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#162 Die verschwundene tote

Willkommen bei Mordlust, einem Podcast der Partner in Crime.
Auch heute reden wir wieder über Verbrechen und ihre Hintergründe.
Mein Name ist Paulina Kraser.
Und ich bin Laura Wohlers.
In jeder Folge erzählen wir einen bedeutsamen, wahren Kriminalfall nach,
ordnen den für euch ein, erörtern und diskutieren die juristischen,
psychologischen oder gesellschaftlichen Aspekte
und sprechen mit Menschen mit Expertise.
Hier geht es um True Crime, also auch um die Schicksale von echten Menschen.
Bitte behaltet das immer im Hinterkopf.
Das machen wir auch, selbst dann, wenn wir zwischendurch mal etwas abschweifen.
Das ist für uns immer so eine Art Comic Relief,
aber natürlich nicht despektierlich gemeint.
Bevor wir mit der heutigen Folge starten,
bei der man wirklich sagen muss, was zur Hölle Strafgesetzbuch,
weil da ist selbst das Gericht am Ende entsetzt über die Strafe,
die es verhängen muss, haben wir noch eine Sache zur Tour
und für die Leute, die gerne hinwollen würden.
Und zwar basteln wir gerade daran, ob und wenn ja wie wir nächstes Jahr
auch nochmal live auftreten können.
Da ist aber jetzt noch nichts in trockenen Tüchern.
Deswegen können wir da jetzt noch nicht so viel sagen, aber wir arbeiten dran.
Genau und deswegen folgt uns mal auf Instagram.
Mordlos, der Podcast heißen wir da.
Wenn wir was wissen, erfahrt ihr es auch von da.
Und wir kriegen echt viele Fragen, wie Leute noch an Tickets kommen können,
weil ja alles schon ausverkauft ist.
Es gab da auch schon ein paar Gewinnspiele.
Dann werden wir auch vor der Tour nochmal diese Ticketbörse da veröffentlichen.
Da schreiben dann Leute unter so bestimmte Posts drunter,
die ihre Tickets verkaufen möchten, wenn die das dann doch nicht dahin schaffen.
Und sollte es noch Plätze geben, weil Freundinnen von uns nicht können,
dann bieten wir das Menschen an, die sich keine Tickets leisten konnten.
Das haben wir auf jeder Tour bisher so gemacht.
Da vertrauen wir natürlich auch darauf, dass sich dann nur die Leute melden,
die finanziell nicht so gut aufgestellt sind.
Und weil das dann aber auch mal kurzfristig passieren kann,
wird es dazu sicherlich nichts hier im Podcast geben,
sondern dann nur auf dem Instagram-Kanal.
Also abonniert den, dann bekommt ihr auch kurzfristig mit,
wenn da noch irgendwas in Richtung Tickets geht.
Jetzt geht es los mit einem Fall,
für den wir hier eine ganz, ganz deutliche Inhaltswarnung aussprechen müssen.
Also wir haben uns beide gefragt,
ob wir schon mal so einen Fall beim Mordlust erzählt haben,
also der so schlimm und ekelhaft ist.
Ja, und da sind uns wenig vergleichbare Fälle eingefallen.
Also das Heute, da sind wir ehrlich mit euch,
ist nichts für schwache Nerven.
Und wir müssen auch leider etwas bildlich werden zum Teil,
damit man das Ausmaß der Tat und dann auch die entsprechenden Konsequenzen versteht.
Haltet euren Finger einfach nah an diesem Vorspülknopf.
Alle Namen haben wir geändert.
Unsere Geschichte beginnt am Bahnhof Altendorf-Buttenheim
in einer kleinen bayerischen Gemeinde.
Er hat den Charme eines jeden Dorfbahnhofs,
den man aus Orten kennt,
die ihren BewohnerInnen nicht viel mehr zu bieten haben als eine Kirche,
einen traditionellen Gastbetrieb
und einen Kanal, an dem entlang ein kleiner Wanderweg führt.
Digitale Anzeigetafeln gibt es hier nicht,
nur eine Uhr, deren Zeiger auf Striche deuten.
Nicht mal für Ziffern hat's gereicht.
An diesem trostlosen Knotenpunkt mit zwei Gleisen,
die Reisende und Pendler in entweder Richtung Nürnberg oder Bamberg bringen,
ist für gewöhnlich nicht viel los.
Doch an diesem Montag, den 8. November 1999, ist das anders.
Das Licht der Rettungswagen und Polizeiautos taucht die umliegenden hellen Einfamilienhäuser
in ein flackerndes, aufgeregtes Blau.
Der Grund dafür ist tragisch.
Schülerin Kim hatte zu dicht an der Bahnsteigkante gewartet.
Als ein Zug einfuhr, erfasste er die 14-Jährige am Kopf
und schleuderte sie auf die Gleise.
Die Hoffnung, ihr Leben noch retten zu können,
ist groß, als die Einsatzkräfte am Bahnhof eintreffen,
wird aber schon bald zunichte gemacht.
Kims Verletzungen sind zu stark.
Sie stirbt noch vor Ort.
So zieht in diesem November der Winter nicht nur in die bayerische Gemeinde,
sondern auch in die Herzen der BewohnerInnen ein.
14 Jahre, viel zu jung zum Sterben.
Sie hatte doch noch ihr ganzes Leben vor sich,
beklagen jene, die am nächsten Tag aus der Zeitung
oder aus dem Radio von dem tragischen Unglück erfahren.
Und die armen Eltern, wie sollen die mit dem Verlust jemals wieder froh werden?
Keine Eltern sollten das eigene Kind zu Grabe tragen.
Aber genau das müssen Ulrike und Herbert tun.
Eine Trauerfeier zu planen, wenn einen selbst die Trauer noch lähmt,
ist nahezu ein Akt der Unmöglichkeit.
Lieder, Auswahl, wer sagt was, welche Blumen, welcher Sarg.
Banale Fragen zum Lebensende,
wenn man eigentlich eine Antwort darauf sucht,
wie das Leben jetzt weitergehen soll,
wo doch gerade die Welt still steht.
Aber irgendwie gelingt es Ulrike und Herbert, all diese Entscheidungen zu treffen.
Und so stehen sie am Samstag, den 13. November,
nicht mal eine Woche nach Kims Tod,
in Trauerbekleidung in der Friedhofskapelle des kleinen Orts.
Es ist ein schlichter Friedhof, auf dem Kim beigesetzt werden soll.
Recht überschaubar, die Gräber sind simpel.
Die meisten Grabsteine hat der örtliche Steinmetz angefertigt.
Ulrike und Herbert haben sich für einen weißen Sarg entschieden,
in dem Kim mittig in der Kapelle aufgebahrt wird
und auf den jetzt etwa 100 Angehörige und MitschülerInnen
mit schwerem Herzen blicken.
Sie alle sind gekommen, um sich von ihr zu verabschieden.
Ulrike und Herbert wollen das von Angesicht zu Angesicht tun.
Also wenden sie sich mit einer Bitte an die Bestatterin.
Sie möchten den Sarg noch einmal öffnen lassen,
um das Gesicht ihres Mädchens noch einmal zu sehen,
um noch einmal ihre warme Hand auf Kims kalte Haut legen zu können.
Natürlich kommt die Bestatterin der Bitte der Eltern nach.
Tote ein letztes Mal zu sehen,
kann den schmerzhaften Verarbeitungsprozess
zumindest ein wenig erleichtern.
Sie dreht also die Schrauben ab,
die die beiden Sargteile aneinander befestigen.
Dann hebt sie den Deckel,
um den Blick auf Kims weichgebetteten Leichnam freizugeben.
Herbert und Ulrike ist klar,
dass das, was sie sehen werden, schwierig für sie sein wird.
Toten sieht man ihre Leblosigkeit an.
Sie sehen nicht aus wie Schlafende,
eher wie Hüllen,
die nichts mehr mit der Person gemein haben,
die den Körper mit Leben gefüllt hat.
Doch auf das grauenvolle Bild,
das sie sehen,
als sie ihre Köpfe über die Truhe strecken,
waren sie nicht vorbereitet.
Der Sarg ist leer.
Was zum Teufel?
Wie kann das sein?
Da sollte doch Kim drin liegen.
Ein Blick in Richtung der sichtlich irritierten Bestatterin verrät,
dass sie darauf auch keine Antwort parat hat.
Sie hatte den Sarg zwei Tage zuvor mit Leichnam,
da ist sie sich ganz sicher in der Kapelle eingeschlossen.
Unmöglich, dass sie jetzt nicht hier drin liegt.
Als Ulrike und Herbert realisieren,
dass es sich beim verschwundenen Körper ihrer Tochter
offenbar nicht um ein Missverständnis,
sondern um eine Katastrophe handelt,
ist es vorbei mit der Ruhe.
Ulrike kann nicht mehr.
Das ist alles zu viel.
Zuerst verschwindet Kim aus ihrem Leben
und jetzt auch noch ihr Leichnam aus dem Sarg.
Ulrike wird vor den Augen der Trauergäste ohnmächtig.
Geknickt und zugleich fassungslos verlassen die Gäste die Kapelle wenig später.
