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#153 Per anhalter in den tod

Laura und ich kommen gerade zurück von einer Woche Tourvorbereitung.
Wir gehen ja im November auf Tour und wir haben uns jetzt endlich auch für einen Fall entschieden.
Bist du zufrieden damit, Laura?
Ich bin sehr zufrieden damit.
Der Fall hat ja auch schon lange so geschwählt, sage ich jetzt mal, bei uns.
Wir wollten uns aber ganz sicher sein, dass es der perfekte Tourfall ist.
Deswegen haben wir natürlich noch rechts und links geguckt.
Aber am Ende sind wir immer wieder zu diesem Fall gekommen.
Und ich bin mir sicher, das ist genau die richtige Entscheidung.
Genau, ich auch.
Wir haben vorher viele Nachrichten bekommen, in denen Menschen uns gefragt haben,
ob es sich bei dem Tourfall um ein Sexualdelikt handelt.
Das können wir jetzt beantworten, das ist nicht so.
Und dann haben wir jetzt noch Folgendes gemacht, weil wir ja wissen,
dass viele von euch auch viele True-Crime-Podcasts hören.
Wir haben unsere lieben KollegInnen angeschrieben, bei diesem Fall vorzubereiten.
Und so, das ist halt super viel Arbeit.
Wir haben super viel Aufwand damit.
Und wir möchten natürlich nicht, dass ihr den Fall kurz vorher noch irgendwo anders hört.
Deswegen haben wir die anderen True-Crime-Podcasts gefragt,
ob sie den Fall netterweise nicht behandeln würden bis dahin.
Das war gar nicht unsere Idee,
sondern das hatte ein anderer True-Crime-Podcast vor ihrer Tour auch mal gemacht.
Und der bitte so bin natürlich gerne nachgekommen,
weil wir wissen einfach, wie viel Aufwand das ist.
Also können wir euch jetzt auch sagen,
ihr werdet den Fall vermutlich vorher nicht noch groß woanders hören.
Ja, und weil es sowieso nicht so ein bekannter Fall ist,
hoffen wir natürlich, dass wir den meisten von euch auf der Tour was erzählen,
was ihr noch nie gehört habt.
Genau, also auch nochmal großes Dankeschön an unsere KollegInnen.
Und jetzt starten wir aber mit einem Fall,
der zwar schon ein paar Jahre in der Vergangenheit liegt,
der aber erschreckende Parallelen zu aktuellen Geschehnissen aufweist.
Und jetzt geht's los mit Mordlust, einem Podcast der Partner in Crime.
Wir reden hier über wahre Verbrechen und ihre Hintergründe.
Mein Name ist Paulina Kraser.
Und ich bin Laura Wohlers.
Heute haben wir euch wieder einen Kriminalfall mitgebracht,
den wir zusammen nacherzählen werden,
der uns nachhaltig beschäftigt hat
und der zeigt, wie wichtig es ist,
nicht anderen das Narrativ zu überlassen.
Hier geht's um True-Crime,
das heißt also auch immer um die Schicksale von Menschen.
Bitte behaltet das im Hinterkopf, das machen wir auch,
selbst dann, wenn wir zwischendurch mal ein bisschen lockerer miteinander sprechen.
Das ist für uns so eine Art Comic Relief,
aber natürlich nicht respektierlich gemeint.
Bei dem Fall, den wir heute erzählen,
geht es um einen Trip, der ganz anders endet als geplant,
um Angehörige, die aus Verzweiflung das tun,
was eigentlich die Polizei machen müsste,
und um Menschen, die ein schreckliches Verbrechen
politisch instrumentalisieren, um Hass und Hetze zu verbreiten.
Die Namen haben wir geändert
und die Triggerwarnung findet ihr in der Folgenbeschreibung.
Ihre Kleider sind schwarz,
ihre Minen betroffen, aber auch wütend.
Tausende Menschen sehen aus,
als würden sie auf dem Weg zu einer Beerdigung sein.
Viele haben eine weiße Rose in der Hand,
ein Zeichen zum Abschied.
Wem dieser letzte Gruß gilt,
zeigen die mehr als ein Dutzend großformatige Bilder,
die einige Personen vor sich her tragen.
Es sind Fotos von Menschen,
die durch die Hand anderer ums Leben gekommen sind.
Die Teilnehmenden dieses Zuges
wollen das Andenken der Getöteten bewahren.
Das vermittelt die Szene den BetrachterInnen
zumindest auf den ersten Blick.
Doch wer genauer hinsieht,
dem offenbart sich das perfide Schauspiel
hinter der Fassade des Trauermarschs.
Denn den Anführern des Zuges
geht es in erster Linie nicht um die Schicksale der Toten,
sondern darum, die Gesellschaft immer weiter zu spalten.
Und dabei über Leichen zu gehen.
Zweieinhalb Monate zuvor.
Die Luft ist mild und riecht nach Benzin.
Das kräftige Blau der Leuchtreklamen
hebt sich ab vom bewölkten Himmel.
An den Zapfsäulen reiht sich ein Fahrzeug ans nächste.
Die Tankstelle am Autobahnkreuz Schkeuditz,
direkt neben dem Leipziger Flughafen,
ist kein schöner Ort.
Sie ist kein Ziel, sondern ein Zwischenstopp.
Reisende, BerufspendlerInnen und Lkw-FahrerInnen
machen hier Halt für eine kurze Rast,
einen Kaffee oder eine Pinkelpause,
ehe sie ihre Fahrt in die verschiedenen Himmelsrichtungen fortsetzen.
Eine, die an diesem Donnerstagnachmittag,
den 14. Juni 2018, an der Tankstelle steht, ist Helena.
Die 28-jährige Germanistik-Studentin
ist gleich nach der Uni mit der S-Bahn hergefahren.
Dabei hat die schlanke Frau mit den dunklen Haaren,
die an der rechten Seite abrasiert sind,
nur leichtes Gepäck.
Zu Shorts und einem dunklen Top
trägt sie eine Umhängetasche,
außerdem einen Stoffbeutel,
auf dem in orangefarbenen Lettern
»Kein Mensch ist illegal« steht.
Helena will heute noch nach Bayern,
genauer nach Amberg.
Dort wird sie sehnsüchtig erwartet.
Ihr Papa Martin feiert morgen Geburtstag
und natürlich will Helena persönlich gratulieren.
Mit ihm hat sie vereinbart,
dass er sie spätestens um 11 Uhr abends
am Amberger Bahnhof abholen soll.
Aber Helena will nicht den ganzen Weg mit dem Zug fahren,
sondern den Großteil der Strecke trampen.
Das macht sie oft.
Sie liebt die Begegnung mit den unterschiedlichsten Menschen,
die auf diese Weise entstehen.
Heute ist es jedoch schwierig,
jemanden zu finden,
der sie auf der A9 mit in den Süden nimmt.
Helena wird langsam nervös.
Es ist schon kurz nach sechs.
Wenn sich nicht bald eine Mitfahrgelegenheit ergibt,
wird das nichts mit der vereinbarten Ankunftszeit
im mehr als 250 Kilometer entfernten Amberg.
Doch plötzlich keimt Hoffnung auf.
Ein sympathisch aussehender Mann
mit einer auffälligen weißen Hose
und arabischem Akzent spricht sie an.
Es stellt sich heraus,
dass er mit seinem LKW
auf dem Weg Richtung Süden ist.
Helena wittert ihre Chance.
Kurz überlegt sie.
Denn eigentlich steigt sie nur in Autos ein
und nicht in LKW.
Aber die Zeit drängt.
Also zieht sie ihr Handy aus der Tasche
und zeigt dem Mann auf Google Maps
die Autobahnausfahrt Lauf-Hersbruck.
Dort würde sie aussteigen,
dann könnte sie das letzte Stück
bis Amberg wieder mit der Bahn fahren.
Der Mann, der sich als Mo, kurz für Mohamed,
aus Marokko vorstellt,
nickt.
Kein Problem.
Helena ist erleichtert,
als sie auf den Beifahrersitz
von Mohameds Blau im LKW klettert.
Um 18.16 Uhr rollt der 40-Tonner
vom Parkplatz an der Tankstelle
auf die A9 Richtung München.
In ein paar Stunden kann sie
ihren Papa in die Arme schließen.
Doch erstmal ist Mohamed ihre Gesellschaft.
Helena und er verständigen sich
mit Händen und Füßen,
ein bisschen Englisch und Arabisch.
Mohamed zeigt ihr auf seinem Facebook-Account
Fotos seiner Kinder.
Er ist freundlich,
sie unterhalten sich
trotz der Sprachbarriere gut.
Als er ihr sogar
eine marokkanische Pfeife schenkt,
schreibt Helena das gleich
ihren Freundinnen im Telegram-Chat.
Was für eine nette Geste.
Wegen solcher Erlebnisse
trampft sie so gern.
Kurz vor 20 Uhr
fährt Mohamed eine Tankstelle an.
Zurück kommt er mit
zwei dampfenden Coffee-to-go-Bechern,
einer für ihn,
einer für Helena.
Und weiter geht's.
Je länger sie fahren,
desto mehr verschmilzt
die Dämmerung mit dem grauen Asphalt.
Mit Mohameds Erlaubnis
zündet sich Helena eine Zigarette an.
Die Glut leuchtet orange
wie die Rücklichter
des Fahrzeugs vor ihnen.
Aus dem Radio
dudelt Musik.
Helena lehnt sich zufrieden
im Sitz zurück.
Bald ist sie zu Hause.
Dann setzt
Mohamed noch einmal
den Blinker,
um von der Autobahn
abzufahren.
Helena wundert sich.
Hier müssen sie doch
gar nicht raus.
Laut Google Maps
sind es bis Lauf-Hersbruck
nur noch 20 Kilometer.
Warum halten sie noch mal?
Ein paar Stunden später,
knapp 70 Kilometer entfernt.
Im hellen Licht
einiger Laternen
liegt der Amberger Bahnhof
verlassen da.
