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#170 Leiche im keller

Mordlust.
Willkommen bei Mordlust, einem Podcast der Partner in Crime.
Hier reden wir über wahre Verbrechen und ihre Hintergründe.
Mein Name ist Paulina Kraser.
Und ich bin Laura Wohlers.
In jeder Folge erzählen wir einen bedeutsamen, wahren Kriminalfall nach,
ordnen den für euch ein, erörtern und diskutieren die juristischen,
psychologischen oder auch gesellschaftlichen Aspekte
und sprechen mit Menschen mit Expertise.
Hier geht es um True Crime, also auch um die Schicksale von echten Menschen.
Bitte behaltet das immer im Hinterkopf.
Das machen wir auch, selbst dann, wenn wir zwischendurch mal etwas abschweifen.
Das ist für uns so eine Art Comic-Relief, aber natürlich nicht despektierlich gemeint.
Bevor wir mit der heutigen Folge starten, in der es um eine tödliche Dreiecksbeziehung geht,
Laura, hast du mitbekommen, dass eine Amerikanerin letzte Woche tot
in einer futuristischen Kapsel in einem Wald in der Schweiz gefunden wurde?
Nein.
Ist sie da mit dieser Kapsel von Amerika hingeflogen?
Ist das eine Art UFO?
Ich habe diese Woche Interstellar gesehen, weil sie das zum 10. Jahrestag wieder in die Kinos gebracht haben hier in Berlin
und habe auch, während ich das gerade erzählt habe, so ein bisschen daran gedacht,
nein, diese Kapsel ist nicht zum Fliegen, sondern zum Töten und die heißt Sarko und ist eine Suizidkapsel.
Deswegen, wir sprechen jetzt ja am Anfang ganz kurz über das Thema Suizid für alle, die sich damit nicht wohlfühlen.
Die 64-Jährige, die da drin gefunden wurde, die war schwer erkrankt und sie war die Erste, die Sarko,
das kommt übrigens von Sarkophag, benutzt hat.
Und zwar funktioniert die so, dass Stickstoff darin eingeleitet wird.
Und das Bild, was jetzt durch die Medien ging, das hat schon so ein bisschen was Groteskes, ja,
weil diese Kapsel stand eben mitten im Wald, weil man offenbar eine schöne Umgebung schaffen wollte,
aber die Kapsel an sich sieht halt wirklich aus wie aus der Zukunft.
Ja, aber warte, hat die Kapsel dann so Fenster, dass sie dann was von der Umwelt überhaupt mitbekommen hat?
Ja, ja, nach oben.
Ja, ja, du kannst nach oben, kannst du rausgucken.
Ah, okay, okay, gut.
Warum ich darüber reden möchte, ist, dass wir den Podcast Justitias Wille produziert haben,
in dem es ja um einen Fall der Suizidbeihilfe in Deutschland ging.
Und diese Sarko-Kapsel hat jetzt in der Schweiz wieder die Debatte rund um Suizidbeihilfe angeregt.
Braucht man denn eine zweite Person bei dieser Kapsel oder drückt sie selber auf den Knopf, dass der
Nee, sie drückt selber auf den Knopf.
Es geht quasi um eine Alternative, die angeboten wird mit der Kapsel zum Suizid,
der durch Tabletten herbeigeführt wird oder eine Injektion.
Mhm.
Deswegen wurde diese Kapsel auf den Markt gebracht.
Und der Anbieter sagt, die Verwendung sei nach seiner Auffassung mit dem Schweizer Sterbehilfegesetz vereinbar.
Das sieht vor allem die Innenministerin dort aber anders und sagt,
die Suizidkapsel sei nicht rechtskonform in der Schweiz.
Und das liegt unter anderem an dem Produktsicherheitsrecht.
Also die Kapsel dürfe eigentlich gar nicht auf den Markt.
Aber auch daran, dass die Verwendung von Stickstoff nicht mit dem Chemikaliengesetz vereinbar ist.
Und deswegen wird jetzt gerade gegen vier Leute ermittelt.
Eine Person sitzt offenbar auch noch immer in U-Haft.
Wer genau das ist, ist nicht so richtig klar.
Also auf jeden Fall eine niederländische Journalistin, die mit dabei war.
Und offenbar der Vizepräsident einer Schweizer Sterbehilfeorganisation.
Bei den anderen haben sich Quellen so ein bisschen widersprochen.
Auf jeden Fall wird gegen die jetzt ermittelt, wegen Verleitung und Beihilfe zum Suizid.
Ich finde es auf jeden Fall interessant, weil die Schweiz hat ja schon sehr viel länger ein liberales Sterbehilfegesetz als wir.
Und dass selbst die jetzt mit neuen Methoden anfangen, darüber zu diskutieren.
Und es gibt auch KritikerInnen, die sagen, naja, diese Kapsel erweist der Sterbehilfe wahrscheinlich jetzt eher einen Bärendienst.
Weil gerade durch solche Mittel, die final jetzt halt eben vielleicht auch noch nicht geklärt sind, wird vielleicht das Gesetz wieder verschärft, damit solche Kapseln zum Beispiel nicht auf den Markt kommen.
Ich habe mich über diese Kapsel tatsächlich auch gewundert, weil ein großer Punkt den VerfechterInnen der Sterbehilfe ja immer anführen ist, dass man die Leute nicht alleine in den Suizid gehen lassen möchte, weil sie ihn gewaltsam wählen würden, wenn Suizidbeihilfe nicht erlaubt ist.
Und diese Kapsel sagt es ja schon quasi, du kapselst dich darin ab, du bist darin alleine, darin kann dir niemand die Hand halten.
Total. Und wenn du jetzt auch noch sagst, die ist irgendwo, steht die allein im Wald, wie so ein totaler Fremdkörper.
Ja, so sieht das aus, auf jeden Fall.
Ja, ist das wirklich dann ein sanfter Weg sozusagen aus dem Leben zu scheiden?
Das hat irgendwie gleich so Assoziationen bei mir hervorgerufen, so von wegen, ja, Alte und Kranke, ab in die Kapsel im Wald, mit dem müssen wir jetzt nichts mehr zu tun haben.
Und dann, weißt du, was ich meine, das ist irgendwie so unnatürlich, keine Ahnung, also ...
Ich habe dazu ein Interview gesehen mit einem deutschen Ethiker, der auch gesagt hat, er hält halt Medikamente und Injektionen für eine sehr viel natürlichere Art.
Und ich muss auch dazu sagen, man kann ja jetzt sagen, ja, warum, wie, ist doch egal, Hauptsache das.
Bin ich ja zum Beispiel auch total dafür, dass Suizidbeihilfe unter bestimmten Regelungen erlaubt sein sollte.
Aber das Wie ist gar nicht so unentscheidend, weil das war bei dem Prozess, bei dem wir jetzt dabei waren, am Ende ja auch nochmal Thema.
Weil das Gericht gesagt hat, beim ersten Mal hatte die Studentin, um die sich dieser Prozess drehte, ja, ein Medikament zu sich genommen, in dem sie was gelöffelt hat.
Und dieser Akt, ich schlucke jedes Mal wieder neu, ich setze jedes Mal wieder an, ist ein sehr viel aktiverer, als ich drehe ein kleines Rädchen von einer Injektionslösung, die mir danach in den Arm geht.
Und dass sich der Bundesgerichtshof, also das höchste deutsche Gericht, damit schon auch nochmal auseinandersetzen müsste, reicht diese kleine Bewegung aus, um der Welt zu signalisieren, ich tue das selbst aktiv hier gerade.
Ja, ja und so ähnlich oder noch weniger aktiv ist ja dieses Drücken des Knopfes, ne, also es wirkt einfach sehr einfach gemacht sozusagen, ja.
Ja, und ich meine, aber dadurch, dass es ja eben bei Menschen, die Suizidbeihilfe suchen, oft um entweder sehr alte Menschen oder um sehr kranke Menschen geht, finde ich die Assoziation, die Person kommt in eine Kapsel und da wird dann ein Gas eingeleitet.
Das macht mir einfach Bauchkrämpfe und ich denke, dass aber in Zukunft Gesetze oder Gerichte darüber entscheiden werden müssen, wie dieser Weg zur Suizidbeihilfe straffrei bleibt.
Denn diese ganzen Lücken, die wir ja noch haben und die Schweiz auch hat, die sorgt natürlich auch dann dafür, dass hin und wieder Leute vor Gericht stehen, weil nicht klar geregelt ist, was darf man eigentlich und was nicht.
Ob das hier letztendlich noch zum Kriminalfall wird, das werden wir sehen und ihr hört dann sicherlich hier auch nochmal ein Update von uns dazu.
Jetzt geht's aber los mit einem Fall, in dem es um eine berauschende Liebesgeschichte geht, die Ländergrenzen und Sprachbarrieren überwindet, bevor sie zur Bedrohung wird, die nicht alle Beteiligten überleben.
Alle Namen haben wir geändert.
Der 11. September 2017 ist ein Montag und draußen scheint noch die Sonne, als Dr. Laurent Lafleur drinnen in seinem Büro in der Münchner Innenstadt die Akten zuklappt und seinen Computer ausschaltet.
Der Staatsanwalt mit dem kurzen Vollbart und den buschigen Augenbrauen ist gut gelaunt, weil er den späten Nachmittag nicht wie sonst bis in die Abendstunden am Schreibtisch verbringen wird, sondern auf einer Feier.
