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#16 Familienbande

Hallo und herzlich willkommen zu einer neuen Folge von Mordlust, unserem True-Crime-Podcast,
in dem wir wahre Verbrechen nacherzählen. Mein Name ist Paulina Kraser.
Und ich bin Laura Wohlers. Wir erzählen uns hier gegenseitig jeweils einen Fall,
von dem der andere nichts weiß. Und deswegen bekommt ihr hier auch unsere ungefilterten
Reaktionen mit. Wir kommentieren die Fälle auch. Manchmal auch sarkastisch und vor allem
wird ja auch gelacht. Das ist aber nie despektierlich gemeint.
Laura sitzt mir heute übrigens ausnahmsweise mal wieder gegenüber, was toll ist. Denn an
Tagen, wo man sogar über einer leeren Grießpuddingpackung verzweifelt, ist es schön, wenn wir uns mal
wieder gegenseitig in die starken Arme hineinnehmen können. Ich freue mich auch wieder hier zu sein.
Ich wollte dir ja noch was erzählen. Und zwar habe ich gestern meiner Oma von dem goldenen
Handschuh erzählt, von dem Film. Und sie dann so, ja, deine Tante hat den ja betreut.
Wie bitte?
Ja, das war genau meine Reaktion.
Meine Oma dann, ja, in Ochsenzoll saß da ja und deine Tante hat ja da gearbeitet für ein Jahr.
Und ich war dann völlig geschockt, habe dann natürlich direkt meine Tante angerufen.
Die war das dann auch übrigens gestern am Telefon, als du mich abgeholt hast.
Und genau. Und sie hat mir dann erzählt, dass sie mit 26 da für eineinhalb Jahre in der
forensischen Psychiatrie gearbeitet hat und auch Honka betreut hat.
Wie bitte?
Ja, total verrückt, oder?
Warum weißt du das bisher noch nicht?
Ja, ich wusste das nicht. Ich wusste nicht, dass sie auch mal quasi mit Serienmördern und so gearbeitet hat.
Sie arbeitet jetzt auch in der Psychiatrie, aber nicht in so einer halt.
Und ich meinte dann auch zu ihr, oh Gott, wie war das denn für dich, halt mit einem Serienmörder mit 26?
Und da meinte sie halt so, ja, das war ja nicht der Einzige.
Und natürlich darf sie nicht über die Patienten jetzt reden im Nachhinein.
Aber ich war irgendwie total entsetzt, dass sie halt mit 26 als normale Krankenschwester da war.
Also die war jetzt nicht ausgebildete Psychologin oder so.
Und sie hat dann auch erzählt, dass die halt die Akten durchlesen mussten.
Also komplett, damit die irgendwie darauf eingestellt waren, wem die da begegnen.
Und sie meinte halt, da stehen so viel mehr Sachen drin, als was die Medien halt geschrieben haben.
Und auch Sachen, die man gar nicht wissen will.
Ich will sie wissen.
Ja, ich auch.
Da hat es deine Tante jetzt ganz schnell in deiner Gunst ganz weit hoch geschafft.
Nein, ich habe sie schon vorher geliebt.
Mein Fall, diese Folge, handelt von einem Täter, der jahrelang ein Geheimnis mit sich herumträgt.
Um die Beteiligten zu schützen, habe ich die Namen geändert.
Es ist der 14. Februar 2008, Valentinstag.
Anna und Jakob sind gerade im Bus und fahren von der Schule nach Hause, als ihr Vater anruft.
Er sagt, steigt bitte bei McDonalds aus, ich warte hier auf euch.
Anna und Jakob verlassen den Bus an der besagten Haltestelle und da steht ihr Vater.
Wo ist Mama? fragt die 15-jährige Anna.
Der Vater antwortet, Mama ist abgehauen.
Wir haben uns heute Morgen wieder gestritten.
Heftig gestritten.
Der 18-jährige Jakob darauf, aber sie kommt doch wieder, oder nicht?
Der Papa sagt, ja klar kommt sie wieder.
Sie ist nur sauer auf mich.
Doch als die drei nach dem Essen nach Hause kommen, ist Mutter Sabine nicht wiedergekommen.
Den ganzen Abend über hören sie nichts von ihr.
Vater Klaus fragt bei Freunden und Familie nach, aber seine Frau ist nicht aufzufinden.
Erst zwei Tage später ist Sabine plötzlich wieder zu Hause, als Klaus vom Einkaufen kommt.
Sie und zwei Männer sind gerade dabei, Sabines Sachen in einen weißen Lieferwagen zu packen.
Klaus fragt, wo warst du?
Sabine gibt ihm keine Antwort.
Warst das jetzt oder wie? fragt er.
Sieht so aus, antwortet Sabine.
Als die 43-Jährige aus der Haustür geht, sagt sie noch, ich melde mich.
Dann ist sie weg.
Als Anna und Jakob von der Schule nach Hause kommen, erzählt ihr Vater, was passiert ist.
Die Kinder können es nicht fassen.
Das war wie ein Schlag ins Gesicht, sagt Anna später.
Als die Mutter sich nicht wie versprochen meldet, geht Klaus zur Polizei.
Er will eine Vermisstenanzeige aufgeben.
Doch dort heißt es, Erwachsene, die im Vollbesitz ihrer geistigen und körperlichen Kräfte sind,
haben das Recht, ihren Aufenthaltsort frei zu wählen, auch ohne diesen den Angehörigen oder Freunden mitzuteilen.
Was ich ja übrigens vollkommen an Schwachsinn finde.
Haben wir ja schon mal drüber geredet.
Klaus geht also unverrichteter Dinge wieder nach Hause.
Von der Mutter gibt es auch in den nächsten Wochen kein Lebenszeichen.
Dann geht Klaus noch einmal, diesmal in Begleitung seiner Schwägerinnen, zur Polizei.
Doch die weigert sich zu ermitteln.
Es vergeht immer mehr Zeit, in der keiner etwas von Sabine hört.
Warum ist sie einfach gegangen, ohne Tschüss zu sagen?
Die Kinder versuchen, Antworten auf diese Frage zu finden.
Das Familienleben war doch schön, so hatten es Anna und Jakob zumindest immer empfunden.
Auch die Nachbarn haben die Familie als intakt und liebevoll wahrgenommen.
Sabine und Klaus gingen immer wieder Händchen halten durch das 3500 Einwohnerdorf, das ihr Zuhause war.
Nach innen war die Ehe natürlich nicht perfekt.
Klar gab es Auseinandersetzungen, meist wegen Geld erinnern sich die Kinder.
Vielleicht hat die Mutter einen reichen Kerl kennengelernt, denkt Anna.
Auch im Dorf glauben mittlerweile die meisten, dass die Mutter einfach mit einem anderen durchgebrannt ist.
Was Anna sich aber nicht erklären kann, ist, warum sie auch die Kinder im Stich gelassen hat.
Denn auch zum Geburtstag und zu Weihnachten meldet sich Sabine bei ihren Kindern nicht.
Dann, an einem Sommertag 2010, also knapp eineinhalb Jahre später, glaubt Anna, ihre Mutter in einem Park zu sehen.
Sie ruft laut Mama und rennt in die Richtung, in der sie sie gesehen hat.
Doch die Frau, die sie für ihre Mutter gehalten hat, ist so plötzlich verschwunden, wie sie aufgetaucht ist.
Aber dieser Moment verändert etwas in Anna.
Sie verspürt den dringenden Wunsch zu wissen, was mit ihrer Mutter passiert ist.
Zum ersten Mal geht Anna selbst zur Polizei und tatsächlich finden die Beamten in ihren Computern eine Aktennotiz.
Eine Frau mit Sabines Personalien war vor einem Jahr bei einem Verkehrsdelikt in Düsseldorf kontrolliert worden.
Mehr steht da nicht.
Und die Adresse der kontrollierten Frau darf aus Datenschutzgründen nicht rausgegeben werden.
Ein nächster Rückschlag für die Familie.
Sabine scheint gar nicht so weit von ihnen wegzuleben.
In dieser Zeit versucht Klaus so gut es geht, die Mutter zu ersetzen.
Er kümmert sich jetzt mehr um die Kinder als früher.
Vor allem zu seiner Tochter baut er ein enges Vertrauensverhältnis auf.
Bald lernt er eine neue Frau kennen und lieben, die Ende 2010 in das Haus der Familie zieht.
Für Anna ist es nicht zu ertragen, eine andere Frau an der Seite ihres Vaters im Elternhaus zu sehen.
Deshalb zieht sie mit 18 aus und in eine WG.
In der Zeit wird die Beziehung zwischen Vater und Sohn schlechter.
Jakob geht oft feiern und es kommt immer wieder zu Auseinandersetzungen zwischen den beiden.
Als Jakob eines Abends Wein aus dem Weinregal im Keller nimmt, ohne seinen Vater zu fragen, schmeißt Klaus seinen Sohn raus.
Währenddessen wächst in Anna der Gedanke, dass ihrer Mutter etwas zugestoßen sein müsse.
Anders kann sie sich das Verhalten einfach nicht erklären.
Anna will unbedingt Aufklärung, deshalb wendet sie sich an die Fernsehsendung vermisst.
Die Journalisten fangen an zu recherchieren und die Suche nach Sabine nimmt Fahrt auf.
Auch andere Pressevertreter interessieren sich plötzlich für die Story und die Familie tritt sogar in mehreren Sendungen auf.
Dort erklärt Klaus nochmal genau, was passiert ist, als er seine Frau zum letzten Mal gesehen hatte.
Sie steigerte sich immer mehr rein.
Sie sagte, ich bin schon 40, wenn ich noch lange warte, um mein neues Leben anzufangen, dann will mich eh keiner mehr.
Und wenn dir sowieso alles egal ist, kann ich ja gehen.
Dann schnappte sie sich den Schlüssel und ging Richtung Tür und da war sie weg.
In einem anderen Interview sagt er unter Tränen, dass er nur wissen will, wo seine Frau ist.
Die Presse meldet sich auch bei der Polizei, fragt nach, wie es sein kann,
dass fünf Jahre lang nichts getan wird, um zu helfen, eine Frau zu finden, die spurlos verschwunden ist.
Auf Druck der Presse nimmt die Polizei dann 2012 die Ermittlungen auf.
Ein Jahr lang sammeln die Ermittler Beweise und befragen die Familie immer wieder.
Was den Chefermittler besonders stutzig macht, ist der weiße Lieferwagen.
In einer WDR-Doku erklärt er, dass es immer schwierig ist,
wenn ein wichtiger Teil der Geschichte nur von einer Person erzählt wird und es keine anderen Zeugen dafür gibt.
In diesem Fall hatte ja kein anderer außer Klaus gesehen, wie Sabine mit dem Lieferwagen gekommen war.
Klaus wird zum Verdächtigen und die Ermittler sprechen das auch gegenüber Anna an.
Doch sie kann das nicht glauben.
Sie denkt schon, dass ihrer Mutter etwas zugestoßen ist,
aber nicht, dass ihr Vater irgendwas damit zu tun haben könnte.
Im Oktober 2013 zieht sie wieder zu ihm.
Dann wird der Fall bei Aktenzeichen XY ungelöst aufgegriffen.
Und dort tritt auch der Chefermittler auf, der Rudi Zerne erklärt, wie die beiden Männer aussahen,
die Sabine halfen, ihre Sachen zu holen.
Dieser Moment lässt Anna aufhorchen, weil ihr Vater ihr gegenüber immer behauptet hatte,
dass er sich nicht daran erinnern könne, wie die beiden Männer aussahen.
Anna fragt sich, warum gibt er auf einmal eine Personenbeschreibung ab
und konfrontiert ihren Vater.
Wie alt ist Anna, als sie ihren Vater damit konfrontiert?
Da muss sie ungefähr 20 gewesen sein.
Klaus meint darauf hin, dass er einfach irgendwas sagen wollte.
Das ist der Moment, in dem Anna merkt, dass ihr Vater sie anlügt.
Und zum ersten Mal lässt sie den Gedanken zu,
was ist, wenn ihr Vater etwas mit dem Verschwinden der Mutter zu tun hat?
Was ist, wenn er sie im Garten vergraben hat?
Da gibt es doch eine Stelle, wo der Hund immer geschart hat
und wo Papa einen Steingarten angelegt hat.
Ihre Bedenken äußert Anna gegenüber einer Freundin,
dessen Vater bei der Polizei arbeitet.
Ist ja auch beeindruckend, so einen Verdacht erst mal zu äußern.
Der meldet das der Mordkommission.
Und so kommt am 30. Oktober 2013 die Polizei
mit einem Durchsuchungsbeschluss in das Haus der Familie.
In der WDR-Doku erzählt der Chefermittler,
wie diese Durchsuchen abgelaufen ist,
dass er Klaus zunächst belehrt hat und ihm gesagt hat,
dass er verdächtigt wird, seine Frau ermordet zu haben
und dass jetzt das Haus und der Garten durchsucht werden,
um die Leiche zu finden.
Was mich da erst mal irgendwie gewundert hat,
war, dass der Polizist, während er das erzählt,
so richtig Tränen in den Augen hatte.