Es gibt nur ein paar Gleise,
verpassen kann man sich hier nicht.
Vor allem jetzt,
mitten in der Nacht,
sind die Bahnsteige
nahezu menschenleer.
Es ist 1.05 Uhr,
als der letzte Zug
mit quietschenden Bremsen
vor Martin stehen bleibt.
Der Mann mit der Halbglatze
und dem weißen Bart,
der Autorität und Wärme
zugleich ausstrahlt,
will gleich seine Tochter
Helena in die Arme schließen.
Eigentlich hätte die 28-Jährige
bereits vor ein paar Stunden
ankommen sollen.
Spätestens um 23 Uhr
sei sie da,
hatte sie gesagt.
Als ihre Mutter
ihr um 22 Uhr
eine Nachricht schrieb,
kam aber keine Rückmeldung.
Dabei wollte Helena von Leipzig,
wo sie Germanistik im Master studiert,
wie üblich per Anhalter und Bahn
in die Oberpfalz
zu ihren Eltern fahren.
Denn an diesem Freitag,
der gerade angebrochen ist,
feiert Vater Martin
seinen 79. Geburtstag.
Dass der Pastor
im Ruhestand bereitsteht,
ist selbstverständlich.
Er holt seine Tochter immer ab,
egal wo.
So auch in dieser Nacht.
Durch seine filigrane Brille
beobachtet Martin jetzt
voller Hoffnung,
wie sich die Türen des Zuges
mit sanftem Zischen öffnen.
Aber nur zwei junge Männer
steigen aus,
die freudig in Empfang
genommen werden.
Als Martin das sieht,
krampft sich alles
in ihm zusammen.
Tränen laufen über seine Wangen
in seinen weißen Bart.
Als sich die Türen piepsend
wieder schließen,
bleibt Martin allein
auf dem Bahnsteig zurück.
Helena ist nicht angekommen
und es gibt seit Stunden
kein Lebenszeichen mehr von ihr.
Martin fürchtet,
dass seine größte Angst
Wirklichkeit wird,
dass sein Mädchen
nicht mehr nach Hause kommt.
Boah, da wird mir ganz eng
um die Brust.
Also wie dieser Mann da steht
und merkt,
da müsste sie jetzt
eigentlich sein,
aber sie ist nicht da.
Also ich glaube,
das kann man so doll
nachempfinden,
was das für ein Angstgefühl
ist auf einmal.
Ja, und man will ja irgendwie
sich selber versuchen
zu beruhigen und so
und man versucht dann
irgendwelche Begründungen
zu finden
und das macht ja der Kopf.
Aber ich glaube,
alles andere im Körper
schreit halt,
oh Gott,
es ist etwas Schreckliches
passiert.
Ein paar Stunden später.
Martin hat die Nacht
über kaum geschlafen.
Immer noch keine
Rückmeldung von Helena.
Das ist mehr als ungewöhnlich.
Die 28-Jährige
ist absolut zuverlässig.
Martin und seine Frau
Theresa wissen immer,
wo ihr Küken hingeht
und wann es wiederkommt.
Nach mehr als sechs Stunden
hält Martin
ist vor Sorge
nicht mehr aus.
Am Freitagmorgen
um 6.45 Uhr
greift er deshalb zum Telefon
und wählt den Notruf,
um Helena als vermisst
zu melden.
Doch die Person
am anderen Ende
sieht keinen Grund
für Martins Sorge.
Sie sagt ihm,
dass seine Tochter
am Vorabend
vielleicht einfach getrunken habe
und gerade ihren Rausch
ausschlafe.
Äh,
gibt's noch?
Martin solle abwarten.
Vor 12 Uhr mittags
brauche er sich
auch gar nicht wieder melden.
Martin fühlt sich
vor den Kopf gestoßen.
Überhaupt,
wie können die Polizei
behaupten,
Helena würde ihren Rausch
ausschlafen?
Die Beamtinnen
kennen seine Tochter
doch gar nicht.
Er weiß genau,
dass Helena das nicht tut.
Etwas stimmt nicht.
Daher tippt Martin
schon um 10.45 Uhr
noch einmal
die 110 ins Telefon.
Der Polizist,
der diesmal abhebt,
rät Martin
zur örtlichen Dienststelle
zu gehen,
um eine vermissten Anzeige
aufzugeben.
15 Minuten später
sitzt Martin
in Amberg
auf der Wache.
Die Fragen,
die die Beamtinnen
ihm stellen,
beantwortet er
unter Tränen.
In seinem Kopf
hat sich längst
ein furchtbarer Gedanke
eingenistet.
Er wird seine Tochter
nie wieder lebend sehen.
In der Zwischenzeit
ist auch Helenas älterer
Bruder Thomas aktiv geworden.
Als sein Vater
ihm berichtete,
Helena sei am Vorabend
nicht wie vereinbart
mit dem Zug angekommen
und seither auch
nicht mehr auf dem Handy
erreichbar,
schrillten auch bei Thomas
die Alarmglocken.
Er ist 22 Jahre älter
als seine Schwester,
aber die beiden
verbindet ein enges Band.
Thomas weiß,
wäre alles in Ordnung,
hätte sich Helena
längst gemeldet.
Um herauszufinden,
was los ist,
kontaktiert er
Helenas WG
und ihre Freundinnen
in Leipzig.
Vielleicht wissen die mehr.
Tatsächlich.
Von seiner Cousine Viola
erfährt Thomas,
dass Helena am Vortag
nach der Uni
mit der Bahn
zum Schkeuditzer Kreuz
fuhr.
An der Tankstelle
dort wollte
Helena jemanden finden,
der sie ein Stück
mit in den Süden nimmt.
Und offenbar
gelang ihr das auch.
Viola berichtet,
dass Helena abends
noch geschrieben hat,
sie sitze jetzt
in einem LKW,
der sie nach Bayern bringe.
Der Fahrer sei sehr nett,
alles gut.
Das letzte Mal
hat sich Helena
um 19.44 Uhr
im Telegram-Chat
mit dieser Nachricht
gemeldet.
Trampe gerade mit Mo,
einem marokkanischen Trucker
von Leipzig
nach Nürnberg.
Und er hat mir
so eine marokkanische
Pfeife geschenkt.
Thomas ist klar,
dass das Informationen sind,
die schleunigst
zur Polizei müssen.
Sein Vater hat zwar
in Amberg bereits
eine Vermisstenanzeige
aufgegeben,
Thomas kontaktiert
nun aber trotzdem
auch die Einsatzkräfte
in Leipzig,
wo Helena aufgebrochen ist.
Doch seine Hoffnung,
dass nun eine große
Suchaktion nach seiner
kleinen Schwester anläuft,
wird kurz darauf
wieder zerschlagen.
Denn später am Tag
erfährt Thomas,
dass die Leipziger
PolizistInnen zwar
in Helenas WG waren,
aber das war es
dann auch schon.
Sie haben weder
am Autobahnkreuz
nach Helena gesucht,
noch eine Fahndung
nach dem marokkanischen
LKW ausgeschrieben,
mit dem sie offenbar
unterwegs war
oder noch unterwegs ist.
Seine kleine Schwester
hat sich seit fast
24 Stunden
nicht mehr gemeldet.
Ihr Handy ist aus.
Es deutet doch
alles darauf hin,
dass Helena beim Trampen
etwas zugestoßen ist.
Das Trampen.
Eine Art der Fortbewegung,
die Helena
dem Alleinereisen
immer vorzieht.
Die 28-Jährige,
deren blaue Augen
vor Lebensfreude
nur so sprühen
und von der es kaum
ein Foto gibt,
auf dem sie ihren Mund
nicht zu einem breiten
Lachen verzieht,
liebt es,
frei zu sein
und gehen zu können,
wohin auch immer sie will.
Dabei sind ihre Reiseziele
nicht nur die schönen
Ecken der Welt,
sondern auch Orte,
vor denen viele
nur allzu gerne
die Augen verschließen.
Regelmäßig reist sie
auf die griechische
Insel Lesbos,
auf der viele Flüchtende
auf ihrem Weg
nach Europa stranden.
Dort arbeitet sie
für die Hilfsorganisation
No Border Kitchen
und lernt nebenbei Arabisch.
Weltoffenheit und Toleranz
sind Werte,
die Helena seit Jahren
lebt?
Schon als Schülersprecherin
setzte sie sich dafür ein,
dass ihr Gymnasium
als Schule ohne Rassismus
ausgezeichnet wird.
Wie ihr Bruder Thomas,
der für die Grünen
im Kreistag sitzt,
will Helena Dinge
zum Guten verändern.
Deshalb zieht es sie
in die Kommunalpolitik.
Sie engagiert sich
bei den Jusos,
der Jugendorganisation
der SPD,
und kandidiert
mit 24 Jahren
sogar für den Stadtrat.
Alles,
was Helena tut,
macht sie mit vollem Einsatz.
Mit dieser Energie
steckt sie die Menschen
um sich herum an.
Ihr Freundinnenkreis
ist riesig.
Überall, wo sie hingeht,
lernt sie neue Leute kennen.
Und der Kontakt
zu den unterschiedlichsten Menschen
ist auch ein Grund,
weshalb sie gerne
per Anhalter entfährt.
So wie an diesem Donnerstag
im Juni,
als sie sich auf den Weg
in die Heimat macht,
um ihrem Papa
persönlich zum Geburtstag
gratulieren zu können.
An der Aral-Tankstelle
am Schkeuditzer Kreuz
hat sich Helena
eine Mitfahrgelegenheit gesucht,
die sie in den Süden bringt.
Das wissen ihre Cousine Viola
und die anderen Freundinnen
von den Nachrichten,
die Helena gestern
noch geschrieben hat.
Und weil sie von
Helenas Bruder Thomas
erfahren haben,
dass die Polizei
offenbar nicht
in die Gänge kommt,
beschließen sie noch
am Freitagabend,
dem Tag nach
Helenas Verschwinden,
selbst dorthin zu fahren
und sie zu suchen.