Der Leiter der Münchner Mordkommission hat zum Ausstand eingeladen. Da darf Lafleur nicht fehlen.
Der 43-Jährige blickt auf eine lange Karriere bei der Münchner Staatsanwaltschaft zurück und ist seit einem Jahr Gruppenleiter in der Abteilung für Tötungsdelikte.
Dementsprechend eng arbeitet er mit der MOKO, also der Mordkommission, zusammen.
Immer wenn in München eine Leiche gefunden wird und die Polizei von einem Verbrechen ausgeht, wird die MOKO hinzugezogen und die verständigt dann Lafleur oder sein Team.
Je nachdem, wer gerade Bereitschaft hat.
Am heutigen Montag ist das Lafleur selbst und wie es der Zufall will, klingelt sein Telefon genau in dem Moment, als er sich auf den Weg zur Feier machen will.
Es ist 18.20 Uhr.
Es sind die diensthabenden KollegInnen von der Mordkommission.
Man habe am Feringer See, einem Badesee im Nordosten der Stadt, die Überreste einer toten Frau gefunden, sagen sie.
Sie sei auf einem Parkplatz am See verbrannt worden.
Ihr Gesicht könne man deshalb nicht mehr erkennen, aber die Mordkommission hat bereits einen Verdacht, wer die Unbekannte sein könnte.
Vor einigen Stunden hat ein Mann seine Freundin bei der Polizei als vermisst gemeldet.
Es ist gut möglich, dass es sich bei der Toten um diese Vermisste handelt.
Lafleur macht sich Notizen, dann fragt er, ob er auch zum Leichenfundort kommen soll.
Kann er bei den derzeitigen Ermittlungen irgendwie behilflich sein?
Nein, sagt der Kollege.
Die Mordkommission und die Spurensicherung sind ja vor Ort.
Er könne als Staatsanwalt gerade nur wenig ausrichten.
Man weiß bisher nur, dass die Leiche auf dem Parkplatz verbrannt wurde.
Ob das aber nur der Fundort oder auch der Tatort ist, kann man noch nicht sagen.
Sie untersuchen und fotografieren die Stelle nun und halten ihn auf dem Laufenden, heißt es von Seiten der Mordkommission.
Mit Laurent Lafleur haben wir für diese Folge übrigens gesprochen.
Inzwischen ist er nicht mehr Staatsanwalt, sondern Richter und Pressesprecher am Oberlandesgericht in München.
Wir wollten von ihm wissen, welche Aufgaben beim Ermittlungserfahren die Polizei übernimmt und wann dann die Staatsanwaltschaft ins Spiel kommt.
Genau, es ist dann tatsächlich eine extrem enge Zusammenarbeit, bei der natürlich die grundsätzliche Aufgabenverteilung so ist,
dass die Kriminalpolizei für das operative Geschäft zuständig ist, also Zeugeneinvernehmen.
Also ich gehe jetzt nicht als Staatsanwalt von Tür zu Tür und frage nach, ob irgendjemand etwas beobachtet hat beispielsweise,
sondern da zieht dann die Mordkommission auch uniformierte Kräfte hinzu, die das dann halt übernehmen.
Aber auch hier wieder das Besondere, dass eigentlich der gesamte Aufbau des Ermittlungsverfahrens immer in engster Absprache miteinander erfolgt.
Das kann bei großen, komplexen Verfahren auch so sein, dass man sich wirklich jeden Morgen mit einer größeren Gruppe zusammensetzt
und jeden Tag wieder neu überlegt, okay, was steht an, welche losen Enden müssen wir irgendwie noch einer Lösung zuführen,
was spricht noch gegen unsere aktuelle Hypothese, wer muss noch vernommen werden, wer macht was,
welche Beschlüsse muss ich noch gegebenenfalls erwirken als Staatsanwalt.
Naja, aber hier in dem Fall ist jetzt noch nicht so viel zu tun für den Staatsanwalt.
Als der nach dem Telefonat auflegt, muss er einmal durchatmen.
Obwohl er jeden Tag mit Mord und Totschlag zu tun hat, ist eine verbrannte Leiche an einem Badesee doch außergewöhnlich.
Aber darum wird er sich erst morgen wieder kümmern.
Am nächsten Morgen bestätigen die ersten Ermittlungsergebnisse das Bauchgefühl von Lafleur.
Die Obduktion ergibt, dass vor dem Tod der Frau gewaltsam auf ihren Bauch und ihren Hals eingewirkt wurde.
Dann wurde sie erwürgt und ihre Leiche in Plastiksäcke gehüllt.
Über ihren Kopf hat jemand einen Gefrierbeutel gestülpt, bevor der oder diejenige die Leiche in Brand gesetzt hat.
Und anhand ihres Gebisses konnte man nachweisen, dass es sich tatsächlich um die Frau handelt,
die noch am Montagmorgen von ihrem Freund als vermisst gemeldet wurde.
Also sieht sich Laurent Lafleur die Aussagen an, die der 32-Jährige bei der Polizei gemacht hatte.
Am Samstag hätte er mit seiner Freundin spontan einen Ausflug zum Schloss Neuschwanstein zwei Stunden entfernt von München gemacht.
Einen Tag später, am Sonntagabend, sei seine Freundin dann abends zu einer Bekannten gegangen.
Um 1.17 Uhr in der Nacht habe sie ihm geschrieben, dass sie jetzt nach Hause komme.
Aber dort sei sie nie angekommen und ihr Handy sei seitdem ausgeschaltet.
Um der Polizei bei den Ermittlungen zu helfen, hatte der besorgte Freund ihnen am Morgen,
noch vor dem Leichenfund, freiwillig sein Handy überlassen.
Die Beamtinnen waren dankbar.
Vielleicht findet sich darauf ein Hinweis über den Verbleib der Vermissten, hatten sie gehofft.
Der ist jetzt mit dem Auffinden ihrer Leiche kein Geheimnis mehr.
Doch was die KollegInnen von der Mordkommission stattdessen auf dem Mobiltelefon gefunden haben,
das leitet die Ermittlungen, auch für Staatsanwaltschaft Lafleur, in eine völlig unerwartete Richtung.
Rückblick
Einige Wochen zuvor hält Marika in ihrer Wohnung in Prag einen Brief in den Händen.
Der Umschlag ist handschriftlich adressiert und ein Blick auf den Absender löst ein freudiges Gefühl in der 26-Jährigen aus.
Der Brief ist von Henry, ihrem neuen Freund.
Marika öffnet das Kuvert, holt das ebenfalls von Hand beschriebene Blatt Papier heraus und liest.
Er habe nicht erwartet, dass er auf seiner Prag-Reise im Juni eine Frau treffen würde, die seine ganze Welt auf den Kopf stellen würde, schreibt Henry auf Englisch.
Aber ihr erster Kuss auf Marikas Couch sei pure Magie gewesen und ihr Körper sei ein zauberhaftes Wunderland.
Die zwei Wochenenden, die sie seither zusammen verbracht hätten, seien ein perfekter Traum.
Ihre positive, intelligente Art sei eine Inspiration für ihn und er könne nicht aufhören, an sie zu denken.
Ja, wer bekommt nicht gerne das Kompliment, du hast so eine intelligente Art.
Also ich weiß nicht, woran es liegt, aber irgendwie macht das gar nichts mit mir, diese Worte.
Nee, also ich bin großer Fan von Liebesbriefen, habe auch bis in mein hohes Alter immer mal wieder welche bekommen.
Allerdings welche, wo mir der Inhalt auch ein bisschen besser gefallen hat als das da.
Aber das liegt wahrscheinlich auch daran, dass ich ein Faible für Menschen habe, die gut mit Sprache umgehen können und ja, nicht sagen, du hast eine intelligente Art.
Oder dein Körper ist ein zauberhaftes Wunderland, wie schlimm.
Ja, aber es ist ja auch nicht nur, wenn jemand gut schreiben kann, sondern es geht ja auch um den Inhalt, um was Individuelles, um etwas, was genau auf deine Person passt,
was irgendwie vielleicht eine Art Insider ist oder so, ja, worüber die Person am anderen Ende ein bisschen mehr drüber nachgedacht hat.
Als sich jetzt vielleicht ein Liebeslied angehört hat und einfach Copy-Paste gemacht hat.
Nee, das hört sich an, als hätte das das Chat-GPT von Wish geschrieben.
Ja.
Naja, also Henry schreibt, er wisse zwar, dass es harte Zeiten geben werde, in denen sie sich nicht sehen werden,
aber er sei bereit für alles, was in Zukunft auf sie zukomme.
Und er hoffe, dass das nur Liebe und Glück seien.
Unterzeichnet hat Henry mit dein und nur dein Henry.
Den 32-Jährigen hatte sie erst vor wenigen Wochen nachts in einem Club in Prag kennengelernt.
Er war dort auf einem Junggesellenabschied, doch umgeben von all den Menschen und der dröhnenden Musik hatten sie nur Augen füreinander.
Henry verbrachte die Nacht mit ihr.
Als er um 8 Uhr am nächsten Morgen gegangen war, dachte Marika, dass sie den durchtrainierten Typen mit dem kurzen, dunkelblonden Haar und Drei-Tage-Bart nie wiedersehen würde.
