00:00:00
Laura und ich kommen gerade zurück von einer Woche Tourvorbereitung.
00:00:14
Wir gehen ja im November auf Tour und wir haben uns jetzt endlich auch für einen Fall entschieden.
00:00:18
Bist du zufrieden damit, Laura?
00:00:20
Ich bin sehr zufrieden damit.
00:00:22
Der Fall hat ja auch schon lange so geschwählt, sage ich jetzt mal, bei uns.
00:00:26
Wir wollten uns aber ganz sicher sein, dass es der perfekte Tourfall ist.
00:00:30
Deswegen haben wir natürlich noch rechts und links geguckt.
00:00:32
Aber am Ende sind wir immer wieder zu diesem Fall gekommen.
00:00:34
Und ich bin mir sicher, das ist genau die richtige Entscheidung.
00:00:37
Genau, ich auch.
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Wir haben vorher viele Nachrichten bekommen, in denen Menschen uns gefragt haben,
00:00:42
ob es sich bei dem Tourfall um ein Sexualdelikt handelt.
00:00:44
Das können wir jetzt beantworten, das ist nicht so.
00:00:47
Und dann haben wir jetzt noch Folgendes gemacht, weil wir ja wissen,
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dass viele von euch auch viele True-Crime-Podcasts hören.
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Wir haben unsere lieben KollegInnen angeschrieben, bei diesem Fall vorzubereiten.
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Und so, das ist halt super viel Arbeit.
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Wir haben super viel Aufwand damit.
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Und wir möchten natürlich nicht, dass ihr den Fall kurz vorher noch irgendwo anders hört.
00:01:02
Deswegen haben wir die anderen True-Crime-Podcasts gefragt,
00:01:05
ob sie den Fall netterweise nicht behandeln würden bis dahin.
00:01:08
Das war gar nicht unsere Idee,
00:01:10
sondern das hatte ein anderer True-Crime-Podcast vor ihrer Tour auch mal gemacht.
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Und der bitte so bin natürlich gerne nachgekommen,
00:01:15
weil wir wissen einfach, wie viel Aufwand das ist.
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Also können wir euch jetzt auch sagen,
00:01:19
ihr werdet den Fall vermutlich vorher nicht noch groß woanders hören.
00:01:23
Ja, und weil es sowieso nicht so ein bekannter Fall ist,
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hoffen wir natürlich, dass wir den meisten von euch auf der Tour was erzählen,
00:01:30
was ihr noch nie gehört habt.
00:01:31
Genau, also auch nochmal großes Dankeschön an unsere KollegInnen.
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Und jetzt starten wir aber mit einem Fall,
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der zwar schon ein paar Jahre in der Vergangenheit liegt,
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der aber erschreckende Parallelen zu aktuellen Geschehnissen aufweist.
00:01:43
Und jetzt geht's los mit Mordlust, einem Podcast der Partner in Crime.
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Wir reden hier über wahre Verbrechen und ihre Hintergründe.
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Mein Name ist Paulina Kraser.
00:01:51
Und ich bin Laura Wohlers.
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Heute haben wir euch wieder einen Kriminalfall mitgebracht,
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den wir zusammen nacherzählen werden,
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der uns nachhaltig beschäftigt hat
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und der zeigt, wie wichtig es ist,
00:02:01
nicht anderen das Narrativ zu überlassen.
00:02:03
Hier geht's um True-Crime,
00:02:05
das heißt also auch immer um die Schicksale von Menschen.
00:02:08
Bitte behaltet das im Hinterkopf, das machen wir auch,
00:02:10
selbst dann, wenn wir zwischendurch mal ein bisschen lockerer miteinander sprechen.
00:02:12
Das ist für uns so eine Art Comic Relief,
00:02:15
aber natürlich nicht respektierlich gemeint.
00:02:17
Bei dem Fall, den wir heute erzählen,
00:02:19
geht es um einen Trip, der ganz anders endet als geplant,
00:02:22
um Angehörige, die aus Verzweiflung das tun,
00:02:25
was eigentlich die Polizei machen müsste,
00:02:27
und um Menschen, die ein schreckliches Verbrechen
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politisch instrumentalisieren, um Hass und Hetze zu verbreiten.
00:02:32
Die Namen haben wir geändert
00:02:34
und die Triggerwarnung findet ihr in der Folgenbeschreibung.
00:02:38
Ihre Kleider sind schwarz,
00:02:39
ihre Minen betroffen, aber auch wütend.
00:02:42
Tausende Menschen sehen aus,
00:02:44
als würden sie auf dem Weg zu einer Beerdigung sein.
00:02:46
Viele haben eine weiße Rose in der Hand,
00:02:49
ein Zeichen zum Abschied.
00:02:50
Wem dieser letzte Gruß gilt,
00:02:52
zeigen die mehr als ein Dutzend großformatige Bilder,
00:02:55
die einige Personen vor sich her tragen.
00:02:57
Es sind Fotos von Menschen,
00:03:00
die durch die Hand anderer ums Leben gekommen sind.
00:03:02
Die Teilnehmenden dieses Zuges
00:03:04
wollen das Andenken der Getöteten bewahren.
00:03:07
Das vermittelt die Szene den BetrachterInnen
00:03:09
zumindest auf den ersten Blick.
00:03:11
Doch wer genauer hinsieht,
00:03:13
dem offenbart sich das perfide Schauspiel
00:03:15
hinter der Fassade des Trauermarschs.
00:03:17
Denn den Anführern des Zuges
00:03:20
geht es in erster Linie nicht um die Schicksale der Toten,
00:03:22
sondern darum, die Gesellschaft immer weiter zu spalten.
00:03:26
Und dabei über Leichen zu gehen.
00:03:30
Zweieinhalb Monate zuvor.
00:03:31
Die Luft ist mild und riecht nach Benzin.
00:03:34
Das kräftige Blau der Leuchtreklamen
00:03:36
hebt sich ab vom bewölkten Himmel.
00:03:38
An den Zapfsäulen reiht sich ein Fahrzeug ans nächste.
00:03:42
Die Tankstelle am Autobahnkreuz Schkeuditz,
00:03:45
direkt neben dem Leipziger Flughafen,
00:03:46
ist kein schöner Ort.
00:03:48
Sie ist kein Ziel, sondern ein Zwischenstopp.
00:03:50
Reisende, BerufspendlerInnen und Lkw-FahrerInnen
00:03:53
machen hier Halt für eine kurze Rast,
00:03:55
einen Kaffee oder eine Pinkelpause,
00:03:57
ehe sie ihre Fahrt in die verschiedenen Himmelsrichtungen fortsetzen.
00:04:01
Eine, die an diesem Donnerstagnachmittag,
00:04:03
den 14. Juni 2018, an der Tankstelle steht, ist Helena.
00:04:07
Die 28-jährige Germanistik-Studentin
00:04:10
ist gleich nach der Uni mit der S-Bahn hergefahren.
00:04:13
Dabei hat die schlanke Frau mit den dunklen Haaren,
00:04:15
die an der rechten Seite abrasiert sind,
00:04:17
nur leichtes Gepäck.
00:04:18
Zu Shorts und einem dunklen Top
00:04:20
trägt sie eine Umhängetasche,
00:04:21
außerdem einen Stoffbeutel,
00:04:23
auf dem in orangefarbenen Lettern
00:04:25
»Kein Mensch ist illegal« steht.
00:04:27
Helena will heute noch nach Bayern,
00:04:29
genauer nach Amberg.
00:04:31
Dort wird sie sehnsüchtig erwartet.
00:04:33
Ihr Papa Martin feiert morgen Geburtstag
00:04:35
und natürlich will Helena persönlich gratulieren.
00:04:38
Mit ihm hat sie vereinbart,
00:04:40
dass er sie spätestens um 11 Uhr abends
00:04:42
am Amberger Bahnhof abholen soll.
00:04:44
Aber Helena will nicht den ganzen Weg mit dem Zug fahren,
00:04:47
sondern den Großteil der Strecke trampen.
00:04:49
Das macht sie oft.
00:04:50
Sie liebt die Begegnung mit den unterschiedlichsten Menschen,
00:04:53
die auf diese Weise entstehen.
00:04:54
Heute ist es jedoch schwierig,
00:04:56
jemanden zu finden,
00:04:57
der sie auf der A9 mit in den Süden nimmt.
00:05:00
Helena wird langsam nervös.
00:05:01
Es ist schon kurz nach sechs.
00:05:03
Wenn sich nicht bald eine Mitfahrgelegenheit ergibt,
00:05:06
wird das nichts mit der vereinbarten Ankunftszeit
00:05:08
im mehr als 250 Kilometer entfernten Amberg.
00:05:11
Doch plötzlich keimt Hoffnung auf.
00:05:13
Ein sympathisch aussehender Mann
00:05:15
mit einer auffälligen weißen Hose
00:05:17
und arabischem Akzent spricht sie an.
00:05:19
Es stellt sich heraus,
00:05:20
dass er mit seinem LKW
00:05:21
auf dem Weg Richtung Süden ist.
00:05:23
Helena wittert ihre Chance.
00:05:24
Kurz überlegt sie.
00:05:25
Denn eigentlich steigt sie nur in Autos ein
00:05:28
und nicht in LKW.
00:05:29
Aber die Zeit drängt.
00:05:31
Also zieht sie ihr Handy aus der Tasche
00:05:33
und zeigt dem Mann auf Google Maps
00:05:35
die Autobahnausfahrt Lauf-Hersbruck.
00:05:37
Dort würde sie aussteigen,
00:05:39
dann könnte sie das letzte Stück
00:05:40
bis Amberg wieder mit der Bahn fahren.
00:05:42
Der Mann, der sich als Mo, kurz für Mohamed,
00:05:45
aus Marokko vorstellt,
00:05:48
Helena ist erleichtert,
00:05:50
als sie auf den Beifahrersitz
00:05:51
von Mohameds Blau im LKW klettert.
00:05:53
Um 18.16 Uhr rollt der 40-Tonner
00:05:55
vom Parkplatz an der Tankstelle
00:05:57
auf die A9 Richtung München.
00:05:58
In ein paar Stunden kann sie
00:06:00
ihren Papa in die Arme schließen.
00:06:01
Doch erstmal ist Mohamed ihre Gesellschaft.
00:06:04
Helena und er verständigen sich
00:06:06
mit Händen und Füßen,
00:06:07
ein bisschen Englisch und Arabisch.
00:06:09
Mohamed zeigt ihr auf seinem Facebook-Account
00:06:11
Fotos seiner Kinder.
00:06:12
Er ist freundlich,
00:06:13
sie unterhalten sich
00:06:14
trotz der Sprachbarriere gut.
00:06:16
Als er ihr sogar
00:06:17
eine marokkanische Pfeife schenkt,
00:06:18
schreibt Helena das gleich
00:06:20
ihren Freundinnen im Telegram-Chat.
00:06:21
Was für eine nette Geste.
00:06:23
Wegen solcher Erlebnisse
00:06:25
trampft sie so gern.
00:06:27
fährt Mohamed eine Tankstelle an.
00:06:29
Zurück kommt er mit
00:06:30
zwei dampfenden Coffee-to-go-Bechern,
00:06:33
einer für Helena.
00:06:34
Und weiter geht's.
00:06:35
Je länger sie fahren,
00:06:36
desto mehr verschmilzt
00:06:38
die Dämmerung mit dem grauen Asphalt.