Die Trauerfeier ist abgeblasen.
Es gibt niemanden, von dem man sich verabschieden kann.
Hier wird heute niemand zu Grabe getragen.
Während die Kriminalpolizei eintrifft,
grübeln die Mitarbeitenden des Bestattungsinstituts weiter,
wie denn das passieren konnte.
Kim wird ja wohl kaum von den Toten wieder auferstanden sein,
Der Leichnam kann sich also nicht selbst befreit haben.
Doch Einbruchspuren gibt es keine.
Die Fenster sind unbeschädigt,
die Türen ebenso,
obwohl die Bestatterin beteuert abgeschlossen zu haben.
Eine Tote ist verschwunden.
Und wenn es keine andere plausible Erklärung dafür gibt,
dann muss sie jemand gestohlen haben.
Und wer?
Das gilt es jetzt herauszufinden.
Während sich die Kripo auf die Suche nach Spuren macht,
meint man im Dorf schon zu wissen,
mit was man es hier zu tun hat.
In dem kleinen Ort, in dem die meisten Menschen streng katholisch sind,
hat man Sorge, dass einige Gemeindemitglieder
sich vom Gott ab und dem Satanskult zugewandt haben
und Kim von ihnen geraubt worden sein könnte.
Hinter vorgehaltener Hand tuschelt man über ähnliche Fälle.
In Dortmund hätten sich vor einigen Jahren
SatanistInnen an dem Grab von Zwillingen zu schaffen gemacht.
Und dann war da doch auch noch dieser ungeklärte Mord
an dem 13-jährigen Tristan aus Frankfurt,
dem die Hoden und Fleisch aus seinem Gesäß
und den Oberschenkeln entfernt wurden.
Gerade erst ein Monat vor Kims Tod hieß es in den Nachrichten,
dass Unbekannte sein Grab öffnen wollten,
aber offenbar gestört wurden.
Fast zeitgleich wurde auch das Grab
vom ermordeten 13-jährigen Markus geöffnet
und seinen Kopf gestohlen.
Bei beiden Fällen munkelt man,
dass SatanistInnen etwas damit zu tun haben könnten.
Möglich, dass die TeufelsanhängerInnen
nun auch hier im beschaulichen Buttenheim
Einzug gehalten haben.
Was auf jeden Fall Einzug ins bayerische Idyll hält,
sind die Medien.
Die Satanismus-Theorie macht sich gut als Schlagzeile.
Mit der Unruhe und Angst kommt auch die Bild-Zeitung.
Und anstatt Zurückhaltung und Besonnenheit zu bewahren,
immerhin gibt es keine wirklichen Anzeichen dafür,
dass die verschundene Leiche wirklich auf die Kappe von Satans Anbetenden geht,
malt man, gemeinsam mit der Bild,
den Teufel an die Wand.
Da habe es mal einen enthaupteten Hund
neben einem Kruzifix am Ortseingang von Buttenheim gegeben,
erzählt man dem Reporter.
An der Schule, auf die Kim gegangen war,
da hatte außerdem mal jemand
Satan forever an eine Tür gesprayt.
Der örtliche Pfarrer sagt in einem Interview,
dass er aus Zitat
sicherer Quelle weiß,
dass sich im nahen Forchheim
tatsächlich SatanistInnen treffen.
Im selben Ort hätten sich vor einigen Jahren
zwei Jugendliche das Leben genommen,
nachdem sie Gläserrücken gespielt
und den Geist ihres Freundes heraufbeschworen hätten.
Der Bürgermeister sagt,
er habe mal schwarz gekleidete Teenies im Jugendheim gesehen
und sie gleich für Satanisten gehalten,
und der Sprecher der Soko Kim bestätigt,
ja, es gibt Hinweise in diese Richtung.
Und so wird Buttenheim schon bald von rücksichtslosen,
blutsaugenden MedienvertreterInnen heimgesucht,
die vor dem Bestattungsinstitut herumlungern,
weil sie meinen,
die, die dort arbeiten,
müssten mehr wissen.
Immerhin gab es nur ein paar Schlüssel zur Kapelle,
aus der Kims Leichnam entwendet wurde.
Einer war im Besitz der Gemeindeverwaltung,
jeweils einen besaßen zudem die Bestatterin
und der Mann, der die Gräber aushebt.
Allein bei dem Wort Satan werden manche,
die sich die Ruhe des Ortes zurücksehen,
schon fuchsteufelswild
und wollen von dem Thema nichts mehr hören.
Eine Woche lang wüten die Kamerateams durch den Ort
und machen jede Stille zunichte.
Sie belagern Ulrikes und Herberts zu Hause,
so lange, bis die beiden tatsächlich in ein Mikrofon flehen,
man möge den Leichnam ihrer Tochter wieder hergeben.
Und wenn die Teams nicht gerade den Eltern auflauern,
filmen sie Trauernde bei der Unglücksstelle am Bahnhof
für Bilder für Fernsehbeiträge,
bei denen später eine bedrückte Stimme im Overvoice fragt,
wer hat die Tote geklaut?
Die achtköpfige Soko hingegen
ist vor allem erstmal bemüht darum,
die Leiche selbst zu finden.
Die Suche in den Gewässern und aus der Luft
hat bisher noch keine Ergebnisse erzielt.
Es gibt nicht mal einen Punkt,
an dem die Ermittlerinnen ansetzen können.
Damit überhaupt mal etwas passiert,
wird für zielführende Hinweise
eine Belohnung von 3000 Mark ausgesetzt.
Doch es bleibt dabei.
Es gibt mehr hanebüchene Theorien darüber,
wie weit der Satan seine Kreise in Buttenheim gezogen hat,
als tatsächliche Hinweise auf den Verbleib von Kim.
Die Ideen, wo man noch nach ihr suchen könnte, werden knapp.
Die Ermittlerinnen der Soko weniger
und mit den Kamerateams verschwinden auch Hoffnung und Zuversicht,
dass die Leiche irgendwann wieder auftaucht.
Wochen später sucht niemand mehr nach Kim.
Die verschwundene Tote bleibt ein Mysterium,
das offenbar nicht aufgeklärt werden möchte.
Mehr als drei Monate später,
Buttenheim erholt sich gerade langsam von den Gerüchten
und unbarmherzigen Medienberichten,
meldet sich ein Mann bei der Polizei,
der vor ein paar Wochen Seltsames beobachtet hat.
Er sei spazieren gegangen
und habe auf einem verwilderten Lagerplatz gesehen,
wie ein schlagsiger Mann
in etwas Weichem herumstocherte
und es fotografierte.
Die Szene sei dem Spaziergänger bizarr vorgekommen,
also habe er den Mann in ein Gespräch verwickelt.
Bei näherer Betrachtung habe er erkannt,
dass das, was den Fremden zu faszinieren schien,
offenbar Innereien seien.
Tieraß, vermutet der Spaziergänger.
Und trotzdem lasse ihm das, was er dort gesehen hatte,
keine Ruhe,
weswegen er sich jetzt bei der Polizei melde.
Nur wenig später stehen mehrere Einsatzkräfte
mit Durchsuchungsbeschluss vor der Wohnung des Mannes,
der zuvor bei der Polizei gemeldet wurde.
Dem 40-jährigen Werner Busse,
Vater von zwei Jungen,
verheiratet und Bauingenieur.
Wie sich herausstellt,
tat der Spaziergänger gut daran,
seinem Bauchgefühl zu folgen,
denn das,
in dem der Mann auf dem Lagerplatz herumstocherte,
war keinesfalls Tieraß,
sondern ein menschlicher Darm.
Und nicht weit davon entfernt
befand sich in einem Wasserbecken
der ausgeweidete Rumpf eines jungen Mädchens.
Als die Ermittelnden nun vor dem schmächtigen Mann stehen,
meinen sie so etwas wie Erleichterung
in seinem Gesicht zu erkennen.
Ja, er hat zu verantworten,
dass der Leichnam von Kim verschwunden sei,
sagt er und wird kurz darauf abgeführt.
Allerdings kommt Werner Busse nicht in ein Gefängnis,
sondern wird in ein psychiatrisches Krankenhaus eingewiesen.
Ein gestohlener Leichnam,
der offenbar zerstückelt wurde
und von dessen Innereien Fotos angefertigt wurden,
legt nahe,
dass Werner kein harmloser Verbrecher,
sondern ein psychisch kranker Straftäter ist.
Und eine Durchsuchung der Wohnung des Festgenommenen
bestätigt den Verdacht.
An der Unterseite eines Regalbretts
entdecken die Ermittlerinnen CD-ROMs,
die mit Tesafilm dort angebracht sind
und worauf sich um die 7000 Fotografien befinden.
Auf einigen davon sind Missbrauchs- und Folterdarstellungen
von Kindern und Tieren und Kindern mit Tieren zu sehen,
die er aus dem Internet gedownloadet hat.
Andere zeigen Kims Leichnam
und das, was Werner Busse mit diesem angestellt hat.
Diese Aufnahmen erklären,
weshalb Werner den Totenkörper geklaut hat.
Das, was die Ermittlerinnen dort zu sehen bekommen,
ist grausam und lässt all die Storys über Satanismus,
die zuvor von den Medien verbreitet wurden,
wie Gute-Nacht-Geschichten aussehen.