Im Gepäck
haben sie
die NAVIR-Zettel,
auf denen über Fotos
von Helena
in großen Lettern
vermisst
und
Zeugen gesucht
steht.
Nicht nur auf Deutsch,
sondern unter anderem
auch auf Englisch,
Spanisch und Arabisch.
Im Internet
verbreiten sich
die Suchmeldung,
die sie bei Facebook
und Twitter längst
abgesetzt haben,
quasi von selbst.
An der Tankstelle
neben der Autobahn
sind es die Freundinnen,
die die Zettel aufhängen
und sämtliche Menschen
ansprechen,
die ihren Weg kreuzen.
Fast alle schütteln
den Kopf,
als sie nach Helena
gefragt werden.
Sie waren gestern
gar nicht hier,
halten gerade nur,
um zu tanken
oder eine kurze Pause
einzulegen.
Aber bei den
LKW-FahrerInnen
hat die Clique
mehr Glück.
Ein paar von ihnen
sind bereits seit dem
Vortag hier
und erinnern sich
tatsächlich an
eine junge Frau,
die auf Helenas
Beschreibung passt.
Ein Fahrer
weiß sogar noch mehr.
Diese Frau
sei gestern
gegen 18.30 Uhr
in einen blauen
LKW mit
marokkanischem
Kennzeichen
gestiegen.
Das wisse er so genau,
weil er zuvor
noch nie
einen LKW
aus Marokko
gesehen habe.
Diese Beobachtung
deckt sich
mit Helenas
letzter Nachricht
im Telegram-Chat.
Mit dieser Info
stürmen die
FreundInnen
in die Tankstelle.
Sie brauchen
dringend die Bänder
der Überwachungskameras,
die überall
auf dem Areal
angebracht sind.
Eine davon hat
den LKW sicherlich
aufgezeichnet,
indem Helena
weggefahren ist.
Doch die
Tankstellen-Mitarbeiterin
muss sie enttäuschen.
Sie darf das
Videomaterial nicht
rausgeben.
Datenschutz.
Also fährt die Gruppe
zur Polizei.
Auf der Wache
schildern sie
einem Beamten
aufgeregt,
dass Helena
gestern nach Bayern
trampen wollte,
inzwischen seit
24 Stunden
vermisst wird
und dass sie
an der Tankstelle
in Schgolditz,
an der sie zuletzt
gesehen wurde,
vermutlich von Kameras
aufgezeichnet wurde.
Endlich gibt es
eine Spur,
der die Polizei
folgen kann,
um Helena zu finden.
Doch für den Beamten
scheint das
keine Option zu sein.
Helena werde
sicher bald
wieder auftauchen.
Außerdem könne er
eh nichts unternehmen,
es seien gar keine
KollegInnen verfügbar.
Die FreundInnen
sind fassungslos.
Sie können nicht glauben,
dass die Polizei
nicht tätig wird.
Genauso wie es
Helenas Vater Martin
schon berichtet hatte.
Der ist nach wie vor
in größter Sorge
um seine Tochter.
Immer wieder
meldet er sich
bei der Polizei
am Berg,
doch die tut
nichts.
Martin erfährt,
dass man gerade
damit beschäftigt ist,
zu klären,
wer wofür
zuständig ist.
Denn die
Amberger Polizei
wendet sich an die
KollegInnen in Leipzig.
Dort ist Helena
gemeldet und am
Autobahnkreuz
Schreuditz,
nahe dem
Leipziger Flughafen,
wurde sie zuletzt
gesehen.
Die Leipziger
BeamtInnen
hegen allerdings
Zweifel,
ob es sich bei
Helena wirklich
um einen
Vermisstenfall
handelt.
Und wenn doch,
wäre ihrer
Meinung nach eher
die Amberger Polizei
zuständig,
bei der Helena
von ihrem Vater
als vermisst
gemeldet wurde.
Daher kontrolliert die
Leipziger Polizei
zwar Helenas WG,
lehnt die Übernahme
des Falls aber ab.
Die BeamtInnen in Amberg
bitten daraufhin,
dass LKA Bayern eine
Personenverhandlung nach
Helena an die
Nachbarbundesländer
Sachsen und Thüringen
weiterzuleiten und
außerdem an die
Verkehrspolizei,
die für die Überwachung
der A9 zuständig ist.
Diese Bitte wird jedoch
auch abgelehnt.
Als Martin das hört,
glaubt er seinen Ohren
nicht zu trauen.
Das darf doch nicht
wahr sein.
Wie kann es sein,
dass sich niemand
dafür zuständig fühlt?
Warum wird über
Zuständigkeiten gestritten,
anstatt mit Hochdruck
nach Helena zu suchen?
Die Sorge um seine
Tochter
zerreißt ihm das Herz.
Doch gleichzeitig
fühlt er eine
unbändige Wut in sich
aufsteigen.
Er kann nicht
begreifen, warum die
Polizei, dein Freund
und Helfer, so heißt es
doch, so untätig ist.
Dabei sind sich er,
Helenas Bruder Thomas
und ihre Freundinnen
mittlerweile sicher.
Helena wurde Opfer
eines Verbrechens.
Deshalb fahren ihre
Cousine Viola und die
anderen Freundinnen am
Samstag, dem Tag
darauf, noch einmal zur
Tankstelle am
Autobahnkreuz.
Sie hoffen fest darauf,
dort noch mehr Hinweise
auf Helenas Verbleib
zu finden.
Unterstützung
kommt von zahlreichen
Bekannten von Helena.
An die 60 Menschen
helfen jetzt bei der
Suche nach der 28-Jährigen.
Nach ein paar Stunden,
die nicht mehr Licht
ins Dunkel bringen, hält
ein Polizeiwagen an der
Tankstelle.
Viola spricht die
Polizistinnen an und
schildert noch einmal
alles, was sie inzwischen
schon unzähligen Menschen
erzählt hat.
Die Polizistin im Wagen
ist sofort alarmiert und
fragt, warum die
Freundinnen erst jetzt auf
die Polizei zukommen.
Immerhin sind inzwischen
fast zwei volle Tage
vergangen, seit Helena
zuletzt gesehen wurde.
Viola und die
anderen sind entsetzt.
Das haben sie doch längst
getan.
Die Polizei weiß doch längst,
dass sich Helenas Spur an dieser
Tankstelle verläuft und die
Überwachungskameras daher dringend
kontrolliert werden müssen.
Aber erst durch diese Begegnung
kommt es dazu, dass die
Leipziger Polizei das
Videomaterial der
Aral-Tankstelle von
Donnerstagabend
sichtet.
48 Stunden nach
Helenas
verschwinden.
Darauf zu sehen ist eine junge
Frau mit dunklen Haaren, die auf
einer Seite abrasiert sind.
Sie trägt ein dunkelblaues Top,
schwarze Shorts und eine
Umhängetasche, die Füße stecken
in weinroten Sneakern.
Es ist Helena und sie ist nicht
allein.
Neben ihr geht ein Mann.
Auf seinem spärlich behaarten
Kopf thront eine Sonnenbrille.
Sein T-Shirt ist dunkel,
dagegen leuchtet seine weiße
Hose richtig.
Das Video zeigt, was auch der
Lkw-Fahrer den Freundinnen
berichtet hat.
Helena und der Mann steigen
am Donnerstag um kurz nach
18 Uhr in einen blau-weißen
Lkw, einer Spedition mit
marokkanischem Kennzeichen.
Am Samstag um 18.55 Uhr
gibt der Polizist, der das
Video sichtet, das Kennzeichen
und die Personenbeschreibung
von Helena und dem Mann dann an
seine KollegInnen auf dem
Präsidium durch.
Helenas Freundinnen fällt ein
Stein vom Herzen.
Endlich kann die Fahndung nach
dem Lkw anlaufen.
Um sicher zu gehen, dass so
viele Menschen wie möglich
Ausschau nach dem blau-weißen
Fahrzeug halten, mit dem
Helena verschwunden ist,
verbreiten sie die neuen
Informationen auf Twitter,
dem Blog namens FindHelena,
den sie eingerichtet haben
und in der Facebook-Gruppe
FindHelena, die mittlerweile
über 10.000 Mitglieder zählt.
Nicht nur die Freundinnen,
sondern auch Helenas Bruder
Thomas und ihre Eltern sind
erleichtert.
Das Kennzeichen ist bekannt,
die Spedition ist bekannt,
ebenso das Aussehen des
Lkw-Fahrers.
Es wird nur ein paar Stunden
dauern, bis die Polizei den
Lkw gefunden hat und sie
endlich Klarheit über
Helenas Schicksal erlangen.
Da sind sie sich sicher.
Am nächsten Morgen ruft Thomas bei
der Polizei in Amberg an, um nach
dem Stand der Ermittlungen zu
fragen.
Doch dort sagt man ihm, man habe
alles in ihrer Macht Stehende
getan,
Helena aber nicht gefunden.
Thomas versteht nicht, es wurde
doch noch so gut wie nichts
getan.
Er will mit den Vorgesetzten
sprechen.
Thomas wird an den
Einsatzleiter Oberpfalz
verwiesen.
Dieser erklärt ihm am Telefon
etwas, was er kurz zuvor schon
einmal gehört hat.
Die oberpfälzische Polizei habe
alles getan, was in ihrer Macht
stehe.
Fassungslosigkeit ergreift ihn, als
er realisiert, dass nach dem
Lkw noch gar nicht gesucht wurde.
Die ganzen letzten Stunden hat er
geglaubt, dass die Polizei nun
endlich alles daran setzt, seine
Schwester zu finden.
Sie ist seit über 48 Stunden
vermisst.
Die BeamtInnen haben alle
Anhaltspunkte, um den Truck, mit
dem sie unterwegs ist, aufzuspüren.
Aber anstatt das zu tun, heißt
es, sie hätten alles in ihrer
Macht Stehende getan.
Das darf nicht wahr sein.
