.
00:24:20
Alexandras Hand wandert von der zierlichen Schulter über den Bauch bis zum Knie, das sie mit ihrer Hand komplett umschließen kann.
00:24:27
Sie versucht Mia aufzuwecken, sagt ihren Namen und wiegt den schlaffen Körper hin und her.
00:24:32
Aber Mia wird auch trotz energischem Schütteln nicht wach.
00:24:35
Alexandra setzt sich zurück ins Wohnzimmer und setzt erst 19 Stunden später wieder einen Fuß in das Zimmer ihrer einzigen Tochter.
00:24:44
Nacht Nummer drei nach Timos Prügel zieht vorüber.
00:24:47
Nacht Nummer drei ist Mias letzte.
00:24:49
Am 20.12. um 11 Uhr am Vormittag spielt Alexandra ins Kinderzimmer.
00:24:55
Eine gespenstische Stille liegt im Raum.
00:24:57
Langsam geht sie auf das Bettchen zu und wirft einen Blick hinein.
00:25:02
Mias Augen sind geschlossen, ihr ziellicher Brustkorb bewegt sich nicht.
00:25:05
In ihren Fingerspitzen spürt die Mutter, dass der kleine Körper vor ihr eiskalt und steif ist.
00:25:10
Jetzt begreift Alexandra endlich, dass ihre stille Hoffnung, Mia würde es bald besser gehen, niemals Realität werden wird.
00:25:17
Sie ruft Timo zu sich, der versucht Mia aufzuwecken.
00:25:21
Doch auch er merkt, dass es dafür zu spät ist.
00:25:23
Da kullern beiden ein paar Tränen übers Gesicht.
00:25:31
Ich finde das so, das regt mich so auf, ich kann gar nicht still hier sitzen.
00:25:36
Was wäre denn gewesen, wenn die direkt, die hat sich ja übergeben, wieso fährt man nicht direkt ins Krankenhaus?
00:25:42
Ja, das erzähle ich dir nachher noch, da kommt noch was zu.
00:25:44
Ja, also es ist ein bisschen, als würden die halt jetzt erst begreifen, was da die letzten Tage passiert ist, ja.
00:25:50
Aber es ist halt zu spät.
00:25:51
Und sie denken sich, was sollen sie jetzt machen?
00:25:54
Es muss ein Plan her.
00:25:55
Sie entscheiden sich, Mias Leiche in der kommenden Nacht aus der Wohnung zu schaffen.
00:25:59
Bis dahin schließen sie die Tür zu Mias Zimmer, um sich den Anblick zu ersparen.
00:26:03
In den nächsten Stunden überlegen sie sich eine Geschichte, die dafür sorgen soll, dass sie straffrei davon kommen.
00:26:09
Nachts stehen die beiden auf und gehen mit einem großen Müllbeutel und einem orangefarbenen Trolley in Mias Kinderzimmer.
00:26:15
Alexandra hält den Plastiksack auf, Timo hebt den starren Leichnam aus dem Bett und lässt ihn darin verschwinden.
00:26:21
Die 84 Zentimeter kleine Leiche packt er in den Einkaufstrolley.
00:26:25
Zusammen verlassen sie die Wohnung.
00:26:27
Ihr Ziel ist der nahegelegene Olof-Palme-Park.
00:26:30
Die Räder des Trollys rattern über die Kieswege, während Timo und Mias Mutter sich nach einer Stelle umsehen,
00:26:36
um Mias sterbliche Überreste loszuwerden.
00:26:39
Noch ein Stückchen weiter östlich gelangen sie an den Fühlinger See.
00:26:43
Mit den vielen Nadelbäumen drumherum scheint der Ort geeignet.
00:26:46
Timo nimmt die Leiche aus dem Trolley und Alexandra zieht ihr die Klamotten aus.
00:26:50
Sie wollen den Eindruck erwecken, dass Mia ein Führer und Opfer eines Sexualdelikts geworden sei.
00:26:55
Dann greifen die beiden Erwachsenen die Hände und Füße und schleudern den Körper wie ein Stück Abfall in das Dickicht.
00:27:02
Dort bleibt Mia kopfüber in den Ästen einer Tanne hängen.
00:27:05
Die Kleidungsstücke verstreuen sie drumherum.
00:27:07
Danach laufen sie zu einer Tankstelle, kaufen sich zwei Bier und ziehen den leeren Einkaufstrolley bis zur Wohnungstür hinter sich her.
00:27:14
Am nächsten Tag betreten sie die Polizeiwache und geben die Vermisstenmeldung auf.
00:27:18
Nach den kaum zu ertragenen Schilderungen der Staatsanwältin hört man immer wieder Schluchzen im Saal.
00:27:24
Das Kölner Landgericht meint, die Antwort darauf liegt in der Zeit kurz vor Mias Tod.
00:27:43
Zwei Monate nachdem Timo bei seiner Freundin eingezogen ist, nimmt sein strenges Verhalten Mia gegenüber ganz neue Ausmaße an.
00:27:50
Alexandra hat in den polizeilichen Vernehmungen berichtet, dass Timos Erziehungsmaßnahmen ab da häufig aus Gewalt, Erniedrigung und Liebesentzug bestehen.
00:27:58
Wenn Mia nicht aufessen will oder Essen ausspuckt, schreit er die Zweijährige an und zwingt sie.
00:28:03
Meist wird er dabei so rasend verwut, dass er ihr das Essen so oft wieder in den Mund stopft, bis sie es herunterschluckt.
00:28:09
Aber damit noch nicht genug.
00:28:11
Timo fängt an, Mia mit Drills zu demütigen.
00:28:14
Auf Kommando soll sich das Mädchen ganz schnell hinsetzen und wieder aufstehen.
00:28:18
Timo findet dieses Spiel lustig und will Alexandra damit zeigen, wie gut Mia ihrem Stiefpapa gehorcht.
00:28:25
Wenn Mia während dem Verarschespiel, so hat Timo die Drills getauft, verzweifelt nach ihrer Mutter schreit oder weint, verbietet er Alexandra darauf zu reagieren.
00:28:35
In solchen Momenten zwingt er die 20-Jährige aus dem Fenster zu schauen oder den Raum zu verlassen.
00:28:41
Jeglicher Blickkontakt zu ihrer Tochter ist während seines perfiden Spiels verboten.
00:28:45
Und das ist doch so gemein, weil du, also das würde, selbst wenn Mia das jetzt überlebt hätte, ja, das würde ihr ja das Urvertrauen in ihre Eltern nehmen, die ja dafür da sind, dem Kind Sicherheit zu geben.
00:28:58
Also ich sehe das jetzt alles vor meinem geistigen Auge, ja, dieser Mann und dann dieses kleine Kind, wie er das Kind anschreit, in das Essen reinstopft und das Kind so, ja, quasi hilflos da nach Mama ruft und keiner kommt ihr zu Hilfe.
00:29:15
Also was muss in einem falsch laufen, dass das die Freizeitbeschäftigung ist, die einem auch noch Spaß macht anscheinend.
00:29:24
Und schon bald nach diesen Drills wird Timo dazu auch noch handgreiflich.
00:29:28
Er schlägt Mia so heftig auf den Po, dass sie tagelang blaue Flecken hat.
00:29:32
Wochenlang und immer intensiver wird Mia von dem Mann psychisch und physisch mal trittiert, der eher eigentlich ein liebevoller Ersatzvater sein sollte.
00:29:41
Timo und Alexandra waren bis zu Mias Tod nur dreieinhalb Monate ein Paar.
00:29:45
Die wenigen Wochen reichten aus, um Mias Leben zur Hölle zu machen.
00:29:49
Das Gericht fragt sich, warum sie dem Ganzen kein Ende gesetzt hat, warum sie ihre Tochter diesen Qualen schutzlos ausgeliefert hat.
00:29:56
Sie als Mutter hätte hinschauen und eingreifen müssen.
00:29:59
Stattdessen hat sie ihre Augen und Ohren versperrt und Mia ihrem Schicksal überlassen.
00:30:03
Von der Staatsanwältin wird Alexandra gefragt, warum sie keine ärztliche Hilfe geholt hat, als sie Mia völlig apathisch aufgefunden hatte.
00:30:11
Timo habe es nicht für nötig gehalten und ihr glaubhaft gemacht, dass Mia schon wieder werde.
00:30:16
Ihr sei dann der Gedanke, gar nicht mehr gekommen, Hilfe zu holen.
00:30:19
Aber spätestens als Mia drei Tage später darauf kalt und steif in ihrem Bettchen lag, hätte sie doch etwas tun müssen.
00:30:26
Darauf antwortete die 20-Jährige kleinlaut, dass sie Angst vor den Konsequenzen hatte.
00:30:30
Genau diesen Konsequenzen müssen sich Mias Mutter und Timo jetzt aber vor Gericht stellen.
00:30:36
Nach Ansicht der Staatsanwaltschaft hat Timo einen Mord aus niedrigen Beweggründen begangen.
00:30:41
Nur weil er mit seinem eigenen Leben unzufrieden war, musste die unschuldige Mia für seinen Frust herhalten und am Ende sogar ihr Leben lassen.
00:30:48
Besonders bitter sind die Ausführungen des medizinischen Gutachters vor Gericht.
00:30:53
Der stellt nämlich fest, dass Mia mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit überlebt hätte, wenn sie direkt nach Timos brutalen Schlägen ärztlich versorgt worden wäre.
00:31:03
Dass Alexandra ihrer Tochter diese Hilfe aber verweigert hat, ist für alle Anwesenden unbegreiflich.
00:31:10
Der psychiatrische Gutachter stellt bei Mias Mutter starke soziative Tendenzen fest.
00:31:14
Dadurch ist Alexandra in der Lage, negative Ereignisse einfach auszublenden und in einer heilen Scheinwelt zu leben.
00:31:21
Ihre extreme Passivität und Bereitschaft, alles einfach hinzunehmen, führt der Experte auf eine besonders ausgeprägte Toleranz gegenüber dominanten Partnern und eine äußerst starke Bindungssehnsucht zurück.
00:31:32
Trotz der Beziehungsprobleme und dem brutalen Umgang mit Mia war Alexandras Wunsch nach einem starken Partner zu stark und ihr eigener Wille zu schwach.
00:31:41
Auch mit Timo hat sich der Gutachter eingehend beschäftigt und stellt bei ihm eine unterdurchschnittliche Gesamtintelligenz fest.