Der wahre Teufel trägt statt Hörnern
das Gewand eines piefigen Bürgers von nebenan.
Das ist nach Sichtung der Beweismittel klar.
Wie wird jemand zu einem Menschen,
der das tut, was auf den Fotos zu sehen ist?
Je tiefer die Beamtinnen graben,
desto klarer wird,
das ist nicht die Tat von jemandem,
der morgens aufgewacht ist und dachte,
heute stehle ich eine Leiche
und mache mit ihr Unaussprechliches.
Das ist die Tat eines Menschen,
der schon lange Fantasien hat.
Fantasien, die er ausleben wollte.
Und wie die Ermittelnden rausfinden,
hatte Werner diese Fantasien schon früh.
Zwar spielt Werner, als er noch ein Kind ist,
gerne mit Orgel und Akkordeon.
Sein Interesse an Musik ist allerdings nicht so stark
wie sein Interesse an Vergangenem.
Als er einmal seinem Vater dabei zusieht,
wie der Kaninchen und Hühner schlachtet
und sie danach entnimmt,
ist der kleine Werner begeistert.
Vor allem ein Organ weckt seine Aufmerksamkeit.
Der Darm.
Der schlaufförmige Verdauungskanal,
der in Schleifen gelegt bei Menschen
etwa sieben Meter lang ist,
ist für Werner auch anatomisch wahnsinnig beeindruckend.
Seit diesem Erlebnis
wühlt er immer wieder im Komposthaufen
auf dem Nachbargrundstück.
Und was für den Nachbarn nur Wegwerfprodukt ist,
wird für Werner so zum Faszinosum.
Ab jetzt sucht Werner in dem Misthaufen von nebenan
regelmäßig nach den Därmen der Tiere.
Auch draußen in der Natur,
wenn er dort tote Tiere findet,
nimmt er sich einen scharfen Gegenstand,
öffnet die Körper
und betrachtet alles,
was sich darin befindet.
Das Erkunden von Tierkadavern mag man noch als kindliche Entdeckungsfreude abtun,
aber spätestens Anfang der 80er Jahre wird klar,
dass Werner einen unbändigen Drang nach dem Berühren von Eingeweiden entwickelt.
Zu dieser Zeit schaut er das erste Mal einen Kannibalenfilm,
in dem einer jungen Frau in einer Gruft der Bauch aufgeschlitzt wird.
Danach beschäftigt er sich intensiv mit der menschlichen Anatomie
und beginnt zu fantasieren,
wie sich das warme Innere eines Menschen in seinen Händen anfühlen würde.
Er besucht Friedhöfe,
schaut nach aufgelassenen Gräbern
und sucht dort nach Knochen,
als wären es verlorene Schätze.
Und dann 1981,
da ist Werner 22 Jahre alt,
kann er das erste Mal seine Fantasie in die Tat umsetzen.
In der Zeit schlägt er die Scheibe eines Leichenhauses ein
und verschafft sich Zutritt.
Dort öffnet er einen aufgestellten Sarg.
Darin liegt ein Mädchen, das bei einem Autounfall gestorben ist.
Er zerstückelt die Leiche
und bringt den Torso auf den Lagerplatz der Baufirma seines Vaters.
Dort schneidet er die Haut auf, um die Gedärme herauszuholen.
Das alles hält er mit einer Kamera fest,
bevor er die Leichenteile auf dem Gelände vergräbt.
Aber sein Hunger ist damit nicht gestillt.
Etwa vier Jahre später kommt er wieder,
gräbt die Überreste aus
und nimmt Hüft und Beckenknochen mit nach Hause.
Mit dem Skelett und den Beckenknochen simuliert er Sex.
Er reibt seinen Penis daran.
Ihn erregt es, die kalten Gebeine in seinem Intimbereich zu spüren.
Und damit sind wir auch bei dem heutigen Thema dieser Folge.
Es geht nämlich um Nekrophilie.
Das kennt ihr ja auch schon aus anderen Folgen.
Haben wir hier aber noch nie detailliert besprochen.
Deswegen machen wir das jetzt auch einmal in unserem Aha.
Nekrophilie ist eine Störung der Sexualpräferenz.
Und Menschen, die nekrophil sind,
bekommen ihre sexuelle Befriedigung eben durch Leichen.
Menschliche oder tierische.
Und Nekrophilie an sich ist kein Straftatbestand,
weil das Gesetz zwar Rechtsgüter schützt,
also sowas wie das Leben,
körperliche Unversehrtheit, Eigentum.
Aber tote Körper fallen nicht unter diese normalen Rechtsgüter.
Unter JuristInnen wird nämlich schon gestritten,
ob eine Leiche überhaupt eine Sache im rechtlichen Sinn ist.
Einig ist man sich aber weitestgehend,
dass so etwas wie Eigentum an einem Leichnam nicht möglich ist.
Und damit haben dann eben auch Angehörige der Opfer
kein sogenanntes Besitzrecht an den Toten.
Nun ist es aber so,
dass ausgelebte Nekrophilie sehr wohl trotzdem strafbar sein kann.
Da geht es dann aber eben nicht um irgendwelche Eigentums- oder Besitzrechte,
sondern in erster Linie um eine Verletzung
des postmortalen Persönlichkeitsrechts.
Ein Rechtsgut, das aus der Menschenwürde abgeleitet wird.
Und zum Beispiel das Ansehen aber auch den Körper von Verstorbenen
über den Tod hinaus als schützenswert ansieht.
Da kommen wir aber später nochmal zu.
Nekrophilie ist, das haben wir ja jetzt auch gemerkt,
als wir uns mit dem Thema auseinandergesetzt haben,
schon immer ein Tabuthema gewesen
und wird als sehr, sehr anstößig empfunden.
Und das liegt halt zum Teil auch daran,
dass wir lange, vor allem im Hinblick auf Religion,
gelernt haben, dass Sexualität eigentlich etwas ist,
was der Fortpflanzung und der Lebenserhaltung dient.
Und Sex mit einer toten Person zu haben,
ist ja genau das nicht.
Und ich meine, jetzt kann man sagen,
naja, also das ist ja jetzt auch eine etwas verstaubte Ansicht.
Wir pflanzen uns ja schon sehr lange nicht mehr nur fort,
wenn wir Sex haben, wegen Verhütungsmitteln.
Der andere Grund, wieso Nekrophilie aber als pietätlos empfunden wird,
ist, dass die Person, der der Körper gehörte,
natürlich das Einverständnis nicht geben konnte dafür.
Also in den meisten Fällen wahrscheinlich.
Und zum anderen, weil man schon allgemein die Auffassung hat,
dass auch ein toter Körper ein gewisses Maß an Würde hat
und man Leichen durch einen sexuellen Akt an ihnen entweinen würde.
Ich glaube auch, was so eine Sache ist,
warum einem das so, ja, so falsch vorkommt,
ist, dass man sich eben gar nicht vorstellen kann,
dass das einer Person Befriedigung geben kann,
wenn die andere Person nicht nur keine Freude dabei empfindet,
sondern tot ist, also wirklich eine seelenlose, leblose Hülle ist.
Ja, weil es natürlich so ganz doll gegen die Auffassung geht
von dem, was die meisten Menschen als Freude am Sex empfinden,
also was Lebhaftes.
Sexualität wird ja auch immer sehr viel verbunden mit Jugend,
also Jugend im Sinne von, man kann sich noch fortpflanzen,
man steht im Saft des Lebens sozusagen.
Und ich habe mich auch gefragt, dadurch, dass ja mittlerweile,
also wir gehen ja schon eher Richtung,
heute ist viel mehr erlaubt als früher,
heute ist viel mehr anerkannt,
Sexualpräferenzen werden weniger bewertet als vorher,
aber das ist halt so weit weg von dem,
was in der Allgemeinheit als akzeptabel gilt,
dass ich das auch verstehen kann,
dass die Menschen davon so angewidert sind.
Und es ist aber eben auch, glaube ich, ähnlich wie beispielsweise Pädophilie
oder Vergewaltigung, dass eben dieses fehlende Einverständnis der Person
so wichtig wäre,
damit es in irgendeiner Art gesellschaftsfähig wäre.
Bei Studien hat man herausgefunden,
dass fast ausschließlich Männer davon betroffen sind
und dass vor allem das Ausüben von Macht und Dominanz
den Männern wichtig war.
Und was man auch festgestellt hat,
eine Paraphilie kommt seltener allein.
Viele, die das hatten, bei denen wurde außerdem auch krankhafter Sadismus festgestellt,
Voyeurismus oder Exhibitionismus.
Und viele ExpertInnen sind der Ansicht eben,
also weil das eine Störung der Sexualpräferenz ist,
das kann man nicht heilen,
sondern man kann halt lernen, das zu kontrollieren.
Und das ist das,
das sagen wir hier ja auch immer bei Pädophilie beispielsweise dazu.
Und das kann man nicht wirklich judgen,
wenn sie es nicht ausleben,
weil das für viele auch ein Leidensdruck ist.
Und die haben sich das nicht ausgesucht.
Das ist eine Sexualität, mit der die geboren werden.