Aber es kam anders.
Sie sind in Kontakt geblieben.
Und das, obwohl der 32-Jährige fast 400 Kilometer von Prag entfernt in München lebt.
Wenn sie nicht telefonieren oder FaceTime, dann tauschen sie Nachrichten mit Liebesbekundungen aus.
Nachrichten, die Marikas Alltag inzwischen seit zwei Monaten wie in rosa Zuckerwatte höhen.
Sie hat sich in Henry verliebt und er sich auch in sie.
Das merkt sie durch seine Worte ganz deutlich.
Nur die Distanz zwischen ihnen bereitet Marika für ihre aufkeimende Beziehung Sorgen.
Denn sie ist beruflich an Prag gebunden und Henry an München.
Dabei möchte die junge Frau mit dem braunen, langen Haar und den rehbraunen Augen am liebsten immer bei Henry sein.
Einige Wochen später scheint Marika ihrem Ziel schon viel näher zu sein.
Voller Vorfreude sitzt sie im Fernreisebus nach München auf dem Weg zu Henry.
Es wird das erste und das letzte Mal sein, dass sie ihn dort besucht, denn Henry hat inzwischen ein Jobangebot in den Niederlanden bekommen.
Er soll dort eine hohe Managementposition übernehmen.
Und er hat Marika gefragt, ob sie mit ihm nach Amsterdam oder nach Utrecht ziehen würde.
Beide Städte kommen für sie in Frage.
Marika hat nicht lange überlegt.
Sicher wird sie in beiden Städten ebenfalls einen guten Job finden.
Sie hat zugesagt.
Seitdem schicken sie sich jeden Tag neben den Liebesbotschaften auch Wohnungsinserate hin und her.
Immobilien, in denen sie sich ein Leben zu zweit aufbauen wollen.
Schon in drei Wochen, Anfang Oktober, soll es losgehen.
Jetzt, Anfang September, wird sie aber erst einmal sehen, wie Henry in München lebt.
In der bayerischen Hauptstadt angekommen, holt Henry sie vom Busbahnhof ab.
Von hier sind es noch 25 Minuten mit dem Auto zum hübschen Reihenhaus, in dem er wohnt.
Er steht in Bogenhausen, einem noblen Bezirk von München, und erstreckt sich über zwei Stockwerke.
Ein Rosenstock wächst an der weißen Fassade nach oben.
Das Mietshaus sieht gemütlich aus.
Drinnen angekommen will Henry Marika alles zeigen.
Er führt sie durch die helle Küche, ins heimliche Wohnzimmer, bis nach oben ins Schlafzimmer,
wo sein großes Doppelbett steht und Marika ihren Koffer abstellt.
Abschließend gehen sie ganz nach unten in den Keller, den Henry ihr bei der Hausführung nicht vorenthalten will.
Dort entdeckt Marika etwas, an dem ihr Blick hängen bleibt.
Da stehen die Winterstiefel einer Frau.
Nachfragend wendet sie sich an Henry.
Wem die Stiefel gehören, will sie wissen.
Seine Antwort lässt auf sich warten.
Meiner Ex-Freundin, sagt er irgendwann.
Sie ist im letzten Jahr bei einem Autounfall gestorben.
Das tut Marika leid, davon wusste sie bisher noch nichts.
Doch als sie weiter nachfragt, blockt Henry ab.
Also lässt sie das Thema sein.
Manche Menschen brauchen eben ein bisschen, bis sie sich öffnen,
bis sie auch ihre dunkelsten Erinnerungen mit anderen teilen.
Marika will Henry nicht drängen.
Stattdessen will sie sich auf die schöne Zeit konzentrieren, die vor ihnen liegt.
Denn die nächsten Tage gehören nur ihnen.
Die beiden gehen wieder nach oben, weg von den traurigen Erinnerungen im Keller,
ins Wohnzimmer, wo sich Marika auf dem Sofa an ihren Henry schmiegt.
Erst küssen sie sich leidenschaftlich, dann fallen die Hüllen und sie lieben sich.
Auch am darauffolgenden Donnerstag genießen die Verliebten ihre Zweisamkeit,
bevor Marika am Freitag allein im Haus aufwacht.
Henry ist frühmorgens zur Arbeit gefahren.
Aber als Marika auf ihr Handy schaut, hat sie schon Nachrichten von ihm.
Guten Morgen, du mit deinem verschlafenen Gesicht, schreibt er und schickt Zeitzehntipps hinterher.
Sie soll im Glockenbachviertel frühstücken und anschließend den Kirchturm auf dem Münchner Marienplatz nach oben steigen, schlägt er vor.
Und dort habe man eine tolle Sicht über die Stadt.
Marika ist dankbar für Henrys Tipps.
Sie wird sich gleich Richtung Stadtmitte aufmachen und alles, was sie heute nicht schafft, kann sie sich morgen ansehen.
Denn am morgigen Samstag ist Henry auf eine Hochzeit eingeladen, auf die er sie nicht mitnehmen kann, hat er gesagt.
Laura, wie stehst du denn zu No Ring, No Bring?
Also ich finde, jedes Paar soll das für sich selber entscheiden und No Judging.
Bei mir auf der Hochzeit war das jetzt so, da gab es nicht diese Policy No Ring, No Bring.
Für mich war es aber wichtig, dass ich alle Personen einmal vorher in meinem Leben gesehen habe, weil ich das so weird finde, wenn man dann, weißt du, wenn man dann beglückwünscht wird, aber erst mal sagt die Person, hallo, ich bin übrigens die und die Person, herzlichen Glückwunsch zur Hochzeit.
Aber ich kann mir vorstellen, dass es für sie halt doof ist, für die Marika, ne? Also jetzt ist sie ja da schon, jetzt darf sie nicht mehr mit.
Ja, und vor allen Dingen so eine Hochzeitseinladung, die kriegst du ja auch früh genug zugeschickt. Wieso machen die denn für dieses Wochenende dann diesen Trip, also diese Verabredung aus, wenn er dann den ganzen Tag nicht da ist, ist irgendwie auch so ein bisschen blöd und nicht so gut durchdacht gewesen von ihm.
Zurück zu Marika. Am Freitag hat sie jedenfalls Zeit, München auf eigene Faust zu erkunden, bevor Henry am frühen Abend zu ihr stößt. Er führt sie zum Essen aus und er hat gute Neuigkeiten dabei.
Er hat die Hochzeit am Samstag abgesagt, weil er lieber Zeit mit ihr verbringen will. Und er schlägt vor, gemeinsam zum Schloss Neuschwanstein zu fahren. Ein Tagesausflug zu zweit. Das freut Marika.
Inzwischen ist es Abend geworden und sie haben schon ihre Essensbestellung aufgegeben. Da klingelt plötzlich Henrys Handy. Er spricht auf Deutsch, Marika versteht nicht, was er sagt.
Aber ihr Freund sieht plötzlich nervös aus. Er müsse sofort los, sagt er, nachdem er das Telefonat beendet hat. Das war seine Vermieterin, die Alarmanlage zu Hause sei losgegangen.
Er müsse nachsehen, ob alles in Ordnung sei. Aber sie solle hierbleiben, sagt er zu Marika. Er sei in etwa 30 Minuten wieder da.
Doch das kommt für Marika nicht in Frage. Sie ist auch hier, um Zeit mit ihm zu verbringen, sagt sie ihm. Sie kommt mit.
Also verlassen sie gemeinsam das Restaurant. In der U-Bahn angekommen, wirkt Henry plötzlich total nervös.
Wenn sie ankommen, dann würde er schon mal alleine zum Haus rennen, sagt er. Sie solle einfach an der Bahnstation warten.
Und als die U-Bahn kurze Zeit später hält, hastet Henry tatsächlich aus der Tür und rennt los, während Marika allein zurückbleibt.
Es ist weit nach 20 Uhr. Die Dämmerung hat bereits eingesetzt und Marika will nicht alleine an der Station warten, wie bestellt und nicht abgeholt.
Also geht sie los in Richtung Henrys Haus.
Doch in der Straße angekommen, sehen die weißen Reihenhäuser plötzlich alle gleich aus. Sie weiß nicht, wo sie klingeln soll.
Da bekommt sie eine Nachricht von Henry.
Alles sei in Ordnung, schreibt er. Er werde jetzt zurückkommen.
Sie sei schon in der Straße, tippt Marika und wartet darauf, dass Henry jeden Moment aus einem der Häuser tritt.
10 Minuten, 20, 30.
Doch Henry kommt nicht und Marika beginnt, sich Sorgen zu machen.
Auch auf ihre Anrufe reagiert er nicht.
Also tritt sie schließlich an eines der Häuser heran, von dem sie glaubt, dass es Henrys sein muss.
Im oberen Stockwerk brennt Licht, aber unten sind alle Jalousien geschlossen.
Das wundert Marika.
Ist es doch das falsche Haus?
Henry hatte den Sichtschutz die letzten Tage nie unten.
Nicht mal, als sie am Tag ihrer Ankunft im Wohnzimmer Sex hatten.
Sie blinkt aufs Klingelschild. Plötzlich ist sie irritiert.
Das steht zwar Henrys Nachname, aber nicht allein.
Es sind zwei Namen am Klingelschild.
Marika versteht das nicht.
