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Willkommen bei Mordlust, einem Podcast der Partner in Crime.
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Wir reden hier über wahre Verbrechen und ihre Hintergründe.
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Mein Name ist Paulina Kraser.
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Und ich bin die erkältete Laura Wohlers.
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In jeder Folge erzählen wir einen bedeutsamen, wahren Kriminalfall nach,
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ordnen den für euch ein, erörtern und diskutieren die juristischen,
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psychologischen oder gesellschaftlichen Aspekte
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und sprechen mit Menschen mit Expertise.
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Hier geht es um True Crime, also auch um die Schicksale von echten Menschen.
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Bitte behaltet das immer im Hinterkopf, das machen wir auch.
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Selbst dann, wenn wir zwischendurch mal etwas abschweifen,
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das ist für uns so eine Art Comic Relief, aber natürlich nicht despektierlich gemeint.
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Bevor wir mit dem heutigen Fall starten, der uns und vermutlich auch euch so wütend macht,
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dass man stellenweise wirklich am liebsten einfach nur laut schreien würde,
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wollte ich mit dir, Paulina, noch über ein ganz anderes Thema sprechen.
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Und zwar hat sich der EDV-Gerichtstag, von dem ich nicht wusste, dass es ihn gibt,
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dieses Jahr, und das war letzten Donnerstag, mit dem Einsatz von KI in der Justiz beschäftigt.
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Und zwar ging es jetzt nicht so um total konkrete Dinge,
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sondern auch viel darum, dass man das generell diskutiert, das Thema,
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inwieweit man sich das vorstellen kann, in der Justiz mit einer KI zu arbeiten.
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In der Justiz, soweit wir wissen, ist man noch nicht mal im digitalen Zeitalter angekommen.
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Das ist sowas von richtig.
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Nur ein kleines Beispiel für euch.
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Wir arbeiten ja immer mit Urteilen und es ist ja wichtig, dass die geschwärzt werden,
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die Namen der Beteiligten, ne, aus persönlichkeitsrechtlichen Gründen.
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und manchmal dauert es aber sehr lange, weil manche Gerichte tatsächlich quasi sich gefühlt
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dieses Urteil nehmen, das Kopieren, dann jeden einzelnen Namen mit einem Edding durchstreichen,
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dann einscannen oder auch nicht einscannen und direkt per Post verschicken.
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Ja, wobei die das dann immerhin sauber machen.
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Es gibt nämlich auch einige Mitarbeitende bei Gerichten, die versuchen, das digital zu machen
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und dann irgendeine Schwärzungsfunktion benutzen, die nicht funktioniert,
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wenn wir dann die PDF davon bekommen.
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Denn wenn man dann den entsprechenden Text kopiert und irgendwo anders einsetzt,
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kann man dann trotzdem die Namen lesen.
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Ich meine, es ist ja egal, wir sind uns ja unserer Verantwortung bewusst.
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Egal, was möchte die Justiz jetzt mit KI machen?
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Ja, und zwar, dass man zum Beispiel Vergleichs- oder Entscheidungsvorschläge von der KI vorschlagen lässt.
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Also zum Beispiel, man speist die ganze Ermittlungsakte und alle Zeuginnenaussagen,
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alle Gutachten und so weiter in einen Computer oder in eine Datenbank ein
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und dann soll die KI anhand von alten Urteilen und alten Ermittlungsdaten sozusagen zu einer Konklusio kommen,
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was für ein Urteil denn gefällt werden soll.
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Und da wurde natürlich auch heiß darüber diskutiert, ob das theoretisch was Gutes wäre oder was Schlechtes.
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Wie siehst du das, Paulina?
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Ich weiß nicht, also angesichts dessen, dass wir hier in Deutschland nicht wie im angloamerikanischen Common Law
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diese Präzedenzfälle haben und unsere Gerichte nicht an den Entscheidungen anderer gebunden sind,
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weiß ich nicht, ob das so sinnvoll ist.
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Genau, weil man ja viele Fälle einfach auch gar nicht miteinander vergleichen kann.
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Die Frage ist natürlich, wenn man alle Fälle, die es je gab oder so in der Datenbank hat,
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dann hat man wahrscheinlich schon viele Überschneidungen oder so.
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Was ich aber problematisch finde, ist die Idee, dass dann ja nicht mehr ein Mensch oder mehrere Menschen hat,
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die Kammer darüber entscheidet, sondern eine KI, also weil es geht ja schon um Menschenleben
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oder langjährige Haftstrafen, die dann am Ende von so einer Entscheidung stehen.
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Also was ich mir tatsächlich eher vorstellen könnte, ist, dass Entscheidungen, wenn sie auf Rechtsfehler geprüft werden,
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also beispielsweise, wenn man eine Revision einlegt und der BGH dann entscheiden soll,
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dass da eine KI zur Hilfe gezogen wird, weil man da ja wirklich nur auf Rechtsfehler prüft
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und nicht nochmal Beweismittel neu bewerten soll und so.
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Ansonsten weiß ich nicht, ob das so zuträglich ist, wenn man beispielsweise bei entscheidenden Prozessen
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so eine große Verantwortung in die KI legt.
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Ja, in diesem Szenario, über das jetzt hier da explizit diskutiert wurde,
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war es dann so, dass die KI dann einen Entscheidungsentwurf präsentiert
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und wenn dann beide Parteien damit einverstanden sind,
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dann kommt eine Entscheidung mit diesem Inhalt zustande,
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ohne dass das Gericht auch nur in die Akte geschaut hat.
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Okay, aber das ist natürlich auch schwierig, wenn beide Parteien mit dem Inhalt einverstanden sind.
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Das klingt ja fast so ein bisschen wie Täter-Opfer-Ausgleich.
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Ja, genau. Wann ist das in zum Beispiel Fällen, die wir hier besprechen, so?
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Aber Jutta Kemper vom Bundesjustizministerium sagt, das alles sei unzulässig,
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weil eben die letzte Entscheidung bei einem Richter oder einer Richterin liegen müsste.
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Das Szenario sei technologisch aber auch erst in 15 bis 30 Jahren umsetzbar.
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Wo ich mir auch denke, ja schön, dass man das jetzt schon mal bespricht.
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Ja, und bei unserer Justiz kannst du dann noch mal das Doppelte wahrscheinlich an Zeit draufpacken.
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Der Fall, von dem wir euch jetzt gleich erzählen, handelt von einem kleinen Mädchen,
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das einen schweren Kampf zu kämpfen hat und von Eltern, die zwar das Beste für ihre Tochter wollen,
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aber all ihre Hoffnung nicht in echte Hilfe, sondern in einen Heiler aus der Hölle setzen.
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Einige Namen sind geändert und die Trigger-Warnung findet ihr in der Folgenbeschreibung.
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Mai 1995 in Österreich.
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Mama, ich hab Bauchweh.
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Gerade hat Olivia noch im Garten gespielt, nun wird die Sechsjährige schon wieder von Krämpfen geplagt.
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Das zarte Mädchen mit den langen braunen Haaren hat momentan oft Bauchschmerzen.
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Mutter Erika und Vater Helmut ist schon aufgefallen, dass sie vor allem dann kommen,
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wenn Erika am nächsten Morgen früh zur Arbeit muss und Olivia nicht selbst in den Kindergarten bringen kann.
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Seit die 27-Jährige nach der Elternzeit wieder als Handarbeitslehrerin tätig ist
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und die Familie zu Erikas Eltern gezogen ist, auf deren großem Grundstück Erika und Helmut bald selbst ein Haus bauen möchten,
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klagt das Mädchen regelmäßig über Bauchweh.
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Ihrem großen Bruder Alexander und ihrer jüngeren Schwester Elisabeth machen die Veränderungen in ihrem Leben wenig aus,
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aber der sensiblen Olivia, die gern mit ihren Barbies spielt und bunte Bilder malt, gefällt das gar nicht.
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Dabei haben Erika und Helmut Pehlhaar schon öfter festgestellt, dass Schmerzen bei ihrer Mittlerin oft nur ein Zeichen dafür sind,
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dass sie mehr Aufmerksamkeit und Zuneigung braucht.
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Doch an diesem Mittwoch, den 17. Mai 1995, ist es anders.
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So lange und so intensiv klagte Olivia noch nie.
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Diesmal zweifeln sie nicht daran, dass es tatsächlich der Bauch und nicht vielleicht doch der Kopf ist, der Olivia zu schaffen macht.
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Hat sie vielleicht eine Blinddarmentzündung?
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Um das abzuklären, fahren sie in die Kinderklinik in der Wiener Neustadt.
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Mit der Diagnose, die Olivia dort nach einigen Untersuchungen bekommt, hätten Erika und Helmut nie gerechnet.
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Olivia hat Krebs.
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Genauer gesagt einen sogenannten Wilmstumor.
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Eine bestimmte Art von Nierenkrebs, der vor allem bei kleinen Kindern auftritt und sehr schnell wächst.
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Der Kinderarzt hat aber auch gute Nachrichten für Erika und Helmut.
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Wilmstumore sind gut behandelbar.
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Die Heilungschance liegt bei 95 Prozent, wenn der Krebs wie bei Olivia im Frühstadium entdeckt wird und so schnell wie möglich mit Operation und Chemotherapie behandelt wird.
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Dafür überweist der Kinderarzt Olivia in das St. Anna Kinderspital.
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Obwohl der Mediziner Optimismus vermitteln möchte, sorgen seine Worte dafür, dass Helmut in Tränen ausbricht.
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Er hört nur eins.
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Olivia hat Krebs.
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Und an Krebs sterben doch so viele Menschen.
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Was, wenn es auch seine kleine Tochter trifft, die noch ihr ganzes Leben vor sich hat.
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Das darf nicht sein.
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Also machen sich die Eltern mit Olivia auf den Weg ins Kinderspital.
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Die Flure dort sind mit Tierbildern dekoriert, damit sich die kleinen PatientInnen wohlfühlen.
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Als sie einige von den krebskranken Kindern, die hier behandelt werden, in ihren Betten liegen oder mit dem Dreirad über den Gang flitzen sehen,
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macht sich in Erika und Helmut ein beklemmendes Gefühl breit.
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Viele von den Kindern hier sind ganz schmal.
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Weil sie durch die starken Nebenwirkungen der Chemotherapie ihre Haare verloren haben, wirken ihre kahlen Köpfe seltsam überdimensioniert.
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Es reicht ein Blick, um zu wissen, diese Kinder sind schwer krank.
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Und sicherlich werden nicht alle von ihnen wieder gesund.
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Jetzt muss man dazu sagen, natürlich, wer schon mal auf einer Kinderkrebsstation war, das ist natürlich saubedrückend.
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Also das sind ja jetzt auch nicht nur kahle Köpfe, die man sieht.
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Also bei einigen Krebsarten, wie zum Beispiel bei Knochenkrebs, da muss man ja auch manchmal amputieren oder so.
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Ja, oder manche sind auch so schwach, dass die gar nicht nach draußen gehen können an die frische Luft,
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sodass, ja, das ist die einzige Möglichkeit ist, dass man sozusagen sie in ihrem ganzen Bett nach draußen fährt,
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dass die dann einmal ein bisschen frische Luft schnappen können und mal was anderes sehen als ihre eigenen vier Wände des Krankenhauszimmers.
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Ja, aber so bedrückend das aussehen mag, mir wurde mal gesagt, dass solange man immer noch auf diese Kinderstationen kann,
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vom Alter her sollte man das machen, weil die halt da eben mehr betreut werden
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und weil es denen da auch besser gehen soll, als jetzt mit Erwachsenen zusammen auf einer Station.
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Das glaube ich zu 100 Prozent.
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Auch schon alleine, weil Kinder einfach so das in sich haben, dass sie auch spielen wollen und irgendwie, ja, ihre Zeit so nutzen wollen.
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Das ist dann irgendwie anders als bei Erwachsenen, die sich dann vielleicht schon selber abgeschrieben haben
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oder dann nur wirklich total deprimiert sind, dass sie ihr Leben nicht so leben können.
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Und bei Kindern, wenn da ein bisschen Energie dann da ist, dann wollen die das auch ausleben.
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Und auf der Kinderstation kommen auch mal Fußballer vorbei oder so.
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Oder Mickey Maus und Minnie Maus.
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Ja, das finde ich cool. Das finde ich auch cool, wenn Leute in der Öffentlichkeit sowas machen.
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Weil das gibt denen ja so viel in dieser Zeit da.
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Also Olivia bleibt jetzt eben auf dieser Kinderstation und Erika bleibt mit ihr da.
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Helmut aber kehrt nach Hause zu Olivias Geschwistern zurück, die von Erikas Eltern betreut werden.
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Dort weint er heimlich in der Küche.
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Er kann nicht begreifen, warum ausgerechnet sein kleines Mädchen so ein Schicksal erleiden muss.
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Als der 29-jährige Elektrotechniker am nächsten Tag wieder ins Krankenhaus fährt, gibt er sich kämpferisch.
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Er wird stark sein für Olivia.
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Die 6-Jährige wird mehrfach untersucht, muss Blut- und Stuhlproben abgeben.
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Als alle Testergebnisse da sind, erläutern die Ärztinnen das Vorgehen.
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Die Behandlung beginnt mit 6 Wochen Chemotherapie.
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Dann wird der Tumor operativ entfernt und die Chemo zu Ende geführt.
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Helmut hat große Angst vor den möglichen schweren Nebenwirkungen der Chemo in Olivias kleinem Körper.
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Aber er lässt sich von den Ärztinnen überzeugen.
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Noch viel mehr Angst hat er nämlich vor dem, was passiert, wenn sie die Behandlung nicht bekommt.
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Denn eine Alternative dazu gäbe es nicht, machen die MedizinerInnen deutlich.