Aber wofür man halt immer was kann,
ist natürlich, wie weit man das eskalieren lässt.
Also vorausgesetzt, man ist nicht krankhaft,
denn bist du tatsächlich in deiner Kontrolle ja auch gehemmt
und kannst da keinen Einfluss drauf nehmen.
Aber wenn du beispielsweise Rollenspiele spielst,
das kann ja jeder machen.
Das finden, glaube ich, auch die wenigsten schlimm,
wollen sie vielleicht nicht für sich selbst.
Aber die Frage ist,
musst du dir Pornos ansehen oder Missbrauchsdarstellungen?
Weil das ist ja eine aktive Entscheidung.
Und dann bist du halt nicht mehr das Opfer deiner Sexualität,
sondern du machst in dem Moment andere zum Opfer,
weil du dir diese Missbrauchsdarstellung ansiehst.
Genau.
Und es gibt zumindest für pädophile Menschen
einige Anlaufstellen, wo sie sich Hilfe holen können,
um besser damit umgehen zu können,
diese Fantasien, die sie haben,
eben nicht zu taten werden zu lassen,
indem sie eben Missbrauchsdarstellungen konsumieren
oder selbst zur Tat schreiten.
Ja, genau.
Und sich zumindest nach einer Therapie zu bemühen,
ist ja immer eine Möglichkeit.
Ja.
Was ich irgendwie witzig fand,
also es gibt alles überall.
Nekrophilie gibt es auch im Tierreich.
Das wurde beispielsweise bei Echsen beobachtet.
jeweils auch, nur bei männlichen Echsen.
Da muss ich jetzt aber kurz auch eine Lanze brechen,
weil man sich vielleicht ja auch direkt denkt,
ach, klar, nur die Männer.
Aber wenn man sich das männliche Geschlechtsteil anguckt,
ja,
also dann ist es halt einfacher, sich zu befriedigen.
Ja, da hast du komplett recht mit.
Aber ich denke, man würde ja meinen,
dass es zumindest das Vorkommen der Sexualpräferenz
dann trotzdem auch bei Frauen geben muss.
oder gibt es das dann einfach nicht,
weil es praktisch sozusagen nicht möglich wäre für die Frau?
Gute Frage.
Naja, also es ist halt,
aber auch hier wie mit allen Paraphilien,
dass die wesentlich häufiger bei Männern auftreten,
was auch genetische Gründe haben kann.
Das ist ja gerade noch nicht abschließend geklärt,
aber da wird gerade sehr viel geforscht,
inwiefern Testosteron oder andere Androgene
da während der Schwangerschaft zur Bildung von Paraphilien beitragen.
Ja, auf jeden Fall gab es halt eben männliche Echsen,
die sich auch an toten Echsenweibchen vergangen haben,
die schon verwesend sind.
Und ja, die haben sich wahrscheinlich gedacht,
ob da jetzt ein totes Echsenweibchen unter mir liegt
oder eins, das einfach nur den Seestern macht,
ist dann auch egal.
Bei den Echsen hat man aber wenigstens eine mögliche Erklärung dafür gefunden,
weil die ja eher in der Natur vorkommen, wo es warm ist
und die Körper der Weibchen dementsprechend, wenn sie leben,
ungefähr die Temperatur der Umgebungstemperatur auch haben
und sich dann im Tod aber halt nicht wirklich abkühlen.
Und dass die Männchen auch weiterhin deren Pheromone wahrnehmen,
also dass die quasi gedacht haben,
dass die das nicht so,
ja, die haben das vielleicht nicht so richtig gerafft.
Okay, also im Zweifel für die Echse.
Ja.
Aber Werner ist sich ja ziemlich bewusst,
dass seine Opfer tot sind.
Ja.
Im November 1985 bricht Werner wieder in eine Leichenhalle ein,
vergeht sich dort an dem aufgebahrten Leichnam einer 29-Jährigen.
Er sticht ihr die Augen aus, öffnet ihren Leib,
trennt ihre beiden Brüste ab und nimmt sie mit nach Hause.
Erwischt wird er für diese Taten nie.
Die Familien der Opfer erfahren nicht,
wer ihre geliebten Angehörigen aus dem Sarg geklaut
und was er mit ihnen angestellt hat.
Nach diesem vorläufigen Höhepunkt
ebt Werners Interesse an toten Körpern Ende der 80er ab.
Er selbst erklärt es sich so,
dass er in dieser Zeit einigermaßen glücklich ist.
Er verbringt Zeit mit seinen beiden Söhnen,
die in diesen Jahren aus dem Gröbsten raus sind
und ist beruflich zufrieden.
Zumindest erst mal.
Mitte der 90er packt es Werner dann aber wieder,
das Verlangen nach Gerippen und Gedärmen.
Er besorgt sich Bücher über Anatomie
und der Beginn des Internets wird für Werner
zum Beginn des grenzenlosen Zugangs
zur Darstellung von Unfallopfern und Autopsien.
Werner verbringt Stunden damit,
sich Material zusammenzusuchen,
an dem er sich ergötzen kann.
Darunter auch Zeichnungen,
auf denen eine Frau erst erwirkt
und ihre Bauchdecke anschließend
mit einem Messer geöffnet wird.
Er liest Texte über Gewalt an lebenden Personen
und über deren Tötung.
Außerdem legt er einen Ordner
mit dem Namen Torture Chamber an,
in dem er seine kranken Fantasien
niederschreibt und abspeichert.
Fantasien, die den Ermittelnden
später einen Einblick
in seine kranke Seele gewähren werden
und die offenbaren,
was Verners sehnlichster Wunsch ist.
In dem Text geht es um seine Vorstellung,
ein junges Mädchen zu entführen.
Etwa um die 14 Jahre alt sollte sie sein.
Blond, schlank, sehr hübsch.
Er würde sie mit Chloroform betäuben,
dann in eine Art Folterkammer schleppen
und dort an einem Holzrahmen fixieren.
Dann würde er sie fragen wollen,
hast du schon einmal Därme gesehen?
Möchtest du welche sehen?
Möchtest du welche in die Hand nehmen?
Hast du schon mal eine Leiche gesehen?
Möchtest du Bilder davon sehen?
Hast du schon mal einen Menschenknochen gesehen?
Könntest du dir vorstellen,
eine Leiche aufzuschneiden und auszuweiden?
Könntest du dir vorstellen,
Menschenfleisch zu essen?
Sollte das Mädchen sich nicht vorstellen können,
eine Leiche aufzuschneiden,
hat Werner einen Fahrplan niedergeschrieben,
wie dann vorzugehen ist.
Zitat
Werner wolle dem Mädchen vor seinem Tod bis ins Detail erklären,
dass er sich an seiner Leiche vergehen und sowohl sein Geschlechtsteil als auch sein Skelett
noch über Jahre nach dem Tod für sexuelle Handlungen benutzen würde.
Noch schlimmer als das liest sich allerdings der Fahrplan,
den Werner sich überlegt hat, sollte das Mädchen,
und wenn auch nur aus Angst,
auf die Frage, ob es sich vorstellen kann,
eine Leiche aufzuschneiden und auszuweiden,
Ja sagen.
Dann würde er sie nur lokal betäuben
und bei lebendigem Leib den Bauch aufschneiden.
Dabei sollte sie in einen Spiegel schauen,
um alles mit ansehen zu können.
Danach würde er den Darm entleeren
und mit Hilfe eines Schlauchs durch die Speiseröhre waschen wollen,
um anschließend mit dem Arm durch den After den Darm zu erkunden.
Durch die geöffnete Bauchdecke
wolle er sich dabei zuschauen, wie das aussähe.
Es sind Fantasien,
die einem schon beim Lesen den Magen umdrehen.
Noch schlimmer ist nur die Vorstellung,
dass Werner diese Fantasien vielleicht irgendwann
in die Realität umsetzen würde.
Also ich fantasiere halt über andere Sachen.
Ja.
Was ich zum Mittag esse oder so.
Das macht mir Freude.
Das ist ja so weit weg,
dass man dann,
was ja oft passiert,
wenn man mit etwas zu tun hat,
was so schrecklich ist und so weit weg
von dem Vorstellbaren ist,
ist, dass man irgendwie in diesen Comic Relief
verfallen muss,
um das überhaupt auszuhalten.
Deswegen, das war bei mir auch gerade so,
als ich das gelesen habe,
habe ich zwischenzeitlich,
musste ich fast darüber lachen,
weil das für mich so,
ja, weil das offenbar dann meine Reaktion ist,
um damit umzugehen mit sowas.
Man distanziert sich automatisch davon.
Das habe ich auch beim Schreiben gemacht.
Also es war gar nicht schwer,
das zu schreiben.
Allerdings vor allem auch dieser Teil,
weil das sind Fantasien.
Und das, finde ich,
ist ja immer noch etwas anderes,
als wenn man eine tatsächliche Tat beschreibt.
Weißt du, an was mich das jetzt auch erinnert,
dieses, ja, so ein bisschen Lachen oder so über sowas,
ist unsere zweite Folge,
als wir über den Kannibalen von Rothenburg gesprochen haben.