00:31:48
Gewaltbereitschaft und Impulsivität hat Timo immer dann an den Tag gelegt, wenn ihn schon kleine und eher nichtige Anlässe provoziert hätten.
00:31:56
Seinen immensen Wutausbruch gegenüber Mia kann der Gutachter aber nicht mit seiner Alkoholabhängigkeit in Verbindung bringen.
00:32:03
Am Ende gibt er zu Protokoll, dass beide Angeklagten voll schuldfähig sind.
00:32:07
Am 24.05.2013 und damit knapp einen Monat nach Prozessbeginn wird das Urteil gesprochen.
00:32:14
An diesem frühsommerlichen Tag werden die beiden zur Rechenschaft gezogen, die das kurze Leben von Mia, genauso wie ihre Leiche, einfach weggeworfen haben.
00:32:22
Die vorsitzende Richterin erhebt sich. Augen und Ohren sind auf sie gerichtet.
00:32:26
Langsam aber betont verkündet sie, dass beide Angeklagten für schuldig befunden und deshalb ins Gefängnis gehen werden.
00:32:34
Alexandra bekommt eine Jugendstrafe von sieben Jahren wegen Totschlags durchunterlassen.
00:32:39
Die Richterin betont, das kleine Mädchen ist langsam Stück für Stück gestorben.
00:32:43
Trotz der Brutalität der Tat konnte das Gericht bei Timo aber kein Mordmerkmal feststellen, weshalb er ebenfalls wegen Totschlags verurteilt wird und eine Haftstrafe von zwölf Jahren auferlegt bekommt.
00:32:55
Nachdem die vorsitzende Richterin diese Worte ausgesprochen hat, erfüllt eine tumultartige Unruhe den Saal 210.
00:33:01
Plötzlich springt ein Mann aus dem Zuschauerinnenbereich über die Abtrennung und hechtet auf Timo zu.
00:33:06
Kurz bevor der Mann den gerade Verurteilten erreicht, bringen ihn Beamtinnen zu Boden.
00:33:11
Als er aus dem Saal gezehrt wird, ruft er voller Hass in Timos Richtung.
00:33:15
Dich kriege ich noch, du Hurensohn.
00:33:17
Es ist Jens, Alexandras Ex-Freund, für den Mia wie die eigene Tochter war.
00:33:22
Die Richterin bittet nach dem Vorfall um Ruhe und fährt mit ihrer insgesamt zweieinhalbstündigen Urteilsbegründung fort.
00:33:28
Sie betont, dass jemand, der ein Kind tötet, per Gesetz nunmeinig automatisch ein Mörder ist.
00:33:33
Timo hat vor Gericht gestanden.
00:33:35
Laut eigener Aussage waren seine Hände schneller als sein Verstand.
00:33:38
Daran knüpft die Richterin an und stimmt zu, dass Timo im entscheidenden Moment die Nerven und die Kontrolle über sein Handeln verloren hat.
00:33:45
Bei Alexandra stellt sie eine erhebliche Reifeverzüngerung fest.
00:33:49
Deshalb sei die Anwendung des Jugendstrafrechts gerechtfertigt.
00:33:53
Die Kammer ist davon überzeugt, dass Alexandra durchaus bewusst war, dass ihre Tochter nach Timos heftiger Prügelattacke sterben könnte.
00:34:00
Sie rief aber keinen Notarzt, weil sie hoffte, dass alles wie von Zauberhand wieder gut werden würde.
00:34:05
Dieses desillusionierte Verhalten deckt sich mit den Erkenntnissen des psychiatrischen Gutachters.
00:34:11
Nach knapp einem Monat Prozess hat ganz Deutschland von Mias kurzem Leben erfahren.
00:34:15
Ein Leben, das am Ende nur schwer zu ertragen war.
00:34:18
Alexandra sagt zum Schluss mit dünner Stimme, ich bereue, was passiert ist.
00:34:23
Den Tod ihrer einzigen Tochter kann sie mit dieser Aussage aber nie wieder rückgängig machen.
00:34:27
Diese bittere Pille müssen auch trauernde Kölner entschlucken.
00:34:30
Um Mias tragisches Schicksal zu verarbeiten, veranstalten sie im Anschluss an die Urteilsverkündung eine Gedenkfeier.
00:34:37
Genauso wie im vergangenen Dezember liegen jetzt wieder hunderte Plüschtiere und Kerzen auf dem Pariser Platz.
00:34:43
Die Wut und das Unverständnis, das die Anwesenden für den grausamen Tod der süßen Mia empfinden, versuchen sie mit bunten Luftballons, die in den Himmel steigen, loszulassen.
00:34:51
Aber die AnwohnerInnen von Köln-Chorweiler vergessen auch nach über elf Jahren nicht, welche Qualen die zweijährige Mia, der Engel, wie sie sie nennen, durchleben musste.
00:35:00
Heute wäre Mia 14 Jahre alt.
00:35:03
Ein Teenager mit Träumen und Ambitionen.
00:35:05
Doch all das blieb ihr durch die Aggressionen von Timo und die Tatenlosigkeit ihrer Mutter verwehrt.
00:35:11
Mit einem Beitrag auf einer Facebook-Gedenkseite sind sich viele Menschen einig.
00:35:15
Weihnachtszeit ist in Köln-Chorweiler für immer Mia-Zeit.
00:35:21
Ich finde es einfach so furchtbar, wenn man sich mal vorstellt, dass die nur dreieinhalb Monate zusammen waren und vorher offenbar da ein Partner an ihrer Seite war, der alles für das kleine Mädchen gemacht hätte.
00:35:40
Also wie schlimm ist das, dass es da einen Mann gibt, der im Gerichtssaal sitzt und der das Mädchen offenbar mehr geliebt hat als die eigene Mutter.
00:35:52
Aber auch dieser Typ, wie kann man sich an so einem kleinen Kind, also so einem wehrlosen Geschöpf, wie kann man das überhaupt machen?
00:36:01
Also ich, wie ekelhaft ist man, also es war einfach wirklich ein ganz schlimmer Fall.
00:36:08
Was mich daran so abfuckt ist, dass das offenbar ganz einfach war, also durch die Persönlichkeitsstruktur von der Alexandra, aber auch dadurch, wie halt der Timo war, da so eine Dynamik in die Familie reinzubringen.
00:36:22
In so kurzer Zeit ja dann auch, ne?
00:36:24
Ja, und zwar so gefährlich, dass am Ende ein kleines Mädchen stirbt, ja.
00:36:28
Und dass die Alexandra halt nicht dem entgegengewirkt hat, sondern halt einfach weggeguckt hat und dann auch aktiv nichts dagegen unternommen hat, ja.
00:36:38
Und sie hat das ja schon vorher gesehen, das war ja, das hat sich ja aufgebaut.
00:36:42
Das fing erst damit an, dass er meinte, die wird verhätschelt, dann fing das an, dass er streng war, dann sollte die essen, dann gab es die Drills, dann gab es die Spiele, dann gab es Gewalt und so.
00:36:51
Und die macht halt die ganze Zeit nichts.
00:36:53
Und das war ja dann auch der Grund, warum Alexandra verurteilt wurde.
00:36:56
Weil sie damit ihre Garantenpflicht verletzt hat.
00:36:58
Weil sie war ja als Mutter und deshalb auch als Garantin dazu verpflichtet, dafür zu sorgen, ihre Tochter vor Misshandlungen und natürlich auch vor ihrem Tod zu schützen.
00:37:07
Und das hat sie jetzt ja nachweislich nicht getan und sich somit wegen Totschlags durch Unterlassen strafbar gemacht.
00:37:14
Und als ich das gehört hatte, musste ich an den Fall von Nadine denken.
00:37:17
Da erinnern sich bestimmt auch noch viele Leute dran.
00:37:20
Das war ein kleines Mädchen, das eigentlich erst bei seinem Vater gelebt hat, irgendwann aber zu seiner Mutter und deren neuen Freund gezogen ist.
00:37:27
Der Nadine dann ganz perfide sexuell missbraucht und gebrainwashed hat.
00:37:33
Deswegen ist mir das auch so in Erinnerung geblieben, weil die halt nachher selber dachte, die will das und so.
00:37:37
Der hat sie nachher auch prostituiert.
00:37:39
Und die Mutter hat halt richtig mitgemacht.
00:37:41
Also das Mädchen psychisch manipuliert, damit ihr Freund es vergewaltigen und zwangsprostituieren kann.
00:37:46
Und das war ja so ein Extremfall.
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Und da gab es natürlich ähnliche Mechanismen, also dieses Bedürfnis nach einem Partner und dann der Partner, der halt so dominant und manipulativ ist.
00:37:57
Und auch Alexandra war das halt eben wichtiger, diese Beziehung, als ihr eigenes Kind und wollte halt ihre Aufmerksamkeit und Liebe dem neuen Partner geben.
00:38:05
Und es ist dann einfach übergegangen zu dem.
00:38:07
Alexandra selbst hat in der Vergangenheit ja auch Schwierigkeiten mit ihren Eltern gehabt und hat das offenbar ja nie richtig aufgearbeitet.
00:38:15
Und das kann natürlich dann auch passieren, dass man das dann auf seine eigenen Kinder überträgt, eigene Verletzungen, wenn man da nicht gegen anarbeitet.
00:38:21
Und wie es dazu kommen kann, dass Menschen, in diesem Fall eben die Mutter, selbst auch noch dabei mitmacht, die Gewalt an dem Kind zu verstecken.
00:38:28
Mütter, die so einem Menschen begegnen, haben vielleicht das allererste Mal sich von diesen Menschen geliebt gefühlt.
00:38:40
Also die kommen vielleicht aus einer Herkunftsfamilie, wo sie genau diese Liebe, diese Zuwendung, diese emotionale Versorgung nicht erlebt haben.
00:38:52
Und jetzt begegnen sie einem Menschen und spüren vielleicht das allererste Mal, oh, da hat jemand Interesse an mir.
00:38:59
Da liebt mich jemand.
00:39:01
Und aus dieser emotionalen Abhängigkeit heraus kann es leider passieren, dass sich jemand dann ganz schlecht aus so einer Beziehung wieder lösen kann.
00:39:11
Wenn sich eben im Laufe der Zeit herausstellt, aha, da geht jemand auf eine ganz ähnliche Art und Weise doch abwertend mit mir selber um und verlangt sogar etwas von mir, was eigentlich über die eigenen Grenzen hinausgeht.
