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#17 Mörderinnen

Hallo und herzlich willkommen zu einer neuen Folge von Mordlust, unserem True-Crime-Podcast,
in dem wir wahre Verbrechen aus Deutschland nacherzählen. Mein Name ist Paulina Kraser.
Und ich bin Laura Wohlers. Wir erzählen uns hier gegenseitig jeweils einen Fall,
von dem der andere nichts weiß. Und deswegen bekommt ihr auch unsere ungefilterten Reaktionen mit.
Wir kommentieren die Fälle auch, manchmal auch sarkastisch. Und vor allem wird hier auch gelacht.
Das ist aber nie despektierlich gemeint.
Wie wir euch letzte Folge schon versprochen haben, dreht sich bei uns heute alles um weibliche Täter.
Genau. Warum sie töten, wie sie töten und vor allem, was sie von männlichen Tätern unterscheidet.
Aber vorher wollte ich dir noch kurz was erzählen, was ich gelesen habe und wozu ich gerne deine Meinung hören würde.
Und zwar die Philosophin Rebecca Roach von der Royal Holloway University of London
hat ein Gedankenexperiment durchgeführt. Und zwar hat sie darüber nachgedacht,
also nicht nur sie, sondern eine Gruppe Wissenschaftler, was mit zukünftiger Biotechnologie alles möglich ist.
Und möglich wäre zum Beispiel die Kreation einer Droge, die den Strafvollzug revolutionieren könnte.
Und zwar wäre das eine Droge, die die Zeitwahrnehmung verändert und Zeit dann viel langsamer vergehen lassen würde.
Und die Idee ist dann quasi, den Gefangenen so eine Droge zu geben und sie dann statt 15 Jahren nur ein Jahr einzusperren.
Während die Gefangenen aber das Gefühl haben, sie säßen 15 Jahre.
Für die Gefangenen hätte es laut der Philosophin psychologisch dieselbe Wirkung.
Sie würden aber früher rauskommen und hätten so nicht wirklich was von ihrem Leben verloren.
Und für den Staat und den Steuerzahler wäre es natürlich viel günstiger.
Was denkst du zu so einer Droge?
Ich halte da nicht so viel von, weil es dann ja nur um das subjektive Empfinden geht.
Für mich hat Strafe auch immer damit was zu tun, dass du auch Lebenszeit schenken musst.
Weil du hast jemandem das Leben genommen.
Nur weil er das dann trotzdem gleich lang empfindet, hat er dann immer noch das meiste von seinem Leben.
Und ich glaube, dass ein Teil der Strafe auch ist, dass sie einen Teil ihrer Lebenszeit absitzen müssen.
Weil sie in meinen Augen das Recht verwirkt haben, ihr ganzes Leben in Freiheit zu verbringen.
Was hältst du denn davon?
Ich habe erst mal gedacht, dass die Idee gar nicht so doof ist.
Also vor allen Dingen, wenn man halt auch die ganzen Kosten bedenkt und so weiter.
Aber dass ich es irgendwie super gruselig finde, wenn der Staat Drogen ausgibt,
die dann sich so auf dich auswirken, wie die, die das wollen, wie der Staat das will.
Das erinnert dann einen irgendwie so ein bisschen an 1984, das Buch.
Und zweitens habe ich mir dann gedacht, wie soll das dann so richtig mit der Resozialisierung funktionieren?
Also wie macht man es dann mit der Therapie?
Die kann ja nicht in einem Jahr dann so viel Fortschritte machen, wie wenn man den 15 Jahre therapieren würde.
Ja, richtig.
Genau.
Aber was man vielleicht noch sagen muss, es wird jetzt nicht akut an dieser Droge gearbeitet oder so.
Keiner hat die Absicht, die jetzt bald einzuführen.
Keiner hat die Absicht, eine Droge einzuführen.
Genau.
Aber die Wissenschaftlerin wollte eben damit mal eine Debatte führen, wie ethisch vertretbar eigentlich so eine Strafe wäre.
Ja, ich finde das ethisch schwierig mit der Droge.
Dann fange ich mal jetzt an mit meinem Fall.
Der handelt diese Woche übrigens von einem qualvollen Martyrium.
Und wir wissen, dass einigen von euch unsere Folge 10, wo es um Kindermorde ging, schwer gefallen ist.
Und deswegen werde ich hier nicht alles im Detail erzählen.
Ich will aber einmal darauf hinweisen, dass dieser Fall eventuell für einige verstörend sein kann.
Zum Schutz der Beteiligten habe ich fast alle Namen geändert.
Sie hat eine Puppe im Arm und tanzt zur Musik im Wohnzimmer ihrer Eltern.
Ab und an wirft die Kleine auf dem Video der Person, die sie filmt, schüchterne Blicke zu.
Sie wirkt fröhlich und unbeschwert.
Eigentlich eine ganz normale Aufnahme eines glücklichen dreijährigen Mädchens.
Aufgenommen von den Eltern, die die schönen Momente ihrer Tochter festhalten wollen.
Könnte man zumindest meinen.
Videos und Fotos zeigen nur kleine Ausschnitte des Lebens.
Nie die ganze Wahrheit.
Normalerweise ist es für ein Paar das Schönste auf der Welt, ein Kind zu bekommen.
Eltern freuen sich neun Monate lang, richten das Kinderzimmer ein und überlegen sich den richtigen Namen
und nerven vor allem alle Angehörige und Freunde ausschließlich mit diesem Thema.
Bei Yeli aber ist es nicht so.
Die Welt, in die sie hineingeboren wird, sieht anders aus.
Sie ist nicht warm, bunt und auch nicht voll von weichen Stofftieren.
Yeli wird im Oktober 2010 in Hamburg geboren.
Ihre Mutter Samira ist da 24 Jahre alt, hat keine Arbeit, keinen Abschluss und keine Perspektive.
Sie lebt in einer obdachlosen Unterkunft und hat schon einen Sohn, Ilja.
Der lebt aber bei Samiras Eltern, weil sie mit ihm nicht klarkommt.
Samira scheint generell mit vielem überfordert zu sein und bekommt eigentlich nicht so richtig auf die Reihe.
Sie leidet darunter, dass sie keinen Schulabschluss hat.
In ihrer Familie ist sie das schwarze Schaf.
Ihre drei älteren Schwestern haben nicht solche Probleme wie sie.
Sie schämt sich dafür, dass sie bereits zwei uneheliche Kinder geboren hat.
Samira hat schwarze, lange Haare, die sie gern offen trägt.
Auf Fotos posiert sie vor der Kamera, trägt bunte und auch knappe Klamotten.
Yelis Vater Benjamin ist etwas jünger als Samira und ist bei der Polizei als Schläger bekannt und außerdem vorbestraft.
Genauso wie Samira.
Sie hatte gestohlen, gilt als aggressiv und hat mal jemanden körperlich gefährlich verletzt.
Yali bleibt nur sieben Tage nach der Geburt bei ihren Eltern, weil sie auch mit ihr überfordert sind.
Deswegen wird das Baby quasi gleich nach der Geburt durch das Jugendamt betreut und kommt zu Pflegeeltern.
Das Sorgerecht bleibt allerdings bei Samira und Benjamin.
Bei den Pflegeeltern hat sie es gut.
Denn die können ihr das geben, wozu ihre leiblichen Eltern nicht in der Lage sind.
Liebe, Stabilität und Geborgenheit.
Irgendwann aber, das ist der Plan vom Jugendamt, soll sie wieder zurück zu ihren Eltern.
Die ersten Monate besuchen Samira und Benjamin Yeli bei ihrer Pflegefamilie.
Manchmal verbringt Yeli auch ein paar Stunden bei ihren Eltern.
Ihre Pflegemutter bemerkt, dass sie nach den Besuchen oft blaue Flecke hat.
Das meldet sie sogar einmal dem Jugendamt.
Samira erzählt aber von Unfällen im Schwimmbad, von einem Unfall mit einem Bettpfosten oder von Spielzeug,
das Yeli von anderen Kindern ins Gesicht bekommen hat.
Als sich im Herbst 2012 die Situation von Samira und Benjamin stabilisiert,
soll Yeli nach und nach wieder zurück zu den beiden geführt werden.
Also erstmal nur ein paar Stunden und dann aber auch das ganze Wochenende.
Was heißt denn stabilisiert?
Wohnen die dann nicht mehr in einer Obdachlosenunterkunft?
Ja, also die beiden sind dann in eine gemeinsame Wohnung gezogen und wollen heiraten
und fühlen sich dann auch generell mit Yeli nicht mehr so überfordert.
Okay.
Yeli trinkt und isst aber weniger, seitdem sich die Besuche häufen und wehrt sich mit Händen
und Füßen, kreilt sich an ihrer Pflegemama fest, wenn ihre Eltern sie abholen wollen.
Oh Gott.
Wenn es an der Haustür klingelt, verfällt Yeli in Panik und nachts wacht sie oft auf und schreit.
Weil Yeli offenbar unter dem ständigen Wechsel zwischen Pflegeeltern und leiblichen Eltern leidet,
entscheidet das Jugendamt, dass Yeli ab jetzt ganz bei ihren Eltern wohnen soll.
Yeli würde da nicht so viel Energie verschwenden bei den traurigen Abschieden.
Wieso kommt man auf die Idee, dass es dann besser ist, das Kind zu den Eltern zu geben,
wo sie immer super Angst hat und auf keinen Fall dahin will, als dass man dann denkt,
dann lassen wir es doch lieber ganz bei der Pflegefamilie und lassen die Eltern einfach nicht mehr kommen.
Ja, da wurden viele Versäumnisse gemacht.
Kurz nach der Zurückführung wird Yeli mit einer lebensgefährlichen Verletzung in ein Krankenhaus eingeliefert.
Das ist aber nicht der einzige Aufenthalt dort.
Sie kommt innerhalb von nur sechs Wochen dreimal ins Krankenhaus und muss sogar notoperiert werden.
Und was waren das denn dann für Verletzungen?
Darunter war zum Beispiel auch eine schwere Hirnverletzung.
Oh Gott.
Nur als ein Beispiel.
Der Rechtsmediziner Klaus Plüschel untersucht das Mädchen
und erstattet Strafanzeige gegen Unbekannt,
weil er sich sicher ist, dass Yeli misshandelt wird.
Das Mädchen kommt vorübergehend in ein Kinderschutzhaus
und das Jugendamt leitet beim Familiengericht ein Verfahren ein,
um Samira und Benjamin das Sorgerecht zu entziehen.
Aber wieder, für alle Verletzungen haben die beiden Ausreden.
Yelis Pflegemutter leidet sehr darunter, dass Yeli jetzt in diesem Kinderschutzhaus ist.
Sie wünscht sich so sehr, sie zu behalten.
Sie schreibt eine E-Mail an die Polizei und das Jugendamt
und liefert ihnen eine Erklärung für Yelis Hirnverletzung.
Eigentlich sind die typisch für ein Schütteltrauma.
Aber sie gibt an, Yeli in der Nacht, als sie nicht aufhörte zu schreien,
in ihren Maxi-Cosi gesetzt und hin- und hergeschaukelt zu haben.
Damit lenkt sie den Verdacht von Samira ab.
Nicht mit Absicht, weil später geht sie an,
dass sie wirklich diese Überlegung gehabt hat,
dass das Schütteln solche Verletzungen verursacht haben konnte.
Obwohl sie darin auch geschrieben hat, dass das nicht sehbar war, sozusagen.
Aber die hat sich halt Sorgen gemacht.
Und Vorwürfe scheinbar.
Wahrscheinlich war es gut gemeint, aber es war leider definitiv nicht gut gemacht.
Denn damit sieht das Familiengericht den Verdacht gegen die Eltern als entkräftet an.