Da hat man den Comic Relief auch deutlich gespürt in dieser Folge.
Also da haben wir schon sehr viel gelacht.
Ich glaube, das würden wir heute wahrscheinlich nicht mehr so machen.
Als Werner dann im November 1999 aus den Medien erfährt,
dass es ein schreckliches Zugunglück,
ein schreckliches Zugunglück am Bahnhof gegeben hat,
bei dem eine 14-Jährige ums Leben kam,
verspürt er gleich den Drang,
sich die Leiche des Mädchens anzusehen.
Also setzt er sich am Nachmittag des 11. November in seinen weinroten Opel
und macht sich auf den Weg zum Friedhof.
Es ist derselbe Friedhof,
von dem er schon 18 Jahre zuvor die Leiche entwendet hatte,
die er später auf dem Gelände seines Vaters verbuddelte.
Das Betreten des Friedhofs weckt gute Erinnerungen in ihm.
Er nähert sich dem Leichenhaus.
Durch ein Fenster, das auf Kipp steht,
schielt er ins Innere des Hauses
und erblickt einen weißen, aufgebahrten Sarg.
Darin wird sich die Leiche von Kim befinden,
vermutet Werner.
Er will sie.
Er will an das, was in dem Sarg ist, herankommen.
Doch auf dem Friedhof tummeln sich zu viele BesucherInnen,
die mit Blumen unter dem Arm geklemmt,
ihre Liebsten besuchen, die nicht mehr unter ihnen weilen.
Die hierher gekommen sind, um die letzte Ruhestätte zu pflegen.
Das Einzige, was sie noch tun können für jene, die gegangen sind.
Werner überlegt.
Jetzt geht es nicht.
Also zügelt er seine Gier
und setzt sich wieder ins Auto,
fährt nach Hause
und überlegt sich einen Plan,
der ihn an sein Ziel bringt.
Als der Abendhimmel bereits in schwarz getaucht ist
und Werner sein Abendbrot zu sich genommen hat,
verlässt er seine Wohnung erneut.
Seinen Pkw stellt er etwas weiter entfernt vom Friedhof ab
und geht den Rest zu Fuß über den Friedhof.
Mit einem alten Schlüssel
verschafft er sich Zutritt zum Gelände
und danach zum Leichenhaus.
Er schließt die Tür hinter sich wieder zu.
Niemand soll mitbekommen,
welche Szenen eines Horrorfilms
sich zur später Stunde hier abspielen werden.
Werner nähert sich dem Sarg
und löst die sechs Schrauben des Deckels.
Als alle gelöst sind,
hebt er ihn ab
und betrachtet das,
was darin aufgebahrt liegt.
Kim.
Der Anblick des blassen Körpers,
aus dem jedes Leben gewichen ist,
erregt ihn so sehr,
dass er beginnt zu zittern.
Er zieht die Bluse,
die man Kim für ihre letzte Ruhe angezogen hatte,
herunter,
um freien Blick auf ihren Busen zu bekommen.
Er berührt sie.
Sie soll ihm gehören.
Also zieht er den noch steifen Körper
an den Schultern aus dem Sarg
und stellt ihn an der Wand ab,
als wäre er eine Schaufensterpuppe.
Er verschraubt den Sargdecke wieder,
schleift Kims Leiche an den Schultern
aus dem Leichenhaus
und zieht sie im Schutz einer Hecke des Friedhofs
bis zu einer Stelle,
die er danach mit seinem Auto anfährt.
Seine tote Beute verfrachtet er in den Kofferraum.
Auch diesmal dient der Lagerplatz
seines Vaters wieder als Versteck.
Er verbirgt die Leiche dort
in einem leer stehenden Wellblechcontainer
und verpackt sie in Plastikfolie.
Mehr wird heute nicht passieren.
Danach fährt er nach Hause.
Am frühen Nachmittag des nächsten Tages,
als Werner Feierabend hat,
kehrt er zurück zu dem Lagerplatz
und Kims Leichnam.
Er legt Kims Leiche einen Strick um den Hals
und zieht sie daran über einen Zug
in eine aufrichte Position.
Arme und Beine fixiert er ebenfalls.
Wie eine Gekreuzigte
hängt der Leichnam vor ihm.
Als ob sie noch zum Schreien fähig wäre,
knebelt Werner die Hülle seines Opfers.
Danach wendet er sich intensiv
den Genitalien zu.
Er untersucht sie,
penetriert und versucht Geschlechtsverkehr
in dem Leichnam auszuüben.
Allerdings sorgt ein steifer Körper
nicht automatisch für einen ähnlichen Zustand beim Glied,
weshalb daraus nichts wird.
Die meisten seiner Taten
hält er auf jenen Fotos fest,
die die entsetzten Beamtinnen
nachher auf CD-Roms namens
Viva Necrophilia
CD1 und CD2 für.
Je dunkler es draußen wird,
desto dunkler werden auch
Werners Gedanken und Ideen,
was er mit der Leiche
noch alles anstellen will.
Er beginnt sie mit einem
Teppichbodenmesser in Stücke zu schneiden.
Dabei genießt er den Hautkontakt,
wie seine Finger
über die wachsige,
kalte Pelle gleiten.
Er filetiert,
entweidet und verstaut
die Einzelteile in Plastikbehälter.
Erst spät fährt er wieder nach Hause,
in die Wohnung,
in der er mit seiner Frau
und den beiden Kindern wohnt,
die schon zur Ruhe gekommen sind.
nicht ahnt,
was ihr Vater und Mann
gerade noch getan hat.
Einen Tag später
betritt Werner
den Wellblechcontainer erneut.
Er zerteilt die Leiche
in noch mehr Einzelteile
und ordnet diese
in neue Positionen an.
Die Fotos,
die er davon anfertigt,
zeigen ein absurdes Bild
eines quasi falsch
zusammengesetzten Menschen.
Einzelne Teile
nimmt er mit nach Hause,
wäscht sie dort
in der Badewanne
und anniert darauf,
vergeht sich auch
anderweitig sexuell daran
und einige
versucht er zu konservieren.
Also,
wir hatten ja anfangs
schon gesagt,
das für Werner
der Darm,
das ist,
was es ihm
besonders angetan hat.
Und damit
beschäftigt er sich
jetzt auch ganz intensiv.
Wie?
Da wollen wir jetzt
an der Stelle
nicht noch näher
darauf eingehen,
weil man davon
wirklich Albträume
bekommt.
Aber es sind zwei Sachen.
Zum einen
sind es grausame Bilder,
so wie,
dass er die Leiche
anders drapiert.
Es ist aber auch fast so,
wie wenn du Kindern
damals in der Schule
ein Kuhauge
zu untersuchen gegeben hast.
Also teilweise
geht er da mit
einem enormen
Interesse an
Anatomie
und Biologie ran
und schaut sich
das alles
ganz genau an.
Genau,
und wir wollen das
jetzt ja hier
nicht so detailliert
erzählen,
aber wir überlegen
uns ja immer
ganz genau,
was ist wichtig
für die Geschichte.
In diesem Fall
ist das tatsächlich
eine bildlichere
Beschreibung,
als wir es sonst tun,
weil man sonst
nicht versteht,
zu was dieser Mann
fähig ist
und was
halt nachher
die Konsequenzen
daraus sind.
aber das,
was er jetzt hier macht
und das haben wir
ja eben schon gesagt,
das ist die Tat
an sich
und wir fanden es
jetzt gerechtfertigt,
da seine Fantasien
genau zu beschreiben
als die Tat an sich,
weil die Fantasien,
die betreffen ja
in dem Sinne
kein Opfer.
In den nächsten Tagen
versucht er Teile
der Leiche loszuwerden.
Manche wirft er
in ein Schilffeld
unweit des Lagerplatzes
seines Vaters,
andere versenkt er
in einem Kanal
in der Gegend.
Einige verwahrt er
auch bei sich zu Hause
in einer Plastikbadewanne
auf dem Balkon.
Arme, Beine, Kopf, Torso
und weitere Teile
bewahrt er in einem
Wasserbecken
auf dem Lagerplatz auf.
Immer wenn ihn
die Lust überkommt,
kehrt er wieder
zu ihnen zurück,
betrachtet sie,
stochert darin herum
und macht Fotos.
Und bei einem Mal
wird er dabei
von einem Spaziergänger
beobachtet,
der dafür sorgt,
dass die Suche
nach der Leiche
ein Ende nimmt.
Die ganze Zeit über
hat niemand etwas geahnt,
weder seine Arbeitskollegen
noch seine Familie.
Seine krankhafte Seite
hat er versteckt
und sich die Maske
eines liebenden Ehemannes
und Vaters aufgesetzt.
Er hat ein Doppelleben geführt
und vorgegeben,
jemand zu sein,
der er nicht ist.
Seine Familie
reißt das den Boden
unter den Füßen weg.
Für sie wird eine
psychologische Betreuung
organisiert,
ebenso wie für
die Familie von Kim.
Die Wahrheit ist besser
und heilsamer
als die Ungewissheit,
sagt man.
Wenn das die Wahrheit ist,
wünscht man sich fast
wieder die Ungewissheit
zurück.