00:39:28
Ein wichtiger Faktor, warum diese Mütter dann zu Mittäterinnen werden, ist laut Hesse, dass sie durch ihre eigene Geschichte ganz oft das Vertrauen in sich selbst und auch Teile von ihrem Selbstwertgefühl verloren haben und somit einfacher zu manipulieren sind.
00:39:41
Und neben dieser sozialen Abhängigkeit gibt es aber auch natürlich noch andere Gründe, warum Mütter das dann so weit kommen lassen.
00:39:47
Das spielt zum Beispiel auch Geld manchmal eine Rolle.
00:39:49
Also wenn der Partner der Hauptverdiener ist, sehen sich solche Mütter dann auch in einer finanziellen Notlage, wenn sie dann in den Missbrauch eingreifen würden.
00:39:57
Das rechtfertigt das natürlich alles überhaupt 0,0.
00:40:00
Nur um zu erklären, was da in den Köpfen von solchen Müttern vorgehen kann.
00:40:05
Aber auch Gewaltandrohungen durch den Partner oder Scham führen halt in manchen Fällen dazu, dass Mütter ihre eigenen Kinder dann nicht mehr schützen.
00:40:13
Das Interessante an deinem Fall fand ich jetzt aber auch, dass Timo seinen eigenen Sohn, der ja offenbar im gleichen Alter war wie mir, ganz anders gesehen hat als das Mädchen.
00:40:24
Genau, also wenn Elias, also Timos Sohn, jedes zweite Wochenende zu Besuch war, dann wurde der so richtig mit Liebe überschüttet und in den Himmel gelobt.
00:40:32
Der wurde zwar auch streng erzogen, aber der hat ganz anders die Beziehung genossen als Mia.
00:40:37
Also er konnte es quasi, er konnte schon jetzt sein.
00:40:40
Ja, genau. Es ging ja um die Wut, die er hatte, weil er das eigentlich mit Elias, was er so gerne hatte, nicht oft haben konnte und das dann an Mia ausgelassen hat.
00:40:50
Und das kam auch bei den Vernehmungen raus.
00:40:52
Timo hat dann behauptet, dass Elias viel besser erzogen war und viel besser gehorchen konnte auch.
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Und ich finde alleine, das hört sich ja auch schon fast wie Hundeerziehung an und nicht nach kindgerechtem Umgang.
00:41:03
Bei so einem Verhalten, wie das Timo jetzt an den Tag gelegt hat, da kann man auch vom sogenannten Aschenputtel-Effekt sprechen.
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Dieser Begriff kommt aus der Evolutionspsychologie und beschreibt eine höhere Auftretensrate verschiedener Formen von Kindesmisshandlungen durch Stiefeltern im Vergleich zu biologischen Eltern.
00:41:24
Und der Name ist ein bisschen klar, der kommt eben auch von dem Märchen Aschenputtel.
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Da ist es ja so, dass die Stiefmutter Aschenputtel eben ganz schlecht behandelt und ihre eigenen Töchter aber super behandelt.
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Und als Grund für dieses Verhalten nehmen viele EvolutionspsychologInnen an, dass wir Menschen keinen genetischen Grund hätten, unsere elterlichen Ressourcen in ein Kind zu investieren, mit dem wir gar nicht biologisch verwandt sind.
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Und dadurch seien Stiefeltern eher bereit, Stiefkinder zu misshandeln, zu missbrauchen oder auch sogar zu töten, als die eigenen Kinder.
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Um zu prüfen, ob es diesen Effekt wirklich gibt, haben die kanadischen EvolutionspsychologInnen Dr. Martin Daly und Dr. Margot Wilson in den 80ern in einem Zeitraum von über 10 Jahren Kindstötungen ausgewertet.
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Das Resultat ihrer Studie zeigt, dass das Risiko, getötet zu werden, für Stiefkinder im Vorschulalter mindestens 40 Mal höher ist als für leibliche Kinder.
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Und andere Studien aus Australien haben gezeigt, dass tödliche Misshandlungen von kleinen Kindern sogar 300 Mal häufiger durch einen Stiefvater als durch die biologische Mutter oder den Vater verursacht wurden.
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Aber es gibt auch Kritik an diesen Auswertungen, zum Beispiel, dass oft äußere Faktoren wie Armut, Drogen oder Alkoholmissbrauch nicht berücksichtigt werden.
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Und auch aus Deutschland kommt Gegenwind.
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Eine Studie vom Max-Planck-Institut für demografische Forschung aus dem Jahr 2013 kommt zu dem Schluss, dass es den Effekt nicht gibt.
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Im Rahmen dieser Studie wurden allerdings nur Daten aus dem 17. bis 19. Jahrhundert ausgewertet und nur solche, die sich auf eine ganz kleine Region in Ostfriesland beziehen.
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Also jetzt auch nicht wirklich repräsentativ.
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Unsere Expertin Eva-Maria Hesse weiß aus Erfahrung, dass es in Patchwork-Familien schon generell ein höheres Konfliktpotenzial mit Stiefkindern gibt.
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Allerdings stellt sie den Aschenpüttel-Effekt auch infrage.
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Sie geht eher davon aus, dass es immer mit den Lebensumständen und auch den Personen an sich zu tun hat.
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Also wenn jemand generell zu Aggression oder Impulsivität neigt, dann spielt es ihrer Meinung nach keine Rolle, ob die Kinder, die Gewalt erfahren, die eigenen oder Stiefkinder sind.
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Ob es diesen Effekt jetzt gibt oder nicht, gilt in der Wissenschaft bis heute als umstritten.
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Die Mehrzahl der Studien tendiert aber dazu, dass an der Theorie was dran ist.
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Wobei ich auch sagen muss, dass die Theorie für mich schon einen gewissen Sinn ergibt.
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Und ich habe erst letztens wieder von einer Studie gelesen, da ging es darum, dass Babys ihrem Vater ähnlicher sehen als der Mutter.
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Und die Forschenden vermuten, dass das damit zusammenhängt, dass dem Baby halt ein Vorteil entsteht, wenn sie eher aussehen wie der Vater.
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Weil ein Vater, der auch von der Vaterschaft überzeugt ist, eher gewillt ist, irgendwie ins Kind zu investieren, in Anführungszeichen, als wenn er denkt, dass es nicht sein eigenes Fleisch und Blut ist.
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Und eine andere Studie, die wurde auch in diesem SZ-Artikel besprochen, die hat gezeigt, dass Männer auch eher bereit sind, Kinder zu adoptieren, die ihn ähnlich sehen, als welche, die ihn nicht ähnlich sehen.
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Und das ist aber bei Frauen nicht der Fall.
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Ja, ich finde das total spannend zu sehen, warum wir uns teilweise so verhalten, wie wir uns verhalten.
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Allerdings habe ich immer das Bedürfnis dazu zu sagen, dass wir nun mal Menschen sind, höher entwickeltere Wesen, die dem auch nicht einfach hilflos ausgesetzt sind.
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Also man kann das auch wegrationalisieren und das sollte man bei bestimmten Sachen halt auch unbedingt.
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Auch in dem Fall, den ich jetzt gleich erzählen werde, gibt es ein großes Ungleichgewicht, was die Zuneigung zum eigenen und zum fremden Nachwuchs angeht.
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Wenn man genauer hinschaut, dann lassen sich hinter manch scheinbar makellosem Bild einer Patchwork-Familie tiefe Risse erkennen.
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In meinem Fall sind aus diesen Rissen Abgründe geworden, die bis in das Reich der Toten führen.
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Alle Namen habe ich geändert.
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4. November 2019
00:45:15
Der Notfallmediziner eilt auf die moderne Doppelhaushälfte zu, in der mitten in der Nacht noch Licht brennt.
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Durch die weit geöffnete Haustür rennt er vorbei an der völlig aufgelösten Frau bis in den ersten Stock des Hauses.
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Dort liegt in einem der Kinderzimmer ein kleiner Junge in seinem Bett.
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Er regt sich nicht und sein Gesicht ist blau angelaufen.
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Auf dem Boden neben dem Bett hat sich eine Pfütze aus Wasser gebildet.
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Auch wenn sich der Notarzt die Situation nicht erklären kann, weiß er eins genau.
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Er muss sofort handeln.
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Ein Kampf um das Leben des Kindes beginnt.
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Aber weder Puls noch Atmung setzen wieder ein.
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Eine Stunde, nachdem der Notruf ihn erreicht hat, muss der Arzt den Jungen für tot erklären.
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Und der Frau die schreckliche Botschaft überbringen, die daraufhin vor dem Kinderzimmer zusammenbricht.
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Mit wachem Blick und dem Gewehr im Anschlag streifen Männer und Frauen in Tarnkleidung durch die flache Landschaft.
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In der Ferne hört man Panzer durch die Gegend flügen, ab und zu fallen Schüsse.
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Hier in der bayerischen Oberpfalz spielen sich keine echten Kriegsszenen ab.
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Sie werden simuliert.
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Auf dem Truppenübungsplatz trainieren täglich hunderte Soldatinnen für den Ernstfall.
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Einer von ihnen ist David.
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Der junge Mann ist Mitglied eines US-Kavallerie-Regiments mit Hauptsitz im bayerischen Grafenöhr.
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David liebt das Training, das Gemeinschaftsgefühl und das Adrenalin.
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Für all das hat er nicht nur seine Heimat, die USA, sondern auch seine Kinder verlassen.
00:46:45
Für den 25-Jährigen war das keine leichte Entscheidung.
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Doch eine Person hat ihn in seinem Traum immer bestärkt.
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Seine Frau Angela.
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Rund drei Jahre zuvor.
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Sie lernt David im August 2016 in den USA kennen.
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Und als er ihr begegnet, werden all die dunklen Momente der vergangenen Monate in Licht getaucht.
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Die 22-Jährige bringt dem US-Soldaten wieder Hoffnung.
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Hoffnung auf ein schönes Leben und eine gemeinsame Zukunft.
00:47:15
Denn die Zeit vor Angela war nicht leicht für David.
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Er hat sich erst vor wenigen Monaten von seiner Ex-Frau getrennt.
00:47:22
Und obwohl seine drei Kinder sein Ein und Alles sind, leben sie jetzt bei ihr,
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was ihm bei dem Gedanken daran jedes Mal einen Stich ins Herz versetzt.
00:47:30
Doch Angela hilft ihm, sich von dem Schmerz abzulenken.