Und Yeli muss wieder zurück.
Obwohl im Oktober 2013 die Rechtsmedizin sogar zu dem Schluss kam,
dass das Schütteln der Pflegemutter nicht der Grund für die Verletzung sein kann.
Trotz, dass sich jetzt der Verdacht gegen die Eltern quasi wieder erhärtet,
werden im November 2013 die Ermittlungen eingestellt,
weil ein Täter nicht gefunden werden kann.
Eine fatale Fehlentscheidung.
Denn kurz vor Weihnachten bricht Yeli einfach in der Wohnung der Eltern zusammen.
Ihr kleiner Körper kann nicht mehr.
Als die Notärztin kommt, versucht sie noch, Yeli zu reanimieren,
kann aber nichts mehr für sie tun.
Während sie den Tod feststellt und die Polizei alarmiert,
weint Samira ein bisschen, wie die Ärztin später sagt,
und raucht auf dem Balkon eine Zigarette.
Yeli musste sterben, weil sie nicht beschützt wurde.
Weil viele Menschen nicht genau hingesehen haben
und weil so eine Reihe von Fehlern passiert ist.
Ihr Tod war grausam und vor allem vermeidbar.
Aber dazu komme ich später noch.
Bei der Obduktion werden allein äußerlich 83 Wunden an Yelis Körper festgestellt.
Alles an diesem Mädchen ist verletzt.
Es gibt im Grunde kein einziges Organ, das keine Schäden davon getragen hat.
Außerdem finden die Gerichtsmediziner Make-up-Spuren am Körper.
Heißt, jemand hatte Yelis äußerliche Wunden versucht zu überschminken,
bevor der Notarzt kam.
Samira und Benjamin kommen in Untersuchungshaft.
Im Fokus der Ermittlungen steht Benjamin.
Die Rekonstruktion des Tatablaufs durch die Polizei ergibt zunächst,
dass der Vater Yeli verprügelte, als Samira in der Badewanne lag.
Da Benjamin ja bereits 20 Mal vorbestraft ist,
unter anderem halt eben auch wegen Körperverletzung,
scheint die Theorie nicht so abwegig.
Außerdem wirft Samira ihm vor, Yeli misshandelt und sie, also Samira, vergewaltigt zu haben.
Als die Polizei Nachbarn und Bekannte aus dem Umfeld befragt,
wird aber relativ schnell deutlich,
Samira scheint hier die Hauptverantwortliche für die Tragödie zu sein.
Sie habe zu Yeli nie eine gute Beziehung gehabt,
sie immer als Störfaktor in ihrem Leben gesehen,
besonders nachdem sie vor Weihnachten eine Affäre mit einem anderen Mann angefangen hatte
und wieder mehr ausgehen wollte.
Zudem verstrickt sich Samira zunehmend in Widersprüche.
Im Juni 2014 beginnt der Prozess gegen Yelis Eltern.
Samira ist wegen Mordes angeklagt,
Benjamin wegen Körperverletzung mit Todesfolge durch Unterlassung.
Vor Gericht erscheint Samira mit einem lilafarbenen Sipppulli.
Die langen schwarzen Haare hat sie sich abgeschnitten und zu einem Zopf gebunden.
Benjamin trägt einen Hemd und einen karierten Pulli darüber.
Während des gesamten Prozesses vermeiden, Samira und Benjamin sich anzusehen.
Benjamin wirkt, als würde er von einer Last niedergedrückt,
schreibt ein Gerichtsreporter vom Hamburger Abendblatt.
Samiras Miene hingegen bleibt unbewegt und fast starr.
Auch wenn Fotos von Yeli gezeigt werden, rührt sie sich kaum.
Nur wenn es um die Misshandlung geht,
kann man in ihrem Gesicht leichte Anzeichen von Rührung erkennen, schreibt die Presse.
Aber als das besagte Handyvideo vom Anfang gezeigt wird,
dreht sich Samira mit dem Rücken zur Leinwand, um nicht hinsehen zu müssen, und weint.
Benjamin hingegen sieht sich an, wie seine Tochter scheinbar unbekümmert tanzt.
Das Video entstand drei Wochen vor Yelis Tod.
Bei Samiras Schluchzen wird Benjamin zornig.
Du hast sie umgebracht, warum weinst du?
Brüht er sie an, steht hektisch vorm Stuhl auf und wirft etwas in Samiras Richtung.
Vermutlich eine Gebetskette.
Du mit deinen Drohungen, jetzt zeigst du dein wahres Gesicht, antwortet Samira.
Der Richter unterbricht die Verhandlung für eine halbe Stunde.
Beim Prozess sagt auch Yelis Pflegemutter aus.
Weinend gesteht sie da, dass sie sich Yelis Verletzung einfach schön geredet hat
und den Verdacht schon hatte, dass die Eltern sie misshandeln.
Insgesamt dauert der Prozess gegen die beiden mehr als fünf Monate.
In dieser Zeit werden Zeugen befragt, die Samira schwer belasten.
Die erzählen dann nämlich von ihrer Unehrlichkeit und sagen, sie wäre aggressiv und unzuverlässig.
Ständig wären Männer bei ihr ein- und ausgegangen, wenn Benjamin nicht zu Hause war.
Einer ihrer Affären sagt sogar selbst als Zeuge aus.
Samira sieht das Ganze als Komplott gegen sich.
Benjamin hätte Freunde eingeschüchtert, damit die gegen sie aussagen.
Aber ein WhatsApp-Verlauf stürzt Benjamins Aussagen.
Dort hatte er nämlich geäußert, dass er Samira zur Therapie schicken will.
Sie hatte daraufhin geantwortet, aber sagte ihnen nicht, dass ich mein Kind schlage.
Als Yelis gestorben war, hatte sie diese Nachricht dann wieder gelöscht.
Samiras Verhalten beschreibt der psychiatrische Gutachter als ambivalent.
Auf der einen Seite hasste sie ihr Kind, auf der anderen wollte sie es aber unbedingt haben.
Sie hatte sie ja auch von den Pflegeeltern immer wieder zurückgeholt.
Und hatte sogar das Wunschbild einer intakten Familie.
Sie hatte dem Gutachter außerdem erzählt, dass sie gern Kinderkrankenschwester geworden wäre.
Wie die meisten Frauen, die ihre Kinder töten, habe Samira ein völlig verstörtes Selbstbild, sagt der Gutachter.
Sie empfinde sich als gute, fürsorgliche Mutter.
Bis heute würde sie ihr Handeln quasi von ihrer eigenen Person abspalten.
Erklärt auch, warum sie immer Benjamin beschuldigt.
Emotionen zeigte sie in den Gesprächen immer nur im Zusammenhang mit ihrer eigenen Situation.
Also sie tut sich selbst total leid und redet vor allem auch gern darüber.
Als es um sie selbst ging, hörte sie quasi fast gar nicht mehr aufzureden.
Außerdem diagnostiziert man ihr eine postnatale Bindungsstörung, die die emotionale Beziehung zu Jelly quasi unmöglich gemacht hat.
Dadurch, dass Jelly dann auch gleich zu Beginn in eine Pflegefamilie gegeben wurde, hat sich die dann quasi noch gefestigt und ist dann nach der Zusammenführung quasi geblieben.
Diese Bindungsstörung ist dann irgendwann in Wut und Hass auf Jelly umgeschlagen.
Samira habe sie für alles erdenklich Schlechte in ihrem Leben verantwortlich gemacht.
Vor allem dafür, dass sie keinem normalen Beruf nachgehen konnte, nachdem sie schwanger geworden war.
Ihr Selbstwertgefühl musste wegen ihrer narzisstischen Art quasi mit etwas kompensiert werden.
Und deswegen musste Jelly leiden.
Aber eine inhaltliche Denkstörung in Form eines Wahngedankens kann er nicht feststellen.
Heißt, dass Samiras Schuldfähigkeit zu keinem Zeitpunkt eingeschränkt war.
Das Landgericht verurteilt Samira zu einer lebenslangen Haftstrafe.
Die Richter sehen das Mordmerkmal der Grausamkeit als erfüllt an, gehen aber nicht mit der Staatsanwaltschaft mit, weil die hatte nämlich eine besondere Schwere der Schuld gefordert.
Heißt, Samira kann nach 15 Jahren Haft auf eine vorzeitige Entlassung hoffen.
In den letzten 14 Tagen ihres Lebens habe Jelly jede Minute Angst und furchtbare Schmerzen erleiden müssen, sagt das Gericht.
Und daran habe sich Benjamin mitschuldig gemacht.
Er soll wegen Körperverletzung mit Todesfolge durch Unterlassung für vier Jahre und sechs Monate ins Gefängnis.
Vor den Qualen, die Samira Jelly zufügte, habe er die Augen verschlossen.
Benjamin und Samira nehmen das Urteil ohne Regung auf.
Wie du dir wahrscheinlich vorstellen kannst, geht einer von den beiden in Revision.
Samira höchstwahrscheinlich.
Der kann sich ja auch glücklich schätzen, der andere mit vier Jahren.
Ja, gehe ich total mit, dass das vielleicht hätte härter ausfallen müssen.
Aber offenbar war er nicht der ausführende Part da.
Aber er ist auch ja dafür zuständig, sein Kind zu beschützen.
Natürlich, ja.
Die Revision wird aber vom Bundesgerichtshof als unbegründet verworfen.
Damit ist das Urteil rechtskräftig.
Samira und Benjamin waren aber nicht die einzigen, die Jellys Tod mit zu verantworten hatten.
Das Gericht sprach in der Verurteilung von einer Reihe von Fehlern, die Jelly wahrscheinlich das Leben gekostet haben.
Beschämend nennt der Richter diese Fehlleistung.
Beispielsweise fiel die Zuständigkeit für Jelly viel zu oft in andere Hände.
Als Jelly zu ihren Eltern zurückgegeben wurde, war Teil der Auflage, dass sie die Kita besuchen müsste.
Mehr als drei Monate vor ihrem Tod wurde diese Abmachung aber gar nicht mehr von den Eltern erfüllt.
Bei einem Hausbesuch des Kinder- und Jugendnotdienstes wurde Jelly offenbar nur oberflächlich untersucht.
Weil sonst wären diese ganzen Verletzungen ja aufgefallen.
Man denkt einfach nur, wieso war nicht eine Person da, die da so mehr dahinter war?
Weißt du, nur eine Person in dieser ganzen Kette, die irgendwie dieses Leid gesehen hätte und irgendwie das gestoppen hätte können.
Wobei man dazu ja sagen muss, dass die Pflegemutter ja trotz Versäumnisse auch dem Jugendamt Bescheid gesagt hat.
Also, ja.
Und der ihre Verletzungen untersucht hat, der hat es ja auch dem Jugendamt gesagt.
Also, es waren meines Erachtens nach schon zwei Personen da, die sich gemeldet haben und die gesagt haben, hier stimmt was nicht.
Und dann wurden aber halt einfach nicht die nächsten Schritte eingeleitet.
Ja, und denen würde ich auch gar keine Vorwürfe machen, also auch gar nicht der Pflegemutter.
Aber diese Jugendamt-Mitarbeiter, die natürlich, man hört immer, dass die super überfordert sind und alles, ja.
Aber die sind ja eigentlich diejenigen, die das dann direkt erkennen müssten, so eine Misshandlung, ja.
Und da wurde halt zu oft gewechselt und eine der Sachbearbeiterinnen, die war dann auch ganz neu im Dienst.
Die kannte sich dann da nicht genug mit aus.
Der Untersuchungsausschuss spricht von einem Totalversagen öffentlicher Stellen.
Das wurde ja spätestens auch bei dieser Panne mit dem Maxi-Cusi da sichtbar.