00:06:40
Mit Mohameds Erlaubnis
00:06:41
zündet sich Helena eine Zigarette an.
00:06:43
Die Glut leuchtet orange
00:06:44
wie die Rücklichter
00:06:45
des Fahrzeugs vor ihnen.
00:06:48
Helena lehnt sich zufrieden
00:06:51
Bald ist sie zu Hause.
00:06:53
Mohamed noch einmal
00:06:55
um von der Autobahn
00:06:57
Helena wundert sich.
00:06:58
Hier müssen sie doch
00:07:00
Laut Google Maps
00:07:01
sind es bis Lauf-Hersbruck
00:07:02
nur noch 20 Kilometer.
00:07:03
Warum halten sie noch mal?
00:07:07
Ein paar Stunden später,
00:07:08
knapp 70 Kilometer entfernt.
00:07:12
einiger Laternen
00:07:13
liegt der Amberger Bahnhof
00:07:15
Es gibt nur ein paar Gleise,
00:07:17
verpassen kann man sich hier nicht.
00:07:19
Vor allem jetzt,
00:07:20
mitten in der Nacht,
00:07:21
sind die Bahnsteige
00:07:22
nahezu menschenleer.
00:07:23
Es ist 1.05 Uhr,
00:07:25
als der letzte Zug
00:07:27
mit quietschenden Bremsen
00:07:28
vor Martin stehen bleibt.
00:07:29
Der Mann mit der Halbglatze
00:07:31
und dem weißen Bart,
00:07:32
der Autorität und Wärme
00:07:34
zugleich ausstrahlt,
00:07:35
will gleich seine Tochter
00:07:36
Helena in die Arme schließen.
00:07:37
Eigentlich hätte die 28-Jährige
00:07:40
bereits vor ein paar Stunden
00:07:41
ankommen sollen.
00:07:42
Spätestens um 23 Uhr
00:07:45
hatte sie gesagt.
00:07:48
eine Nachricht schrieb,
00:07:49
kam aber keine Rückmeldung.
00:07:51
Dabei wollte Helena von Leipzig,
00:07:53
wo sie Germanistik im Master studiert,
00:07:55
wie üblich per Anhalter und Bahn
00:07:57
in die Oberpfalz
00:07:58
zu ihren Eltern fahren.
00:07:59
Denn an diesem Freitag,
00:08:00
der gerade angebrochen ist,
00:08:02
feiert Vater Martin
00:08:03
seinen 79. Geburtstag.
00:08:06
im Ruhestand bereitsteht,
00:08:07
ist selbstverständlich.
00:08:08
Er holt seine Tochter immer ab,
00:08:11
So auch in dieser Nacht.
00:08:13
Durch seine filigrane Brille
00:08:15
beobachtet Martin jetzt
00:08:16
voller Hoffnung,
00:08:17
wie sich die Türen des Zuges
00:08:18
mit sanftem Zischen öffnen.
00:08:21
Aber nur zwei junge Männer
00:08:23
die freudig in Empfang
00:08:25
genommen werden.
00:08:25
Als Martin das sieht,
00:08:27
krampft sich alles
00:08:28
in ihm zusammen.
00:08:29
Tränen laufen über seine Wangen
00:08:31
in seinen weißen Bart.
00:08:32
Als sich die Türen piepsend
00:08:35
wieder schließen,
00:08:35
bleibt Martin allein
00:08:37
auf dem Bahnsteig zurück.
00:08:38
Helena ist nicht angekommen
00:08:40
und es gibt seit Stunden
00:08:41
kein Lebenszeichen mehr von ihr.
00:08:43
Martin fürchtet,
00:08:45
dass seine größte Angst
00:08:46
Wirklichkeit wird,
00:08:47
dass sein Mädchen
00:08:48
nicht mehr nach Hause kommt.
00:08:50
Boah, da wird mir ganz eng
00:08:52
Also wie dieser Mann da steht
00:08:55
da müsste sie jetzt
00:08:56
eigentlich sein,
00:08:57
aber sie ist nicht da.
00:08:58
Also ich glaube,
00:08:58
das kann man so doll
00:09:00
was das für ein Angstgefühl
00:09:03
Ja, und man will ja irgendwie
00:09:05
sich selber versuchen
00:09:06
zu beruhigen und so
00:09:08
und man versucht dann
00:09:09
irgendwelche Begründungen
00:09:11
und das macht ja der Kopf.
00:09:12
Aber ich glaube,
00:09:13
alles andere im Körper
00:09:17
es ist etwas Schreckliches
00:09:19
Ein paar Stunden später.
00:09:21
Martin hat die Nacht
00:09:22
über kaum geschlafen.
00:09:24
Immer noch keine
00:09:25
Rückmeldung von Helena.
00:09:26
Das ist mehr als ungewöhnlich.
00:09:29
ist absolut zuverlässig.
00:09:31
Martin und seine Frau
00:09:32
Theresa wissen immer,
00:09:33
wo ihr Küken hingeht
00:09:35
und wann es wiederkommt.
00:09:36
Nach mehr als sechs Stunden
00:09:39
Am Freitagmorgen
00:09:42
greift er deshalb zum Telefon
00:09:43
und wählt den Notruf,
00:09:44
um Helena als vermisst
00:09:49
sieht keinen Grund
00:09:50
für Martins Sorge.
00:09:52
dass seine Tochter
00:09:53
vielleicht einfach getrunken habe
00:09:54
und gerade ihren Rausch
00:09:58
Martin solle abwarten.
00:10:00
Vor 12 Uhr mittags
00:10:02
auch gar nicht wieder melden.
00:10:03
Martin fühlt sich
00:10:05
vor den Kopf gestoßen.
00:10:07
wie können die Polizei
00:10:08
Helena würde ihren Rausch
00:10:11
kennen seine Tochter
00:10:14
dass Helena das nicht tut.
00:10:16
Etwas stimmt nicht.
00:10:17
Daher tippt Martin
00:10:18
schon um 10.45 Uhr
00:10:20
die 110 ins Telefon.
00:10:23
der diesmal abhebt,
00:10:24
zur örtlichen Dienststelle
00:10:26
um eine vermissten Anzeige
00:10:27
15 Minuten später
00:10:32
die die Beamtinnen
00:10:37
ein furchtbarer Gedanke
00:10:39
Er wird seine Tochter
00:10:40
nie wieder lebend sehen.
00:10:42
In der Zwischenzeit
00:10:44
ist auch Helenas älterer
00:10:45
Bruder Thomas aktiv geworden.
00:10:48
Helena sei am Vorabend
00:10:49
nicht wie vereinbart
00:10:50
mit dem Zug angekommen
00:10:51
und seither auch
00:10:52
nicht mehr auf dem Handy
00:10:54
schrillten auch bei Thomas
00:10:55
die Alarmglocken.
00:10:56
Er ist 22 Jahre älter
00:10:58
als seine Schwester,
00:10:59
verbindet ein enges Band.
00:11:01
wäre alles in Ordnung,
00:11:03
hätte sich Helena
00:11:03
längst gemeldet.
00:11:05
Um herauszufinden,
00:11:08
und ihre Freundinnen
00:11:10
Vielleicht wissen die mehr.
00:11:12
Von seiner Cousine Viola
00:11:15
dass Helena am Vortag
00:11:17
zum Schkeuditzer Kreuz
00:11:20
An der Tankstelle
00:11:21
Helena jemanden finden,
00:11:22
der sie ein Stück
00:11:23
mit in den Süden nimmt.
00:11:24
gelang ihr das auch.
00:11:25
Viola berichtet,
00:11:26
dass Helena abends
00:11:27
noch geschrieben hat,
00:11:30
der sie nach Bayern bringe.
00:11:31
Der Fahrer sei sehr nett,
00:11:37
im Telegram-Chat
00:11:38
mit dieser Nachricht
00:11:39
Trampe gerade mit Mo,
00:11:41
einem marokkanischen Trucker
00:11:44
so eine marokkanische
00:11:45
Pfeife geschenkt.
00:11:46
Thomas ist klar,
00:11:47
dass das Informationen sind,
00:11:49
zur Polizei müssen.
00:11:50
Sein Vater hat zwar
00:11:52
in Amberg bereits
00:11:53
eine Vermisstenanzeige
00:11:54
Thomas kontaktiert
00:11:56
nun aber trotzdem
00:11:56
auch die Einsatzkräfte
00:11:58
wo Helena aufgebrochen ist.
00:11:59
Doch seine Hoffnung,
00:12:00
dass nun eine große
00:12:01
Suchaktion nach seiner
00:12:02
kleinen Schwester anläuft,
00:12:04
wird kurz darauf
00:12:04
wieder zerschlagen.
00:12:05
Denn später am Tag
00:12:07
dass die Leipziger
00:12:08
PolizistInnen zwar
00:12:09
in Helenas WG waren,
00:12:11
dann auch schon.
00:12:13
am Autobahnkreuz
00:12:14
nach Helena gesucht,
00:12:15
noch eine Fahndung
00:12:16
nach dem marokkanischen
00:12:17
LKW ausgeschrieben,
00:12:18
mit dem sie offenbar
00:12:20
oder noch unterwegs ist.
00:12:21
Seine kleine Schwester
00:12:22
hat sich seit fast
00:12:24
nicht mehr gemeldet.
00:12:25
Ihr Handy ist aus.
00:12:27
alles darauf hin,
00:12:28
dass Helena beim Trampen
00:12:29
etwas zugestoßen ist.
00:12:33
Eine Art der Fortbewegung,
00:12:35
dem Alleinereisen
00:12:38
deren blaue Augen
00:12:39
vor Lebensfreude
00:12:41
und von der es kaum
00:12:43
auf dem sie ihren Mund
00:12:43
nicht zu einem breiten
00:12:44
Lachen verzieht,
00:12:46
und gehen zu können,
00:12:48
wohin auch immer sie will.
00:12:49
Dabei sind ihre Reiseziele
00:12:51
nicht nur die schönen
00:12:52
sondern auch Orte,
00:12:55
die Augen verschließen.
00:12:56
Regelmäßig reist sie
00:12:58
auf die griechische
00:12:59
auf der viele Flüchtende
00:13:01
nach Europa stranden.
00:13:02
Dort arbeitet sie
00:13:04
für die Hilfsorganisation
00:13:05
No Border Kitchen
00:13:06
und lernt nebenbei Arabisch.
00:13:08
Weltoffenheit und Toleranz
00:13:10
die Helena seit Jahren
00:13:12
Schon als Schülersprecherin
00:13:13
setzte sie sich dafür ein,
00:13:14
dass ihr Gymnasium
00:13:15
als Schule ohne Rassismus
00:13:17
ausgezeichnet wird.
00:13:18
Wie ihr Bruder Thomas,
00:13:20
der für die Grünen
00:13:20
im Kreistag sitzt,
00:13:21
will Helena Dinge
00:13:22
zum Guten verändern.
00:13:23
Deshalb zieht es sie
00:13:25
in die Kommunalpolitik.
00:13:26
Sie engagiert sich
00:13:28
der Jugendorganisation
00:13:31
sogar für den Stadtrat.
00:13:34
macht sie mit vollem Einsatz.
00:13:36
Mit dieser Energie
00:13:37
steckt sie die Menschen
00:13:38
um sich herum an.
00:13:39
Ihr Freundinnenkreis
00:13:41
Überall, wo sie hingeht,
00:13:43
lernt sie neue Leute kennen.