00:47:34
Die Frau mit der zierlichen Figur und den langen schwarzen Haaren ist wie eine gute Fee, die ihn verzaubert.
00:47:39
Die beiden verlieben sich Hals über Kopf und können sich bald schon eine gemeinsame Zukunft vorstellen.
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Also stellt David seiner Freundin schon bald seine beiden Söhne, Tobi und Joshua, und seine Tochter Emma vor.
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Als er sieht, wie gut sich Angela mit seinem Nachwuchs versteht, ist er sich sicher, sie soll die neue Frau an seiner Seite werden.
00:47:58
Die beiden werden ein Paar und schon nach wenigen Monaten Beziehung fragt David Angela,
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ob sie sich vorstellen könne, mit ihm für seinen Job nach Deutschland zu ziehen,
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wo er sowieso die meiste Zeit im Jahr verbringt.
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Er weiß, dass viel verlangt ist, aber Angela ist einverstanden mit dem Tapetenwechsel
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und so zieht das junge Paar über den großen Teich ins bayerische Eschenbach.
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Der kleine Ort befindet sich ganz in der Nähe von Davids Dienststelle, dem Truppenübungsplatz.
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In der flachen und von Weihern durchzogenen Landschaft wurden insgesamt 832 moderne Einfamilienhäuser und Doppelhaushälften errichtet,
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in denen US-Soldatinnen mit ihren Familienmitgliedern ein neues Zuhause gefunden haben.
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So wie jetzt auch David und Angela.
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Schnell fühlt sich das junge Paar wohl in ihrem frisch bezogenen Nest.
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David hat seine Kumpels von der Army, mit denen er sich in seiner Freizeit trifft
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und auch Angela findet schnell Anschluss und freundet sich mit ihrer Nachbarin Tina an,
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die genau wie sie die Partnerin eines in Deutschland stationierten US-Soldaten ist.
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Gekrönt wird der tolle Start in Deutschland mit einem Kniefall.
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Nach knapp einem Jahr Beziehung stellt David Angela die eine Frage
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und zwei Monate später schließen sie den Bund der Ehe.
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Auch der Nachwuchs lässt nicht lange auf sich warten.
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Im August 2018, zwei Jahre nachdem sich die beiden in den USA kennengelernt haben,
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wird Angela schwanger.
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Das Einzige, das die Stimmung trügt, ist Davids Sorge um seine drei Kinder aus erster Ehe.
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Die räumliche Trennung macht ihm zu schaffen.
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Die Flüge von Deutschland in die USA sind teuer und lang.
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Seine Kinder sieht er deshalb selten.
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Aber es ist nicht nur das.
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Tobi, Emma und Joshua geht es bei seiner Ex-Frau zunehmend schlechter.
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Die Mutter seiner Kinder hat ein Drogenproblem entwickelt
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und kann sich deshalb nicht wirklich um die drei kümmern.
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Dagegen will David jetzt etwas unternehmen.
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Und zwar so schnell wie möglich.
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Also fasst er den Entschluss, die Kinder zu sich und Angela zu holen.
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Angela unterstützt ihn bei dem Vorhaben.
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Und tatsächlich kann David vor dem Gericht in den USA
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das alleinige Sorgerecht für den achtjährigen Tobi,
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die siebenjährige Emma und den vierjährigen Joshua erwirken.
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Fast zur selben Zeit erblickt sein jüngstes Kind, das Licht der Welt.
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Aus zwei werden sechs Familienmitglieder.
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So ist es zumindest bei David und Angela.
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Denn über Nacht werden sie zu einer sechsköpfigen Patchwork-Familie.
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David weiß, dass die nächste Zeit nicht einfach wird,
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aber er freut sich riesig und ist froh,
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dass er mit Angela eine Frau gefunden hat,
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die ihn in seinem Traum von der Großfamilie unterstützt.
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Und für Angela ist es wirklich eine Umstellung.
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Nicht nur, dass sie gerade ihr erstes Baby geboren hat,
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sie hat auch noch drei weitere Kinder bekommen,
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die ihre Aufmerksamkeit einfordern.
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Wenn David jetzt bei der Arbeit auf dem Truppenübungsplatz ist,
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muss sie sich nicht nur um Liam kümmern,
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sondern auch um Tobi, Emma und Joshua.
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Angela steht also Tag und Nacht bereit.
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Nur wenn die beiden Ältesten am Vormittag in der Schule sind,
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hat die mittlerweile 25-Jährige ein bisschen Ruhe.
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Dann sind es nur noch die zwei Kleinsten,
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die ihre Hilfe beanspruchen.
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David ist unfassbar dankbar für ihre Unterstützung und die Liebe.
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die Angela auch seinen älteren Kindern schenkt.
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Er bewundert seine neue Ehefrau,
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wie sie sich aufopferungsvoll um seinen Nachwuchs kümmert.
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In seinen Augen ist Angela nicht nur die perfekte Ehefrau,
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sondern auch eine richtige Supermama,
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die alle vier Kids mit viel Herzblut umsorgt.
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Und das, obwohl er sie oft alleine lassen muss.
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Seine fünf Liebsten und ihn trennen aufgrund seines Jobs
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nämlich mehrmals im Jahr tausende Kilometer und der Atlantische Ozean.
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Im Oktober 2019 ist es wieder soweit.
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David muss wegen Truppenübungen für mehrere Wochen in die USA.
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Diesmal wird der Angela besonders lange mit den Kindern alleine lassen.
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David hat ein schlechtes Gewissen und seine Frau klagt ihm ihre Sorgen.
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So lange am Stück war er noch nie weg.
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Obwohl das junge Paar die räumliche Distanz mit täglichen Telefonaten und Nachrichten überbrückt,
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wird dieser Aufenthalt zur Belastungsprobe.
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So kommt es Anfang November zu einem größeren Streit zwischen den beiden.
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Auslöser sind Vorwürfe, die Angela David macht.
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Er trinke und spiele zu viel.
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David weiß, dass das stimmt.
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Er gibt sich Mühe, das alles unter einen Hut zu bekommen,
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aber für ihn ist der stressige Arbeitsalltag,
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gepaart mit seiner neuen Patchwork-Familie, eine große Belastung.
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Das Bier mit seinen Kumpels und die Zeit in der Spielhalle lassen ihn den Stress vergessen.
00:52:15
Er weiß, dass das falsch ist und er Angela in der Zeit eigentlich mehr unter die Arme greifen sollte.
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Schließlich hat sie dank ihm noch drei Kinder mehr, um die sie sich kümmern muss.
00:52:24
Und das sagt er ihr.
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Die beiden versöhnen sich.
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Zwei Tage nach dem Streit ruft David Angela dann wie immer abends an.
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Bei seinen Liebsten ist es da gerade kurz nach 21 Uhr
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und Angela berichtet ihm, dass der vierjährige Joshua schon schläft.
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Für den Rest der Bande ist aber jetzt auch langsam Schlafenszeit angesagt.
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Bei David in den USA ist es gerade einmal nachmittags,
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während er zuhört, wie Angela Tobi und Emma anbeißt, sich die Zähne zu putzen und dann ins Bett zu gehen.
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Genauso lauscht er wenig später, wie Angela versucht, den kleinen Liam zum Schlafen zu bringen.
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Sein jüngster Sohn schreit und will einfach nicht einschlafen,
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was bei David das schlechte Gewissen darüber, nicht da zu sein und zu helfen, weiter wachsen lässt.
00:53:05
Weil Liam nach einer halben Stunde immer noch brüllt und David seiner Ehefrau in der Situation nicht wirklich unterstützen kann,
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legen die beiden gegen halb zehn auf und verabreden, später noch einmal zu telefonieren.
00:53:15
Während David durch die Straßen schlendert und sich etwas zu essen holt,
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ploppen im Minutentakt Nachrichten auf seinem Handy auf.
00:53:22
Angela schickt ein Foto vom chaotischen Wohnzimmer.
00:53:25
Im gesamten Raum liegen Klamotten und Spielzeug herum.
00:53:27
In einer anderen Nachricht beschwert sie sich, dass die Berge an Wäsche noch bewältigt werden müssen
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und Liam schon wieder aufgewacht ist.
00:53:34
Dann trudelt für circa zehn Minuten keine Nachricht mehr ein.
00:53:39
Aber da ist es kurz vor Mitternacht in Deutschland, vielleicht ist Angela ja schon eingeschlafen.
00:53:43
Um 0.17 Uhr ruft sie ihn dann aber doch wieder an.
00:53:47
Angela berichtet, dass alle Kinder nun schlafen.
00:53:50
Dann sprechen die beiden über das bevorstehende Weihnachtsfest und die Geschenke, die sie besorgen wollen.
00:53:55
Nach knapp einer Stunde sagt Angela, dass sie jetzt auch endlich schlafen wolle.
00:53:59
Aber David hat noch eine Bitte an seine Frau.
00:54:02
Sie soll noch einmal nachsehen, ob bei den Kindern alles in Ordnung ist.
00:54:05
Also geht Angela in den ersten Stock des Hauses und schaut zuerst nach den Grundschulkindern.
00:54:10
Tobi und Emma schlafen tief und fest, sagt Angela, als sie wieder auf dem Flur steht.
00:54:15
Als nächstes will sie nach Joshua schauen.
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Es ist wieder kurz still am anderen Ende der Leitung.
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Und dann, urplötzlich, ganz laut.
00:54:23
Angela klingt panisch und wiederholt immer wieder, dass sich der Vierjährige nicht bewegt und Blasen aus seinem Mund kommen.
00:54:29
David versteht nicht, was los ist und fragt deshalb immer wieder nach.
00:54:32
In Angelas Aufregung versteht er immer nur das Wort Notfall und David ahnt, dass gerade etwas ganz Furchtbares im Gange ist.
00:54:39
Deshalb befiehlt David seiner verzweifelten Ehefrau, dass sie sofort einen Rettungswagen rufen muss und die beiden legen auf.
00:54:47
Die plötzliche Stille bringt Davids Gedanken zum Rasen.
00:54:50
Was ist daheim los und was meint Angela mit Blasen aus dem Mund?
00:54:54
Ein paar Minuten später schreibt seine Ehefrau, dass der Notarzt da ist.
00:54:58
David versucht sich zu beruhigen.
00:54:59
Es wird schon alles gut gehen.
00:55:02
Als er dann für mehr als eine halbe Stunde nichts mehr von Angela hört oder liest, funktioniert das nicht mehr.