Anscheinend hat bei der Polizei
kein Mensch dasselbe Ziel, wie
er, seine Eltern und
Helenas FreundInnen, nämlich
Helena, wiederzufinden.
Thomas ruft seinen Vater an.
Martin wiederum versucht es
beim LKA Bayern.
Der Beamte sagt zwar, er könne
mitfühlen, denn er habe selbst
drei Kinder, doch auf Vater
Martin wirkt es nicht so, als
würden seine Sorgen ernst
genommen werden.
Im Gegenteil, als der Beamte
meint, Martin solle sich
beruhigen, würde der sonst
ruhige und besonnene Mann am
liebsten ausflippen.
Wie denn, wenn seine Tochter
verschwunden ist und die Polizei
nicht einmal richtig nach
ihr sucht?
Auf die Polizei kann sich
Vater Martin nicht mehr
verlassen.
Seine ganze Hoffnung setzt er
jetzt auf Helenas
Freundeskreis, der sowieso seit
drei Tagen quasi die ganze
Ermittlung übernommen hat.
Wie man professionell nach
einer vermissten Person
fahndet, wissen die
FreundInnen zwar nicht, aber
ihre Motivation ist stärker als
die der Polizei.
Und sie sind viele.
An die 100 Menschen, vor allem
FreundInnen und Bekannte von
Helena, helfen dabei.
Sie alle haben nur ein Ziel, den
LKW endlich aufzuspüren und
Helena möglicherweise noch zu
retten.
Nur das zählt.
Und damit es gelingt, drucken
die FreundInnen neue Suchplakate
und pflastern damit die
Rasthöfe und Tankstellen
rund um Leipzig, entlang der
A9 nach Bayern und anderen
Autobahnen.
Sternförmig sind sie
unterwegs.
Eine Gruppe fährt bis an die
französische Grenze, denn es
könnte ja sein, dass sich der
LKW auf dem Rückweg nach
Marokko befindet.
Da flackert auf einmal ein
Hoffnungsschimmer auf.
Von der Polizei, die endlich ihre
Arbeit zu machen scheint, erfahren
Viola und die anderen, dass das
letzte Signal von Helenas Handy laut
einer Funkzellenauswertung von
einem Autobahnkreuz in Thüringen
stammt, dass Fahrzeuge auf dem
Weg von Sachsen nach Bayern
passieren.
Helena war also am Donnerstagabend
Diese Information verbreitet sich in
Sekundenschnelle in den Autos der
Suchenden und der nächste Halt ist
für sie alle dieses Autobahnkreuz.
Noch am Sonntagabend durchkämmen
dutzende FreundInnen in der
Dämmerung das angrenzende
Waldstück.
Sie schreien sich die Seele aus dem
Leib.
Helena, wo bist du?
Schallt es unter den grünen
Baumwipfeln immer wieder.
Doch der Wald steht schwarz und
schweigt.
Sowohl Helena als auch ihr Handy
bleiben verschwunden.
Der Montag beginnt für Bruder
Thomas wie schon der Sonntag.
mit einem Anruf bei der Polizei
in Amberg.
Er will wissen, ob die
BeamtInnen inzwischen nun endlich
die Spedition kontaktiert haben,
für die der LKW mit seiner
Schwester an Bord unterwegs ist.
Denn sollte der LKW tatsächlich
nach Marokko fahren, dürfte es
laut Thomas' Berechnung nur noch
etwa vier Stunden dauern, bis er
von Spanien mit der Fähre aufs
afrikanische Festland übersetzt.
Thomas ist klar, ist der LKW
erst einmal wieder in Marokko,
wird es schwierig, ihn aufzuspüren.
Thomas betont, die Zeit läuft
davon.
Man müsse jetzt dringend bei der
Spedition anrufen, um an den
Fahrer ranzukommen.
Was der Polizist dann sagt, klingt
absurd.
Tun Sie das!
Wir bräuchten noch ein paar
Stunden.
Was?
Er als Bruder der
Vermissten soll die Spedition
anrufen und fragen, wo der
Fahrer ist.
Geht's noch?
Für den Fall, dass Helena noch
lebt, zählt jede Minute.
Die Telefonnummer findet man doch
sicher im Internet.
Wieso sollte die Polizei noch
Stunden dafür brauchen?
Thomas hat keine Zeit, sich über
die Inkompetenz der Behörde
aufzuregen.
Er muss handeln.
Dafür beratschlagt er sich mit
Viola und den anderen.
Sie hatten schon früher darüber
nachgedacht, bei der Spedition in
Marokko anzurufen, aber sich bisher
dagegen entschieden.
Schließlich ist das die Aufgabe der
Polizei.
Außerdem befürchten sie, dass der
LKW-Fahrer panisch wird, wenn er
erfährt, dass nach ihm gesucht wird.
Und dass er Helena dann etwas
antun könnte.
Aber jetzt, vier Tage nach ihrem
Verschwinden, geht es nicht mehr
anders.
Sie müssen bei der Spedition
anrufen, wenn es die Polizei nicht
tut.
Und das machen sie.
Der Mitarbeiter, der ihren Anruf
entgegennimmt, erklärt auf
Deutsch, der gesuchte LKW sei auf
Kurs.
Die Tour laufe wie geplant.
Als die Freundinnen nach den
GPS-Daten fragen, verneint der
Mann aber.
Die dürfe er nur der Polizei
geben.
Und die habe sich bislang nicht bei
ihm gemeldet.
Aber der Mitarbeiter verspricht,
den Fahrer zu verständigen.
Und ganz kurz, das muss doch auch
der Polizei bewusst sein, dass
nicht einfach irgendeine Firma
irgendwelche Daten rausgibt.
Also wie kann das denn der
Vorschlag sein, dass die da jetzt
selbst anrufen?
Nee.
Wenn ich in dieser Situation diese
Familie wäre, ich würde mir so
verarscht vorkommen, als würde ich
bei Verstehen Sie Spaß
mitmachen.
Ja, nur der Höllen-Version
davon.
Ja.
Und schon am Anfang dieses, diese
Zuständigkeiten.
Also das hört sich ja dann auch
irgendwie so an, ja, wir wissen
jetzt nicht genau, ob wir das jetzt
machen sollen oder nicht.
Lasst erst mal ein bisschen
darüber beratschlagen.
Ja.
Man war ja jetzt auch nicht dabei,
man weiß nicht genau, wie es war.
Aber es hört sich so ein bisschen
an, wie so Arbeitsverweigerung.
Weißt du, wie ich, ich glaube, du
auch manchmal.
Wie du, ja.
Wie du das immer machst.
Nee, haben das, ich weiß noch, wo wir
das aber beide gemacht haben.
Und zwar, Paulina und ich haben ja
beim Frühstücksfernsehen bei
Sat.1 gearbeitet und da gab es
immer eine große Konferenz
jeden Morgen.
Sag doch jetzt einfach öffentlich,
dass wir da Arbeitsverweigerungen
gemacht haben.
Das sind Firmengeheimnisse.
Du unterschreibst eine NDA
demnächst.
Also das gibt es ja nicht, was
hier alles ausgeklautert wird.
Wo habe ich da Arbeitsverweigerungen
gemacht?
Das ist einfach eine Lüge.
Du lügst schon wieder.
Also ganz kurz.
Okay, dann sage ich jetzt, was
ich gemacht habe und du kannst
ja dann sagen, ob du das nicht
vielleicht auch mal gemacht hast.
Na gut, okay.
Und zwar gab es halt die große
Konferenz und da wurden immer
aktuelle Themen verteilt, die man
halt an dem Tag noch drehen
musste.
Ja.
Und eigentlich habe ich ja auch
gedacht, du wärst so wie ich.
Man hat halt seine Themen und die
möchte man in Ruhe abarbeiten und die
haben eigentlich nichts mit
Aktualität zu tun.
Zumindest war, ja, also das war
bei mir so.
Und dann habe ich mich immer ganz
klein gemacht, wo unser
Redaktions, ja, wie nennt sich
das, was war der denn?
Ressortleiter?
Nee.
Nee, unser Ressortleiter war das.
Ja, Ressortleiter, genau.
Der Reporterpool-Leiter hieß es.
Genau.
Und der hat dann quasi so durch die
Runde geguckt, wer das machen will.
Und ich wurde immer kleiner und habe
mich versucht, hinter anderen etwas
größeren Redakteuren zu verstecken,
damit ich nicht jetzt diejenige bin,
die dann bei minus 10 Grad gefühlt in
Berlin im Januar oder Februar irgendwas
draußen aktuell drehen musste.
Ja, also da muss ich sagen, da bin ich
froh, dass du deine Arbeitsmoral
mittlerweile geändert hast.
Also mir ging das auf jeden Fall
nicht so.
Ich habe mich da sehr gerne gemeldet.
Das ist immerhin hier geschehen.
Ich habe mich im Gegensatz zu dir auch
nie in der Mülltonne versteckt vor
unserem Reporterleiter.
Und das ist tatsächlich wirklich
passiert.
Es gibt Videos davon.
Und bin froh, dass du jetzt einem
Job nachgehst, wo du immer sagst,
hier, ich.
Mit Schnipsen sogar.
Beim Melden.
Ja.
Okay, auf jeden Fall fühlt sich das eben
bei der Polizei hier in Amberg und Leipzig
gerade so ein bisschen so an, als würde
man sich irgendwie vor dieser Aufgabe
drücken wollen.
Was ja dem entgegenspricht, was man
eigentlich von der Polizei denkt und
erwartet, dass sie eben sowas ernst
nehmen und auch sofort reagieren.
Ja, und es geht halt hier um Leben und
Tod.
Ja.
Ja, also geht's eigentlich noch.
Ja.
Wenig später, immer noch am Montagnachmittag,
geht bei den Freundinnen dann ein
Anruf ein.
Dran ist tatsächlich der Mann von dem
Überwachungsvideo, mit dem Helena in den
Lkw gestiegen ist.
Mohamed.
Endlich haben sie den Mann an der
Strippe, der Helena vermutlich als
letzter gesehen hat.