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Klar ist, bleibt der Tumor unbehandelt, wird Olivia sterben.
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An dem geplanten Behandlungsplan führe also kein Weg dran vorbei.
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Erika sieht das jedoch anders als die MedizinerInnen im Krankenhaus.
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Die 27-Jährige beschäftigt sich schon länger mit alternativen Heilmethoden.
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Denn sie selbst hat eine Schuppenflechte, die sie medizinisch nicht in den Griff bekommt.
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Als Erika vorschlägt, Olivia nicht im Krankenhaus behandeln zu lassen, ist Helmut entsetzt über den Vorschlag seiner Frau.
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Das erscheint ihm sehr gefährlich.
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Drei Tage nach Olivias Krebsdiagnose bekommt sie im Krankenhaus eine neue Bettnachbarin aufs Zimmer.
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Anna ist zwei Jahre älter als Olivia und wird seit einem Jahr wegen Knochenkrebs behandelt.
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Helmut erschrickt erneut, als er sieht, wie mager das Mädchen ist.
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Als er mitbekommt, dass Anna schon mehrfach operiert wurde, Knochen zum Teil durch Implantate ersetzt wurden und die aggressive Chemo die Schleimhäute in ihrem Mund und Darm schwer beschädigt hat, wird ihm Himmel Angst.
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Anna sieht nicht aus, als sei sie auf dem Weg der Heilung, sondern als sei es bald mit ihr vorbei.
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Nachdem ihr Vater Helmut dann auch noch sagt, dass die Chemo viel länger gedauert hat, als eigentlich vorgesehen, knickt Helmut ein.
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Das will er seiner Tochter nicht antun.
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So ein Martyrium hält doch kein Kind aus.
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Nein, vielleicht hat seine Frau doch recht.
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Und so gibt Helmut Erika das Go, doch nach alternativen Behandlungsmethoden zu suchen.
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Erika hat von ihrer Cousine die Adresse einer Wiener Kinderärztin bekommen.
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Die alternativen Heilmethoden ebenfalls zugeneigt ist.
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Die nennt den PLHs bei einem Termin dann einen Namen, den auch Erikas Cousine schon einmal erwähnt hat.
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In Deutschland gäbe es einen außergewöhnlichen Arzt, der Olivia bestimmt helfen könne.
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Und zwar ganz ohne Chemotherapie.
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Rieke Gerd Hamer
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Eine Woche nach Olivias Krebsdiagnose steigen Erika und Helmut mit ihr am Wiener Hauptbahnhof in einen Zug nach Köln.
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Dort angekommen, stehen die drei wenig später vor der angegebenen Adresse.
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Hinter der Hausfassade verbirgt sich im ersten Stock allerdings keine gewöhnliche Arztpraxis,
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in der die Farbe weiß dominiert, sondern die etwas chaotischen Räume des Verlags, den der Arzt betreibt.
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In den Ecken stehen Kartons herum, Bücher stapeln sich.
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Dr. Hamer fordert die PLHs auf, sich zu setzen.
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In ihrem pastellgelben Kleid nimmt Olivia auf einem dunklen Ledersessel vor dem großgewachsenen Mann mit den stechend blauen Augen und der markanten Nase Platz.
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Der 60-Jährige strahlt eine natürliche Autorität, eine gewisse Strenge, aber vor allem auch große Kompetenz aus.
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Qualitäten, die einem Arzt Seriosität verleihen.
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Der ruhige, freundliche Klang in seiner Stimme gibt ihm wiederum aber etwas Einfühlsames.
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Hamer begutachtet die CT-Bilder von Olivias Kopf, Bauchraum und Unterleib, die Erika und Helmut aus Wien mitgebracht haben mit einer Lupe.
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Nach einiger Zeit ist er sich sicher.
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Das Geschwür, das die Wiener Ärztinnen als Tumor identifiziert haben, ist eigentlich eine Zyste.
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Diese sei aufgrund eines sogenannten Wasserkonflikts gewachsen.
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Davon haben die PLHs noch nie gehört.
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Hamer erklärt es.
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Ein Wasserkonflikt entstehe, wenn eine Person ein Schockerlebnis in Verbindung mit einer Flüssigkeit erlebe.
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Ob Olivia so etwas widerfahren sei, will Hamer wissen.
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Erika und Helmut fällt spontan nichts ein.
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Sie müssen eine Weile überlegen, bis ihnen ein Vorfall, der vor langer Zeit passiert ist, in den Sinn kommt.
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Als Olivia eineinhalb Jahre alt war, saß sie einmal mit ihrer Tante in einem Schlauchboot auf einem Schwimmteich.
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Plötzlich bemerkte die Tante, dass das Boot wegen eines offenen Ventils Luft verlor.
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Es bestand keine Gefahr, aber die Tante erschrak sich und schrie.
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Weswegen sich die eineinhalbjährige Olivia möglicherweise ebenfalls erschrocken hat.
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An diese Szene erinnern sich Olivias Eltern.
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Könnte das etwa das Erlebnis sein, dass Olivias Wasserkonflikt ausgelöst hat?
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Ja, das ist durchaus möglich, zeigt sich Hamer überzeugt.
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Er erklärt aber auch, dass es unsinnig sei, die Zyste sofort zu entfernen.
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Seiner Ansicht nach könne man sie frühestens in neun Monaten operieren, wenn sie sich verfestigt habe.
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Doch selbst das sei nicht zwingend nötig.
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Wenn die Zyste nicht größer werde als eine Apfelsine, müsse man gar nichts unternehmen.
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Denn Olivia befinde sich ja noch im Wachstum.
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Daher würde die Zyste an der Niere im Verhältnis zu ihrer Körpergröße immer kleiner und unbedeutender werden.
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Außerdem stellt Hamer an Olivias Leber eine Zyste fest.
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Diese sei ausgelöst durch einen Verhungerungskonflikt.
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Ob Olivia etwa Probleme mit dem Essen habe, fragt er die beiden.
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Die Pilhas berichten, dass Erika seit ein paar Monaten wieder arbeitet und die Familie daher zu den Großeltern gezogen sei, um mehr Unterstützung zu haben.
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Statt Olivias Mama Erika kocht nun die Oma und oft gibt es das Gericht, das als Lieblingsspeise der ÖsterreicherInnen gilt.
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Olivia mag das allerdings gar nicht.
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Für Hamer liegt der Grund für die Leberzyste auf der Hand.
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Der Verhungerungskonflikt und die Zyste an ihrer Leber hätten sich entwickelt, weil Olivia das Essen der Oma ablehnt.
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Aber auch dafür hat Hamer eine Lösung.
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Erika soll ihren Job an den Nagel hängen und sich wieder ganz um ihre Kinder kümmern.
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Wenn Olivia nur mehr Zeit und Liebe von ihrer Mama bekomme, dann werde sie auch wieder gesund.
00:15:49
Ja, also wir sehen hier ganz deutlich, die Schuld für die Zyste liegt natürlich in der Frau, die statt zu Hause zu kochen arbeiten geht.
00:16:00
Was für Leid arbeitswillige Frauen über die Menschheit bringen, das ist schon großartig.
00:16:05
Ja, aber ich finde es auch gut, wie er das sozusagen einfach anhand dieser CT-Bilder alles erkennen kann, ohne sich das vielleicht mal das Material anzugucken.
00:16:15
Einfach sehen, ja, das ist eine Zyste, das ist kein Tumor, obwohl die anderen ÄrztInnen alle sagen, das ist ein Tumor.
00:16:20
Kann er sehen, nee, das ist eine Zyste, nur mit seiner Lupe.
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Er kann das auch alles alleine machen.
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Normalerweise hat man ja mehrere ÄrztInnen, die an so einer Diagnose beteiligt sind.
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Er kann das alleine mit einer Lupe.
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Für Erika steht es sofort außer Frage, dass sie ihren Job aufgibt.
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Hamas Worte beflügeln die Eltern richtiggehend.
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Kein Nierentumor, dafür eine Zyste, die vielleicht nicht mal operiert werden muss.
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Das sind so viel bessere Nachrichten und eine ganz andere Diagnose, als sie im Krankenhaus bekommen haben.
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Wie auf Wolke 7 schweben Erika und Helmut mit Olivia aus Hamas Büro.
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Anders als das Krankenhaus verlassen sie den Doktor mit einem guten Gefühl.
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Und er verlangt noch nicht einmal ein Honorar für Olivias Begutachtung.
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Die PLHs geben ihm trotzdem 300 Mark, immerhin hat er sich Zeit für sie genommen.
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Hamas nimmt das Geld aber nur unter der Bedingung an, dass sich Erika und Helmut vor der Heimreise mit Büchern und Kassetten über seine Heilmethode eindecken.
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Im Zug zurück nach Österreich beginnt Helmut, Hamas Veröffentlichung zu studieren.
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Und je mehr er liest, desto mehr faszinieren ihn dieser Mann und seine Lehren.
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Rieke Gerd Hamer kommt kurz vor dem Zweiten Weltkrieg in Nordrhein-Westfalen zur Welt.
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Er studiert Humanmedizin und evangelische Theologie, macht seinen Doktor und legt mit 37 Jahren die Facharztprüfung zum Internisten ab.
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Doch die Arbeit als Arzt reicht dem ambitionierten Mann nicht.
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Er macht sich auch daran, medizinische Geräte wie ein eigenes Skalpell, das laut seiner Aussage 20 Mal schärfer als eine Rasierklinge schneiden soll, oder eine elektrische Knochensäge auf den Markt zu bringen.
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Das gelingt mit der finanziellen Unterstützung von GläubigerInnen.
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Allerdings stellt sich bald heraus, dass Hamas Werkzeuge nicht besser, sondern schlechter sind als die, die bereits auf dem Markt sind.
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Weil immer mehr GläubigerInnen ihr Geld zurückfordern, setzt er sich 1978 mit seiner Frau Sigrid, die ebenfalls Ärztin ist, und den vier Kindern nach Italien ab.
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Dort ereignet sich wenig später eine Tragödie.
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Und was diese schreckliche Wendung des Schicksals nach sich zieht, kann zu diesem Zeitpunkt noch niemand ahnen.
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In einer Augustnacht 1978 im Hafen von Cavallo, einer Insel im Mittelmeer zwischen Sardinien und Korsika, kommt es im Jachthafen nämlich zu einem schrecklichen Unfall.
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Auf einem der Boote befindet sich Hamas Sohn Dirk.
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Der 19-jährige Student hat Semesterferien und die verbringt er auf dem Wasser.
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Zur gleichen Zeit genießt Victor Emmanuel von Savoyen, der letzte italienische Kronprinz, den Sommer auf der Insel.
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Prinz Victor ist sauer, weil er allem Anschein nach eine Gruppe junger Leute sein Schlauchboot geklaut hat.
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Er schießt in die Nacht.
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Eine Kugel zertrümmert das Fenster von Dirks Kajüte und bohrt sich in den Unterbauch des schlafenden 19-Jährigen.
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Das Geschoss verletzt die Hauptschlagader.
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Dirk verliert schnell viel Blut und es dauert lange, bis er von der Insel aufs französische Fest dann in eine Klinik kommt.
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Weil sich die Schusswunde derart infiziert hat, muss sein rechtes Bein amputiert werden.
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Zwei Wochen lang kämpft man im Marseilla Krankenhaus um Dirks Leben.
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Doch sein Vater Rieke Gerd Hamer, selbst Mediziner, findet Dirk in dem Krankenhaus nicht gut aufgehoben.
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Deshalb lässt Hamer seinen schwer verletzten Sohn nach Deutschland fliegen, obwohl ihm die Ärztinnen eindringlich davon abraten.
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Dirk sei zu schwach.
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Ein Transport in diesem Zustand könne schwerwiegende Folgen haben.
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Doch Hamer ist davon überzeugt, dass Dirk nur in Deutschland wieder gesund werden kann.
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Aber der 43-Jährige täuscht sich.
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Nach der Verlegung geht es seinem Sohn immer schlechter.
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Anfang Dezember, knapp vier Monate nachdem er angeschossen wurde, stirbt er in den Armen seines Vaters.
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Und sein Tod löst einen Dominoeffekt aus, der in den nächsten Jahrzehnten noch etlichen weiteren Menschen das Leben kosten wird.
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Für Rieke Gerd Hamer ist Dirks Tod die schwärzeste Stunde seines Lebens.
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Schlimmer, als wenn er selbst gestorben wäre, sagt er.
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Und als wäre dieser Schicksalsschlag nicht schlimm genug, folgt kurze Zeit später ein zweiter.
00:20:13
Bei Hamer wird Hodenkrebs diagnostiziert.
00:20:15
Aber die Prognose ist gut.
00:20:17
Der Tumor kann operativ entfernt werden und Hamer wird wieder gesund.
00:20:20
Für ihn ist jedoch klar, dass er so kurz nach dem tragischen Tod seines Sohnes an Krebs erkrankt, kann kein Zufall sein.
00:20:27
Im Kopf des Mediziners keimt ein Gedanke auf.
00:20:30
Was, wenn Krebs infolge einer psychischen Belastung entsteht?
00:20:33
Das könnte durchaus naheliegend sein, meint er und will es in seinem Arbeitsalltag überprüfen.
00:20:39
Zufälligerweise arbeitet er gerade auf einer Krebsstation.
00:20:42
So beginnt Hamer, die PatientInnen bei der Visite nach potenziellen psychischen Belastungen zu befragen.
00:20:48
In seinen Aufzeichnungen hält er fest, dass so gut wie jede Person von irgendeinem Problem berichten kann.
00:20:53
In der Beziehung, wegen einer Trennung, Differenzen mit der Mutter oder Schwiegermutter, Sexualkonflikte.