Und ich finde, das vergisst man so oft,
wenn man von Fällen erzählt,
dass die Polizisten das alles ersterhand mitbekommen
und dass ihnen das auch super nahe geht,
wenn sie irgendwie so solche Tragödien erleben
oder sehen, wie Familien zerbrechen.
Auf jeden Fall sagt Klaus nach der Belehrung
durch den Polizisten nichts mehr.
Er geht dann zu seiner Tochter in die Küche
und umarmt sie wortlos.
Anna steht dort und weint.
Immer wieder sagt der Ermittler zu Klaus,
sagen Sie uns doch, wo Ihre Frau ist,
machen Sie es sich uns und Ihnen doch nicht so schwer.
Schließlich führt Klaus den Beamten in den Keller
und zeigt auf das Weinregal.
Rückblick.
Klaus und Sabine lernen sich Ende der 80er Jahre
bei einem Job in einem Hotel kennen,
wo beide als Kellner arbeiten.
Sie verlieben sich und heiraten 1988.
Nach kurzer Zeit erfüllen sie sich ihren Traum
von der Selbstständigkeit
und pachten das Hotel,
in dem sie sich kennengelernt haben.
Doch lange geht das nicht gut.
Das Hotel geht pleite
und die beiden müssen sich
nach einer neuen Beschäftigung umsehen.
1989 wird ihr Sohn Jakob geboren.
1992 ihre Tochter Anna.
Mit einem neu eröffneten Restaurant
scheitern sie auch.
So häuft sich langsam aber sicher ein Schuldenberg an,
der am Ende 80.000 Euro beträgt.
Klaus muss irgendwann mehrere Jobs annehmen
und auch Sabine kann nicht mehr
nur Mutter und Hausfrau sein.
Irgendwann schickt Klaus das Wasser bis zum Hals.
Er versucht auf illegalem Wege Geld zu machen
und wird dreimal wegen Betrugs
und Urkundenfälschung verurteilt.
Anfang 2008 sind beide Ehepartner arbeitslos.
Sabine hat sich ihr Leben nicht so vorgestellt
und macht ihrem Mann immer wieder Vorwürfe.
Es kommt immer häufiger zum Streit.
Am 14. Februar 2008 steht Klaus wie immer um 6 Uhr auf
und macht den Kindern Frühstück.
Danach legt er sich wieder zu seiner Frau ins Bett.
Um 9 Uhr stehen beide auf und gehen ins Bad.
Als Sabine unter der Dusche steht, fängt sie an,
Klaus Vorwürfe zu machen.
Er geht nicht darauf ein.
Als Sabine dann aus der Dusche kommt,
stupst sie ihn von hinten an nach dem Motto
jetzt sag doch auch mal was dazu.
Klaus dreht sich um und schubst sie von sich weg.
Dabei rutscht Sabine aus und stößt sich mit dem Kopf
am Badewannenrand an.
Eine Wunde am Kopf beginnt zu bluten.
Als Sabine das sieht, schreit sie vor Schmerz und Wut.
Sie steht auf und hält Klaus an beiden Armen fest
und schreit ihn an.
Er will einfach nur seine Ruhe
und sich aus ihrem Griff befreien.
Und bei diesem Freimachen hat es irgendwie Klick gemacht,
sagt er später.
Dann ist er auf sie los.
Das nächste, woran er sich erinnern kann, ist,
dass er wieder zu Bewusstsein kommt
und unter sich seine tote Frau liegen sieht.
Seine Hände sind in der Nähe ihres Hals.
Klaus hat seine Frau erwürgt.
Als er das realisiert, überlegt er, was zu tun ist.
Er trägt seine Frau in den Keller,
putzt das Badezimmer und trifft sich mit seinen Kindern.
Am nächsten Tag betoniert er seine Frau
in den Sockel des Weinregals,
das er und Sabine noch gemeinsam geplant hatten.
Fünf Jahre lebt er mit seiner einbetonierten Frau im Keller
und spielt den ahnungslosen und verlassenen Mann,
der im Fernsehen weint
und seine Kinder und sein gesamtes Umfeld belügt,
bis die Tochter die Suche in die eigenen Hände nimmt.
Man hört das ja ganz oft,
dass irgendwelche Familienmitglieder
dann im Garten verscharrt werden oder so.
Und das finde ich so unfassbar,
diese Vorstellung auch für die Kinder,
dass die wissen,
die haben fünf Jahre in diesem Haus gelebt
mit der Leiche, der Mutter.
Ja, und haben die ganze Zeit sich gefragt,
wo ist sie und warum ist sie gegangen
und haben, ja, haben die schrecklichsten Gedanken gehabt
und letztendlich war sie nur fünf Meter von ihnen entfernt.
Pack sie doch irgendwo anders hin.
Warum musst du, weißt du,
das ist für mich so,
als ob der dann gar keine Empathie hat.
Ja, also ich meine,
das ist ja schon alles furchtbar genug,
aber dann auch, dass der die dann da drin lässt
und einfach damit leben kann,
dass seine Kinder um die tote Mutter trauern.
Und er auch die ganze Zeit weiß, wo sie ist.
Und der Sohn dann auch noch natürlich aus dem Weinregal
dann was zu trinken holt.
Ein halbes Jahr später kommt es zum Prozess.
Nach fünf Tagen wird das Urteil gesprochen.
Der Gutachter hält Klaus nicht für einen Affekttäter
und er ist voll schuldfähig.
Strafmildernd wird ihm aber angerechnet,
dass er gestanden hat,
die Tat einem Streit gefolgt ist
und die Tötungsabsicht spontan auftrat.
Er hat gestanden,
nachdem er keine andere Wahl mehr hatte.
Und so wird Klaus wegen Totschlags
zu acht Jahren Freiheitsstrafe.
Ach, das ist doch nicht dein Ernst.
Und 2022 soll er entlassen werden.
Was sagst du zu dem Strafmaß?
Ja, das ist ja absurd.
Also das ist doch totaler Quatsch.
Weil, also erst mal finde ich,
acht Jahre,
wenn er voll schuldfähig ist
und nicht im Affekt gehandelt hat,
eh zu wenig.
Und, also, ich meine,
er hat ja nicht freiwillig gestanden.
Die haben ja bei ihm schon das ganze Haus umgegraben.
Und ja gut,
sie hätten jetzt noch weiter suchen können,
theoretisch.
Aber vielleicht hätten,
also, ich gehe mal davon aus,
dass sie sie so oder so irgendwie gefunden hätten.
Und fünf Jahre lang hat er nur gelogen.
Und er hat sie ja erwürgt.
Also, es war jetzt nicht ein Schlag auf den Kopf oder so,
sondern er hat sie so lang gewürgt,
bis sie nicht mehr geatmet hat.
Das muss ja auch schwierig für die Tochter sein,
also erst mal seinen eigenen Vater zu beschuldigen,
ohne dass sie es weiß.
Und dann das alles zu hören,
dass er sie da unten einbetoniert hat.
Und dann auch noch zu hören,
ja, okay, dafür kriegt er jetzt acht Jahre,
dass er uns die Mutter genommen hat.
Sie sagt auch in der WDR-Doku,
dass sie mit dem Strafmaß nicht zufrieden ist.
Heute weiß Anna,
dass ihre Mutter sie nie verlassen hat,
was irgendwie ein kleiner Trost ist.
Den Kontakt zum Vater
hat sie trotz allem nie abgebrochen.
Sie fragt ihn auch,
warum hast du Mama umgebracht?
Und er antwortete,
das frage ich mich auch immer wieder.
Aber auch ich weiß es nicht
und werde wohl auch für mich nie eine Antwort finden
und somit auch nicht für dich.
Es tut mir leid.
Das ist ja nett.
Ja, keine Ahnung.
Ich kann mir auch nicht vorstellen,
wie schrecklich das für die Kinder sein muss.
Und genau,
ich habe ja die Tochter da in der Doku gesehen
und bin total beeindruckt
und habe total viel Respekt dafür,
dass sie da so stark ist
und scheinbar so eine starke Frau ist.
Und ich finde es auch genau richtig,
dass sie weiterhin mit ihm Kontakt hat,
wenn das für sie sich richtig anfühlt.
Natürlich.
Du musst ja bedenken,
wenn in ihr jetzt diese Wut so groß wäre,
das wäre natürlich ihr gutes Recht,
aber sie hat dann in dem Moment
auch dann zwei Elternteile verloren.
Genau.
Und es ist immer noch ihr Vater.
Das muss sich jeder für sich selber entscheiden.
Ich mag das gar nicht bewerten,
ob man das machen sollte oder nicht.
Und was war das jetzt
mit dieser komischen Verkehrskontrolle?
Das war anscheinend nur eine Frau,
die den gleichen Namen hatte wie die.
Und als sie dann 2013 angefangen haben zu ermitteln,
gab es auch diese Notiz
gar nicht mehr in den Akten sozusagen.
Okay, also ist es ins Leere gelaufen.
Genau.
Und in der Doku spricht auch der Vater,
weil der WDR ihn irgendwie
im Gefängnis interviewen konnte.
Und ja, er kommt ganz normal rüber,
also irgendwie wie ein ganz normaler Familienvater.
Und der erzählt eben auch,
dass er sich eine Lügen- bzw. Scheinwelt aufgebaut hat
und so mit seiner Schuld irgendwie leben konnte
und dass ihm halt eben alles sehr leid tut.
Und als ich ihn da so sitzen habe, sehen,
natürlich wird er nur von hinten gezeigt,
aber man kriegt ja schon einen Eindruck,
ist man irgendwie wirklich erschrocken,
weil man das Gefühl hat,
das kann jedem passieren,
wenn man richtig sauer wird
und dann einfach mal austickt,
weil er ja auch von so einem Blackout gesprochen hat.
Und damit kommen wir zu meinem Aha.
Denn wenn ein Täter so etwas den Behörden gegenüber
oder in der Verhandlung behauptet,
also dass er sich an nichts von der Tat erinnern kann,
dann spricht man von einer tatbezogenen Amnesie.
Wenn das behauptet wird,
dann muss ein Gutachter klären,
ob das stimmt oder nicht,
also der Täter sich wirklich nicht an die Tat erinnern kann
oder ob er das nur sagt,
um zum Beispiel eine Milderung seiner Strafe zu bekommen.
Denn wenn sich ein Mensch wirklich nicht an die Tat erinnert,
dann ist eine Verurteilung unter Umständen nicht möglich
und auch moralisch fragwürdig.
Der Philosoph John Locke zum Beispiel hat mal gesagt,
wenn man sich nicht daran erinnern kann,
eine bestimmte Tat begangen zu haben,
dann war man in dem Moment nicht die Person,
die die Tat begangen hat.
Das ist natürlich alles sehr philosophisch,
aber man kennt ja auch das Sprichwort,
er war in dem Moment nicht er selbst.
Es ist also wichtig zu prüfen,
ob der Täter er selbst war oder nicht.
Und tatbezogene Amnesien sind kein neues Phänomen.
Das gab es schon öfters in der Kriminalgeschichte,
auch einige prominente Fälle.
Zum Beispiel Rudolf Hess,
der während der Nürnberger Prozesse
angab, er könne sich nicht an die furchtbaren Taten
des Dritten Reichs erinnern.
Man kann davon ausgehen,
dass bei Tötungsdelikten in 25 bis 50 Prozent der Fälle
vom Täter eine Amnesie geltend gemacht wird.
Also es ist tatsächlich weit verbreitet,
dass Täter behaupten,
sie könnten sich entweder an Einzelheiten
oder an die komplette Tat nicht erinnern.
Interessant fand ich da,
dass häufiger Frauen Amnesien gelten machen als Männer.
Außerdem sind es in der Regel ältere Täter
und Täter, die mehr Vorstrafen aufweisen.
Das Problem, wenn sich jemand nicht an seine Tat erinnert,
ist, dass die Verhandlungsfähigkeit dieses Menschen
in Frage gestellt wird.
Denn wenn er sich nicht an die Tat erinnern kann,
dann kann er möglicherweise auch seine Interessen im Verfahren
nicht vernünftig wahrnehmen und keine Prozesserklärung abgeben usw.
Also kann es dann auch unter Umständen sein,
dass der Prozess eingestellt wird.
Außerdem können Zweifel an der Zurechnungsfähigkeit
beziehungsweise der Schuldfähigkeit des Täters geweckt werden.
Wenn er sich nicht erinnert,
war er wie gesagt vielleicht nicht er selbst.
Ein Täter muss nämlich immer zwei Voraussetzungen erfüllen,
um für eine Tat vollständig verantwortlich gemacht werden zu können.
Er muss einerseits die Fähigkeit besitzen,
zur Tat seit das Unrecht seiner Tat einzusehen
und andererseits sein Verhalten nach dieser Einsicht steuern zu können.
Eine tatbezogene Amnesie kann also darauf hindeuten,
dass der Täter während der Tat nicht steuerungsfähig war.
Da könnte er zum Beispiel unter einem gestörten Bewusstseinszustand
gestanden haben oder sowas.
Bei der tatbezogenen Amnesie werden drei verschiedene Typen unterschieden.