Eigentlich waren die Eltern, nachdem klar war, dass die Verletzung nicht daher hätte stammen können, nämlich ja wieder verdächtig.
Aber es kümmerte sich halt einfach keiner mehr darum.
Die Ermittlungen wurden da eingestellt und die Mitarbeiterin beim Jugendamt hatte dann die Akte nicht gelesen.
Und deswegen hatte die Richterin nichts von den neuen Erkenntnissen gewusst.
Nach Jallis Tod gab es eine politische Aufarbeitung des Fallens.
Denn vor Jallis gab es Michelle, Lara Mia, Jessica und Chantal.
Bei allen Fällen hätten die Hamburger Behörden mehr tun können.
Zumindest war das der Vorwurf.
Aber immerhin rückten nach den Todesfällen die jeweiligen Stellen in den Fokus der Kritik.
Ich meine, das ist ja auch das Mindeste, was man tun kann, da irgendwie jetzt nachzujustieren.
Bei der Auswahl der Pflegefamilien zum Beispiel oder bei der Kontrolle der Schulpflicht wurde nachgeholfen.
Nach Jallis Tod wurde das Personal bei den Jugendämtern aufgestockt.
Außerdem gibt es jetzt sowas wie ein Vier-Augen-Prinzip bei geplanten Rückführungen in solche schwierigen Familien.
Zudem soll ein Kind, wenn Misshandlungen quasi nicht ausgeschlossen werden können, beim Institut für Rechtsmedizin angesehen werden.
Gerade erst, also in diesem Jahr, im Januar, hatte eine Expertenkommission einen Abschlussbericht vorgestellt, wie man Kinder in Hamburg besser schützen kann.
Was ist denn das da mit Hamburg? Das geht ja gar nicht.
Ja, also die hatten offenbar ein richtiges Problem beim Jugendamt.
Und deswegen kam halt, wurde zwei Jahre lang an diesem Bericht, der jetzt rauskam, wurde zwei Jahre lang gearbeitet, weil die haben sich quasi alle Stellen angesehen.
Also für mich wirkt es schon so, als ob man sich jetzt damit auseinandergesetzt hat.
Und dieser Bericht, der umfasst 600 Seiten.
Und unter anderem steht da drin, dass natürlich noch mehr Stellen besetzt werden sollen.
Und das aber auch effektiv.
Also die haben zum Beispiel Computersysteme, die viel zu viel Zeit schlucken von den Leuten, die halt eigentlich Fälle mit Kindern bearbeiten sollen.
Und das soll dann abgeschafft werden und Familienrichter sollen fortgebildet werden.
Also es hat sich was getan.
Leider bringt das Jelli ja jetzt aber auch nicht mehr zurück.
Auf Jellis Grab liegt heute ein schwarzes Herz aus Stein mit einem Foto von ihr drauf.
Wenn ich auf Friedwürfen gehe, dann gucke ich mir immer die Geburtstage an.
Und auf ihrem steht Oktober 2010 bis Dezember 2013.
Ich finde das so furchtbar, dass dann auch so viele Fälle, die du da gerade gesagt hast, das waren alle in Hamburg?
Das waren nur Hamburger Fälle, ja.
Also schon nach dem ersten hätte das passieren müssen.
Zumindest, dass man sozusagen, dass das Jugendamt zumindest denkt, fuck, hier müssen wir mal ein bisschen mehr aufpassen bei den Fällen.
Also nochmal dreifach da drauf gucken und dann kommen aber noch, was soll's ich, vier andere Fälle, bis das dann passiert.
Genau, aber die hatten nach jedem Fall, hatten sie schon was geändert.
Also bei Jessica zum Beispiel, den wir aus dem Verbrechen-Podcast kennen, da hatten die danach auf die Kontrolle der Schulpflicht geguckt.
Da wurde immer was nachjustiert, aber das hat offenbar nicht gereicht bei diesem ganzen Apparat, wo so viel schiefgelaufen ist oder wo zumindest so viel schieflaufen konnte.
Ich überlege auch gerade, man gibt ja natürlich jetzt gerade dem Jugendamt alle Schuld so, aber man muss ja auch mal überlegen, woher kommt das?
Und es sind ja diese Familien und diese Mütter, ja, und Väter auch natürlich, wie man da eigentlich präventiv was machen kann, weil das muss ja auch ein Ansatz sein sozusagen.
Das ist wahrscheinlich ganz schwierig, ja.
Die ersten Überlegungen waren ja offenbar da, also die haben ja Jelli gleich da weggenommen und hatten die zu dieser Pflegemutter gegeben, die in einem ganz tollen Stadtteil gewohnt hat, die Designerin war, die da wirklich ein stabiles Umfeld geben konnte eigentlich, ja.
Und natürlich verstehe ich auch, dass der Plan auch sein muss, ein Kind immer wieder zu den richtigen Eltern zurückzuführen.
Aber wenn es halt eben die Eltern nicht können und wenn sie nicht dazu in der Lage sind, dann muss es halt eben jetzt auch Instrumente geben, das zu erkennen.
Ja.
Und die gab es halt damals nicht, offenbar.
Ja, und manchmal ist es vielleicht auch einfach besser, zu der Familie zu kommen, wo das Kind mehr Liebe erfährt als zu den leiblichen Eltern, die das manchmal einfach nicht können.
Und dann, auch wenn das immer das Ziel ist, in die Familie zurück, aber ...
Bei Samira haben viele psychische Komponenten zu diesem grauen, vollen und traurigen Ende geführt.
Aber eine Sache wollte ich mir da noch mal genauer rauspicken und das ist die postnatale oder wie man eigentlich eher sagen würde, postpartale Bindungsstörung.
Und das hat mich deswegen eben interessiert, weil ich das immer wieder beeindruckend finde und erschreckend, wie Hormone oder Psychosen unser Handeln halt und die Stimmung beeinflussen können.
Postpartale Bindungsstörungen kommen häufig mit psychischen Erkrankungen, wie zum Beispiel einer postpartalen Depression einher.
Wie gesagt, bei Samira war das auf keinen Fall der einzige Grund, aber einer.
Und erkennt man so eine postpartale Depression schnell genug, kann der Bindungsstörung vorgegriffen werden, indem man sie einfach behandelt.
Grund für die Depression nach der Geburt kann zum Beispiel ungesunder Stress in der Schwangerschaft sein, ein traumatisches Erlebnis der Geburt, fehlende soziale Unterstützung oder auch, dass man unzufrieden mit seinem Partner ist.
Eine sogenannte Hochrisikogruppe für postpartale Depressionen sind übrigens hochgebildete unter 30-jährige Frauen.
Weil man vermutet, dass die mit den Befürchtungen zusammenhängt, dass man halt eben seiner Karriere nicht mehr nachgehen kann, wie bisher und damit, dass man zu hohe und auch teilweise unerfüllbare Ansprüche an sich selbst als Mutter hat.
Das ist ja auch ein großes gesellschaftliches Thema, dass man immer so dieses Bild dieser Übermutter im Kopf hat.
Das kann ich mir total vorstellen.
Genau, man muss quasi eigentlich jetzt heutzutage eine super Mutter sein, aber gleichzeitig auch noch eine Karrierefrau sein.
Und das kann ich mir total vorstellen, dass es vor allen Dingen bei diesen Frauen der Fall ist.
So häufig passiert das aber nicht.
Zur Einordnung, 10 bis 20 Prozent aller Mütter bekommen eine postnatale Depression.
Hierunter fällt übrigens nicht der Baby bloß.
Und 11 Prozent der Mütter, die so eine postnatale Depression entwickeln, entwickeln dann eine Bindungsstörung.
Ein großer Faktor bei der Bindung zum Kind spielt das Hormon Oxytocin.
Das wird zum Beispiel dann ausgeschüttet, wenn das Kind nach der Geburt auf die Brust der Mutter gelegt wird.
Verrückt.
Aber auch, wenn die Mutter das kleine Kind nur sieht oder hört oder riecht.
Ich habe mir da so wissenschaftliche Artikel zu durchgelesen.
Und es ist ganz absurd, was durch diese Berührung alleine da auch bei dem Kind passiert.
Also dieses Hormon wird ausgeschüttet von der Mutter, wenn das Baby auf ihr liegt oder sie es riecht und sieht?
Also es ist generell ein Bindungshormon.
Deswegen gehe ich davon aus, dass es auch bei dem Baby ausgeschüttet wird.
Okay, verrückt.
Nun hatte Samira Yajeli relativ zeitnah zu Pflegeeltern gegeben.
Die war ja nur sieben Tage bei Samira.
Und genau deswegen hatte der Gutachter auch davon gesprochen, dass sich die Bindungsstörung durch das Weggeben quasi noch manifestiert hat.
Die Bindung zu dem Baby ist aber halt eben deswegen so wichtig, weil das Neugeborene dann weiß, Mama und Papa sind da, wenn ich etwas brauche.
Wichtig hierbei nochmal zu sagen, eine Bindungsstörung zum eigenen Kind ist nicht immer krankhaft und sie endet auch garantiert nicht zwangsläufig in der Tötung des Kindes.
Es gibt Anlaufstellen, an die sich Mütter wenden können, wenn sie das Gefühl haben, ihr Kind nicht so zu lieben, wie sie es sollten.
Ich hatte mich übrigens gefragt, wenn ein möglicher Grund für fehlende Bindung zum Kind ein Mangel an Oxytocin ist, kann man sich das denn nicht einfach künstlich spritzen?
Und es gibt tatsächlich Anbieter im Internet, die das als Nasenspray anbieten.
Da waren Experten aber vor.
Finger weg, das ist nämlich noch nicht ausreichend getestet.
Das wird zwar schon bei der Geburt eingesetzt, aber eben noch nicht in der Paartherapie.
Und Forscher glauben aber schon, dass es da dann auch irgendwann Einzug finden wird.
Und das finde ich lustig, weil ich habe neulich den Film Zoe gesehen und das hatte soweit in der Zukunft gespielt.
Da haben Leute dann Pillen gekauft, die dann so ein Verliebtheitshormon ausgeschüttet haben und dann haben die immer sich einfach nebeneinander gelegt und sich dann ineinander verliebt.
Und dieses Hormon soll dann bei kriselnden Ehen eingesetzt werden, sozusagen, damit die sich wieder aneinander annähern?
Bei Personen, die Probleme haben, eine Bindung zu einem Partner aufzubauen.
Okay.
Also wahrscheinlich, weil die einfach selber in der Kindheit traumatisiert wurden oder weil sie zu den Eltern nicht wirklich eine Bindung aufbauen konnten.
Ja, das klingt auf jeden Fall sinnvoll.
Also man muss immer da natürlich voll aufpassen, wie man das so dosiert und wem man das gibt.
Aber ich meine, bei Menschen, die nie Anerkennung oder Aufmerksamkeit von ihren Eltern erfahren haben, wie sollen sie das auch dann weitergeben?
Ja.
Wenn es das dann auf dem Markt zu kaufen gibt, dann möchte ich, dass wir das unseren Arbeitgebern spritzen.
Dass die sich an uns gebunden fühlen und an Mordlust.
Das ist eine gute Idee.
Mein Fall, diese Folge trägt den Titel Strafsache Sonja.
Er handelt von zwei Frauen, von denen eine eine Mörderin ist.
Bis heute weiß man aber nicht, welche von beiden.
Das sagt Annika zu einer Spiegel-Reporterin im Besucherraum der JVA Dienstlaken im Sommer 2002.
Rückblick.
An einem Novembermorgen zwei Jahre zuvor sitzt Annika in ihrem Betriebswirtschaftskurs am Berufskolleg in Wuppertal.