00:20:58
Weil ich auch nicht sicher weiß, ob man da den Filter setzen muss, die die Krebs haben.
00:21:03
Ja, also alle Personen, die ich kenne, haben irgendwelche psychischen Belastungen oder Probleme.
00:21:09
Ja, genau. Sie sprechen vielleicht nicht immer drüber, aber wenn man sie explizit danach fragt, wie der Hamer das da macht,
00:21:17
dann, denke ich, fällt jedem schon irgendwas ein auch.
00:21:20
Ja, und alles, was die PatientInnen Hamer berichten, protokolliert er.
00:21:24
Und irgendwann ist er überzeugt.
00:21:26
Die rund 300 Krankengeschichten, die er zusammengetragen hat und die alle zeigen,
00:21:30
dass sie KrebspatientInnen mit einer psychischen Belastung zu kämpfen haben, können nicht lügen.
00:21:34
Seiner Forschung zufolge gibt es einen ursächlichen Zusammenhang zwischen einer seelischen Belastung und einer Krebserkrankung.
00:21:41
In Erinnerung an seinen Sohn bezeichnet Hamer das als Dirk-Hamer-Syndrom.
00:21:46
Nach einigen Jahren seiner Forschung zieht er sein Fazit.
00:21:49
Das besagt, dass Krebs seinen Ursprung immer im Gehirn hat.
00:21:53
Laut ihm ist das mittels Computertomographie überprüfbar.
00:21:56
Hamer will auf den CT-Bildern vom Gehirn Stellen erkennen, die er als Auslöser für die Konflikte sieht und die er als Hamersche Herde bezeichnet.
00:22:04
Im jeweiligen Organ würde sich dann der Konflikt als Krebsgeschwürt zeigen.
00:22:08
Das vom Krebs betroffene Organ hat laut Hamer einen direkten Bezug zum persönlichen Konflikt.
00:22:13
So ist es für ihn logisch, dass er als Vater nach dem Verlust seines Kindes an Hodenkrebs erkrankt ist.
00:22:18
Ein Streit zwischen Mutter und Kind könne bei der Frau Brustkrebs hervorrufen.
00:22:23
Komplexer wird es, wenn eine Frau ihren Mann in Flagranti erwischt.
00:22:26
Je nachdem, was der Betrug in ihr auslöst, entwickelt sich laut Hamer eine andere Krebsart.
00:22:32
Wenn die Frau schockiert ist, dass ihr Mann mit einer anderen Frau Sex hat, könne das zu Gebärmutterhalskrebs führen.
00:22:37
Wenn es ihr weniger um die andere Frau als um ihren beeinträchtigten Selbstwert geht, könne sich das in Form von Knochenkrebs äußern.
00:22:44
Das muss man sich ein bisschen so bildlich vorstellen.
00:22:46
Gebrochener Selbstwert, man sackt in sich zusammen und Hamer überträgt das dann auf die Knochen, die brüchig werden.
00:22:52
Die Behandlung liegt für Hamer auf der Hand.
00:22:55
Sie ist immer gleich und bedarf keiner Operation oder Chemotherapie, sondern psychischer Arbeit.
00:23:01
Hamer sagt, Erkrankte könnten den Krebs nur besiegen, indem sie ihren Konflikt lösen.
00:23:05
Dass er mit seiner Theorie recht habe, erklärt er seinem Umfeld mit salbungsvollen Worten.
00:23:10
Im Traum sei ihm sein toter Sohn erschienen und habe ihn an seiner Denkweise bestätigt.
00:23:15
Diese postuliert Hamer nun als eiserne Regel des Krebses.
00:23:20
Auf dieser Basis forscht er weiter und entwickelt daraus die fünf biologischen Naturgesetze der germanischen neuen Medizin.
00:23:27
Und über die müssen wir jetzt mal ein bisschen ausführlicher sprechen.
00:23:31
Und man hat es ja gerade schon gemerkt bei den Beispielen, von denen du erzählt hast, das ist wirklich wild.
00:23:38
In dieser germanischen neuen Medizin, die Hamer entwickelt hat, gibt es fünf biologische Naturgesetze.
00:23:44
Die gelten laut Hamer nicht nur für Erkrankungen bei Menschen, sondern auch für Tiere und Pflanzen.
00:23:50
Und diese Gesetze besagen unter anderem, die Ursache nicht nur von Krebs, sondern von allen Krankheiten sind psychische Schockerlebnisse,
00:23:58
sobald ein Ereignis den Werten, Erfahrung oder Konditionierung eines Menschen widerspricht.
00:24:04
Und alle Infektionen sind psychosomatisch.
00:24:08
Bakterien und Viren sind laut Hamer nicht der Auslöser von Krankheiten,
00:24:12
sondern Heilungshelfer, die in der Regenerationsphase auftreten.
00:24:18
Außerdem sieht er Krankheiten als sinnvolle biologische Sonderprogramme,
00:24:22
als Zeichen einer positiven Reaktion des Körpers auf ein Schockerlebnis.
00:24:27
Also so eine Art Test für Menschen, wie gut sie mit Konflikten zurechtkommen.
00:24:32
Manche halt besser und andere schlechter.
00:24:34
Und die, die schlechter damit umgehen können, sterben halt dann eher.
00:24:37
Wörtlich sagt Hamer, Zitat,
00:24:40
Im Grunde können wir einen Konflikt auch als Test der Natur auffassen,
00:24:44
ob unser Organismus noch in der Lage ist, mit einem solchen Sonderprogramm fertig zu werden.
00:24:49
Bestehen wir den Test nicht, müssen wir unseren Platz freimachen
00:24:52
für einen anderen Artgenossen, der diesen Test bestehen kann.
00:24:57
Und ganz kurz, das klingt ja schon sehr nach einer Art Ausleseprogramm wie bei den Nazis.
00:25:01
Also bei denen hatte ja auch Gesundheit körperlich wie geistig einen hohen Stellenwert.
00:25:06
Da wurde der Wert eines Menschen daran gemessen, wie kräftig und gesund man ist.
00:25:10
Und deswegen waren ja auch Kranke oder Menschen mit Behinderung das sozusagen nicht wert,
00:25:15
in deren Augen zu überleben.
00:25:18
Und so haben die NationalsozialistInnen dann ja auch halt die Tötung von Menschen mit Behinderung gerechtfertigt.
00:25:25
Und Goebbels hat das damals ja auch so gesagt.
00:25:27
Wir müssen ein gesundes Volk besitzen, um uns in der Welt durchsetzen zu können.
00:25:32
Ja, und Hamer schwimmt nicht nur, was die Gesundheit angeht, mit den Nazis auf einer Wellenlänge.
00:25:37
Also er vertritt auch rassistische Theorien.
00:25:39
Karies zum Beispiel ist in seinen Augen ein Konflikt des Nicht-Zubeißen-Könnens,
00:25:44
der bei Kindern auftritt, wenn diese von älteren ausländischen MitschülerInnen eingeschüchtert werden.
00:25:51
Ja, okay, alles klar.
00:25:52
Hamer meint, Zitat,
00:25:54
in einer Heilungsphase regenerieren sich die Organe von selbst,
00:25:57
insofern der ursächliche psychische Konflikt verstanden und gelöst wurde.
00:26:01
Hamer hat für alle diese Konflikte, egal ob jetzt Karies oder Krebs,
00:26:07
Er nennt sie Konfliktolyse und sie funktioniert immer gleich.
00:26:10
Es geht immer darum, den Konflikt zu finden und aufzulösen.
00:26:14
Egal, wie schwer die Krankheit ist.
00:26:16
Es braucht keine Medikamente, keine Operationen, gar keinen Eingriff.
00:26:19
Das ist alles unnötig.
00:26:21
Nur die Psyche kann die körperliche Krankheit heilen.
00:26:24
So, und diese Theorie, die tut der auch 82 in der NDR Talkshow 3 nach 9 Kund.
00:26:30
Und mit dabei mit ihm ist ein Patient, und zwar aus Weizemelka, der an Lungenkrebs erkrankt war.
00:26:37
Und an einem Board hängen Röntgenaufnahmen, auf denen man den Humor deutlich am rechten Lungenflügel erkennen kann.
00:26:43
Und wir hören da jetzt einmal kurz rein, wie Hammer und sein Patient da von der angeblichen Heilung durch die germanische neue Medizin berichten.
00:26:52
Sie haben einen Konflikt gehabt, den Herr Dr. Hamer hier geschildert hat, mit einem Arbeitskollegen, mit einem Meister in Ihrem Unternehmen, der Sie sehr belastet hat.
00:27:04
Und dann ist der Meister ins Krankenhaus gekommen und Sie haben sich versöhnt.
00:27:08
Das war sicherlich dann aus der Sicht von Dr. Hamer die Lösung des Konfliktes.
00:27:12
Ja, das war der erste Schritt zu bessern.
00:27:14
Und das war direkt ein Wunder.
00:27:16
Ich muss sagen, es war direkt ein Wunder, dass er zufällig gerade mich rausgesucht hat.
00:27:21
Und ich muss sagen, ab der Zeit ging es mir doch besser.
00:27:24
Herr Dr. Hamer, Sie haben vielleicht noch kurz Gelegenheit, jetzt das letzte Röntgenbild zu zeigen.
00:27:30
Über den Zustand, Sie können ruhig dabei sitzen bleiben, über den Zustand.
00:27:33
Der Zustand hat sich also nun innerhalb von gut vier Wochen, also dramatisch gebessert.
00:27:40
Sie sehen hier, dass sich die Lunge wieder aufhält, ganz dramatisch.
00:27:44
Und hier ist sehr wenig noch zu sehen.
00:27:47
Die Lunge ist also so weit aufgehält, dass der Röntgenologe heute gesagt hat,
00:27:51
das habe ich in 20 Jahren Röntgen praktisch noch nicht ein einziges Mal erlebt.
00:27:55
Das gibt es doch gar nicht.
00:27:56
Hamer, Sie schwindeln mich ja an.
00:27:58
Ich habe gesagt, ich schwindel Sie nicht an.
00:27:59
Sie haben da den Befund des Stuttgarter Kollegen und des Dekants.
00:28:04
Also hier, das ist kein Schwindel, das ist Wahrheit.
00:28:06
Also ich bin keine Spezialistin für Röntgenbilder, aber diese Röntgenbilder, die die da zeigen,
00:28:13
die sehen jetzt nicht so aus, als könnte man die miteinander vergleichen.
00:28:16
Ja, also es sieht auf jeden Fall anders aus.
00:28:19
Und darüber hat dann die Sendung Panorama auch ein paar Monate später einen Beitrag gemacht.
00:28:24
Da sieht man auch Hamers Werbevideos und Patienten, die er behandelt hat.
00:28:27
Und da zeigen die eben auch diesen Ausschnitt.
00:28:29
Und der entsprechende Röntgenologe, der da eben zitiert wurde von Hamer, der sagt in dem Panorama-Beitrag,
00:28:36
also der Befund ist immer noch vorhanden und es gab drei Bilder und er war nur auf den beiden korrekt belichteten Aufnahmen zu sehen
00:28:44
und nicht auf der überbelichteten Aufnahme.
00:28:47
Also das Bild, was er zeigt, ist die überbelichtete Aufnahme.
00:28:50
Und er würde ihn bitten, nur die ersten beiden in der Talkshow zu zeigen.
00:28:55
Das hat er gesagt.
00:28:56
Von solchen Falschzitierungen gibt es noch ein paar.
00:29:00
Also es gab danach ein paar Ärztinnen, die sich dann an Magazine und an Stern und Schießmichtod gewendet haben und gesagt haben,
00:29:07
also das habe ich garantiert so nicht gesagt.
00:29:10
Eine Ärztin hat dann auch gesagt, das ist ein Spinner.
00:29:13
Also was der mir da unterstellt, was er gesagt haben soll.
00:29:15
Am Ende stirbt Oswald Zemelka trotz der germanischen neuen Medizin an dem Lungenkrebs.
00:29:22
Neben diesem Lösen des Konflikts, wie das jetzt auch der Oswald ja gemacht hatte mit seinem Arbeitskollegen,
00:29:29
gibt es aber noch andere Sachen, die man unterstützend machen kann laut Hamer, damit man geheilt wird.
00:29:36
Er hat nämlich zum Beispiel selbst ein Lied komponiert und eingesungen und in diesem Lied geht es um seine Frau
00:29:42
und das heißt Mein Studentenmädchen.
00:29:45
Und die Melodie dieses Liedes, die ist angelehnt an die urachalische Zaubermelodie des germanischen Gottes Wodan
00:29:52
und kann laut Hamer wegen seiner Frequenz wunderheilend wirken, wenn man sich das nur anhört.
00:29:58
Wunderheilend, ja.
00:30:00
Deswegen hören wir uns das jetzt auch mal an.
00:30:01
Weiß nicht, wie es dir geht, aber ich fühle mich jetzt krank.
00:30:25
Schön und heilend wirkte das jetzt nicht auf mich.
00:30:28
Es wirkte eher irritierend auf mich.
00:30:30
Aber nach Hamers Lehre hat er ja immer recht.
00:30:33
Wenn jemand wieder gesund wird, sagt er, ja klar, habe ich ja behandelt.
00:30:37
Und wenn die Person aber stirbt, sagt er, ja, dann hat sie halt ihren Konflikt nicht gelöst und den Test dann eben nicht bestanden.
00:30:45
Allerdings, und das ist jetzt ganz wichtig, gibt es für diese ganzen Behauptungen überhaupt gar keine Belege.