Sie klingelt wieder und klopft energisch gegen die Haustür.
Erst passiert nichts.
Dann hört sie plötzlich ein dumpfes Geräusch von innen, so als wäre jemand zu Boden gefallen.
Und dann den gellenden Schrei einer Frau.
Er kommt aus dem Haus, da ist sich Marika sicher.
Sofort bekommt sie es mit der Angst zu tun.
Sie muss hier weg, denkt sie, und rennt los.
Erst bis ans Ende der Straße, um eine Ecke, dann um die nächste.
Ohne darüber nachzudenken, wohin.
Erst als sie langsamer wird, kommt ihr der Gedanke, die Polizei zu rufen.
Aber sie spricht kein Deutsch und sie kennt nicht einmal die Adresse von Henrys Haus.
Sie weiß gar nicht, wohin sie die Beamtinnen schicken soll.
Also wählt sie stattdessen eine andere Nummer.
Die ihres besten Freundes in Prag.
Marika ist noch völlig außer Atem, als sie ihm erzählt,
Was gerade passiert ist.
Was war das?
Wer war das?
Warum hat ihr niemand die Tür geöffnet?
Tausend Fragen wirft Marika in den Raum,
deren Antworten auch ihr bester Freund nicht kennt.
Nur eines ist ihm wichtig.
Wenn sie Henry das nächste Mal trifft,
dann auf keinen Fall in seinem Haus.
Lieber an einem öffentlichen Ort, sagt ihr Kumpel.
Als Henry schließlich zurückruft, ist es bereits dunkel.
Er entschuldigt sich und möchte sich mit ihr an der Bahnstation treffen,
wo sie sich zuletzt gesehen haben.
Marika ist skeptisch, aber sie willigt ein.
Als Henry vor ihr steht, hat er Kratzspuren am Hals und Schürfwunden an den Händen.
Doch der Schrei, den sie gehört hat, hat für Marika Priorität.
Wer war das?
Fragt sie Henry.
Was ist passiert?
Das war seine Ex-Freundin, sagt er.
Nicht die, die beim Autounfall gestorben ist, sondern ihre Schwester, mit der er auch zusammen war.
Sie sei plötzlich bei ihm aufgetaucht und sie hätten sich gestritten.
Sie sei ihm gegenüber handgreiflich geworden.
Er habe sie aber nicht verletzt, beteuert Henry.
Es gehe ihr gut.
Doch Marika ist nicht überzeugt.
Während Henry auf sie einredet, fällt ihr auf, dass er einen frischen Pullover trägt.
Marika versteht die Welt nicht mehr.
Einerseits klingt das alles völlig absurd, andererseits ist es dunkel, sie ist müde und all ihre Sachen sind ja bei ihm.
Und sie liebt diesen Mann.
Sie will mit ihm zusammenziehen.
Warum stellt sie jetzt plötzlich alles, was er sagt, in Frage?
Also willigt sie schließlich ein, mit Henry in eine Bar zu gehen.
Dort angekommen, bestellt sie sich einen Drink und mit jedem Schluck, den sie nimmt, spürt sie das ungute Bauchgefühl weg, das sie hat.
Als sie schließlich nach Hause gehen wollen, fragt Henry sie, ob sie lieber im Hotel schlafen wolle.
Aber Marika lehnt ab.
Sie will neben ihm liegen, in seinen Armen, wo sie sich sicher und geborgen fühlt.
Und genauso schlafen sie kurze Zeit später in Henrys Haus ein.
Nur weiß Marika nicht, dass Henrys Arme weder Sicherheit noch Geborgenheit bieten.
Zurück ins Hier und Jetzt, wo Staatsanwalt LaFleur und sein Team Marikas Telefonnummer und unzählige eingehende und ausgehende Anrufe auf Henrys Handy gefunden haben.
Auch zur vermuteten Tatzeit haben die beiden mehrfach telefoniert.
An dem Wochenende hat sie ihn in München besucht, das lässt sich anhand von Bildern nachvollziehen.
Nur Textnachrichten mit der Frau finden sich auf dem Handy keine.
Und das kommt der Polizei komisch vor.
Gechattet hat Henry nur mit einer anderen Frau, mit Janina.
Und das schon seit sieben Jahren.
So lange waren die beiden in einer Beziehung, offenbart sein Mobiltelefon.
Sie haben sogar zusammengelebt.
Nur war Janina in der Zeit, in der Marika mutmaßlich bei ihm war, verreist, was für die Ermittelnden einen Verdacht nahelegt.
Henry hatte eine Affäre.
Er hatte zwei Frauen gleichzeitig und jetzt ist eine von ihnen tot.
Und das macht Henry für Staatsanwalt LaFleur zum Tatverdächtigen, der umgehend festgenommen werden sollte.
Doch bevor der Staatsanwalt ein Haftbefehl gegen Henry erwirken kann, klingelt schon sein Telefon.
Die Mordkommission ist am anderen Ende und lässt ihn wissen, dass Henry plötzlich auf dem Polizeirevier aufgetaucht ist, wo er vor zwei Tagen noch die Vermisstenmeldung gemacht hat.
Er will sein Handy abholen, sagt er jetzt.
Unwissend, dass er inzwischen zum Tatverdächtigen geworden ist.
Aber Laurent LaFleur glaubt, dass Henry vielleicht schon ahnt, dass man ihm auf die Schliche gekommen ist.
Immerhin hat er ihnen den entscheidenden Beweis für sein Doppelleben mit seinem Mobiltelefon selbst in die Hand gedrückt.
Warum der 32-Jährige das allerdings freiwillig getan hat, ist dem Staatsanwalt Schleierhaft.
Jedenfalls ist LaFleur die Situation zu heikel.
Wenn Henry schon auf der Polizeiwache ist, dann können sie ihn jetzt nicht mehr gehen lassen.
Deshalb entscheiden LaFleur und die Mordkommission gemeinsam, Henry soll vorläufig festgenommen werden.
Als sich wenige Minuten später die Handschellen um Henrys Gelenke schließen, schließt sich auch sein Mund.
Der vorher so redselige, angeblich besorgte Freund macht von seinem Aussageverweigerungsrecht Gebrauch.
Aber Laurent LaFleur hat ohnehin mehr Interesse daran, mit einer anderen Person zu sprechen.
Der Überlebenden.
Dass die gefunden wird, hat jetzt höchste Priorität.
Denn vielleicht ist die Dame nicht nur Zeugin, sondern auch Komplizin bei einem Fall, bei dem zwei Frauen eine zu viel waren.
Acht Tage nach Henrys Festnahme und zehn Tage nach dem Leichenfund sitzt dann die Person vor den Ermittelnden, von der sich alle Antworten erhoffen.
Marika.
Von Marika hat er in seiner Vermisstenmeldung kein Wort erzählt.
Dabei war sie es, mit der er in Neuschwanstein war, und nicht Janina, so wie er es der Polizei erzählt hat.
Am Samstag war Janina nämlich bereits tot.
Das hat jedenfalls die Rechtsmedizin festgestellt.
Laut der Obduktion wurde Janina am Freitagabend erwirkt.
In Zusammenarbeit mit der tschechischen Polizei hatte man Marika in Prag ausfindig gemacht und dort bereits kurz befragt.
Sie hat schnell klargemacht, dass sie aussagen will und dafür auch nach München kommen würde.
Und sie bringt einen Beweis für Henrys Doppelleben mit.
Nämlich ihr eigenes Handy, auf dem die Polizei den Chat einsehen kann, der auf Henrys Mobiltelefon offenbar gelöscht wurde.
Und der ist ellenlang.
Über 5000 Nachrichten haben sich Marika und Henry in den vergangenen drei Monaten hin und her geschickt.
Mehr als 40 am Tag.
Von der Nacht, als sie sich in Prag kennengelernt haben, bis zu dem gemeinsamen Wochenende in München.
Damit ist für die Polizei klar, Henry hat ein Doppelleben geführt.
Marika war seine zweite Freundin, während sie dachte, dass sie die einzige für ihn war.
Dass sie etwas mit der Tötung von Janina zu tun hat, ist schnell vom Tisch.
Sie erzählt detailreich von ihrem Wochenende in München und von dem absurden Moment, in dem sie vor Henrys Haustür stand und den Schrei einer Frau gehört hat, der sie bis ins Mark erschüttert hat.
Davon hat uns Laurent Lafleur berichtet.
Das war schon eine höchst ungewöhnliche Vernehmung.
Und gleichzeitig eine Zeugin, bei der, wie gesagt, nie der Hauch eines Zweifels bestand, völlig unvermittelt und völlig unverschuldet in diese schon fast kafkaeske Situation hereingebracht wurde.
Sie war auf jeden Fall eine, wenn man das erlauben darf, glaube ich, eine sehr kluge Frau, die sehr reflektiert auch agiert hat.
Aber die gleichzeitig auch zutiefst erschüttert davon war, dass der junge Mann, in den sie sich gerade verliebt hatte, offenbar seine Freundin umgebracht hat und sie auch noch angelogen hat mit, so wie sie uns das ja geschildert hat, relativ abenteuerlichen Erklärungen.
Für Staatsanwalt Lafleur und die Mordkommission ist Marikas Aussage goldwert, denn sie hilft ihnen, die Tatzeit einzugrenzen.