Die 22-Jährige hat einen Tisch für sich alleine in der ersten Reihe, direkt vor dem Lehrerpult.
Keiner möchte sich neben sie setzen.
Annika ist äußerlich unscheinbar.
Sie ist korpulent, nie geschminkt, trägt große Schlabberpullis und eine Brille mit dicken Gläsern.
Sie ist unsicher und verschlossen.
In der Schule schaut sie oft aus dem Fenster, träumt sich davon und scheint für ihre Lehrer und Mitschüler nicht wirklich anwesend zu sein.
Im November steht sie kurz vor ihrer Abschlussprüfung zur Bankkauffrau.
Annikas Mutter Andrea ist froh, dass Annika endlich etwas Vernünftiges lernt.
Endlich geht es in die richtige Richtung.
Nur der Mann an Annikas Seite gefällt ihrer Mutter nicht.
Annika ist seit vier Monaten mit Dennis verlobt.
Er ist 33 und Physiotherapeut.
Mutter Andrea wünscht sich für ihre Tochter eigentlich ein anderes Kaliber.
Sie selbst lebt mittlerweile in der dritten Ehe.
Physiotherapeut ist doch ein ansehnlicher Beruf.
Für Andrea scheinbar nicht.
Ihr aktueller Mann Volker ist ein millionenschwerer Geschäftsmann mit eigenem Verpackungsunternehmen und 50 Angestellten.
Keine Kinder.
Mit ihm lebt die 46-Jährige allein in einer Villa in Düsseldorf.
Ihre Tochter Annika wohnt in einer Zweizimmerwohnung in Wuppertal.
Am Sonntag möchten Annika und Dennis Annikas Eltern besuchen.
Mutter Andrea freut sich schon.
Am Sonntagnachmittag machen sich Annika und Dennis dann auf den Weg nach Düsseldorf.
Um halb drei klingeln die beiden an der Tür von Annikas Eltern im Düsseldorfer Stadtteil Bilk.
Die vier verbringen den ganzen Nachmittag und Abend zusammen, trinken Cocktails und spielen Karten.
Am nächsten Morgen findet die Haushälterin Andrea und Volker tot in der Diele des Hauses liegen und ruft die Polizei.
Den Beamten bietet sich ein Bild der Zerstörung.
Die Leichen des Ehepaars liegen blutüberströmt im Flur.
Das Haus ist verwüstet.
Alles deutet auf einen Raubmord hin.
Schließlich ist in der Nachbarschaft bekannt, dass es sich bei dem Ehepaar um reiche Bewohner der Stadt handelt.
Zwei Tage später steht die Polizei vor Annikas Wohnungstür in Wuppertal.
Die Beamten haben Fragen zu ihren Eltern.
In Wirklichkeit wird sie verdächtigt, den Doppelmord begangen zu haben.
Annika muss in U-Haft und wird immer wieder verhört.
Sie bekommt zwei junge Anwältinnen zur Seite gestellt, die sie oft in der JVA besuchen.
Annika schreibt den beiden Frauen danach immer wieder Briefe, in denen sie sich bei ihren Anwältinnen freundlich bedankt.
Diese Briefe sind auf lilafarbenem Papier in Druckschrift und mit niedlichen Zeichnungen geschrieben.
Im Mai, also fast ein halbes Jahr nach der Tat, bekommen die Juristinnen dann wieder Post.
Allerdings nicht von Annika, sondern von einer gewissen Sonja, die den Mord an Annikas Eltern gesteht.
Sonjas Schrift gleicht der einer Erstklässlerin und ihre Ausdrucksweise ist asozial.
Sonja schreibt,
Diese schwanzlutschenden, verseuchten Arschlöcher hätten Annika echt bis zum nächsten Selbstmord gebracht.
Es war einfach notwendig, dass das ein Ende hat.
Annika kam dann ja auch noch auf die verwichst beschissene Idee, dieses sadistische Scheißvieh retten zu wollen.
Ist richtig nach hinten gekippt und ich hatte endlich eine Chance, das Messer auch mal zu bekommen und zuzustechen.
Das war echt genial.
Das klingt nach einem netten...
...Schriftwechsel.
Der Brief endet mit den Worten...
...Also ficken sie gut.
Sonja.
Annika lernt Sonja kennen, als sie ungefähr 17 Jahre alt ist.
Sonja ist das komplette Gegenteil von ihr.
Sie hat harte Gesichtszüge, träumt sich nicht in andere Welten.
Sonja stellt sich der Realität und weiß genau, was sie will.
Was willst du? Komm her, kriegst einen auf die Birne, ist so ein Spruch von ihr.
Sonja wird Annikas gute Freundin und verlässt sie nie mehr.
Doch es gibt keine Sonja.
Sonja lebt nur in Annikas Kopf.
Die Briefe kommen nämlich aus Annikas Zelle der JVA-Dienstlagen.
Als den Anwältinnen das klar wird, beginnen sie mit der Recherche.
Hat Annika eine zweite Persönlichkeit, die mitredet und mitentscheidet?
Liegt die Verantwortung für die Morde dann vielleicht nicht bei Annika allein?
Ab sofort heißt der Fall für die Anwältinnen Strafsache Sonja.
Bei ihrer Recherche finden sie heraus, dass Annika drei Jahre vor der Tat in psychologischer Behandlung war
und ihre Psychologin bei Annika den Verdacht auf dissoziative Identitätsstörungen,
früher multiple Persönlichkeitsstörungen hatte.
Außerdem wird in ihrer Wohnung das Buch
Ich habe dir nie einen Rosengarten versprochen,
eine autobiografische Geschichte einer Schizophrenen gefunden,
in dem immer wieder am Rand der Name Sonja ein Bleistift zu sehen ist.
In ihren Briefen erzählt Annika als Sonja, dass sie sich von ihrer Mutter nie geliebt gefühlt hat.
Sie behauptet, mit zehn Jahren das erste Mal vergewaltigt worden zu sein
und zwar von einem Angestellten ihres ersten Stiefvaters.
Die Mutter habe vom Fenster aus zugesehen und hinterher gesagt,
bist ja selber schuld.
Außerdem habe ihre Mutter ihr geliebtes Dressurpferd zu Wurst verarbeiten lassen,
nachdem es lahmte.
Das hat die Sonja jetzt erzählt.
Genau.
Wo erzählt die Sonja das rein?
In den Briefen?
Ja.
Zu den Anwälten und die denken sich, ja.
Das ist Annika, wissen die ja genau.
Aber also Annika erzählt das aus Sonjas Perspektive.
Ja, ja, ich weiß.
Ja, ja, aber für die ist es ja erst mal die Persönlichkeit Sonja sozusagen.
Genau.
Und die erzählt eben das mit dem Pferd
und dass die Mutter ihr das quasi grinsend diese Nachricht überbracht hat.
Als Teenager sei sie dann noch zweimal vergewaltigt worden.
Diesmal von mehreren Mitschülern am Gymnasium.
Insgesamt strotzen diese Sonja Briefe nur so vor Wut gegenüber Mutter Andrea.
Also was war am 5.
Und was war am 5.
November geschehen?
Als Annika oder Annikas zweite Persönlichkeit Sonja, ich lasse das jetzt hier mal offen, und
Dennis, Annikas Eltern am 5.
November besuchen, geht Annika um kurz nach drei in die Küche, um Getränke zu holen.
Sie mischt mitgebrachten Wodka mit Schlaftabletten und füllt es in zwei Likörgläser.
Da gibt es einen Cocktail, den müsst ihr unbedingt probieren, der schmeckt sogar mir, sagt Annika zu ihren Eltern und stellt ihnen die Gläser hin.
Volker trinkt den Drink auf X.
Andrea fragt noch, was schwimmt denn da unter der Sahne?
Mehl, so ist das Rezept, antwortet Annika.
Danach setzt sich Volker vor den Fernseher und schläft ein.
Die anderen drei spielen Karten am Esszimmertisch.
Nach einer Weile fragt Annika, Mama, hast du eine Kopfschmerztablette für mich?
Die beiden gehen zusammen hoch, um in die Hausapotheke zu schauen.
Währenddessen weckt Dennis Volker und fragt, wollten wir nicht los zum Essen?
Volker steht auf und greift nach seiner Jacke.
Kann ich dir helfen?
fragt Dennis, bevor er mit einem 24 Zentimeter langen Tranchiermesser zusticht.
Annika kommt dazu und hält ihrem Stiefvater den Mund zu.
Der beißt ihr in die Hand.
Dann steht...
Was ist ein Tranchiermesser?
Zum quasi Fleischdurchschneiden.
Der beißt ihr in die Hand.
Dann sticht Dennis Volker mit dem Messer in die Brust.
Andrea, die die Schreie ihres Mannes gehört hat, will ihm zu Hilfe eilen.
Doch ihre Tochter hält sie auf und fest,
sodass Dennis auch hier mehrmals mit dem Messer zustechen kann.
Annika, wir können doch über alles reden, ruft Andrea noch.
Dann sticht Annika zu.
Andrea und Volker liegen am Boden.
Annika und Dennis kontrollieren noch den Puls,
um auch wirklich sicherzugehen, dass sie tot sind.
Dann legen sie die Leiche von Andrea auf die ihres Mannes.
Um es danach wie einen Raubmord aussehen zu lassen,
gehen Annika und Dennis durch das Haus und ziehen Schubladen aus den Schränken und machen Unordnung.
Außerdem lassen sie die Terrassentür sperrangelweit auf, als sie das Haus verlassen.
Danach fahren die beiden nach Hause und schauen sich einen Spielfilm im Fernsehen an.
Ich finde gerade, jemanden mit einem Messer umzubringen, so bestialisch.
Also da musst du ja schon sowas von abgebrüht sein.
Dass du danach einfach so dich vor den Fernseher legen kannst und einen Film gucken kannst.
Ja, und vor allem, ich meine, das ist ja so ein Messer, in einen lebenden Menschen reinzurammen.
Und dann sind es auch noch die eigenen Eltern.
Das ist, ich finde das ganz grausam.
Naja, auf jeden Fall fahren sie dann nochmal los und so gegen Viertel vor elf am Abend und fahren zum Rhein.
Und werfen dann da das Messer, dass sie da mit Steinen beschwert haben und ihre blutverschmierte Kleidung ins Wasser.
Und warten, bis die Sachen nicht mehr zu sehen sind.
Im Sommer 2001 beginnt die Verhandlung vor dem Schwurgericht im Landgericht Düsseldorf.
Annikas Anwältinnen wollen versuchen, vor Gericht zu beweisen, dass Annika wegen einer gespaltenen Persönlichkeit schuldunfähig ist.
Sie hoffen auf einen Gutachter, der ihren Verdacht bestätigt.
Am ersten Prozestag verließ die Staatsanwaltschaft die Anklage.
Die lautet, Annika wird des Doppelmordes aus Habgier angeklagt.
Annika habe ihre Eltern umgebracht, um das Millionenvermögen ihres Stiefvaters zu erben.
Als handwerste Beweise für Annikas Schuld werden ein blutiger Fingerabdruck von ihr und eine Bissspur von Volker in ihrer Hand präsentiert.
Außerdem haben sowohl Annika als auch Dennis in Verhören mit der Polizei den Doppelmord gestanden.
Annika hatte außerdem ausgesagt, dass ihre Mutter sie immer wieder schikaniert und kurz vor ihrem Tod damit gedroht hatte, Annika zu enterben.
Andrea wäre ja die Alleinerbin von Volker gewesen, weil der keine Kinder hatte.
Und wenn beide sterben würden, wäre rechtmäßig alles auf Annika gefallen.
Dann ist die Verteidigung dran.
Die präsentiert hingegen ihre Theorie der gespaltenen Persönlichkeit ihrer Mandantin.