00:30:50
Die Deutsche Krebsgesellschaft wertet die germanische neue Medizin in einer öffentlichen Stellungnahme als eine Zitat
00:30:57
Denn es gibt mehrere Studien, die den kausalen Zusammenhang zwischen psychischer Belastung und Krebs untersucht haben und die alle zu dem Schluss gekommen sind,
00:31:25
Und dass einschneidende Lebensereignisse wie jetzt der Verlust von nahestehenden Personen oder des Jobs, aber auch psychische Erkrankungen wie Depressionen nicht mit einem erhöhten Krebsrisiko einhergehen.
00:31:37
Hamer ist davon jedoch überzeugt.
00:31:40
Und mit dieser Logik erklärt er auch einen weiteren Todesfall in seiner Familie.
00:31:43
Sieben Jahre nach seinem Sohn Dirk stirbt Hamers krebskranke Ehefrau Sigrid an einem Herzinfarkt.
00:31:48
So tragisch dieser Verlust für Hamer ist, er sieht auch darin eine Bestätigung seiner Theorie.
00:31:54
Sein System stimme immer.
00:31:56
Wenn ein Patient oder eine Patientin den Konflikt nicht lösen könne und deshalb sterbe, entspreche das exakt den Regeln der germanischen neuen Medizin.
00:32:04
Der Herzinfarkt, den seine Frau erlitten habe, während ihr Krebs bereits am Heilen gewesen sei, sei ein Test gewesen, ob sie den inneren Konflikt, der ihren Krebs verursacht habe, tatsächlich gelöst habe.
00:32:15
Also, ich dachte, das andere ist schon der Test.
00:32:22
Und die Frau muss jetzt dann nochmal einen Test bestehen, obwohl sie den Test ja eigentlich schon bestanden hat, weil der Krebs schon am Heilen war.
00:32:32
Ja, du Mann legt sich das zurecht, wie man das haben will.
00:32:36
Mit seinen Erkenntnissen will Hamer damals Karriere in der Wissenschaft machen.
00:32:40
Dafür reicht er eine Habilitationsschrift über das Hamer-Syndrom und die eiserne Regel des Krebses an der Uni Tübingen ein.
00:32:47
Die lehnt die Arbeit jedoch ab.
00:32:49
Die Begründung, fehlende Belege für seine Theorie und mangelnde Wissenschaftlichkeit.
00:32:53
Hamer ist trotzdem von der Richtigkeit seiner Thesen überzeugt.
00:32:56
Mit dieser Einstellung geht er auf Patientinnen-Empfang.
00:32:59
Das fällt ihm nicht schwer, denn er weiß, dass viele Menschen, die eine Krebsdiagnose erhalten, sich an jeden Strohhalm klammern.
00:33:05
Außerdem kommt ihm sein Auftreten zugute.
00:33:08
Als großer, massiger Mann wirkt er zugleich väterlich liebevoll, aber auch autoritär.
00:33:12
Außerdem ist er extrem charismatisch und schafft es mühelos, Menschen von seiner alternativen Krebstherapie zu überzeugen.
00:33:19
Und das macht er in den nächsten Jahren an verschiedenen Orten in Deutschland und Österreich.
00:33:24
Weil Hamer keine kassenärztliche Zulassung hat, eröffnet er Privatkliniken, denen er Namen wie Rosenhof und Damersmoor gibt und für die er keine Genehmigung einholt.
00:33:34
Doch die Menschen kommen trotzdem.
00:33:36
Zu verlockend ist sein Versprechen, das gefährliche Monster Krebs durch das Lösen von psychischen Konflikten heilen zu können.
00:33:42
Doch Hamers illegal eröffnete Privatkliniken rufen nicht nur Heilsuchende, sondern auch die Behörden auf den Plan.
00:33:49
Als sie herausfinden, welche kruden Behandlungsmethoden Hamer anwendet, entzieht ihm die Bezirksregierung 1986 die Approbation.
00:33:58
Hamer darf nun nicht mehr als Arzt praktizieren.
00:34:00
Das will er nicht zulassen und zieht vor das Verwaltungsgericht.
00:34:03
Das lehnt seine Klage jedoch ab.
00:34:05
Auf Basis zweier psychiatrischer Gutachten, die ihm unter anderem einen Wahn bescheinigen,
00:34:09
attestiert ihm das Gericht eine Schwäche der geistigen Kräfte,
00:34:13
eine ungeeignete psychopathologische Persönlichkeitsstruktur und mangelnde Einsichtsfähigkeit.
00:34:19
Deshalb sei er nicht mehr zu einer gewissenhaften ärztlichen Arbeit in der Lage.
00:34:23
Außerdem muss er seine illegal eröffneten Privatkliniken schließen.
00:34:27
Von dem Berufsverbot lässt sich Hamer jedoch nicht abhalten, weiter zu praktizieren.
00:34:31
Offiziell zwar nicht mehr als Arzt, sondern als Berater.
00:34:34
Den Doktortitel von der Uni benutzt er aber nach wie vor.
00:34:37
Seine Erfolgsquote ist allerdings mäßig.
00:34:40
Medienberichten zufolge überlebten von 50 Krebspatientinnen,
00:34:44
die zur Behandlung zu Hamer kamen und deren Schicksal deutsche Behörden überprüften, nur sieben.
00:34:49
Einer davon ist Tommy.
00:34:50
Der 18-jährige Schüler aus Hamburg lag 1989 seit Monaten über Schmerzen im Knie.
00:34:56
Die Diagnose der Ärztinnen ist eindeutig.
00:35:00
Doch statt sich einer kräftezehrenden und langwierigen Behandlung im Krankenhaus zu unterziehen,
00:35:05
vertraut Tommy seinem Onkel.
00:35:07
Der empfiehlt dem 18-Jährigen, sich an Dr. Hamer in Köln zu wenden.
00:35:11
Der weiß sofort, was zu tun ist.
00:35:13
Das Bein muss eingegipst werden, damit das, was im Krankenhaus als Tumor erkannt wurde,
00:35:19
Ansonsten bestehe kein Grund zur Sorge.
00:35:22
In sechs Wochen bist du geheilt, sagt Hamer dem jungen Mann.
00:35:25
Doch es kommt anders.
00:35:26
Der Tumor verkalkt nicht, sondern nagt weiter an den Knochen.
00:35:29
Tommy weiß das zu diesem Zeitpunkt nicht.
00:35:31
Er stöhnt nur unter den quälenden Schmerzen in seinem Bein, die immer stärker werden.
00:35:35
Letztlich geht er doch in die Hamburger Uniklinik.
00:35:38
Dort stellen die Ärztinnen fest, dass nur noch eine OP den Schüler retten kann,
00:35:42
bei der sein vom Krebs zerfressenes Bein abgenommen wird.
00:35:46
zehn Wochen Chemotherapie folgen, bis Tommy endlich krebsfrei ist.
00:35:49
Hamer wird in diesem Fall angeklagt.
00:35:52
Vor dem Kölner Landgericht muss er sich wegen Verstoßes gegen das Heilpraktikergesetz verantworten.
00:35:57
Denn er ist nach dem Entzug seiner Approbation, der ärztlichen Berufserlaubnis,
00:36:01
nicht dazu berechtigt, Heilkunde auszuüben.
00:36:04
Er tat es aber trotzdem und brachte Tommy dadurch in große Gefahr.
00:36:07
Auf der Anklagebank gibt der 54-Jährige allerdings vor, sich keiner Schuld bewusst zu sein.
00:36:13
Mit dem Gips habe er nur erste Hilfe geleistet.
00:36:16
Seine plumpen Versuche, sich herauszureden, helfen Hammer nichts.
00:36:20
Er wird zu vier Monaten Haft verurteilt, aber nur auf Bewährung.
00:36:23
Und so hindert ihn nichts daran, weiterhin Patientinnen zu beraten.
00:36:28
Damit hat er sich in den vergangenen Jahren in Kreisen, die auf alternative Heilmethoden setzen,
00:36:33
schon einen guten Ruf erarbeitet.
00:36:35
So gut, dass nach und nach auch andere Ärztinnen in Deutschland und Österreich
00:36:39
ihre Patientinnen mit Hamers Methoden behandeln.
00:36:43
Über diese Mund-zu-Mund-Propaganda landen 1995 schließlich auch Olivias Eltern bei ihm.
00:36:48
Als sie nach dem Termin in Köln wieder zu Hause in Österreich sind,
00:36:52
ist nicht nur Erika begeistert von Hamers Art der Therapie, sondern auch Helmut.
00:36:56
Wie ein Schwamm hat er sämtliche Informationen über Hammer und seine germanische neue Medizin aufgesaugt.
00:37:02
Nun ist er sich sicher, dieser Mann ist ein Entdecker, ein Pionier auf seinem Gebiet.
00:37:07
Er denkt in eine Richtung, die bisher nicht gesehen wurde und die die Medizin von Grund auf revolutionieren wird.
00:37:13
Dass Hamers Theorie von anderen MedizinerInnen nicht akzeptiert wird, bedauert Helmut.
00:37:18
Aber anscheinend ist der Konkurrenzkampf groß und die anderen MedizinerInnen neidisch,
00:37:23
dass Hamer allein solch bahnbrechende Thesen entwickelt hat, überlegt sich Helmut.
00:37:27
Dabei müsste Hamer noch viel mehr Gehör finden, findet er.
00:37:32
Denn anders als diese aggressiven Chemotherapien können seine Maßnahmen Menschen wirklich wieder gesund machen.
00:37:37
Zumindest ist Helmut davon felsenfest überzeugt.
00:37:42
Deshalb kehren er und Erika nun dem Kinderspital in Wien den Rücken.
00:37:45
Niemals soll Olivia wieder einen Fuß in die Kinderkrebsstation setzen müssen.
00:37:50
Von all dem Elend, das sie dort sehen müsste, würde sie nur noch kränker werden.
00:37:54
Die Pielhars beherzigen stattdessen Hamers Rat.
00:37:57
Erika kündigt ihre Stelle als Handarbeitslehrerin, um ganz für ihre Tochter da zu sein.
00:38:01
So wollen sie Olivias vermeintliche Leberzüste, die Hamer entdeckt hat, bekämpfen.
00:38:06
Auch was die Geschwulst an ihrer Niere angeht, vertrauen Erika und Helmut Pielhaar auf den Kölner Wunderheiler.
00:38:12
Demnach müssen sie davor erst gar nichts unternehmen.
00:38:14
Genau das halten die ÄrztInnen im Kinderspital aber für gefährlich.
00:38:19
Vier Tage nachdem Erika und Helmut das Kinderkrebszentrum mit Olivia verlassen haben, klingelt das Telefon der Pielhars.
00:38:24
Am anderen Ende der Arzt aus der Klinik.
00:38:27
Mit eindringlichen Worten macht der Mediziner Helmut klar, dass Olivia dringend behandelt werden muss.
00:38:32
Das Mädchen brauche eine Chemo und eine OP, um den Krebs in ihrem Bauch zu bekämpfen.
00:38:36
Nur so könne Olivia überleben.
00:38:39
Helmut will das nicht hören.
00:38:40
Die Chemo ist in seinen Augen brandgefährlich.
00:38:42
Die Nebenwirkungen würden in Olivias Körper schweren Schaden anrichten.
00:38:46
Wer weiß, ob sie dadurch nicht sogar unfruchtbar wird.
00:38:48
Die Behandlung kommt für ihn auf gar keinen Fall in Frage.
00:38:51
Aber er weiß, dass er mit dem Mediziner darüber nicht zu diskutieren braucht.
00:38:55
Er will einfach seine Ruhe vor dem Gott in Weiß.
00:38:57
Um ihn zu beschwichtigen, entscheidet sich Helmut für eine Lüge.
00:39:00
Er behauptet, er und seine Frau hätten entschieden, Olivia in einem anderen Krankenhaus behandeln zu lassen.
00:39:05
Dort würden die ÄrztInnen von einer sofortigen Chemo abraten.
00:39:09
Welches Krankenhaus das denn sei, will der Mediziner aus dem St. Anna-Spital wissen.
00:39:14
Den Namen möchte Helmut geheim halten.
00:39:17
Er merkt aber selbst, dass der Arzt misstrauisch wird.
00:39:20
Dann sagt der etwas, womit Helmut gar nicht gerechnet hat.
00:39:23
Er mutmaßt, ob die Pilhas mit Olivia Rath bei einem gewissen Dr. Hamer gesucht haben.
00:39:29
Warum der Arzt ausgerechnet auf ihn kommt, kann sich Helmut nicht erklären.
00:39:33
Er weiß jetzt aber, dass Erika und er wachsam sein müssen.
00:39:36
Vor allem, weil der Arzt deutlich macht, dass er rechtliche Schritte einleiten werde,
00:39:40
wenn Olivia nicht fachgerecht behandelt werde.
00:39:42
Der Sechsjährigen geht es in den darauffolgenden Tagen schlechter.
00:39:46
Immer wieder klagt sie über Kopf- und Bauchweh.
00:39:49
Ab und zu hat sie Fieber.
00:39:50
Dann trösten Erika und Helmut ihre Tochter zwar und geben ihr homöopathische Mittel,
00:39:54
aber Olivias Klagen über die Schmerzen versetzen die Eltern nicht in Panik.
00:39:58
Denn Hamer hat ihnen erklärt, was es mit den Schmerzen auf sich hat.
00:40:01
Laut seiner Lehre sind die nicht nur normal, sondern sogar ein Zeichen dafür,
00:40:05
dass der Heilungsprozess begonnen hat.
00:40:07
Dasselbe gelte für Blutungen und Eiter.
00:40:10
Doch die Ärzte in Wien lassen nicht locker.
00:40:20
In den nächsten Tagen erhalten die PLHS weitere Anrufe.
00:40:24
Sowohl vom Leiter des Kinderspitals, als auch von dem Arzt, der den Tumor als erster diagnostiziert hat.