00:13:45
zu den unterschiedlichsten Menschen
00:13:46
ist auch ein Grund,
00:13:47
weshalb sie gerne
00:13:47
per Anhalter entfährt.
00:13:49
So wie an diesem Donnerstag
00:13:51
als sie sich auf den Weg
00:13:52
in die Heimat macht,
00:13:54
persönlich zum Geburtstag
00:13:55
gratulieren zu können.
00:13:56
An der Aral-Tankstelle
00:13:58
am Schkeuditzer Kreuz
00:14:00
eine Mitfahrgelegenheit gesucht,
00:14:01
die sie in den Süden bringt.
00:14:03
Das wissen ihre Cousine Viola
00:14:05
und die anderen Freundinnen
00:14:06
von den Nachrichten,
00:14:07
die Helena gestern
00:14:08
noch geschrieben hat.
00:14:09
Und weil sie von
00:14:10
Helenas Bruder Thomas
00:14:11
dass die Polizei
00:14:13
in die Gänge kommt,
00:14:14
beschließen sie noch
00:14:15
am Freitagabend,
00:14:17
Helenas Verschwinden,
00:14:17
selbst dorthin zu fahren
00:14:19
und sie zu suchen.
00:14:21
die NAVIR-Zettel,
00:14:22
auf denen über Fotos
00:14:24
in großen Lettern
00:14:28
Nicht nur auf Deutsch,
00:14:29
sondern unter anderem
00:14:30
auch auf Englisch,
00:14:31
Spanisch und Arabisch.
00:14:34
die Suchmeldung,
00:14:35
die sie bei Facebook
00:14:35
und Twitter längst
00:14:36
abgesetzt haben,
00:14:37
quasi von selbst.
00:14:38
An der Tankstelle
00:14:39
neben der Autobahn
00:14:40
sind es die Freundinnen,
00:14:41
die die Zettel aufhängen
00:14:42
und sämtliche Menschen
00:14:44
die ihren Weg kreuzen.
00:14:45
Fast alle schütteln
00:14:47
als sie nach Helena
00:14:49
Sie waren gestern
00:14:50
halten gerade nur,
00:14:52
oder eine kurze Pause
00:14:57
Ein paar von ihnen
00:14:58
sind bereits seit dem
00:15:00
und erinnern sich
00:15:01
eine junge Frau,
00:15:02
Beschreibung passt.
00:15:04
weiß sogar noch mehr.
00:15:11
Das wisse er so genau,
00:15:15
Diese Beobachtung
00:15:18
letzter Nachricht
00:15:19
im Telegram-Chat.
00:15:23
in die Tankstelle.
00:15:24
dringend die Bänder
00:15:25
der Überwachungskameras,
00:15:27
angebracht sind.
00:15:29
den LKW sicherlich
00:15:32
weggefahren ist.
00:15:33
Tankstellen-Mitarbeiterin
00:15:35
muss sie enttäuschen.
00:15:36
Videomaterial nicht
00:15:39
Also fährt die Gruppe
00:15:45
gestern nach Bayern
00:15:49
an der Tankstelle
00:15:51
an der sie zuletzt
00:15:53
vermutlich von Kameras
00:15:54
aufgezeichnet wurde.
00:15:58
um Helena zu finden.
00:15:59
Doch für den Beamten
00:16:01
keine Option zu sein.
00:16:04
wieder auftauchen.
00:16:05
Außerdem könne er
00:16:06
eh nichts unternehmen,
00:16:07
es seien gar keine
00:16:08
KollegInnen verfügbar.
00:16:11
sind fassungslos.
00:16:11
Sie können nicht glauben,
00:16:13
dass die Polizei
00:16:13
nicht tätig wird.
00:16:15
Helenas Vater Martin
00:16:17
schon berichtet hatte.
00:16:18
Der ist nach wie vor
00:16:19
in größter Sorge
00:16:20
um seine Tochter.
00:16:27
damit beschäftigt ist,
00:16:31
Amberger Polizei
00:16:32
wendet sich an die
00:16:33
KollegInnen in Leipzig.
00:16:38
Leipziger Flughafen,
00:16:39
wurde sie zuletzt
00:16:42
hegen allerdings
00:16:48
Meinung nach eher
00:16:49
die Amberger Polizei
00:16:54
Daher kontrolliert die
00:16:55
Leipziger Polizei
00:16:56
zwar Helenas WG,
00:16:57
lehnt die Übernahme
00:16:58
des Falls aber ab.
00:16:59
Die BeamtInnen in Amberg
00:17:02
bitten daraufhin,
00:17:02
dass LKA Bayern eine
00:17:03
Personenverhandlung nach
00:17:05
Nachbarbundesländer
00:17:06
Sachsen und Thüringen
00:17:07
weiterzuleiten und
00:17:09
Verkehrspolizei,
00:17:10
die für die Überwachung
00:17:11
der A9 zuständig ist.
00:17:12
Diese Bitte wird jedoch
00:17:15
Als Martin das hört,
00:17:16
glaubt er seinen Ohren
00:17:17
nicht zu trauen.
00:17:18
Das darf doch nicht
00:17:20
Wie kann es sein,
00:17:21
dass sich niemand
00:17:22
dafür zuständig fühlt?
00:17:25
Zuständigkeiten gestritten,
00:17:26
anstatt mit Hochdruck
00:17:27
nach Helena zu suchen?
00:17:28
Die Sorge um seine
00:17:30
zerreißt ihm das Herz.
00:17:32
Doch gleichzeitig
00:17:34
unbändige Wut in sich
00:17:36
begreifen, warum die
00:17:37
Polizei, dein Freund
00:17:39
und Helfer, so heißt es
00:17:40
doch, so untätig ist.
00:17:42
Dabei sind sich er,
00:17:43
Helenas Bruder Thomas
00:17:44
und ihre Freundinnen
00:17:45
mittlerweile sicher.
00:17:46
Helena wurde Opfer
00:17:48
eines Verbrechens.
00:17:49
Deshalb fahren ihre
00:17:51
Cousine Viola und die
00:17:52
anderen Freundinnen am
00:17:53
Samstag, dem Tag
00:17:54
darauf, noch einmal zur
00:17:56
Sie hoffen fest darauf,
00:17:58
dort noch mehr Hinweise
00:17:59
auf Helenas Verbleib
00:18:02
kommt von zahlreichen
00:18:03
Bekannten von Helena.
00:18:04
An die 60 Menschen
00:18:05
helfen jetzt bei der
00:18:06
Suche nach der 28-Jährigen.
00:18:08
Nach ein paar Stunden,
00:18:09
die nicht mehr Licht
00:18:10
ins Dunkel bringen, hält
00:18:12
ein Polizeiwagen an der
00:18:13
Viola spricht die
00:18:15
Polizistinnen an und
00:18:16
schildert noch einmal
00:18:17
alles, was sie inzwischen
00:18:18
schon unzähligen Menschen
00:18:20
Die Polizistin im Wagen
00:18:22
ist sofort alarmiert und
00:18:23
fragt, warum die
00:18:24
Freundinnen erst jetzt auf
00:18:25
die Polizei zukommen.
00:18:26
Immerhin sind inzwischen
00:18:27
fast zwei volle Tage
00:18:29
vergangen, seit Helena
00:18:30
zuletzt gesehen wurde.
00:18:33
anderen sind entsetzt.
00:18:34
Das haben sie doch längst
00:18:35
Die Polizei weiß doch längst,
00:18:37
dass sich Helenas Spur an dieser
00:18:38
Tankstelle verläuft und die
00:18:39
Überwachungskameras daher dringend
00:18:41
kontrolliert werden müssen.
00:18:42
Aber erst durch diese Begegnung
00:18:44
kommt es dazu, dass die
00:18:45
Leipziger Polizei das
00:18:47
Videomaterial der
00:18:47
Aral-Tankstelle von
00:18:54
Darauf zu sehen ist eine junge
00:18:55
Frau mit dunklen Haaren, die auf
00:18:57
einer Seite abrasiert sind.
00:18:58
Sie trägt ein dunkelblaues Top,
00:19:00
schwarze Shorts und eine
00:19:01
Umhängetasche, die Füße stecken
00:19:03
in weinroten Sneakern.
00:19:04
Es ist Helena und sie ist nicht
00:19:07
Neben ihr geht ein Mann.
00:19:08
Auf seinem spärlich behaarten
00:19:10
Kopf thront eine Sonnenbrille.
00:19:11
Sein T-Shirt ist dunkel,
00:19:12
dagegen leuchtet seine weiße
00:19:15
Das Video zeigt, was auch der
00:19:17
Lkw-Fahrer den Freundinnen
00:19:19
Helena und der Mann steigen
00:19:20
am Donnerstag um kurz nach
00:19:21
18 Uhr in einen blau-weißen
00:19:23
Lkw, einer Spedition mit
00:19:25
marokkanischem Kennzeichen.
00:19:26
Am Samstag um 18.55 Uhr
00:19:29
gibt der Polizist, der das
00:19:30
Video sichtet, das Kennzeichen
00:19:31
und die Personenbeschreibung
00:19:33
von Helena und dem Mann dann an
00:19:34
seine KollegInnen auf dem
00:19:35
Präsidium durch.
00:19:36
Helenas Freundinnen fällt ein
00:19:38
Stein vom Herzen.
00:19:39
Endlich kann die Fahndung nach
00:19:41
dem Lkw anlaufen.
00:19:42
Um sicher zu gehen, dass so
00:19:43
viele Menschen wie möglich
00:19:44
Ausschau nach dem blau-weißen
00:19:46
Fahrzeug halten, mit dem
00:19:47
Helena verschwunden ist,
00:19:48
verbreiten sie die neuen
00:19:49
Informationen auf Twitter,
00:19:50
dem Blog namens FindHelena,
00:19:52
den sie eingerichtet haben
00:19:53
und in der Facebook-Gruppe
00:19:55
FindHelena, die mittlerweile
00:19:56
über 10.000 Mitglieder zählt.
00:19:58
Nicht nur die Freundinnen,
00:19:59
sondern auch Helenas Bruder
00:20:00
Thomas und ihre Eltern sind
00:20:03
Das Kennzeichen ist bekannt,
00:20:04
die Spedition ist bekannt,
00:20:06
ebenso das Aussehen des
00:20:08
Es wird nur ein paar Stunden
00:20:09
dauern, bis die Polizei den
00:20:11
Lkw gefunden hat und sie
00:20:12
endlich Klarheit über
00:20:13
Helenas Schicksal erlangen.
00:20:14
Da sind sie sich sicher.
00:20:17
Am nächsten Morgen ruft Thomas bei
00:20:19
der Polizei in Amberg an, um nach
00:20:20
dem Stand der Ermittlungen zu
00:20:22
Doch dort sagt man ihm, man habe
00:20:24
alles in ihrer Macht Stehende
00:20:26
Helena aber nicht gefunden.
00:20:27
Thomas versteht nicht, es wurde
00:20:29
doch noch so gut wie nichts
00:20:31
Er will mit den Vorgesetzten
00:20:33
Thomas wird an den
00:20:34
Einsatzleiter Oberpfalz
00:20:36
Dieser erklärt ihm am Telefon
00:20:38
etwas, was er kurz zuvor schon
00:20:40
einmal gehört hat.
00:20:41
Die oberpfälzische Polizei habe
00:20:42
alles getan, was in ihrer Macht
00:20:44
Fassungslosigkeit ergreift ihn, als
00:20:47
er realisiert, dass nach dem
00:20:48
Lkw noch gar nicht gesucht wurde.