Die Ermittlenden gehen davon aus, dass Henry Janina angegriffen hat, als Marika draußen den Schrei gehört hat.
Freitagabend zwischen 20 und 21 Uhr.
Das würde auch zum Todeszeitpunkt passen, den die Rechtsmedizin ermittelt hat.
Und zu einem Schrei, den die NachbarInnen gehört haben.
Hör auf, so eine Frau geschrien haben.
Das haben sie der Polizei in einer ZeugInnenvernehmung gesagt.
Nur was drinnen im Weißen Reihenhaus passiert ist, das weiß nur Henry und der macht noch immer keine Angaben.
Dabei verdichtet sich die Beweislage gegen ihn.
Bei einer Hausdurchsuchung können Blutspuren im Wohnzimmer festgestellt werden und eine Packung Gefrierbeutel, an der ebenfalls Blut haftet.
Es sind die gleichen Beutel, wie die, in die Janinas Kopf gehüllt wurde.
Doch eines erschließt sich für Laurent Lafleur nicht.
Warum hatte Henry Janina getötet?
Wegen einer Beziehung zu Marika?
Wieso hat er sich da nicht einfach von Janina getrennt?
Um das zu verstehen, muss er mehr über die Frau erfahren, die tot ist.
Also werden ihre FreundInnen und ArbeitskollegInnen befragt.
Sie zeichnen das Bild einer glücklichen, beruflich erfolgreichen Frau und von einer zunächst harmonischen Beziehung.
Rückblick.
Janina lernt Henry im Oktober 2010 kennen.
Sie arbeiten in demselben Unternehmen im bayerischen Oberfranken und der dunkelblonde Sunny Boy, der drei Jahre jünger ist als sie, steckt ihr auf der Arbeit immer wieder romantische Zettelchen zu.
Auf denen fragt er Janina nach Dates und die 28-Jährige mit dem langen, dunkelbraunen Haar fühlt sich von den Nachrichten geschmeichelt.
Eigentlich findet sie ältere Männer attraktiver, aber Henry macht etwas mit ihr.
Also sagt sie einem Treffen zu.
Und da überzeugt er sie auf ganzer Linie.
Dass Henry etwas jünger ist als sie, merkt man ihm überhaupt nicht an.
Im Gegenteil, mit seinen 25 Jahren spricht er vier Sprachen.
Er segelt, wandert und kocht gerne.
Und er spielt regelmäßig Klavier.
Noch dazu ist Henry ambitioniert, was seine Karriere angeht und er scheint auch privat ganz genau zu wissen, was er will.
Nämlich sie, Janina.
Damit ist er den anderen Männern, die sie bereits gedatet hat, voraus und so verliebt sich Janina in Henry.
In den Jahren darauf wechseln beide ihre Arbeitsstellen.
Dafür teilen sie sich aber ab 2012, nach zwei Jahren Beziehung, ein Zuhause, in dem sie für die Harmonie bekannt sind, die zwischen ihnen herrscht.
Janina und Henry passen gut zusammen.
Da sind sich alle einig.
Doch die heile Welt zerbricht, als Janina in Henrys Handy Nachrichten entdeckt, die er mit einer Arbeitskollegin ausgetauscht hat.
Nachrichten, die beweisen, dass er eine Affäre hat.
Janina ist außer sich.
Wütend stellt sie ihn zur Rede.
Sie will die Beziehung beenden, wenn er ihr weiter untreu ist.
Niemals würde sie den Mann teilen, von dem sie glaubt, dass er nur sie liebt.
Doch Henry beteuert, dass es genau so ist.
Er liebt nur sie, sagt er und beendet die Affäre sofort.
Also will ich Janina ein, ihrer Beziehung noch einmal eine Chance zu geben.
Auch wenn ihr Vertrauen Henry gegenüber jetzt angeknackst ist.
Was Janina Henry allerdings verschweigt, ist, dass auch sie eine Affäre mit einem ihrer Arbeitskollegen hat.
Er ist wie sie in einer festen Beziehung.
Es geht ihnen beiden nur um unkomplizierten Sex.
Ihre Zukunft, da ist sich Janina trotz allem sicher, will sie mit Henry verbringen.
Von ihm will sie Kinder bekommen.
Doch stattdessen wird sie im Mai 2013, nachdem Henry seine Affäre beendet hat, ungewollt von ihrer Affäre schwanger.
Als sie ihrem Arbeitskollegen davon erzählt, entscheiden sie gemeinsam, dass Janina die Schwangerschaft abbricht und dass sie ihre Affäre beenden.
Henry erfährt nie etwas davon.
Doch obwohl der andere Mann aus Janinas Leben verschwindet und sie mit Henry 2015 in das hübsche Rheinhaus in Bogenhausen zieht,
kehren Harmonie und Leidenschaft in ihre Beziehung nicht zurück.
Er geht mehrmals heimlich ins Bordell, weil ihn das Sexleben mit Janina langweilt.
Und sie geht 2016, drei Jahre nach ihrer ersten Affäre, eine weitere kurze Liaison mit einem anderen Arbeitskollegen ein.
So kommt es, dass die beiden im September 2017, nach knapp sieben Jahren Beziehung,
zwar die Karriereleiter nach oben geklettert sind, aber zu Hause nebeneinander herleben.
Henry ist viel unterwegs, genau wie Janina selbst.
Als Projektmanagerin für einen großen IT-Konzern war sie auch diese Woche wieder auf Geschäftsreise in Frankreich.
Sie hat nur wenige Stunden geschlafen, als sie sich am Freitag frühmorgens auf den Weg zum Flughafen macht,
um nach Hause nach München zu fliegen.
Aber sie freut sich auf das bevorstehende Wochenende.
Einer ihrer besten Freundinnen heiratet.
Henry wird sie begleiten und er freut sich schon auf sie.
Das hat er ihr jedenfalls frühmorgens geschrieben.
Und diesen Chatverlauf zwischen Henry und Janina am Morgen ihres Todes,
den hab ich jetzt hier vor mir liegen und Paulina, den kennst du noch nicht, weil...
Nee, da hab ich mich drum gedrückt, genau.
Also, Henry schreibt, hast du gut geschlafen, Schatz?
Janina, nein, ich bin seit 4.30 Uhr morgens wach.
Henry, mein armer Kuchen.
Was?
Janina, kann mich ja heute Abend an deinem Waschbrettbauch lehnen, mein Tiger.
Henry, ich freue mich auf mein kleines Schnitzel.
Guten Flug, Baby.
Was ist das schlimmste Kose-Wort?
Schnitzel.
Für mich auch.
Oh nein, aber es ist so traurig, weil man...
Hä, wieso?
Das find ich so bescheuert, weißt du?
Ich meine, so widerlich ist, ich diese Kosenamen auch finde.
Es hat ja trotzdem irgendwie was Süßes.
Und dass wir jetzt wissen, dass in der Zeit eine andere Frau bei ihm lag und noch im Hinterkopf haben, wie die Geschichte dann ausgehen wird.
Das ist ja grauenhaft.
Ja, solche Leute, ehrlicherweise, machen mir richtig doll Angst vor Menschen.
Weil ich meine, diese beiden Frauen haben den geliebt.
Die haben den auch gekannt, vor allem Janina.
Und die hat ihm vertraut.
Und ja, und wie kann man dann jemandem so süße Nachrichten schreiben und gleichzeitig mit einer anderen sein?
Also ich finde, warum machst du es dann?
Ja, genau, das finde ich so gruselig daran.
Ich habe das auch schon im Freundeskreis mal gehabt, dass die eine Person 0,0 irgendwas geahnt hat.
Und diese Chats von dem Tag, als die Affäre rausgekommen ist, die waren noch so süß und lieb und ganz normal.
Ja.
Und auf einmal dreht sich die Welt, ja, weil dir dann irgendwas da von Latz geknallt wird.
Und du denkst dir, mit was für einer Person habe ich eigentlich das letzte halbe Jahr oder das letzte Jahr zusammengelebt, ja.
Ja.
Und das finde ich so beängstigend daran, dass es einigen Menschen offenbar möglich ist, so eine Fassade aufrechtzuhalten,
bei der der andere wirklich nicht den Hauch einer Ahnung hat, dass irgendwas sich verändert hat in der Beziehung.
Ja.
Nachdem Janina in München gelandet ist, geht sie auf direktem Weg zur Arbeit.
Immer wieder fragt Henry sie, wann sie dann nach Hause komme.
Er scheint es nicht erwarten zu können, sie zu sehen.
Doch als sie gegen 20 Uhr endlich daheim ankommt, findet sie zu ihrer Verwunderung ein leeres Haus vor.
Janina ist verwirrt.
Wieso wollte Henry dann den ganzen Tag lang wissen, wann sie zurückkommt?
Allein trägt sie ihren Koffer nach oben ins Schlafzimmer und dort trifft sie der Schlag.
Denn da steht schon ein Koffer.
Ein Koffer, in dem die Sachen einer Frau liegen.
Kosmetik, Kleider, Unterwäsche.
Dabei ist es das, was Janina nicht sieht, was sie erst richtig in Rage bringt.
Henry hat alle Bilder von ihnen von der Wand genommen und ihre hochhackigen Schuhe,
die normalerweise im Eingangsbereich stehen, im Schrank versteckt.