Einer von Helenas Freunden, der
Arabisch kann, spricht mit ihm.
Mohamed bestätigt, dass er Helena vor
vier Tagen ein Stück mitgenommen
habe.
Von der Tankstelle in Schgolditz auf der
A9 bis zur Autobahnausfahrt 49 bei
Lauf-Hersbruck in der Oberpfalz.
Von dort ist es mit dem Zug nur noch
eine halbe Stunde bis Amberg.
Nachdem er Helena rausgelassen
habe, sei er zum nächsten Kunden auf
der Route gefahren.
Zusätzlich zu diesen Infos schickt
Mohamed ein Foto seines Ausweises,
außerdem Bilder von Tankstellen und
Rastplätzen, die er auf seiner
Fahrt von Deutschland Richtung
Marokko gemacht hat.
Eines der Fotos stammt nicht von
seiner Tour.
Es ist an einem Strand aufgenommen.
Mohamed lächelt mit Hellbaumhemd und
dunkler Sonnenbrille in die Kamera.
Er ist eingerahmt von drei Mädchen
und einem kleinen Jungen.
Mohamed erzählt den Freundinnen, er
habe zu Hause in Marokko seine vier
Kinder und eine Frau und bittet sie, seine
Familie zu schützen.
Als sie nach 15 Minuten auflegen, sind die
Freundinnen verwirrt.
Bei einigen von ihnen macht sich ein
schlechtes Gewissen breit.
Alle Details, die sie über den Fahrer
hatten, haben sie online schon verbreitet.
Sie wurden tausendfach geteilt.
Haben sie dem netten Mann jetzt Ärger
eingebrockt?
Trotzdem müssen die Informationen, die sie jetzt
über Mohamed haben, so schnell wie möglich
zur Polizei.
Und nachdem die Freundinnen den Lkw-Fahrer
ermittelt haben, wird am Montag dann endlich
auch die Polizei tätig, die bis jetzt damit
beschäftigt war, die Zuständigkeit für die
Ermittlung zu klären.
Und schon einen Tag später findet die Polizei den
Lkw.
Aber nicht so, wie man es sich erhofft hatte.
Die Fahrerkabine, in die Helena am Donnerstagabend
gestiegen ist, ist komplett ausgebrannt.
Vom Feuer zerfressen steht der Truck in Südspanien
mehr als 2000 Kilometer vom Autobahnkreuz
Schkeuditz entfernt.
Der Lkw-Fahrer erklärt den spanischen
BeamtInnen vor Ort, dass sein Fahrzeug wegen
eines Motorschadens Feuer gefangen habe.
Was die Ermittelnden in der verkohlten
Fahrerkabine des Lkws finden, erweckt eine
dunkle Vorahnung.
Es sind Überreste eines schwarzen
Stoffbeutels.
Zwei Worte in knallorangenen Lettern sind
noch lesbar.
Kein Mensch.
Von Helena selbst fehlt jede Spur.
Zwei Tage später wird dann auch die letzte Hoffnung
zunichte gemacht, Helena noch Leben zu finden.
An einer Tankstelle einige hundert Kilometer
vom Fundort des Lkws entfernt, machen
Mitarbeitende am Donnerstag, eine Woche nach
Helenas Verschwinden, eine schreckliche
Entdeckung.
In dem Straßengraben neben der Tankstelle
liegt eine Leiche einer jungen Frau.
Die Augen lieder geschlossen, der Kopf
leicht gedreht und Blut verschmiert.
Ihre Hände sind auf dem Rücken gefesselt.
Ob auch ihre Füße gefesselt sind,
lässt sich nicht feststellen.
Von der Hüfte abwärts ist die Leiche verbrannt.
Diese furchtbaren Nachrichten, die die Suche nach Helena mit einem Schlag beenden, erfahren
Familie und Freundinnen nicht in einem sensiblen Gespräch von dafür geschulten PolizistInnen,
sondern durch reißerische Schlagzeilen in den Medien.
Für sie ist diese schlechte Kommunikation nur ein weiterer in der langen Reihe von fatalen
Fehlern, die die Polizei ihrer Meinung nach in den wenigen Tagen begangen hat.
Helenas Vater Martin ist am Boden zerstört.
Die furchtbare Gewissheit, die schon tief in seinem Inneren brodelte, als Helena vor einer
Woche nicht aus dem Zug ausstieg, ist wahr geworden.
Er wird seine Tochter nie wieder im Arm halten können.
Und auch Thomas, Viola und die anderen beginnen langsam zu begreifen, dass sie nie wieder Helenas
Lachen hören oder ihr zusehen werden, wie sie mit leuchtenden Augen über eines ihrer
Herzensthemen spricht.
Doch sie wissen, dass sie etwas Wichtiges tun müssen, bevor die Trauer sie überwältigt.
Sie müssen in Helenas Namen ein Zeichen setzen.
In den sozialen Medien, in denen sie in den vergangenen Tagen alle Updates zu Helenas
Verschwinden geteilt haben, verbreiten sie eine Information, die ihnen genauso sehr am
Herzen liegt, wie zuvor die Bitten um Mithilfe bei der Suche nach Helena.
Jetzt, wo bekannt ist, dass Helena mutmaßlich von einem Marokkaner getötet worden ist, ist
es den Angehörigen und Freundinnen ein großes Anliegen, sich zu positionieren.
Denn im Internet machen viele UserInnen keinen Hehl daraus, wie sie den Fall einschätzen.
Kommentare wie, selber schuld, wer in ein Auto mit marokkanischem Kennzeichen einsteigt,
häufen sich unter Nachrichtenmeldungen über Helenas Schicksal.
Das wollen Viola und die anderen auf keinen Fall tolerieren.
Daher schreiben sie unter anderem bei Facebook, Zitat,
Sollte sich herausstellen, dass der derzeitige Tatverdächtige auch der tatsächliche Täter
ist, so werden wir das nicht leugnen.
Wir wollen aber gleichzeitig auch klarstellen, dass er kein Täter ist, nur weil er aus Nordafrika
kommt oder einer vermeintlich fremden Kultur angehört.
Was auch immer mit Helena passiert ist, es ist definitiv nicht das Resultat zwischen der
anscheinenden Andersartigkeit von Kulturen.
Denn Familie und FreundInnen wissen, sich Rassismus entschieden entgegenzustellen, wäre das
Erste, das Helena jetzt tun würde.
Ich frage mich wirklich, welche Menschen kommen auf die Idee, solche Kommentare abzulassen, selber
schuld, wer in ein Auto mit marokkanischem Kennzeichen einsteigt, unter so einer Meldung, dass eine
Frau, eine junge Frau, die einfach nur nach Hause zu dem Geburtstag ihres Vaters wollte, per
Anhalter nach Hause gefahren ist und dann getötet wurde.
Wer kommt auf die Idee, das als Kommentar, also wer, das muss in dem Gehirn schieflaufen, wenn man dann auf die Idee kommt, das ist jetzt das, was mir ins
Gehirn kommt, diese Sache, also ich stelle mir das ja ganz oft die Frage, wenn ich Kommentare im Internet lese, aber bei solchen Sachen, da muss man sich doch wirklich Sorgen machen um Menschen.
Ja, genau, also erstmal ist das Internet eh ein furchtbarer Ort, aber dann, also kommen solche Kommentare eigentlich nur von völlig verblödeten Vollidioten, weil ich denke mir immer so, dass auf der anderen Seite jemand sitzt, der das liest, das weiß doch jeder und trotzdem machen Leute das, also ich raff's nicht.
Ich finde es aber echt krass und mutig und auch total richtig, dass die Familie oder beziehungsweise die FreundInnen dann so ein Statement abgeben, also es ist ja schon richtig stark.
Also ich glaube, das erfordert so viel Besonnenheit und auch Mut, weil man weiß ja auch, dass man bei den Leuten damit noch mehr verursachen kann, dass die auf einen abgehen, ja, wenn die halt schon solche Kommentare da schreiben.
Ja.
Im Rahmen der Internationalen Wochen gegen Rassismus hat Helena erst im März im Evangelischen Gemeindehaus in Armberg einen Vortrag über ihr Engagement auf Lesbos gehalten.
Jetzt, am 1. August, findet gegenüber in der Paulaner Kirche die Trauerfeier für sie statt.
Hunderte Menschen aus allen Ecken Deutschlands strömen in das Gebäude mit der rot-gelben Fassade.
Hier hat Vater Martin bis zu seinem Ruhestand selbst als Pastor mit seiner Gemeinde gesungen und gebetet.
Heute steht nicht er, sondern der evangelische Landesbischof an dem schlichten Holzaltar.
Mit den Worten, die er für die Trauerrede gewählt hat, spricht er den Anwesenden aus der Seele.
Helenas soziales, gesellschaftliches und politisches Engagement sei beeindruckend gewesen.
Auf Lesbos habe sie Geflüchtete spüren lassen, wofür eigentlich alle einstehen sollten.
Dass jeder Mensch, Zitat, eine Würde hat, die ihm niemand nehmen darf.
Und dass er es auch in der Art seinen Ausdruck findet, wie wir mit Menschen umgehen, die aus ihrem Heimatland geflohen sind.
Er betont, Zitat, Helenas Offenheit gegenüber allen Menschen.
Das Urvertrauen, das in dieser Offenheit ihren Ausdruck fand und ihr Einsatz für eine Welt, in der alle Menschen in Würde leben können, war Ausdruck einer tiefen Liebe zur Welt.
Und auch durch die weiteren Reden wird deutlich, was Helena ihre Familie und Freundinnen immer spüren ließ.
In ihrem Leben gab es keinen Platz für Hass, nur für Liebe.
Ihr ging es immer um das Wohl der anderen, auch jetzt noch im Tod.
Das zeigt der Spruch, den die Familie für die Trauerkarte gewählt hat.
Er stammt von Helenas Lieblingsdichter Joachim Ringelnatz.