00:20:50
Die ganzen letzten Stunden hat er
00:20:52
geglaubt, dass die Polizei nun
00:20:53
endlich alles daran setzt, seine
00:20:55
Schwester zu finden.
00:20:56
Sie ist seit über 48 Stunden
00:20:58
Die BeamtInnen haben alle
00:21:00
Anhaltspunkte, um den Truck, mit
00:21:02
dem sie unterwegs ist, aufzuspüren.
00:21:03
Aber anstatt das zu tun, heißt
00:21:05
es, sie hätten alles in ihrer
00:21:07
Macht Stehende getan.
00:21:08
Das darf nicht wahr sein.
00:21:09
Anscheinend hat bei der Polizei
00:21:11
kein Mensch dasselbe Ziel, wie
00:21:13
er, seine Eltern und
00:21:14
Helenas FreundInnen, nämlich
00:21:15
Helena, wiederzufinden.
00:21:17
Thomas ruft seinen Vater an.
00:21:19
Martin wiederum versucht es
00:21:20
beim LKA Bayern.
00:21:21
Der Beamte sagt zwar, er könne
00:21:23
mitfühlen, denn er habe selbst
00:21:25
drei Kinder, doch auf Vater
00:21:26
Martin wirkt es nicht so, als
00:21:27
würden seine Sorgen ernst
00:21:29
genommen werden.
00:21:29
Im Gegenteil, als der Beamte
00:21:32
meint, Martin solle sich
00:21:33
beruhigen, würde der sonst
00:21:34
ruhige und besonnene Mann am
00:21:36
liebsten ausflippen.
00:21:37
Wie denn, wenn seine Tochter
00:21:38
verschwunden ist und die Polizei
00:21:40
nicht einmal richtig nach
00:21:42
Auf die Polizei kann sich
00:21:44
Vater Martin nicht mehr
00:21:46
Seine ganze Hoffnung setzt er
00:21:47
jetzt auf Helenas
00:21:48
Freundeskreis, der sowieso seit
00:21:50
drei Tagen quasi die ganze
00:21:51
Ermittlung übernommen hat.
00:21:52
Wie man professionell nach
00:21:54
einer vermissten Person
00:21:55
fahndet, wissen die
00:21:56
FreundInnen zwar nicht, aber
00:21:57
ihre Motivation ist stärker als
00:21:59
die der Polizei.
00:22:00
Und sie sind viele.
00:22:01
An die 100 Menschen, vor allem
00:22:03
FreundInnen und Bekannte von
00:22:04
Helena, helfen dabei.
00:22:06
Sie alle haben nur ein Ziel, den
00:22:08
LKW endlich aufzuspüren und
00:22:10
Helena möglicherweise noch zu
00:22:13
Und damit es gelingt, drucken
00:22:14
die FreundInnen neue Suchplakate
00:22:16
und pflastern damit die
00:22:17
Rasthöfe und Tankstellen
00:22:18
rund um Leipzig, entlang der
00:22:20
A9 nach Bayern und anderen
00:22:22
Sternförmig sind sie
00:22:24
Eine Gruppe fährt bis an die
00:22:25
französische Grenze, denn es
00:22:27
könnte ja sein, dass sich der
00:22:28
LKW auf dem Rückweg nach
00:22:29
Marokko befindet.
00:22:31
Da flackert auf einmal ein
00:22:32
Hoffnungsschimmer auf.
00:22:33
Von der Polizei, die endlich ihre
00:22:35
Arbeit zu machen scheint, erfahren
00:22:37
Viola und die anderen, dass das
00:22:38
letzte Signal von Helenas Handy laut
00:22:41
einer Funkzellenauswertung von
00:22:42
einem Autobahnkreuz in Thüringen
00:22:44
stammt, dass Fahrzeuge auf dem
00:22:46
Weg von Sachsen nach Bayern
00:22:48
Helena war also am Donnerstagabend
00:22:50
Diese Information verbreitet sich in
00:22:53
Sekundenschnelle in den Autos der
00:22:54
Suchenden und der nächste Halt ist
00:22:56
für sie alle dieses Autobahnkreuz.
00:22:58
Noch am Sonntagabend durchkämmen
00:23:00
dutzende FreundInnen in der
00:23:01
Dämmerung das angrenzende
00:23:03
Sie schreien sich die Seele aus dem
00:23:05
Helena, wo bist du?
00:23:07
Schallt es unter den grünen
00:23:08
Baumwipfeln immer wieder.
00:23:09
Doch der Wald steht schwarz und
00:23:12
Sowohl Helena als auch ihr Handy
00:23:14
bleiben verschwunden.
00:23:15
Der Montag beginnt für Bruder
00:23:18
Thomas wie schon der Sonntag.
00:23:20
mit einem Anruf bei der Polizei
00:23:22
Er will wissen, ob die
00:23:23
BeamtInnen inzwischen nun endlich
00:23:25
die Spedition kontaktiert haben,
00:23:27
für die der LKW mit seiner
00:23:28
Schwester an Bord unterwegs ist.
00:23:30
Denn sollte der LKW tatsächlich
00:23:32
nach Marokko fahren, dürfte es
00:23:34
laut Thomas' Berechnung nur noch
00:23:35
etwa vier Stunden dauern, bis er
00:23:37
von Spanien mit der Fähre aufs
00:23:38
afrikanische Festland übersetzt.
00:23:40
Thomas ist klar, ist der LKW
00:23:42
erst einmal wieder in Marokko,
00:23:43
wird es schwierig, ihn aufzuspüren.
00:23:45
Thomas betont, die Zeit läuft
00:23:48
Man müsse jetzt dringend bei der
00:23:49
Spedition anrufen, um an den
00:23:51
Fahrer ranzukommen.
00:23:52
Was der Polizist dann sagt, klingt
00:23:56
Wir bräuchten noch ein paar
00:23:59
Er als Bruder der
00:24:01
Vermissten soll die Spedition
00:24:02
anrufen und fragen, wo der
00:24:05
Für den Fall, dass Helena noch
00:24:07
lebt, zählt jede Minute.
00:24:08
Die Telefonnummer findet man doch
00:24:10
sicher im Internet.
00:24:11
Wieso sollte die Polizei noch
00:24:12
Stunden dafür brauchen?
00:24:13
Thomas hat keine Zeit, sich über
00:24:16
die Inkompetenz der Behörde
00:24:18
Er muss handeln.
00:24:19
Dafür beratschlagt er sich mit
00:24:21
Viola und den anderen.
00:24:22
Sie hatten schon früher darüber
00:24:23
nachgedacht, bei der Spedition in
00:24:25
Marokko anzurufen, aber sich bisher
00:24:27
dagegen entschieden.
00:24:28
Schließlich ist das die Aufgabe der
00:24:30
Außerdem befürchten sie, dass der
00:24:32
LKW-Fahrer panisch wird, wenn er
00:24:34
erfährt, dass nach ihm gesucht wird.
00:24:35
Und dass er Helena dann etwas
00:24:38
Aber jetzt, vier Tage nach ihrem
00:24:41
Verschwinden, geht es nicht mehr
00:24:43
Sie müssen bei der Spedition
00:24:44
anrufen, wenn es die Polizei nicht
00:24:46
Und das machen sie.
00:24:48
Der Mitarbeiter, der ihren Anruf
00:24:49
entgegennimmt, erklärt auf
00:24:51
Deutsch, der gesuchte LKW sei auf
00:24:53
Die Tour laufe wie geplant.
00:24:54
Als die Freundinnen nach den
00:24:56
GPS-Daten fragen, verneint der
00:24:58
Die dürfe er nur der Polizei
00:25:00
Und die habe sich bislang nicht bei
00:25:02
Aber der Mitarbeiter verspricht,
00:25:05
den Fahrer zu verständigen.
00:25:06
Und ganz kurz, das muss doch auch
00:25:08
der Polizei bewusst sein, dass
00:25:10
nicht einfach irgendeine Firma
00:25:11
irgendwelche Daten rausgibt.
00:25:13
Also wie kann das denn der
00:25:15
Vorschlag sein, dass die da jetzt
00:25:18
Wenn ich in dieser Situation diese
00:25:20
Familie wäre, ich würde mir so
00:25:23
verarscht vorkommen, als würde ich
00:25:26
bei Verstehen Sie Spaß
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Ja, nur der Höllen-Version
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Und schon am Anfang dieses, diese
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Zuständigkeiten.
00:25:35
Also das hört sich ja dann auch
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irgendwie so an, ja, wir wissen
00:25:38
jetzt nicht genau, ob wir das jetzt
00:25:40
machen sollen oder nicht.
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Lasst erst mal ein bisschen
00:25:42
darüber beratschlagen.
00:25:44
Man war ja jetzt auch nicht dabei,
00:25:45
man weiß nicht genau, wie es war.
00:25:46
Aber es hört sich so ein bisschen
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an, wie so Arbeitsverweigerung.
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Weißt du, wie ich, ich glaube, du
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Wie du das immer machst.
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Nee, haben das, ich weiß noch, wo wir
00:25:59
das aber beide gemacht haben.
00:26:00
Und zwar, Paulina und ich haben ja
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beim Frühstücksfernsehen bei
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Sat.1 gearbeitet und da gab es
00:26:04
immer eine große Konferenz
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Sag doch jetzt einfach öffentlich,
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dass wir da Arbeitsverweigerungen
00:26:11
Das sind Firmengeheimnisse.
00:26:12
Du unterschreibst eine NDA
00:26:14
Also das gibt es ja nicht, was
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hier alles ausgeklautert wird.
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Wo habe ich da Arbeitsverweigerungen
00:26:19
Das ist einfach eine Lüge.
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Du lügst schon wieder.
00:26:23
Okay, dann sage ich jetzt, was
00:26:25
ich gemacht habe und du kannst
00:26:26
ja dann sagen, ob du das nicht
00:26:27
vielleicht auch mal gemacht hast.
00:26:29
Und zwar gab es halt die große
00:26:30
Konferenz und da wurden immer
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aktuelle Themen verteilt, die man
00:26:36
halt an dem Tag noch drehen
00:26:38
Und eigentlich habe ich ja auch
00:26:39
gedacht, du wärst so wie ich.
00:26:41
Man hat halt seine Themen und die
00:26:42
möchte man in Ruhe abarbeiten und die
00:26:44
haben eigentlich nichts mit
00:26:44
Aktualität zu tun.
00:26:45
Zumindest war, ja, also das war
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Und dann habe ich mich immer ganz
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klein gemacht, wo unser
00:26:50
Redaktions, ja, wie nennt sich
00:26:53
das, was war der denn?
00:26:55
Nee, unser Ressortleiter war das.
00:26:58
Ja, Ressortleiter, genau.
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Der Reporterpool-Leiter hieß es.
00:27:01
Und der hat dann quasi so durch die
00:27:03
Runde geguckt, wer das machen will.
00:27:06
Und ich wurde immer kleiner und habe
00:27:08
mich versucht, hinter anderen etwas
00:27:09
größeren Redakteuren zu verstecken,
00:27:12
damit ich nicht jetzt diejenige bin,
00:27:14
die dann bei minus 10 Grad gefühlt in
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Berlin im Januar oder Februar irgendwas
00:27:19
draußen aktuell drehen musste.
00:27:21
Ja, also da muss ich sagen, da bin ich
00:27:23
froh, dass du deine Arbeitsmoral
00:27:24
mittlerweile geändert hast.