00:55:07
Das Gefühl, dass daheim gerade etwas Schlimmes passiert ist, verstärkt sich von Sekunde zu Sekunde.
00:55:11
Ab 1.52 Uhr deutscher Zeit versucht David minütlich, Angela zu erreichen, aber sie geht nicht dran.
00:55:18
Immer und immer wieder drückt er auf dem Handy auf den Namen seiner Ehefrau und hört quälend lange Sekunden nur das Freizeichen, bis die Mailbox rangeht.
00:55:27
Dann endlich um 2.37 Uhr hebt seine Frau ab.
00:55:30
Die Nachricht, die David dann von ihr hört, ist grauenhaft.
00:55:33
Und die folgenden drei Worte reißen ein riesiges Loch in Davids Herz.
00:55:41
Noch in derselben Nacht fährt ein Polizeiauto in der US-amerikanischen Siedlung in Eschenbach vor.
00:55:46
Was den Beamtinnen sofort am Zustand der Doppelhaushälfte auffällt, zu dem sie einen Notarzt gerufen hatte,
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hier leben heillos überforderte Eltern.
00:55:54
Nahezu jeder Raum, den sie betreten, ist unordentlich und schmutzig.
00:55:58
Die Toiletten wurden offenbar schon lange nicht mehr geputzt,
00:56:00
in der Küche stapelt sich dreckiges Geschirr und auf dem Wohnzimmerboden liegen Essensreste.
00:56:05
Mitten im Chaos steht eine Frau, die sich ihn als Angela und Stiefmutter des toten Jungen vorstellt.
00:56:11
Aufgewühlt und den Tränen nahe.
00:56:13
Die PolizistInnen fragen sie, was passiert ist.
00:56:16
Als einzige erwachsene Person im Haus soll sie eine Antwort darauf geben, wie Joshua zu Tode gekommen ist.
00:56:22
Aber das kann sie nicht.
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Es sei ein ganz normaler Tag gewesen.
00:56:25
Joshua sei zwar früher als die anderen Kinder ins Bett gegangen,
00:56:28
aber sie habe später noch einmal nach ihm gesehen und da sei alles wie immer gewesen.
00:56:32
Als die Polizei nach dem Zusammenleben der Patchwork-Familie fragt,
00:56:35
sagt die 25-Jährige, dass alles super lief.
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Die sechsköpfige Familie für ein harmonisches Leben.
00:56:41
Sie habe sich gerne um die vier Wirbelwinde gekümmert.
00:56:44
Es habe nie Probleme oder Streit gegeben.
00:56:46
Die perfekte Familie quasi.
00:56:49
Bei dem Anblick des Zustands hier im Haus ist es nicht unbedingt das Wort,
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das den ErmittlerInnen einfallen würde.
00:56:55
Um Antworten zu bekommen, wenden sich die PolizistInnen als nächstes an den Notarzt,
00:57:00
der noch immer vor Ort ist.
00:57:02
Der Mediziner berichtet, dass dem leblosen Joshua eine klare Flüssigkeit aus dem Mund und der Nase gelaufen sei.
00:57:08
Außerdem habe er einen großen Wasserfleck auf dem Boden neben dem Bett entdeckt.
00:57:12
Wie das Wasser auf den Boden gekommen sei, wird die Stiefmutter daraufhin gefragt.
00:57:16
Sie wisse es nicht, könne sich aber vorstellen, dass Joshua in der Nacht Durst bekommen,
00:57:20
sich beim Trinken verschluckt hat und daran schließlich erstickt sei.
00:57:25
Zur selben Zeit tausende Kilometer entfernt.
00:57:28
Seit David von der Nachricht seines Sohnes gehört hat,
00:57:31
versucht er so schnell wie möglich seine Rückreise zu organisieren.
00:57:35
Und als er zwei Tage später in Deutschland landet,
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holt ihn seine Frau vom Flughafen ab.
00:57:40
David sieht wie durch einen schwarzen Trauerschleier.
00:57:43
Angela und er liegen sich in den Arm.
00:57:45
Sie trauern gemeinsam um den großen Verlust ihrer Familie.
00:57:50
Doch am nächsten Tag ist der Polizei klar,
00:57:53
so wie Angela es sich erklärt hat, kann das Ganze nicht gewesen sein.
00:57:58
Denn die Ergebnisse des Obduktionsberichts sprechen eine andere Sprache.
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Es war kein Unfall, sondern ein Tötungsdelikt.
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Und deshalb kommt es im Juli 2020 zu einer Gerichtsverhandlung vor dem Landgericht Weiden.
00:58:12
Und zwar gegen Joshuas Stiefmutter Angela.
00:58:15
An diesem Mittwochmorgen nimmt die mittlerweile 26-Jährige in einer blau-weiß gestreiften Bluse
00:58:20
und einem dunklen Bleistiftrock im modernen, mit Licht durchflöteten Gerichtssaal Platz.
00:58:24
Ihre Augen wandern durch den mit Helm holzverkleideten Raum.
00:58:28
Von der Nase abwärts verdeckt eine FFP2-Maske den Rest des Gesichts.
00:58:32
Neben Angela sitzen ihre beiden Anwältinnen und eine Dolmetscherin.
00:58:36
Kurz nachdem sich alle eingefunden und Platz genommen haben,
00:58:40
eröffnet der Vorsitzende Richter den Prozess und erteilt dem Staatsanwalt das Wort.
00:58:45
Der erhebt sich, um die Anklage zu verlesen und führt damit alle Anwesenden knapp acht Monate zurück in der Zeit.
00:58:51
Zurück an den Abend des 3. November 2019, an dem ein kleiner Junge sein Leben verlor.
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Das Haus gleicht an diesem Sonntagabend einem Saustall.
00:59:01
Die letzten zwei Tage war Angela mit allen vier Kindern alleine zu Hause
00:59:05
und nur damit beschäftigt, hinter allen herzuräumen.
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Eine Aufgabe, die niemals endet.
00:59:10
Die junge Frau ist komplett überfordert.
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Allen Kindern gerecht zu werden und dann noch den Haushalt zu schmeißen, ist nahezu unmöglich.
00:59:17
Daher stapelt sich ein Teller auf dem anderen im Spülbecken
00:59:20
und Berge von dreckigen Kleidungsstücken häufen sich vor der Waschmaschine.
00:59:24
Und je mehr die energiegeladenen Stiefkinder aufdrehen, desto mehr schwinden Angelas Kräfte und ihre Nerven.
00:59:30
So anstrengend hätte sie es sich niemals vorgestellt, als sie zustimmte, Davids Kinder bei sich aufzunehmen.
00:59:36
Der ständige Lärmpegel und das Chaos stellen ihren Geduldsfaden vor einem Messer scharfe Zerreißprobe.
00:59:42
Nichts wünscht sie sich gerade sehnlicher herbei, als den Zeitpunkt, an dem alle Kinder friedlich in ihren Betten liegen.
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Als erstes ist das an diesem Abend des 3. November der vierjährige Joshua, der nach seinem Abendessen müde, in sein Kinderzimmer geht.
00:59:55
Zu diesem Zeitpunkt steckt Angela gerade mitten in den Vorbereitungen für das Abendessen für Liam, Tobi und Emma
01:00:01
und telefoniert dabei mit ihrer Freundin und Nachbarin Tina.
01:00:05
Bei ihr kann sie ihrem Frust über den stressigen Tag Luft machen.
01:00:07
Aber es dauert nicht lange, da wird sie unterbrochen.
01:00:11
Joshua ruft nach ihr.
01:00:12
Sie würde gerne einfach mal eine Sache beenden, aber Joshuas Anliegen ist dringend.
01:00:17
Denn der Vierjährige hat in die Hose gekotet.
01:00:20
Angela ist genervt.
01:00:21
Dass Joshua in seinem Alter immer noch so oft ins Bett macht, ist sie langsam leid.
01:00:25
Schließlich heißt das für sie, den Jungen sauber wischen, umziehen, Bett abziehen und wieder neu beziehen.
01:00:32
Ungeduldig sagt sie zu Tina, dass sie auflegen muss, um Joshuas Hose zu wechseln.
01:00:36
Das Abendessen für die anderen verschiebt sich.
01:00:38
Als Angela mit all dem fertig ist und die beiden Älteren Tobi und Emma auf ihre Zimmer schickt und den kleinen Liam ins Bett bringt,
01:00:45
ist es Ehemann David, der ihr übers Telefon gut zuredet.
01:00:48
Doch das Baby will partout nicht einschlafen.
01:00:51
Um 22.45 Uhr gelingt es Angela endlich.
01:00:55
Aber nur eine halbe Stunde später fängt Liam erneut an zu schreien.
01:00:59
Kurz nachdem der Kleinste wieder eingeschlafen ist, wacht der Zweitkleinste, der Vierjährige Joshua, zum zweiten Mal auf.
01:01:05
Genervt geht Angela in sein Kinderzimmer, um nachzusehen, was jetzt schon wieder los ist.
01:01:10
Diesmal hat Joshua ins Bett gepinkelt.
01:01:12
Angela steht vor dem Vierjährigen, der die frisch gewechselte Schlafanzughose und das Bettzeug eingenässt hat.
01:01:20
Da reißt ihr Geduldsfaden.
01:01:22
Seit mehreren Stunden versucht sie einfach nur die Kinder ins Bett zu bringen, damit sie sich auch einmal kurz ausruhen kann.
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Sie will doch einfach nur schlafen.
01:01:30
Sie kann nicht mehr.
01:01:31
Und da schiebt sich vor ihre Augen ein rotes Tuch.
01:01:34
Die 25-Jährige holt aus und schlägt dem wehrlosen Kleinkind dreimal mit voller Wucht auf den Kopf.
01:01:41
Vor lauter Schmerz und Schock fängt Joshua an, laut zu weinen.
01:01:45
Nein, nein, nein. Joshua muss leise sein, sonst weckt er die anderen Kinder.
01:01:50
Angela will auf keinen Fall, dass Liam wegen Joshuas Geschrei schon wieder aufwacht.
01:01:54
Joshua muss still sein.
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Also packt sie den Vierjährigen am Hals und schnürt ihm mit beiden Händen die Luft ab.
01:02:01
Ich glaub's nicht.
01:02:03
Es dauert nicht lang, da gibt er keinen Ton mehr von sich.