Annika hatte ausgesagt, dass sie während der Tat weggekippt wäre, so als ob man zurückgeht innerlich wie betäubt.
Auch die Briefe von Sonja werden vorgelesen, in der sie ja auch von der Situation erzählt und den Mord an den Eltern auf ihre Kappe nimmt.
Doch es scheint, als würde im Gerichtssaal dieser Theorie keiner so richtig glauben.
Während der ersten Tage sitzt Annika die ganze Zeit stumm und mit gesenktem Kopf auf der Anklagebank.
Am dritten Verhandlungstag wird dann eine Freundin von Annikas Mutter in den Zeugenstand gerufen.
Diese gibt an, dass Andrea eine liebevolle Mutter gewesen sei und Annika ein verzogenes Kind.
Als Annika das hört, regt sie sich zum ersten Mal.
Sie schnellt hoch und zischt mit zusammengepressten Lippen böse und obszöne Worte.
Im Verhandlungssaal herrscht erst Totenstille, dann gibt es lautes Raunen und Empörung.
Sprich dort etwa Sonja?
Danach werden ein Psychiater und ein Psychologe befragt, die Annika untersucht hatten.
Die Experten attestieren ihr Geltungs- und Erlebnisdrang, emotionale Kühle, Distanziertheit und übermäßige Inanspruchnahme durch Fantasie.
Beide erklären im Zeugenstand, dass Annika zwar auffällig fantasievoll sei, aber nicht aus zweigespaltenen Persönlichkeiten bestehe.
Annikas Anwältinnen wollen dagegen steuern.
Sie beantragen die Vorladung der Psychologin Ursula Gast von der Medizinischen Hochschule Hannover,
die auf multiple Persönlichkeitsstörungen spezialisiert ist.
Diese wird von dem Richter und der Staatsanwaltschaft aber abgelehnt.
Die Gründe? Zu wenig Erfahrung in der Forensik und weil die Psychologin zu oft als Expertin für multiple Persönlichkeiten
im Fernsehen zu sehen war.
Dann versuchen es die Anwältin mit der Vorladung der Düsseldorfer Psychotherapeutin,
die Annika im Jahr 1997 nach 25 Sitzungen die Verdachtsdiagnose multiple Persönlichkeit gestellt hatte.
Aber auch die wird abgelehnt.
Am Ende der zehn Verhandlungstage schließt sich das Gericht den Gutachtern an
und verurteilt Annika des gemeinschaftlichen Doppelmordes zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe mit besonderer Schwere der Schuld.
Auf jeden Fall wird sie ja verurteilt und das Motiv sei Habgier gewesen.
Aber Annikas Anwältinnen sind überzeugt, dass ihre Mandante nicht aus Habgier gehandelt hat,
sondern weil sie eben psychisch krank ist.
Möglicherweise hat Annika ihre Mutter umgebracht, weil diese sich nie geliebt gefühlt hat von ihr.
An dieser Stelle muss ich aber sagen, niemand außer Annika hat die Schikanen der Mutter und auch den sexuellen Missbrauch bestätigen können oder wollen.
Aber das war ja eh dann diese Sonja angeblich, oder nicht?
Ja, aber wenn man zum Beispiel jetzt davon ausgehen würde, dass Sonja die zweite Persönlichkeit sozusagen ist,
dann würde man davon ausgehen, dass Annika in der Jugend sexuell missbraucht wurde, sozusagen.
Also Annikas Körper sozusagen, ja.
Aber wenn in dem Moment Sonja die Person war, die Besitz von dem Körper ergriffen hat,
dürfte Annika sich doch theoretisch daran auch gar nicht erinnern.
Nee, genau. Deswegen, die Briefe waren ja von Sonja, nicht von Annika.
Also ich rede jetzt hier immer von Annika, auch wenn zum Beispiel Sonja geredet hat,
weil man ja nicht eben weiß, wer wann geredet hat, sozusagen, und es immer Annikas Person und Körper sozusagen war.
Ja, und weil man nicht weiß, ob es Sonja überhaupt gibt.
Das Gericht sagt nein, aber die Anwältinnen glauben eben schon, dass es möglich wäre.
Annikas Anwältinnen legen auf jeden Fall sofort nach dem Urteil Revision beim Bundesgerichtshof ein.
Diese wird am 8. Juli 2002 jedoch verworfen.
Heute sitzt Annika in der Justizvollzugsanstalt Dienstlaken.
Dreimal neun Meter ist ihr neues Zuhause groß.
Ganz ehrlich, lieber ein Leben lang im Knast als noch einen Tag mit den Eltern,
sagt sie gegenüber der Spiegel-Reporterin.
Auf die Frage, wie man zu so einer Tat fähig ist, sagt Annika,
Wir sind frei, zum ersten Mal in unserem Leben.
Also Annika hält bis heute daran fest, dass es diese Sonja auch gibt.
Ja, soweit ich weiß schon.
So was muss man ja auch erst mal durchziehen.
Und dann muss diese Sonja ja auch immer mal wieder rauskommen.
Ja, die kam halt bei der Verhandlung halt auch nur einmal raus.
Und ich komme jetzt auch dazu, ob das so glaubwürdig ist.
Wie wahrscheinlich ist es, dass sie wirklich eine multiple Persönlichkeitsstörung hatte.
Und zwar wird dieses Krankheitsbild ja heute übrigens dissoziative Identitätsstörung genannt.
Und wird tatsächlich ziemlich oft mit der Schizophrenie verwechselt.
Schizophrenie hören zwar auch Stimmen, aber diese kommen nicht von unterschiedlichen Persönlichkeiten.
Bei der dissoziativen Identitätsstörung hat sich die Psyche der betroffenen Personen
in mehrere Teilpersönlichkeiten aufgespaltet.
Diese übernehmen dann abwechselnd die Kontrolle über das Denken, Fühlen und Handeln der Person
und wissen in der Regel nichts voneinander.
Jede Persönlichkeit verfügt dabei über eigene Charaktereigenschaften, Verhaltensweisen und Erinnerungen.
In der Regel entwickeln die Betroffenen mehr als nur eine weitere Persönlichkeit.
Die haben dann auch unterschiedliche Namen, selten auch ein anderes Geschlecht
und oder ein ganz anderes Alter als die Ursprungspersönlichkeit.
Oft haben Betroffene Erinnerungslücken und merken, dass mit ihnen irgendetwas nicht stimmt.
Sie wissen aber oft lange nicht, dass sie mehrere Persönlichkeiten in sich tragen.
Als Ursache für die dissoziative Identitätsstörung werden Entwicklungsstörungen im Gehirn
aufgrund extrem traumatischer Erlebnisse während der Kindheit vermutet.
Das kann ein sexueller Missbrauch oder schwere körperliche Misshandlungen sein.
Manche Kinder spalten danach die Erinnerungen an solche Erlebnisse von sich ab und eine zweite
Persönlichkeit übernimmt dann sozusagen die Erinnerung an das Erlebte.
Die ursprüngliche Persönlichkeit kann sich dann an das Erlebnis nicht mehr erinnern und
schützt sich sozusagen durch die andere Persönlichkeit vor der Auseinandersetzung mit dem Trauma.
Bei einer Therapie wird dann versucht, die abgespaltenen Teilpersönlichkeiten wieder zu einer
einheitlichen Persönlichkeit zusammenzuführen.
Dass die Gehirne von Betroffenen tatsächlich anders arbeiten, haben übrigens verschiedene Tests gezeigt.
2003 zum Beispiel haben niederländische Forscher betroffene Frauen mithilfe eines Geräts untersucht,
das anzeigt, welche Gehirnbereiche wann angesprochen werden.
Während die Frauen an die Geräte angeschlossen waren, haben sie ihnen Geschichten vorgelesen,
die von sehr belastenden Kindheitserlebnissen aus ihrem eigenen Leben erzählten.
Wenn die Ursprungspersönlichkeit die Geschichte zu hören bekam, erinnerte sie sich daran,
dass sie diese Geschichte selbst erlebt hat und Bereiche im Gehirn sprangen an,
die für das Empfinden von Gefühlen zuständig sind.
Hatte eine andere Persönlichkeit gerade die Oberhand über die Frau,
während dieselbe Geschichte vorgelesen wurde,
dann erinnerte sich diese Persönlichkeit nicht an die Geschichte
und andere Bereiche im Gehirn sprangen an.
Die Forscher deuteten die Ergebnisse dann so,
dass die abgetrennte Persönlichkeit dazu dient,
die Erinnerung an sehr schlimme Erlebnisse zu unterdrücken.
Trotz der verschiedenen Untersuchungsergebnisse zu dem Thema
ist das Krankheitsbild aber bis heute umstritten.
Und es wird wohl noch eine ganze Zeit dauern,
bis diese Störung sicher diagnostiziert bzw. ausgeschlossen werden kann.
Wie bei meinem letzten Aha, der tatbezogenen Amnesie,
gibt es hier nämlich auch die Gefahr der Simulation.
In den USA zum Beispiel gab es bisher mindestens 20 Fälle,
in denen Straftäter behaupteten,
an einer dissoziativen Identitätsstörung zu leiden.
Sie schoben dann ihre Schuld auf eine andere Persönlichkeit in ihn,
um für schuldunfähig erklärt zu werden.
Ob Annika aus meinem Fall wirklich eine gespaltene Persönlichkeit hat,
ist auch fragwürdig,
denn einiges an ihrem Fall spricht gegen diese Theorie.
Annika behauptet ja, nur eine weitere Persönlichkeit zu haben,
die ihr selbst in vielen Dingen ähnelt
und mit der sie auffällig viele Erinnerungen teilt.
Annika hatte auch im Gegensatz zu den meisten Menschen mit dieser Störung
keine lange zurückliegende Geschichte von Erinnerungslücken.
Es ist zudem ungewöhnlich,
mit was für einer Selbstverständlichkeit Annika und Sonja
alles übereinander wissen und sich akzeptieren.
Auch da Sonja nur einmal in den 10 Tagen der Verhandlung aufgetaucht ist,
und zwar dann, als der Theorie der gespaltenen Persönlichkeit
niemand zu glauben schien, ist auffällig.
Es kann also auch sein, dass Annika sich durch ihre Psychologin und die Literatur
das Wissen zu der Krankheit angeeignet und simuliert hat
und am Ende wirklich nur das Geld ihres Stiefvaters wollte
und dann Dennis, ihren Freund oder Verlobten, für ihre Zwecke benutzt.
Von diesem Dennis weiß ich auch nur, dass er auch im Gefängnis sitzt.
Da das Gericht am Ende von dem Habgier-Motiv ausgegangen ist,
gab es da eben keinen großen Erklärungsbedarf mehr.
Was ich mir aber denke ist, auch wenn Annika sich Sonja nur ausgedacht hat,
dann ist sie ja definitiv psychisch krank,
dann hat sie keine multiple Persönlichkeitsstörung,
aber irgendetwas anderes.
Und egal was, sie sollte meiner Meinung nach nicht im Gefängnis sitzen,
sondern irgendwie in einer psychiatrischen Einrichtung betreut werden.
Oder was meinst du?
Ja, wobei, nö.
Also ich würde einfach sagen, schlauer Versuch,
sich da in eine psychiatrische Krankheit reinflüchten zu wollen.
Aber das heißt ja noch lange nicht,
dass die halt wirklich Bahngedanken hat oder so.
Also sicherlich braucht die psychologische Unterstützung.
Ich bin aber schon der Meinung,
dass die auf jeden Fall wegen des Mordes sitzen sollte.
Wenn sie nicht diese multiple Persönlichkeitsstörung hatte, meinst du?
Ja.