Einmal die organische Amnesie,
die entsteht zum Beispiel durch ein Schädel-Hirntrauma,
einen Schlaganfall oder eine Alkoholvergiftung.
Und diese Art von Amnesie kann in der Regel ganz gut diagnostiziert werden,
weil durch Computertomographien oder Magnetresonanztomographien
kann man ja feststellen, ob jemand einen Schlaganfall hatte zum Beispiel.
Und bei volltrunkenen Tätern kann direkt nach der Tat oft auch noch der hohe Alkoholwert festgestellt werden.
Die zweite Art der Erinnerungslosigkeit ist die sogenannte dissoziative Amnesie.
Die steht indirekt im Zusammenhang mit Stress oder extremen Emotionen während der Tat.
Da gibt es das Konzept des sogenannten
Mnestischen Blockadesyndroms.
Da wird quasi davon ausgegangen, dass die Erinnerungen nicht verloren sind,
sondern quasi temporär in ihrem Zugang blockiert werden.
Und das erinnert so ein bisschen an die Verdrängungslehre von Sigmund Freud.
Seiner Theorie nach werden ja Erinnerungen an ein ganz schreckliches Erlebnis vom Bewusstsein ins Unterbewusstsein verbannt.
Das ist sozusagen dann ein Abwehrmechanismus, der einen schützt,
damit man sich quasi nicht mit diesem Schrecklichen auseinandersetzen muss,
mit dieser traumatischen Erfahrung.
Wie zum Beispiel, wenn der Grießbrei alle ist.
Das weiß ich jetzt schon gar nicht mehr.
Genau.
Ja, und auch Klaus aus meinem Fall spricht im Interview mit dem WDR ja von einer Traum- bzw. Scheinwelt,
die er sich da aufgebaut hat, in der es das Verbrechen halt nicht gab.
Und er erklärt sein Verhalten damit Verdrängung.
Allerdings ist die Theorie mit Vorsicht zu genießen, wie vieles, was Freud so als Theorie herausgegeben hat.
Aber viele Experten gehen davon aus, dass eine Traumatisierung von Straftätern
möglicherweise auf den Kontrollverlust während der Tat zurückzuführen ist.
Das könnte möglicherweise auch auf Klaus zutreffen.
Er war in dem Moment einfach so sauer, wollte einfach nur, dass Sabine aufhört,
ihn ohne Pause anzumeckern, dass er die Kontrolle verloren und sie getötet hat.
Genauso kann es aber sein, dass Klaus erst nach der Tat eine posttraumatische Belastungsstörung entwickelt hat
und die Erinnerung deswegen langsam verpufft.
Um herauszufinden, ob der Angeklagte an einer Amnesie leidet,
werden in der Regel standardisierte testpsychologische Verfahren und klinische Interviews geführt.
Die dritte Art der Amnesie ist die Simulation.
Also, dass der Täter nur so tut, als könne er sich nicht erinnern.
Das kommt ziemlich häufig vor.
Heute wird von zahlreichen Experten die Position vertreten,
dass es sich bei den meisten geltend gemachten Amnesien um Simulationen handelt.
Denn so ein Vortäuschen kann einige Vorteile mit sich bringen.
Wenn der Täter angibt, sich nicht erinnern zu können,
kann er sich nachvollziehbar auf das Aussageverweigerungsrecht berufen.
So erscheint der Täter kooperativer als jemand, der einfach so seine Aussage nicht macht.
Durch die Berufung auf eine Amnesie kann der Täter eine psychologische Untersuchung
und so möglicherweise eine schuldmindernde Beurteilung erreichen.
Außerdem liefert so eine Amnesie dem Täter einen legitimen Grund,
nicht über seine Tat zu sprechen.
Das heißt, dass er sich dann vor Angehörigen nicht rechtfertigen muss
und auch nicht mit Psychologen darüber sprechen muss.
Auch der Mörder von Robert Kennedy hatte sich darauf berufen,
sich nicht an die Tat erinnern zu können.
Nach der Verurteilung hat der aber seinen Anwälten erzählt,
dass er Kennedy direkt in die Augen gesehen hatte, bevor er auf ihn schoss.
Auf die Frage, warum er Kennedy nicht zwischen die Augen geschossen hatte,
sagte er dann, weil dieser Hurensohn seinen Kopf in dem Augenblick gedreht hat,
als sie schießen wollte.
Also konnte er sich wundersamerweise danach dann doch plötzlich erinnern
oder er hat es eben nie vergessen.
Herauszufinden, ob es sich um eine echte Amnesie oder um eine Simulation handelt,
ist eine komplexe Aufgabe für den Gutachter.
Der muss fundiertes Fachwissen auf diversen Fachgebieten haben,
wie Rechtspsychologie, Gedächtnispsychologie, klinischer Psychologie und so weiter.
Und aus klinischer Sicht scheint es durchaus plausibel,
dass Menschen nach einer Traumatisierung Geschehenes verdrängen.
Aber es kann wissenschaftlich nicht ausreichend fundiert werden.
Und wir wissen ja bereits auch von dem Kriminalkommissar Bindig aus unserer Folge 15,
dass Experten große Schwierigkeiten haben, Täuschung und Betrug zu erkennen.
Und dass Klaus sich wirklich nicht erinnern kann, dass er seine Frau gewirkt hat,
kann ja sein. Vielleicht ist es wirklich nicht gelogen, weil er ja auch den Mord dann gesteht
und man auch die Todesursache kennt.
Aber das werden wir wohl nie wissen.
Naja, und selbst wenn, was ändert das dann am Strafmaß?
Ich meine, er war trotzdem in dem Moment die Person, die dafür gesorgt hat, dass eine andere zu Tode kommt.
Also selbst wenn er sich nicht mehr so richtig daran erinnert, heißt es aber nicht,
dass er nicht in dem Moment vielleicht nicht doch wusste, was er gemacht hat.
Ja, das Gericht hat ihm ja auch nicht geglaubt, zumindest war es kein Grund für eine Schuldunfähigkeit
oder eine Strafminderung. Aber bei anderen Fällen ist es ja dann schon so, dass das was am Strafmaß ändert.
Ja, aber ich frage mich trotzdem, warum.
Weil natürlich gibt es bestimmte Faktoren, die einen Menschen dann in dem Moment beeinflussen.
Und natürlich ist irgendeine Tat, die im Affekt aus Wut passiert, was anderes als ein lange geplanter Mord aus Habgier.
Aber nur, weil ich mich nicht daran erinnern kann, heißt das ja nicht, dass ich nicht trotzdem ein Menschenleben auf dem Gewissen habe.
Und es in dem Moment vielleicht auch gewollt habe.
Nee, auf jeden Fall.
Deswegen sind die Experten da auch so, pochen die so da drauf, dass man immer erstmal davon ausgeht, dass es wahrscheinlich eine Simulation ist.
Ich meine, natürlich, wenn jemand total alkoholisiert war, dann ist es was anderes.
Aber wenn jemand sagt, das war wegen Stress oder so, dann ist es halt schwierig.
Deswegen sollte man da die Experten heranziehen.
Wobei das natürlich auch ein super gruseliger Gedanke ist, dass dir dann tatsächlich vielleicht selber sowas passiert
und du dann irgendwie aufwachst oder ich wache auf und du liegst auf einmal blutüberströmend neben mir.
Und dann glaubt mir keiner, dass ich nicht weiß, was passiert ist.
Was theoretisch passieren könnte?
Wenn der Grießbrei wieder alles.
Werd heute Abend kein Auge zumachen.
Was ich dir aber noch erzählen wollte, weil du ja momentan nicht so auf dem Laufenden bist, was My Favorite Murder, unserem Lieblingspodcast angeht.
Da gab es nämlich gerade einen Fall, bei dem ein Mann seine Schwiegereltern gedötet hat.
Und zwar, als er geschlafen hat, also beim Schlafwandeln.
Quatsch.
Ja, und dem wurde am Ende sogar geglaubt und er wurde freigesprochen.
Aber das glaube ich wirklich, dass das passieren kann.
Ich weiß nicht, bist du schon mal schlafgewandelt?
Mhm.
Ja, ich auch.
Und das ist so gruselig.
Und vor allem, ich konnte mich am nächsten Tag daran erinnern, dass ich meine Großeltern beim Schlafen beobachtet habe.
Und ich konnte mich noch nie an Schlafwandeln erinnern.
Und ich glaube, dass ich auch währenddessen, während des Schlafwandelns einmal kurz so eine kleine Wachphase hatte, wo ich dachte, was, also es war, ja, ganz gruselig.
Und da ist das natürlich, ja, du weißt es dann ja nicht, du bist ja dann im Traum.
Ja, vor allen Dingen, ja, ich bin als Kind auch viel schlafgewandelt und es ist wohl auch so, dass Kinder mehr schlafwandeln als Erwachsene.
Und dann haben meine Eltern mir das halt immer erzählt und dass ich auch einmal aus der Haustür rausgegangen bin.
Das ist ja total, total gruselig.
Und ja, bei dem ist es halt, ja, wie weißt du es nach, dass er wirklich geschlafen hat?
Aber bei ihm waren die sich am Ende halt sicher, dass es so war.
Naja, vor allem, wenn man so ein doller Schlafwandler ist, der auch viele Sachen in der Zeit macht, das fällt ja den meisten schon vorher auf.
Ja, das ist tatsächlich nicht da so oft aufgefallen.
Also es ist auf jeden Fall ein total interessanter Fall.
Und man fragt sich halt eben, ja, wie kann man was beweisen und wie oft ist das eigentlich nur gelogen?
Eine Freundin von mir ist in der Schulzeit immer schlafgewandelt und hat sich dann aufs Sofa gesetzt, den Fernseher angemacht und Joghurt gegessen.
Aber sie hat den halt nicht gegessen, sondern hat ihn einfach immer nur zum Mund geführt und der ist dann runtergelaufen und dann ist sie morgens immer irgendwie aufgewacht mit dem ganzen T-Shirt voller Schlabber.
Vor allem der Bruder und die Eltern, die das denn gesehen haben, wie sie da einfach sitzen.
Also da gibt es die lustigsten Geschichten. Schickt uns doch am besten mal eure lustigsten Schlafwandlergeschichten, wenn ihr welche habt.
Und die besten veröffentlichen wir dann auch gerne anonymisiert auf Instagram.
Das ist eine gute Idee.
Unsere heutige Folge hat übrigens auch ein Oberthema.
Genau, bei uns dreht sich heute alles um Mord in der Familie.
Darum geht es auch in meinem Fall.
Und es geht um jemanden, der versucht, sich den Fängen der Justiz zu entziehen.
Ich finde jetzt ehrlich gesagt keine Worte, wie ich hier beschreiben könnte, was in mir vorgeht oder wie ich mich hier fühle.
Ich kann wirklich nur hoffen, dass das Ganze eine gerechte Wendung nimmt und meine Unschuld erkannt wird.
Wenn ich gelandet bin, wird erst mal eine Türe hinter mir zugehen.
Wann die sich wieder öffnet, weiß ich im Moment leider nicht.
Das spricht Niklas G., den Namen habe ich geändert, in sein Handy.
Er ist auf einem brasilianischen Flughafen.
Hinter ihm leuchtet das rote Logo eines Duty-Free-Shops.
Niklas trägt ein weißes Hemd und ein graues Sakko.
Während er auf seinen Flug nach München wartet, will er diese Worte noch loswerden.
In letzter Zeit hat er öfter solche Videos mit dem Handy gedreht und sie danach bei YouTube reingestellt.
Meistens hat er dabei die weißen Kopfhörer seines Handys in seinen Ohren.
Niklas ist ein Mann, den viele als attraktiv bezeichnen würden.
Er hat grau, braune, wellige Haare und braune Augen.
Und der 33-Jährige ist ein verurteilter Mörder.
Die Türen, von denen er spricht, sind die eines Gefängnisses.
Diese Aufnahme ist seine letzte auf seinem Kanal.
Die anderen Videos haben einen ähnlichen Inhalt.
Es geht Niklas angeblich darum, mit diesen Videos auf seinen Fall aufmerksam zu machen.
Denn er ist, so sagt er, unschuldig.
Und trotzdem fliegt er jetzt zurück nach Deutschland und begibt sich damit in die Arme der Justiz.
Er spricht auch davon, dass er dem System vertraut.
Was irgendwie bemerkenswert ist, denn die Justiz hat über Jahre immer mal wieder die Türen hinter Niklas geschlossen.
Seit seiner Jugend betreibt Niklas Kampf und Ausdauersport und war schon mit Mitte 20 vorbestraft wegen Diebstahl und Betrug.
Die Mittelbayerische beschreibt Niklas als Mann, der immer von Reichtum und Berühmtheit träumte.
Einige seiner YouTube-Videos sollen darauf hindeuten, dass er sich als erfolgreicher Geschäftsmann ausgibt.
Dort würde Niklas von acht Erfolgsfaktoren sprechen oder ein Pflaster bewerben, das nach 90 Tagen für eine Traumfigur sorgen soll.