Es ist, als hätte er ihre Existenz aus ihrem gemeinsamen Zuhause gelöscht.
Henry hat offenbar also eine Affäre und die hat er in ihr gemeinsames Haus eingeladen.
Da ist sich Janina sicher.
Oh Gott, und ich kann mir genau vorstellen, wie Janina sich gefühlt hat, weil ich ja auch schon da war.
Du erinnerst dich vielleicht an die Jeansjacke.
Also du warst ja nicht wirklich da, ne?
Du hast gedacht, du erst...
Ja, mit meinem Kopf und allen Gefühlen, mit meinem Körper war ich da.
Erzähl jetzt nochmal, dass du da deine eigene Jacke gesehen hast.
Und eifersüchtig auf dich selbst warst.
Wer ist diese blöde Kuh?
Ja, ich kam von der Arbeit nach Hause, hatte meine Jeansjacke an, kam rein, sah an der Garderobe eine Jeansjacke hängen und dachte mir, okay, mein Freund hat eine Affäre.
Er war nicht zu Hause, ich rufe sofort bei ihm an, er war beim Sport, beim Fußball und konnte glücklicherweise nicht rangehen, weil ich hätte ihn wahrscheinlich zur Sau gemacht.
Ich habe mehrmals angerufen, habe auch kurz gedacht, ich fahre jetzt auf den Fußballplatz und mache die Szene dort.
Du warst ein großer Auftritt geplant.
Ja.
Und ich weiß nicht mehr, wie lange es gedauert hat, bis ich gerafft habe, dass ich die Jeansjacke gar nicht mit bei der Arbeit, also meine Jeansjacke gar nicht mit bei der Arbeit hatte und sie immer an der Garderobe hängen gelassen hatte.
Aber die Jeansjacke meiner Kollegin, die die gleiche hatte wie ich, dass ich die mitgenommen hatte von der Arbeit und deswegen hatte ich eine an und es hing eine da.
Also, ja, es hing meine eigene da.
Und aber zum Glück, bevor ich meinen Freund gesehen hatte, hatte ich diese ganze Sache dann schon verarbeitet und er hat nicht gesehen, was für eine verrückte Person ich werden kann.
Ja, Gott sei Dank. Sonst wäre die Hochzeit in Gefahr gewesen.
Also, ich kann Janina da gerade sehr nachvollziehen, dass sie vor Wut kocht.
Ja, also sie ist auf jeden Fall auch aufgebracht und greift deswegen zu ihrem Handy und wählt Henrys Nummer.
Wo zur Hölle ist er und wessen Unterwäsche liegt er in ihrem Schlafzimmer, will sie wissen.
Eine halbe Stunde später kommt Henry nach Hause.
Endlich kann Janina ihm die Fragen an den Kopf werfen, die sie quälen.
Dabei kennt sie die Antwort bereits.
Henry betrügt sie. Ihre Beziehung liegt in Trümmern vor ihr.
Sie schreit ihn an. Es ist vorbei.
Ja, er hat eine Affäre, gesteht er.
Sie ist seit drei Tagen hier bei ihm.
Janina kann das nicht fassen.
Er wusste doch, dass sie heute zurückkommen würde.
Sie wollen morgen auf eine Hochzeit gehen.
Wieso tut er ihr das an?
Immerhin hat sie ihre Affären immer geheim gehalten.
Er hingegen besitzt die Dreistigkeit, eine fremde Frau mit in ihr gemeinsames Zuhause zu bringen.
Ihr Streit wird immer lauter.
Und dann werden ihre Stimmen plötzlich von der Klingel übertönt.
Jemand steht vor der Haustür.
Wer soll das jetzt sein? fragt sich Janina.
Dann fällt es ihr wie Schuppen von den Augen.
Ob sie das sei, wird Janina wissen, während sie gleichzeitig durchs Wohnzimmer zur Haustür stapft.
Gleich wird sie sie sehen, die Frau, die in ihrem Bett mit ihrem Freund geschlafen hat.
Gleich wird sie das ganze Spiel von Henry aufdecken.
Doch noch bevor Janina an der Haustür ankommt, spürt sie einen wuchtigen Stoß gegen ihren Oberkörper.
Sie verliert die Balance und fällt.
Ihr Kopf schlägt dumpf auf dem Fensterbrett auf.
Dann bleibt sie auf dem Boden liegen.
Henry beugt sich über sie.
Er legt seine Hände über ihren Hals.
Hör auf! schreit Janina.
Einmal, zweimal, plötzlich ist die Frau vor der Haustür nicht mehr ihre Konkurrentin, sondern die Frau, die sie retten könnte.
Doch Marika ist da bereits weggelaufen und Janina ist mit Henry allein.
Sie ist dem Mann, schutzlos ausgeliefert, der vor sieben Jahren mit romantischen Nachrichten um sie gebuhlt hat.
Derselbe Mann, der ihr jetzt das Leben nehmen will.
Und er hat es ihr genommen.
Da ist die Staatsanwalt Laurent Lafleur ein Jahr nach dem Verbrechen sicher.
Denn im September 2018 wird vor dem Münchner Landgericht der Prozess gegen Henry eröffnet
und als der 33-Jährige mit drei Tagebart und gesenktem Blick in den Saal geführt wird, sitzt ihm Lafleur gegenüber.
Er ist es auch, der an diesem ersten Verhandlungstag das Wort ergreift.
Denn es ist die Aufgabe des Staatsanwalts, die Anklage zu verlesen.
Ich habe das Verhalten des Angeklagten als Mord angeklagt und das gleich unter zwei Gesichtspunkten.
Im Podcast, der Mordlust heißt, muss ich wahrscheinlich die Bedeutung der Mordmerkmale nicht im Einzelnen erklären.
Aber ein Totschlag, also eine vorsätzliche Tötung eines Menschen wird dann zum Mord, wenn Mordmerkmale hinzukommen.
Die Mordlust ist übrigens das mit Abstand seltenste Mordmerkmal.
Aber das mit Abstand häufigste Mordmerkmal ist die Heimtücke.
Das hatte ich hier angenommen, weil wir keinerlei Hinweise darauf hatten, dass sie die Chance hatte, sich gegen diesen Angriff zu wehren.
Und dass sie zu Hause sicherlich nicht davon ausgegangen ist, dass sie von ihrem Freund, auch wenn sie ihn mutmaßlich dabei ertappt hatte,
dass er hier fremdgegangen ist und eine fremde Frau mit ins Haus gebracht hatte,
dann doch keine Chance hatte, sich dagegen zu verteidigen, weil sie schlichtweg nicht damit gerechnet hat,
dass sie in ihren eigenen vier Wänden angegriffen wird.
Zum anderen hatte ich als Motiv herausgearbeitet, dass der Angeklagte um jeden Preis ein Leben mit seiner neuen Freundin,
der Geliebten Marika, führen wollte und das auf keinen Fall riskieren wollte,
auch nicht dadurch, dass Marika von der Existenz einer bisherigen Lebensgefährtin erfährt,
was möglicherweise ja zu einer Beendigung bei der Beziehung geführt hätte.
Und dieser Wille des Angeklagten, ein Menschenleben dafür zu opfern,
dass er sein Liebesleben letzten Endes frei ausüben kann,
das habe ich als besonders niederträchtig und damit als besonderen, sonstigen niedrigen Beweggrund eingeordnet
und habe damit noch ein zweites Mordmerkmal angenommen.
Henry sitzt ruhig auf der Anklagebank, als Laurent die Anklage verließt.
Er wirkt in sich gekehrt. Niemand weiß, was in ihm vorgeht.
Auch nicht Marika, die ihm einst so nahe stand.
Dabei kannte sie ihn gar nicht wirklich, das weiß sie heute.
Die 27-Jährige ist eine der wichtigsten Zeuginnen vor Gericht.
Dementsprechend groß ist die Last, die auf ihren Schultern liegt,
als sie am zweiten Prozesstag den Verhandlungssaal betritt.
Es ist das erste Mal, dass sie Henry seit dem Wochenende in München wieder sieht.
Ein Wochenende, das heute wirkt, als wäre es Teil eines anderen Lebens.
Denn seitdem Marika weiß, was Henry getan hat, fällt es ihr schwer, Menschen zu vertrauen.
Sie ist nicht mehr so offen und fröhlich, wie sie es früher war.
Sie hat sich von ihren Freundinnen abgewandt und sie ist in Therapie,
weil sie noch immer nicht verstehen kann, wie sie sich in Henry so täuschen konnte.
Auch deshalb will sie Aussagen, um endlich mit der Sache abzuschließen,
die vor einem Jahr in München passiert ist.
Also erzählt Marika im Zeugenstand noch einmal von ihrer berauschenden Liebesgeschichte mit Henry.
Von den Lügen, die er ihr aufgetischt hat und von dem grauenhaften Schrei, den sie gehört hat.
Die ganze Geschichte macht ihr sehr zu schaffen und es erscheint ihr absurd,
dass sie nach dem Vorfall noch die Nacht mit Henry verbracht hat.
Am nächsten Tag sind sie noch nach Neuschwanstein gefahren, erzählt sie vor Gericht.
Aber sie habe immer wieder an den vorigen Abend denken müssen.
Die Geschichte von der wütenden Ex-Freundin, die Henry ihr aufgetischt hatte,
habe einfach keinen Sinn ergeben.