01:02:06
Aber Angela drückt immer noch fest zu.
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Erst als Joshua sich nicht mehr bewegt und auch nicht mehr atmet, lässt die 25-Jährige los.
01:02:14
Und dann dämmert ihr allmählich, was sie soeben getan hat.
01:02:17
Panik steigt in ihr auf.
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Sie hat den Sohn ihres Ehemannes getötet.
01:02:22
Das kann nicht sein.
01:02:23
Das darf nicht sein.
01:02:24
Also überlegt Angela, wie sie alles nach einem Unfall aussehen lassen kann.
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Sie hebt Joshuas leblosen Körper aus dem Bett und legt ihn auf den Boden, um ihm Wasser einzuflößen.
01:02:33
Denn alles soll danach aussehen, als hätte Joshua etwas getrunken und wäre daran erstickt.
01:02:39
Was ist das für ein Scheiß?
01:02:41
Dabei zittert Angela und verschüttet die Flüssigkeit immer wieder, wodurch die Pfütze auf dem Boden entsteht.
01:02:47
Nur ca. 100 Milliliter Wasser finden den Weg in den Rachen des toten Jungen.
01:02:52
Alles andere landet daneben.
01:02:54
Das alles geschieht laut Staatsanwaltschaft in den 10 Minuten kurz vor Mitternacht, in denen David keine Nachrichten mehr von Angela erhält.
01:03:01
Um 0.17 Uhr ruft sie ihren Ehemann dann an.
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Aber nicht, um ihm zu berichten, was gerade passiert ist, sondern um mit ihm über das bevorstehende Weihnachten und die Geschenke zu sprechen.
01:03:12
Angela lässt sich zu keiner Sekunde etwas anmerken.
01:03:17
Erst nach knapp einer Stunde, in der die beiden über alles Mögliche geredet haben und David sie bittet, nach den Kindern zu sehen,
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tut Angela so, als würde sie Davids Sohn auf dem Boden liegend auffinden.
01:03:27
Ihren Stiefsohn, den sie laut Staatsanwaltschaft selbst getötet hat.
01:03:30
Erst dann, um 1.11 Uhr, ruft sie schließlich den Notarzt.
01:03:36
Die Stecknadelkopfgroßen Einblutungen in Joshuas Augen, die Würgemaler an seinem Hals und die Kopfverletzung sieht der Mediziner in der Nacht von dem 3. auf den 4. November nicht,
01:03:45
als er verzweifelt und das Leben des Jungen kämpft.
01:03:47
Erst durch das zweite Paar Augen des Rechtsmediziners wird Angelas Version vom Erstickungstod widerlegt.
01:03:54
Aber nicht nur die Ergebnisse der Rechtsmedizin, die der Obduzent noch einmal für alle im Saal vorträgt, lassen Angela in einem schlechten Licht erscheinen.
01:04:01
Auch die Aussagen der Zeuginnen, die das Gericht geladen hat.
01:04:04
Angelas Nachbarin und Freundin Tina berichtet beispielsweise, dass die Ehe von David und Angela schon seit einiger Zeit einen Knacks habe.
01:04:11
Angela habe sich sehr oft bei ihr über ihren Ehemann ausgelassen.
01:04:15
Vor allem seine Spielsucht und seinen Alkoholkonsum hätten sie extrem gestört.
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Wenn David in Deutschland war, habe er meistens früh das Haus verlassen und sei erst spätabends wieder heimgekommen.
01:04:25
Nicht selten mit einer Fahne, die er sich mit seinen Kumpels aus der Army angetrunken habe.
01:04:29
Um seine vier Kinder habe sich David laut Tina kaum gekümmert.
01:04:33
Angela sei faktisch alleinerziehend gewesen.
01:04:36
Deshalb sei sie oft wütend auf ihren Ehemann gewesen, aber auch auf seine Kinder.
01:04:40
Da die ganze Arbeit meist an ihr hängen blieb, sei Angela immer wieder an ihre Belastungsgrenze gekommen.
01:04:45
Zum Nachteil für die drei Älteren.
01:04:48
Die Stiefkinder seien wie Fremdkörper für Angela gewesen.
01:04:51
Ihrer Freundin gegenüber habe sie mehrmals zugegeben, dass sie die drei am liebsten wieder in die USA schicken würde.
01:04:58
An einem Abend, als Tina zum Essen vorbeigekommen ist, habe sich Liam an einem Hühnerknochen verschluckt, der von einem der Stiefkinder fallen gelassen wurde.
01:05:06
Daraufhin habe Angela zu ihr gesagt, dass sie die drei umbringen würde, wenn Liam etwas zustößt.
01:05:16
Als David in den Zeug in den Stand tritt, erzählt er zunächst von dem heftigen Streit, den er und Angela zwei Tage vor Joshuas Tod hatten.
01:05:22
Darin hätten sie nicht nur über Davids Spielsucht und seinen Alkoholkonsum gesprochen, sondern auch über die Kinder diskutiert.
01:05:29
Angela habe mehrmals betont, dass er die Versorgung der vier kleinen Kinder über den Kopf wächst und ohne Davids Unterstützung alles viel zu viel sei.
01:05:37
David habe Angela dann vorgeworfen, dass sie Toby, Emma und Joshua nicht richtig lieben würde.
01:05:41
Ihren leiblichen Sohn Liam würde sie hingegen immer bevorzugen und die drei Stiefkinder völlig vernachlässigen.
01:05:47
Daraufhin habe Angela ihrem Ehemann mit der Scheidung gedroht und in ihrer Wut aufgelegt.
01:05:53
Kurze Zeit später habe sich David bei ihr entschuldigt.
01:05:58
Am dritten Verhandlungstag treten dann der achtjährige Tobi und die siebenjährige Emma in den Zeuginnenstand.
01:06:03
Die beiden Kinder machen einen gepflegten Eindruck, wirken aber völlig deplatziert in dem großen Gerichtssaal.
01:06:09
Die Aussagen der Kinder bestätigen den Eindruck, den Angelas Freundin Tina bereits beschrieben hat.
01:06:15
Wenn David und Angela abends alleine ausgehen wollten, habe Angela nur für Liam eine Babysitterin organisiert.
01:06:21
Tobi, Emma und Joshua hätten in der Zeit alleine in ihren Kinderzimmern bleiben müssen.
01:06:26
Und wenn Joshua in die Hose gemacht habe...
01:06:29
Warte mal, was mit dem Typen? Der hat das ja mitgekriegt und war okay oder was?
01:06:33
Der hat die Erziehung der Kinder offenbar in Angelas Hände gegeben.
01:06:37
Also was für ein Horror-Couple, ja.
01:06:39
Und wenn Joshua in die Hose gemacht habe, habe er als Strafe dafür regelmäßig selbst das Bett abziehen
01:06:45
und dann auf der kahlen Matratze neben seinem nach Urin stinkenden Bettzeug schlafen müssen.
01:06:49
Das erzählen die Kinder, ne?
01:06:51
Aussagen, die den Anwesenden im Gerichtssaal die Sprache verschlagen.
01:06:56
Auch Angela hört sich die Worte ihrer Stiefkinder, die ihres Mannes und ihrer Freundin an.
01:07:00
Aber sie bleibt bei ihrer Aussage.
01:07:02
Sie liebe ihre Stiefkinder und habe keine Ahnung, was mit Joshua in seiner Todesnacht passiert sei.
01:07:08
Das glaubt ihr niemand im Gerichtssaal.
01:07:14
Wie blind kann man denn sein?
01:07:17
Oh Mann und die Kinder, weißt du, die sitzen da und müssen abgesehen davon, dass sie den Verlust eines Geschwisterteils verarbeiten müssen,
01:07:24
auch noch mit ansehen, dass der eigene Vater denen diesen Horrortrip, den sie erlebt haben, nicht glaubt.
01:07:29
Jeden Tag ist er im Gericht dabei und stärkt seiner Frau den Rücken.
01:07:34
In seinem Stadium zwischen tiefer Trauer um Joshua und Unverständnis für die Anklage gegen seine Ehefrau sitzt David auf einer der Zuschauerinnenbänke
01:07:42
und hört sich die grausamen Details der Tat an, die die Staatsanwaltschaft Angela vorwirft.
01:07:47
Die Frau, mit der er sich in Deutschland ein neues Leben aufbauen wollte und die für ihn der Innenbegriff einer guten Fee ist,
01:07:53
soll sein Sohn getötet haben?
01:07:54
Für ihn ist das auch acht Monate später immer noch undenkbar.
01:07:58
Nach dem heftigen Streit zwei Tage vor Joshuas Tod haben sich die beiden ausgesprochen und wieder versöhnt.
01:08:04
Mit der Nachricht, ich liebe alle Kinder gleich, habe Angela ihrem Ehemann versichert,
01:08:09
dass sie immer noch die Frau ist, in die er sich rund drei Jahre zuvor verliebt hat.
01:08:12
Dass sie nur wenige Stunden nach dieser Nachricht Joshua geschlagen und erwürgt haben soll, ist für den US-Soldaten schlichtweg unvorstellbar.
01:08:21
Anmerkung der Redaktion, vielleicht möchte er es auch nicht wahrhaben, weil er sich sonst auch eine Teilschuld geben müsste.
01:08:28
Ja, aber er macht es ja nur schlimmer damit. Für die anderen Kinder.
01:08:34
Anhand der Handydaten und dem Obduktionsbericht geht die Staatsanwaltschaft davon aus, dass Joshua gegen Mitternacht gestorben ist.
01:08:41
Danach haben David und Angela für knapp eine Stunde telefoniert.
01:08:45
David erinnert sich nicht, dass sich Angela in diesem Telefonat komisch verhalten hätte.
01:08:50
Erst als sie um 1.11 Uhr Joshua auffand, klang sie panisch und verzweifelt.
01:08:54
Ist Angela, seine Ehefrau und Mutter des gemeinsamen Sohnes wirklich so abgebrüht und perfide?
01:09:02
Auch als David zwei Tage nach der schrecklichen Nachricht in Deutschland landete und von Angela am Flughafen abgeholt wurde,
01:09:07
wiederholte sie immer wieder, dass sie nicht genau wisse, was mit dem Vierjährigen passiert sei.
01:09:12
David erinnert sich nur noch, dass er zu sehr mit sich und seiner Trauer beschäftigt war.
01:09:17
Er konnte nur an seine Kinder denken und wollte so schnell wie möglich nach Hause, um sich von seinem kleinen Sohn zu verabschieden.
