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#159 Der perfekte mord?

Willkommen zurück in unsere erholten Arme.
Wir hatten ja eine kurze Sommerpause und die ist jetzt vorbei und wir können endlich wieder sprechen über Verbrechen und ihre Hintergründe hier bei Mordlust, einem Podcast der Partner in Crime.
Mein Name ist Paulina Kraser und ich bin Laura Wohlers. In jeder Folge erzählen wir hier einen bedeutsamen, wahren Kriminalfall nach, ordnen den für euch ein, erörtern und diskutieren die juristischen, psychologischen oder gesellschaftlichen Aspekte und sprechen mit Menschen mit Expertise.
Hier geht es um True Crime, also auch um die Schicksale von echten Menschen. Bitte behaltet das immer im Hinterkopf, das machen wir auch, selbst dann, wenn wir zwischendurch mal ein bisschen abschweifen.
Das ist für uns immer so eine Art Comic Relief, aber natürlich nicht despektierlich gemeint.
Bevor wir mit dem heutigen Fall starten, der euch möglicherweise sehr wütend zurücklassen wird, ist erst einmal Zeit zum Feiern.
Happy Birthday to us!
Heute, genau heute, am 17. Juli ist Mordlust sechs Jahre alt geworden.
Also ich erinnere mich fast, als wäre es gestern gewesen, obwohl es ja schon Ewigkeiten her ist. Stell dir vor, wir hätten jetzt ein sechsjähriges Kind.
Nee, ich kann das gar nicht glauben. Sechs Jahre. Aber ich habe auch so eine Zeitrechnung. Etwas war vor oder nach Mordlust. Ist das bei dir auch so?
Ja, auf jeden Fall. Für uns ist das ja voll das Ereignis gewesen, einfach im Leben.
Und in sechs Jahren passiert ja auch so wahnsinnig viel. Bei uns ist so wahnsinnig viel passiert. Und Sachen verändern sich ja auch. Nicht nur der Podcast, sondern auch wir.
Und deswegen haben wir jetzt ein neues Gewand bekommen, weil wir aus dem Alten rausgewachsen sind einfach.
Ja, wir haben ein neues Podcast Cover. Schließlich sehen wir leider oder auch nicht leider nicht mehr so aus wie vor sechs Jahren. Aber wir haben uns nicht nur äußerlich verändert. Es wird sich jetzt auch inhaltlich mal wieder ein bisschen was ändern. Und zwar wird es ab jetzt nur noch Folgen geben, indem wir einen Fall länger erzählen.
Genau. Glaubt uns, wir hätten das nicht gemacht, wenn es noch irgendwie anders gegangen wäre. Wir hingen sehr an dem Konzept. Aber wir wussten immer von Anfang an, dass irgendwann der Tag kommen wird, an dem uns die Oberthemen ausgehen.
Und im Mai dieses Jahres haben wir ja unsere Jahresplanung gemacht, also Themen für das ganze Jahr besetzt, alle zwei Wochen ein Oberthema. Und das war schon schwierig. Also da mussten wir uns schon am Ende die Themen aus den Fingern saugen.
Und sind dann auch ja nur noch so rechtliche Sachen eingefallen. Also das war dann auch nichts mehr, worauf wir jetzt richtig Bock gehabt hätten.
Ja, und dann sind Paulina und ich nochmal in uns gegangen und haben uns gefragt, wollen die HörerInnen diese Themen wirklich hören? Oder machen wir das eigentlich nur, damit diese zwei Fälle und dieses Oberthema bestehen bleibt?
Und dann mussten wir uns eingestehen, nein, die HörerInnen wollen was Spannendes und Informatives hören.
Ja, und ein großes Problem für uns war ja auch dann immer zwei Fälle, die interessant sind zu finden.
Weil, also das muss man jetzt auch ehrlicherweise sagen und ich habe das auch so ein bisschen irgendwie gescannt auf Instagram, da wurde schon manchmal bemängelt, so der Fall war jetzt aber, naja.
Und wir sind halt mit dem alten Konzept sehr eingeschränkt gewesen in der Fallauswahl, weil das immer zu diesem Oberthema sein musste, nur damit das halt in dieses Format reinpasst.
Genau, und jetzt ist es so, wir kommen natürlich weiterhin jede Woche raus, keine Angst, aber eben nur noch mit einem Fall, aber da werden wir weiterhin mit Themen arbeiten.
Und es wird auch weiterhin Ahas geben. Wir haben uns da jetzt auch nochmal ein paar Gedanken zugemacht, wie die Folgen halt in Zukunft aussehen sollen.
Und wir wollen auch weiterhin Dinge vorbereiten, von denen die andere dann nichts weiß.
Und wir glauben dann, dass wir so mordlos unter diesen Voraussetzungen dann auch noch sechs weitere Jahre machen können.
Mindestens.
Fünf haben wir immer gesagt, fünf Jahre. Und jetzt sind es sechs.
Und nochmal sechs.
Dann können wir nochmal sechs, ja. Und wir hoffen natürlich, dass ihr weiterhin dabei bleibt. Da würden wir uns sehr drüber freuen.
Ja, wir versprechen weiterhin spannende und interessante Folgen. Und jetzt geht es aber los mit einem Verbrechen, das seine Schatten gut sichtbar vorausgeworfen hat.
Es ist ein Fall, der in einem kleinen Dorfidyll geschieht, aber eine große Dimension hat.
Denn er bringt die Justiz an ihre Grenzen und wirft die Frage auf, ob hier vielleicht der perfekte Mord gelungen ist.
Alle Namen sind geändert.
Es könnte ein Werbespot für Urlaub in Südbayern sein.
Auf den weiten grünen Wiesen weiden Kühe. Im Hintergrund ragen die mächtigen Alpen in den Augusthimmel.
Ein kristallblauer Fluss warnt sich seinen Weg vorbei an Häusern, in deren Balkonkästen die Geranien blühen.
Und wer wissen will, wie spät es ist, lauscht den Glockenschlägen, die regelmäßig aus dem Zwiebeltürmchen der kleinen Kirche ertönen.
Hier, in dem rund 1500 Seelendorf, ist die Welt noch in Ordnung.
Doch an diesem Dienstagmittag, den 14. August 2001, stört ein Streifenwagen die malerische Idylle.
Zwei Polizisten sind unterwegs zu einem Anwesen, in dem eine Frau gestorben ist.
Laut dem Arzt, der die Polizei vor wenigen Minuten angerufen hat, handele es sich dabei um eine alte Dame, die seit Jahren an Diabetes und Herzproblemen litt.
Allerdings ist für den Mediziner nicht klar, ob ihre Vorerkrankungen nun auch zu ihrem Tod führten.
Die Todesursache eindeutig zu klären, ist daher Aufgabe der Polizei.
Als die Streifenbeamten an der angegebenen Adresse am Ortsrand ankommen, stehen sie vor einer ehemaligen Ferienpension.
Die Tür ist abgesperrt, eine Klinge gibt es nicht.
Also läuten sie am Gebäude nebenan.
Doch auch die Tür des großzügigen Einfamilienhauses bleibt geschlossen.
Seltsam.
Es hieß doch, hier wohnen Angehörige der Senioren.
Die Polizisten versuchen es noch einmal.
Niemand öffnet.
Erst als sie erbarmungslos Sturm klingeln, regt sich etwas.
Die Türsprechanlage knackt und eine Frauenstimme meldet sich.
Die Einsatzkräfte erklären der Frau, dass sie wegen des Todesfalls im Nachbarhaus der ehemaligen Pension hier sind.
Darauf reagiert die Frau überrascht und ihre nächsten Worte sind unmissverständlich.
Mit der Polizei will sie nichts zu tun haben.
Und ihre Personalien wird sie auch nicht nennen.
Die Polizisten sind irritiert über das barsche Verhalten der Frau.
Noch während sie darüber nachdenken, wie sie sie umstimmen können,
erscheint auf dem Grundstück ein junger Mann mit kurzgeschorenen Haaren und einer schmalen Brille auf der Nase.
Die Beamten wird dann ihre Chance.
Vielleicht haben sie bei ihm mehr Glück.
Aber der junge Mann denkt nicht daran, mit ihnen zu sprechen.
Stattdessen fixiert er den Streifenwagen und schreibt sich das Kennzeichen auf.
Dann mutt er in einem ebenso unfreundlichen Ton wie die Frau von der Gegensprechanlage
runter von diesem Grundstück.
Die Polizei habe hier nichts verloren.
Den beiden Streifenbeamten ist klar, so wird das hier nichts.
Sie brauchen Verstärkung.