00:40:29
Sie fordern Helmut dazu auf, seine Tochter schnellstmöglich zurück ins Krankenhaus zu bringen,
00:40:34
um ihr die dringend nötige Krebstherapie zu ermöglichen.
00:40:37
Sollten er und seine Frau Olivia die Behandlung verwehren und sie so willentlich in Lebensgefahr bringen,
00:40:42
werde man sich nicht scheuen, rechtliche Schritte gegen sie einzuleiten.
00:40:45
Schließlich könnten die Eltern wirklich an einen Kurfuscher geraten sein,
00:40:49
der mit ihrem Vertrauen in Olivias Leben spielt.
00:40:52
Und man werde sicherlich nicht tatenlos zuschauen, wie die Eltern ihre Tochter sterben lassen.
00:40:57
Doch je mehr die MedizinerInnen reden, desto mehr verfestigt sich in Helmuts Kopf ein Gedanke.
00:41:02
Sein Mädchen darf auf keinen Fall in dieses Krankenhaus zurückkehren.
00:41:06
Es wäre Irrsinn, wenn ihr Kind zu Tode therapiert werden würde, wo es sich doch auf dem Wege der Heilung befindet.
00:41:12
So hat es ihnen Hamer erklärt.
00:41:14
Das Misstrauen der PLHS gegenüber dem Kinderspital schlägt langsam in Panik um.
00:41:19
Was, wenn die ÄrztInnen ihre Drohungen wahr machen und auf einmal wirklich das Jugendamt vor der Tür steht?
00:41:25
Mit diesem Gedanken fühlen sich Erika und Helmut in ihren eigenen vier Wänden nicht mehr sicher.
00:41:29
Bestimmt wird ihr Telefon, mit dem sie immer wieder Kontakt zu Hamer aufnehmen, auch abgehört.
00:41:33
Also schmieden sie einen Plan.
00:41:35
Damit Olivia in Ruhe gesund werden kann, wollen sie untertauchen.
00:41:38
Ein Tag später klingelt es bei den Pilats an der Haustür.
00:41:42
An der Schwelle steht ein Mann, der sich als Mitarbeiter des Jugendamtes vorstellt.
00:41:46
Helmut ist entsetzt.
00:41:47
Die ÄrztInnen haben ihre Drohungen also wahrgemacht.
00:41:50
Der Mann will den Namen des Arztes wissen, der Olivia behandelt.
00:41:53
Doch Helmut bleibt stur.
00:41:55
Auf keinen Fall wird er Hamers Namen nennen.
00:41:57
Auch nicht, als er erfährt, dass, wenn er sich weiterhin weigert,
00:42:00
das Bezirksgericht Erika und ihm ansonsten das Sorgerecht für Olivia entziehen wird
00:42:04
und das Mädchen dann gegen den Willen der Eltern im Kinderspital behandelt wird.
00:42:07
Als Helmut das hört, wird ihm klar, die, Zitat, Schergen der Mächtigen sind ihnen dicht auf den Fersen.
00:42:14
Er und seine Familie müssen ihnen immer einen Schritt voraus sein.
00:42:17
Nur so kann Olivia heilen, meint der 29-Jährige.
00:42:20
Und so entwirft er gemeinsam mit Erika einen Plan, der lebensgefährlich wird.
00:42:25
Am Mittwoch, den 14. Juni, knapp einen Monat nach Olivias Krebsdiagnose,
00:42:31
verladen Helmut und Erika mehrere Gepäckstücke in den Kofferraum ihres Autos.
00:42:35
Olivia und ihre Geschwister klettern auf die Rückbank und dann geht's auch schon los in den Urlaub.
00:42:41
So erzählen es Helmut und Erika ihren Kindern, um sie nicht zu verunsichern.
00:42:45
Dabei ist ihnen der Ernst der Lage eindeutig bewusst.
00:42:47
Wenn die Familie zu Hause in Niederösterreich bleibt, wird es nicht mehr lange dauern, bis ihnen Olivia weggenommen wird.
00:42:53
Daher tauchen alle fünf nun unter.
00:42:55
Ihr Ziel ist Kärnten.
00:42:57
Dort lebt Erikas Cousine, die damals empfohlen hat, Olivia einen Termin bei Hamer zu besorgen.
00:43:02
Auf ihrem Hof bemühen sich die Pilhars um einen normalen Alltag für ihre Kinder.
00:43:06
Das, glauben sie, ist das Beste, damit auch Olivia die Konflikte, die Hamer ihr diagnostiziert hat, lösen kann.
00:43:12
Außerdem wendet sich Helmut an die Medien, um auf das Schicksal seiner Familie aufmerksam zu machen.
00:43:17
Er will seinem Ärger über das Krankenhaus und die Behörden Luft machen.
00:43:21
Er möchte es in die Welt hinausschreien, wie ungerecht seine Familie behandelt wird.
00:43:25
Dass Erika und er einfach nur das Beste für Olivia wollen und dass eine Chemo das ganz sicher nicht ist.
00:43:32
Und so erfährt nun auch die Öffentlichkeit von Olivias Schicksal.
00:43:36
Wenig später erhalten die Pilhars einen Anruf aus der Heimat.
00:43:39
Erikas Mutter berichtet ihnen, dass Polizei und Jugendamt da gewesen seien, um Olivia abzuholen.
00:43:44
Sie hatten ein Schreiben vom Gericht dabei, dass Erika und Helmut das Sorgerecht für Olivia aberkennt und eine sofortige Krebstherapie anordnet.
00:43:52
Helmut ist geschockt.
00:43:54
Er fragt sich, in welcher Gesellschaft es erlaubt ist, dogmatisch und mit Polizeigewalt gegen Eltern und Kinder vorzugehen.
00:44:00
Ihm ist klar, dass sie bei Erikas Cousine nicht mehr sicher sind.
00:44:04
Bestimmt werden sie in ganz Österreich gesucht.
00:44:06
Die Pilhars fackeln nicht lange.
00:44:08
Sie müssen weiter.
00:44:09
Über Deutschland fahren sie in die Schweiz, weit weg von den österreichischen Behörden.
00:44:13
Doch nicht nur die österreichische Justiz bereitet Helmut und Erika Sorgen, sondern auch Olivia.
00:44:19
Es vergeht kaum ein Tag, an dem sie nicht über Schmerzen in ihrem kleinen Körper klagt.
00:44:23
Der Bauch, der Kopf, mal brennen die Augen, dann hat sie keinen Appetit und ihre Stirn glüht.
00:44:28
Am schlimmsten ist für Helmut jedoch, wie sich der Bauch seiner Tochter verändert.
00:44:32
Gefühlt wird er von Tag zu Tag größer.
00:44:34
In der Hoffnung, die Schwellung damit zu verringern, legen sie immer wieder Kohlblätter und Heilerde auf Olivias Bauch.
00:44:42
Weise, ohne Erfolg.
00:44:44
Als sie Hammer um Rat fragen, findet er wieder einmal Worte, die beruhigend auf Helmut und Erika wirken.
00:44:49
Die Schwellung unterhalb der Rippen sei ein Zeichen für den Heilungsprozess.
00:44:52
Olivia sei auf dem richtigen Weg.
00:44:55
Als Helmut dann auch noch von einem Freund erfährt, dass die Staatsanwaltschaft im Fall von Olivia wegen Kindesmisshandlung und Entführung ermittle und inzwischen auch Interpol eingeschaltet sei, ist er der Verzweiflung nahe.
00:45:06
Wie soll Olivia denn je gesund werden, wenn sie wie Hasen gejagt werden?
00:45:10
Helmut nimmt Kontakt mit Hammer auf.
00:45:12
Der befindet sich momentan in Spanien und sagt ihm, auch Helmut solle mit seiner Familie dorthin reisen.
00:45:18
In Malaga gäbe es drei Ärzte, die Olivia entsprechend der Germanischen neuen Medizin behandeln würden.
00:45:23
Im Idealfall bucht Helmut noch heute einen Flug.
00:45:26
Und das lässt er sich nicht zweimal sagen.
00:45:28
Schon am nächsten Tag landen Helmut und Erika mit Olivia und ihren Geschwistern in Malaga.
00:45:34
Während Olivias Geschwister herumtollen, tapst die Sechsjährige langsam an der Hand ihrer Mutter.
00:45:38
Es ist ein grotesker Anblick.
00:45:41
Das kleine, magere Mädchen, dessen Rücken ein Hohlkreuz formt und dessen Bauch so gewaltig aussieht wie der einer hochschwangeren Frau.
00:45:47
Das kann auch ihre weitgeschnittene Latzhose nicht verbergen.
00:45:51
Der Tumor in ihrem Bauch ist inzwischen fast so groß wie ein Fußball.
00:45:55
Als die Familie am Flughafen von Hamer empfangen wird, ist Helmut erleichtert.
00:46:00
Jetzt wird alles gut.
00:46:01
Gemeinsam machen sie sich auf den Weg zum Hotel Las Vegas, in dem Hamer nicht nur für sich, sondern auch für die Pilhars Zimmer gebucht hat.
00:46:08
Mit einem Pool um die Ecke und dem Meer vor der Tür.
00:46:11
Und Fernsehkameras vor der Nase.
00:46:13
Denn die Medien, die Helmut noch in Österreich selbst informiert hat, verfolgen Olivias Schicksal nun weiter.
00:46:19
Allerdings rufen die Fernsehbeiträge auch die auf den Plan, von denen die Pilhars seit Wochen fliehen.
00:46:24
Die Strafverfolgungsbehörden.
00:46:26
Und so geschieht nur einen Tag nach der Ankunft in Malaga das, was Helmut am meisten befürchtet.
00:46:32
Als er abends in die Lobby geht, um zu telefonieren, fallen ihm zwei Männer auf, die sich mit dem Portier unterhalten und dabei mehrmals in seine Richtung zeigen.
00:46:39
Helmut wird misstrauisch, doch es ist zu spät, um zu verschwinden.
00:46:43
Schon stehen die Männer vor ihm und zücken ihre Ausweise.
00:46:47
Dann sagen sie ihm, dass er und seine Frau vorläufig festgenommen sind.
00:46:51
Allerdings dürfen sie im Hotel bleiben.
00:46:54
In den nächsten Tagen ermitteln dann sowohl die spanischen als auch die österreichischen Behörden.
00:46:58
Doch oberste Priorität hat Olivia.
00:47:01
Ihr geht es immer schlechter.
00:47:03
Der Tumor drückt auf ihre Organe und nimmt ihnen den Platz, um richtig zu arbeiten.
00:47:07
Die Sechsjährige bringt kaum noch ein bisschen runter.
00:47:10
Auch das Atmen fällt ihr zunehmend schwer und sie hechelt wie ein Hund.
00:47:13
Selbst zum Schreien ist sie zu schwach.
00:47:15
Mehr als wimmern kann sie nicht mehr.
00:47:17
Der kleine Körper ist viel zu erschöpft.
00:47:19
Olivia muss dringend behandelt werden.
00:47:21
Weil Helmut und Erika aber keinesfalls nach Wien zurückkehren wollen
00:47:24
und die österreichischen Behörden sie zugleich nicht mit Polizeigewalt dazu zwingen wollen,
00:47:29
macht der Leiter des Wiener Kinderspitals einen anderen Vorschlag.
00:47:32
Olivia kann auch im Krankenhaus in Malaga behandelt werden.
00:47:35
Hauptsache, sie bekommt endlich die Hilfe, die sie braucht.
00:47:38
Wenn das überhaupt noch geht.
00:47:40
Denn weil der Tumor so massiv gewachsen ist,
00:47:42
schätzen die Ärztinnen Olivias Überlebenschance nur noch auf 10 Prozent.
00:47:46
Während Olivia also ins Krankenhaus in Malaga eingeliefert wird,
00:47:49
wo man ebenfalls meint, eine Chemo sei unumgänglich,
00:47:52
können die Pilhars kaum noch einen Fuß vor die Tür ihres Hotelzimmers setzen,
00:47:56
ohne belagert zu werden.
00:47:57
Immer mehr Journalistinnen und PressevertreterInnen tummeln sich in der Hotellobby
00:48:01
und versuchen von ihnen und Hamer ein Interview zu bekommen.
00:48:04
Weil ihnen der Medienrummel schließlich über den Kopf wächst,
00:48:07
lassen sie sich doch umstimmen.
00:48:09
Sie willigen in eine Rückkehr in ihre Heimat ein.
00:48:11
Dafür fahren die österreichischen Behörden das große Besteck auf.
00:48:15
Im Auto des Konsuls werden die Pilhars zum Flughafen gebracht
00:48:18
und steigen wenig später in eine Maschine der österreichischen Flugambulanz.
00:48:21
Währenddessen setzt sich Hamer dafür ein,
00:48:24
dass Olivia in Österreich weiter nach seiner Lehre behandelt wird.
00:48:27
Denn die Pilhars sind immer noch strikt gegen eine Chemotherapie.
00:48:31
Olivia kommt ins nächste Krankenhaus.
00:48:33
Als Helmut sie dort am nächsten Tag besucht, trifft ihn fast der Schlag.
00:48:37
Ein Infusionsschlauch führt in Olivias kleinen Handrücken und pumpt ihr eine durchsichtige Flüssigkeit in die Adern.
00:48:44
Wer weiß, was ihr dadurch eingeflößt wird.
00:48:46
Helmut ist außer sich vor Zorn.
00:48:48
Ihn beschwichtigt auch die Erklärung nicht, dass Olivia völlig untererinnert sei,
00:48:52
große Schmerzen habe und die Medikamente daher unerlässlich seien.
00:48:55
Auf einmal fällt es ihm wie Schuppen von den Augen.
00:48:58
Er und Erika wurden hinters Licht geführt.