Er redet da auch angeblich von einer Born-to-be-Witch-Success-Academy.
Oh Gott, auf die müssen wir auch unbedingt.
Ich bin auf jeden Fall Born-to-be-Witch, weiß nicht, ist bei dir aus.
Du besagt sie und sitzt vor ihrem provisorischen Mikro in dem provisorischen Studio.
Superprofessionell.
Du bist auf jeden Fall noch mehr Born-to-be-Witch als ich.
Meinst du?
Ist doch ein gutes Zeichen.
Also werde ich bald ganz reich.
Gib dir dann was ab.
Vielleicht.
Diese Born-to-be-Witch-Success-Academy soll einem Erfolg und Reichtum bringen.
Außerdem könnte man mit einer Software schnell und bequem schuldenfrei werden.
Das behauptet Niklas angeblich in diesen Videos.
Nur mit einer Software? Kann ich die auch installieren?
Das ist doch keine Schulden, außer bei mir.
Bei Google Plus soll er Zigarre rauchend vor einer Luxuskarre zu sehen sein.
Ich erzähle das ja alles im Konjunktiv, weil alle diese Konten und Videos verschwunden sind.
Auf Niklas' Kanal sieht man heute nur noch die Videos von ihm, wie er auf seinen Fall aufmerksam machen möchte.
Rückblick.
Wir sind jetzt im Jahr 2007.
Niklas ist in diesen Tagen arbeitslos und steckt schon länger in finanziellen Schwierigkeiten.
Nach außen bemüht er sich aber ein anderes Bild zu vermitteln.
Niklas G. lebt zusammen mit seiner brasilianischen Frau Marina und ihrem gemeinsamen Sohn in einem Motel irgendwo in Bayern.
Einkünfte haben die beiden nicht, nur das Erziehungs- und das Kindergeld.
Um die Kosten für das Motel zu decken, reicht das aber nicht.
Niklas hatte sich außerdem gerade einen schwarzen Audi A3 als Mietwagen besorgt.
Er wird ihn aber nicht lange behalten.
An einem Tag fährt Niklas zu seinem Onkel Manfred.
Die beiden haben oft Kontakt.
Manfred ist 48 Jahre alt und Automechaniker.
Niklas will ihm dabei helfen, ein Auto zu verkaufen, weil seine Verhandlungsstrategien können seinem Onkel sicherlich helfen.
Ein Gebrauchtwagenhändler will vorbeikommen und sich den Wagen ansehen.
Um 17 Uhr haben sie einen Termin.
Obwohl das Auto nicht mehr fährt, zahlt der Händler Manfred 2700 Euro dafür.
2500 Euro davon gibt der Manfred in 500-Euro-Scheinen.
Nach dem Kauf schreibt Manfred noch eine SMS an die Frau seines Bruders Kai.
Und das ist das letzte Lebenszeichen von ihm.
In den darauffolgenden Tagen wird Niklas G. von Kai und seiner Frau mehrfach kontaktiert.
Sie fragen ihn, ob er etwas von Manfred gehört hätte.
Sie würden ständig versuchen, ihn zu erreichen, aber sein Handy ist aus.
Niklas sagt, er hätte Manfred nach dem Autokauf noch einmal gesehen.
Und zwar am späten Vormittag des Folgetages.
Da wären die beiden nämlich noch, wie sie es so oft tun, zusammen einkaufen gegangen.
Vier Tage nach dem Autokauf findet eine Frau Manfreds Leiche auf einem Feld nahe der Bundesstraße.
Die Leiche ist zwischen zwei Strohballen versteckt.
Manfred wurde von hinten erdrosselt.
Wohlmöglich mit einem Springseil.
Etwa so eines, wie Niklas es zum Sport benutzt.
Handy, Geldbörse und Haustürschlüssel fehlen.
Ob Manfred am 21. Februar oder am 22. zu Tode gekommen ist, können die Ermittler nicht mehr herausfinden.
Auch nicht, wo er stranguliert wurde.
Aber offenbar sind die Strohballen nicht der Tatort.
Der Verdacht fällt schnell auf Niklas.
Und das aus mehreren Gründen.
Der offensichtlichste ist, dass Niklas G. offenbar die letzte Person ist, die sein Onkel lebt, gesehen haben soll.
Außerdem hatte er einen Tag nach dem Verkauf des Autos einen Teil seiner Schulden bei Gläubigern beglichen.
Einer der Männer, bei denen er Schulden hatte, soll in den letzten Tagen immer wieder massiven Druck auf Niklas ausgeübt haben.
Außerdem bezahlte er an dem Tag einen Teil der Motelrechnung und zahlte 500 Euro auf sein Konto bei der Postbank ein.
Das kommt den Ermittlern verdächtig vor.
Der Niklas G. hatte ja, wie gesagt, große Geldprobleme, kein Einkommen und die 2700 Euro, die Manfred durch den Autokauf erhalten hatte, kann die Polizei nicht sicherstellen.
Einer der 500-Euro-Scheine, die Niklas in den Tagen ausgegeben hatte, untersucht die Polizei und findet anhand der Seriennummer heraus,
dass dieser Schein offenbar von dem Autohändler stammen soll.
Niklas hat aber eine Erklärung für seine plötzliche Solvenz.
Anfang Februar hätte er sich mit einem spanischen Boxtrainer in einem Hotel getroffen, von dem er sich 2800 Euro geliehen habe.
Ich muss so über die Differenz lachen, weil es 100 Euro mehr sind als der Autokauf.
Man will ja jetzt nichts unterstellen, aber sollte er das gewesen sein, hat er vorsichtshalber lieber 2800 als 2700 gesagt oder was?
Er kommt nicht besonders schlau rüber.
Ich glaube, der ist nicht blöd.
Niklas ist gut darin, Leuten Versprechungen zu machen, die er nicht einhält, um sich dadurch Geld zu erschleichen.
Immerhin ist er deswegen ja schon vorbestraft.
Abwegig ist das Ganze also nicht.
Aber die Polizei findet keine Hinweise dafür, dass es dieses Treffen mit dem Boxtrainer wirklich gegeben hat.
Sie fragen in dem Hotel nach, wo sich die beiden angeblich getroffen haben und bei verschiedenen spanischen Boxverbänden.
Auch die Wohnadresse, die Niklas ihn nennt, gibt es nicht.
Und die E-Mail-Adresse, die er von ihm hat, ist seit ein paar Tagen nicht mehr gültig.
Als Tatort soll Niklas geliehener Audi in Betracht kommen.
Den hatte er ja gleich nach einem Tag wieder zurückgegeben.
Und zwar penibel gereinigt.
Außerdem soll es in dem Wagen komisch gerochen haben.
Das macht ja auch niemand einfach, ne?
Den gereinigt zurückbringen.
Also das habe ich noch nie gehört, dass jemand seinen Leihwagen reinigt vor der Rückgabe.
Ja, wobei, wenn man sich den nur einen Tag ausleiht, so viel dreckig kann man ja eigentlich gar nicht machen.
Also vielleicht war er auch einfach noch sauber.
Alles Spekulation.
Bei der kriminaltechnischen Untersuchung kommt heraus, dass sich Niklas' DNA auf den Gesäßtaschen von Manfred befindet.
Und noch eine DNA-Spur ist für die Ermittler höchst interessant.
Auf der linken Innenseite von Manfreds Jacke wird die DNA von Niklas' Ehefrau Marina gefunden.
Daraufhin wird Niklas angeklagt, seinen Onkel aus Habgier heimtückisch ermordet zu haben.
Er wird verhaftet und auch Marina kommt in Untersuchungshaft.
Insgesamt 429 Tage bleibt Niklas hinter Gittern.
Marina sitzt 5 Monate.
Nebenkläger in dem Prozess ist Kai, der Bruder von Manfred.
Er hatte seinen Neffen gleich im Verdacht.
Vor Gericht macht Niklas keine Angaben und verweigert seine Aussage.
Und trotzdem wird er im Mai 2008 aus Mangel an Beweisen freigesprochen.
Und was hat ihm dabei vielleicht sogar geholfen?
Seine Vorstrafen.
Es würde nämlich nicht feststehen, dass Niklas durch Gewalt oder sogar durch Tötung an das Geld seines Onkels Manfred gekommen ist.
Er könnte ihn ja auch darum betrogen haben.
Das hatte er in der Vergangenheit ja öfter getan.
Außerdem fehle ein unmittelbarer Tatnachweis.
Niklas ist hier übrigens 28 Jahre alt.
Er verlässt das Gericht als freier Mann und geht gemeinsam mit Marina und ihrem Sohn nach Brasilien.
Aber die Staatsanwaltschaft gibt sich mit diesem Urteil nicht zufrieden und geht in Revision.
Sie ist der Meinung, dass das Urteil Rechtsfehler haben muss und Beweise nicht ausreichend bewürdigt worden.
Und tatsächlich.
Der Bundesgerichtshof hebt das Urteil auf und weist es an das Landgericht zur Neuverhandlung zurück.
Woraufhin er, so stellt es zumindest Niklas selbst auf seiner Facebook-Seite dar,
freiwillig zurück nach Deutschland kommt, um hier zur neuen Verhandlung zu erscheinen.
Wieso darf der überhaupt, wenn da noch eine Revision möglich wäre, dann einfach das Land verlassen?
Ich dachte, so etwas ist dann vielleicht nicht erlaubt.
Also erst mal war das Urteil ja rechtskräftig und dann muss ihm das ja erlaubt sein.
Okay, und warum kommt er dann wieder zurück?
Weil er sich ja für unschuldig hält und er sich der Verhandlung stellen möchte, so sagt er das.
Das ist ja überraschend.
Vielleicht war er es ja doch nicht.
Erzähl es mir.
Im Dezember 2009 wird er wieder verhaftet.
Dann aber gegen Auflagen wieder freigelassen.
Niklas muss eine Kaution zahlen und sich zweimal wöchentlich melden.
Mittlerweile hat er wieder eine Wohnung in Deutschland.
Zu diesem Zeitpunkt konnte noch keiner wissen, dass die neue Verhandlung erst Ende 2012 stattfindet.
Bis dahin führt Niklas offenbar erst mal weitestgehend ein normales Leben hier in Deutschland
und lässt sich, soweit ich weiß, nicht zu Schulden kommen und unternimmt sogar eine Reise nach Amerika,
von der er nur drei Tage vor Prozessbeginn wieder zurückkommt.
Das heißt, dem muss es ja erlaubt gewesen sein, weil er ja offiziell noch freigesprochen war.
In diesem Verfahren kommt das Landgericht nun aber zu dem Schluss, dass Niklas seinen Onkel Manfred doch umgebracht hat und verurteilt ihn zu einer lebenslangen Haftstrafe.
Er muss wieder ins Gefängnis.
Aber da bleibt er auch diesmal nicht lang, denn sein Anwalt legt sofort Revision und Haftbeschwerde ein.
Und deswegen kommt Niklas wieder raus.
Diese Revision verwirft der Bundesgerichtshof allerdings, also ein ständiges Hin und Her.
Und als Niklas das erfährt und mit seinem Anwalt telefoniert, ist er verzweifelt.
Heißt das, er müsste dann jetzt wieder rein?
Er müsste jetzt wieder rein, ja.
Weil das Urteil jetzt rechtskräftig ist, sozusagen.
Er spricht von einem Wiederaufnahmeverfahren mit seinem Anwalt, aber sowas geht natürlich nicht von heute auf morgen.
Und als die Polizei im August 2013 vor Niklas Wohnungstür steht, um ihn abzuholen, damit er seine Haftstrafe antreten kann, öffnet ihn niemand.
Überraschung.
Er ist in Brasilien.
Niklas ist nämlich nicht mehr in seiner Wohnung und er ist, wie du schon erahnst, nicht mehr im Land.
Der Justiz ist hier nämlich, sagen wir mal, eine kleine Unachtsamkeit passiert.
Niklas' Verteidiger wurde per Brief darüber informiert, dass die Revision verworfen wurde.
Aber die Staatsanwaltschaft bekam quasi so ein Aktenwerk zugeschickt.
Und das Versenden von Aktenbergen soll angeblich länger dauern, als das Versenden eines Briefs.
Check ich jetzt nicht.
Und was ist das Resultat?
Dass der Anwalt vorher Bescheid wusste, als die Staatsanwaltschaft, dass Niklas wieder in Haft muss.
Okay, das soll nicht so sein, oder was?
Naja, das gibt denen halt voll den Zeitvorsprung.
Aber ist doch strafbar, wenn er jetzt abhaut.
Nee.
Nee?
Komm ich nach einer Nacht zurück.
Niklas sagt aber übrigens, dass er auch angerufen wurde.
Dass die gesagt haben, tritt mal bitte deine Haftstrafe morgen an.
So nach dem Motto.
Naja, und diese Zeit hat Niklas halt genutzt.
Die Medien berichten, dass mit Hochdruck nach Niklas G. gefahndet wird.
Aber nach dem, was ich jetzt so gelesen habe, ist den Behörden ja auch von Anfang an klar, zumindest in welchem Land er sich zu dem Zeitpunkt aufhält.