Also wenn sie sich das wirklich nur ausgedacht hat,
so, um jetzt da drumherum zu kommen, schon.
Aber was ich halt so komisch finde, ist,
dass sie halt schon vor drei Jahren diese Diagnose bekommen hat.
Deswegen, das spricht für mich halt dafür,
dass entweder sie wirklich eine zweite Persönlichkeit hatte
oder dass sie sich das selber eingeredet hat oder so.
Weißt du, was ich meine?
Ich glaube, diese Sonja hätte dann viel öfter irgendwie zutage treten müssen.
Dann hätten auch andere Leute diese Sonja mal kennengelernt.
Erst recht ihr Freund oder Leute aus dieser Berufsschule,
wo sie halt eben war.
Die war ja jetzt nicht abgeschottet von der Außenwelt.
Irgendwer hätte die dann ja mal zu Gesicht bekommen.
Und offenbar war das nicht so,
weil ansonsten hätten die ja vor Gericht ausgesagt.
Da hätte sich das Gericht darauf berufen können.
Ich kenne mich da ja richtig gut aus
auf dem Gebiet der dissoziativen Identitätsstörung bei GZSZ.
Da gab es nämlich auch früher, ganz, ganz früher, Anna.
Die war Model.
Und dann tauchte auf einmal eine Judith in Berlin auf,
die genauso aussah wie Anna.
Und das war dann nämlich ihre zweite Persönlichkeit.
Und die war ganz aggressiv auch.
Und die Anna konnte sich dann nämlich an gar nichts erinnern,
was die Judith gemacht hat.
Da bin ich da sehr in Kenntnis,
dass die dann von den Taten zumindest nichts wissen.
Wurde zumindest da natürlich nur gesagt, ja.
Ja, aber auch wahrscheinlich auf wissenschaftlicher Grundlage,
weil sie haben diese Anna und Judith da ja so dargestellt,
wie ich das jetzt auch über die dissoziative
Persönlichkeitsstörung gelesen habe.
Super interessantes Thema, aber auch total schwierig zu fassen irgendwie.
Auf jeden Fall denke ich,
dass diesen Mädchen irgendwann mal hätte geholfen werden müssen.
Die schienen ja jetzt vorher nicht großartig aggressiv oder so zu sein.
Also irgendwas muss da ja los gewesen sein.
In Vorbereitung auf meinen Fall habe ich übrigens den Spiegelartikel von Fiona Ehlers gelesen,
die mit Annika persönlich gesprochen hat.
Wie hat dir denn dein erster Fall mit einer Mörderin gefallen?
Ich fand es eigentlich genauso wie bei Männern auch.
Bei mir war das so, ich dachte ja mir irgendwann mal, ich will nicht immer nur Männer machen,
weil Männer oft Triebtäter sind oder das, was mit Aggressivität zu tun hat und so.
Ich hatte ja schon über das Satanspaar aus Folge 2 gesprochen,
über Marianne Bachmeier, die aus Rache gemordet hat in Folge 8,
beim Pferdemädchenmord in Folge 9 war ja auch eine Mörderin dabei und Mary Bell aus der 10 war auch ein Mädchen und der Haustyrannenmord aus Folge 14.
Bei mir war das aber so, dass ich mir diese Fälle halt auch immer ausgesucht habe.
Also ich musste danach so ein bisschen suchen, weil mich das eben interessiert hat, warum die Frauen morden.
Und es ist tatsächlich nicht so einfach, solche Fälle zu finden.
Alleine schon wegen der Menge der Fälle, wo Frauen die Täterinnen sind.
Denn nur 10% der Tötungsdelikte werden von Frauen begangen.
Und warum das so ist, das hat uns netterweise die Psychologin Lydia Benecke verraten.
Sie hat sich ausführlich mit Fällen beschäftigt, wo Frauen die Täterinnen waren.
Und das hier ist ein Grund.
Da gibt es zum Beispiel biologische und hormonelle Unterschiede.
Sehr gerne wird auch immer angeführt, beispielsweise das männliche Sexualhormon Testosteron.
Das wird in gewissen Kontexten mit aggressivem Verhalten in Verbindung gebracht.
Und weil Männer ja offensichtlich mehr Testosteron als Frauen haben, wäre das ein ganz plakativer Faktor, wo man sagen könnte,
ja, es werden besonders viele, zum Beispiel Tötungsdelikte begangen, von eher jungen Männern an eher jungen Männern.
Ein typisch männliches Phänomen ist, wo junger Mann den anderen jungen Mann tötet im Streit.
Und das findet man halt bei Frauen nicht.
Da kann man jetzt sagen, ja, man mag daran liegen, dass bei jungen Frauen im selben Alter
erstens mal weniger Hormon vorhanden ist, was aggressives Verhalten fördert und sicherlich auch sehr stark mit reinspielt.
Die Rollenerwartung und Rollenstereotype und das Selbstbild und so weiter.
Also sehr wahrscheinlich gibt es hier ganz, ganz viele Dinge, die dieses Gesamtphänomen,
Bei der Auswahl der Opfer unterscheiden sie sich aber nicht besonders stark von den männlichen Tätern.
Tötungsdelikte werden sowieso häufiger von Menschen an Menschen begangen, die sie kennen.
Aber bei Frauen ist das ganz besonders ausgeprägt.
Frauen töten fast immer Menschen, die sie halt schon kannten.
Und Frauen töten auch sogar noch häufiger als Männer im Rahmen ihres Zuhauses.
Also nicht einfach an irgendeinem fremden Ort, sondern tatsächlich im häuslichen Umfeld.
Aber es ist tatsächlich so, dass die Zahl von Tötungsdelikten von Frauen im Vergleich zu früher deutlich abgenommen hat.
Und das hat einen ganz speziellen Grund.
Da hat man über Jahrhunderte, wenn man sich die Fälle anguckt, immer wieder die Geschichte,
dass die Frau in der Beziehung sehr unglücklich war, häufig auch mithandelt wurde.
Und dass die Frauen gerade in früheren Zeiten, wo sie sich nicht scheiden lassen konnten,
weil das halt sozial und finanziell nicht wirklich eine Option war,
dass die sich dann früher häufiger entschieden haben,
einer sehr unglücklichen, oft auch von Gewalt geprägten Partnerschaft oder Ehe
dann zu entkommen durch das Tötungsdelikt am Intimpartner.
Und diese Tötungsdelikte an männlichen Intimpartnern durch Frauen,
die haben seit den 70er Jahren um 60 Prozent abgenommen.
Und dementsprechend ist also hier zu sehen,
dass bei diesem Lebenslauf, wo Frauen eben einer Partnerschaft entkommen wollten
und früher keine Option in einer Scheidung gesehen haben,
weil das gesellschaftlich noch sehr viel schwieriger war,
dass diese Delikte doch stark zurückgegangen sind,
seit die Optionen für Frauen sehr viel besser sind.
Das geht sich ja auch mit der sozialen Stellung der Frau einher, oder?
Ja, genau. Die Frau ist nicht entehrt.
Sie ist nicht finanziell, sie ist nicht sozial.
Sie ist in ihrem Ansehen nicht abhängig von der Ehe mit einem Mann.
Und das hat offensichtlich sehr viele Männerleben in den letzten 40 Jahren gerettet.
Aus welchen Gründen Frauen morden, hat uns Lydia auch erzählt.
Heutzutage wird gesagt, dass Frauen Familienangehörige aus dem Weg räumen möchten.
Das kann ein Lebenspartner sein, weil die Beziehung unglücklich ist.
Vielleicht auch, weil sie die Erbschaft haben möchten.
Manchmal auch eine Kombi aus beidem.
Manchmal töten sie auch zum Beispiel Angehörige, die sie pflegen
und wo sie diese Pflege gar nicht mehr übernehmen möchten.
Manchmal töten sie halt auch ihre eigenen Kinder oder Stiefkinder.
Und manche wollen entweder den Weg freimachen für etwas, was sie haben wollen.
Zum Beispiel einen neuen Partner, der aber keine Kinder will.
Oder sie wollen halt Aufmerksamkeit.
Das sind Frauen, die ihre Kinder immer wieder über lange Zeiträume krank machen.
Wirklich Symptome auslösen, um ganz viel Aufmerksamkeit als scheinbar auch
als opferungsvolle Mutter zu bekommen.
Und manchmal gibt es halt auch den Habdier-Mord.
Zwei Beispiele für die häufigsten Mordmotive von Frauen
haben wir euch ja bereits mit unseren Fällen vorgestellt.
Einmal das Überfordertsein mit dem eigenen Kind und den Mord aus Habgier.
Ich werde euch jetzt noch ein weiteres Motiv erklären.
Und zwar anhand eines kurzen Beispiels,
das ich in Lydias Buch Psychopathinnen gefunden habe.
Und zwar geht es um den Fall Diane Downs.
An einem Abend im Mai 1983 fährt Diane Downs mit ihren drei Kindern
auf einer dunklen Landstraße,
als sie plötzlich einen Mann auf der Straße sieht,
der hektisch mit den Armen fuchtelt.
Diane hält an.
Dann zieht der Mann plötzlich eine Waffe
und fordert von Diane, das Auto rauszugeben.
Die weigert sich.
Dann schießt der Mann mehrmals auf die Kinder.
Als Diane ihn mit einem Ablenkungsmanöver austrickst,
schießt er auch auf sie.
Aber Diane schafft es zu fliehen und zum nächsten Krankenhaus zu rasen.
Dort angekommen können die Ärzte
bei der siebenjährigen Cheryl nur noch den Tod feststellen.
Ihre beiden Geschwister werden gerettet.
Diane bleibt erstmal die nächsten Tage bei ihren Kindern.
Doch von Anfang an fällt allen Anwesenden
ihr merkwürdiges Verhalten auf.
So weint sie gar nicht und wirkt emotional sehr flach
im Umgang mit ihren überlebenden Kindern.
Außerdem ruft sie umgehend nach der Tat
ihren Ex-Geliebten Nick an
und flirtet immer wieder mit den ermittelnden Polizisten.
Vier Tage nach der Tat stellt Diane die Tat für ein Polizeivideo nach,
wobei sie ungewöhnlich gut gelaunt ist.
Sie winkt fröhlich in die Kamera und frischt immer wieder ihr Make-up zwischendurch auf.
Und Diane...
Ja, für ein Polizeivideo.
Ja, man merkt irgendwie, dass sie es genießt, so im Mittelpunkt zu stehen.
Und sie wendet sich auch an die Presse und gibt längere Interviews.
Eins davon habe ich auch gesehen.
Das Verrückte ist, dass sie in diesem Interview ja von dieser schrecklichen Tat berichtet,
Aber nach jedem Satz grinst sie.
Ah.
Ja.
Und man hat das Gefühl, dass sie irgendwie nicht anders kann.
Es ist ganz, ganz komisch, dieses Video zu sehen.
Naja, auf jeden Fall finden die Polizisten Diannes Tagebücher
und mit ihnen fällt der Verdacht dann auf sie.
Denn in diesen Tagebüchern schreibt Diane von ihrer großen Liebe Nick,
dieser ehemaligen Affäre.
Sie schreibt halt, wie sehr sie ihn liebt und dass er immer wieder gesagt hat,
dass er wegen ihrer Kinder nicht mit ihr zusammen sein will.
Er hat immer gesagt, er möchte kein Daddy sein.
Und damit finden die Ermittler ein Mordmotiv für Diane.
Auch ihr merkwürdiges Verhalten, ihre ständig ändernde Taggeschichte
und der Fremde, also dieser Mann, der wurde noch nie von irgendjemandem gesehen.
Das passt halt alles zu der Theorie der Ermittler.
Außerdem sagt ein Zeuge aus, dass Diannes Wagen an dem Tatabend
extrem langsam vor ihm hergefahren ist.