Auf den zwei Fotos daneben blickt Helena neugierig und fröhlich in die Welt.
So wie sie immer war und so, wie alle, die Helena vermissen, sie in Erinnerung behalten wollen.
Thomas jedoch kann nicht richtig um seine kleine Schwester trauern.
Wie die Suche nach Helena abgelaufen ist, hat dem 51-Jährigen schwer zugesetzt.
Bis heute, zweieinhalb Monate später, gibt es zu viele offene Fragen, zu viele Unklarheiten.
Daher schreibt er einen Brief an den bayerischen Innenminister.
Darin fordert er eine Aufarbeitung der Ermittlungen.
Hätte die Polizei ihre Arbeit ordentlich gemacht, hätte ihm, seinen Eltern und allen, die um Helena trauern, sehr viel erspart werden können.
Thomas ist überzeugt, alles, was ermittelt wurde, hat nicht die Polizei ermittelt, sondern Familie und Freundinnen von Helena.
Mehr noch, wären sie nicht als LaienermittlerInnen losgezogen, während die Profis in Bayern und Sachsen über Zuständigkeiten diskutierten, wäre der mutmaßliche Täter wahrscheinlich sogar entkommen.
Thomas ist klar, dass auch die akribische Aufarbeitung der Ermittlungen seine Schwester nicht wieder lebendig macht.
Aber die Polizei müsse daraus Lehren für die Zukunft ziehen.
In seinem Schreiben fordert er deshalb mit eindringlichen Worten, dass die ErmittlerInnen bei vermissten Fällen zukünftig sensibler agieren müssten und dass die Kommunikation zwischen den einzelnen Dienststellen und Bundesländern besser funktionieren müsse.
Wenig später erhält Thomas eine Antwort aus dem Ministerium.
Der Innenminister gibt ihm ein Versprechen.
Helenas Fall wird aufgearbeitet werden.
Trotzdem kommt Thomas nicht zur Ruhe.
Denn wieder trifft ein Schlag die Familie mit voller Wucht.
Und wieder erfahren sie aus den Medien davon.
Bilder zeigen, wie sich am 1. September 2018 in Chemnitz ein Trauermarsch formiert.
An die 8.000 Menschen, die meisten schwarz gekleidet, schreiten durch die Straßen.
Einige schwenken Fahnen in den Farben Schwarz-Rot-Gold, andere tragen großformatige Bilder von getöteten Menschen vor sich her.
Von einem der Bilder lächelt Helena mit beigem Strickschal und bärenfarbenem Shirt in die Kamera.
Die Veranstaltung haben AfD, Pegida und die rechtspopulistische Wählervereinigung Pro Chemnitz organisiert.
An der Spitze marschieren Thüringens AfD-Chef Björn Höcke und Pegida-Frontmann Lutz Bachmann.
Sie und die anderen TeilnehmerInnen wollen auf Menschen aufmerksam machen, die erwiesenermaßen oder mutmaßlich Opfer von Gewalt durch AusländerInnen wurden.
Besonders perfide ist dabei ein Detail, das viele in den Händen oder im Knopfloch tragen.
Eine weiße Rose.
Dabei war die weiße Rose einer der bekanntesten Widerstandsgruppen in der NS-Zeit.
Dass jetzt 75 Jahre später rechtsextreme explizit diese Blume für diese Veranstaltung wählen, ist nicht nur geschmacklos, sondern eine Provokation.
Sie kehren das Symbol des Widerstands bewusst um und nutzen es für ihre Zwecke.
Und das Gleiche machen sie mit Helena.
Thomas und Vater Martin sind schockiert.
Dass Helenas Gesicht von Rechtsextremen durch die Gegend getragen wird, ist unerträglich für sie.
Denn mit der Toleranz und Weltoffenheit stand Helena für alles, was die Menschen, die nun angeblich um sie trauern, kritisieren.
Helena, deren Großeltern zur Nazizeit im Widerstand waren und die selbst ihr Leben lang laut war gegen Rassismus und rechte Hetze,
wird nun von denjenigen, die ihre Einstellung zutiefst ablehnen, missbraucht.
Die Rechtsextreme und RechtspopulistInnen instrumentalisieren Helena für ihre Zwecke.
So, und das ist auch nicht das einzige Mal.
Wir erinnern uns, in den letzten Jahren kam es immer wieder vor, dass die AfD Straftaten für ihre Zwecke halt genutzt hat.
Oft auch, wenn die Hintergründe noch gar nicht klar waren.
So war das ja auch zum Beispiel mit dem achtjährigen Jungen, der im Juli 2019 am Frankfurter Hauptbahnhof von einem Zug überrollt wurde und starb,
nachdem er von einem psychisch erkrankten Mann auf die Gleise gestoßen worden war.
Vielleicht erinnern sich auch einige noch, den Fall habe ich in Folge 62 erzählt, wirklich schlimmer, bewegender Fall.
Und Alice Weidel, die zu der Zeit Fraktionsvorsitzende der AfD im Bundestag war, twitterte dann gleich,
dass die, Zitat, grenzenlose Willkommenskultur in Deutschland zu dieser Tat geführt habe.
Und es war ja so, dass der Täter aus Eritrea stammte, aber auch schon eine Zeit lang in der Schweiz lebte.
Und trotzdem hat man da eben Angela Merkel dafür verantwortlich gemacht.
Auch die AfD-Bundestagsabgeordnete Verena Hartmann schrieb auf Twitter,
sie verfluche den Tag ihrer, also Angela Merkels Geburt.
Das ist so krank. Also was ist los mit diesen Menschen?
Völlig absurd und vor allem, wenn man bedenkt, dass nur knapp zwei Monate vorher
der CDU-Politiker Walter Lübcke von einem Rechtsextremisten erschossen wurde.
Also das fiel auch noch alles in diese Zeit wirklich grauenhaft.
Ja, und wenn PolitikerInnen, die im Bundestag sitzen, sowas rausposaunen,
ohne irgendwelche Hintergrundinfos zu wissen, aber auch sowieso egal,
wenn die sowas rausposaunen, dann können sich so Täter,
wie der eben im Fall von Walter Lübcke, eben auch noch mehr motiviert fühlen,
sowas dann zu machen, ja.
Also die haben so eine Verantwortung und dann auch die Alice Weidel,
also dass die das auch direkt so raushaut, mir wäre das so peinlich.
Ja, denen ist das nicht peinlich, das ist das Problem, denen ist das nicht peinlich.
Und an diesen Beispielen sieht man ja auch, dass es der AfD eigentlich nie um die Taten an sich geht,
sondern immer um ihr Hauptthema, also um Migration und wie sehr die Deutschland angeblich schaden würde.
Und deshalb gibt sich die AfD auch viel Mühe, das Bild von Straftaten in der Gesellschaft zu verzerren.
Wie Straftaten in der Gesellschaft wahrgenommen werden.
Dazu haben Medienforschende 2019 eine Studie veröffentlicht, für die sie 242 AfD-Pressemitteilungen aus dem Vorjahr analysiert haben.
Und dabei stellte sich heraus, wenn die AfD bei Tatverdächtigen die Nationalität nannte, waren das zu 95 Prozent AusländerInnen.
Bei den fünf Prozent Deutschen wurde betont, dass sie entweder einen Migrationshintergrund hätten oder, wenn das nicht der Fall war,
dann wurde es so dargestellt, dass die Beteiligung dieser deutschen TäterIn relativ gering war an der Tat.
Also, dass es noch andere Tatbeteiligte gab.
Ja, und das entspricht ja nicht der Wahrheit.
Also, in Deutschland sind die meisten Tatverdächtigen natürlich Deutsche.
Ja, und dieses falsche Bild wird jetzt auch versucht, in diesen Trauermarsch rüberzubringen,
wo auch um Helena getrauert wird, wo es halt nur um Opfer geht, die von Menschen mit Migrationshintergrund getötet wurden.
Ja, und einer, der diesen, in Anführungszeichen, Trauermarsch ja angeführt hat, war ja der Björn Höcke.
Und was ich so traurig und krass und beängstigend finde, ist, dass er nur sechs Jahre nach diesem absurden Marsch,
gerade erst vor kurzem im TV-Duell bei dem Sender Welt aufgetreten ist, gegen so einen CDU-Politiker.
Also, die haben einfach zusammen debattiert und da wird da eingeladen, ein Mensch, der diesen Zug angeführt hat.
Also, wie kann das eigentlich sein?
Ich finde es einfach krass, dass so ein Mensch sechs Jahre später da ganz normal eingeladen wird
und seine Meinung und Ideen in die Welt raustragen kann.
Für Helenas Familie darf es auf jeden Fall nicht sein, dass ihr Schicksal missbraucht wird.
Und wieder müssen Thomas, Martin und Teresa alle Kräfte sammeln, die sie eigentlich bräuchten,
um endlich in Ruhe zu trauern.
Gegenüber der Presse erklären sie nach dem sogenannten Trauermarsch, Zitat,
Diese Veranstaltung war kein Ort der aufrichtigen Trauer um Helena oder sonst irgendjemanden,
sondern ein Ort der Hetze und der Niedertracht.
Wir lassen nicht zu, dass das Andenken an unsere Helena für ausländerfeindliche Zwecke missbraucht wird.
Daher zeigen sie Björn Höcke und Lutz Bachmann wegen fehlender Rechte an Helenas Bild an.
Die Ermittlungen werden zwar eingestellt, aber das ist der Familie auch nicht so wichtig.
Ihnen geht es nicht um eine Verurteilung, sondern darum, ein Zeichen zu setzen.
Sie lassen sich eine solche Vereinnahmung durch RechtspopulistInnen nicht gefallen.
Auch nicht, wenn das eine Welle von Hassnachrichten für die Familie, allen voran Thomas bedeutet,
der als grünen Politiker ohnehin in der Öffentlichkeit steht.
Und der kriegt solche Kommentare zugeschickt.
Zitat,
Ist das furchtbar?
Ich kriege Gänsehaut, wenn ich das lese.