Die trifft kurze Zeit später in Form der Kriminalpolizei ein.
Außerdem parkt auch ein Mitarbeiter eines Schlüsseldienstes vor dem Anwesen.
Mit seiner Hilfe verschaffen sich die ErmittlerInnen Zugang zu der ehemaligen Ferienpension.
Es ist nicht ganz einfach, sich in dem weitläufigen Gebäude mit den vielen Türen zurechtzufinden.
Die ermittelnden irren durch die langen Gänge und es dauert, bis sie die tote Dame endlich entdecken.
Die kleine rundliche Frau mit dem dünnen grau-weißen Haar liegt in einem der Badezimmer im ersten Stock.
Der Kripobeamte, der ihre Leiche untersucht, kommt schnell zum selben Ergebnis wie der Arzt, der die Polizei alarmiert hat.
Die Todesursache ist unklar.
Daher wird die Leiche in die Rechtsmedizin nach München gebracht.
Eine Obduktion wird zeigen, woran die Senioren gestorben ist.
Während KollegInnen die Leiche abtransportieren, will ein Kripobeamter mit den Angehörigen der alten Dame sprechen,
die in dem weißen Einfamilienhaus nebenan wohnen.
Aber er hat genauso wenig Glück wie eine Stunde zuvor die Streifenpolizisten.
Sie verweigern ein Gespräch und werfen ihn vom Grundstück.
Doch immerhin weiß die Polizei inzwischen, um wen es sich bei der Verstorbenen handelt.
Es ist die Schwiegermutter der Frau, die die Beamten an der Gegensprechanlage so kurz angebunden abgefertigt hat,
und die Oma des jungen Mannes, der sich das Kennzeichen notierte.
Lisbeth Alba
Lisbeth lebt schon immer in der Gegend.
Sie ist in den 20er Jahren in dieser Bilderbuch-Idylle aufgewachsen.
Als junge Frau arbeitet sie als Hausmädchen, bis sie mit Anfang 20 in die Familie Alba einheiratet.
Ihr Ehemann hat da gerade das Sägewerk im Dorf übernommen,
das sich schon seit Jahrzehnten im Besitz der Familie befindet
und ihr über die Jahre immer mehr Geld und Wohlstand eingebracht hat.
So viel, dass die Albers die Könige vom Leusachtal genannt werden.
Und kurz darauf gibt es schon einen Thronfolger.
Anfang der 40er Jahre kommt ihr gemeinsamer Sohn Alfred zur Welt.
Lisbeth weiß, dass viele andere Frauen sie beneiden, weil sie mit ihrem Mann so einen guten Fang gemacht hat.
Aber sie ruht sich nicht auf dem Vermögen seiner Familie aus und lässt ihn nicht allein die ganze Arbeit machen.
Als ihr Alfred groß genug ist, bewirtschaftet Lisbeth eine Pension, die nicht nur für Urlaubsgäste zu einem beliebten Ziel wird.
Sogar Politiker und Wirtschaftsgrößen aus München kehren gerne in dem langgezogenen Gebäude mit den drei Etagen und der detailverliebt bemalten Fassade ein.
Dabei steht die Pension am Fuß der Bayerischen Alpen nicht nur TouristInnen offen.
Auch die Einheimischen kommen oft und gerne zum Essen ins Gästehaus vorbei.
Und Lisbeth liebt es, sich mit ihren Gästen zu unterhalten und unter Leuten zu sein.
Deshalb ist sie nicht nur wegen ihres vermögenden Ehemannes, sondern auch wegen ihrer geselligen Art bekannt und bei vielen beliebt.
Allerdings hallen durch den Ort nicht nur positive Stimmen.
Einige BewohnerInnen bezeichnen Lisbeth als eine kritische und dominante Frau.
Eine Königin, die über ihre Pension herrscht und vom Personal viel fordert, aber wenig bezahlt.
Doch die Monarchie ist auch im Leusachtal keine Regierungsform für die Ewigkeit.
Über die Jahrzehnte läuft das Sägewerk der Albers immer schlechter, bis es schließlich bankrott geht.
Und auch Lisbeths geliebte Pension lockt mit der Zeit immer weniger Gäste an.
1995 muss Lisbeth auch noch ihren Mann beerdigen.
Zurück bleibt die inzwischen 76-Jährige mit ihrem Sohn Alfred, Schwiegertochter Fiona und ihrem Enkel Florian.
Ihrem blassen, unscheinbaren Sohn und seiner aufgetakelten Frau kann Lisbeth nur wenig abgewinnen.
In ihren Augen tickt Alfred nicht ganz richtig und Fiona bezeichnet sie als Schrabnell.
Was offenbar so viel wie Schabracke heißt.
Okay.
Kanntest du das?
Nee, hab ich noch nie gehört.
Hört sich aber viel netter an als Schabracke, ne?
Schrabnell.
Ja, das hört sich eher so adelig an.
Das ist eine Schrabnell, weißt du?
Ja, genau.
Es wäre schon ganz anders mit einem E hinten.
Bei einer Schrabnelle, da würde ich nicht an blaues Blut denken, da würde ich an Discounter-Lippenstift auf den Zähnen denken.
Ja.
Aber ihren 19-jährigen Enkel Florian, der Sohn der sogenannten Schrabnell, den liebt Lisbeth heiß und billig.
Daher hat sie ihr Erbe längst geregelt.
Mit einer Generalvollmacht hat sie ihr Hab und Gut an Florian überschrieben.
Dazu gehört unter anderem die Pension.
Für Lisbeth ist es wichtig zu wissen, dass vor allem die in guten Händen ist.
Dort hat sie einen großen Teil ihres Lebens verbracht, jahrelang Herzblut hineinfließen lassen und so viele schöne Momente erlebt.
Umso mehr schmerzt es sie, dass sie nicht mehr an der Rezeption stehen und die Übernachtungsgäste begrüßen kann.
Aber so gern Lisbeth es möchte, sie kann das Gästehaus nicht mehr bewirtschaften.
Die vergangenen Jahre haben sie nicht nur älter, sondern auch klapprig gemacht.
Sie ist an Diabetes erkrankt und auch ihr Herz schlägt längst nicht mehr so kräftig wie früher.
Daher kommt Lisbeth im Februar 1996, kurz nach dem Tod ihres Mannes, in eine Pflegeeinrichtung.
Doch Anfang 2001, nach fünf Jahren im Heim, wollen Sohn Alfred, seine Frau Fiona und Enkel Florian Lisbeth wieder nach Hause zurückholen.
Die drei erinnern sie an die guten alten Zeiten, die ihr so viel bedeutet haben.
Lisbeth könnte diese jetzt zumindest ein Stück weit wieder aufleben lassen.
Sie könnte zurückkehren und in der Pension wohnen, die sie so lange mit Leib und Seele geführt hat.
Um die Versorgung müsste sie sich keine Gedanken machen.
Alfred, Fiona und Florian könnten sich kümmern, immerhin wohnen sie im Haus gleich nebenan.
Die Bilder, die Sohn, Schwiegertochter und Enkel mit ihren Worten malen,
lassen Lisbeths Vergangenheit in hellen Farben aufleuchten und so willigt sie ein.
Sie ist inzwischen Anfang 80, aber sie hat keine Lust, ihr Dasein weiterhin im Pflegeheim zu fristen.
Sie will daheim sein, so wie früher.
So zieht sie am 31. Januar 2001 wieder zurück in ihr ehemaliges Reich.
Für Lisbeth steckt die Pension noch immer voller alter Geschichten und Erlebnisse.
Es gibt unzählige Anekdoten mit Gästen und Politikern.
Lisbeth schweckt gern in den Erinnerungen an eine Zeit, in der sie noch kräftig und gesund war.
Eine Zeit, in der sie als Pensionswirtin und Frau des Sägewerkbesitzers noch eine Persönlichkeit war.
Doch anders als früher herrscht in der Pension jetzt, im Frühjahr 2001, kein Leben mehr, sondern nur noch Trübsal.
Das merkt Lisbeth schnell, nachdem sie eines der leeren Schlafzimmer im ersten Stock bezogen hat.
Das Gebäude, das einst voller Gewusel war, ist verlassen.
Was ist ein Gästehaus noch wert, wenn es keine Gäste gibt?
Die einzigen BesucherInnen sind Spinnen, die in den Ecken lautlos ihre Netze weben.
Die Stille im Haus ist nicht zu überhören und Lisbeth fühlt sich so einsam wie seit Ewigkeiten nicht mehr.
Alfred, Fiona und Florian wohnen zwar im Gebäude nebenan,
aber für Lisbeth, die schwach und vergreist ist, sind auch die paar Meter eine unüberwindbare Distanz.