Also habe sie zurück in München ihre Sachen gepackt und ihn gebeten, sie zum Bahnhof zu fahren.
Sie wollte nur noch nach Hause, nach Prag.
Auf der Fahrt zum Bus habe Henry noch einmal versucht, seine Geschichte glaubhaft zu machen.
Er habe Marika sogar Janinas Facebook-Profil gezeigt und gesagt,
dass das die Ex-Freundin sei, mit der er sich gestern im Haus gestritten hat.
Also die Schwester seiner verstorbenen Ex-Freundin.
Sie solle ihr doch schreiben, habe er gesagt.
Dann werde sie schon sehen, dass alles in Ordnung sei.
Marika hat ihm zunächst geglaubt,
im Bus dann aber wirklich eine Nachricht an Janina verfasst
und prompt eine Antwort erhalten.
Es geht ihr gut, hat Janina geschrieben.
Heute weiß Marika, dass Janina eigentlich noch gelebt hat,
als sie das Haus zum ersten Mal betrat
und sie es war, die sie schreien gehört hatte,
bevor Henry sie tötete.
Und dass er ihr von Janinas Account schrieb,
dass alles in Ordnung sei, obwohl sie da längst tot war.
Henry hat auch Janinas Freundinnen und ihrer Mutter
noch Nachrichten geschrieben, um ihren Tod zu vertuschen.
Marika hatte, ohne es zu wissen,
die Nacht im Haus mit Janinas Leiche verbracht.
Laut der polizeilichen Ermittlung
hat er sie unten im Keller versteckt,
bei den Winterstiefeln.
Und als Marika Henry am Tag nach ihrer Abreise gefragt hat,
was er morgens noch gemacht hat,
hat er geantwortet,
heute Morgen habe ich ausgemistet
und den alten Krempel weggeschmissen.
Boah.
Ja.
So fies und finster.
Ja.
Ein Satz, der rückblickend an Geschmacklosigkeit
kaum zu übertreffen ist.
Und alle im Gerichtssaal schockiert.
Ein voran Janinas Mutter,
die die Nebenklage im Prozess angenommen hat.
Als sie selbst in den Zeugenstand tritt,
erklärt sie, wie schwer es für sie ist, hier zu sein.
Aber sie will die Sache verarbeiten
und dem Mann in die Augen sehen,
der ihrer Tochter das angetan hat.
Einem Mann, der jahrelang an der Seite ihrer Tochter gelebt hat.
Anfangs habe sie ihn für einen Milchreis-Bubi gehalten,
sagt die 55-Jährige.
Und selbst nach Jahren habe sie noch das Gefühl gehabt,
dass er niemanden an sich heranlasse.
Aber er und Janina waren harmonisch und zärtlich miteinander.
Nie hätte sie gedacht,
dass er Janina etwas antun würde.
Seitdem ihre Tochter nicht mehr lebt,
kann sie nicht mehr arbeiten,
erzählt ihre Mutter.
Nur mit der Hilfe von Therapie
schafft sie es, morgens aufzustehen
und die Tage durchzuhalten.
Ihr Tod hat auch sie aus dem Leben gerissen.
Und es gibt Tage,
an denen Janinas Mutter nicht daran glaubt,
je wieder zurückzufinden.
Denn warum Henry ihrer Tochter das angetan hat,
begreift sie bis heute nicht.
Und damit ist sie nicht die Einzige im Gerichtssaal.
Laut Loefflers Anklage
sieht die Staatsanwaltschaft Henrys Motiv darin,
dass er unbedingt vermeiden wollte,
dass die beiden Frauen,
mit denen er gleichzeitig eine Beziehung führte,
aufeinandertreffen.
Dabei wusste er doch,
dass Janina am Freitag nach Hause kommen würde.
Und er wusste,
dass Marika dann noch da sein würde.
Dass ihre Sachen überall im Haus waren.
Das Zusammentreffen ließ sich nicht mehr verhindern.
Deshalb hat er Janina getötet.
Aber warum hat er es überhaupt so weit kommen lassen?
Wieso hat er nicht Verantwortung übernommen
und die Beziehung mit Janina beendet,
um mit Marika zusammen zu sein?
Staatsanwalt Lafleur stellt genau diese Fragen.
Aber Henry lässt sie unbeantwortet.
In der Erklärung,
die er schließlich durch seinen Anwalt verlesen lässt,
gibt er zwar zu,
dass es an dem Abend zu einem handgreiflichen Streit
mit Janina kam,
in dessen Folge sie gestorben ist,
aber ihr Tod sei ein Unfall gewesen,
sagt er.
Er habe sie aufs Sofa geschubst,
dabei sei ihr Kopf auf die Kante
des Fensterbrettes gepreilt.
Danach hätten sie gerangelt,
sie hätte ihn gekratzt
und er hätte sie im Schwitzkasten gehalten.
Dann wäre sie regungslos auf ihm liegen geblieben.
Aber er hätte sie nicht töten wollen,
er hätte sie geliebt.
Auch jetzt würde er sie noch jeden Tag vermissen.
Marika hingegen wäre nur eine Affäre gewesen,
lässt Henry seinen Anwalt ausrichten.
Fragen zu seiner Version des Sachverhalts
beantwortet er nicht.
Also wie lange muss man jemanden im Schwitzkasten haben,
dass jemand dann erwürgt wird?
Ja.
Also wir wissen das ja auch aus anderen Fällen,
dass das jetzt nicht mit zehn Sekunden Luft abschnüren getan ist.
Ja, also das ist einfach richtig, richtig schlimm,
dass der jetzt nach dieser ganzen Geschichte auch noch versucht,
also das als Unfall aussehen zu lassen.
Es ist einfach so respektlos jetzt nochmal am Ende dem Opfer gegenüber.
Und für Laurent Lafleur ist es auch ein leichtes,
die Geschichte, die der Angeklagte vor Gericht auftischt,
als das zu entlarven, was sie ist.
Eine Schutzbehauptung.
Seine Gefühle für Marika belegen allein die zahlreichen Textnachrichten,
die Henry ja geschrieben hat,
sowie zwei handschriftliche Liebesbriefe,
die Marika der Staatsanwaltschaft ebenfalls als Beweismittel überlassen hat.
Darin schreibt er beispielsweise,
dass sie alle Eigenschaften, die er in einer Partnerin sucht, vereint
und dass sie die Frau sei, mit der er zusammen sein will.
Jedes Mal unterzeichnete er mit den Worten,
mit Hoffnung und Liebe, dein und nur dein, Henry.
Und auch, dass Janisas Tod ein Unfall war,
nimmt der Staatsanwalt dem Angeklagten nicht ab.
Denn sein Handy hat den ErmittlerInnen abermals eine andere Geschichte erzählt.
Bereits Ende Juli 2017, etwa einen Monat nachdem er Marika kennengelernt hatte,
hat Henry mit seinem Handy nach Schlafmittelüberdosis tödlich,
nicht nachweisbare Gifte und die zehn giftigsten Pflanzen in deutschen Gärten gesucht.
Ähnliche Suchanfragen hat er bis Ende August, etwa zwei Wochen vor Janinas Tod, wiederholt.
Noch schwerer wiegt aber das, was Henrys Zellenkollege aus der Untersuchungshaft bei der Polizei ausgesagt hat.
Henry habe ihm kurz nach seiner Inhaftierung erzählt, wie er Janina gepackt und sie zu Boden geworfen habe.
Danach habe er, Henry, sich auf sie gesetzt und sie mit beiden Händen gewürgt.
Janina habe sich gewehrt und ihn gekratzt, aber er habe, Zitat, mit seinen Händen die Luft aus Janina rausgedrückt, bis sie tot war.
Die Polizei schätzt die Aussage von Henrys Mitinsassen als glaubhaft ein.
Die Staatsanwaltschaft geht von einer klaren Mordabsicht aus,
nicht etwa von einer Impulstat oder einer seelischen Ausnahmesituation.
Und zum selben Schluss kommen auch zwei psychiatrische Gutachter in.
Sie können an Henrys Verhalten keine psychologischen Auffälligkeiten feststellen.
Nur eine leichte Ausprägung narzisstischer Persönlichkeitszüge, die aber nicht weiter auffällig ist.
Sogar eine überdurchschnittliche Intelligenz wird Henry vor Gericht bescheinigt.
Er sei voll schuldfähig.
Und so kommt es, dass Staatsanwalt Lafleur in seinem Plädoyer nach elf Verhandlungstagen bei derselben rechtlichen Beurteilung bleibt,
die er schon zu Beginn des Prozesses angeklagt hatte.
Ein Mord, der heimtückisch begangen wurde, aus niedrigen Beweggründen.
Er fordert eine lebenslange Freiheitsstrafe und noch mehr, wie er uns erzählt hat.
Ich war der Überzeugung, dass aufgrund des Zusammenspiels dieser objektiv besonders verwerflichen Begehungsweise
und subjektiv besonders verwerflichen Tatmotivation sogar die besondere Schwere der Schuld festgestellt werden sollte
und habe dies dementsprechend auch beantragt, weil die Tat eben selbst aus vergleichbaren Tötungsdelikten so deutlich heraussticht,
dass Unrecht der Tat so viel schwerer wiegten.