00:49:01
Sie hatten geglaubt, Olivia könne nach Hamers Lehre gesund werden.
00:49:05
Dabei hatte man sie nur ins Krankenhaus gelockt, um ihr endlich eine Chemo zu verabreichen.
00:49:09
Aber so sehr Helmut auch tobt, es ändert nichts.
00:49:12
Nachdem ihm und Erika das Sorgerecht für Olivia entzogen wurde,
00:49:16
haben sie kein Mitspracherecht mehr bei der Behandlung ihrer Tochter.
00:49:19
Es gibt nur zwei Möglichkeiten.
00:49:21
Entweder fügen sie sich und sind für ihre Tochter da,
00:49:23
oder sie verlassen das Krankenhaus.
00:49:26
Egal wie sie sich entscheiden, Olivia fängt die Chemo an
00:49:29
und wird so bald wie möglich operiert.
00:49:31
Ansonsten wird sie der Krebs in den nächsten Tagen töten.
00:49:34
Als Helmut und Erika erkennen, dass ihr Widerstand zwecklos ist,
00:49:38
akzeptieren sie die Maßnahmen, die die Ärztinnen ankündigen,
00:49:41
wenn auch widerwillig.
00:49:42
Trotzdem will Helmut nicht kampflos aufgeben.
00:49:45
In einem Brief an den Bundespräsidenten schreibt er,
00:49:47
für eine nochmalige Flucht sind wir zu müde.
00:49:50
Olivia bräuchte ärztliche Kontrolle.
00:49:52
Nun habe ich mich zum letzten Schritt im Kampf um das Leben meiner Tochter Olivia entschlossen.
00:49:56
Ich trete hiermit in den Hungerstreik.
00:49:59
Wir verweigern jede Art der Chemotherapie und fordern für unsere Tochter eine Therapie
00:50:03
entsprechend der neuen Medizin unter Leitung des Dr. Hamer.
00:50:07
Seine kruden Botschaften verhallen jedoch ungehört.
00:50:10
Und international hofft eine breite Öffentlichkeit, dass nun endlich das geschieht,
00:50:14
was schon vor zwei Monaten hätte geschehen sollen.
00:50:16
Dass die Chemo anschlägt und den Tumor so verkleinert,
00:50:19
dass er operiert und dadurch Olivias Leben gerettet werden kann.
00:50:23
Doch Worte der Hoffnung will inzwischen niemand mehr laut aussprechen.
00:50:26
Zu gewaltig ist das Geschwür in ihrem Bauch geworden.
00:50:28
Zu lange blockierte die Sturheit ihrer Eltern die medizinische Behandlung.
00:50:32
Denn ihre Eltern ließen den Tumor zwei Monate lang wuchern,
00:50:36
weil sie dem Mann vertrauten, der Krebs nicht als potenziell tödliche Krankheit anerkennt,
00:50:40
sondern als ein sinnvolles biologisches Sonderprogramm gefährlich verharmlost.
00:50:46
Diesen Mann nimmt nun die Wiener Justiz ins Visier.
00:50:48
Sie erlässt gegen Rieke Gerd Hammer Haftbefehl wegen des Quälens oder Vernachlässigens unmündiger Personen.
00:50:55
Derweil geben ihm die Medien eine unkritische Bühne, die Hamer bereitwillig nutzt,
00:51:00
um seine Thesen, die jeglicher wissenschaftlicher Grundlage entbehrt, in die Öffentlichkeit zu tragen.
00:51:04
Ihm geht es nicht um Olivias Schicksal, sondern vielmehr darum,
00:51:08
seine germanische Neumedizin als Heilmittel zu propagieren.
00:51:11
Auf die Frage nach Olivia sagt der 60-Jährige, der von sich selbst gern als der Hamer spricht.
00:51:17
In einem Spiegelinterview, seine Informanten hätten ihm mitgeteilt, dass Olivia schon blaue Beine hätte.
00:51:22
Die ist doch schon tot, sagt er. Getötet von der Chemo.
00:51:26
Er spricht von der Chemo-Mafia und davon, dass 95 bis 98 Prozent der Chemo-Patientinnen sterben würden.
00:51:32
Olivia würde nur noch künstlich am Leben gehalten, um ihn als auszuwischen.
00:51:37
Also da muss man ja sagen, der hat ja Verfolgungswahn.
00:51:40
Der hat wirklich diesen Wahn, den die Ärztinnen ihm da schon vorher diagnostiziert haben.
00:51:45
Dabei sei er nicht der Gejagte, sondern der Jäger.
00:51:49
Hamer ist überzeugt, Olivia werde ein Meilenstein sein, weil sie seiner Medizin zum Durchbruch verhelfen werde.
00:51:55
Wie genau er das meint, erklärt er nicht, aber die Vermutung liegt nahe,
00:51:59
dass er quasi regelrecht darauf hofft, dass Olivia stirbt.
00:52:03
Für ihn wäre das nämlich der endgültige Beweis, dass eine Chemotherapie Krebs-PatientInnen nicht rettet, sondern tötet.
00:52:10
Vor der Strafverfolgung hat er keine Angst.
00:52:14
Sollen die mich doch ins Gefängnis stecken, dann machen sie mich wirklich zum Märtyrer.
00:52:18
Aber es kommt anders, als Hamer sagt.
00:52:20
Olivias Chemotherapie schlägt an.
00:52:22
In den nächsten Wochen wird die Schwellung in ihrem Bauch nach und nach kleiner.
00:52:26
Am 18. September, vier Monate nachdem der Krebs entdeckt wurde, ist es endlich soweit.
00:52:32
Die Sechsjährige wird in den OP geschoben.
00:52:34
In einer dreistündigen Operation wird der Tumor entfernt und mit ihm die befallene Niere.
00:52:39
Als Helmut, Hamer, davon berichtet, gibt der sich verwundert.
00:52:43
Es sei seltsam, dass die Entfernung des Tumors und der Niere ganze drei Stunden gedauert habe.
00:52:48
Und er ist sich sicher, dass Olivia nie die ganze Ladung Chemo bekommen hätte,
00:52:52
denn sonst hätte sie eine solche lange OP nicht überleben können.
00:52:56
In den darauffolgenden Monaten geht Olivias Chemo weiter.
00:53:00
Die Prozedur ist kräftezehrend, aber mit jedem Tag, der vergeht, wird sie ein bisschen gesünder.
00:53:05
Dass das an der Chemo und der OP liegt, erkennen ihre Eltern jedoch nicht an.
00:53:09
Helmut und Erika sind überzeugt, Olivia sei jetzt nur auf dem Weg der Genesung,
00:53:13
weil die Heilungsphase nach Hamer schon vor der Chemo im Krankenhaus begonnen habe.
00:53:18
Sie sind vor allem froh, dass Olivia lebt, denn wie Hamer glauben auch die Pilhars,
00:53:22
dass die allermeisten Chemotherapien zum Tod führen.
00:53:25
Behauptungen wie diese stellt Hamer in mehreren Interviews und TV-Auftritten auf.
00:53:31
Durch die Scheinwerfer, die auf ihn gerichtet sind,
00:53:34
wächst zwar einerseits die Zahl derer, die in ihm einen gefährlichen Spinner und Scharlatan sehen,
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der leichtfertig mit dem Leben kranker Menschen spielt.
00:53:40
Andererseits melden sich aber auch immer wieder Menschen bei ihm,
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die seinen Thesen glauben und dafür oft mit dem Leben bezahlen.
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So und darüber müssen wir jetzt mal sprechen.
00:53:50
Wir haben uns jetzt schon gefragt,
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wie so ein Typ mit solch abstrusen Theorien überhaupt so einen Erfolg haben kann.
00:53:56
Und das erklärt Birgit Hiller vom Krebsinformationsdienst des Deutschen Krebsforschungszentrums
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im Interview mit dem Format Faktenfuchs des Bayerischen Rundfunks.
00:54:04
Und sie sagt, dass viele Menschen, wenn sie so eine schlimme Diagnose wie Krebs bekommen,
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erst einmal diese Haltung einnehmen, ja warum denn ausgerechnet ich?
00:54:12
Und bei Olivia war das ja auch so, dass ihr Vater Helmut sich da gefragt hat,
00:54:16
warum denn genau so ein kleines Kind, warum denn dieses Kind, warum denn mein Kind?
00:54:20
Aber auf diese Frage gibt es halt oft keine einfache medizinische Antwort.
00:54:24
Und das ist natürlich super unbefriedigend.
00:54:26
Und Hama geht jetzt aber hin und sagt, pass auf, ich kann dir ganz einfach den Grund dafür erklären,
00:54:32
wieso du oder dein Kind jetzt diese und jene Krankheit hat.
00:54:36
Und das klingt erstmal ganz wunderbar, wenn man da auf einmal eine leichte, verständliche Antwort hat.
00:54:41
Und was ich ja auch finde, Diagnosen von Krankheiten zu bekommen, lassen einen ja oft,
00:54:46
also gerade wenn sie lebensgefährlich sind, oft in so einer Art Ohnmacht fallen.
00:54:51
Weil das einfach ja Kontrollverlust bedeutet.
00:54:54
Und der Hama bietet dir jetzt eine Lösung an, wo du die Kontrolle zurückbekommst,
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weil du selbst denkst, ach ja, wenn ich das mache, dann habe ich ja tatsächlich Einfluss auf den Krankheitsverlauf hier.
00:55:05
Ja, und im Fall von Olivia ist es ja auch so, dass Hama sagt, das ist nur eine Ziste.
00:55:10
Natürlich möchte man lieber dem Arzt glauben, der eine Diagnose für einen bereithält,
00:55:16
die nicht so schlimm ist, wie der andere Arzt das sagt.
00:55:21
Birgit Hiller sagt auch, einfache Erklärungen sind immer attraktiv und einfache Lösungen,
00:55:26
so wie die hier jetzt, das ist noch attraktiver.
00:55:29
Ja, und was vielleicht ja auch noch dazu kommt, ist, dass manche Menschen oder viele Menschen
00:55:34
Angst vor dem Krankenhaus haben, also generell vor dem Krankenhaus.
00:55:38
Und dann, weil man diese ganzen Bilder kennt und von früher, von Chemotherapien,
00:55:44
auch einfach sehr dolle Angst vor dieser Art von Behandlung.
00:55:49
Und ja, die hat sich schon weiterentwickelt und es ist heute sicherlich oft mit den Nebenwirkungen
00:55:55
nicht mehr so schlimm wie früher.
00:55:56
Aber es ist natürlich in gewisser Weise eine sehr aggressive Behandlungsmethode, die auch immer noch gewaltige Nebenwirkungen haben kann.
00:56:03
Und wenn dann jemand sagt, die brauchst du nicht, diese Behandlung, die auch ganz viele gesunde Zellen angreift und deinen Körper schwächt, die brauchst du nicht.
00:56:13
Ich habe hier eine andere, dann möchte man das glauben und man möchte das dann auch lieber machen, weil man eben einfach zu dolle Angst hat.
00:56:22
Naja, zwei Jahre später ist der selbsternannte Jäger aber dann doch geschnappt.
00:56:26
In Köln muss er sich wegen Verstößen gegen das Heilpraktikergesetz und wegen unterlassener Hilfeleistung verantworten.
00:56:32
Drei Fälle wingen besonders schwer.
00:56:35
Einem 29-Jährigen sagte er, seine Leukämie würde verschwinden, wenn er die Konflikte mit seiner Freundin löse.
00:56:41
Medikamente soll er nicht einnehmen.
00:56:43
Und als der Mann dann im Koma lag, riet er den Angehörigen davon ab, den Notarzt zu rufen.
00:56:48
Sie hörten auf ihn und sahen zu, wie der 29-Jährige starb.
00:56:54
Die Krebserkrankung einer 59-Jährigen Frau wollte Hamer mit einer einfachen Entscheidung lösen.
00:56:58
Er sagte zu ihr, trennen Sie sich oder ziehen Sie mit Ihrem Freund zusammen.
00:57:02
Dann werden Sie gesund.
00:57:04
Auch diese Behauptung war tödlich.
00:57:06
Und ein Junge, der an Knochenkrebs litt, starb vier Wochen, nachdem Hamer dazu geraten hatte, als Therapie einen Urlaub in Spanien zu machen.
00:57:15
Vom Vorwurf der unterlassenen Hilfeleistung wird er freigesprochen, aber die Verstöße bestätigt das Gericht.
00:57:21
Es attestiert Hamer eine geistesschwache, psychopathische Persönlichkeit mit wahrenhaft unbeeinflussbaren Überzeugungen.
00:57:28
Die RichterInnen verurteilen ihn zu 19 Monaten Haft.
00:57:31
Als er 1998 wieder freikommt und dann auch im Fall Olivia ein Strafverfahren gegen ihn eingeleitet werden soll, setzt er sich nach Spanien ab.
00:57:39
Letztendlich wird das Verfahren gegen ihn eingestellt.
00:57:42
Trotzdem bleibt der Fall nicht ohne juristische Konsequenzen.
00:57:46
Olivias Eltern werden wegen fahrlässiger Körperverletzung angeklagt.
00:57:50
Nur weil Olivia durch die zwangsangeordnete Chemotherapie und die darauf folgende Operation quasi in letzter Sekunde überlebt hat,
00:57:57
müssen sich Helmut und Erika nicht einem Tötungsdelikt, sondern wegen fahrlässiger Körperverletzung verantworten.
00:58:04
Als der Prozess gegen die beiden in Wien beginnt, sind zahlreiche PolizistInnen im Einsatz, um für einen geordneten Ablauf zu sorgen.