Und die Ermittler finden heraus, dass Diane genauso eine Waffe besessen hat,
wie die, die halt in der Tat benutzt wurde.
Das Ende vom Lied ist, dass Diane wegen Mordes an ihrer Tochter Cheryl
und dem versuchten Mordes an ihren anderen beiden Kindern verurteilt wird.
Tatsächlich hatte sie ihre Kinder selber angeschossen,
um sie aus dem Weg zu räumen, um mit Nick zusammen sein zu können.
Ihre älteste Tochter Christy hatte übrigens in der Verhandlung
unter Tränen gegen ihre eigene Mutter ausgesagt.
Die war ja noch nicht wirklich alt.
Also es war die älteste Tochter, aber die war ja in der Verhandlung
dann auch erst neun oder so wahrscheinlich.
Genau, ja.
Und Diane hingegen behauptet bis heute, dass ein Fremder ihre Kinder getötet hat.
Wirklich?
Die hatte jetzt schon zwei Parole-Hearings und ja, hat beide Male noch,
die kann man auch natürlich alle im Internet ansehen und hat beide Male immer noch von der
gleichen Geschichte geredet.
War es nicht so, dass immer wenn sie dann in das Krankenzimmer der Tochter kam,
die total ausgeflippt ist vor Angst?
Ja, das habe ich auch gehört.
Also, dass dann immer quasi ihr Pult so hochgegangen ist und die Geräte angeschlagen haben
und so, weil sie richtig Angst hatte.
Um das aber mit einer guten Nachricht enden zu lassen, der Staatsanwalt, der Diane schließlich
ins Gefängnis gebracht hat, hat dann übrigens gemeinsam mit seiner Frau Diannes Kinder Christy
und Danny adoptiert.
Ja, und mit dieser Geschichte bin ich quasi bei dem Motiv, das Lydia angesprochen hatte,
und zwar Angehörige aus dem Weg räumen, um den eigenen Lebensplan zu verfolgen.
Das sind eben nicht nur die Haustüranenmorde, sondern auch Mütter, die ihre Kinder loswerden
oder Frauen, die zum Beispiel pflegende Angehörige töten, die sie halt nicht mehr pflegen wollen.
Bei meinem Beispiel wollte Diane eben lieber mit Nick zusammen sein, als weiterhin Mutter zu sein.
Warum sie dazu fähig war, ihre eigenen Kinder zu töten, liegt wahrscheinlich daran,
dass sie gleich an mehreren psychischen Störungen leidet.
Darunter die histrionische Persönlichkeitsstörung, die uns Lydia jetzt kurz erklärt.
Derjenige, der davon betroffen ist, will immer, jederzeit und maximal die volle Aufmerksamkeit,
Zuwendung und ganz viel betüttelt werden von anderen.
Und die anderen sollen immer für die Person da sein und sollen halt sich nur um sie kümmern.
Das ist ein Persönlichkeitsstörungsbild, was häufiger bei Frauen festgestellt wird als bei Männern,
wenn man auch natürlich durchaus auch Männer findet, die solche Züge haben.
Es wird aber klassischerweise in der Literatur von mehr weiblichen Betroffenen ausgegangen,
so wie in der klassischen Literatur auch von mehr narzisstischen Männern ausgegangen wird als von Frauen.
Beim Narzissmus will die Person für Leistung und Erfolg anerkannt werden
und unbedingt beweisen, dass sie besser ist als andere,
dass sie mehr Geld hat, dass sie klüger ist, dass sie erfolgreicher ist.
Das ist Narzissmus.
Und histrionisch heißt halt, Aufmerksamkeit im Mittelpunkt stehen, betüttelt werden.
Genau, Aufmerksamkeit ist das höchste Gut der Histrioniker und meist rührt dieses unstillbare Bedürfnis nach Aufmerksamkeit aus einer Kindheit
ohne jegliche Aufmerksamkeit und Anerkennung, weshalb die Betroffenen dann im Erwachsenenalter versuchen, das zu überkompensieren.
Histrioniker manipulieren also ständig ihre Umgebung, um das zu bekommen, was sie sich wünschen.
Diane Downs weiß genau, wie sie die Menschen in ihrem Umfeld so manipuliert.
Ein Beispiel dafür wird bei der Arbeit mit ihrem Anwalt deutlich.
Dem gibt sie nämlich eine Liste von Personen, in welcher sie ganz detailliert deren Schwachstellen aufgelistet hat.
Sie gibt ihrem Anwalt dann genaue Tipps, wie er mit den verschiedenen Personen zu reden hat,
damit sie ihm die Antworten geben, die sie braucht.
Also ganz gruselig irgendwie.
Diane ist zwar offen und freundlich und gibt den Menschen dann auch das Gefühl, wirklich interessiert zu sein,
aber in ihrem Kopf läuft eigentlich immer nur diese Kosten-Nutzen-Rechnung ab,
mit der sie halt dann überlegt, welche Menschen welche Behandlung brauchen, um sich in ihrem Sinne zu verhalten.
Das finde ich total gruselig, oder?
Ich hoffe, jemand gibt dir so eine Liste und da, also so ganz detailliert hat sie über jeden Menschen da was reingeschrieben,
wie man die ködern kann oder unter Druck setzen kann oder so.
Der Anwalt muss sich auch gedacht haben, what the fuck?
Aber vielleicht dachte der sich auch, endlich arbeitet hier mal jemand mit.
Ja, und um besonders viel Aufmerksamkeit zu bekommen, hat Diane Downs eine ganz bestimmte Strategie angewendet.
Und zwar hat sie sich immer super sexy zurecht gemacht und war Männern gegenüber immer sehr aufreizend und charmant unterwegs.
Und so schaffte sie es dann fast immer, die Aufmerksamkeit der Männer zu bekommen.
Diese Art der Strategie ist die der sogenannten erfolgreichen Histrionika.
Es gibt aber auch die erfolglosen Histrionika, die aus irgendwelchen Gründen nicht besonders charmant sein können.
Die versuchen dann mittels anderer Strategien Aufmerksamkeit zu bekommen.
Die erzählen dann zum Beispiel besonders dramatische Geschichten aus ihrem Leben, die gar nicht stimmen.
Und das kann zu einem ganz absurden Krankheitsbild führen und zwar zum Münchhausen-Stellvertreter-Syndrom.
Münchhausen war übrigens ein deutscher Adliger, dem verschiedene Lügengeschichten zugeschrieben werden.
In seinen Erzählungen ritt er nämlich zum Beispiel auf einer Kanonenkugel oder fasste einen Wolf in den Rachen und kehrte sein Innerstes nach außen.
Und nach ihm ist eben diese psychische Störung Münchhausen-Syndrom benannt, bei dem Betroffene Beschwerden und Krankheiten erfinden, die sie gar nicht haben, um Zuwendung und Mitleid und Aufmerksamkeit von Ärzten zu erhalten oder Angehörigen.
Während die meisten Menschen, die am Münchhausen-Syndrom leiden, Männer mittleren Alters sind, sind die Personen, die am Münchhausen-Stellvertreter-Syndrom leiden, überwiegend Frauen.
Das sind nämlich 90 bis 95 Prozent.
Und zwar meistens Mütter, die Krankheiten bei ihren Kindern erfinden, um dann eben auch diese Aufmerksamkeit zu bekommen.
Die Täter schlüpfen dann in die Rolle des aufopfernden Elternteils, das sein Kind ständig umsorgt.
Und dadurch setzt bei der Mutter nach Freud ein Einzigartigkeitsgefühl ein.
Nur sie ist nämlich in der Lage, ihrem kranken Kind Trost zu spenden.
Und dadurch kann sie dann ihre Minderwertigkeitskomplexe mit Selbsterhöhung kompensieren.
Das ist so krank. Sorry, aber dieses Syndrom, finde ich, ist das Verrückteste, was es überhaupt gibt, oder?
Dass man die eigenen Kinder krank macht. Das ist einfach unglaublich.
Um das eigene Bedürfnis nach Aufmerksamkeit zu stillen.
Es ist so furchtbar, dass Kinder das erleiden müssen.
Aber wie du es schon sagst, ist es halt eben eine Krankheit.
Ja, ja.
Bei dieser Krankheit gibt es drei verschiedene Phasen.
Bei der ersten schildern Mütter lediglich Symptome, die die Kinder gar nicht haben.
Bei der zweiten verändern die Mütter die Messdaten als Beweis für das Krankheitsbild.
Also beispielsweise, wenn die Fieber messen sollen, dann verändern sie die Werte von den Fieberkurven.
Und in der dritten Phase sorgen die Täter dann tatsächlich für diese Symptome.
Das ist eben die schlimmste.
Indem sie den Kindern dann eben Medikamente geben, um Krankheiten gezielt damit hervorzurufen.
Also die spritzen dann Gift oder geben Salz oder sowas.
Die Täterinnen kommen meist selbst aus einem unstabilen Familienverhältnis und sind oft alleinlebend.
Das Münchhausen-Stellvertreter-Syndrom ist eine Form der Kindesmisshandlung.
Diese Erkrankung kommt nicht häufig vor und ist auch schwierig zu entdecken.
Aber ein Merkmal haben diese Mütter oder manchmal auch Väter gemeinsam.
Diese Betroffenen zahlen halt dadurch auf, dass sie zum Beispiel sehr, sehr, sehr, sehr, sehr, sehr viel Zeit ihres Lebens damit verbringen, über die Krankheit des Kindes zu reden.
Beispielsweise in der modernen Zeit auch sehr, sehr maximal viele Fotos und Videos des kranken Kindes zum Beispiel online stellen.
Jetzt ist das Problem, wenn natürlich eine Familie tatsächlich ein schwer krankes Kind hat, dann ist es ja auch verständlich, wenn diese Familie sich Zuwendung sucht.
Dann ist es sogar verständlich, wenn die Familie zum Beispiel auch mal auf ihrem privaten Facebook-Account vielleicht den Verwandten mitteilt, wie es dem Kind geht.
Da habe ich zum Beispiel einen Fall in meinem Buch beschrieben.
Diese Frau hat von der Geburt ihres Kindes, bis sie es nach mehreren Jahren getötet hat, jeden Tag dieses Kindes im Krankenhaus mit Schläuchen, mit diversem medizinischem Material online gestellt.
Die hat nichts anderes gemacht, als jede Minute ihres Kindes, und zwar die exakte Darstellung der Krankheit ihres Kindes, über mehrere Jahre online zu stellen.
Im Nachhinein ist leider, leider fatal klar geworden, dass diese Täterin ein ganz, ganz schlimmes, seltenes Beispiel von eben einer Münchhausen bei Proximutter war.
Weil ganz viele dieser Mütter würden nicht so weit gehen, ihr Kind zu töten.
Wahrscheinlich, weil sie sich dann ja selbst ihre Quelle für die Aufmerksamkeit nehmen würden.
Das Münchhausen-Stellvertreter-Syndrom gehört zu dem Feld der Kindstötung.
Und mein Fall von Samira und Jelli ist eine Form davon.
Und bei Samira war es eben unter anderem Überforderung, die durch eine psychische Störung ausgelöst wurde, unter anderem.
Die kann eben, wie schon im Aha erzählt, auch manchmal durch die Geburt ausgelöst werden.
Und dann gibt es eben noch das Feld der Tötung direkt nach der Geburt.
Das ist dann bei Schwangerschaften, die verdrängt oder verleugnet werden.
Verleugnet heißt, dass die Frau weiß, sie ist schwanger, aber sich irgendwie mit dem Problem nicht auseinandersetzen kann, vernünftig.
Und verdrängt heißt, dass sie es wirklich überhaupt nicht mitbekommen hat, dass sie schwanger ist.