00:27:25
Also mir ging das auf jeden Fall
00:27:27
Ich habe mich da sehr gerne gemeldet.
00:27:30
Das ist immerhin hier geschehen.
00:27:33
Ich habe mich im Gegensatz zu dir auch
00:27:34
nie in der Mülltonne versteckt vor
00:27:37
unserem Reporterleiter.
00:27:39
Und das ist tatsächlich wirklich
00:27:42
Es gibt Videos davon.
00:27:45
Und bin froh, dass du jetzt einem
00:27:46
Job nachgehst, wo du immer sagst,
00:27:48
Mit Schnipsen sogar.
00:27:53
Okay, auf jeden Fall fühlt sich das eben
00:27:54
bei der Polizei hier in Amberg und Leipzig
00:27:57
gerade so ein bisschen so an, als würde
00:27:58
man sich irgendwie vor dieser Aufgabe
00:28:01
Was ja dem entgegenspricht, was man
00:28:03
eigentlich von der Polizei denkt und
00:28:05
erwartet, dass sie eben sowas ernst
00:28:07
nehmen und auch sofort reagieren.
00:28:09
Ja, und es geht halt hier um Leben und
00:28:12
Ja, also geht's eigentlich noch.
00:28:15
Wenig später, immer noch am Montagnachmittag,
00:28:19
geht bei den Freundinnen dann ein
00:28:21
Dran ist tatsächlich der Mann von dem
00:28:23
Überwachungsvideo, mit dem Helena in den
00:28:25
Lkw gestiegen ist.
00:28:27
Endlich haben sie den Mann an der
00:28:30
Strippe, der Helena vermutlich als
00:28:31
letzter gesehen hat.
00:28:32
Einer von Helenas Freunden, der
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Arabisch kann, spricht mit ihm.
00:28:36
Mohamed bestätigt, dass er Helena vor
00:28:38
vier Tagen ein Stück mitgenommen
00:28:40
Von der Tankstelle in Schgolditz auf der
00:28:42
A9 bis zur Autobahnausfahrt 49 bei
00:28:45
Lauf-Hersbruck in der Oberpfalz.
00:28:46
Von dort ist es mit dem Zug nur noch
00:28:48
eine halbe Stunde bis Amberg.
00:28:50
Nachdem er Helena rausgelassen
00:28:51
habe, sei er zum nächsten Kunden auf
00:28:53
der Route gefahren.
00:28:53
Zusätzlich zu diesen Infos schickt
00:28:55
Mohamed ein Foto seines Ausweises,
00:28:57
außerdem Bilder von Tankstellen und
00:28:59
Rastplätzen, die er auf seiner
00:29:00
Fahrt von Deutschland Richtung
00:29:02
Marokko gemacht hat.
00:29:03
Eines der Fotos stammt nicht von
00:29:05
Es ist an einem Strand aufgenommen.
00:29:07
Mohamed lächelt mit Hellbaumhemd und
00:29:10
dunkler Sonnenbrille in die Kamera.
00:29:11
Er ist eingerahmt von drei Mädchen
00:29:13
und einem kleinen Jungen.
00:29:14
Mohamed erzählt den Freundinnen, er
00:29:16
habe zu Hause in Marokko seine vier
00:29:18
Kinder und eine Frau und bittet sie, seine
00:29:20
Familie zu schützen.
00:29:21
Als sie nach 15 Minuten auflegen, sind die
00:29:24
Freundinnen verwirrt.
00:29:25
Bei einigen von ihnen macht sich ein
00:29:27
schlechtes Gewissen breit.
00:29:28
Alle Details, die sie über den Fahrer
00:29:30
hatten, haben sie online schon verbreitet.
00:29:32
Sie wurden tausendfach geteilt.
00:29:34
Haben sie dem netten Mann jetzt Ärger
00:29:38
Trotzdem müssen die Informationen, die sie jetzt
00:29:40
über Mohamed haben, so schnell wie möglich
00:29:42
Und nachdem die Freundinnen den Lkw-Fahrer
00:29:45
ermittelt haben, wird am Montag dann endlich
00:29:48
auch die Polizei tätig, die bis jetzt damit
00:29:50
beschäftigt war, die Zuständigkeit für die
00:29:52
Ermittlung zu klären.
00:29:53
Und schon einen Tag später findet die Polizei den
00:29:57
Aber nicht so, wie man es sich erhofft hatte.
00:30:00
Die Fahrerkabine, in die Helena am Donnerstagabend
00:30:02
gestiegen ist, ist komplett ausgebrannt.
00:30:05
Vom Feuer zerfressen steht der Truck in Südspanien
00:30:08
mehr als 2000 Kilometer vom Autobahnkreuz
00:30:10
Schkeuditz entfernt.
00:30:11
Der Lkw-Fahrer erklärt den spanischen
00:30:13
BeamtInnen vor Ort, dass sein Fahrzeug wegen
00:30:15
eines Motorschadens Feuer gefangen habe.
00:30:17
Was die Ermittelnden in der verkohlten
00:30:20
Fahrerkabine des Lkws finden, erweckt eine
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dunkle Vorahnung.
00:30:23
Es sind Überreste eines schwarzen
00:30:27
Zwei Worte in knallorangenen Lettern sind
00:30:31
Von Helena selbst fehlt jede Spur.
00:30:35
Zwei Tage später wird dann auch die letzte Hoffnung
00:30:37
zunichte gemacht, Helena noch Leben zu finden.
00:30:39
An einer Tankstelle einige hundert Kilometer
00:30:42
vom Fundort des Lkws entfernt, machen
00:30:44
Mitarbeitende am Donnerstag, eine Woche nach
00:30:46
Helenas Verschwinden, eine schreckliche
00:30:49
In dem Straßengraben neben der Tankstelle
00:30:51
liegt eine Leiche einer jungen Frau.
00:30:53
Die Augen lieder geschlossen, der Kopf
00:30:56
leicht gedreht und Blut verschmiert.
00:30:58
Ihre Hände sind auf dem Rücken gefesselt.
00:31:00
Ob auch ihre Füße gefesselt sind,
00:31:02
lässt sich nicht feststellen.
00:31:03
Von der Hüfte abwärts ist die Leiche verbrannt.
00:31:06
Diese furchtbaren Nachrichten, die die Suche nach Helena mit einem Schlag beenden, erfahren
00:31:11
Familie und Freundinnen nicht in einem sensiblen Gespräch von dafür geschulten PolizistInnen,
00:31:15
sondern durch reißerische Schlagzeilen in den Medien.
00:31:18
Für sie ist diese schlechte Kommunikation nur ein weiterer in der langen Reihe von fatalen
00:31:23
Fehlern, die die Polizei ihrer Meinung nach in den wenigen Tagen begangen hat.
00:31:27
Helenas Vater Martin ist am Boden zerstört.
00:31:30
Die furchtbare Gewissheit, die schon tief in seinem Inneren brodelte, als Helena vor einer
00:31:34
Woche nicht aus dem Zug ausstieg, ist wahr geworden.
00:31:37
Er wird seine Tochter nie wieder im Arm halten können.
00:31:41
Und auch Thomas, Viola und die anderen beginnen langsam zu begreifen, dass sie nie wieder Helenas
00:31:46
Lachen hören oder ihr zusehen werden, wie sie mit leuchtenden Augen über eines ihrer
00:31:50
Herzensthemen spricht.
00:31:51
Doch sie wissen, dass sie etwas Wichtiges tun müssen, bevor die Trauer sie überwältigt.
00:31:55
Sie müssen in Helenas Namen ein Zeichen setzen.
00:31:58
In den sozialen Medien, in denen sie in den vergangenen Tagen alle Updates zu Helenas
00:32:03
Verschwinden geteilt haben, verbreiten sie eine Information, die ihnen genauso sehr am
00:32:07
Herzen liegt, wie zuvor die Bitten um Mithilfe bei der Suche nach Helena.
00:32:10
Jetzt, wo bekannt ist, dass Helena mutmaßlich von einem Marokkaner getötet worden ist, ist
00:32:15
es den Angehörigen und Freundinnen ein großes Anliegen, sich zu positionieren.
00:32:19
Denn im Internet machen viele UserInnen keinen Hehl daraus, wie sie den Fall einschätzen.
00:32:24
Kommentare wie, selber schuld, wer in ein Auto mit marokkanischem Kennzeichen einsteigt,
00:32:29
häufen sich unter Nachrichtenmeldungen über Helenas Schicksal.
00:32:32
Das wollen Viola und die anderen auf keinen Fall tolerieren.
00:32:35
Daher schreiben sie unter anderem bei Facebook, Zitat,
00:32:38
Sollte sich herausstellen, dass der derzeitige Tatverdächtige auch der tatsächliche Täter
00:32:43
ist, so werden wir das nicht leugnen.
00:32:45
Wir wollen aber gleichzeitig auch klarstellen, dass er kein Täter ist, nur weil er aus Nordafrika
00:32:50
kommt oder einer vermeintlich fremden Kultur angehört.
00:32:52
Was auch immer mit Helena passiert ist, es ist definitiv nicht das Resultat zwischen der
00:32:58
anscheinenden Andersartigkeit von Kulturen.
00:33:01
Denn Familie und FreundInnen wissen, sich Rassismus entschieden entgegenzustellen, wäre das
00:33:06
Erste, das Helena jetzt tun würde.
00:33:08
Ich frage mich wirklich, welche Menschen kommen auf die Idee, solche Kommentare abzulassen, selber
00:33:15
schuld, wer in ein Auto mit marokkanischem Kennzeichen einsteigt, unter so einer Meldung, dass eine
00:33:21
Frau, eine junge Frau, die einfach nur nach Hause zu dem Geburtstag ihres Vaters wollte, per
00:33:27
Anhalter nach Hause gefahren ist und dann getötet wurde.
00:33:29
Wer kommt auf die Idee, das als Kommentar, also wer, das muss in dem Gehirn schieflaufen, wenn man dann auf die Idee kommt, das ist jetzt das, was mir ins
00:33:38
Gehirn kommt, diese Sache, also ich stelle mir das ja ganz oft die Frage, wenn ich Kommentare im Internet lese, aber bei solchen Sachen, da muss man sich doch wirklich Sorgen machen um Menschen.
00:33:49
Ja, genau, also erstmal ist das Internet eh ein furchtbarer Ort, aber dann, also kommen solche Kommentare eigentlich nur von völlig verblödeten Vollidioten, weil ich denke mir immer so, dass auf der anderen Seite jemand sitzt, der das liest, das weiß doch jeder und trotzdem machen Leute das, also ich raff's nicht.
00:34:07
Ich finde es aber echt krass und mutig und auch total richtig, dass die Familie oder beziehungsweise die FreundInnen dann so ein Statement abgeben, also es ist ja schon richtig stark.
00:34:17
Also ich glaube, das erfordert so viel Besonnenheit und auch Mut, weil man weiß ja auch, dass man bei den Leuten damit noch mehr verursachen kann, dass die auf einen abgehen, ja, wenn die halt schon solche Kommentare da schreiben.
00:34:30
Im Rahmen der Internationalen Wochen gegen Rassismus hat Helena erst im März im Evangelischen Gemeindehaus in Armberg einen Vortrag über ihr Engagement auf Lesbos gehalten.
00:34:40
Jetzt, am 1. August, findet gegenüber in der Paulaner Kirche die Trauerfeier für sie statt.
00:34:46
Hunderte Menschen aus allen Ecken Deutschlands strömen in das Gebäude mit der rot-gelben Fassade.