Natürlich in Brasilien, bei seiner Familie.
Er macht daraus auch kein Geheimnis und meldet sich von dort aus.
Zum Beispiel bei der Bild-Zeitung.
Dort sagt er, ich brauche Luft, um Hilfe und Aufmerksamkeit zu bekommen.
Meine einzige Chance.
Ich bin unschuldig und ich habe hier sofort Kontakt zum BKA bei die französische Botschaft aufgenommen.
Niklas hat auch tatsächlich Kontakt zu den deutschen Beamten aufgenommen.
Er sagt aber nicht genau, wo er sich aufhält.
Und er stellt sich ja auch nicht.
Und weiter sagt er zur Bild,
Ich wurde schon vor dem Mord an meinem Onkel bedroht und habe Schutz bei der Polizei und beim LKA gesucht.
Es waren dieselben Leute, die meinen Onkel auf dem Gewissen haben, sagt er.
Also er redet hier von angeblichen Mördern, die seinen Onkel umgebracht haben sollen.
Und er wüsste, wer diese Leute sind.
Oder zumindest sagt er, er wurde von denen auch schon mal bedroht.
Darüber redet er auch in einem seiner YouTube-Videos.
Dort sitzt er nämlich mit einer großen Sonnenbrille im Gesicht
und in einem blauen Polohemd draußen auf der Eskadaria...
Ich spreche es sowieso falsch aus.
Deswegen sage ich jetzt Eskadaria Celeron.
Celeron.
Celeron.
Zeig mal, wie du das geschrieben hast.
Sprich du mal aus.
Eskadaria Celeron.
Wahrscheinlich.
Es hört sich immer richtig an, wenn man das R rollen kann.
Kannst du das nicht?
Nein.
Ach so.
Voll bemitleidend.
Ach so.
Oh Gott.
Das arme Ding.
Auf jeden Fall ist das Ding, auf dem man sitzt, ein Kunstprojekt in Rio de Janeiro.
Und es ist eine Treppe, die mit bunten Mosaikteilen verzehrt ist.
Von dort erklärt er auch sein Schweigen vor Gericht mit der Bedrohung durch diese angebliche Tätergruppe.
Und er spricht auch von einem Telefonat mit dieser Gruppe, das er auch noch zusammen mit seinem Onkel vor dem Mord geführt haben soll.
Und warum kommt er jetzt erst damit um die Ecke?
Oder hat er das schon von Anfang an gesagt?
Also nicht zur Presse.
Er sagt, dass er schon bei seiner ersten Aussage der Polizei mitgeteilt habe, dass er halt Angst vor diesen Leuten habe und um Personenschutz für seine Frau und sein Kind gebeten hatte.
Und er behauptet, die Polizei hätte ein Tatmotiv rund um sein Bewegungsprofil rumgesponnen.
Sie haben ihre Arbeit gemacht.
Wie diese Arbeit aussieht und wie stümperhaft diese ist, das sieht man ja an den Abläufen meiner Festnahme.
Meiner versuchten Festnahme, wo es hieß, okay, komm doch bitte morgen zur Wache und tritt deine lebenslange Haftstrafe an.
Genauso wie die Polizei in diesen Sachen vorging, ist sie auch in den kompletten Ermittlungen 2007 vorgegangen, sagt er da im Video.
Hast du das Video gesehen?
Wie kommt er denn so rüber? Was ist denn das für ein Typ?
Kann man dem glauben oder kommt er irgendwie ein bisschen Psycho oder so rüber?
Also der wirkt nicht Psycho.
Ich habe keine Ahnung, ja.
Aber der wirkt schon wie jemand, der viel erzählen kann, der auch nicht blöd ist.
Ja, er wirkt schon wie so ein Geschäftstyp.
Aber...
Ich stelle mir den irgendwie wie so ein Sunnyboy vor.
Ist der so ein bisschen in die Richtung?
Nein, okay.
Eher wie so ein Münchner Geschäftstyp.
Okay.
Ich weiß auch nicht, warum ich diese Assoziierung mit München immer habe.
In einem Facebook-Post schreibt er von einem Telefonat mit dem deutschen LKA.
Wie ist es denn in warmen Brasilien?
So eröffnete der LKA-Beamte das Gespräch mit mir.
Wird man so psychologisch geschult?
Entgegen dieser Ansicht muss ich sagen, ich bin nicht hier und liege am Strand.
Auch Brasilien ist mehr als Copacabana, Samba und Sonne.
Mein liebster Ort?
Die Kathedrale Darce in Sao Paulo.
Übrigens, wie man an meiner Kleidung sieht.
Es ist kalt.
Das ist der mit Wintermantel?
Nee.
Nee, er postet ein Selfie dazu mit sich vor dieser Kathedrale und hat so einen Stricküberzieher über sein Hemd.
Das finde ich so witzig, dass er das da alles postet.
Das ist ja total irre.
Niklas lebender Onkel Kai, der damals der Nebenkläger war, ist bestürzt darüber, dass sein Neffe frei rumläuft.
Eigentlich wollte er den Fall langsamer hinter sich lassen.
Immerhin sind bis zu dem rechtskräftigen Urteil jetzt schon über fünf Jahre vergangen und jetzt läuft draußen ein verurteilter Mörder rum, denkt er sich.
Sein Verteidiger, also der des Onkels, ist aber guter Dinge.
Niklas G. hätte nicht die Mittel, dauerhaft unterzutauchen und würde sich deswegen über kurz oder lang sowieso stellen, meint er.
Und das tut Niklas auch.
Nach fast vier Wochen tritt Niklas die Rückreise nach Deutschland an.
Ohne LKA-Beamte setzt er sich dann in die Maschine nach Amsterdam.
Und auf dem Weg dorthin dreht er das Video, von dem ich am Anfang erzählt habe.
Niklas wusste, dass er sich mit der Reise nach Deutschland quasi direkt ins Gefängnis begeben würde und tat es trotzdem.
Ist das jetzt die Aktion eines Schuldigen?
Oder hätte er sich tatsächlich nicht mehr lange entziehen können?
In Amsterdam klicken die Handschellen und hinter Niklas haben sich die Gefängnistüren schon oft geschlossen.
Aber seit Ende 2013 ist das auch so geblieben.
Also er war jetzt quasi nur vier Wochen da nochmal in Brasilien und hat sich quasi versteckt.
Ja.
Das ist ja total komisch, oder?
Vor allen Dingen, da hätte er jetzt noch ein bisschen länger da bleiben können auch.
Meiner Meinung nach, wenn er sich gut versteckt hätte, doch wahrscheinlich auch noch sein Leben lang.
Genau, aber das muss man ja dann erstmal machen.
Also du musst dich dann ja erstmal da irgendwo verstecken.
Du brauchst finanzielle Mittel dafür, die er ja nicht hatte.
Dann kann er seine Familie da auch nicht sehen, weil die wahrscheinlich dann, weil das ja wahrscheinlich zu offensichtlich gewesen wäre, dass er bei denen ist, bei seiner Ex-Frau und seinem Kind.
Vielleicht eine Schönheits-OP und eine Namensänderung.
Dann einfach ein neues Leben aufbaut.
Hätte man ja mal versuchen können, wenigstens nach vier Wochen.
Ja, er ist ja gut im Betrügen.
Naja, okay, so gut nicht, aber nee, mich wundert das total.
Und das ist für mich so ein Schuldeingeständnis, wenn man dann nach vier Wochen zurückkommt.
Ach, echt? Also ich würde eigentlich eher, also ein Schuldeingeständnis ist das für mich nicht.
Ich habe mich tatsächlich eher gewundert, dass er das dann trotzdem einfach gemacht hat.
Ja, weil er ja im Inneren weiß, dass er es war und deswegen es auch verdient hat.
Das kann man nicht dran lassen.
Nee, weil ich denke, dass er schuldig ist.
Ich weiß nicht, also darüber kann man ja diskutieren, aber ich würde jetzt eine Rückreise nach Deutschland nicht gleichsetzen mit einem Schuldeingeständnis.
Hätte der sich denn da überhaupt verstecken müssen?
Ich glaube, zu dem Zeitpunkt noch nicht, weil die hier in Deutschland zu der Zeit quasi erst den Antrag auf Auslieferung erst vorbereitet haben und die Behörden seinen Aufenthaltsort auch kannten.
Also wie genau, weiß ich nicht, aber er hatte da in Brasilien auch mit einem deutschen Polizisten gesprochen.
Aber die brasilianischen Behörden hätten ihn da wohl noch nicht festnehmen können, weil sie eben erst mal auf diese ganze Bürokratie hätten warten müssen.
Und seit wann sitzt er jetzt? Seit 2013?
Seit Ende 2013, ja.
Okay, und jetzt noch 15 Jahre mindestens dann, ne?
Wenn es keine Wiederaufnahme gibt, dann ja.
Kommen wir zu meinem Aha.
Du hast es ja vorhin schon gefragt.
Niklas hat sich mit seinen Absätzen nach Brasilien übrigens nicht strafbar gemacht, weil eine Flucht vor der Strafvollstreckung in der Regel nicht strafbar ist.
Gefängnisausbrüche sind in Deutschland ja auch nicht strafbar, weil jeder Mensch über einen natürlichen Freiheitstrieb verfügt.
Und das hätten die Gesetze zu respektieren.
Zumindest ist man in Deutschland dieser Ansicht.
Das ist übrigens nicht üblich.
Österreich, Belgien und Mexiko vertreten eine ähnliche Ansicht.
Aber ansonsten handhaben das andere Länder komplett anders.
Und jetzt wird es nämlich richtig skurril, weil selbst aus dem Gefängnis auszubrechen ist nicht strafbar.
Anderen dabei zu helfen, aber schon.
Nach § 120 im StGB ist die Gefangenenbefreiung eine Straftat.
Nur weil so ein Ausbruch aber nicht strafbar ist, heißt es jetzt nicht, dass er ohne Konsequenzen bleibt.
Es könnte sich beispielsweise auf Bewährungsauflagen auswirken.
So ein Ausbruch würde zumindest aber gegen die Hausordnung des Gefängnisses sprechen und Sanktionen danach sich ziehen.
Natürlich sind die sogenannten Begleitstraftaten aber sehr wohl strafbar, also Sachbeschädigungen während der Flucht oder Liebstahl oder wenn man halt Wärter umnietet, Körperverletzung, all das.
Es kommt übrigens gar nicht so selten vor, dass Straftäter vor ihrer Haftstrafe fliehen.
Die Berliner Morgenpost schrieb 2014, dass, wie viel meinst du, Verurteilte allein in Berlin mit Haftbefehl gesucht wurden.
Also die, die wieder aus dem Gefängnis ausgewogen sind?
Nee, die generell, die mit Haftbefehl gesucht wurden.
70?
6.522.
Nein.
Die sind quasi alle nicht ihre Haftstrafe angetreten und sind jetzt nie mehr auffindbar.
6.000 Leute.
6.500 Leute 2014.
Wie krass, dann müssen die dann hin?
Es gibt wahrscheinlich so einen geheimen Ort, wo alle gesunden Straftäter sind.
Das ist ja verrückt.
Peinlich?
Peinlich?
Was habe ich gesagt?
Die Zahl ist so ein bisschen mit Vorsicht zu genießen.
Ich sage dir auch, warum.
Haftbefehle werden ja erlassen bei einem Verurteilter, die Strafe nicht freiwillig antritt.
Fast die Hälfte der Berliner Haftbefehle 2014 bestanden auch schon über ein Jahr.
Das heißt, nach denen wurde über ein Jahr gesucht.
Die Zahl ist aber nicht ganz so schlimm, wie sich die halt zuerst anhört.
weil also nur in Anführungszeichen, das ist zweimal noch super viel, 1400 der gesuchten Täter wirklich Haftstrafen bekommen haben.
Die Haftbefehle gegen die anderen wurden erlassen, weil sie Geldstrafen nicht gezahlt hatten und deswegen dann in die Ersatzfreiheitsstrafe hätten gehen müssen.
Okay, tausend ist aber immer noch viel, ne?
Ja.
Die meisten Flüchtlinge sind also keine Schwerkriminellen.
Und die kommen nämlich in der Regel ja gleich von der U-Haft in die Strafhaft.
Die anderen haben in der Regel zwischen Urteilsspruch und Haftantritt dann noch Zeit, die sie nutzen.
Übrigens ist es auch oft so, dass manche von denen, die sie nicht finden können, halt keine normale Meldeadresse haben oder so.
Also die sind jetzt nicht alle in Brasilien und verbarrikadieren sich da.
Oder na, ja.
Wenn wir hier im Podcast über die Verjährungsfristen reden, dann reden wir ja meistens über die Strafverfolgungsverjährung.
Also, dass jemand nach einer gewissen Zeit nicht mehr der Prozess gemacht werden darf, weil die Straftat dann verjährt ist.
Es gibt aber auch Strafvollstreckungsverjährungen und die regelt, ab wann eine verhängte Strafe nicht mehr vollstreckt werden darf.
Ist jemand beispielsweise zu einer Haftstrafe von fünf bis zehn Jahren verurteilt, verjährt die Strafvollstreckung nach 20 Jahren.