Eineinhalb Jahre später
beginnt der Prozess
gegen Werner Busse
vor dem Landgericht Bamberg.
Es soll ein kurzer
Prozess werden,
lediglich drei
Verhandlungstage
sind angesetzt.
Anklage hat die
Staatsanwaltschaft erhoben
wegen des Besitzes
der Missbrauchsdarstellung
und wegen Störung
der Totenruhe.
Und was das genau ist,
das erklären wir
jetzt nochmal in einem
Aha.
Dabei geht es halt um
Leichen, aber auch
um Grabschändung.
Und das ist eben
jener Straftatbestand,
den wir vorhin schon
angesprochen haben,
wie man ausgelebte
Nekrophilie dann eben
sehr wohl bestrafen kann.
Aber auch dieser
Straftatbestand ist
umstritten, weil wir
haben es vorhin gesagt,
das, was durch den
Straftatbestand geschützt
werden soll, ist ja
tot.
Aber man sagt quasi,
dass das Pietätsempfinden
und der Achtungsanspruch
geschützt werden sollen.
Unter Störung der
Totenruhe fällt zum
einen, wer einen
Leichnam, Embryonen oder
Föten, Körperteile oder
die Asche einer Person
entwendet.
Und die Person, die
dabei geschützt wird, ist
aber eben nicht die
tote Person, sondern die
berechtigte Person.
Und in unserem Fall
hier war die berechtigte
Gewahrsamsinhaberin der
Leiche, so nennt man das,
die Mutter von Kim.
Und Werner hat ihr
Kims Leiche unbefugt
entzogen.
Was auch unter Störung der
Totenruhe fällt, ist, wenn
man, so heißt das,
beschimpfenden Unfug an der
Leiche oder Teilen oder
der Asche betreibt.
Damit sind Handlungen
gemeint, durch die man
eine besondere Miss- oder
Verachtung gegenüber dem
oder der Verstorbenen zum
Ausdruck bringt.
Auch das hat Werner getan.
Dafür hätte er die Leiche
übrigens auch gar nicht
klauen müssen.
Also es hätte auch
gereicht, wenn er das, was
er getan hat, in der
Leichenhalle getan hätte.
Dann fällt auch noch
darunter, wenn man eine
Aufbahrungsstätte,
Beisetzungsstätte oder
öffentliche Totengedenkstätte
beschädigt oder
zerstört.
Also beispielsweise
halt eine Leichenhalle
in der eine Leiche
aufbewahrt ist.
Bei öffentlichen
Gedenkstätten ist es aber
nicht wichtig, ob die
Toten da auch begraben
liegen.
Also wenn man jetzt
beispielsweise ein
Konzentrationslager
beschädigt, dann macht man
sich auch der Störung der
Totenruhe strafbar.
Oder wer halt dort an
diesen Orten beschimpfenden
Unfug betreibt.
Und das könnte dann halt
so aussehen, dass
Hakenkreuze an jüdischen
Gräbern angebracht werden.
Oder wer
Saltburn gesehen hat,
weiß auch, wovon wir
hier sprechen.
Und es gibt auch einen
sehr bekannten Fall der
Störung der Totenruhe.
Den hast du ja gerade
schon angesprochen.
Den haben wir hier in
Folge 2 besprochen.
Das ist der
Kannibale von
Rothenburg.
Sein Antrieb, die
Totenruhe zu stören, war
ja der sexuell motivierte
Kannibalismus.
Da spricht man auch von
Nekrophagie.
Und hier sagt man, dass
das auch zur Störung der
Totenruhe zählt, weil der
Mensch, dessen Fleisch
gegessen wird, so einem
Nutztier gleichgestellt
werde.
Und selbst wenn die Person, die
nachher verzerrt wird, zu
Lebzeiten eingewilligt hat, nach
dem Tod gegessen zu werden,
wissen wir jetzt, das macht
nichts, weil der Paragraf das
Pietätsempfinden der
Allgemeinheit schützt.
Und weißt du, woran ich da
sofort denken musste, wo das
voll die Diskussion war in den
Medien?
Du kennst Körperwelten, ne?
Ja.
Genau.
Und da hatte man das damals
diskutiert, ob das nicht zur
Störung der Totenruhe zählt,
weil sie gesagt haben, das sind
ja Leichenteile.
Und auch irgendein
Oberlandesgericht hat nachher
entschieden, ein plastinierter
Körper ist grundsätzlich auch
eine Leiche.
Aber trotzdem war das mit der
Ausstellung dann fein.
Bei diesen Körperwelten, warst
du da schon mal?
Ja.
Ich noch nie.
Wie ist das so?
Ich fand es wahnsinnig
beeindruckend.
Und ich finde das auch gut, dass
das nicht als Störung der
Totenruhe verurteilt wurde.
Ja.
Weil ich es eigentlich total
aufklärend finde, Menschen
Anatomie bildlich
darzustellen.
Ja.
Also ich fand das sehr
beeindruckend.
Ich muss aber auch dazu sagen,
dass es für mich wirklich wenig
von Leichen und
also es sah halt einfach alles
sehr nach Plastik aus.
Ich habe mal in einem
anderen True Crime Podcast
davon gehört, also
My Favorite Murder, die haben
die Geschichte von
Körperwelten auch erzählt.
Und da ging es
darum, dass wohl am
Anfang
nicht nur Leichen
verwendet wurden von
Menschen, die vorher ihre
Einverständniserklärung
gegeben haben, wie das halt
heutzutage ist, sondern dass
da halt auch
Hinrichtungsopfer verwendet
wurden.
Und der Typ, der das da
erfunden hat, dann auch schon
in Kritik geraten ist am
Anfang.
Ja, genau.
Daran erinnere ich mich auch,
dass das die Kritik war.
Ich weiß allerdings nicht,
ob er wirklich, also ob das
wirklich nachgewiesen wurde.
Ja, das weiß ich auch nicht mehr.
Ich gucke mal eben.
Also, weil ich kann mir nicht
vorstellen, dass die dann
da weiter ausgestellt wurden.
Nee, ich mir eigentlich auch
nicht.
Warte.
Okay.
Also, der Spiegel hatte das
berichtet, musste es aber wieder
zurücknehmen.
Aber ich fand diese ganze
Geschichte und halt auch diese
Diskussion darüber, ob das jetzt
pietätlos ist, also das fand ich
interessant.
Ja, ich finde es gar nicht
pietätlos.
Wir haben jetzt gehört, wo Störung
der Totenruhe ungefähr ja
vorkommt.
Also, das, was hier der Werner
gemacht hat, eventuell irgendwelche
Ausstellungen mit Körpern und
Kannibalismus.
Was glaubst du, wie oft das im
Jahr verurteilt wird?
Wie oft kommt das vor in
Deutschland?
So ungefähr.
Also, ich kann mir irgendwie schon
vorstellen, dass ein paar
Jugendliche oder junge
Erwachsene es witzig finden, sich
an Gräbern zu schaffen zu
machen oder auf den zu tanzen
oder so.
Da gab es ja am Anfang dieser
Geschichte auch so ein paar
Sachen, wo Gräber geöffnet
wurden oder Leichenteile
geklaut wurden oder so.
Von daher kann ich mir doch
vorstellen, dass das öfter
vorkommt.
Aber gut, was ist oft?
Ich bin bei soem Raten
komplett meistens falsch.
Ich sage, das wird
750 Mal verurteilt im Jahr.
Das ist viel.
Ja, nee.
Also, 2011
waren es 21 Mal
und 2013
waren es 11 Mal.
11 Mal?
Bei so vielen
EinwohnerInnen.
Ich kann mir vorstellen,
dass das so oft
unentdeckt bleibt.
Ja, stimmt.
Also, es gab auch mal
diese eine Halloween-Party
auf einem Friedhof,
wo die dann halt so
auf den Gräbern getanzt
haben und so.
Das, was du gerade
schon gesagt hast.
Und so ein Delikt,
wie der Werner das
jetzt hier begangen hat,
das wäre ja gar nicht
aufgefallen, wenn die Eltern
da nicht vorher noch mal
in den Sarg hätten
reingucken wollen.
Ja.
Und ja, dadurch,
dass es sich um Tote handelt,
die sich schwer danach
beschweren können,
kann ich mir vorstellen,
dass die Dunkelste
da relativ hoch ist.
Und damit kommen wir
zurück zu Werner.
Über seine Anwältin
lässt der Angeklagte
verlesen,
dass er die Tat zugibt.
Mehr Informationen
selbst vorzutragen,
dazu sähe er sich
nicht imstande.
Vor Gericht
mag Werner
wortkarg wirken,
doch in der Klinik,
in der er untergebracht ist,
war davon keine Spur.
Vielmehr plapperte er dort
über seine Tat
und beschrieb mit breiter Brust,
wie er eine Leiche
in Teile zerlegte.
Außerdem soll er gesagt haben,
dass er seine frühere Frau,
die sich mittlerweile
von ihm hat scheiden lassen,
betäuben,
sie missbrauchen,
töten und dann ebenfalls
zerstückeln wollen würde.
So berichten es
ZeugInnen vor Gericht.
Widerlich als Ehefrau,
wenn du das erfährst.
Nee,
da fällst du doch
vom Glauben ab.