00:34:51
Hier hat Vater Martin bis zu seinem Ruhestand selbst als Pastor mit seiner Gemeinde gesungen und gebetet.
00:34:56
Heute steht nicht er, sondern der evangelische Landesbischof an dem schlichten Holzaltar.
00:35:01
Mit den Worten, die er für die Trauerrede gewählt hat, spricht er den Anwesenden aus der Seele.
00:35:06
Helenas soziales, gesellschaftliches und politisches Engagement sei beeindruckend gewesen.
00:35:11
Auf Lesbos habe sie Geflüchtete spüren lassen, wofür eigentlich alle einstehen sollten.
00:35:16
Dass jeder Mensch, Zitat, eine Würde hat, die ihm niemand nehmen darf.
00:35:20
Und dass er es auch in der Art seinen Ausdruck findet, wie wir mit Menschen umgehen, die aus ihrem Heimatland geflohen sind.
00:35:26
Er betont, Zitat, Helenas Offenheit gegenüber allen Menschen.
00:35:30
Das Urvertrauen, das in dieser Offenheit ihren Ausdruck fand und ihr Einsatz für eine Welt, in der alle Menschen in Würde leben können, war Ausdruck einer tiefen Liebe zur Welt.
00:35:40
Und auch durch die weiteren Reden wird deutlich, was Helena ihre Familie und Freundinnen immer spüren ließ.
00:35:45
In ihrem Leben gab es keinen Platz für Hass, nur für Liebe.
00:35:48
Ihr ging es immer um das Wohl der anderen, auch jetzt noch im Tod.
00:35:52
Das zeigt der Spruch, den die Familie für die Trauerkarte gewählt hat.
00:35:56
Er stammt von Helenas Lieblingsdichter Joachim Ringelnatz.
00:36:00
Auf den zwei Fotos daneben blickt Helena neugierig und fröhlich in die Welt.
00:36:14
So wie sie immer war und so, wie alle, die Helena vermissen, sie in Erinnerung behalten wollen.
00:36:19
Thomas jedoch kann nicht richtig um seine kleine Schwester trauern.
00:36:24
Wie die Suche nach Helena abgelaufen ist, hat dem 51-Jährigen schwer zugesetzt.
00:36:29
Bis heute, zweieinhalb Monate später, gibt es zu viele offene Fragen, zu viele Unklarheiten.
00:36:34
Daher schreibt er einen Brief an den bayerischen Innenminister.
00:36:37
Darin fordert er eine Aufarbeitung der Ermittlungen.
00:36:40
Hätte die Polizei ihre Arbeit ordentlich gemacht, hätte ihm, seinen Eltern und allen, die um Helena trauern, sehr viel erspart werden können.
00:36:48
Thomas ist überzeugt, alles, was ermittelt wurde, hat nicht die Polizei ermittelt, sondern Familie und Freundinnen von Helena.
00:36:54
Mehr noch, wären sie nicht als LaienermittlerInnen losgezogen, während die Profis in Bayern und Sachsen über Zuständigkeiten diskutierten, wäre der mutmaßliche Täter wahrscheinlich sogar entkommen.
00:37:05
Thomas ist klar, dass auch die akribische Aufarbeitung der Ermittlungen seine Schwester nicht wieder lebendig macht.
00:37:11
Aber die Polizei müsse daraus Lehren für die Zukunft ziehen.
00:37:14
In seinem Schreiben fordert er deshalb mit eindringlichen Worten, dass die ErmittlerInnen bei vermissten Fällen zukünftig sensibler agieren müssten und dass die Kommunikation zwischen den einzelnen Dienststellen und Bundesländern besser funktionieren müsse.
00:37:26
Wenig später erhält Thomas eine Antwort aus dem Ministerium.
00:37:30
Der Innenminister gibt ihm ein Versprechen.
00:37:32
Helenas Fall wird aufgearbeitet werden.
00:37:35
Trotzdem kommt Thomas nicht zur Ruhe.
00:37:37
Denn wieder trifft ein Schlag die Familie mit voller Wucht.
00:37:40
Und wieder erfahren sie aus den Medien davon.
00:37:43
Bilder zeigen, wie sich am 1. September 2018 in Chemnitz ein Trauermarsch formiert.
00:37:49
An die 8.000 Menschen, die meisten schwarz gekleidet, schreiten durch die Straßen.
00:37:54
Einige schwenken Fahnen in den Farben Schwarz-Rot-Gold, andere tragen großformatige Bilder von getöteten Menschen vor sich her.
00:38:01
Von einem der Bilder lächelt Helena mit beigem Strickschal und bärenfarbenem Shirt in die Kamera.
00:38:07
Die Veranstaltung haben AfD, Pegida und die rechtspopulistische Wählervereinigung Pro Chemnitz organisiert.
00:38:13
An der Spitze marschieren Thüringens AfD-Chef Björn Höcke und Pegida-Frontmann Lutz Bachmann.
00:38:19
Sie und die anderen TeilnehmerInnen wollen auf Menschen aufmerksam machen, die erwiesenermaßen oder mutmaßlich Opfer von Gewalt durch AusländerInnen wurden.
00:38:28
Besonders perfide ist dabei ein Detail, das viele in den Händen oder im Knopfloch tragen.
00:38:33
Eine weiße Rose.
00:38:35
Dabei war die weiße Rose einer der bekanntesten Widerstandsgruppen in der NS-Zeit.
00:38:40
Dass jetzt 75 Jahre später rechtsextreme explizit diese Blume für diese Veranstaltung wählen, ist nicht nur geschmacklos, sondern eine Provokation.
00:38:48
Sie kehren das Symbol des Widerstands bewusst um und nutzen es für ihre Zwecke.
00:38:52
Und das Gleiche machen sie mit Helena.
00:38:55
Thomas und Vater Martin sind schockiert.
00:38:57
Dass Helenas Gesicht von Rechtsextremen durch die Gegend getragen wird, ist unerträglich für sie.
00:39:02
Denn mit der Toleranz und Weltoffenheit stand Helena für alles, was die Menschen, die nun angeblich um sie trauern, kritisieren.
00:39:09
Helena, deren Großeltern zur Nazizeit im Widerstand waren und die selbst ihr Leben lang laut war gegen Rassismus und rechte Hetze,
00:39:17
wird nun von denjenigen, die ihre Einstellung zutiefst ablehnen, missbraucht.
00:39:22
Die Rechtsextreme und RechtspopulistInnen instrumentalisieren Helena für ihre Zwecke.
00:39:27
So, und das ist auch nicht das einzige Mal.
00:39:29
Wir erinnern uns, in den letzten Jahren kam es immer wieder vor, dass die AfD Straftaten für ihre Zwecke halt genutzt hat.
00:39:34
Oft auch, wenn die Hintergründe noch gar nicht klar waren.
00:39:38
So war das ja auch zum Beispiel mit dem achtjährigen Jungen, der im Juli 2019 am Frankfurter Hauptbahnhof von einem Zug überrollt wurde und starb,
00:39:44
nachdem er von einem psychisch erkrankten Mann auf die Gleise gestoßen worden war.
00:39:49
Vielleicht erinnern sich auch einige noch, den Fall habe ich in Folge 62 erzählt, wirklich schlimmer, bewegender Fall.
00:39:55
Und Alice Weidel, die zu der Zeit Fraktionsvorsitzende der AfD im Bundestag war, twitterte dann gleich,
00:40:01
dass die, Zitat, grenzenlose Willkommenskultur in Deutschland zu dieser Tat geführt habe.
00:40:06
Und es war ja so, dass der Täter aus Eritrea stammte, aber auch schon eine Zeit lang in der Schweiz lebte.
00:40:10
Und trotzdem hat man da eben Angela Merkel dafür verantwortlich gemacht.
00:40:14
Auch die AfD-Bundestagsabgeordnete Verena Hartmann schrieb auf Twitter,
00:40:18
sie verfluche den Tag ihrer, also Angela Merkels Geburt.
00:40:22
Das ist so krank. Also was ist los mit diesen Menschen?
00:40:27
Völlig absurd und vor allem, wenn man bedenkt, dass nur knapp zwei Monate vorher
00:40:31
der CDU-Politiker Walter Lübcke von einem Rechtsextremisten erschossen wurde.
00:40:36
Also das fiel auch noch alles in diese Zeit wirklich grauenhaft.
00:40:40
Ja, und wenn PolitikerInnen, die im Bundestag sitzen, sowas rausposaunen,
00:40:46
ohne irgendwelche Hintergrundinfos zu wissen, aber auch sowieso egal,
00:40:51
wenn die sowas rausposaunen, dann können sich so Täter,
00:40:54
wie der eben im Fall von Walter Lübcke, eben auch noch mehr motiviert fühlen,
00:40:59
sowas dann zu machen, ja.
00:41:00
Also die haben so eine Verantwortung und dann auch die Alice Weidel,
00:41:04
also dass die das auch direkt so raushaut, mir wäre das so peinlich.
00:41:09
Ja, denen ist das nicht peinlich, das ist das Problem, denen ist das nicht peinlich.
00:41:14
Und an diesen Beispielen sieht man ja auch, dass es der AfD eigentlich nie um die Taten an sich geht,
00:41:19
sondern immer um ihr Hauptthema, also um Migration und wie sehr die Deutschland angeblich schaden würde.
00:41:25
Und deshalb gibt sich die AfD auch viel Mühe, das Bild von Straftaten in der Gesellschaft zu verzerren.
00:41:32
Wie Straftaten in der Gesellschaft wahrgenommen werden.
00:41:34
Dazu haben Medienforschende 2019 eine Studie veröffentlicht, für die sie 242 AfD-Pressemitteilungen aus dem Vorjahr analysiert haben.
00:41:43
Und dabei stellte sich heraus, wenn die AfD bei Tatverdächtigen die Nationalität nannte, waren das zu 95 Prozent AusländerInnen.
00:41:51
Bei den fünf Prozent Deutschen wurde betont, dass sie entweder einen Migrationshintergrund hätten oder, wenn das nicht der Fall war,
00:41:58
dann wurde es so dargestellt, dass die Beteiligung dieser deutschen TäterIn relativ gering war an der Tat.
00:42:05
Also, dass es noch andere Tatbeteiligte gab.
00:42:08
Ja, und das entspricht ja nicht der Wahrheit.
00:42:10
Also, in Deutschland sind die meisten Tatverdächtigen natürlich Deutsche.
00:42:14
Ja, und dieses falsche Bild wird jetzt auch versucht, in diesen Trauermarsch rüberzubringen,
00:42:19
wo auch um Helena getrauert wird, wo es halt nur um Opfer geht, die von Menschen mit Migrationshintergrund getötet wurden.
00:42:26
Ja, und einer, der diesen, in Anführungszeichen, Trauermarsch ja angeführt hat, war ja der Björn Höcke.
00:42:32
Und was ich so traurig und krass und beängstigend finde, ist, dass er nur sechs Jahre nach diesem absurden Marsch,
00:42:40
gerade erst vor kurzem im TV-Duell bei dem Sender Welt aufgetreten ist, gegen so einen CDU-Politiker.
00:42:47
Also, die haben einfach zusammen debattiert und da wird da eingeladen, ein Mensch, der diesen Zug angeführt hat.
00:42:55
Also, wie kann das eigentlich sein?
00:42:57
Ich finde es einfach krass, dass so ein Mensch sechs Jahre später da ganz normal eingeladen wird
00:43:03
und seine Meinung und Ideen in die Welt raustragen kann.