Und besuchen kommen die drei sie nicht.
Niemand setzt sich mal zu ihr und spielt mit ihr eine Runde Rommi oder isst mit ihr ein Stück Kuchen.
Und so wird die Pension, die für sie einst ihr Lieblingsort war, zu einem Gefängnis, dem sie nicht entkommen kann.
Lisbeth ist von der Außenwelt abgeschnitten und hat auch keine Möglichkeit,
Kontakt mit jemandem außerhalb des Hauses aufzunehmen.
Denn sie hat kein funktionstüchtiges Telefon.
Noch dazu weiß sie nicht, ob alte FreundInnen oder Bekannte bei ihr vorbeischauen wollen.
Es gibt keine Klingel, die Besuch ankündigen würde.
Und auch auf gut Glück kann Lisbeth nicht kontrollieren, ob jemand vor der Eingangstür steht.
Die Gegensprechanlage funktioniert nicht mehr.
So wird der Alltag der 82-Jährigen immer eintöniger.
Und sie kann nichts dagegen tun, denn sie ist körperlich einfach nicht mehr dazu in der Lage.
Dafür hat Lisbeth viel Zeit zum Nachdenken.
Sie versteht nicht, warum ihre Familie sie in die Pension zurückgeholt hat,
sich aber jetzt, anders als versprochen, überhaupt nicht um sie kümmert.
Lisbeth ist oft hungrig.
Sattgegessen hat sie sich schon lange nicht mehr,
da die Essensportionen, die sie von Alfred, Fiona und Florian bekommt, mickrig sind.
Außerdem friert sie ständig, weil die Heizung in ihrem Zimmer ausgeschaltet ist.
Um sich zu wärmen, kann sie sich nur in ihr Bett mummeln.
Doch auch dann fühlt sie sich nicht wohl.
Die Laken verdrecken mit der Zeit.
Schwiegertochter Fiona kommt nur selten mit gewaschener Wäsche vorbei.
So wird Lisbeths Leben in dem Gebäude, das einst ihr Zuhause war, zu einer Tortur.
Ein Lichtblick in ihrem trostlosen Alltag ist für Lisbeth nur Freund Manfred.
Der Mann aus dem Nachbardorf mit dem dichten grauen Haar und dem nachdenklichen Blick
ist einige Jahre jünger als Lisbeth und kennt sie quasi, seitdem er auf der Welt ist.
Denn bevor Lisbeth in die Familie Eiber eingeheiratet hat,
arbeitete sie bei Manfreds Großeltern als Hausmädchen.
Als Manfred im Frühsommer, ein paar Monate nachdem Lisbeth vom Seniorenheim zurück in die Pension gezogen ist,
wieder einmal bei ihr vorbeischaut, ist er erschüttert.
Lisbeth ist kaum wiederzuerkennen.
Die einst so resolute Frau wirkt kraftlos und verängstigt.
Es ist offensichtlich, dass ihr schwaches Herz und der Diabetes ihr zu schaffen machen
und dass sie in dem riesigen Haus völlig verloren ist.
Aber nicht nur das, was Manfred sieht, sondern vor allem das, was er hört, schockiert ihn.
Was Lisbeth ihm erzählt, gleicht einem Schauermärchen.
Sohn, Schwiegertochter und Enkel würden sie behandeln wie ein Tier.
Eines Nachts sei sie sogar nackt in einen Käfig gesperrt worden.
Manfred verstört diese Information.
Ist das wirklich wahr?
Aber das kann doch gar nicht sein.
Welche Familie sollte der eigenen Oma so etwas antun?
Fantasiert sich Lisbeth da nicht was zusammen?
Aber was, wenn da doch was dran ist?
Seine alte Freundin sieht immerhin wirklich schlecht aus.
Weil er weiß, dass die Grübelei nichts bringt, beschließt er sich Klarheit zu verschaffen
und marschiert schnurstracks zum Nachbarhaus, in dem Lisbeths Sohn mit seiner Familie wohnt.
Auf Lisbeths Geschichte mit dem Käfig angesprochen, antworten die Albers mehr als deutlich, Manfred solle verschwinden.
Ab jetzt habe er Hausverbot hier.
Manfred glaubt, er hört nicht richtig.
Was ist das bitte für eine überzogene Reaktion?
Aber sie bestätigt ihn darin, dass Lisbeth möglicherweise doch die Wahrheit gesagt hat.
Und in jedem Fall Hilfe braucht.
Auf keinen Fall kann er die 82-Jährige allein und sie damit ihrem Schicksal überlassen.
Obwohl ihm Lisbeths Familie deutlich gesagt hat, dass er sich nicht in ihre Angelegenheiten einmischen solle,
meldet sich Manfred bei Lisbeths Arzt und bittet ihn, seiner Patientin einen Hausbesuch abzustatten.
Bei den Albers stimme etwas nicht.
Nach dem Arztbesuch fühlt sich Manfred noch mehr bestärkt darin, das Richtige getan zu haben.
Der Mediziner erkennt nämlich Verwahrlosung bei Lisbeth.
Die kranke Frau kann nicht allein leben, aber weder ihr Sohn Alfred noch Schwiegertochter Fiona oder Enkel Florian kümmern sich angemessen um sie.
So kann es nicht weitergehen.
Wenn die Familie nicht hilft, muss professionelle Unterstützung her.
Auf ärztliche Anordnungen kommen deshalb ab dem 12. Juli 2001 täglich Mitarbeitende eines Pflegedienstes in das alte Gästehaus,
um Lisbeth ihre Medikamente zu geben und ein Auge auf sie zu haben.
Manfred fällt ein Stein vom Herzen.
Gott sei Dank sorgt jetzt jemand angemessen für seine Freundin.
Er ahnt nicht, dass das trotzdem nicht ausreicht, um Lisbeths Leben zu bewahren.
Es ist Viertel nach acht, als Pflegerin Ulrike an diesem Dienstag, den 14. August 2001, die ehemalige Pension betritt.
Sie kommt seit einem Monat jeden Morgen, um der 82-jährigen Lisbeth Insulin zu spritzen.
Ulrike steigt wie gewöhnlich die Treppe in den ersten Stock hoch und geht den Gang entlang zum Zimmer der Seniorin.
Doch anders als sonst liegt Frau Eiber nicht in ihrem Bett.
Ist sie vielleicht im Bad?
Ulrike ruft nach ihr, während sie sich auf den Weg dorthin macht.
Doch eine Antwort erhält sie nicht.
Und einen Moment später wird ihr auch klar, wieso.
Lisbeth Eiber liegt auf dem Badezimmerboden.
Ihr Kopf scheint unter der Toilette seltsam verkeilt.
Sie trägt nichts als ein rosa-beiges Stützkorsett und Nylonstrümpfe in zwei unterschiedlichen Brauntönen.
Als Ulrike sich nähert, erkennt sie auf dem Fußboden noch etwas.
Lisbeths Gebiss liegt neben ihr.
Und die Seniorin atmet nicht mehr.
Die Altenpflegerin erschrickt und handelt sofort.
Sie läuft die Treppe hinunter, raus aus der Pension, rüber zum Haus der Familie Eiber.
Wir brauchen einen Notarzt, schnell, ruft Ulrike, als sie im Garten auf Lisbeths Schwiegertochter Fiona trifft, die gerade nasse Wäsche aufhängt.
Aber die lässt sich nicht von Ulrikes Sorge anstecken.
Ohne mit der Wimper zu zucken, dreht sich die 54-Jährige die Lockenwickler aus dem dunkelblonden Haar.
Nur ein Befehl verlässt ihre dünnen Lippen.
Verschwinden Sie, fährt sie Ulrike an.
Dann wendet sie sich ab und wieder ihrer Wäsche zu.
Kurz darauf dringt das Heulen einer Sirene durch das Dorf.
Notarzt und RettungssanitäterInnen eilen auf das Grundstück der Albers, wo Fiona seelenruhig Kleidung aufhängt.
Wo ist die alte Dame und wie kommen sie zu ihr?
Fiona würdigt die Einsatzkräfte kaum eines Blickes.
Sie bewegt nur ihren Kopf etwas in Richtung Pension.
Der Notarzt und die SanitäterInnen laufen ins Gebäude, aber die Gänge sind lang.
Wie ein Labyrinth breiten sie sich vor ihnen aus.
Sie haben keine Ahnung, wo die Seniorin liegt, die dringend Hilfe braucht.
Sie schauen in jeden Raum, bevor sie im ersten Stock endlich das Badezimmer entdecken.
Doch dem Team ist sofort klar, dass sie zu spät kommen.