Und auch das gibt es, wenn auch seltener als das Verleugnen.
Und wenn dann die Geburt einsetzt, dann wird in einer spontanen Panikreaktion das Neugeborene dann von der Mutter getötet.
Das ist also schon mal ein großes Feld, wo dann logischerweise hauptsächlich Frauen die Täterinnen sind.
Nämlich die Frauen, die dann von so einer Geburt überrascht werden.
Und in einer Panikreaktion das Kind töten, das sie zur Welt bringen.
Zu den allgemeinen Motiven, warum Frauen morden.
Rache gehört auch dazu.
Und kennst du den Film Monster?
Da geht es um die erste amerikanische Serienmörderin Aileen Wuornos, die hingerichtet wurde.
Die hatte nämlich aus Rache und Wut sieben Männer umgebracht, weil sie selbst eine ganz, ganz furchtbare Kindheit hatte und sich dann auch schon früh prostituierte.
Und in dem Film wird Aileen Wuornos von Charlize Theron gespielt.
Und wusstest du, dass die, als sie 15 war, zugesehen hat, wie ihre Mutter ihren Vater umbracht hat?
Was? Nein!
Aus Notwehr, weil der war gewalttätig und Alkoholiker.
Die Mutter wurde auch nie dafür belangt, weil es wirklich Notwehr war.
Aber das hat sie mit angesehen.
Oh nein, wie schrecklich.
Ich finde die ja so toll.
Die ist auch noch ganz eng mit ihrer Mutter.
Ein Motiv, das fast nie im Zusammenhang mit Mörderinnen genannt wird, ist der Mord aus sexuellen Motiven.
Bei männlichen Serientätern wird dieses Motiv ja sehr häufig genannt.
Deshalb haben wir da auch mal nach Lydias Meinung gefragt und das hat sie uns dazu verraten.
Es wird in der Literatur im Prinzip davon ausgegangen, dass Frauen so gut wie nie, teilweise wird sogar behauptet, nie sexuell motiviert sein bei Tötungsdelikten.
Ich glaube zwar auch, dass das eher selten vorkommt.
Ich persönlich glaube aber nicht, dass das nie vorkommt, weil ich ein paar Fälle gesehen habe, wo Frauen sowohl als Teamkiller, also mit einem anderen wirklich sehr sadistischen Partner zusammen,
sexuell-sadistisch, auch explizit sexuell-sadistisch, als auch teilweise bei eigenen Taten durchaus Verhaltensweisen gezeigt oder Aussagen getätigt haben,
wo man schon zumindest mal die Hypothese in den Raum werfen könnte, ob da nicht auch eine sexuell-sadistische Erregungskomponente mit dabei war.
Zum Beispiel habe ich in meinem Buch eine Frau beschrieben, die auf eine sehr sexualisierte, rituelle Weise, rituell im Sinne von immer wiederkehrende Handlungen,
die immer mehr gesteigert wurden, ihre Pflegetochter zu Tode gefoltert hat.
Und die Art, wie sie diese Pflegetochter wirklich auch auf extrem sexuelle Art gefoltert hat,
da gibt es natürlich viele Hypothesen, aus welchen Motiven heraus diese Frau das getan haben könnte,
aber wäre das ein männlicher Täter gewesen, dann hätte man auf jeden Fall zumindest in Erwägung gezogen,
ob da nicht auch eine sexuelle Motivation dahinter stand.
Bei dieser Frau wurde das nie in Erwägung gezogen.
Nicht vor Gericht, nicht vom Gutachter, auch nicht anschließend.
Einfach, weil sie eine Frau war.
Ich glaube, dass man schon nicht vom ersten Moment an ausschließen kann,
dass eine Frau nicht zumindest teilweise auch mit eventuell von sexuell-sadistischen Neigungen motiviert sein kann bei ihren Handlungen.
Und bei diesem Fall ist mir ganz besonders einfach aufgefallen bei der Betrachtung,
dass hier, wenn man nur die Handlungen nimmt, die Handlungen sicherlich ganz anders beleuchtet worden wären,
wenn es sich in diesem Fall nicht um eine Frau als Haupttäterin gehandelt hätte.
Ja, ich habe mich auch gefragt, warum sollte es nur bei Männern so sein?
Warum sollten Frauen nicht auch aus solchen Motiven töten?
Und wenn sie ihre Lust nicht auf andere Art und Weise irgendwie stillen können oder irgendwelche anderen Fantasien,
warum sollten Frauen nicht auch aus diesen Motiven töten?
Naja, also ich glaube, jeder kann sich vorstellen, warum das bei den Frauen weniger häufig vorkommt.
Weil Männer sich natürlich manchmal aufgrund ihrer körperlichen Überlegenheit nehmen, was sie wollen in diesen Fällen.
Und es dann auch eben manchmal einfach zum Mord kommt, um diese Tat zu vertuschen.
Ja, ich hätte mich nur gewundert, dass es halt irgendwie quasi nie davon erst mal,
also dass es davon nie ausgegangen wird, dass das ein mögliches Motiv wäre.
Ja, komisch eigentlich, weil ja auch oft bei Serienmördern davon ausgegangen wird,
dass die so eine sadistisch-sexuelle Neigung haben.
Und die so sexuell erregt, wenn Frauen gequält werden.
Und das müsste es eigentlich ja auch bei Frauen geben.
Wir haben uns heute mit den Gründen beschäftigt, warum Frauen morden.
Das sind hauptsächlich die, weil jemand jemanden aus dem Weg räumen möchte oder aus Habgier.
Bei meinem Fall ging es ja um die Überforderung der Mutter unter anderem,
die manchmal auch mit Panik und Angst einhergeht.
Oder weil die Frauen, die psychische Störung haben, Aufmerksamkeit wollen.
Ich mache jetzt eine gute Überleitung.
Anderes Thema.
Wir haben schon oft über Beweismittel hier gesprochen.
Und gerade haben Forscher in Amerika eine Liste mit Fällen erstellt,
wo sich Gerichte in ihren Urteilen auf Emojis bezogen haben.
2018 waren das immerhin 50 Urteile in den USA.
Und ein Beispiel aus dieser Liste sieht folgendermaßen aus.
Vielleicht kannst du hier erraten, worum es bei dem Fall ging.
Und zwar hatten sich die Parteien vor Gericht um die Bedeutung einer Krone,
einem High Heel und dem Geldsack gestritten.
Dazu, noch als kleine Hilfe für dich, wurde geschrieben,
Teamwork macht den Traum wahr.
Teamwork makes the dream work.
Und das hat jetzt einfach irgendjemand jemand anderem geschrieben
und diese Person ist tot oder wie?
Nee.
Nee, es ging nicht um Mord.
Es ging um was anderes.
Und die Frage ist, ob du erraten kannst, worum.
Also die Krone weiß ich jetzt nicht, was das bedeuten soll.
Aber ich könnte mir vorstellen, dass irgendwas mit, ja, vielleicht irgendwas mit Prostitution und Geld dafür oder so.
Hat es was mit Prostitution zu tun?
Prostitution ist in der Regel mit Geld, ja.
Nee, hat es was mit Prostitution zu tun?
Okay, cool.
Also High Heels steht jetzt für Prostitution.
Und was ist die Krone?
Für was steht die?
Wahrscheinlich, weil sie dann reich werden wie Könige.
Keine Ahnung.
Der Staatsanwalt hatte dem Angeklagten vorgeworfen, Zuhälterei zu betreiben.
Und der Verteidiger meinte aber allerdings, dass sein Mandant hier nur Interesse an einer romantischen Beziehung mitgeteilt hatte.
Aha, was hat dann der Geldsack da zu suchen?
Ja, das ist ein wichtiger Faktor bei romantischen Beziehungen.
Genau wie eine Krone.
Ja, ich brauche eine Krone und den Geldsack, sonst läuft hier gar nichts.
Der Angeklagte wurde übrigens verurteilt.
Aber in diesem Fall hatte sich das Gericht nicht nur auf die Emojis gestützt, aber in einem anderen Fall aus Israel, da hatten die sich schon auf die Bedeutung der Emojis gestützt.
Da ging es nämlich um die Vermietung eines Ferienhauses.
Und da hatte das Gericht in diese Emojis reininterpretiert, dass die Interessenten dadurch eine Zustimmung zum Mietvertrag mit signalisiert haben.
Aha, okay.
Da muss man ja aufpassen, was man so für Smilies seinen, keine Ahnung, Vertragspartnern schickt.
Das ist ja verrückt.
Ja, da gibt es auch Diskussionen drüber, weil sich viele nicht der Bedeutung der Emojis bewusst sind.
Zum Beispiel dieses Emoji, wo man die Hände so nach oben macht.
Ja.
Das heißt eigentlich, bitte kitzeln.
Was?
Quatsch.
Nein.
Witz.
Das heißt, nein, Spaß.
Das heißt, das soll quasi Zustimmung signalisieren.
Aber es ist doch bei ganz vielen Smilies so, dass man das Gefühl hat, dass manche Leute das irgendwie anders verstehen.
Zum Beispiel hasse ich den Smiley, der zwinkert.
Ich hasse ihn einfach.
Ich würde ihn nie benutzen, weil ich immer finde, dass er so einen implizierten, sexualisierten Unterton hat.
Was?
Ich mag den gar nicht.
Aber andere Leute sehen das eben gar nicht so.
Und deswegen finde ich das halt so schwierig, das vor Gericht, dass das jetzt da auch irgendwie Gehalt hat oder darauf sich bezogen wird.
Weil zum Beispiel, ich wusste nicht, dass diese Aubergine, wofür die steht.
Und dann schickst du deinem Freund eine Liste, was er einkaufen soll und er denkt, toll, ich freue mich aufs Nachhausekommen.
Oder ich habe einen Smiley, den Paulina manchmal macht, den hasse ich und sie weiß, dass sie mich damit ärgern kann.
Welcher ist das?
Ja, das weißt du doch.
Dieser Smiley, der so nach oben guckt.
So genervt.
Ach so.
Ja.
Den liebe ich.
Weil das quasi permanent meine Stimmung ausdrückt.
Auf den kann ich nicht verzichten.
Wollen wir mal gucken, welchen Smiley wir zuletzt verwendet haben?
Ja.
Nee, sag mal, was ist denn dein letztbenutzter Smiley?
Der mit dem, der die Augen so wie Özil macht.
Den habe ich auch in meiner Liste von den Frequently Used Smilies.
Aber der ist auf dem fast letzten Platz.
Ja, ich habe den Smiley, also den Smiley als letztes benutzt.
Wer ist der?
Was soll das halten?
Ja, der Smiley, der grinsende Smiley, der ganz normale Smiley halt.
Und komischerweise habe ich auf Platz drei deinen Detektiv-Smiley.
Also den Paulina-Detektiv-Smiley, falls ihr wisst, was das ist.
Weil Leute, die uns bei Instagram schreiben, die wissen, was das ist.
Wir machen dazu nochmal einen Aufruf auf Instagram, wo ihr uns dann schreiben könnt, was eure Hass-Smilies sind.
Ja.
Jetzt schließen wir mal ab.
Haben wir eigentlich jemals aufgeklärt, warum wir abschließen?
Nee, ich glaube nicht.
Also erstmal sagen wir immer, wollen wir jetzt abschließen, wenn wir quasi fertig geredet haben.
Und dann gibt es eine von uns im Team, die ein bisschen paranoid ist und die immer alles abschließen muss.
Wir möchten nicht sagen, wer das ist.
So, abschließen.
Schluss jetzt.
Tschüss.
Das war ein Podcast von Funk.
Vertraue und glaube, es hilft, es heilt die göttliche Kraft!