Als Werner in der Klinik
zu Ohren bekam,
dass seine MitpatientInnen
vor Gericht
gegen ihn aussagen wollten,
habe er ziemlich nachdrücklich,
nahezu aggressiv versucht,
sie davon abzubringen,
schildern sie den RichterInnen.
Als Ulrike,
Kims Mutter,
in den Zeugenstand tritt,
sieht man ihr an,
wie die letzten anderthalb Jahre
an ihr genagt haben.
Während sie spricht,
wirkt sie sichtbar verängstigt.
Immer wieder muss sie sich fangen,
weil sie anfängt zu weinen.
Nachdem sie bei der geplatzten Beerdigung
einen Schock erlitten hatte,
habe die Ungewissheit darüber,
wo Kims Leiche ist,
sie förmlich zerfressen.
Sie habe Albträume gehabt,
Schlafstörungen
und habe an Verfolgungswahn gelitten,
was letztlich dazu führte,
dass sie ihrem Job
als Altenpflegerin
nicht mehr nachgehen konnte.
Nachdem sie erfahren habe,
was wirklich mit Kim passiert ist,
hätten sie Depressionen
und Angstzustände vereinnahmt.
Sie habe Bilder vor Augen,
die sie nicht mehr
aus dem Kopf bekomme
und ist immer noch
in psychologischer Behandlung.
Jede Person im Gerichtssaal
fühlt in dem Moment
mit Kims Mutter,
die zuerst ihr Kind verloren hat
und der dann auch noch
die Möglichkeit genommen wurde,
ihren Verlust zu betrauern.
Aber Kims Mutter ist nicht die einzige,
die noch heute unter den Bildern
in ihrem Kopf leidet.
Auch der Computerspezialist der Polizei,
der mit der Auswertung
des Fotomaterials beauftragt war,
das Werner bei sich zu Hause
gesichert hatte,
schildert eindrücklich,
wie belastend die Arbeit für ihn war.
Sechs Monate war er damit beschäftigt,
zwei PCs,
zwei Laptops
und mehrere CD-ROMs
mit den Aufnahmen,
die Werner angefertigt
oder sich aus dem Internet
runtergeladen hatte,
durchzugehen.
Was er dort zu sehen bekam,
habe ihn so erschüttert,
dass er sich nach dem Fall
auf Arbeit habe
ablösen lassen müssen.
Auch die Texte,
die er lesen musste,
in denen Werner
seine Fantasien festhielt
und die den Experten
eintauchen ließen
in seine kranken,
sadistischen Vorlieben,
hätten ihn so verstört,
dass er sich in psychische Behandlung
begeben habe.
Mittlerweile habe er
eine andere Stelle angetreten.
Wenn man sich ansieht,
wie Werners Taten
auf das Leben
von so vielen Leuten
inklusive der BewohnerInnen
im Ort ausgewirkt haben,
wirkt es fast grotesk,
wie er an einem Tag
unbeeindruckt vor all dem
mit einem Jutebeutel
über den Schultern
den Gerichtssaal betritt
und ein freundliches
Guten Morgen
in den Raum wirft.
Als sei er hier
einer der anderen
Prozessbeteiligten
und nicht der Angeklagte.
Doch das sind auch
die einzigen Worte,
die seine Lippen
während des Prozesses
verlassen.
Selbst Stellung beziehen
möchte er nicht.
Allerdings hat er
vor der Verhandlung
seine Taten
sowohl den
VernehmungsbeamtInnen
als auch
einem psychiatrischen
Gutachter geschildert,
der neben seiner
eigenen Einschätzung
Werners Aussagen
wiedergeben wird.
Der Gutachter sagt,
dass Werner
ein besonderes Interesse
an biologischen
Grundfunktionen
des Menschen habe
und quasi ein Faible
für menschliche Anatomie
hat.
Und dieses Interesse
habe immer dann
besonders zugenommen,
wenn Werner
besonders belastet
und von Sorgen
geplagt war.
Deswegen habe es auch
diese mehrjährige Pause
gegeben,
als Werner
sein Leben
eine Zeit lang
als ausgeglichen
empfand.
Werner sei
charakterlich
eher ängstlich,
vorsichtig,
zurückhaltend
und leicht
beeindruckbar.
Und das finde ich
so absurd.
Wie kann der denn
leicht beeindruckbar
sein,
wenn der um
sexuelle Erregung
zu empfinden,
oder zumindest
sein sexueller Traum,
so eine Extreme
ist?
Ja.
Und vor allen Dingen,
wenn er leicht
beeindruckbar ist,
dann kann er sich
ja ganz viele
andere Sachen suchen,
die ihn beeindrucken,
neben der Anatomie
des Menschen.
Ja,
und auch dieses
ängstlich,
vorsichtig
und zurückhaltend,
das finde ich,
passt irgendwie
nicht.
Wahrscheinlich kann
das alles
nebeneinander existieren,
mit dieser
absurden Sexualität,
aber er verhält
sich zumindest,
wenn es eben
um diese Sexualität
geht,
gar nicht
seinem Charakter
entsprechend.
Nein,
weil er ist ja
nicht vorsichtig,
was er da macht.
Er stochert da rum
am helllichten Tag,
sodass Spaziergänger
ihn sehen,
ja?
Also,
ja.
Weiter sagt der Gutachter,
dass Werner
überdurchschnittlich
intelligent sei.
In allen Tests
habe er ansonsten
durchschnittlich
abgeschnitten.
Keine Auffälligkeiten,
keine Depression,
keine emotionale
Instabilität,
kein Hang zur
Impulsivität,
nichts.
Selbst seine sexuelle
Verhaltensentwicklung,
also beispielsweise
bei Sex mit Partnerin
oder seiner Frau,
sei er seinem
Charakter entsprechend
zurückhaltend gehemmt
und schüchtern gewesen.
In seiner Fantasie aber
habe er ein Verlangen
nach Aggressivität
und sadistischen
Quälereien gehabt.
Seine Nekrophilie
sei Ausdruck
seines Wunsches
nach einem
willenlosen,
sich ihm vollständig
unterwerfenden
sexuellen Objekt
gewesen.
Über 20 Jahre
habe sich so
eine diagnostizierte
Sexualstörung
entwickelt und
verfestigt.
Ohne jeden Zweifel
habe er eine Paraphilie
im Sinne einer
Nekrophilie,
die eine,
wie man das damals
noch nannte,
schwere
seelische
Abartigkeit,
Begründe.
Das Problem dabei ist,
dass Werner
zwar in der Lage
sei,
das Unrecht
seiner Taten
einzusehen,
seine Fähigkeit,
sein Handeln
nach dieser
Einsicht
auszurichten,
sei allerdings
erheblich
vermindert gewesen.
Aber sie war
auch nicht
völlig
aufgehoben.
Das heißt,
Werner
hat immer gewusst,
dass das,
was er macht,
falsch ist.
Einen Anhaltspunkt
dafür sieht der Gutachter
zum Beispiel darin,
dass Werner
ihm erzählt hat,
dass er sich
nach den Taten
immer Gedanken
darum gemacht hat,
aufzufliegen
und was das
rechtlich dann
für ihn heißen würde.
Das allein hat
jetzt nicht gereicht,
um sich selbst
davon abzuhalten,
das zu tun,
was er getan hat,
weil er eben
diese seelische
Störung hatte.
Aber zumindest
teilweise war er
dazu schon in der Lage,
weil er diesen Trieb,
den er hatte,
schon auch
vorübergehend
unterdrücken konnte.
Also der ist ja
beispielsweise auch
zur Arbeit gegangen
und dann erst
nach Feierabend
wieder zur Leiche
zurückgekehrt
oder hat den Friedhof
später nochmal
aufgesucht,
als nicht mehr
so viele Besucher
da waren.
Also es war teilweise
ein sehr planvolles
Vorgehen,
also das Auskundschaften,
sich Gelegenheiten suchen,
den Transport der Leiche
planen,
das war eben
keine spontane Tat
und das spricht
eben auch dafür,
dass seine
Steuerungsfähigkeit
nicht vollständig
aufgehoben war.
Und dennoch
ist das ein
Strafmilderungsgrund.
Und jetzt kommt es.
Also Werner wird
wegen Störung
der Totenruhe
verurteilt.
Er habe
Zitat
beschimpfenden
Unfug
an der Leiche
verübt
und mit seinen
Handlungen
ein nicht mehr
zu überbietendes
Maß an
Pietätlosigkeit
und Rohheit
gezeigt,
die jegliche
Vorstellungskraft
übertreffen
und dadurch
seine grenzenlose
Fähr- und Missachtung
zum Ausdruck gebracht.
Außerdem hat er
sich der Verbreitung
pornografischer Inhalte
von Minderjährigen
schuldig gemacht.
Verbreitung
deswegen.
Also er hat die
ja besessen
und halt
abgespeichert.
Für beide
Straftaten
inklusive sozusagen
der Strafmilderung
bekommt er
insgesamt
zwei Jahre
und drei Monate
Freiheitsstrafe.
wo man sich
wo man sich
erst mal
denkt
hallo
hallo
aber abgesehen
von dieser
Strafe
wird für Werner
wegen seiner
dauerhaften
Störung
die Unterbringung
in einem
psychiatrischen
Krankenhaus
angeordnet.