Die Leichenstarre ist längst eingetreten.
Das bedeutet, Lisbeth Eiber ist schon seit ein paar Stunden tot.
Die Todesursache ist für den Notarzt unklar.
Das soll sich der Kollege, der die Leichenschau durchführt und den Totenschein ausstellt, genauer anschauen.
Dieser Kollege ist Lisbeths Hausarzt, der erst vor gut einem Monat dafür gesorgt hat,
dass die Seniorin von einem Pflegedienst betreut wird.
Der Mediziner kennt Lisbeth schon lange und er weiß seit Jahren über ihr erkranktes Herz Bescheid.
Dass das nun nach 82 Jahren aus gesundheitlichen Gründen aufgehört hat zu schlagen, ist gut möglich.
Lisbeths Familie, die sich inzwischen auch in der Pension blicken lässt, ist davon jedenfalls felsenfest überzeugt.
Woran sollte die Oma sonst gestorben sein, wenn nicht an ihrem schwachen Herzen?
Dazu kann der Hausarzt nichts sagen, aber ihn beschleicht ein seltsames Gefühl.
Das Gefühl, dass Lisbeths Herz möglicherweise nicht von selbst aufgehört hat zu schlagen.
Auf dem Totenschein schreibt er daher in das freie Kästchen für die Todesursache unklar.
Klar ist aber, wenn die Todesursache nicht feststellbar ist, muss er die Polizei benachrichtigen.
Er fragt die Albers daher, ob er ihr Telefon benutzen könne.
Wir befinden uns hier Anfang der 2000er, da sind Handys noch nicht so weit verbreitet.
Doch sowohl für Lisbeths Sohn Alfred als auch für ihre Schwiegertochter Fiona und Enkel Florian scheint die Bitte des Mediziners eine bodenlose Unverschämtheit zu sein.
Der Hausarzt glaubt seinen Ohren nicht zu trauen, als die Schimpftirade der drei auf ihn einprasselt.
Was ihm einfällt, die Polizei zu holen, auf gar keinen Fall.
Und erst recht nicht von ihrem Festnetztelefon aus.
Was für eine Frechheit, er solle schauen, dass er Land gewinnt, aber flott.
Und so verlässt Lisbeths ehemaliger Hausarzt das Grundstück, ohne vorher die Polizei gerufen zu haben.
Kurze Zeit später, um 10 Uhr vormittags, geht bei einem anderen Arzt in der Gegend die Praxistür auf.
Zwei Männer treten ein, ein älterer, unauffälliger, mit schmaler Statur und ein jüngerer, mit kurzgeschorenem Haar und Brille.
Es sind Lisbeths Sohn Alfred und ihr Enkel Florian.
Es gäbe einen Notfall, sie bräuchten dringend einen Arzt.
Das Praxispersonal ist alarmiert.
Was denn für ein Notfall?
Die Männer drucksen herum.
Eigentlich ist es kein Notfall, sondern ein Todesfall.
Die alte, kranke Oma sei gestorben.
Ein Arzt müsse nur schnell den Totenschein ausstellen.
Der Arzt setzt sich ins Auto und folgt Alfred und Florian in ihrer schicken Mercedes-Limousine zu der ehemaligen Pension.
Innerhalb von gut zwei Stunden ist es der dritte Mediziner, der Lisbeths Leiche in Augenschein nimmt.
Und wie schon der Notarzt und Lisbeths Hausarzt kommt auch er zu dem Schluss.
Es ist nicht klar, dass Lisbeth eines natürlichen Todes starb.
Ihr Sohn und ihr Enkel wollen das noch immer nicht verstehen.
Lautstark beteuern sie, die Oma war über 80 gebrechlich.
Sie litt seit Jahren an Diabetes und einem schwachen Herzen.
Natürlich starb sie eines natürlichen Todes.
Was gibt es denn da zu zweifeln?
Doch der Mediziner lässt sich nicht einschüchtern.
Es handelt sich um einen ungeklärten Todesfall, der untersucht werden muss.
Deshalb alarmiert er die Polizei.
Und hier sind wir dann wieder am Anfang der Geschichte, wo der Streifenwagen auf das Anwesen der Eibers fährt.
Und die Polizei, die sorgt dann dafür, dass Lisbeths Leiche zur Obduktion in die Rechtsmedizin nach München kommt.
Aber was mögliche Informationen zu ihrem Tod angeht, beißen sich sowohl die zwei Streifenbeamten als auch die Kripo an Sohn Alfred, Schwiegertochter Fiona und Enkel Florian die Zähne aus.
Aber so, wie sich die drei hier aufführen, sind sie mehr als verdächtig.
Wenn es um Lisbeth geht, sind sie seltsam emotionslos.
Sie verweigern vehement eine Befragung und werfen die Beamtinnen auch noch vom Grundstück.
Das alles ist höchst fragwürdig.
Und der Verdacht erhärtet sich, als wenig später das Obduktionsergebnis feststeht.
Es zeigt, dass die Ärzte mit ihrer Einschätzung, dass man sich die Todesursache genauer ansehen müsse, richtig lagen.
Die RechtsmedizinerInnen stellen nicht nur Hämatome im Gesicht, am Hals, an den Armen, Schulterblättern und im Lendenbereich fest,
sondern auch punktförmige Eindutungen im Gesicht, an den Augenlidern und im Rachen.
Ein Hinweis darauf, dass Lisbeth gewürgt worden sein könnte.
Was die ExpertInnen ebenfalls für sehr wahrscheinlich halten,
dass der alten Frau mit einem weichen Gegenstand, etwa einem Kissen oder einer Decke, Mund und Nase zugedrückt wurden.
Schwarz auf Weiß halten sie fest, Zitat
Jetzt ist eindeutig klar, Lisbeth ist ganz sicher nicht an ihrem schwachen Herzen gestorben.
Sie wurde getötet.
Und drei Leute stehen im dringenden Verdacht, es getan zu haben.
Daher klingelt die Polizei am frühen Dienstagabend noch einmal an dem Weißen Einfamilienhaus neben der ehemaligen Pension.
Gemeinsam mit dem Staatsanwalt sollen die Albers befragt werden.
Doch wie schon am Morgen wird den Ermittelnden nicht geöffnet.
Und es kommt auch niemand heraus.
Alle drei verbarrikadieren sich in ihrem Zuhause und verweigern den Kontakt zu den Ermittlungsbehörden.
Weil die Polizei nach ein paar Stunden keine andere Möglichkeit mehr sieht, an die Familie heranzukommen, wird das SEK angefordert.
Sollten die drei, die dringend tatverdächtig sind, die Oma getötet zu haben, nicht kooperieren,
werden die Spezialkräfte das Gebäude stürmen und die Albers so dazu zwingen, den Ermittler ihnen gegenüber zu treten.
Kurz darauf rauscht ein Großaufgebot an Fahrzeugen in den kleinen Ort.
Aus ihnen klettern zahlreiche vermummte und stark bewaffnete Einsatzkräfte.
Dazu parken Rettungswagen vor dem Einfamilienhaus neben der alten Pension und die Feuerwehr sperrt den Bereich großräumig ab.
Eine Sicherheitsmaßnahme, da niemand weiß, ob die Situation zwischen Polizeikräften und der Familie nicht vielleicht eskaliert.
Alles ist möglich, vor allem weil die ErmittlerInnen inzwischen wissen, dass Lisbets Sohn Alfred Jäger ist und er deshalb mehrere Schussfeuerwaffen besitzt.
Durch diese Armade an Einsatzkräften ist es im Dorf endgültig vorbei mit der Alpenländischen Bilderbuchidylle.
Hier, wo jeder jeden kennt und Haustüren so gut wie nie abgesperrt werden, hat sich etwas Schreckliches ereignet.
Als die Sonne gegen halb neun am Abend langsam hinter den Berggipfeln verschwindet, formieren die Spezialkräfte einen Ring um das Haus der Albers.
Wie eine Schlinge, die sich zuzieht, wollen sie so Alfred, Fiona und Florian zum Aufgeben zwingen.
Da huscht plötzlich jemand mit einer Schubkarre durch den weitläufigen Garten.
Es ist Alfred, der im Schutz der Dämmerung abhauen will.
Als er erkennt, dass sein Manöver aufgeflogen ist, greift er in den Eimer, den er in der Schubkarre transportiert.
Doch die PolizistInnen sind schneller.
Sie überwältigen den 59-Jährigen, legen ihm Handschellen an und konfiszieren den Revolver, den er in dem Eimer versteckt hatte.
Die Einsatzkräfte atmen durch.
Spätestens jetzt ist allen klar, wie gefährlich die Situation ist.