01:09:22
Nicht eine einzige Sekunde hatte David den Verdacht gehegt, dass Angela, die Supermama, etwas mit dem Tod von Joshua zu tun haben könnte.
01:09:30
Vielmehr hätten die beiden gemeinsam um Joshua getrauert.
01:09:35
Als Angela monatelang in Urhaft saß, hatte sie am Telefon in den Hörer geweint und immer wieder betont,
01:09:40
dass die Kinder sie doch bräuchten und sie nach Hause will.
01:09:43
David kann oder will sich nicht vorstellen, dass seine Ehefrau für den Tod seines geliebten Sohnes verantwortlich ist.
01:09:51
Aber das Gericht sieht das anders.
01:09:52
Nach nur vier Verhandlungstagen wird am 2. Juli 2020 das Urteil verlesen.
01:09:57
Als der vorsitzende Richter das Strafmaß verkündet, platzt Davids Traum vom gemeinsamen Leben wie ein Luftballon.
01:10:03
Die Kammer verurteilt Angela wegen Totschlags zu einer Freiheitsstrafe von neun Jahren.
01:10:08
Damit bleibt das Gericht ein Jahr unter der geforderten Haftstrafe der Staatsanwaltschaft.
01:10:13
Strafmildern wirkt sich aus, dass die 26-Jährige keine Vorstrafen hat und in Eschenbach gut situiert war.
01:10:20
Sie musste sich überwiegend alleine um vier kleine Kinder und den Haushalt kümmern,
01:10:23
wodurch sie seit Monaten maßlos überfordert und stark belastet war.
01:10:27
Nach dem heftigen Streit mit David geht die Kammer davon aus,
01:10:30
dass sie zum Tatzeitpunkt zusätzlich psychisch angeschlagen und labil war.
01:10:34
Auch wenn Angela öfter mit dem Gedanken liebäugelt, die drei Stiefkinder loszuwerden,
01:10:38
ist ihre Gewalt gegen Joshua als Spontanhandlung einzuordnen, erklärt das Gericht.
01:10:42
Außerdem spricht sie kein Deutsch und ist damit besonders haftempfindlich.
01:10:48
Auch am Ende des Prozesses beteuert Angela noch immer, dass sie nicht wisse,
01:10:51
wie Joshua zu Tode gekommen ist und weiß jegliche Schuld von sich.
01:10:55
Sie bleibt bei ihrer längst widerlegten Version.
01:10:57
Der psychiatrische Sachverständige konnte bei ihr keine Hinweise für eine Persönlichkeitsstörung
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oder verminderte Steuerungsfähigkeit feststellen.
01:11:05
Somit ist die 26-Jährige voll schuldfähig.
01:11:09
David ist schockiert.
01:11:11
Der junge Vater steht vor den Trümmern seines Lebens.
01:11:13
Seine Ehefrau sitzt hinter Gittern, sein zweitjüngster Sohn kommt nie wieder zu ihm zurück.
01:11:18
Das riesige Loch, das sich in Davids Herz gefressen hat, wird niemals ganz verheilen.
01:11:22
Angela brachte Licht in sein Leben, hat ihn die schwierige Zeit mit seiner Ex-Frau vergessen lassen
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und die dunklen Momente verdrängt.
01:11:29
Jetzt bleibt dem 29-Jährigen nur der Blick in eine düstere Zukunft,
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die von Verlust, Fassungslosigkeit und Schmerz geprägt sein wird.
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Wie er für Tobi, Emma und Liam daraus eine vielversprechende und glückliche Zukunft machen soll,
01:11:42
weiß der alleinerziehende Vater nicht.
01:11:45
Als er vor rund vier Jahren den Neustart gewagt hat, erhoffte er sich ein von Glück erfülltes Leben
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mit seiner neuen Ehefrau und den vier Kindern.
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Dabei wollte er nicht sehen, wie seine anfangs gute Fee in den Strudel einer Abwärtsspirale geraten ist,
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in die er ihr keine helfende Hand gereicht hatte.
01:12:00
Am Ende dieser Spirale packte Angela die Wut und sie den Hals des kleinen Joshua.
01:12:05
Angelas wahrlich stiefmütterliche Behandlung hat dafür gesorgt,
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dass ihrem Ehemann David gleich zwei der wichtigsten Personen in seinem Leben entrissen wurden.
01:12:14
Eine davon sogar für immer.
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Also ich kann das nicht verstehen,
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wie man so eine Unterscheidung zwischen Kindern machen kann.
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Also generell und dann noch Kinder, die im eigenen Haushalt mitleben,
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die zu der Person gehören, die du eigentlich liebst.
01:12:30
Und dass man nicht begreift, was man den Kindern dann auch damit antut.
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Ich meine, abgesehen von dem furchtbaren Verlust von Joshua
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sind da ja auch noch zwei andere Kinder,
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die aus so einer Sache auch nicht unbeschädigt rausgehen werden.
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Die werden das ja ewig mittragen.
01:12:45
Und dann regt mich einfach auch wahnsinnig auf,
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dass der Vater da die ganze Zeit immer noch bis zum Schluss die Augen vor verschlossen hat.
01:12:50
Also die beiden erwachsenen Menschen haben mit Verantwortung wirklich gar nichts zu tun.
01:12:55
Klar, der hat natürlich im Sinne seiner Kinder gehandelt,
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wollte sie von der drogenabhängigen Mutter zu sich holen,
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um ihnen ein besseres Leben zu geben.
01:13:05
Aber darum hat er sich dann nicht gekümmert und hat seiner neuen Frau,
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die gerade ihr erstes Baby geboren hat, noch drei weitere Kinder an die Hand gegeben,
01:13:14
um die sie sich dann alleine kümmern musste.
01:13:17
Also da weiß doch jeder, auch Menschen, die keine eigenen Kinder haben,
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dass diese Frau auch Hilfe braucht.
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Also im Alltag einfach.
01:13:24
Ja, bin ich bei dir, aber strafrechtlich relevant verhalten hat sich hier nur eine Person.
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Und das ist die Stiefmutter gewesen und nicht er.
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Also ich meine, ja, verstehe ich, kann man bemängeln, dies, das Ananas.
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Aber sie ist natürlich in diesem Fall die Täterin.
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Ja, was es auf jeden Fall für Angela bedeutet hat, als die drei Kinder nach Deutschland kamen,
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war eben dieses Mehr an Care-Arbeit.
01:13:45
Aber auch rechtlich gesehen hat sich was für sie verändert.
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Denn da sie mit David verheiratet war, kamen durch diesen Umzug auch Rechte und Pflichten auf sie zu.
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Ab dato hatte Angela als Mutter nicht nur die Pflicht, sich um Liam zu kümmern,
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sondern als Stiefmutter auch um Tobi, Emma und Joshua.
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Und das Ganze ist im BGB festgehalten und nennt sich kleines Sorgerecht.
01:14:05
Laut Gesetz müssen Stiefelternteile nämlich für das Kind sorgen und es unterstützen,
01:14:10
sowohl emotional als auch finanziell.
01:14:12
Und dabei muss immer das Wohl des Kindes im Mittelpunkt stehen.
01:14:15
Die Stiefeltern haben aber nicht nur Pflichten, sondern auch Rechte.
01:14:18
Die dürfen zum Beispiel in Angelegenheiten des täglichen Lebens mitentscheiden.
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Also beispielsweise entscheiden, was das Kind ist, welche Klamotten es trägt
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und bei welcher Ärztin oder welchem Arzt sie in Behandlung sind.
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Bei grundlegenden Entscheidungen, wie zum Beispiel jetzt der Schulwahl oder einer großen medizinischen Behandlung,
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da muss immer die Zustimmung des leiblichen, sorgeberechtigten Elternteils erfolgen.
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Wenn jetzt beide leiblichen Eltern sich das Sorgerecht teilen, dann braucht es die Erlaubnis von beiden.
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Wenn es dann immer noch zu Uneinigkeiten kommt, werden solche Angelegenheiten auch vor dem Familiengericht entschieden.
01:14:51
Und das bedeutet natürlich nicht, dass immer so entschieden wird, dass das passiert, was die leiblichen Eltern wollen,
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sondern Prio hat natürlich immer das Wohl des Kindes.
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David hatte ja das alleinige Sorgerecht über seine drei Kinder.
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Und damit durfte Angela Entscheidungen über Angelegenheiten des täglichen Lebens für Tobi, Emma und Joshua treffen,
01:15:08
ohne dabei jetzt vorher bei Davids Ex nachzufragen.
01:15:11
Und weil David ständig wegen seiner Arbeit weg war oder eben mit seinen Kumpels unterwegs war,
01:15:16
hat Angela, was den Alltag der Kinder betroffen hat, sehr viel entschieden.
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So und im Alltag mitentscheiden heißt ja auch Erziehung und gemäß des kleinen Sorgerechts dürfen Stiefeltern also auch Regeln und Grenzen aufstellen.
01:15:27
Timo aus meinem Fall hatte ja die Ansicht, es sei sinnvoll, Mia stundenlang schreien zu lassen oder sie zum Essen zu zwingen.
01:15:35
Also mal abgesehen davon, dass das schon an Misshandlungsschutz befohlen nachschrammt,
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wäre er aber auch gar nicht dazu berechtigt gewesen, normale Regeln aufzustellen, weil er eben gar nicht Mia-Stiefvater war.
01:15:45
Denn er und Alexandra waren ja nicht verheiratet.
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Aber um das kleine Sorgerecht zu haben, müssen der leibliche Elternteil und der Stiefelternteil verheiratet sein
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oder eine eingetragene Lebenspartnerschaft eingegangen sein.
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Unabhängig davon hätte Timo aber auch die Fürsorgepflicht für Mia einhalten müssen.
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So ganz grundsätzlich gilt die nämlich in Deutschland für Minderjährige, die halt als Schutzbefohlene gelten.
01:16:06
Das sind Personen, die sich, Zitat, aufgrund einer gesetzlichen oder vertraglichen Regelung
01:16:10
in einer besonderen Beziehung der Obhut, Fürsorge oder Aufsicht einer anderen Person befinden.
01:16:15
Und die Fürsorgepflicht gilt nicht nur für Eltern, sondern beispielsweise auch für LehrerInnen, ArbeitgeberInnen oder Pflegepersonal
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und auch für Personen, die mit im Haushalt leben.