Ich finde es so schrecklich, eine Frau, eine junge Frau, die in ihrer Freizeit Menschen in Not hilft, wird getötet.
Und das ist das, was sie dem Bruder schreiben, der um die trauert.
Und es ist wirklich so viel verkehrt mit diesen Menschen.
Doch Helenas Familie und ihre Freundinnen wollen diesen Menschen Helena und ihr Schicksal nicht überlassen.
Geschlossen wie eine Mauer.
Stehen sie auch knapp ein Jahr später vor dem Justizpalast in Bayreuth, wo am 23. Juli 2019 der Prozess beginnt.
Viele halten Banner mit Slogans wie
Lieber wütend als traurig.
Gegen strukturelle Gewalt an Frauen.
Oder
Der Mord an Helena ist kein Einzelfall.
Denn für sie ist klar, anders als es online so viele Stimmen schreien,
hat Helenas Tod nichts mit der Hautfarbe oder der Herkunft des mutmaßlichen Täters zu tun.
Für sie steht fest, Helena musste sterben, weil sie eine Frau war.
Ihre Tötung war ein Femizid.
Dessen sind sich auch Helenas Eltern Martin und Teresa und ihr Bruder Thomas sicher,
als sie den Schwurgerichtsaal mit dem goldenen Stuck und dem prunkvollen Deckenfenster betreten.
Im schönsten Raum des Landgerichts wird nun ein Verbrechen verhandelt, das an Hässlichkeit kaum zu überbieten ist.
Anders als Helenas Freundinnen nehmen Thomas Martin und Teresa nicht auf den hölzernen Zuschauerinnenbänken Platz,
sondern neben der Staatsanwaltschaft.
Alle drei haben die Nebenklage angetreten und stehen nun dem Mann gegenüber,
der angeklagt ist, ihnen ihre Helena genommen zu haben.
Es ist 9.01 Uhr, als Justizbeamtinnen Mohammed zur Anklagebank führen.
Sechs Minuten lang erfüllt das Klicken von rund 15 Kameras den Saal.
Sie fotografieren den schmalen und scheinbaren Mann im rot-weiß karierten Hemd aus allen Winkeln,
während er sich versucht, hinter seinem Arabisch-Übersetzer,
dessen Rücken doppelt so breit wirkt wie sein eigener, unsichtbar zu machen.
Trotzdem ruhen zahlreiche Augenpaare auf ihm, als die Oberstaatsanwältin die Anklage vorliest und schildert,
was aus ihrer Sicht am 14. Juni 2018 mit Helena geschehen ist.
Bevor Helena an diesem Tag zu Mohammed in den LKW stieg,
hatte er schon auf anderen Parkplätzen fremde Frauen fotografiert und masturbiert.
Das belegen Fotos auf seinem Handy, die die ErmittlerInnen wiederhergestellt haben.
Auch von Helena machte er heimlich Aufnahmen.
Er filmte sie über die App Secret Videorecorder, als er ihr Fotos auf seinem Handy zeigte.
Aber das reichte ihm laut Anklage nicht. Er wollte mehr.
20 Kilometer vor der Ausfahrt, an der Helena raus wollte,
sah Mohammed seine letzte Chance für einen Annäherungsversuch gekommen.
Das Wie ist zwar nicht klar, aber die Staatsanwaltschaft ist überzeugt davon,
dass sich Mohammed in der Folge an Helena verging und sexuell übergriffig wurde.
Er fesselte sie und verhinderte damit, dass sie flüchten konnte.
Danach schlug er mehrmals mit einem Radmutterschlüssel auf sie ein.
Wann Helena an ihren Kopfverletzungen gestorben ist, kann die Oberstaatsanwältin nicht benennen.
Sie spricht von einem nicht genau feststellbaren Zeitpunkt nach dem 14. Juni 2018 um 19.55 Uhr.
Um die Details zu erfahren, hoffen nicht nur die Oberstaatsanwältin,
sondern auch Helenas Familie und das Gericht darauf, dass Mohammed endlich sein Schweigen bricht.
Und tatsächlich, in seiner Einlassung lässt er über seinen Dolmetscher verkünden,
was bei dem letzten Stopp seiner Meinung nach geschehen sei.
Mohammed sei ausgestiegen, um die Außenspiegel zu putzen.
Dabei habe er bemerkt, wie Helena die Fahrerkabine durchwühlt habe.
Sie war mein Gast, sie hatte nicht das Recht, meine Sachen zu durchwühlen, sagt Mohammed.
Die beiden seien in Streit geraten.
Um die Situation zu entschärfen, habe er sie angelächelt und von Respect und No-Touch gesprochen.
Aber Helena habe nicht nachgegeben.
Da sei er wütend geworden, habe zum Radmutterschlüssel gegriffen und mehrfach zugeschlagen.
Als Helena tot gewesen sei, habe er ihr mit einem Cuttermesser die Kleider vom Leib geschnitten, um das Blut aufzuwischen.
Die Leiche habe er in ein Bettlacken gewickelt, sie nach oben in die Schlafkabine gehievt und dann seine Fahrt fortgesetzt.
Erst in Frankreich will er den toten Körper, den er zwischenzeitlich an Armen und Beinen gefesselt habe, in Müllbeutel gepackt haben,
bevor er ihn schließlich an der Tankstelle in Spanien entsorgt habe.
Dabei beharrt Mohammed darauf, dass er Helena noch am Donnerstagabend auf dem Parkplatz in Deutschland getötet habe,
denn er habe im Affekt gehandelt.
Die RechtsmedizinerInnen, die Helenas Leiche obduziert haben, können das im ZeugInnenstand nicht eindeutig bestätigen.
Helena könnte bereits am Donnerstag gestorben sein, aber möglicherweise auch erst am Samstag oder Sonntag, erklären die ObduzentInnen.
Was das bedeuten würde, lässt das Blut in den Adern derjenigen gefrieren, die auf der Nebenklagebank sitzen.
Wenn Helena erst am Wochenende gestorben ist, hätte man sie dann noch lebend finden können,
wenn die Polizei in Deutschland ihre Arbeit richtig gemacht hätte?
Von dem späteren Todeszeitpunkt ist Helenas Bruder Thomas auf jeden Fall felsenfest überzeugt.
Seiner Meinung nach könnte Helena noch leben, wenn die Polizei der Familie geglaubt hätte
und von Anfang an von einem potenziellen Gewaltverbrechen ausgegangen wäre.
Denn es stellt sich auch heraus, dass Mohammed noch nachdem Helena zu ihm in den Lkw gestiegen war,
wie geplant die Station seiner Route abfuhr.
Bei einer Firma in Bayern lud er Paletten auf.
Er machte regelmäßig Pausen.
In Frankreich stand der Lkw wegen des Sonntagsfahrverbots sogar 24 Stunden auf einem Parkplatz.
Laut Thomas hätte die Polizei genug Zeit gehabt, den Lkw aufzuspüren
und seine Schwester, die vielleicht schwer verletzt und gefesselt oben in der Schlafkabine lag,
möglicherweise zu retten.
Was den Todeszeitpunkt angeht, ist noch ein Detail unklar.
Helenas Mutter Teresa wirft es in den Raum.
Es ist die einzige Frage, die sie vor Gericht stellt.
Wenn Helena wirklich schon auf dem Parkplatz in Deutschland starb,
warum legte Mohammed dann später einer Leiche Fesseln an?
Das ergibt keinen Sinn.
Doch auf Logik scheint Mohammed ohnehin keinen Wert zu legen.
Das zeigt auch sein Auftreten im Schwurgerichtssaal.
Der scheint für ihn zwischenzeitlich eine Theaterbühne zu sein,
auf der der Täter in die Opferrolle schlüpft.
Der 41-Jährige schluchzt und zerfließt in Selbstmitleid.
Seit über einem Jahr quäle er sich jeden Tag.
Verurteilen Sie mich zum Tode und geben Sie meine Organe einer Person, die sie braucht,
fleht er den Vorsitzenden Richter an.
Der antwortet mit einer Kälte, die die Nackenhaare aufstellt.
Leid haben die Angehörigen seit einem Jahr mehr als sie.
Trotzdem bemüht sich Helenas Familie, an jedem der zwölf Prozesttage Haltung zu bewahren.
Auch wenn es die schwierigste Aufgabe ist, die Martin, Teresa und Thomas je meistern mussten.
Allein die Bilder zu sehen, die die ErmittlerInnen von Helenas halbverbrannter Leiche gemacht haben.
Bilder des eigenen Kindes, die Eltern niemals sehen sollten.
Dabei sind Martin und Teresa aber weder von Hass noch von Rache getrieben.
Ihre Gedanken kreisen nur um Helena.
Als Martin noch einmal nach dem Warum fragt, versagt ihm fast die Stimme.
Es macht uns krank, die Wahrheit nicht zu wissen.
Es ist kein Licht in diese entsetzliche Finsternis gekommen.
Es ist ein besonderer Prozesttag, als gut sieben Wochen nach Beginn der Verhandlungen die Plädoyers gesprochen werden.
Es gibt nämlich nicht nur zwei, sondern vier.
In ihrem Plädoyer räumt die Oberstaatsanwältin ein, dass es, entgegen ihrer Anklage, keine Beweise für eine sexuelle Straftat gebe.
Für sie stehe am Ende des Prozesses aber nun fest, dass Mohamed Helena direkt auf dem Parkplatz in Deutschland getötet habe.
Daher ihr Fazit?
Helena war nicht rettbar.
Sie fordert eine lebenslange Haftstrafe wegen Mordes und gefährlicher Körperverletzung.
Der Anwalt, der Martin und Theresa vertritt, ist anderer Meinung.
Es sei nicht klar, dass Helena wirklich so schnell starb.
Er spricht von einem Sterben auf Raten und fordert daher die besondere Schwere der Schuld für Mohamed.
Helenas Bruder plädiert selbst.
Seine Hände zittern, als er ein Foto seiner Schwester hochhält und Mohamed auffordert, es sich anzuschauen.