Der Mann war bewaffnet und er hätte sich offenbar nicht gescheut, seine Waffe zu benutzen,
wenn sie nur ein paar Sekunden länger gebraucht hätten, um ihn zu überwältigen.
Das ist gerade noch einmal gut gegangen.
Eine von drei Personen ist festgenommen.
Ein erster Sieg.
Aber die Schlacht ist noch nicht geschlagen.
Lisbeths Schwiegertochter und ihr 25-jähriger Enkel verschanzen sich noch immer in dem weiß gestrichenen Haus und machen auch keine Anstalten, sich zu ergeben.
Inzwischen ist es dunkel.
Über dem Ort erstreckt sich der Sternenhimmel.
Doch dafür haben die Einsatzkräfte keinen Blick.
Etliche Augenpaare sind starr auf das Wohnhaus gerichtet, scannen Fenster und Türen nach der kleinsten Bewegung.
Doch nichts geschieht.
Bis gegen 23 Uhr, zweieinhalb Stunden nach Alfreds Festnahme, auf einmal die Balkontür im ersten Stock des Einfamilienhauses aufgeht und Fiona auf dem Balkon erscheint.
Hat die 54-Jährige nun etwa eingesehen, dass ihr Widerstand zwecklos ist?
Doch nur Sekundenbruchteile später erkennen die PolizistInnen, dass Fiona keine weiße Fahne schwenkt.
Im Gegenteil.
Ihre Hände umklammern eine Pistole.
Sie denkt nicht ans Aufgeben, sondern ans Angreifen, denn sie zielt mit der Waffe auf die SEK-BeamtInnen im Garten und schießt.
Der Schuss geht ins Leere.
Doch jetzt wissen die Einsatzkräfte, diese Frau ist zu allem bereit.
Daher muss sie so schnell wie möglich überwältigt werden.
Und so besiegelt Fiona Schießaktion, wie sie später herausstellt, mit einer Schreckschusswaffe, nicht nur ihr eigenes Schicksal, sondern auch das von ihrem Sohn Florian.
Wenig später gibt die Einsatzleitung einen unmissverständlichen Befehl.
Zugriff.
Der SEK-Trupp stürmt das Haus, in dem Fiona und Florian schon seit etlichen Stunden ausharren.
Sie überwältigen die beiden und zwingen sie schließlich dazu, ihre Festung zu verlassen und direkt ins Verlies zu gehen.
Wie zuvor Alfred werden die beiden festgenommen und kommen wie er in Untersuchungshaft.
Und da muss man jetzt ja auch mal dazu sagen, wenn der Alfred Jäger war, ist das ja gar nicht klar,
ob die Alte da nicht irgendwann mit einer anderen Art von Waffe auch nochmal aufgetaucht wäre.
Klar, oder der Florian.
Ja, ja, genau.
Also die waren ja offenbar echt zu allem bereit.
Ja, ich habe mich auch gewundert, dass sie nicht schon früher zugegriffen haben.
Ja, ist natürlich immer auch gefährlich.
Ja, zum Glück ist das jetzt gut gegangen.
Ohne einen einzigen Schuss durch die Polizei.
Da muss man auch mal sagen, da hat die Polizei einen richtig guten Job gemacht.
Ein Dreivierteljahr später, im März 2002, beginnt vor dem Landgericht München II der Prozess im Fall Oma Lisbeth,
wie der Fall in Zeitungen deutschlandweit genannt wird.
Elf Verhandlungstage sind dafür angesetzt.
In einem Saal des siebengeschossigen Baus aus Beton und Glas nehmen gleich drei Menschen auf der Anklagebank Platz.
Alfred, Fiona und Florian sind wegen gemeinschaftlichen Mordes an Lisbeth angeklagt.
Dass die drei Mitglieder der Familie Alba ihre eigene Mutter, Schwiegermutter und Oma auf dem Gewissen haben,
liegt für den Staatsanwalt auf der Hand.
In seinen Augen deuten alle Ermittlungsergebnisse darauf hin.
Und auch das Mordmotiv ist für den Staatsanwalt klar.
Lisbeths Vermögen wurde ihr zum Verhängnis.
Ihre Familie hat sie aus Habgier getötet.
Aber schon weit vor dem Mord verhielten sich Lisbeths Angehörige mehr als merkwürdig.
Der Staatsanwalt rekonstruiert die Ereignisse für die Zuhörenden im Gerichtssaal so.
Als Alfred, Fiona und Florian Anfang 2001 die alte Dame aus dem Pflegeheim zu sich holen,
geht es den drei nicht darum, die Oma wieder zu Hause zu haben
oder ihr einen schönen Lebensabend im Kreis der Familie zu bereiten.
Sie wollen schlicht die 5000 Mark jeden Monat für das Pflegeheim sparen.
Denn dass der Familie Lisbeths wohl herzlich egal ist, zeigt sich schnell.
Unter dem Vorwand, Lisbeth könne in ihrer ehemaligen Pension alte Zeiten wieder aufleben lassen,
holen die drei Lisbeth nicht in ihr Einfamilienhaus, in dem es noch genügend Platz für sie gäbe,
sondern lassen die 82-jährige Mutterseelen allein in die riesige Pension einziehen,
wo Lisbeth zunehmend verwahrlost.
In den darauffolgenden Monaten geschehen in der alten Pension seltsame Dinge.
Davon berichtet Pflegerin Ulrike, als sie in den Zeuginnenstand tritt
und vor den RichterInnen unter Eid schwört, die Wahrheit zu sagen.
Was sie in ihren Aussagen enthüllt, lässt den ZuhörerInnen im Gerichtssaal das Blut in den Adern gefrieren.
In dem einen Monat, in dem Ulrike regelmäßig zu Lisbeth kommt,
bemerkt die Pflegerin schnell, dass Lisbeth auffallend oft vom Sterben spricht.
An und für sich ist das nichts Besonderes, der Tod ist für ältere Menschen oft ein großes Thema.
Als Altenpflegerin weiß Ulrike das selbst am allerbesten.
Aber bei Lisbeth ist das irgendwie anders.
Anders als viele andere ihrer KlientInnen sagt sie nicht, dass sie sterben will.
Im Gegenteil, sie ist überzeugt, dass sie sterben soll.
Ulrike nimmt das nicht für bare Münze.
Aber Lisbeth berichtet noch mehr Unheilvolles.
Zum Beispiel von einer Balkontür, die Sohn, Schwiegertochter und Enkel
vor nicht allzu langer Zeit extra in ihr Zimmer im ersten Stock hätten einbauen lassen.
Doch einen zugehörigen Balkon gäbe es nicht.
Lisbeth ist sich sicher, dass die Balkontür eine Falle ist, das Tor in den Tod.
Als Ulrike an diesem Tag die Arbeit bei Lisbeth beendet, nimmt sie die Außenfassade gründlich unter die Lupe.
Und tatsächlich.
Im ersten Stock ist eine Balkontür zu sehen, deutlich neuer als der Rest des Hauses und ohne Balkon davor.
Seltsam.
Aber bestimmt gibt es dafür eine sinnvolle Erklärung, denkt Ulrike.
Ein anderes Mal erzählt Lisbeth Ulrike von der furchtbaren Nacht, die sie durchlebt habe.
Ihre Familie habe sie aus dem Bett geholt und in eine Truhe gesperrt.
Und zwar nackt.
Was ist das für eine seltsame Geschichte?
Wird Lisbeth etwa von ihrer Familie misshandelt?
Aber Ulrike weiß auch, dass es um Lisbeths Gesundheitszustand nicht zum Besten steht.
Bisher waren es zwar körperliche Beschwerden, aber möglicherweise ist die alte Dame verwirrt.
Braucht sie noch weitere Medikamente?
Denn mal ganz im Ernst, welche Familie sperrt denn die eigene Oma nachts nackt in eine Truhe?
Die Geschichte mit dem Einsperren bestätigt allerdings auch Lisbeths Freund Manfred vor Gericht.
Nun sprach die alte Frau bei ihm von einem Käfig.
Als er Lisbeths Familie damit konfrontierte, wurde ihm ja ein Hausverbot entgegengeschrien,
das er aber geflissentlich ignoriert.
Auch als der Pflegedienst täglich zu Lisbeth kommt, besucht er seine alte Freundin bis August 2001 regelmäßig,
denn zum Glück ist die alte Pension fast nie verschlossen.
Je mehr sich Manfred in seiner Zeugenaussage Lisbeths Todestag nähert,
umso mehr quälen ihn die Gedanken daran.
Schuldgefühle haben sich wie Parasiten in seine Seele eingenistet
und durchlöchern seinen Geist permanent mit einer Frage.