Bei einem Jahr Haft sind es dann fünf Jahre bis zur Verwährungsfrist.
Die Verjährung ruht übrigens, wenn sich der Täter im Ausland aufhält, also so wie Niklas, und Deutschland dann einen Antrag auf Auslieferung gestellt hat.
Das Gericht kann die Verjährungsdauer um die Hälfte der gesetzlichen Frist auch verlängern, wenn sich der Verurteilte eben in einem anderen Staat versteckt, der nicht an Deutschland ausliefert.
Und wer jetzt denkt, dass Niklas G. nur einen langen Atem gebraucht hätte, der täuscht sich aber.
Denn lebenslange Freiheitsstrafen und die Sicherheitsverwahrung sind von dieser Verjährung ausgenommen.
Was ich auch richtig finde, ich finde es auch total unsinnig, dass das bei anderen Straftaten nicht so ist.
Bei Vergewaltigung zum Beispiel oder bei allen anderen Strafen.
Warum, wenn die sich da aus der Affäre ziehen, weil die sich verstecken oder so, wieso werden die danach quasi begnadigt und dafür auch noch, kriegen auch noch Vorteile daraus, weil sie dann nicht mehr ins Gefängnis müssen?
Bei der Strafverfolgungsverjährung verstehe ich das.
Also da verstehe ich das und finde es für die Opfer natürlich auch manchmal absurd.
Aber bei der Strafvollstreckungsverjährung finde ich absolut Quatsch.
Du bekommst diese Strafe und die hast du eigentlich abzusitzen.
Und wenn du dich der entziehst, dann darfst du doch nicht dafür gelohnt werden.
Wieso verstehst du es bei den anderen Strafen?
Weil wenn jemand jetzt beispielsweise mit 20 eine Straftat begangen hat und dann wird ihm oder ihr mit 70 der Prozess gemacht, da kann weder die Person noch, also kann sich richtig dann vielleicht noch daran erinnern, noch die Zeugen.
Das hat für mein Verständnis schon einen Sinn, warum es diese Verjährungsfristen gibt.
Ich finde es natürlich trotzdem oft für die Opfer unfair.
Ja, also ich glaube, da muss man dann voll auf die Strafe sich beziehen sozusagen.
Weil bei Vergewaltigung ist ja oft so, dass Jugendliche oder Kinder sich erst nach 20 Jahren trauen, das öffentlich zu machen.
Und da ist ja momentan in Amerika und in Deutschland das so, dass es halt dann meistens schon verjährt ist und dann stehen die da und können nicht wirklich damit abschließen, weil ihre Peiniger nicht dafür verantwortlich gemacht werden.
Das finde ich halt auch fies, weil gerade wenn irgendwie sich dann einen Haufen Opfer zusammenschließen und sich dann endlich mal trauen, was zu sagen, dann ist es natürlich blöd.
Ich sage ja nicht, dass es generell für alle Fälle gut ist, eine Verjährungsfrist zu haben, nur, dass ich den Sinn dahinter verstehe.
Und das fällt mir halt bei diesen Strafvollstreckungsverjährungen, da erkenne ich keinen Sinn dahinter, warum jemand belohnt werden sollte dafür, dass er irgendwie gut verstecken spielen kann.
Ja, aber es muss doch irgendwelche Gründe geben, warum man diese Vollstreckungsverjährung dann hat, oder?
Ja, weil das deutsche Recht der Auffassung ist, dass das gesellschaftliche Bedürfnis nach Sühne nach einer Zeit nachlässt.
Was ich auch ganz furchtbar finde, weil das ist ja, als ob man jemandem sagen würde, ja jetzt ist auch egal und das erzähl mal einen Angehörigen, der jemanden verloren hat, weil für die ist das garantiert nicht so.
Selbst wenn die öffentliche Gesellschaft das irgendwann vergisst, die vergessen das ja nicht.
Die vergessen das nie.
Jetzt wollen wir euch noch zu einer anderen Familientragödie updaten, und zwar zu Volker und Nadine L.
Diese Folge ist übrigens vorerst die letzte Folge, wo wir über den Schackendorf-Fall reden.
Das Gericht ist nämlich am Dienstag, den 26.02., also einen Tag vor Veröffentlichung dieser Folge, zu einem Urteil gekommen.
Ich war bei der Urteilsverkündung dabei und habe gleich noch ein paar Eindrücke dazu und erzähle euch dann natürlich auch, wie das Urteil ausgefallen ist.
Aber zuerst erzählen wir euch den Fall nochmal ganz von vorne, weil viele von euch da immer drum gebeten haben, weil sie sich die einzelnen Sachen der Prozesstage nicht so richtig merken konnten.
Es gibt von der Tatnacht zwei Versionen, die ich euch jetzt vorstelle.
Tatversion 1
Am 1. November 2017 kommen Volker und Nadine L. von einem Kurzurlaub aus dem Harz wieder, den sie vorzeitig abgebrochen hatten.
Volker wollte mit diesem Urlaub eigentlich seine Ehe retten, doch die Streitigkeiten blieben auch dort nicht aus.
Am Abend gehen Volker und Nadine dann gemeinsam mit ihrem dreijährigen Sohn und dem Familienhund in Schackendorf im Kreis Segeberg spazieren.
Der Hund wird abgeleint und rennt plötzlich davon, bis er nicht mehr zu sehen ist.
Die Familie ruft und sucht nach dem Hund, aber keine Spur von dem Vierbeiner.
Das Ehepaar streitet sich, weil der Hund weg ist und Volker geht mit seinem Sohn nach Hause, während Nadine weitersuchen will.
Als Nadine Stunden später immer noch nicht wieder zu Hause ist, macht Volker sich Sorgen.
Er steigt ins Auto und fährt die Gegend ab. Keine Spur.
Nachts ruft er dann die Polizei und meldet seine Frau als vermisst.
Doch die fangen nicht an zu ermitteln, bevor nicht 24 Stunden vergangen sind.
Volker sucht weiter. Die ganze Nacht lang.
Am nächsten Morgen fragt er seinen Nachbarn, ob er ihm bei der Suche helfen kann.
Der willigt ein und nach nur 20 Minuten gemeinsamer Suche sieht Volker auf dem Gehweg seine Frau liegen.
Da ist sie, ruft er und rennt zu ihr.
Nadine liegt mit nacktem Unterkörper auf dem Gehweg.
Ihr Kopf weist brutale Verletzungen auf.
Volker will nicht wahrhaben, dass seine Frau tot ist.
Er schmeißt sich auf sie, ruft, ihr ist kalt und legt eine Decke auf seine Frau.
Der 48-jährige tätschelt das Gesicht, sagt, Engelchen, wach doch auf.
Daraufhin ruft der Nachbar, sie ist tot, siehst du doch.
Volker fängt an zu weinen.
Als die Rettungssanitäter kommen, fleht Volker sie an, seine Frau zu retten.
Tat Version 2
Nadine und Volker gehen gemeinsam mit ihrem dreijährigen Sohn und dem Familienhund spazieren,
bis der Hund davon rast.
Die beiden fangen an zu streiten und der Streit eskaliert.
Volker gerät so in Rage, dass er sich einen Zaunfall nimmt, der am Rand des Gehwegs liegt und siebenmal auf seine Frau einschlägt.
Nadine fällt tot zu Boden.
Um sicherzugehen, dass sie stirbt, schneidet er ihren Hals auf.
Um von sich als Täter abzulenken, zieht er Nadine die Hose aus.
So sieht es aus, als wäre seiner Frau einem Sexualstraftäter zum Opfer gefallen.
Danach bringt Volker seinen Sohn nach Hause und ins Bett.
Danach fährt er durch die Gegend, muss den Kopf freikriegen.
Irgendwann kommt ihm die Idee, seine Frau bei der Polizei als vermisst zu melden.
Außerdem will er die Leiche im Beisein eines anderen finden.
Dann werden die Polizisten von ihm als Verdächtigen absehen, denkt er.
Deshalb fragt er seinen Nachbarn am nächsten Morgen und geht mit ihm zu der Stelle, an dem er Nadine liegen gelassen hat.
Er wirft sich auf den Leichnam seiner Frau, damit seine DNA-Spuren auf ihr und am Tatort erklärt werden können.
Vor der Sanitäterin und seinem Nachbarn gibt er den geschockten und am Boden zerstörten Ehemann.
Rückblick
Volker und Nadine L. lernen sich beim Fußballspielen kennen.
Sie ist Krankenschwester, er Gänsezüchter.
Zu diesem Zeitpunkt ist Volker L. allerdings noch verheiratet.
Das tut der Beziehung zwischen den beiden aber keinen Abbruch.
Nadine zieht bei Volker und seiner Ehefrau ein.
Offenbar führen sie sogar eine Dreiecksbeziehung.
Bis Volkers, dann irgendwann Ex-Frau, mit dem gemeinsamen Kind in ein Frauenhaus zieht.
Volker und Nadine heiraten heimlich.
Dabei nimmt er ihren Namen an.
Nadines Mutter erfährt von der Hochzeit erst via Facebook.
Sie und Nadine haben zu dieser Zeit nicht so viel Kontakt zueinander.
Das ändert sich aber zu dem Zeitpunkt, wo Nadine und Volker ein Kind erwarten.
Der kleine Sohn kommt allerdings mit einer Behinderung auf die Welt.
Nadine und Volker besuchen Nadines Mutter nun zwei- bis dreimal die Woche sogar.
Sie kommt mit Volker gut zurecht, im Gegensatz zum Rest der Familie.
Sie kommt irgendwie mit seiner Art nicht klar.
Ständig hat er irgendetwas zu nörgeln, erzählt sie später.
Das Dorf, in dem Nadine und Volker L. wohnen, hat nur um die 860 Einwohner.
Und in der Nachbarschaft sind die beiden bekannt.
Aber nicht, weil man sie so gern hat.
Die beiden streiten nach Aussagen der Nachbarn oft und laut.
Und dabei fallen Sätze wie
Ich hab keinen Bock auf dich und Beschimpfungen.
Einmal hört ein Nachbar wie jemand aus der Wohnung
Du schlägst mich nicht schreit und hört dann laute Klatschgeräusche.
Die anderen Mietparteien haben eine Chatgruppe,
in der sie sich über die Ärgernisse von Volker und Nadine L. austauschen.
Sie heißt Familie Flodders.
Da protokollieren sie die Beschimpfungen und Beobachtungen,
weil sie schließlich gegen Familie L. eine Räumungsklage durchsetzen wollen.
Weil der Sohn der beiden immer wieder schreit, ohne aufzuhören,
schalten sie außerdem das Jugendamt ein.
Auch ihrer Mutter erzählt Nadine L.,
dass es immer häufiger Streit mit ihrem Mann gibt
und sie sich deswegen Sorgen um ihren Sohn macht.
Gründe für die Auseinandersetzung sind das knappe Geld
und der Erziehungsstil der beiden.
Volker L. ist übrigens vorbestraft wegen Betrugs,
Diebstahls und weil er Unterhalt für sein anderes Kind nicht gezahlt hat.
Und noch etwas sorgt für schlimme Reibungen.
Volker L. ist notorisch eifersüchtig, wie Zeugen berichten.
Wenn Nadine zum Beispiel auf Arbeit bei einer anderen Station aushelfen muss,
dann will er vorher wissen, ob da auch Männer arbeiten.
Arbeitskolleginnen erzählen Nadine,
dass ihr Mann ihr immer wieder Affären mit anderen Männern unterstellt.
Aber auch, dass sie ihn trotz allem liebt.
Und nicht nur darauf soll er eifersüchtig sein.
Offenbar auch auf einen Hund.
Wie später bekannt wird, verkauft Volker nämlich
den von Nadine abgöttisch geliebten Familienhund Molly auf Ebay
und behauptet dann vor seiner Familie, dass Molly überfahren wurde.
Diese Aktion soll ebenfalls auf seine Eifersucht zurückzuführen sein.
Generell hätten die beiden unterschiedlicher nicht sein können,
sagt Nadines Mutter später.
Sie ist jung, sportlich und unternehmerisch
und sie fährt täglich zehn Kilometer mit dem Rad zur Arbeit,
trainiert zweimal die Woche Kampfsport.
Gerade bereitet sie sich intensiv auf die Prüfung für den gelben Gürtel vor.
Aber auch das scheint Volker L.,
wenn man den Zeugenaussagen Glauben schenken mag,
nicht immer zu gefallen.
Er soll seiner Ehefrau auch eine Affäre mit dem Trainer unterstellen.
Und deswegen beendet sie kurz vor der Prüfung den Sport,
um ihre Ehe zu retten.
Er hingegen igelt sich zu Hause ein.
Er leidet an Morbus Crohn und ist chronisch herz- und zuckerkrank.
Nadine soll immer wieder mal von Trennung gesprochen haben.
Ist das der Grund, warum sie sterben musste?
Endete diese Liebe in einer Familientragödie?
Kurz nach der Tat gerät der Gänsezüchter ins Visier der Ermittler
und kommt in U-Haft.
Volker L. bestreitet seine Frau getötet zu haben.