00:43:06
Für Helenas Familie darf es auf jeden Fall nicht sein, dass ihr Schicksal missbraucht wird.
00:43:11
Und wieder müssen Thomas, Martin und Teresa alle Kräfte sammeln, die sie eigentlich bräuchten,
00:43:16
um endlich in Ruhe zu trauern.
00:43:18
Gegenüber der Presse erklären sie nach dem sogenannten Trauermarsch, Zitat,
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Diese Veranstaltung war kein Ort der aufrichtigen Trauer um Helena oder sonst irgendjemanden,
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sondern ein Ort der Hetze und der Niedertracht.
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Wir lassen nicht zu, dass das Andenken an unsere Helena für ausländerfeindliche Zwecke missbraucht wird.
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Daher zeigen sie Björn Höcke und Lutz Bachmann wegen fehlender Rechte an Helenas Bild an.
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Die Ermittlungen werden zwar eingestellt, aber das ist der Familie auch nicht so wichtig.
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Ihnen geht es nicht um eine Verurteilung, sondern darum, ein Zeichen zu setzen.
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Sie lassen sich eine solche Vereinnahmung durch RechtspopulistInnen nicht gefallen.
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Auch nicht, wenn das eine Welle von Hassnachrichten für die Familie, allen voran Thomas bedeutet,
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der als grünen Politiker ohnehin in der Öffentlichkeit steht.
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Und der kriegt solche Kommentare zugeschickt.
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Ist das furchtbar?
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Ich kriege Gänsehaut, wenn ich das lese.
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Ich finde es so schrecklich, eine Frau, eine junge Frau, die in ihrer Freizeit Menschen in Not hilft, wird getötet.
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Und das ist das, was sie dem Bruder schreiben, der um die trauert.
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Und es ist wirklich so viel verkehrt mit diesen Menschen.
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Doch Helenas Familie und ihre Freundinnen wollen diesen Menschen Helena und ihr Schicksal nicht überlassen.
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Geschlossen wie eine Mauer.
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Stehen sie auch knapp ein Jahr später vor dem Justizpalast in Bayreuth, wo am 23. Juli 2019 der Prozess beginnt.
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Viele halten Banner mit Slogans wie
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Lieber wütend als traurig.
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Gegen strukturelle Gewalt an Frauen.
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Der Mord an Helena ist kein Einzelfall.
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Denn für sie ist klar, anders als es online so viele Stimmen schreien,
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hat Helenas Tod nichts mit der Hautfarbe oder der Herkunft des mutmaßlichen Täters zu tun.
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Für sie steht fest, Helena musste sterben, weil sie eine Frau war.
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Ihre Tötung war ein Femizid.
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Dessen sind sich auch Helenas Eltern Martin und Teresa und ihr Bruder Thomas sicher,
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als sie den Schwurgerichtsaal mit dem goldenen Stuck und dem prunkvollen Deckenfenster betreten.
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Im schönsten Raum des Landgerichts wird nun ein Verbrechen verhandelt, das an Hässlichkeit kaum zu überbieten ist.
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Anders als Helenas Freundinnen nehmen Thomas Martin und Teresa nicht auf den hölzernen Zuschauerinnenbänken Platz,
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sondern neben der Staatsanwaltschaft.
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Alle drei haben die Nebenklage angetreten und stehen nun dem Mann gegenüber,
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der angeklagt ist, ihnen ihre Helena genommen zu haben.
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Es ist 9.01 Uhr, als Justizbeamtinnen Mohammed zur Anklagebank führen.
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Sechs Minuten lang erfüllt das Klicken von rund 15 Kameras den Saal.
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Sie fotografieren den schmalen und scheinbaren Mann im rot-weiß karierten Hemd aus allen Winkeln,
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während er sich versucht, hinter seinem Arabisch-Übersetzer,
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dessen Rücken doppelt so breit wirkt wie sein eigener, unsichtbar zu machen.
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Trotzdem ruhen zahlreiche Augenpaare auf ihm, als die Oberstaatsanwältin die Anklage vorliest und schildert,
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was aus ihrer Sicht am 14. Juni 2018 mit Helena geschehen ist.
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Bevor Helena an diesem Tag zu Mohammed in den LKW stieg,
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hatte er schon auf anderen Parkplätzen fremde Frauen fotografiert und masturbiert.
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Das belegen Fotos auf seinem Handy, die die ErmittlerInnen wiederhergestellt haben.
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Auch von Helena machte er heimlich Aufnahmen.
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Er filmte sie über die App Secret Videorecorder, als er ihr Fotos auf seinem Handy zeigte.
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Aber das reichte ihm laut Anklage nicht. Er wollte mehr.
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20 Kilometer vor der Ausfahrt, an der Helena raus wollte,
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sah Mohammed seine letzte Chance für einen Annäherungsversuch gekommen.
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Das Wie ist zwar nicht klar, aber die Staatsanwaltschaft ist überzeugt davon,
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dass sich Mohammed in der Folge an Helena verging und sexuell übergriffig wurde.
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Er fesselte sie und verhinderte damit, dass sie flüchten konnte.
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Danach schlug er mehrmals mit einem Radmutterschlüssel auf sie ein.
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Wann Helena an ihren Kopfverletzungen gestorben ist, kann die Oberstaatsanwältin nicht benennen.
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Sie spricht von einem nicht genau feststellbaren Zeitpunkt nach dem 14. Juni 2018 um 19.55 Uhr.
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Um die Details zu erfahren, hoffen nicht nur die Oberstaatsanwältin,
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sondern auch Helenas Familie und das Gericht darauf, dass Mohammed endlich sein Schweigen bricht.
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Und tatsächlich, in seiner Einlassung lässt er über seinen Dolmetscher verkünden,
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was bei dem letzten Stopp seiner Meinung nach geschehen sei.
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Mohammed sei ausgestiegen, um die Außenspiegel zu putzen.
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Dabei habe er bemerkt, wie Helena die Fahrerkabine durchwühlt habe.
00:47:44
Sie war mein Gast, sie hatte nicht das Recht, meine Sachen zu durchwühlen, sagt Mohammed.
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Die beiden seien in Streit geraten.
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Um die Situation zu entschärfen, habe er sie angelächelt und von Respect und No-Touch gesprochen.
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Aber Helena habe nicht nachgegeben.
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Da sei er wütend geworden, habe zum Radmutterschlüssel gegriffen und mehrfach zugeschlagen.
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Als Helena tot gewesen sei, habe er ihr mit einem Cuttermesser die Kleider vom Leib geschnitten, um das Blut aufzuwischen.
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Die Leiche habe er in ein Bettlacken gewickelt, sie nach oben in die Schlafkabine gehievt und dann seine Fahrt fortgesetzt.
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Erst in Frankreich will er den toten Körper, den er zwischenzeitlich an Armen und Beinen gefesselt habe, in Müllbeutel gepackt haben,
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bevor er ihn schließlich an der Tankstelle in Spanien entsorgt habe.
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Dabei beharrt Mohammed darauf, dass er Helena noch am Donnerstagabend auf dem Parkplatz in Deutschland getötet habe,
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denn er habe im Affekt gehandelt.
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Die RechtsmedizinerInnen, die Helenas Leiche obduziert haben, können das im ZeugInnenstand nicht eindeutig bestätigen.
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Helena könnte bereits am Donnerstag gestorben sein, aber möglicherweise auch erst am Samstag oder Sonntag, erklären die ObduzentInnen.
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Was das bedeuten würde, lässt das Blut in den Adern derjenigen gefrieren, die auf der Nebenklagebank sitzen.
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Wenn Helena erst am Wochenende gestorben ist, hätte man sie dann noch lebend finden können,
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wenn die Polizei in Deutschland ihre Arbeit richtig gemacht hätte?
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Von dem späteren Todeszeitpunkt ist Helenas Bruder Thomas auf jeden Fall felsenfest überzeugt.
00:49:10
Seiner Meinung nach könnte Helena noch leben, wenn die Polizei der Familie geglaubt hätte
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und von Anfang an von einem potenziellen Gewaltverbrechen ausgegangen wäre.
00:49:19
Denn es stellt sich auch heraus, dass Mohammed noch nachdem Helena zu ihm in den Lkw gestiegen war,
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wie geplant die Station seiner Route abfuhr.
00:49:26
Bei einer Firma in Bayern lud er Paletten auf.
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Er machte regelmäßig Pausen.
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In Frankreich stand der Lkw wegen des Sonntagsfahrverbots sogar 24 Stunden auf einem Parkplatz.
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Laut Thomas hätte die Polizei genug Zeit gehabt, den Lkw aufzuspüren
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und seine Schwester, die vielleicht schwer verletzt und gefesselt oben in der Schlafkabine lag,
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möglicherweise zu retten.
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Was den Todeszeitpunkt angeht, ist noch ein Detail unklar.
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Helenas Mutter Teresa wirft es in den Raum.
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Es ist die einzige Frage, die sie vor Gericht stellt.
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Wenn Helena wirklich schon auf dem Parkplatz in Deutschland starb,
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warum legte Mohammed dann später einer Leiche Fesseln an?
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Das ergibt keinen Sinn.
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Doch auf Logik scheint Mohammed ohnehin keinen Wert zu legen.
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Das zeigt auch sein Auftreten im Schwurgerichtssaal.
00:50:10
Der scheint für ihn zwischenzeitlich eine Theaterbühne zu sein,
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auf der der Täter in die Opferrolle schlüpft.
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Der 41-Jährige schluchzt und zerfließt in Selbstmitleid.
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Seit über einem Jahr quäle er sich jeden Tag.
00:50:22
Verurteilen Sie mich zum Tode und geben Sie meine Organe einer Person, die sie braucht,
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fleht er den Vorsitzenden Richter an.
00:50:28
Der antwortet mit einer Kälte, die die Nackenhaare aufstellt.
00:50:32
Leid haben die Angehörigen seit einem Jahr mehr als sie.
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Trotzdem bemüht sich Helenas Familie, an jedem der zwölf Prozesttage Haltung zu bewahren.
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Auch wenn es die schwierigste Aufgabe ist, die Martin, Teresa und Thomas je meistern mussten.
00:50:45
Allein die Bilder zu sehen, die die ErmittlerInnen von Helenas halbverbrannter Leiche gemacht haben.
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Bilder des eigenen Kindes, die Eltern niemals sehen sollten.
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Dabei sind Martin und Teresa aber weder von Hass noch von Rache getrieben.
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Ihre Gedanken kreisen nur um Helena.
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Als Martin noch einmal nach dem Warum fragt, versagt ihm fast die Stimme.
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Es macht uns krank, die Wahrheit nicht zu wissen.
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Es ist kein Licht in diese entsetzliche Finsternis gekommen.
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Es ist ein besonderer Prozesttag, als gut sieben Wochen nach Beginn der Verhandlungen die Plädoyers gesprochen werden.
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Es gibt nämlich nicht nur zwei, sondern vier.
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In ihrem Plädoyer räumt die Oberstaatsanwältin ein, dass es, entgegen ihrer Anklage, keine Beweise für eine sexuelle Straftat gebe.
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Für sie stehe am Ende des Prozesses aber nun fest, dass Mohamed Helena direkt auf dem Parkplatz in Deutschland getötet habe.
00:51:35
Daher ihr Fazit?
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Helena war nicht rettbar.