Würde seine Freundin noch leben, wenn er besser auf sie aufgepasst hätte?
Denn als Manfred sich nach einem Besuch bei Lisbeth Anfang August verabschiedet,
offenbart er ihr, dass er drei Wochen lang nicht bei ihr vorbeischauen könne, weil ein USA-Urlaub ansteht.
Lisbeth erschrickt. Das darf nicht sein.
Mit großen Augen fleht sie Manfred inständig an, die Reise nicht anzutreten.
Das darf er ihr nicht antun. Die drei Wochen wird sie nicht überleben.
Die Zeit, die Manfred sie nicht besucht, wird die Familie nutzen, um Lisbeth umzubringen.
Davon ist die 82-jährige felsenfest überzeugt.
Manfred bemüht sich, die aufgebrachte Seniorin zu beschwichtigen.
Sie solle sich keine Sorgen machen, er sei ja bald wieder zurück.
Dann verabschiedet er sich, ohne zu wissen, dass es kein Wiedersehen mehr geben wird.
Drei Tage später ist Lisbeth nämlich tot.
Das ist wirklich so, so schrecklich, dass diese alte Dame da ja noch so einen Hilfeschrei abgibt,
weil sie sich wirklich sicher ist, dass ihre eigene Familie sie umbringen wird.
Ja, ja. Und das ist natürlich auch echt fies bei alten Menschen,
dass denen halt auch manchmal wirklich in solchen Fällen unterstellt wird,
dass die halt fantasieren oder dass die halt nicht mehr richtig beisammen sind oder so.
Ja. Und manchmal sind sie vielleicht auch schon tüdelig
und haben dann auch Probleme, sich konkret auszudrücken.
Und dann kann halt trotzdem was Wahres da dran sein.
Ja, also wie schlimm für den Manfred jetzt, dass er jetzt denkt,
irgendwie erst dafür verantwortlich.
Ja. Wenn dir sowas jemand sagt, du kannst es ja nicht glauben.
Ich weiß, aber ich meine, wenn eine Frau auch so verwahrlost ist, ne.
Ja, das stimmt auch wieder.
Ich meine, er hat sich ja gekümmert, er hat ja auch den Arzt gerufen und so,
der dann den Pflegedienst beauftragt hat.
Aber, also grauenhaft. Ja, sowas kann sie sich halt nicht vorstellen,
dass eine Familie zu sowas fähig ist halt, ja.
Naja, also wir wissen, Liesbeths Angst vor ihrem Tod war nicht unbegründet.
Und die Staatsanwaltschaft glaubt auch zu wissen, wieso.
Im Sommer 2001 ist das Erbe der alten Dame längst geregelt.
Schon vor Jahren hat Liesbeth eine Generalvollmacht für ihren Enkel Florian ausgestellt.
Die berechtigt ihn nicht nur, Liesbeths Bankkonten zu verwalten,
sondern auch ihre Immobilien.
Auf dem Papier verfügt der 25-Jährige also über sehr viel Geld.
Das Grundstück und die alte Pension sind über 3 Millionen Mark,
also etwas mehr als 1,5 Millionen Euro wert.
Florian muss sich allerdings an zwei Bedingungen halten.
Erstens hat Liesbeth dort ein lebenslanges Wohnrecht.
Und zweitens, er darf das Grundstück nicht verkaufen.
Was Liesbeth nicht weiß, Florian hat ein Schlupfloch gefunden.
Er hat das Grundstück in eine GmbH überführt, die er kontrolliert.
Und über diesen Umweg kann er es nach Liesbeths Ableben
auch entgegen ihrer Auflage veräußern.
Doch offenbar lebt ihm seine Oma zu lange
und verbraucht dabei zu viel von dem Geld, das er einmal erben wird.
Nachdem Florian, Alfred und Fiona Liesbeth aus dem Pflegeheim geholt haben,
lassen sie sie mehr als ein halbes Jahr lang vereinsamen und verwahrlosen,
in der Hoffnung, dass die alte, kranke Frau nicht mehr lange leben wird.
Allerdings machen die drei die Rechnung ohne Liesbeth.
Sie ist geistig immer noch fit und deshalb wehrt sie sich jetzt.
Am 8. August, drei Tage vor Manfreds letztem Besuch,
sieht eine Mitarbeiterin des Gesundheitsamts bei Liesbeth nach dem Rechten.
Liesbeth klagt der Frau ihr Leid und formuliert einen unmissverständlichen Wunsch.
Sie will nicht länger in der Pension vor sich hinvegetieren
und von ihrer eigenen Familie drangsaliert werden.
Sie will zurück ins Pflegeheim.
Und sie will noch etwas.
Sie will die Generalvollmacht, die sie ihrem Enkel ausgestellt hat,
widerrufen und wieder selbst Herren über ihre Konten und ihren Besitz sein.
Die Frau vom Gesundheitsamt bittet Schwiegertochter Fiona um ein Blatt Papier,
denn Liesbeth muss ihren Wunsch schriftlich festhalten.
Fiona keift sie an wie eine Furie.
Was soll das Ding jetzt auf einmal?
Das kommt ja überhaupt nicht in Frage.
Aber Liesbeth bleibt hartnäckig.
Sie hat es sich in den Kopf gesetzt, ihr Hab und Gut zurückzuholen.
Eine Familie, die sie derart schlecht behandelt, hat den Wohlstand,
für den sie und ihr Mann ihr Leben lang hart gearbeitet haben, nicht verdient.
Letztlich verfasst sie den Widerruf der Generalvollmacht auf einem Reklamezettel,
der zufällig herumliegt.
Sechs Tage später ist sie tot.
Es sind verstörende Details, die vor dem Münchner Landgericht ans Licht kommen.
Der Prozess offenbart, wie sehr die drei Angeklagten von Habgier zerfressen sind.
Und er enthüllt noch mehr.
Nicht nur die Beziehung der Eibers zu Oma Liesbeth war gestört.
Auch das Verhältnis zwischen Mutter Fiona und Sohn Florian ist mehr als komisch.
Im Wohnhaus der Familie Eiber haben die ermittelnden Briefe sichergestellt,
die Florian an seine Mutter geschrieben hat
und deren Inhalt RichterInnen und ProzessbesucherInnen äußerst irritiert.
Dort heißt es unter anderem, Zitat,
Meine tief herzinnigste Verbindlichkeit zu dir
wird wie ein Weizenkorn aufgehen
und zur strahlenden Wiedererstarkung unserer eigenen Triebkraft
und eigenen Tatkraft führen.
Außerdem soll der Teufel die Feinde, Zitat,
bei lebendigem Leib über den Spieß drehen.
Und
Wir müssen kämpfen ohne Rücksicht auf fremde Verluste.
Ich kann und werde es nicht hinnehmen,
dass charakterlose Elemente der Gesellschaft uns besiegen.
Wir müssen den Gegner entwaffnen.
Deshalb setze ich in deinen Verstand und deine Schönheit.
Was genau diese Zeilen bedeuten, wissen nur Mutter und Sohn.
Dem Gericht bleibt der Sinn hinter den salbungsvollen Worten verborgen.
Aber die Briefe sind ein weiteres Detail, das offenlegt,
welch merkwürdige und gewalttätige Dinge für die Familie Eiber anscheinend völlig normal sind.
Ja, und da habe ich mich jetzt auch so ein bisschen gefragt.
Also die reden ja da schon davon,
dass man ohne Rücksicht auf fremde Verluste kämpfen muss
und dass man den Gegner entwaffnen muss.
Und da bei dieser Wortwahl denke ich natürlich schon irgendwie daran,
haben die das geplant, was denn da passieren wird?
Es ist ganz merkwürdig, weil man normalerweise davon ausgehen würde,
dass sie einfach nur so tun,
als wäre ihre Oma jetzt in eines natürlichen Todes gestorben
und das dann auch vor der Polizei erzählen.
Aber sie machen sich ja damit nochmal so verdächtig,
dass sie sich da so verschanzen
und dann auch noch mit Waffen auf die schießen.
Diese kruden Liebesschwüre vom Sohn an die Mutter,
die in der Presse breitgetreten werden,
sind wie Öl für das Feuer,
das im Dorf seit Liesbeths Tod lodert.
Je mehr Details ans Licht kommen,
umso schockierter sind die BewohnerInnen darüber,
wer da mitten unter ihnen lebt.
Nach allem, was ans Licht kam,
ist die Frage nach der Schuld für die DorfbewohnerInnen eindeutig.
Alfred, Fiona und Florian haben Liesbeth ermordet.