Trotzdem wird Anklage wegen Mordes aus niedrigen Beweggründen erhoben
und am 26. Oktober 2018 beginnt der Prozess am Kieler Landgericht.
Zunächst wird die Anklage von der Staatsanwältin verlesen.
Darin wird Volker L. vorgeworfen, seine Frau Nadine am 1.11. umgebracht zu haben.
Und zwar nach der zweiten Tatversion, die ich eben erzählt habe.
Hintergrund für die Tat sollen laut Staatsanwaltschaft die Eheprobleme gewesen sein,
die Paulina eben angerissen hat.
Nach der Anklageverlesung gibt Volker L. eine Erklärung ab.
Ich bin unschuldig.
Ich habe meine Frau nicht umgebracht, lässt er über seinen Anwalt Dr. Jonas Hennig verlesen.
Der hält am ersten Prozestag ein halbstündiges Opening Statement,
also die Gegenrede zur Anklage, in der die erste Tatversion geschildert wird.
Neben dieser alternativen Version kritisiert Jonas Hennig in seinem Statement die Polizeiarbeit.
Die seien von der Tatort Weisheit ausgegangen, dass der Ehemann auch der Täter sein müsse.
Außerdem hätten die Beamten schlampig, einseitig und mit verbotenen Methoden gearbeitet.
Verboten sei zum Beispiel gewesen, Volker L. zu verhören,
obwohl dieser 24 Stunden lang nicht geschlafen habe.
Außerdem sei ein Anwalt erst mit mindestens drei Stunden Verzögerung kontaktiert worden.
Hennig sagt außerdem, dass es keine Beweise für die Schuld seines Mandanten geben würde.
Im Gegenteil würden die Indizien eigentlich eher auf eine Unschuld hinweisen.
Hennig spielt dabei auf die chronische Krankheit seines Mandanten und seinen Herzschrittmacher an.
Laut Hennig hätte Volker es nicht mit seiner fitten und jüngeren Frau aufnehmen können.
Dann kommt er zur Tatwaffe.
Die Waffe, mit der dem Opfer der Hals durchgeschnitten wurde, wurde nie gefunden.
Und auf der anderen Tatwaffe, dem Zaunpfahl, wurden keine DNA-Spuren von Volker L. gefunden.
Stattdessen, und das ist wirklich interessant, sind auf dieser Waffe DNA-Spuren eines vorbestraften Mannes,
der sich momentan auf der Flucht befindet.
In den nächsten Prozestagen werden mehrere Zeugen gehört.
Darunter die Kriminalbeamtin, die Volker L. verhört hatte.
Sie gibt zwar an, dass Volker L. von Anfang an bestritten hatte, seine Frau umgebracht zu haben.
Aber er hätte auch gesagt, dass er sehr sauer auf seine Frau war und sie hätte erschlagen können.
Immer wieder wird in diesem Prozess die Ehe und die Probleme von Volker und Nadine L. zum Thema gemacht.
Nadines Mutter und ihre Schwester geben an, dass Volker L. zwar ein eifersüchtiger Typ gewesen sei,
aber nie gewalttätig wurde.
Die Mutter von Nadine, die übrigens die Nebenklägerin ist, gibt außerdem an,
dass sie in der Tatnacht um 5.30 Uhr mit dem Angeklagten telefoniert hatte, um zu fragen,
ob er Nadine mittlerweile gefunden hätte.
Er hätte daraufhin gesagt, dass er noch auf der Suche sei.
Dabei hätte er wohl extrem geröchelt, sagt Nadines Mutter.
Die von Paulina schon angesprochenen Nachbarn werden auch befragt
und erzählen von den ständigen Streitigkeiten.
Handgreiflichkeiten wollen sie aber nie gesehen haben.
Der Nachbar, der mit Volker L. gemeinsam die Leiche gefunden hatte,
gibt an, dass Volker L. glaubwürdig geschockt war und um seine Frau geweint hat.
Auch die Sanitäterin, die dabei war, sagt, Volker L. sei authentisch erschüttert,
aufgelöst und stark am Weinen gewesen.
Ein Gutachter, der mit Volker L. gesprochen hatte,
diagnostiziert an ihm dissoziale Züge und eine paranoide Strukturiertheit.
Diese Charakterzüge seien nicht krankhaft,
aber in Bezug aus seinem Misstrauen ausgeprägter als bei anderen Menschen.
Dann werden noch einige Beweise präsentiert, darunter drei Videoaufnahmen.
Einmal von einer Videokammer in der Nähe der Bank,
in der Volker L. in der Tatnacht Geld abholte.
Dabei guckte er auffällig seine Hände und Finger an.
Die Staatsanwaltschaft fragt daraufhin,
ob er seine Hände vielleicht auf Tatspuren kontrolliert hatte.
Der Verteidiger sagt, viele Menschen gucken sich ab und zu ihre Hände an.
Dann werden noch zwei Videos aus dem Hotel,
in dem die beiden kurz vorher diesen Kurzurlaub verbrachten, gezeigt.
Eins zeigt eine aufgebrachte Nadine aus dem Hotelzimmerstürm
und ein anderes die beiden längere Zeit im Auto sitzend.
Und wie Volker L. die SIM-Karte aus Nadines Handy entfernt.
Außerdem wird die Auswertung des Herzschrittmachers präsentiert.
Der Experte erklärt, dass es zwar schon einen erhöhten Wert gab,
dass der aber eher auf emotionalen Stress deutet, als auf eine extreme körperliche Betätigung.
Aber dass es auch nicht ausgeschlossen ist.
Auch die Funkdaten des Handys von Volker L. wurden ausgewertet und präsentiert.
Die zeigen, dass der Angeklagte sich um 0.30 Uhr in der Nähe der Leiche aufgehalten hatte.
Laut Verteidigung ist das damit zu erklären, dass Volker L. dort nach seiner Frau gesucht hat.
Wir wissen ja, dass diese Funkdaten ziemlich ungenau sind,
da sie immer einen sehr großen Umkreis angeben.
Außerdem gaben die Funkdaten an, dass Volker L. Nadine vor der Fahrt in den Kurzurlaub
mehr als 30 Mal auf der Arbeit angerufen hatte.
Volker L. hat laut Navidaten außerdem sein Tempo gedrosselt,
als er auf der Autobahn entlang der Fundstelle gefahren ist.
Für die Staatsanwaltschaft ein Indiz, dass er sehen wollte,
ob man von der Autobahn aus die Leiche sehen konnte.
Das Drösschen kann aber auch ganz andere Gründe gehabt haben.
Zum Beispiel, dass Volker bremsen musste, weil er vor ihm ein Auto gebremst hatte.
Als alle Zeugen und Experten gehört wurden, stellt Jonas Hennig einen Beweisantrag.
Er möchte, dass der Straftäter, dessen DNA-Spuren auf der einen Tatwaffe gefunden wurde,
mit höherem Druck gesucht wird.
Hennig findet nämlich, dass in die Richtung viel zu wenig ermittelt wurde.
Der Antrag wird allerdings abgelehnt.
Außerdem gibt der Richter den Hinweis,
dass Volker L. auch wegen Totschlags verurteilt werden könnte.
Und zwar, weil in einem eskalierten Beziehungsstreit
nicht unbedingt ein Mordmerkmal erfüllt sein muss.
In den Abschlussplädiers plädiert die Staatsanwaltschaft auf Mord aus niedrigen Beweggründen.
Die Verteidigung plädiert auf Freispruch.
Hier kommt jetzt ein nachträglich eingefügter Teil,
denn Paulina war heute, also am 26. Februar, am Landgericht Kiel.
Und ich rufe sie jetzt an, damit sie mir alles zur Urteilsverkündung erzählt.
Also Paulina, wie ist das Urteil ausgefallen?
Volker L. wurde des Totschlags tatsächlich verurteilt an seiner Ehefrau und zwar zu zwölf Jahren Haft.
Oh wow, zwölf Jahre?
Ja.
Krass.
Viel, oder?
Also vier für Totschlag, ja.
Ich hatte jetzt irgendwie gedacht, keine Ahnung, sechs oder so.
Ich glaube, das ist dem geschuldet, dass sie ihn theoretisch vielleicht auch wegen Mordes hätten verurteilen können.
Er war ja auch wegen Mordes angeklagt.
Da komme ich aber später nochmal zu, für den das hohe Strafmarkt ein bisschen besser nachvollziehen.
Okay, und wie war das jetzt für dich, da mal dabei zu sein und den zu sehen?
Wie war der so?
Sehr kränklich tatsächlich.
Also das war jetzt kein gestandener Mann, wo man sagt, okay, der steht jetzt in der Güte seines Lebens.
Sein Gesicht war sehr fahl.
Er war die ganze Zeit sehr krumm.
Aber man muss auch dazu sagen, dass man von seinem Gesicht nicht sehr viel gesehen hat.
Er hat das nämlich von der Presse und von den Zuschauern abgewandt.
Er hatte auch ständig seine Hand quasi so halb davor, damit man keine Regeln erkennt.
Ich konnte nur einmal eine Reaktion von ihm erkennen.
Und zwar war das, als das Gericht den Tathergang geschildert hat.
Also nach seiner Aufpassung, wie Volker L. seine Ehefrau umgebracht hat.
Und da hat er nämlich permanent den Kopf geschüttelt.
Okay, also das war das Einzige, was er gemacht hat.
Einmal den Kopf geschüttelt, sonst hat er quasi nichts gesagt, keinen Ton gegeben oder irgendwas.
Nein, er hatte seine Hand quasi die ganze Zeit auch an seinem Kopf.
Also dass man gar keine Regeln wirklich auch erkennen konnte.
Und wie begründet jetzt das Gericht das Urteil, dass es halt jetzt Totschlag geworden ist?
Also diese Urteilsverkündung, die ging drei Stunden.
Und in der Zeit haben sie quasi alle Erkenntnisse dieser vorangegangenen Prozesttage nochmal zusammengefasst.
Und es wurde schon sehr deutlich, dass die Kammer der Auffassung ist,
dass erstens das Leben von Volker L. durchzogen war von Straftaten.
Also zwar keine Straftaten jetzt irgendwie wegen Körperverletzung oder so, kleinere Straftaten, aber eben trotzdem Straftaten.
Und das Gericht sprach übrigens auch von einem Mietnomadentum.
Das hatten wir ja so bisher noch gar nicht auf dem Zettel.
Also da haben sich nicht nur Mietschulden angehäuft, auch andere Schulden.
Insgesamt hatten sich da Rechnungen angehäuft von 12.000 Euro tatsächlich.
Und zweitens war die Kammer der Auffassung, dass er von Eifersucht quasi zerfressen war.
Es war ja auch eine Beziehungstat und deswegen wurde quasi ausführlich auf sein Verhalten gegenüber seiner Ehefrau eingegangen.
Außerdem wurden etliche Situationen geschildert, wo er gelogen hatte.
Das Gericht meinte tatsächlich, dass man hier von einem notorischen Lügner sprechen kann.
Was ich auch ganz interessant finde, Zeugen hatten ja nie Gewalt beobachten können.
Aber es gab sehr wohl Gewaltandrohungen auch seiner Ehefrau gegenüber.
Und außerdem hatte er einmal zu einem Zeugen gesagt, ich habe eh nicht mehr lange zu leben.
Aber wenn ich sie nicht haben kann, dann soll sie auch kein anderer haben.
Okay, und das hat das Gericht quasi heute vorgelesen, oder?
Ja, das war ein Zitat eines Zeugen.
Okay, was hat denn das Gericht gesagt, wie das jetzt am Ende bei denen war mit der Beziehung?
Das Gericht geht quasi aufgrund von diesen vorangegangenen Zeugenaussagen davon aus,
dass Nadine sich am Ende immer selbstsicherer ihrem Ehemann gegenüber verhalten hat
und auch, dass sie ihn zunehmend getriegt hat tatsächlich.
Also erst mal hat sie ihm körperliche Zuwendungen abgesprochen.
Das hat quasi am Ende fast gar nicht mehr stattgefunden.
Daraufhin soll sich Volker L. diese Zuwendung immer wieder erbettelt haben.
Er hat quasi immer wieder danach gefragt und sie hat daraufhin mit Ekel reagiert.
Also sie hat ihm zu verstehen gegeben, dass sie ihn nicht mehr anziehen findet.
Du hast ja schon gesagt, dass er viel gelogen hat und dass sie ihn auch als sehr eifersüchtig dargestellt haben.
Haben die auch irgendwas Gutes oder so bei ihm gesagt oder war das quasi nur negative Sachen?
Tatsächlich haben sie ihn eigentlich ausschließlich als hochmanipulativ dargestellt.
Also bezogen auf diese Lüge, die er immer wieder erzählt hatte.
Und haben auch gesagt, dass die Lügen, die er erzählt hat, bei Dingen waren, bei denen das gar nicht notwendig war.
Also sie haben quasi von einem narzisstischen Geltungsbedürfnis gesprochen, dass er sich so auch immer wieder hervortun wollte.
Beispielsweise hatte er immer wieder angegeben, dass er Koch ist, obwohl er gar nicht als Koch gearbeitet hat.