00:58:11
Etliche MedienvertreterInnen, ausgerüstet mit Schreibblöcken, Mikrofon und Kameras, drängen sich in das Gericht mit der weiß getünchten Fassade,
00:58:18
die an einen griechischen Tempel erinnert.
00:58:20
Hinzu kommt eine ganze Schar von Hamas AnhängerInnen, um den Pederhast den Rücken zu stärken.
00:58:25
Davon getragen bahnen sich Helmut und Erika ihren Weg durch die Menschenansammlung.
00:58:29
Er mit dunklem Anzug und Krawatte, sie im grauen Trenchcoat.
00:58:32
Als sie auf der Anklagebank aus dunklem Holz Platz nehmen, beschuldigt sie der Staatsanwalt,
00:58:37
Olivia durch ihre Flucht nach Spanien aus der Macht des erziehungsberechtigten Vormunds entzogen zu haben,
00:58:43
da sie selbst das Sorgerecht gar nicht mehr hatten.
00:58:45
Außerdem sei die Gesundheit des Mädchens durch die verspätete Behandlung schwer geschädigt worden.
00:58:50
Die Verteidigung hält dagegen.
00:58:52
Helmut und Erika hätten sich verantwortungsvoll um eine alternative Behandlung ihrer Tochter bemüht.
00:58:57
Die PLHs sehen das genauso.
00:58:58
Das Gericht jedoch nicht.
00:59:01
Es kommt zu dem Schluss, dass sich Helmut und Erika der fahrlässigen Körperverletzung schuldig gemacht haben.
00:59:05
Und zwar nur, weil der Staat so Druck gemacht hat.
00:59:08
Sonst würden die PLHs wegen fahrlässiger Tötung auf der Anklagebank sitzen.
00:59:11
Und dann wären sie vermutlich ins Gefängnis gegangen.
00:59:14
Aber so lautet das Urteil nur acht Monate auf Bewährung.
00:59:18
Ja, und sie hätten ja am liebsten sie gar nicht behandeln lassen.
00:59:22
Also ihr gar keine Chemobehandlung ermöglichen wollen.
00:59:25
Und nur, weil sie halt so breitwillig da im Fernsehen und überall sich gezeigt haben, sind dann auch die Behörden ihnen sozusagen auf die Spur gekommen und konnten das Kind retten.
00:59:36
Aber das wäre ja gar nicht dazu gekommen.
00:59:38
Also dafür, dass die echt haarscharf an der fahrlässigen Tötung ihres eigenen Kindes vorbeigeschlittert sind, ist auch acht Monate sau wenig.
00:59:47
Da haben die richtig Schwein gehabt.
00:59:48
Verantwortung übernehmen oder gar Schuld eingestehen wollen Helmut und Erika nicht.
00:59:53
Als sie das Kreisgericht nach dem Urteilsspruch verlassen, sind sie nach wie vor davon überzeugt, dass nicht die Chemo das Entscheidende dabei gewesen sei, sondern die Tatsache, dass Hamas Heilprozess schon vorher begonnen habe.
01:00:04
Außerdem würde es ihr jetzt noch viel besser gehen, wenn sie komplett nach Hamas Methoden behandelt worden wäre.
01:00:11
Der macht auch nach seinem Gefängnisaufenthalt weiter wie bisher.
01:00:14
Nicht nur in Deutschland und Österreich, sondern auch in Frankreich ist Hamer aktiv.
01:00:18
Allerdings haben die Strafverfolgungsbehörden sein Treiben ganz genau auf dem Radar.
01:00:23
Und so steht er im März 2000 wieder vor Gericht, diesmal in Frankreich.
01:00:27
Mehrere Menschen klagen gegen ihn.
01:00:29
Es sind Angehörige von Personen, die krebskrank waren, aber klassische Behandlungen abgebrochen und stattdessen auf Hamas Lehre vertraut haben und das mit dem Tod bezahlt haben.
01:00:38
Hamer wird zu 18 Monaten Haft, die Hälfte davon auf Bewährung verurteilt.
01:00:43
Ein Berufungsverfahren nützt ihm nichts.
01:00:45
Im Gegenteil, das Berufungsgericht verschärft die Strafe auf drei Jahre Haft ohne Bewährung.
01:00:50
Als er 2007 freikommt, setzt sich der inzwischen 72-Jährige nach Norwegen ab, um sich weiterer potenzieller Verfahren zu entziehen.
01:00:58
Dort gründet er die Universität Sandefjord.
01:01:02
Doch hinter dem hochtrabenden Namen steckt keine Bildungseinrichtung, sondern ein kleiner Verlag,
01:01:07
über den Hamer seine eigenen Bücher und Schriften zu seiner germanischen neuen Medizin vertreibt.
01:01:12
Dabei werden seine Ansichten immer radikaler.
01:01:15
Er driftet auch außerhalb der Medizin in Verschwörungserzählungen ab und nähert sich der Reichsbürgerszene.
01:01:21
Er leugnet die Mondlandung und 9-11.
01:01:24
Deutschland ist in seinen Augen nur eine Firma.
01:01:26
Und auch das kennen wir von ReichsbürgerInnen.
01:01:31
Außerdem propagiert er weiter Rassismus und Antisemitismus.
01:01:35
Nicht nur, dass er auch den Holocaust leugnet.
01:01:39
Und Hamer ist überzeugt davon, einflussreiche jüdische Menschen würden seine Strafverfolgung beeinflussen.
01:01:44
Mit dem Ziel, die germanische neue Medizin zu unterdrücken und nicht jüdische Menschen zu vernichten.
01:01:50
In einem Fall, der sich 2009 ereignet, wo er einer Zwölfjährigen, die gerade eine Chemotherapie durchläuft, dazu rät, diese abzubrechen und die dann daraufhin stirbt,
01:01:59
treibt er es mit seinen Verschwörungstheorien auf die Spitze.
01:02:02
Hamer erklärt, die erste Chemotherapie sei vermutlich schuld gewesen, sagt er.
01:02:08
Mit der Infusion sei ihr nämlich ein Chip injiziert worden.
01:02:11
Diese Chips haben Giftkammern und können per Satellit ausgelöst werden.
01:02:16
So könne man Menschen quasi per Knopfdruck töten.
01:02:19
Erfunden hätten diese Giftchips laut Hamer auch natürlich wieder jüdische Menschen.
01:02:24
Und zwar mit dem Ziel, alle nicht jüdischen Menschen zu töten.
01:02:27
Hamer sagt, übrigens in Deutschland kriegt kein Jude Chemo.
01:02:31
Kein Jude kriegt Chemo, das wollen wir mal festhalten.
01:02:34
Und die allermeisten Onkologen gehören dieser Glaubensgemeinschaft an.
01:02:37
Sie behandeln ihre jüdischen Patienten ohne Chemo und die nicht jüdischen mit Chemo.
01:02:42
So, und dieser Typ sagt von sich selbst, er sei kein Antisemit.
01:02:46
Also ihn müsste man auch mal behandeln.
01:02:48
Ihn müssten mal PsychiaterInnen und PsychologInnen behandeln.
01:02:52
Also das ist so absurd, was der den Menschen in den Kopf setzt, ja.
01:02:56
Ja, und diese antisemitischen Thesen vertritt Hamer noch bis zu seinem Tod im Juli 2017.
01:03:02
Im Alter von 82 Jahren stirbt er an einem Schlaganfall.
01:03:07
Doch seine germanische neue Medizin lebt auch danach weiter.
01:03:10
Vor allem dank Helmut Pielhaar.
01:03:12
Olivias Vater ist auch über 20 Jahre nach der Krebserkrankung seiner Tochter ein glühender Anhänger der Hamerschen Lehren.
01:03:19
Er wird nicht müde, Hamers Genie zu preisen und dafür zu kämpfen, dass seine Theorien weiterverbreitet werden.
01:03:25
So lange, bis auch er 2022 im Alter von 57 Jahren an einem Schlaganfall stirbt.
01:03:33
Er hinterlässt unter anderem seine Tochter Olivia, die inzwischen geheiratet hat und selbst Mutter geworden ist.
01:03:38
Helmuts große Sorge, die Chemo könne seine Tochter unfruchbar machen, hat sich also nicht bewahrheitet.
01:03:44
Körperlich hat der Krebs bis auf die OP-Narbe auf Olivias Bauch keine Spuren hinterlassen.
01:03:49
Sie kann heute mit ihrem Sohn herumtollen, denn sie wurde rechtzeitig aus Hamers Fängen befreit.
01:03:55
Doch viele andere Menschen hatten dieses Glück nicht.
01:03:58
In Deutschland gibt es vier Menschen, die laut Gerichtsurteilen infolge von Hamers Behandlung gestorben sind.
01:04:03
Die Dunkelziffer wird deutlich höher vermutet.
01:04:06
Schätzung zufolge gibt es über 500 Todesopfer.
01:04:09
Denn der angebliche Heiler brachte kein Heil und keine Erlösung.
01:04:14
Und er verbrachte auch keine Wunder.
01:04:16
Er brachte schwer kranken Menschen, die ihm ihr Vertrauen schenkten, nichts als Leid und den Tod.
01:04:23
Also ich glaube, wir sind uns einig, dass uns dieser Fall einfach sehr, sehr wütend gemacht hat.
01:04:28
Mir tun aber natürlich die Leute leid, die daran glauben und die selbst erkrankt sind.
01:04:33
In diesem Fall, muss man aber ja dazu sagen, ist quasi das Fiese daran, dass die Eltern für Olivia entscheiden sollen.
01:04:41
Und die sich dann dazu entscheiden, dem Quacksalber da zu glauben, der ihre Tochter halt in größte Gefahr bringt.
01:04:49
Und da habe ich dann auch kein Mitleid mit denen.
01:04:51
Weil wenn dir so viele ÄrztInnen sagen, das ist der einzige Weg, dann musst du nicht nur, weil du selbst eine Schuppenflechte, nicht mit herkömmlicher Medizin in den Griff bekommen hast, deine Tochter dem aussetzen.
01:05:05
Ja, und ich muss auch sagen, ich habe da schon am Anfang Red Flags gesehen bei der Familie, wie die da das Leid ihrer Tochter eingeschätzt haben.
01:05:13
Nämlich von wegen, ja, die klagt oft über Schmerzen, wenn sie Aufmerksamkeit will.
01:05:19
Also wenn ich schon sowas höre, dann denke ich mir schon, oh, das arme Kind, ja.
01:05:24
Was ich wirklich erschreckend finde, ist, was dieser Hammer für Zuspruch hatte.
01:05:28
Also, dass der mittlerweile schon auch in den Krankenhäusern so bekannt war, dass die ÄrztInnen da gleich auch schon so alarmiert waren auf den Stationen und schon genau wüssten,
01:05:37
ah ja, ja, die sind bestimmt an denen da hier jetzt irgendwie geraten.
01:05:41
Und ich frage mich immer, wie kann sowas eigentlich sein, wenn eigentlich schon relativ schnell nach Herausgabe von Büchern, bestimmten Theorien, blablabla, bekannt sein muss, dass die Leute trotzdem sterben.
01:05:57
Weißt du, also, der muss halt so ein Marketinggenie gewesen sein.
01:06:00
Der hatte ja auch damals eine Kassette rausgebracht, wo angebliche PatientInnen von ihm gesprochen haben, die gesagt haben, oh ja, und dann habe ich meinen Konflikt gelöst und dann war ich auf einmal wieder gesund.
01:06:10
Aber das allein reicht ja nicht.
01:06:13
Und ich glaube, dass ein Großteil natürlich auch die Medien dazu beigetragen haben, weil ich kann mir heutzutage gar nicht vorstellen, dass man so jemanden in eine Talkshow einlädt und den da wirklich in so ein TV-Duell steckt,
01:06:25
mit einem normalen Mediziner, wie das bei dem Hammer war, der war nämlich unter anderem bei so einer Talkshow von HabeTV eingeladen, wo sich da duelliert wurde mit einem herkömmlichen Mediziner.
01:06:36
Mit einem, der halt Peilung hat von dem, was er da sagt.
01:06:39
Ach so, übrigens der Arzt von der Olivia.
01:06:42
Die beiden sind da im Schlagabtausch und ja, die Moderatorin war auch schon auf der Seite des Mediziners, aber das bringt bei solchen Leuten ja nichts.
01:06:49
Dann sagt der Hammer, die Medizin, die wir hier alle benutzen, das sind alles nur Theorien, davon ist nichts wissenschaftlich bewiesen.
01:06:56
Dann sagt die Moderatorin, doch ist wissenschaftlich bewiesen.
01:07:00
Dann sagt der Hammer, nein.
01:07:01
Ja, gut, wenn mir jemand sagt, die Erde ist eine Scheibe, ich sag nein und die sagt, ja, aber doch, ja, wie willst du denn mit denen reden?
01:07:09
Also das ist ja sau frustrierend, weil die behaupten einfach immer das Gegenteil.
01:07:14
Ja, und der Zuschauer oder die Zuschauerin, die sagt dann einfach, ja, guck, da steht halt Aussage gegen Aussage, ich glaube halt dem, dem ich glauben möchte.
01:07:22
Ja, man würde sich wirklich erhoffen, dass sowas heute nicht mehr passieren würde, dass man solche Leute nicht mehr einladen würde, weil es halt eben gefährlich ist, wenn man die so auf eine Stufe stellt.
01:07:34
Weil ja der Krebsmediziner mit seinen Aussagen für tausende von KrebsmedizinerInnen spricht und für WissenschaftlerInnen und so.
01:07:42
Dagegen der Hammer, aber eben nur für seine eigenen kruden Theorien, was es am Ende ja nur sind.
01:07:49
Genau, also offenbar sind die Medien da viel zu wenig kritisch ins Gericht gegangen mit dem und haben halt seine Aussagen, die er dann da getätigt hat, in dem Moment auch nicht genug infrage gestellt.