Vater, Mutter und Kind,
die den natürlichen Tod der eigenen Oma nicht erwarten konnten
und kaltblütig nachgeholfen haben.
Und nicht nur das Dorf ist überzeugt von der gemeinsamen Täterschaft.
Auch für den Vorsitzenden der Strafkammer ist klar,
dass alle drei Mitglieder der Familie Eiber,
die jetzt vor ihm auf der Anklagebank sitzen,
Liesbeths Tod zu verantworten haben.
Aber der vorsitzende Richter steht vor einem großen Problem.
Es gibt keine Beweise dafür.
Laut Obduktion wurde Liesbeth mutmaßlich mit einem Kissen oder einer Decke erstickt,
doch diese Tatwaffe war nirgends zu finden.
Genauso wenig konnten die ErmittlerInnen eindeutige DNA-Spuren sicherstellen
und auch ZeugInnen gab es nicht.
Es gibt nur Indizien.
Und drei Angeklagte, die in ihren Einlassungen alle vehement beteuern,
dass niemand von ihnen etwas mit Liesbeths Tod zu tun habe.
Deshalb ist es für das Gericht unmöglich zu rekonstruieren,
wie die letzten Minuten der 82-Jährigen tatsächlich abliefen
und wer im Augenblick ihres Todes bei ihr war.
Es gibt keine Antwort darauf, wer letztendlich dafür sorgte,
dass sie keine Luft mehr bekam und ihr ohnehin schwaches Herz aufhörte zu schlagen.
War es ihr Sohn Alfred, ihre Schwiegertochter Fiona
oder doch ihr Enkel Florian, dem sie einst ihr ganzes Erbe anvertraute?
Vielleicht waren es auch zwei von ihnen oder doch alle drei gemeinsam.
Das weiß niemand, außer der Person oder den Personen, die es getan haben.
Und das entpuppt sich zu einem riesigen Problem für das Gericht.
Ja, denn diese Frage nach der Täterschaft ist extrem wichtig,
um ein Urteil wegen gemeinschaftlichen Morde sprechen zu können.
Deswegen sind die drei ja auch angeklagt.
Und was diese sogenannte Mittäterschaft ausmacht,
das erklären wir jetzt noch mal kurz in unserem Aha.
Die Mittäterschaft ist kein eigener Straftatbestand,
sondern dient der Zurechnung von Handlungen,
die unter einen Straftatbestand fallen,
wenn eine Tat arbeitsteilig begangen wird.
Das heißt zum Beispiel kann der Person,
die eine andere, also das Opfer, nur festhält,
die Schläge einer anderen Person zugerechnet werden,
wenn die Voraussetzungen der Mittäterschaft
nach § 25 Absatz 2 vom Strafgesetzbuch vorliegen.
Und da ist es so, dass die Mittäterschaft
eine gemeinsame Tatausführung mit wesentlichen Tatbeiträgen voraussetzt
und außerdem einen Entschluss zur gemeinsamen begangenen Tat.
Also heißt, Alfred, Fiona und Florian
müssten den gemeinsamen Tatplan gehabt haben,
Lisbeth zu töten.
Also falls sie aus Habgiel getötet hätten,
müssten sie den gemeinsamen Tatplan gehabt haben,
sie zu töten, um an ihr Vermögen zu kommen.
Und zusätzlich muss jeder Einzelne wesentlich zur Tat beigetragen haben.
Das heißt, um es jetzt mal ein bisschen anschaulicher zu machen,
wenn zum Beispiel drei Leute, Laura Fussel und ich,
beschließen, eine Bank auszurauben,
dann reicht das nicht, wenn der Fussel nur schmiere steht,
während wir beide drinnen hier die Leute überfallen,
weil das Schmiere-Stehen von Fussel dann nicht so wesentlich ist,
wie die Beiträge, die Laura und ich geleistet haben.
Ja, eine großartige Leistung.
Wenn die Staatsanwaltschaft aber denkt,
dass man diesen geringen Beitrag,
also das Schmiere-Stehens von Fussel,
trotzdem unter eine gemeinschaftliche Tatbegehung fassen kann,
dann muss man andere Indizien suchen,
die darauf hinweisen,
dass das, was sozusagen weniger an Tat beigetragen wurde,
durch andere Umstände ausgeglichen werden kann.
Und ein Indiz für sowas ist zum Beispiel diese Beuteteilung.
Weil wenn der Fussel auch ein Drittel von der Kohle abkriegt,
obwohl der ja nur schmiere steht.
Das haben wir ja vorher mit Fussel ausgemacht.
Ja, aber da denkt sich doch jeder,
der Hund kriegt doch nicht ein Drittel,
wenn die beiden da drin die ganze Arbeit machen.
Und der steht da nur rum und guckt süß in die Gegend.
Da muss der Fussel ja vielleicht auch noch was anderes geleistet haben.
Also beispielsweise noch die Waffen besorgt haben.
Naja, und eben diese Beuteaufteilung ist ein Indiz dafür,
dass er das noch gemacht hat.
Dass der da noch einen größeren Anteil drin hatte.
So, und in diesem Fall ist es eben auch so,
wenn Vater, Mutter, Sohn alle drei den gleichen Anteil vom Erbe bekommen hätten,
dann kann das für eine sogenannte mittäterschaftliche Begehung,
also gemeinschaftliche Tatbegehung, sprechen.
Und bei der Tatausführung ist es so,
also hier in dem Beispiel Lisbeth wurde ja erstickt.
Da könnte das dann zum Beispiel so ausgesehen haben,
dass beispielsweise die beiden Männer die alte Dame festgehalten haben,
während Fiona zum Beispiel sie mit dem Kissen erstickt hat.
Also das wissen wir alles nicht.
Deswegen ganz hypothetisch.
So hätte ein gemeinschaftlicher Mord aussehen können.
Aber dadurch, dass man den dreien bisher im Verfahren keinen Entschluss,
keine gemeinsame Tatausführung und auch keine eigenen verwirklichen wesentlichen Tatbeiträge nachweisen kann,
also jetzt beispielsweise, wer ihr das Kissen draufgedrückt hat,
wer sie festgehalten hat und so weiter,
könnte eine Verurteilung wegen gemeinschaftlichen Mordes schwierig werden.
Und ich weiß nicht, Laura, hast du diese Schirach-Bücher eigentlich gelesen?
Nee.
Da gibt es nämlich auch so einen Fall, da musste ich so ein bisschen dran denken.
Und zwar ist der aus Schuld von dem Buch.
Und da geht es darum, dass es, also es gibt ein Volksfest und da spielt eine Blaskapelle.
Und das sind nur Männer.
Und die sind alle gleich angezogen für dieses Fest und haben sich auch alle weiß geschminkt
und haben sich Bärte aufgemalt und tragen die gleiche Kopfbedeckung und so.
Und in der Pause bestellen sie sich dann hinter der Bühne Bier
und es bringt denen dann so eine 17-jährige Bedienung.
Und dieses Mädchen wird dann von dieser Gruppe vergewaltigt.
Und nur einer von denen macht nicht mit, sondern ruft die Polizei und meldet das.
Das Problem ist dann aber am Ende bei der Verhandlung,
weil die Männer ja alle geschminkt waren,
kann das Opfer die Täter nicht identifizieren.
Also es waren ja eigentlich alle außer einer.
Und weil nicht klar ist, wer der eine Unschuldige ist,
der die Polizei gerufen hat und sich auch niemand äußert,
und auch der Gute in Anführungsstrichen sich nicht zu erkennen gibt,
müssen am Ende alle Beschuldigten freigelassen werden.
Das ist ja so ungerecht, fühlt sich das an.
Ja.
Man versteht natürlich, woher das kommt,
dass man natürlich einer Person nachweisen muss,
dass sie verantwortlich ist für den Tod oder für die Vergewaltigung oder so.
Ja.
Das ist ja auch richtig.
Das ist ja auch wichtig.
Ja.
Ja, aber ich meine, andererseits weiß man auch,
du kannst auch nicht alle verknacken,
wenn du Gefahr läufst,
dass dann halt da ein Unschuldiger mit inhaftiert wird.
Ja, und das fühlt sich natürlich auch so unfair an,
wenn einer von, sagen wir, 17,
der Gute war in Anführungszeichen, ja,
und man weiß, 16 waren das.
Ja.
Und das Verhältnis ist dann natürlich so blöd, ne?
Aber anders geht's nicht.
Ja.
Die Frage danach,
wer im Fall von Liesbeths Tötung
welche Schuld auf sich geladen hat,
treibt nicht nur das Gericht,
sondern auch die DorfbewohnerInnen und die Presse um.