Nach all dem
was das Gericht
gehört hat
ist es der
Auffassung
dass Werner
in Zukunft
mit hoher
Wahrscheinlichkeit
erneut
vergleichbare
erhebliche
Straftaten
begehen
könne
und darüber
hinaus
auch
Taten
die sich
dann
vielleicht
gegen
lebende
Personen
richten
würden.
Wir erinnern uns
Werner hatte
auf seinem PC
ja diese
Textdokumente
von seinen
Fantasien
abgespeichert
die er ja
an lebenden
jungen Frauen
ausüben
wollte.
Also kurz
gesagt
Werner ist
möglicherweise
für die
Allgemeinheit
gefährlich
deswegen
soll sie
künftig
vor ihm
geschützt
werden
und ihm
ein
Therapieangebot
gemacht
werden.
Die Kammer
schließt sich
nämlich dem
Gutachter
an
der Werner
als
grundsätzlich
therapiefähig
einschätzt.
Demnach
soll erst
die zeitlich
nicht begrenzte
Maßregel
vollzogen
werden
und erst
danach
soll Werner
seine
Freiheitsstrafe
antreten.
Für die
weiteren
Taten,
die er
1981
und
1985
in den
Leichenhäusern
begangen
und vor
Gericht
eingeräumt
hat,
wird Werner
nicht
verurteilt.
Mehr als
15 Jahre
später
sind sie
schon
lange
verjährt.
Bei der
Urteilsbegründung
verzichtet der
Vorsitzende
Richter
darauf
noch mal
genau
wiederzugeben,
was Werner
sagt er,
Werner habe
die Dinge
gemacht,
die in der
Anklage
beschrieben
stehen.
Offenbar
will er den
Anwesenden
eine Wiederholung
der Taten
ersparen.
Manchmal
stockt er
bei seiner
Ausführung,
überlegt,
schüttelt
den Kopf
und sagt,
ich habe
Schwierigkeiten,
das Geschehene
zu formulieren.
Irgendwie
wird man
das Gefühl
nicht los,
dass das
Gericht
selbst
nicht so
recht
zufrieden
mit der
Strafe
für Werner
ist.
Verstörung
der
Totenruhe
zieht das
Gesetzbuch
einen
Strafrahmen
von maximal
drei
Jahren
vor.
Hätte er
einen
Kerzenleuchter
für
150
Mark
gestohlen,
hätte das
Strafmaß
bis zu
zehn
Jahre
betragen,
sagt der
Vorsitzende
und bewertet
die
Gesetzeslage
als
unzureichend.
Von
beschimpfenden
Unfug am
Körper
Verstorbener,
wie es im
Gesetztext
Zerstörung
der
Totenruhe
heißt,
kann bei
dieser
Tat
hier
keine
Rede
mehr
sein,
sagt er.
Werner
habe in
ganz
außergewöhnlicher
Weise
die
Menschenwürde
verletzt
und zusätzlich
zu
Kims
Tod
großes
Leid
über
die
Familie
gebracht,
so der
Vorsitzende.
Angehörige
hätten ein
Recht darauf,
Tote so
in Erinnerung
behalten
zu können,
wie sie
waren.
Den
Zusehenden
ist das
Unverständnis
ins Gesicht
geschrieben.
Wie kann
jemand
solch
eine
Tat
begehen,
einen
ganzen
Ort
über
Monate
hinweg
in
der
Annahme
lassen,
der
Teufel
habe
zugeschlagen,
den
Angehörigen
das Einzige
nehmen,
was ihnen
noch von
ihrer
geliebten
Tochter
geblieben
ist,
ihnen den
Abschied
verwehren
und dann
mit etwas
über
zwei
Jahren
Strafe
davon
kommen.
Immerhin
geht es
hier um
ein
geschändetes
Mädchen,
auch wenn
es
tot
war.
Doch
das
Strafgesetzbuch
nimmt auf
Verständnislosigkeit
keine
Rücksicht.
Der
Rahmen
ist
klar
eingegrenzt
und
innerhalb
dessen
muss
sich
das
Gericht
bewegen.
Mag
Haus
für
die
Toten
vor
erst
keine
Gefahr
mehr
darstellen.
Sie
dürfen
tief
unter
der
Erde
das
finden,
was
auch
dem
Ort
Buttenheim
und
Kims
Familie
endlich
vergönnt
sein
soll.
Ruhe.
Also
ich
finde es
wirklich
angesichts
dieser
Taten
ein
lächerliches
Strafmaß.
Ich
meine,
wir
haben
ja hier
nicht
mal
alles
erzählt,
was er
gemacht
hat.
Mit
den
Innereien
und
was weiß
ich
von
Kim.
Aber
die
haben
sich
das
alles
angehört,
die
haben
sich
das
vorstellen
müssen.
Ich
meine,
das
sagen wir
nicht so
oft,
dass
wir
finden,
dass
das
Strafmaß
zu
niedrig
ist.
Aber
hier
fühlt man
das
irgendwie
ganz
doll.
Vor
allen Dingen,
weil er
das
ja auch
schon
mal
gemacht
hat
vorher,
zweimal
und es
auch
wieder
machen
würde,
wenn er
draußen
wäre.
Ja,
und
es
war
ja auch
nie
nur
eine
Tat,
die
so
ganz
kurz
mal
begangen
hat
oder
so.
Also
der
hatte
diese
Neigung
ja
über
zwei
Jahrzehnte
entwickelt,
in der
Zeit
insgesamt
drei
Leichen
geschändet
und
für
ihn
war
ja
jede
Leiche
a gift
that
keeps
oder
in dem
Fall
kept
on
giving.
Also
der
ist
ja
immer
wieder
dahin
zurück,
hat
über
Monate
hinweg
was
mit
der
gemacht.
Ich
hoffe
mal,
dass
er
lange
in
diesem
Krankenhaus
war.
Wir
wissen
nicht,
was
danach
mit
ihm
passiert
ist.
Also
wie
lange
er
da
war,
wie
die
Haft
für
ihn
war
oder
so,
das
wissen
wir
alles
nicht.
Aber
ich
finde
das
auf
jeden
Fall
gut,
dass
das
Gericht
gesehen
hat,
dass
die
Gefahr,
dass
Werner
diese
Tat
nochmal
begeht
oder
schlimmere
sogar
begeht,
so
groß
ist,
weil
es
hat
ja
auch
gesagt,
dass
Werner
sich
diesen
Ritualen
immer
dann
hingegeben
hat,
wenn
er
irgendwie
großem
Druck
ausgesetzt
war
oder
wenn
es
ihm
nicht
so
gut
ging
oder
so.
Und
sozial
ist
er
ja
jetzt
total
abgeschieden,
weil
er
hat
keine
Familie
mehr,
der
hat
keinen
Job
mehr
und
so.
Und
deswegen
wäre
jetzt,
also
dadurch,
dass
die
Tat
aufgeflogen
ist,
die
Wahrscheinlichkeit,
dass
er
sich
da
wieder
rein
begibt,
ja
noch
größer.
Und
am
Ende
hat
er
sich
ja
auch
in
der
Tat
noch
weiter
gesteigert.
Und
er
hatte
ja
auch
eben
diese
Fantasien
mit
lebenden
Personen.
Und
das
hat
man
ja
auch
gesehen
daran,
wie
er
Kims
Leiche
behandelt
hat.
Also
dieses
Fesseln,
kreuzigen
und ein
Knebel
in den
Mund
stecken.
Also
das
bestätigt
ja
schon
diese
Fantasie,
die
er
hatte,
und
auch
diese
Missbrauchsdarstellung
von
Kindern,
die
er
auf
seinem
PC
hatte,
die
waren
ja
auch
nicht
an
Toten,
sondern
an
lebenden
Menschen.
Ja,
und
er
hat
eben
genau
das
nicht
gemacht,
worüber
wir
vorhin
gesprochen
haben,
sich
irgendwann
Hilfe
zu
holen.
Das
Internet
gab es
ja
dann
irgendwann.
Dadurch
hat
er
noch
mehr
Zugang
zu
solchem
Material
gehabt
und
hat
das
quasi
eskalieren
lassen.
Also
Fantasien
hat,
um
dann
seine
Nekrophilie
auszuleben.
Jetzt
wird eine
Therapie
beziehungsweise
eine
Kontrolle
seiner
Impulse
oder
seines
Verhaltens
ja
sehr
schwer
sein.
Ja,
in der
nächsten
Folge
geht es
um
einen
Fall,
bei dem
man
auch
meinen
könnte,
dass
das
jetzt
kein
typischer
True-Crime-Fall
ist.
So viel
können wir
schon mal
verraten.
Die
Opfer
sind zwar
groß
und
stark,
können
sich
aber
nicht
wehren.
Das
war
ein
Podcast
der
Partner
in
Crime.
Hosts
und
Produktion
Paulina
Graser
und
Laura
Wohlers
Redaktion
wir
Schnitt
Pauline
Korb
Rechtliche
Abnahme
und
Beratung
Abel
und
Kollegen