Ein entscheidender Aspekt war damals für mich auch die wirklich dramatischen, auch gesundheitlichen Auswirkungen
auf die Mutter der Getöteten, die weit über das aus anderen Fällen bekannte Maß an diesem Verlust gelitten hat,
plus diese beiden Wortmerkmale.
Das hat dazu geführt, dass ich die Verhängung einer lebenslangen Freiheitsstrafe
und die Feststellung der besonderen Schuldschwere beantragt habe.
So, und um das nochmal ganz kurz einzuordnen, es gibt jetzt keine goldene Regel,
wann die besondere Schwere der Schuld beantragt, beziehungsweise auch vom Gericht festgestellt wird.
Das wird total individuell, je nach Einzelfall entschieden.
Aber, wenn das Tatgeschehen mehrere Mordmerkmale verwirklicht, wie hier jetzt angenommen die Heimtücke und die niedrigen Beweggründe,
dann ist das zumindest ein starker Hinweis darauf, dass die Schuld der Tat auch besonders schwer wiegt.
Am 3. Dezember 2018 wird Henry zur Höchststrafe verurteilt.
Lebenslange Haft mit besonderer Schwere der Schuld.
Das Gericht ist der Forderung der Staatsanwaltschaft gefolgt und hat einen heimtückisch begangenen Mord aus niedrigen Beweggründen festgestellt.
Für einen Moment ist Janinas Mutter die Erleichterung ins Gesicht geschrieben.
Nur hält die Genugtuung nicht lange an, denn schon bei der Urteilsverkündung kündigt Henrys Anwalt an, dass sein Mandant in Revision gehen möchte.
Und tatsächlich wird dem Antrag in Karlsruhe stattgegeben und das Strafmaß, zur Überraschung von Laurent Lafleur, vom BGH angepasst.
Denn in Karlsruhe kann man nicht ausreichend nachvollziehen, woran das Münchner Landgericht die Heimtücke festmacht.
Henrys Tatentschluss sei spontan gewesen und er hätte seine körperliche Überlegenheit gegenüber Janina genutzt, um sie zu töten, heißt es im Münchner Urteil.
Doch die Feststellungen seien, Zitat, nicht tragfähig belegt.
Man könne Henry nicht nachweisen, dass er, als er Janina angriff, mit Tötungsvorsatz handelte.
Und das ließe sich wohl auch jetzt nicht mehr belegen.
Urteil der BGH.
Darüber hat sich Laurent Lafleur gewundert, wie er uns erzählt hat.
Ein eher ungewöhnliches Vorgehen, weil der Bundesgerichtshof war ja nicht dabei in der Hauptverhandlung und kann daher eigentlich nicht allzu viel dazu sagen,
ob man möglicherweise noch weitere Feststellungen hätte treffen können, wenn denn die bisherigen nach Auffassung des ersten Strafsenats,
von dem dieser Beschluss stand, nicht gereicht haben.
Das hatte allerdings nicht zur Folge, dass das Urteil komplett aufgehoben wurde,
sondern es wurde lediglich die Feststellung der besonderen Schwere der Schuld, die das Schwurgericht meinem Antrag folgend auch im Urteil drin hatte, aufgehoben.
Das heißt, am Schuldspruch hat sich nichts geändert.
Es blieb auch bei der lebenslangen Freiheitsstrafe.
Das Einzige, das entfallen ist, war die besondere Schwere der Schuld.
Und das ist Laurent Lafleur wichtig.
Die Höchststrafe bleibt bestehen.
Für das Verbrechen, das vor fast zwei Jahren auf seinem Tisch landete und an das er auch noch heute häufig zurückdenken muss.
Marika bekommt von all dem nichts mehr mit.
Zumindest hat sie München da schon längst den Rücken gekehrt.
Und diesmal wird sie nicht zurückkommen.
Denn als sie nach ihrer Aussage vor Gericht zurück nach Prag fährt,
kann die 27-Jährige noch immer nicht begreifen, was an diesem Wochenende, auf das sie sich so gefreut hatte, passiert ist.
Dass sich die rosarote Brille, die sie so lang aufhatte, in einen düsteren Schleier verwandelt hat,
der jetzt über ihrer dreimonatigen Beziehung mit Henry liegt.
Denn wenn sie heute daran zurückdenkt, dann tauchen immer wieder dieselben Fragen in ihrem Kopf auf.
Ab wann hätte sie wissen müssen, dass der Mann, den sie liebt, ein Doppelleben führte?
Wie soll sie jemals wieder jemandem vertrauen?
Und schlimmer noch, wie kann sie sich selbst jemals wieder vertrauen, nachdem sie Henry so falsch eingeschätzt hat?
Marika hat keine Antwort darauf und vielleicht wird sie die nie haben.
Aber was sie noch hat, ist den Liebesbrief, den Henry ihr einst geschrieben hat.
Dein und nur dein, lautet die letzte Zeile.
Damals haben die Worte sie gerührt, heute wirken sie makaber.
Denn Henry hat getötet, um sie wahrzumachen.
Also was hat sich dieser Typ gedacht?
Warum? Also es war klar, dass Janina nach Hause kommt.
Das verstehe ich daran nicht.
Warum?
Also weißt du, das hat ja schon was so ein bisschen.
Manchmal ist das ja so bei Leuten, dass du natürlich jetzt alles nur gemutmaßt,
aber dass die wollen, dass ihre Affäre auffliegt, weil sie zu feige sind, das selbst zu sagen.
Ja, ich kenne auch so im Bekanntenkreis jemand, der auch selber von sich sagt, er will nicht Schluss machen und deswegen ist er einfach selber so scheiße, dass die andere Person dann Schluss machen muss.
Ja, das geht nicht.
Nee.
Vielleicht war das ja, vielleicht war das bei Henry so, dass er wollte, dass die Affäre auffliegt, aber nur bei Janina natürlich und nicht bei Marika.
Und deswegen musste Janina sterben.
Und da muss man ja auch mal sagen, er kannte die Marika ja auch noch gar nicht so lange.
Nein.
Drei Monate.
Und dafür muss deine langjährige Freundin sterben.
Ja, aber es ist auch eh alles so hohl, weil er hätte das Ganze auch auffliegen lassen können mit Briefen oder so.
Weißt du, ich meine die Gefahr, dass Marika was davon mitbekommt, wenn sie dann erstmal da anreist, ist ja relativ hoch.
Weil so wie wir das aus dem Urteil jetzt rausgelesen haben, war das ja nicht der Plan und dass er sie dann umbringt und so.
Aber ich finde es so absurd, weil im Urteil stand auch, dass er eigentlich etwas überdurchschnittlich intelligent sein soll.
Ich so denke, da spricht aber sein ganzes Vorgehen nicht so wirklich für.
Das stimmt.
Da hat wahrscheinlich dieser narzisstische Persönlichkeitsanteil sein Gehirn übernommen.
Wir können da jetzt noch ewig drüber reden, aber zum Beispiel auch dieses Jahr, er wusste, Janina kommt zurück und dass der Koffer da drin war, dass sie das sieht, dass sie sich dann bei ihm melden wird und ausrasten wird.
Wieso fährt er nach Hause?
Jetzt ist es doch schon klar, dass er eine Affäre hat, ja.
Wieso will er jetzt für den vorprogrammierten Streit mit seiner Freundin seine große Liebe alleine im Restaurant sitzen lassen?
Nee, also, nee.
Also das ist wirklich, das ist alles so absurd.
Naja, er musste ja nach Hause, weil er musste ja mit Marika irgendwo sonst abends hin.
Er musste irgendwie dafür sorgen, dass die Janina halt nicht da ist, wenn die beiden zurückkommen.
Ach, es regt einen einfach alles so auf, weil, weißt du, es ist halt so ein Leben zerstört.
Und das Leben ihrer Mutter, wir wissen da nicht sonderlich viel drüber, aber alleine, dass das Gericht das berücksichtigt hat, dass es ihr so schlecht geht und nicht mehr klarkommt im Leben wegen des Verlusts.
Das hört sich ja schon so an, als ob die das wirklich überhaupt nicht verarbeiten kann, verständlicherweise.
Also mehrere Leben dadurch zerstört, nur weil er eine kennengelernt hat, so, weißt du, ich denke, ach nee.
Und wir wissen, dass auch Marika dann nach Therapie brauchte und ich kann mir vorstellen, was man sich da auch selber für Gedanken macht.
Nicht bin ich jetzt schuld, aber ich kann mir vorstellen, dass sowas dann auch mal aufkommt.
Ja, weil sie hatte ja schon den Gedanken, die Polizei zu rufen und hat es dann ja nicht gemacht.
Also das kann ich mir auch vorstellen, dass man sich da fragt, boah, hätte ich mal.
Wissen wir jetzt nicht, aber die tut mir auch so leid, ja.
Weil die hat gedacht, die hat da jetzt den großen Fang gemacht.
Ja.
Naja, in unserer nächsten Folge geht es auch um eine Beziehung, allerdings zwischen Mieter und Vermieter,
die sich über einen längeren Zeitraum so zerstritten haben, dass es am Ende Tote gab.
Bis nächste Woche.
Das war ein Podcast der Partner in Crime.
Hosts und Produktion Paulina Kraser und Laura Wohlers.
Redaktion Isabel Mayer und wir.
Schnitt Pauline Korb
Rechtliche Abnahme und Beratung Abel und Kollegen