01:08:01
Was ich mich, ich meine, das haben wir vorhin auch kurz mal angesprochen, was ich mich bei dem gefragt habe, der muss wirklich einen Wahn gehabt haben, weil das ist ja kein einfacher Betrüger gewesen, der sich da die Taschen komplett voll gemacht hat.
01:08:15
Ich meine, klar, wir wissen, der hat von Spenden gelebt und der hat da seine Kassetten und Bücher vertrieben und so, aber der war jetzt nicht so ein Sektenguru, wo du irgendwie monatlichen Beitrag zahlen musstest und deswegen hat er in Saus und Braus gelebt.
01:08:28
Was ich ehrlicherweise noch gruseliger finde, weil wenn der gar nicht diesen Antrieb hat, dadurch Geld zu verdienen, sondern wirklich denkt, dass das stimmt.
01:08:36
Ja, also ich glaube, das ist auch zu 100 Prozent, dass der das genauso geglaubt hat.
01:08:40
Ja, ja, genau, aber das finde ich gruselig.
01:08:43
Weil diese Leute, die wissen ja gar nicht, dass sie was falsch machen.
01:08:47
Die denken, die ganze Welt hat sich gegen die verschworen.
01:08:49
Ja, und es ist natürlich auch schwierig, was will man machen, ja, wenn er jetzt nicht, sag ich jetzt mal, direkt für den Tod einer anderen Person verantwortlich ist, sondern indirekt, oder haben wir jetzt auch bei ihm gesehen, er ist keinmal ins Gefängnis, also er war im Gefängnis, ja, aber nicht lange und zwar offensichtlich den Strafverfolgungsbehörden nicht möglich, ihn in eine forensische Psychiatrie oder so zu stecken, um andere Leute vor ihm zu schützen.
01:09:15
Und sich vielleicht selber auch irgendwie vor sich selber.
01:09:18
Weshalb ich den Fall auch unbedingt erzählen wollte, ist, dass man ja immer denkt, naja, das war halt damals, das fing in den 80ern an, ne, mittlerweile sind wir alle mehr Medien geschult, wir hinterfragen mehr, was wir serviert bekommen und so, ja.
01:09:33
Aber trotzdem hat das immer noch eine brenzlige Aktualität, dieses Thema, dass MedizinerInnen oder eben auch Nicht-MedizinerInnen die Theorie verbreiten, dass man durch Gedanken oder durch was auch immer seine Krankheiten heilen kann, ja.
01:09:50
Und was ich mich damals wirklich schon immer gefragt habe, zum Beispiel, du kennst das Buch The Secret, es war ein riesiger Erfolg und ich habe das nie verstanden.
01:10:00
Weißt du, Manifestationen und so in allen Ehren, ne, kann jeder machen, wenn mir jemand sagt, ich habe die und die tolle Sache manifestiert und das ist dann eingetreten, dann sage ich super, toll und das meine ich nicht mal sarkastisch, ne.
01:10:12
Ich meine, das kann ja im Grunde genommen nichts anderes als ein Placebo-Effekt sein, den es ja gibt und ich bin eh der Überzeugung, dass du dich mehr mit den positiven Gedanken beschäftigen solltest, gerade wenn du irgendwie erkrankt bist, als mit den negativen und dass dir und deiner Seele das was Gutes bringt.
01:10:27
Aber wenn dann jemand anfängt zu behaupten, dass einem eine Krankheit widerfährt und das auf die eigenen Gedanken zurückzuführen ist, dann kriege ich echt die absolute Vollkrise und genau das tut dieses Buch, ja.
01:10:40
Klar, es gibt Hinweise darauf, dass Stress oder Rauchen oder Alkoholkonsum oder so das Krebsrisiko direkt erhöhen, ne.
01:10:48
Aber es gibt halt eben keinen direkten kausalen Zusammenhang zwischen psychischer Belastung und der Entstehung von jetzt beispielsweise Krebs, ja.
01:10:55
Also im Gegenteil, es gibt Studien, die zeigen, dass da viele Faktoren dran beteiligt sind, ne.
01:11:01
Genetische, umweltbedingte, natürlich auch Ernährung und natürlich auch die Umgebung, in der man sich befindet.
01:11:07
Aber was die Autorin von The Secret propagiert, ist, dass die Überzeugungskraft des Denkens so mächtig ist, dass man sich damit selbst heilen kann.
01:11:17
Und damit ist die nicht alleine.
01:11:18
Das Buch ist ja jetzt auch schon ein bisschen älter.
01:11:20
Es gibt so viele Autoren, die erfolgreich mit so einer Scheiße sind, muss man ganz ehrlich mal so sagen, ja.
01:11:27
Gabor Matei, Joe Dispenza, der sagt zum Beispiel, dass man Krebs durch Meditation heilen kann.
01:11:33
Nee, oh Mann, das wusste ich nicht.
01:11:35
Also The Secret kenne ich, aber ich wusste nicht, dass da so viele drauf aufspringen.
01:11:39
Und Deepak Chopra und einige davon auch Mediziner.
01:11:44
Und das ärgert einen ja so.
01:11:46
Hier der Chopra, der vermischt halt spirituelle und wissenschaftliche Ansätze und hat den Begriff Quantenheilung erfunden und sagt quasi, dass der Geist Krankheiten, also die Zellen heilen kann, indem man auf diesen Quantenbereich zugreifen kann und so.
01:12:03
Das heißt, das ist einfach irgendein wissenschaftlicher Begriff gemischt in so eine spirituelle Erzählung, sodass manche Leute halt glauben, ja, der weiß mehr als andere.
01:12:14
Und die machen einen Haufen Kohle damit.
01:12:17
Und das ist ja dieses Gefährliche, wenn die dann auch noch einen Doktortitel haben und Medizin studiert haben, weil sie dann für viele Menschen natürlich glaubwürdiger sind.
01:12:25
Und ja, und wenn die dann diese Begriffe dann da reinbringen, dann hört sich das noch ein bisschen kompetenter an.
01:12:31
Nee, aber man wird einfach nur sauer, wenn man sowas hört.
01:12:34
Weil jeder kann alles sagen, aber wenn sie mir keine Studien liefern oder das irgendwie mit Statistiken irgendwie belegt ist, wieso dürfen die das alle veröffentlichen?
01:12:47
Das ist ja eben auch das Ding, die sagen ja immer, das wäre durch Studien belegt.
01:12:50
Das sagt ja der Hamer immer.
01:12:52
Also der hat auch in seinem Buch, hat der irgendwie so eine Bestätigung von irgendeiner Universität drin, ne?
01:12:58
Die haben wir angeschrieben.
01:13:00
Da kam auch nie eine Nachricht zurück von wegen, ja, wir glauben das, wir bestätigen hiermit seine Theorien.
01:13:06
Also kompletter Quatsch.
01:13:08
Aber das musst du kurz noch erzählen.
01:13:09
Also oder ich, wie Paulina hat diese Uni angeschrieben und dann hat sie mir gezeigt, wie diese Homepage von dieser Uni aussieht und wie die Leute da auf den Fotos aussehen.
01:13:20
Und das könnt ihr euch nicht vorstellen, sieht aus wie einem Karnevalsprospekt.
01:13:22
Ich weiß nicht, ob das irgendwas ganz Traditionelles in Bratislava ist oder so.
01:13:29
Und du hast gerade gesagt, dass das bei diesen MedizinerInnen ja das Problem ist, dass man dann halt eben denkt, die wissen es besser als andere Menschen und die haben selber irgendwas erforscht und so.
01:13:43
Und das finde ich so spannend, weil wir haben uns nochmal damit beschäftigt, wie man eigentlich Wunderheiler und so dran kriegt, ne?
01:13:49
Und da ist uns aufgefallen, dass man gegen HeilpraktikerInnen zum Beispiel schon vorgehen kann, wenn sie gegen das Heilpraktikergesetz verstoßen.
01:13:58
Und es gab aber mal einen Fall, da hatte das Bundesverfassungsgericht 2014 entschieden, dass ein Wunderheiler nach verfassungskonformer Auslegung nicht unter den Begriff der Heilkunde fällt.
01:14:11
Und zwar, weil ein sogenannter Wunderheiler, der spirituell wirkt und den religiösen Riten näher steht als der Medizin, der weckt im Allgemeinen die Erwartung auf heilkundlichen Beistand schon gar nicht.
01:14:22
Das finde ich auch interessant, dass man quasi dann sagt, Wunderheiler, wozu der nicht zählt, der Hamer, ne?
01:14:28
Die sind so weit weg von der Medizin, dass man die dafür gar nicht verknacken kann, weil man dann auch sagen kann, hier, so, damit habe ich dich jetzt geheilt, ja?
01:14:39
Und dann ist es so, ja, okay, wer das glaubt, der hat irgendwie eigene Verantwortung, so nach dem Motto, ne?
01:14:44
Und dann habe ich mir gedacht, naja, aber solchen Leuten glaubt man ja auch dann vielleicht ein bisschen weniger als MedizinerInnen.
01:14:51
Und dann ist mir aber eingefallen, dass ich ja mal eine Reportage gemacht habe über so einen Wunderheiler aus der Ukraine, dieser Wladimir Muntian.
01:14:57
Und da war ich bei einer seiner Messen in Berlin und der hat quasi vorher versprochen, ja, bei jeder Messe, die ich gebe, wird ein Wunder passieren, ja?
01:15:05
Also der sagt, der hat übernatürliche Kräfte, der ist selbsternannter Apostel und der hat gesagt, vor vier Jahren ist der Heilige Geist in ihn gefahren und seitdem behandelt der Menschen damit und treibt Dämonen aus und Krankheiten und so.
01:15:17
Und da waren sehr viele Menschen, sehr viele kranke Menschen, die du das auch angesehen hast, die, die letzten, also zum Teil letzte Hoffnung.
01:15:24
Dann finde ich es okay, wenn du quasi eh ja nichts mehr tun kannst und dann einfach, ne, auf ein Wunder hoffst, okay.
01:15:31
Schwierig wird es natürlich aber bei den Leuten, die eigentlich noch eine Therapie brauchen oder so, ne?
01:15:36
Und er hat da auch gesagt, Gott lehnt jegliche Diagnose ab.
01:15:41
Also das, was die ÄrztInnen da sagen, das stimmt alles gar nicht.
01:15:45
Und eine Frau hat mir dann auch da erzählt, ja, die Leute, die nicht genug glauben, die gehen zum Arzt.
01:15:50
Die müssen da hingehen, weil sie halt nicht den Glauben an Gott haben.
01:15:53
Und dann waren da natürlich Leute im Rollstuhl, Blinde, die halt wirklich gehofft haben,
01:15:59
hoffentlich passiert mir heute dieses Wunder und hoffentlich kann ich danach nach Hause gehen oder danach wieder sehen.
01:16:04
Und das ist so traurig, ja, dass man damit spielt, mit dieser Hoffnung.
01:16:09
Und weißt du, und die gehen dann nach Hause und fragen sich, warum?
01:16:11
Habe ich nicht genug geglaubt?
01:16:13
Das ist ja das, was die machen.
01:16:15
Die legen die Verantwortung für die Erkrankung, legen die zurück in deren Hände und sagen,
01:16:21
Du musst nur glauben daran, du musst dich nur mit deiner Psyche auseinandersetzen.
01:16:24
Du musst nur ganz viel meditieren und ganz viel bei dir sein.
01:16:27
Und dann wird es dir wieder gut gehen.
01:16:29
Und wenn es dir dann nicht gut geht.
01:16:30
Ja, wie bei Hama, wenn es dir dann nicht gut geht, dann hast du den Konflikt halt nicht gelöst und den Test nicht bestanden.
01:16:36
Und diese Leute, die hoffen, die hoffen natürlich, weil Menschen wie Hama, Menschen wie Vladimir Munchan
01:16:43
immer irgendwelche Beispiele vorbringen, die angeblich geheilt worden sind.
01:16:48
Panorama hat da diese Menschen gecheckt, die da in seinem Bewerbungsvideo von Hama da erzählt
01:16:52
haben, wie sie geheilt wurden.
01:16:54
Die sind alle danach gestorben an den Erkrankungen, ja.
01:16:57
Vladimir Munchan, sein angebliches Wunder, da sind auf der Bühne zwei Menschen umgekippt, ja.
01:17:03
Also, und ich wäre fast die dritte gewesen, weil ich nach vier Stunden da sowas von den Ranzen
01:17:11
Was mir einfällt, was wir früher, glaube ich, ganz am Anfang von Mordlust manchmal gemacht
01:17:16
haben, sind Empfehlungen.
01:17:18
Und die so total in diese Richtung gehen und zeigen, dass man auch heute mit dieser, ja,
01:17:25
mit so einer Verarsche auch richtig viel Geld an der Börse machen kann, zeigt der Fall aus
01:17:31
der ersten Podcast-Staffel von Dr.
01:17:33
Da geht es nämlich auch um so einen Krebsheiler, der in Amerika sein Unwesen treibt und sich da
01:17:39
als Mediziner ausgibt.
01:17:40
Aber er ist eigentlich Magier.
01:17:43
Ja, ist eine ganz spannende Geschichte.
01:17:44
Wir sehen uns hier nächste Woche auch wieder mit einer spannenden Geschichte.
01:17:48
Und zwar geht es da um ein tödliches Liebesdreieck.
01:17:58
Das war ein Podcast der Partner in Crime.
01:18:01
Hosts und Produktion Paulina Graser und Laura Wohlers.
01:18:05
Redaktion Magdalena Höcherl und wir.
01:18:08
Schnitt Pauline Korb.
01:18:10
Rechtliche Abnahme und Beratung Abel und Kollegen.