Die Urteilsverkündung wird daher mit Hochspannung erwartet.
Die JournalistInnen haben ihre Schreibblöcke gezückt,
als am 2. Mai 2002
der vorsitzende Richter den Saal ein letztes Mal betritt,
um im Namen des Volkes Recht zu sprechen.
Seine Worte hallen klar und deutlich durch den Raum.
Zitat.
Es steht fest,
dass Liesbeth von fremder Hand starb.
Der oder die Täter stammen aus der Familie,
sagt er mit Blick auf die Anklagebank,
wo Alfred, Fiona und Florian auf die Entscheidung warten,
die ihr Leben verändern könnte.
Dann holt der Richter Luft und fährt fort.
Er räumt ein,
dass das Gericht letztlich nicht klären konnte,
ob tatsächlich alle 3 in die Tat involviert gewesen seien
und wer welche Rolle gespielt habe.
Wegen Mangels an Beweisen lautet das Urteil daher
Freispruch.
Und zwar für alle 3.
Denn im deutschen Strafrecht gilt,
wie wir wissen, der Grundsatz
in dubio pro reo.
Im Zweifel für den Angeklagten.
Nicht nur das Urteil an sich
beschert der Presse die nächsten Schlagzeilen.
Nun wird auch lautstark spekuliert,
ob im Fall Oma Lisbeth der perfekte Mord gelungen sei.
Schließlich hat hier eine Familie oder Teile einer Familie die Oma getötet,
ist dadurch schnell an Vermögen gekommen,
musste aber keine juristischen Konsequenzen tragen.
Der Freispruch ändert jedenfalls nichts an der Überzeugung der DorfbewohnerInnen.
Die Albers sind MörderInnen.
Das ist Konsens im Ort.
Schrecklich genug, dass die Familie die eigene Oma umgebracht hat, heißt es dort, was viele
aber genauso schlimm finden, durch den Freispruch landen Alfred, Fiona und Florian nicht im Gefängnis,
sondern kommen wieder zurück zu ihnen.
Doch die Menschen haben eine Strategie entwickelt.
Im Dorf, wo eigentlich jeder jeden grüßt, werden die Albers gemieden.
Um das Mordhaus, wie die alte Pension nun genannt wird, machen viele einen großen Bogen.
Trotz seiner hellen Fassade ist es für viele ein dunkler Fleck in der Ortsgeschichte.
Ein Mahnmal, das an Liesbeth und die mysteriösen Umstände ihres Todes erinnert.
Und auch die Familie selbst sorgt dafür, dass das Dorf nicht zur Ruhe kommt.
Florian schreibt den EinwohnerInnen immer wieder Briefe,
in denen er die Verhaftung und den anschließenden Prozess als kriminell und steuerbetrügerisch bezeichnet.
Was genau er damit meint, weiß niemand.
Auch auf den Tisch des Bürgermeisters flattern Briefe.
Ihm wirft Florian allerhand Beleidigungen an den Kopf,
verbunden mit der Forderung, dass er zurücktreten soll.
Genauso wie der bayerische Ministerpräsident und der damalige Bundeskanzler Gerhard Schröder.
Anfang 2004, zweieinhalb Jahre nach Liesbeths Tod,
verlassen die Albers in einer Nacht- und Nebelaktion das Dorf.
Niemand weiß, wohin sie mit ihren Mercedes-Limousinen fahren.
Aber alle sind froh, dass nun endlich wieder die langersehnte Ruhe einkehrt.
Doch die Familie kommt wieder zurück auf das Grundstück.
Und bleibt.
Obwohl die ehemalige Pension zwangsversteigert wird und sie hier eigentlich nicht wohnen dürften.
Auch 20 Jahre nach dem Tod an Liesbeth besetzen immer noch zwei Mitglieder der Familie Eiber das Gebäude.
Der inzwischen 45-jährige Florian und seine Mutter Fiona.
Das Gästehaus verfällt.
Es ist längst nicht mehr an das Wassernetz angeschlossen.
Im Garten wuchert das Unkraut.
Meterhohe, dichte Sträucher bilden einen grünen, blickdichten Zaun.
Die neuen EigentümerInnen bemühen sich vergeblich, Mutter und Sohn zum Auszug zu bewegen.
Aber Fiona und Florian hausen in ihrem eigenen grünen Gefängnis.
ihrer Festung, in die sie sich, wie damals in der Nacht nach Liesbeths Tod, selbst eingeschlossen haben.
Im Ort heißt es, für den Mord an Liesbeth sind die Eibers zwar nicht verurteilt worden und hinter Gitter gekommen,
aber sie leben wie Gefangene.
Und das sei jetzt ihre Strafe.
Sie sind tief gesunken, die einstigen Könige vom Leusachtal.
Und die Monarchie hat dort endgültig ausgedient.
Also, dass Mutter und Sohn da nicht mit den Missgabeln durchs Dorf gejagt werden.
Ja.
Da können die aber froh sein.
Ja, die DorfbewohnerInnen sind eben besser als diese Familie selbst.
Ja.
Also, was ich spannend an diesem Fall fand, ist die Tatsache, dass die Oma ja quasi angekündigt hat,
dass sie von der Familie getötet wird.
Ja.
Und das dann auch noch passiert ist, aber dafür niemand verurteilt wurde.
Und wir hatten das ja eingangs schon angekündigt.
Man hat sich ja auch im Dorf gefragt, und das haben die Medien dann auch aufgegriffen,
ist das der perfekte Mord?
Ja.
Was meinst du, Laura?
Das habe ich mich auch gefragt, weil wir das ja manchmal auch gefragt werden in Interviews,
wie wir das denn machen würden, wenn wir mal jemanden loswerden wollen.
Und da ist uns jetzt diese Antwort von der Mittäterschaft,
die aber niemandem nachgewiesen werden kann, ja noch nie eingefallen.
Sondern eben die Kreuzfahrtschiffe, wo man dann vielleicht in der Ecke,
die irgendwie nicht von der Kamera erfasst wird, mal über die Reling schiebt.
Also jetzt, wo wir gerade darüber reden, finde ich es eigentlich total die Frechheit,
dass wir das immer gefragt werden.
Das ist ja auch total bescheuert eigentlich.
Aber naja, egal.
Also wir haben ja schon viele Mordfälle besprochen.
Und ich glaube, man ist natürlich eigentlich so der Auffassung,
der perfekte Mord ist ein Mord, der nicht als Mord erkannt wird.
Weil das ist natürlich dann irgendwie eine sichere Nummer.
Ich glaube aber, dass das mit den heutigen Ermittlungstechniken relativ unwahrscheinlich ist.
Und wir wissen ja auch, dass die meisten Mordfälle eh aufgeklärt werden.
Daher finde ich, dass das eigentlich wirklich der perfekte Mord ist,
den man aber nicht hätte so planen können.
Also so schlau waren die jetzt nicht, dass die wussten,
da fehlen jetzt die Voraussetzungen der Mittäterschaft in dem Fall.
Aber was natürlich ideal für die drei TäterInnen ist,
ist, dass die ein für alle Mal aus dem Schneider sind.
Denn die wurden ja schon freigesprochen.
Das heißt, man kann die ja nicht nochmal strafverfolgen für diese Tat.
Es sei denn Mutter oder Sohn gestehen jetzt noch.
Dann könnte man an die jeweils geständige Person nochmal ran.
Aber das ist für die, wenn man jetzt in TäterInnen-Sicht geht,
natürlich eigentlich noch besser, als wenn es keine Verhandlung gegeben hätte
und die immer befürchten müssten, dass sie das doch nochmal einholt.
Ich gehe davon aus, dass jeder Mörder oder jede Mörderin,
solange sie nicht von der Polizei gefasst wurde oder zumindest verdächtigt wird,
natürlich mit der Angst lebt, dass das immer mal passiert.
Und dass man ja dann auch auf eine Art nicht frei ist.
Aber die zwei, die wissen, denen kann man gar nichts mehr.
Also von daher würde ich meinen, kommt es einem perfekten Mord sehr nah.
Ja.
In unserer nächsten Folge, nächste Woche geht es ja schon weiter,
geht es um einen Fall, der kontroverse politische Debatten angestoßen hat,
in die sich sogar der damalige Bundeskanzler eingemischt hat.
Bis dahin.
Das war ein Podcast der Partner in Crime.
Hosts und Produktion Paulina Kraser und Laura Wohlers.
Redaktion Magdalena Höcherl und wir.
Schnitt Pauline Korb.
Rechtliche Abnahme und Beratung Abel und Kollegen.
Vertraue und glaube, es hilft, es heilt die göttliche Kraft!