Der 51-Jährige zweifelt nach wie vor daran, dass Helena schon in Deutschland starb.
Mohameds Verteidiger hingegen plädiert auf Totschlag.
Sein Mandant habe keine Hilfe holen können, weil Helena schon nach den ersten Schlägen tot gewesen sei.
Alles andere sei, Zitat, Bullshit.
Ob das auch das Gericht so sieht, offenbart sich am 18. September 2019.
Der Moment der Urteilsverkündung wird mit Hochspannung erwartet.
Der prunkvolle Schwurgerichtssaal droht aus allen Nähten zu platzen.
Neben den Prozessbeteiligten hören rund 30 PressevertreterInnen und 100 ZuschauerInnen,
wie der vorsitzende Richter das Wort erhebt.
Das Gericht folgt der Erkenntnis der Oberstaatsanwältin,
dass Helena schon auf dem Parkplatz in Deutschland starb.
Aber für das Gericht war es kein Totschlag im Affekt,
sondern Mord, um eine andere Straftat zu verdecken.
Denn für die Kammer liefen Helenas letzte Minuten so ab.
Am 14. Juni 2018 saß sie bei Mohamed im LKW.
Nur 20 Kilometer, bevor sie die Autobahnausfahrt erreichten, an der Helena raus wollte,
fuhr Mohamed auf einen Parkplatz und fing an, die 28-Jährige zu bedrängen.
Als sie sich vehement wehrte, schlug er mit dem Radmutternschlüssel auf sie ein.
Denn ein solches Verhalten musste bestraft werden.
Sie sollte nicht sterben, aber sie musste ihre Lektionen lernen.
Als Helena reglos zu Boden ging, stieg Mohamed aus, um sich zu sammeln.
Helena blutete stark, sie brauchte Hilfe.
Aber Mohamed entschied sich dagegen, den Rettungsdienst zu rufen.
Ihm wurde klar, Helena konnte ihn in ernsthafte Schwierigkeiten bringen.
Und das durfte nicht sein.
Mohamed ging also zurück zum LKW und sah, wie Helena ihm flehend ihre Hand entgegenstreckte.
Da griff Mohamed erneut zum Radmutternschlüssel.
Dieses Mal wollte er mit seinen Schlägen töten, um die vorher begangene gefährliche Körperverletzung zu verdecken.
Und das tat er auch.
Daher lautet das Urteil, Mohamed ist schuldig des Mordes in Tatmehrheit mit gefährlicher Körperverletzung.
Die Strafe dafür lautet lebenslang.
Eine Stunde lang begründet der Richter das Urteil.
Zum Schluss wendet er sich direkt an den Angeklagten.
Er sagt, Mohamed habe das schlimmste Verbrechen begangen, das unser Strafrecht kennt.
Laut dem Vorsitzenden müssten Helenes Familie und Freundinnen nun ihr Leben lang mit dem Verlust leben.
Diesen Menschen wünschen wir, dass sie einen Weg finden, damit umzugehen, damit zurechtzukommen,
dass Helena nicht mehr unter uns ist und diesen Tod sterben musste.
Diesen Verlust können sie nie wieder gut machen.
Martin, Teresa, Thomas, Viola und allen anderen Freundinnen zollt der Richter Respekt.
Sie alle hätten das Geschehen, Zitat, in bemerkenswerte Haltung ertragen.
Zusätzlich habe die private Suchaktion bemerkenswerte Ergebnisse erzielt und die Polizeiarbeit effektiv unterstützt.
Trotzdem sei der pauschal erhobene Vorwurf eines Polizeiversagens auf der ganzen Linie nicht gerechtfertigt, betont der Richter.
Und an der Stelle ist es vielleicht auch mal wichtig zu betonen, wir haben die Geschichte ja jetzt aus der Sicht der Angehörigen und der Freundinnen erzählt.
Und so wie sie in Interviews, in Dokus erzählt haben, wie die Polizei ihnen gegenüber aufgetreten ist.
Genau, und das ist aber jetzt auch nicht nur deren subjektive Sicht, weil ansonsten muss man sich natürlich mit sowas auch immer ein bisschen zurückhalten, was ist am Ende wirklich passiert und so.
Man weiß es nicht, aber die bayerische Polizei, die räumt dann tatsächlich auch später Fehler in ihrer Arbeit ein.
Das kommt im Zuge dieser Untersuchung raus, die der bayerische Innenminister Thomas, dem Bruder, also zugesichert hat.
Und es gibt sogar ein Resultat, seit 2021 gelten für Vermisstenfälle nämlich neue Regelungen.
Unter anderem sind die Zuständigkeiten besser geregelt, Abstimmungen werden schriftlich festgehalten bei Entscheidungen.
Etwa welche Schritte als nächstes getätigt werden, gilt ein Vier-Augen-Prinzip.
Und man hat die Aufnahme und Bewertung von Vermisstenfällen genauso verbessert wie die Öffentlichkeitsarbeit und die Betreuung der Angehörigen.
Zumindest wird das so erzählt.
Zu erfahren, dass Helenas Schicksal zumindest etwas zum Guten gewendet hat, ist wichtig für die Familie.
Und es soll auch in Zukunft Gutes bewirken.
Daher gründet sie in Helenas Namen einen Verein, der sich antirassistischer und interkultureller Projektarbeit widmet
und zugleich über Gewalt an Frauen aufklärt.
Das ist Helenas Familie und ihren FreundInnen ein großes Anliegen.
So lebt Helenas Geist weiter.
Und so sollen sich alle Menschen an die 28-Jährige erinnern.
Nicht als Opfer eines Mannes, der kein Nein akzeptieren wollte und den sie noch mit ausgestreckter Hand um Hilfe bat und der sie trotzdem tötete.
Und Helenas soll auch nicht als Instrument von Rechtsextremen im Gedächtnis bleiben, die ihr Schicksal missbrauchen, um in Deutschland Spaltung und Rassismus zu schüren.
Gerade weil sich Helenas ihr Leben lang für das Gegenteil einsetzte.
Für Weltoffenheit und Toleranz.
Das ist es, was Thomas, Martin, Theresa, Viola und alle anderen bewahren wollen.
Das Andenken an Helenas als eine Frau, die mit offenen Augen und einem offenen Herzen in der Welt unterwegs war.
Eine Frau, die sich für das Gute eingesetzt hat und wusste, dass Liebe immer stärker ist als Hass.
Es ist halt so mühselig, womit sich die Familie da auch noch auseinandersetzen musste.
Also als ob das nicht schon die Hölle auf Erden ist, so einen Verlust irgendwie zu erleben.
Ja.
Dann auch noch sich mit solchen Anfeindungen auseinandersetzen zu müssen und so.
Also ich finde, die Leute gehören eigentlich bestraft, ja.
Ja, und dann, was wir auch noch gar nicht gesagt haben oder kommentiert haben, ist ja auch noch, dass der Mohamed dann im Prozess gesagt hat, dass das Ganze passiert ist, weil Helena ihn quasi beklauen wollte.
Das musste sich die Familie auch nochmal anhören.
Ja.
Ja, es ging nicht schlimmer in diesem Fall für die Familie.
Und wie stark ist es dann auch wieder, das wieder so umzudeuten, den Verein zu gründen, sich einzusetzen gegen Rassismus und gegen Gewalt an Frauen und so das Vermächtnis weiterzuführen.
Weil ganz ehrlich, diese Frau war 28 Jahre alt und hat so viel Tolles geleistet, hat sich in der Politik engagiert.
Was wäre denn aus der geworden, was hätte die denn noch alles Tolles machen können für diese Welt, ja.
Das kommt ja auch noch dazu.
Ja, und ich finde ja auch nochmal ganz wichtig herauszustellen, dass das keine einmalige Sache war, ne.
Also, dass ein Verbrechen an einer Person von der AfD instrumentalisiert wurde.
Das ist ja gerade schon wieder in Paderborn passiert.
Da gab es ein Tötungsdelikt und die AfD missbraucht das, um eine Mahnwache für die Opfer der Migrationspolitik aufzurufen.
Die sogenannten, ja.
Und die hat dann auch am Rathausplatz stattgefunden.
Und Medien hatten dann auch berichtet, dass auch in diesem Fall Angehörige genau das nicht wollten.
Und dass die AfD sogar darum gebeten wurde, das zu unterlassen.
Und die haben das einfach ignoriert.
Das ist so schlimm.
So, und dann muss man sich mal vorstellen, zeitgleich wird der SPD-Politiker Matthias Ecke,
der gerade am Plakatieren für den Wahlkampf ist, von teilweise, also zumindest liegen das ja MDR-Investigativ-Recherchen nah,
AfD-Sympathisanten zusammengeschlagen.
Das muss man sich mal reinziehen.
Das ist so, so schlimm.
Und das macht mir auch ganz viel Angst.
Ich muss aber auch sagen, was mich so ein bisschen an das Gute an den Menschen wieder hat glauben lassen,
war dann die Reaktion der anderen, sag ich jetzt mal.
Also, dass da ja dann noch an dem Wochenende nach diesem Angriff auf Matthias Ecke Demonstrationen,
also so spontan Demonstrationen abgehalten wurden ja in Berlin und in Dresden, wo auch tausende Menschen gekommen sind und laut waren und leidenschaftlich waren,
um zu zeigen, das geht bei uns nicht.
Uns ist die Demokratie wichtig und vor allen Dingen dieses Wir sind mehr.
Und mit solchen Demonstrationen und Reaktionen, wie es sie jetzt gegeben hat, zeigen wir ja, Demokratie ist wichtig und sich für die Politik einzusetzen ist wichtig.
So wie Helena das ja auch ihr ganzes Leben lang gemacht hat.
Das war ein Podcast der Partner in Crime.
Hosts und Produktion Paulina Kraser und Laura Hohlers.
Redaktion Magdalena Höcherl und wir.
Schnitt Pauline Korb.
Rechtliche Abnahme und Beratung Abel und Kollegen.