Zum Beispiel bei dem Hotelaufenthalt, bei diesem Kurzurlaub, den sie zuletzt zusammen unternommen haben.
Und das stützt die Kammer übrigens unter anderem auch auf diesen Hundeverkauf, wo er quasi ein völliges Theater, also sind jetzt meine Worte, ein völliges Theater abgezogen hat,
Um diesen geliebten Hund Molly von Nadine L. zu verkaufen, nur um später, also kurze Zeit später, sich wieder einen Hund anzuschaffen für noch mehr Geld.
Einfach nur eben, weil er nicht wollte, dass ihre Aufmerksamkeit quasi von ihm abgelenkt ist.
Ja, das mit diesem Hund, das fand ich ja sowieso so wirr, wie ein Hund bei Ebay verkaufen und dann sagen, dass der, was hat er nochmal gesagt, dass der gestorben wäre oder sowas, ne?
Ja, genau. Und da hatte er eben dieses Theater abgezogen. Also er ist nochmal zu einer Tierklinik gefahren, hat da denn darauf bestanden, dass die denen eine Quittung ausstellen von 50 Euro Anzahlung
und hat gesagt, er würde das angefahrene Tier dann gleich vorbeibringen. Das war total unüblich für diese Tierhandlung tatsächlich.
Das hat dann auch alles eine Weile gedauert und dann ist er später nochmal gekommen und hat gesagt, der Hund ist inzwischen verstorben.
Und das Gericht war der Auffassung, dass er quasi diese Quittung haben wollte, damit er Nadine L. das beweisen kann, dass der Hund wirklich tot ist.
Okay, aber man konnte ihm beweisen, dass er den Hund verkauft hatte.
Und was war denn jetzt eigentlich mit diesem Verdächtigen, mit diesem anderen Verdächtigen, wo die DNA-Spur auf diesem Zaunfall war?
Haben die zu dem noch irgendwas gesagt? Hatten die den jetzt mal gefunden oder war da jetzt nichts Neues?
Nein, gefunden haben sie den nicht, aber sie sind der Meinung, dass das kein gewalttätiger Straftäter war.
Auch ein Straftäter, aber kein Gewalttätiger.
Sie sagten auch, wäre er der Täter gewesen, dann hätte er erst in den Niederlanden sein müssen,
dann den Weg finden müssen in die Provinz Schackendorf und dann wieder in die Niederlande,
weil er danach wieder nachweislich in den Niederlanden war, weil er dabei der Polizei vorstellig wurde oder so.
Und da fragt sich die Kammer gut zu.
Die wissen zwar immer noch nicht, wie jetzt die DNA an die Tatwaffe gekommen ist,
aber sie ist zum Beispiel auch an der Stelle gewesen, wo man die Tatwaffe nicht anfassen würde.
Und außerdem war seine DNA auch nicht auf Nadine L.
Okay, und wir haben ja quasi gelernt, dass man in einem Indizienprozess nur dann verurteilt werden kann,
wenn quasi die Indizien irgendwie so eng gestrickt sind und das so eine richtige Indizienkette irgendwie wird.
Weil mich das ja gewundert hat, wir hatten ja auch letztens darüber geredet,
dass wir irgendwie noch nicht so komplett überzeugt waren.
Hattest du denn jetzt das Gefühl nach dieser Begründung des Urteils,
dass es da so eine Indizienkette gegeben hat, der man quasi vertrauen kann?
Halb, halb.
Also nach all dem, was ich jetzt heute gehört habe, finde ich schon,
dass ziemlich viel für die Täterschaft von Volker L. spricht.
Deswegen kann ich das Urteil schon nachvollziehen.
Ein paar Argumente dieser Indizienkette nicht so wirklich.
Ich sage mal auf, was die Kammer dazu gesagt hat.
Also erstens meinte sie, er hatte die Gelegenheit, sie umzubringen.
Und er war auch in der Lage, sie umzubringen.
Weil er hat zum Beispiel seinen Sohn auf die Treppe hochgetragen.
Und der Sohn ist nun sehr viel schwerer als die Tatsache gewesen.
Dann ist die Kammer der Meinung, dass er auch ein Motiv hatte.
Und zwar meinte sie, dass diese Streitigkeiten, die die beiden hatten,
stark über den normalen Niveau von ehelichen Auseinandersetzungen hinausgingen.
Und er hatte quasi Angst um den Verlust des Sohnes bei der Trennung.
Weil Nadine L. ja immer sehr geäußert hatte, dass sie sich trennen möchte.
Und er wusste, dass er für den Sohn quasi nicht das alleinige Sorgerecht bekommen würde.
Dann ist die Kammer eben auch davon ausgegangen,
dass eine Sexualstraftat vorgetäuscht werden sollte.
Anhand, wie die Leiche lag zum Beispiel.
Und da sind sie der Meinung, das würde keinen Sinn ergeben.
Es sei denn, jemand möchte die Straftat zertuschen.
Und für einen anderen Dritten, außer jemanden, der Nadine L. kannte,
wäre das eben sinnfrei, das so zu machen.
Dann wurde von Opferblut an Stellen gesprochen,
wo sie quasi nicht hätten hinkommen können,
nachdem Volker L. sich auf die Leiche gestürzt hatte.
Also zum Beispiel an Stellen im Auto,
weil er angeblich nach dem Leichenfund nicht mehr an diesen Stellen war, sozusagen.
Und dann sind sie quasi der Meinung,
dass die Tätigkeiten, die da nachts nachgegangen sind,
sich nicht erschließen lassen.
Er hatte zum Beispiel eine Tüte von zu Hause weggetragen
und bis heute ist quasi nicht bekannt, warum.
Und da sind sie doch der Meinung,
dass das ziemlich verdächtig auf die wirkte.
Dann hält das Gericht diese ganze Suche nach Nadine L. komplett für gefaked
und den Leichenfund für gestaged,
weil quasi der Nachbar, der da mit Volker L. unterwegs war,
sollte eigentlich zur anderen Seite des Autos rausgucken.
Dann hatte Volker L. aber angeblich einen Elch gesehen,
den der Zeuge nie gesehen hat.
Und sie sind quasi der Auffassung,
dass Volker L. ihn auf einen bestimmten Port hinweisen wollte,
damit er mal zur anderen Seite guckt.
Und tatsächlich, als er dann umgedreht ist,
hatte der Zeuge ja dann auch die Leiche entdeckt.
Außerdem hatte Volker L. ganz viele widersprüchliche Angaben gemacht,
vor allem zum Verbleib des Hundes.
Und deswegen ist die Kammer schließlich zu der Auffassung gekommen,
dass er seine Ehefrau umgebracht hat.
Und warum haben die jetzt dann, wenn die sich da sicher sind,
quasi jetzt Totschlag statt Mord begründet?
Genau. Er war angeklagt des Mordes wegen niedriger Beweggründe.
Und sie sehen diese niedrigen Beweggründe nicht ausreichend als erfüllt an.
Es gibt eine Vermutung, warum er sie umgebracht haben könnte.
Also da sind sie sich ja auch nicht so wirklich sicher.
Aber diese Vermutungen reichen eben nicht aus,
um ihn des Mordes wegen niedriger Beweggründe zu verurteilen.
Man hätte ihn tatsächlich auch wegen Heimtücke anklagen können,
weil Nadine L. ja am Hinterkopf eine Verletzung hatte.
Aber da sind sie auch wieder auch was hinbekommen,
dass sie quasi das nicht ausreichend untermauern können.
Und deswegen ist es am Ende Totschlag mit, wie du schon gesagt hast,
einem Strafmaß, also zwölf Jahre.
Okay.
Und Paulina hat nach dem Urteilsspruch noch mit dem Strafverteidiger von Volker L.
mit Jonas Hennig ein Interview geführt.
Die beiden sitzen im Café und deswegen ist es ein bisschen lauter.
Herr Hennig, Sie gehen in Revision?
Ja, auf jeden Fall.
Warum?
Weil ich das Urteil für ein schwerwiegendes Fehlurteil halte.
Ich denke, man ist hier von einer Überzeugung weit entfernt.
Es ist ein Urteil, was auf ominösen Vermutungen beruht.
Und ich habe mir die Indizienkette, die kann man hier anführt, aufgeschrieben.
Und ich bin der Meinung, dass man jedem Punkt entgegentreten kann.
Sie hatten vorhin von einseitig gewerteten Scheinindizien gesprochen.
Was genau ist das?
Ja, beispielsweise hat die Kammer ja ein Indiz aufgeführt,
es sei eine Sexualstraftat vorgetäuscht worden.
Und deswegen spreche das für die Täterschaft meines Mandanten.
Das ist zirkulär.
Das funktioniert ja nur, wenn man von vornherein unterstellt, dass er der Täter ist.
Dann ist natürlich das Vortäuschen einer Sexualstraftat durch ihn im höchsten Sinne manipulativ.
Aber es ist nicht abschließend geklärt, ob es eine Sexualstraftat war.
Es spricht in der Tat nicht vieles dafür.
Es erweckt den ersten Anschein, aber das heißt ja noch lange nicht, dass er die Tat begangen hat.
Das kann sehr wohl ein Dritter gewesen sein, entweder eine gescheiterte Sexualstraftat oder eben ein Dritter, der eben einen solchen Ablenkungsversuch unternommen hat.
Auch beim Motiv, das ist ein ganz wichtiger Punkt, Kammer hatte gesagt, er hatte ein Motiv bei der Beweisführung zur Frage der Täterschaft,
hat dann aber bei den niedrigen Beweggründen, die die Kammer abgelehnt hat, gesagt, wir wissen überhaupt nicht, was ihn angetrieben hat.
Wir wissen nicht, was in der Situation für ihn leidend war.
Ein großes Fragezeichen, das hat der Vorsitzende wörtlich gesagt, zeichne die Motivlage aus.
Gleichzeitig hat er bei der Beweisführung, wer der Täter ist, aber eben behauptet, weil man dann habe ein Motiv gehabt und das widerspricht sich.
Wie hat denn Ihr Mandant das Urteil aufgenommen?
Ich war ja darauf vorbereitet, dass die Kammer hier auf Verurteilungskurs ist.
Das hatte ich meinem Mandanten auch vorher gesagt, sodass, glaube ich, der Überraschungseffekt nicht allzu groß war.
Gleichwohl ist er natürlich schockiert, dass man ihm all das tatsächlich unterstellt.
Er hat auch immer wieder während der Urteilsbegründung seinem Unmut Luft gemacht mir gegenüber und das Ganze wie schon bisher in Abrede gestellt und bestritten.
Und das war jetzt auch schon unser nachträglich eingefügter Teil und das vorerst letzte Mal, dass wir über Schackendorf gesprochen haben.
Hier geht es jetzt einfach weiter mit der Folge.
Wir haben in dieser Familienfolge heute über einen Fall gesprochen, wo der Vater seine Familie jahrelang hat glauben lassen, dass die Mutter ihn und die Kinder verlassen hat.
Und wir haben von einem Fall erzählt, wo ein Hochstapler für den Mord aus Habgier an seinem Onkel verurteilt wurde.
Und wir haben die Familientragödie aus Schackendorf vorerst zu Ende erzählt.
Wir wissen, dass ihr nicht wollt, dass wir euch mit diesem Gefühl jetzt entlassen.
Deswegen haben wir am Ende ja immer noch was Kleines für euch.
Heute gibt es nichts Lustiges aus unserem privaten Leben, weil wir momentan keins haben.
Aber ich habe neulich mit einem Strafverteidiger telefoniert und der hat mich am Ende gefragt, scherzen Sie?
Und da meinte ich, ja oft, an den unmöglichsten Stellen vor allem.
Ja, na dann erzähl sie mal einen.
Ich wie jetzt ein Witz.
Ich war ein bisschen schockiert, weil ich kann mir Witze schlecht merken und dann erzähle ich die Pointe am Anfang und so, das ist immer ganz schlimm.
Jetzt habe ich aber heute Morgen ganz stolz eine E-Mail an den Anwalt schreiben können.
Ich habe nämlich einen gehört und der hat sogar auch was mit einem Richter zu tun.
Warum auch immer.
Das könnte man, glaube ich, in jeder anderen Situation erzählen.
Drei Angeklagte werden einem schielenden Richter vorgeführt.
Richter zum ersten Angeklagten.
Wie heißen Sie?
Sagt der zweite.
Bernd Schmidt.
Richter zum zweiten.
Ich habe sie doch gar nicht gefragt.
Sagt der dritte.
Ich habe doch auch gar nichts gesagt.
Ich fand den gerade so lustig, weil ich eine schielende Lehrerin hatte und jeder, der irgendwann mal abgeschrieben hat bei einem schielenden Lehrer, weiß, was für ein Pain das ist.
Die hatten auch einen schielenden Lehrer.
Übrigens können wir euch jetzt schon mal einen kleinen Ausblick auf die nächste Folge geben.
Denn da geht es endlich mal um Frauenmörder, also Frauen, die zu Mörderinnen wurden.
Tschüss.
Tschüss.
Das war ein Podcast von Funk.