01:16:25
Und das hat Timo aus meinem Fall ja zum Beispiel.
01:16:27
Und deswegen war Timo Fürsorgepflichtiger für Mia.
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Aber wer eine Person, die unter seiner Fürsorge oder Obhut steht, quält oder zum Beispiel böswillig vernachlässigt,
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der macht sich der Misshandlung von Schutzbefohlenen schuldig.
01:16:40
Und dadurch, dass Alexandra nichts unternommen hat, hat auch sie sich der Misshandlung von Schutzbefohlenen schuldig gemacht.
01:16:46
Und zwar eben durch Unterlassen, weil sie ihre Fürsorgepflicht und die damit zusammenhängende Garantenpflicht
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massiv vernachlässigt bzw. verletzt hat.
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Und bei der Fürsorgepflicht, da geht es ja nicht nur darum, das Kind jetzt vor körperlichen Schäden zu schützen,
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sondern auch vor psychischen.
01:16:59
Und in beiden Fällen, die wir heute erzählt haben, gab es ja auch diese psychische Komponente.
01:17:04
Also, dass sie vernachlässigt wurden, dass sie schikaniert wurden.
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Und unsere Expertin Eva-Maria Hesse kennt diese Art der Gewalt auch aus ihrem Arbeitsalltag als Familientherapeutin.
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Psychische Gewalt erlebe ich wirklich sehr häufig und sowohl von Stiefvaterseite als auch von Stiefmutterseite.
01:17:26
Und diese psychische Gewalt, die kann sich zeigen durch so eine emotionale Vernachlässigung oder natürlich auch Abwertung.
01:17:37
Also dieses Unterschwellige, wo man das Kind schwächt, das Kind nicht beachtet, sich einfach nicht kümmert.
01:17:44
Und das hinterlässt leider schwere Spuren.
01:17:48
Schon alleine im Fall, den du erzählt hast, dieses Verbieten von Augen- und Körperkontakt,
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warst Timo da, ja, furchtbar, furchtbar.
01:17:57
Oder dass er sie, wenn sie geschrien hat, einfach in ihr Zimmer verbannt hat.
01:18:02
Das sind Verhaltensweisen, die Kindern, hast du ja auch eben schon mal gesagt, dass die so sehr schaden können.
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Also, dass die Kinder sich danach so schlecht fühlen, wertlos, hilflos.
01:18:15
Und das kann sich, wenn man das nicht behandelt oder wenn man nicht andere Menschen findet,
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die einem dabei helfen, das wieder aufzubauen, dann kann sich das bis ins Erwachsenenalter ziehen.
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Und das kann auch Depressionen und zum Beispiel Angststörungen mit sich bringen.
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Also, massive Schäden kann das verursachen, ja.
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Alleine so Liebesentzug als Erziehungsmaßnahme kann auch schon im Erwachsenenalter für Schwierigkeiten sorgen, ja.
01:18:39
Die man therapeutisch behandeln muss.
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Und dann solche Sachen.
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Also, manche Eltern müssten wirklich einen Führerschein machen, ja.
01:18:45
Weil Kinder einfach so angewiesen sind auf die Eltern oder eben auf die Stiefeltern.
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Und die können sich ja auch nicht wirklich Hilfe holen.
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Das ist vor allem halt auch laut unserer Expertin bei den allerkleinsten echten Problemen.
01:18:56
Das hat nämlich was mit der Kommunikationsfähigkeit zu tun.
01:18:59
Je kleiner ein Kind ist, umso schwerer kann es sich mitteilen.
01:19:03
Kinder, die sind natürlich besonders schutzbedürftig.
01:19:08
Je älter ein Kind wird, umso mehr kann es sich, sag ich jetzt mal, Verbündete suchen.
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Oder wenn eine vertrauensvolle Beziehung da ist.
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Das kann übrigens auch eine Lehrkraft sein oder im Sportverein jemand sein.
01:19:22
Oder ein guter Freund, eine gute Freundin der Familie.
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Also, je besser sich ein Kind ausdrücken kann, umso besser ist es natürlich.
01:19:30
Je kleiner ein Kind, umso schutzbedürftiger.
01:19:34
Umso abhängiger von den Bezugspersonen ist so ein Kind.
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Diese kanadische Studie, von der Laura vorhin gesprochen hat, legt auch nahe, dass Stiefkinder bis zum Grundschulalter besonders gefährdet sind.
01:19:46
Dabei spielt halt das soziale Umfeld eine Rolle.
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Und das gilt dann aber nicht nur für die ganz Kleinen, sondern auch für andere Kinder und Heranwachsene.
01:19:53
Weil wenn die wenig soziale Kontakte oder keine Geschwister haben, dann fällt es ihnen halt oft besonders schwer, über mögliche Übergriffe zu sprechen.
01:19:59
Weil da erstens meist kein Vertrauensverhältnis zu einer Person im gleichen Alter besteht.
01:20:04
Oder weil die halt auch gar keine Vergleichswerte haben, wo die sehen können, ach so, so ist das normal, dass so mit einer Person umgegangen wird.
01:20:12
Das haben wir auch schon ganz oft im Podcast bei Fällen von sexuellem Missbrauch gesehen.
01:20:17
Dass die Kinder irgendwie im Gefühl haben, irgendwas stimmt nicht.
01:20:21
Aber das auch gar nicht irgendwie weiter äußern, weil sie gar nicht wissen, wie es anders ist, weil sie das dann von klein auf schon so beigebracht bekommen.
01:20:27
Also heißt, die Opfer können nur ganz schwer einschätzen, ob das Verhalten, halt jetzt in diesem Fall, weil wir über Stiefmütter und Stiefväter reden, von denen dann halt normal ist oder dann halt schon längst grenzüberschreitend.
01:20:41
Genau. Und deswegen ist es halt auch so wichtig, dass Menschen, die mit Kindern zu tun haben, ob das jetzt LehrerInnen sind oder ÄrztInnen oder vielleicht die Nachbarn, die die Kinder von nebenan sehen, dass die hinhören oder auch hinsehen.
01:20:54
Und wenn es Anhaltspunkte gibt, dass man lieber einmal mehr nachhakt, als sich irgendwie zu denken, was geht mich die Erziehung von anderen Menschen an.
01:21:02
Weil, wie du eben schon gesagt hast, sich Kinder schwer Hilfe suchen können außerhalb ihrer Familie.
01:21:08
Und eine Sache möchte ich abschließend dazu nochmal sagen, wir machen das eigentlich nicht, aber wir haben uns das so angewöhnt, weil wir trotzdem immer dann nochmal Nachrichten dazu bekommen.
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Also wir haben ja einen True-Crime-Podcast.
01:21:19
Das heißt, wir suchen uns immer ein spezifisches Thema raus und nehmen da dann nur die Crime-Fälle raus.
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Das heißt, wir gucken natürlich mit einer ganz speziellen Brille, mit einer ganz speziellen Lupe auf einen Bereich.
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Das heißt nicht, dass alle Stiefmütter und alle Stiefväter sowas machen.
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Das heißt nicht, dass, wenn wir über die Bundeswehr reden, alle in der Bundeswehr straffällig werden.
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Sondern wir gucken uns nur die an, die straffällig geworden sind, denn ansonsten würden die nicht in unseren Podcast passen.
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Ansonsten würde das die Leute dann halt nicht interessieren.
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Wir machen ja nicht einfach so über Stiefeltern eine Folge.
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Und deswegen wollte ich jetzt nochmal sagen, also ich wäre zum Beispiel super gerne eine Stiefmutter.
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Wenn ich groß bin, will ich Stiefmutter werden.
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Ja, ist für mich das Beste.
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Ja, das ist doch schön.
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Also abgesehen davon, was selber vorher noch so passiert, aber Stiefmutter zu sein, das ist mein Ziel.
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Und das ist ja auch das Beste, was einem Stiefkind passieren kann.
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Ich bin das Beste.
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Wenn die Bonus-Mama das so gerne möchte.
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Ja, und ich glaube, ich könnte das auch ganz gut.
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Ich könnte mir das auch mit kleineren Kindern vorstellen.
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Wenn ich jetzt dann zu dem Zeitpunkt keine eigenen hätte, würde mir einiges vorher erspart bleiben.
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Und das ist ja auch oft ein Konfliktpotenzial in Patchwork-Familien.
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Und deswegen verstehen wir ja auch, dass das manchmal schwierig sein kann.
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Es gibt ja Menschen, die haben Probleme mit dem Ex-Partner oder der Ex-Partnerin.
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Und zwar gar nicht immer nur, weil die sich jetzt blöd verhalten, sondern auch, weil die nicht möchten, dass ein Teil aus der Vergangenheit immer noch eine Rolle in der Gegenwart spielt.
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Also auch wegen Eifersucht oder Unsicherheit zum Beispiel.
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Das ist bei mir ja nie so.
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Ich bin ja großer Fan von Ex-Partnern.
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Ich möchte, dass alle immer ein gutes Verhältnis miteinander haben.
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Ich wäre zumindest sehr offen mit der Ex-Frau.
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Und würde es quasi nicht da rein spazieren und sozusagen eine Stiefmutter machen von wegen, ich übernehme das jetzt hier sozusagen.
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Nee, das Einzige, was ich machen würde, ich würde das Kleid von der Stiefmutter von drei Haselnüsse für Aschenbrüttel tragen.
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Das wäre mir schon wichtig, damit auch jeder meine Aufgabe erkennt.
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Aber ansonsten hätte ich gerne viele Stiefkinder.
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Stiefkinderhunde auch.
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Und an der Stelle kann man auch mal sagen, wie toll es ist, wenn Stiefeltern ihre Stiefkinder in ihr Herz lassen und sie genauso behandeln wie ihre eigenen Kinder.
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Und ihnen so ganz viel für deren weitere Entwicklung und deren Beziehungen in ihrem weiteren Leben mitgeben.
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Ja, und wie toll ja auch die Chessie ist, die sich immer ganz liebevoll um dich kümmert und nicht nur dich, wie ihr eigenes Kind behandelt, sondern auch mich, das angedockte Stiefkind.
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Und an der Stelle ein dickes Kussi an Chessie.
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Das war ein Podcast der Partner in Crime.
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Hosts und Produktionen Paulina Kraser und Laura Wohlers.
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Redaktion Marisa Morell.
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Schnitt Paulina Korb.
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Rechtliche Abnahme und Beratung.
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Abel und Kollegen.