00:51:39
Sie fordert eine lebenslange Haftstrafe wegen Mordes und gefährlicher Körperverletzung.
00:51:44
Der Anwalt, der Martin und Theresa vertritt, ist anderer Meinung.
00:51:47
Es sei nicht klar, dass Helena wirklich so schnell starb.
00:51:50
Er spricht von einem Sterben auf Raten und fordert daher die besondere Schwere der Schuld für Mohamed.
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Helenas Bruder plädiert selbst.
00:51:58
Seine Hände zittern, als er ein Foto seiner Schwester hochhält und Mohamed auffordert, es sich anzuschauen.
00:52:04
Der 51-Jährige zweifelt nach wie vor daran, dass Helena schon in Deutschland starb.
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Mohameds Verteidiger hingegen plädiert auf Totschlag.
00:52:12
Sein Mandant habe keine Hilfe holen können, weil Helena schon nach den ersten Schlägen tot gewesen sei.
00:52:16
Alles andere sei, Zitat, Bullshit.
00:52:20
Ob das auch das Gericht so sieht, offenbart sich am 18. September 2019.
00:52:25
Der Moment der Urteilsverkündung wird mit Hochspannung erwartet.
00:52:28
Der prunkvolle Schwurgerichtssaal droht aus allen Nähten zu platzen.
00:52:32
Neben den Prozessbeteiligten hören rund 30 PressevertreterInnen und 100 ZuschauerInnen,
00:52:37
wie der vorsitzende Richter das Wort erhebt.
00:52:39
Das Gericht folgt der Erkenntnis der Oberstaatsanwältin,
00:52:42
dass Helena schon auf dem Parkplatz in Deutschland starb.
00:52:45
Aber für das Gericht war es kein Totschlag im Affekt,
00:52:48
sondern Mord, um eine andere Straftat zu verdecken.
00:52:52
Denn für die Kammer liefen Helenas letzte Minuten so ab.
00:52:55
Am 14. Juni 2018 saß sie bei Mohamed im LKW.
00:52:59
Nur 20 Kilometer, bevor sie die Autobahnausfahrt erreichten, an der Helena raus wollte,
00:53:04
fuhr Mohamed auf einen Parkplatz und fing an, die 28-Jährige zu bedrängen.
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Als sie sich vehement wehrte, schlug er mit dem Radmutternschlüssel auf sie ein.
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Denn ein solches Verhalten musste bestraft werden.
00:53:14
Sie sollte nicht sterben, aber sie musste ihre Lektionen lernen.
00:53:17
Als Helena reglos zu Boden ging, stieg Mohamed aus, um sich zu sammeln.
00:53:21
Helena blutete stark, sie brauchte Hilfe.
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Aber Mohamed entschied sich dagegen, den Rettungsdienst zu rufen.
00:53:28
Ihm wurde klar, Helena konnte ihn in ernsthafte Schwierigkeiten bringen.
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Und das durfte nicht sein.
00:53:34
Mohamed ging also zurück zum LKW und sah, wie Helena ihm flehend ihre Hand entgegenstreckte.
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Da griff Mohamed erneut zum Radmutternschlüssel.
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Dieses Mal wollte er mit seinen Schlägen töten, um die vorher begangene gefährliche Körperverletzung zu verdecken.
00:53:49
Und das tat er auch.
00:53:51
Daher lautet das Urteil, Mohamed ist schuldig des Mordes in Tatmehrheit mit gefährlicher Körperverletzung.
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Die Strafe dafür lautet lebenslang.
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Eine Stunde lang begründet der Richter das Urteil.
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Zum Schluss wendet er sich direkt an den Angeklagten.
00:54:06
Er sagt, Mohamed habe das schlimmste Verbrechen begangen, das unser Strafrecht kennt.
00:54:12
Laut dem Vorsitzenden müssten Helenes Familie und Freundinnen nun ihr Leben lang mit dem Verlust leben.
00:54:17
Diesen Menschen wünschen wir, dass sie einen Weg finden, damit umzugehen, damit zurechtzukommen,
00:54:22
dass Helena nicht mehr unter uns ist und diesen Tod sterben musste.
00:54:25
Diesen Verlust können sie nie wieder gut machen.
00:54:28
Martin, Teresa, Thomas, Viola und allen anderen Freundinnen zollt der Richter Respekt.
00:54:35
Sie alle hätten das Geschehen, Zitat, in bemerkenswerte Haltung ertragen.
00:54:39
Zusätzlich habe die private Suchaktion bemerkenswerte Ergebnisse erzielt und die Polizeiarbeit effektiv unterstützt.
00:54:47
Trotzdem sei der pauschal erhobene Vorwurf eines Polizeiversagens auf der ganzen Linie nicht gerechtfertigt, betont der Richter.
00:54:56
Und an der Stelle ist es vielleicht auch mal wichtig zu betonen, wir haben die Geschichte ja jetzt aus der Sicht der Angehörigen und der Freundinnen erzählt.
00:55:04
Und so wie sie in Interviews, in Dokus erzählt haben, wie die Polizei ihnen gegenüber aufgetreten ist.
00:55:12
Genau, und das ist aber jetzt auch nicht nur deren subjektive Sicht, weil ansonsten muss man sich natürlich mit sowas auch immer ein bisschen zurückhalten, was ist am Ende wirklich passiert und so.
00:55:21
Man weiß es nicht, aber die bayerische Polizei, die räumt dann tatsächlich auch später Fehler in ihrer Arbeit ein.
00:55:27
Das kommt im Zuge dieser Untersuchung raus, die der bayerische Innenminister Thomas, dem Bruder, also zugesichert hat.
00:55:33
Und es gibt sogar ein Resultat, seit 2021 gelten für Vermisstenfälle nämlich neue Regelungen.
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Unter anderem sind die Zuständigkeiten besser geregelt, Abstimmungen werden schriftlich festgehalten bei Entscheidungen.
00:55:43
Etwa welche Schritte als nächstes getätigt werden, gilt ein Vier-Augen-Prinzip.
00:55:47
Und man hat die Aufnahme und Bewertung von Vermisstenfällen genauso verbessert wie die Öffentlichkeitsarbeit und die Betreuung der Angehörigen.
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Zumindest wird das so erzählt.
00:55:56
Zu erfahren, dass Helenas Schicksal zumindest etwas zum Guten gewendet hat, ist wichtig für die Familie.
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Und es soll auch in Zukunft Gutes bewirken.
00:56:05
Daher gründet sie in Helenas Namen einen Verein, der sich antirassistischer und interkultureller Projektarbeit widmet
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und zugleich über Gewalt an Frauen aufklärt.
00:56:13
Das ist Helenas Familie und ihren FreundInnen ein großes Anliegen.
00:56:17
So lebt Helenas Geist weiter.
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Und so sollen sich alle Menschen an die 28-Jährige erinnern.
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Nicht als Opfer eines Mannes, der kein Nein akzeptieren wollte und den sie noch mit ausgestreckter Hand um Hilfe bat und der sie trotzdem tötete.
00:56:31
Und Helenas soll auch nicht als Instrument von Rechtsextremen im Gedächtnis bleiben, die ihr Schicksal missbrauchen, um in Deutschland Spaltung und Rassismus zu schüren.
00:56:39
Gerade weil sich Helenas ihr Leben lang für das Gegenteil einsetzte.
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Für Weltoffenheit und Toleranz.
00:56:45
Das ist es, was Thomas, Martin, Theresa, Viola und alle anderen bewahren wollen.
00:56:50
Das Andenken an Helenas als eine Frau, die mit offenen Augen und einem offenen Herzen in der Welt unterwegs war.
00:56:56
Eine Frau, die sich für das Gute eingesetzt hat und wusste, dass Liebe immer stärker ist als Hass.
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Es ist halt so mühselig, womit sich die Familie da auch noch auseinandersetzen musste.
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Also als ob das nicht schon die Hölle auf Erden ist, so einen Verlust irgendwie zu erleben.
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Dann auch noch sich mit solchen Anfeindungen auseinandersetzen zu müssen und so.
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Also ich finde, die Leute gehören eigentlich bestraft, ja.
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Ja, und dann, was wir auch noch gar nicht gesagt haben oder kommentiert haben, ist ja auch noch, dass der Mohamed dann im Prozess gesagt hat, dass das Ganze passiert ist, weil Helena ihn quasi beklauen wollte.
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Das musste sich die Familie auch nochmal anhören.
00:57:40
Ja, es ging nicht schlimmer in diesem Fall für die Familie.
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Und wie stark ist es dann auch wieder, das wieder so umzudeuten, den Verein zu gründen, sich einzusetzen gegen Rassismus und gegen Gewalt an Frauen und so das Vermächtnis weiterzuführen.
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Weil ganz ehrlich, diese Frau war 28 Jahre alt und hat so viel Tolles geleistet, hat sich in der Politik engagiert.
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Was wäre denn aus der geworden, was hätte die denn noch alles Tolles machen können für diese Welt, ja.
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Das kommt ja auch noch dazu.
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Ja, und ich finde ja auch nochmal ganz wichtig herauszustellen, dass das keine einmalige Sache war, ne.
00:58:14
Also, dass ein Verbrechen an einer Person von der AfD instrumentalisiert wurde.
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Das ist ja gerade schon wieder in Paderborn passiert.
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Da gab es ein Tötungsdelikt und die AfD missbraucht das, um eine Mahnwache für die Opfer der Migrationspolitik aufzurufen.
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Die sogenannten, ja.
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Und die hat dann auch am Rathausplatz stattgefunden.
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Und Medien hatten dann auch berichtet, dass auch in diesem Fall Angehörige genau das nicht wollten.
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Und dass die AfD sogar darum gebeten wurde, das zu unterlassen.
00:58:40
Und die haben das einfach ignoriert.
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Das ist so schlimm.
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So, und dann muss man sich mal vorstellen, zeitgleich wird der SPD-Politiker Matthias Ecke,
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der gerade am Plakatieren für den Wahlkampf ist, von teilweise, also zumindest liegen das ja MDR-Investigativ-Recherchen nah,
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AfD-Sympathisanten zusammengeschlagen.
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Das muss man sich mal reinziehen.
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Das ist so, so schlimm.
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Und das macht mir auch ganz viel Angst.
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Ich muss aber auch sagen, was mich so ein bisschen an das Gute an den Menschen wieder hat glauben lassen,
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war dann die Reaktion der anderen, sag ich jetzt mal.
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Also, dass da ja dann noch an dem Wochenende nach diesem Angriff auf Matthias Ecke Demonstrationen,
00:59:19
also so spontan Demonstrationen abgehalten wurden ja in Berlin und in Dresden, wo auch tausende Menschen gekommen sind und laut waren und leidenschaftlich waren,
00:59:27
um zu zeigen, das geht bei uns nicht.
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Uns ist die Demokratie wichtig und vor allen Dingen dieses Wir sind mehr.
00:59:36
Und mit solchen Demonstrationen und Reaktionen, wie es sie jetzt gegeben hat, zeigen wir ja, Demokratie ist wichtig und sich für die Politik einzusetzen ist wichtig.
00:59:44
So wie Helena das ja auch ihr ganzes Leben lang gemacht hat.
00:59:48
Das war ein Podcast der Partner in Crime.
00:59:55
Hosts und Produktion Paulina Kraser und Laura Hohlers.
00:59:59
Redaktion Magdalena Höcherl und wir.
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Schnitt Pauline Korb.
01:00:04
Rechtliche Abnahme und Beratung Abel und Kollegen.