00:00:08
Willkommen bei Mordlust, einem Podcast der Partner in Crime.
00:00:12
Wir sprechen hier über wahre Verbrechen und ihre Hintergründe.
00:00:15
Mein Name ist Paulina Kraser.
00:00:16
Und ich bin Laura Wohlers.
00:00:18
In jeder Folge erzählen wir einen bedeutsamen, wahren Kriminalfall nach,
00:00:21
ordnen den für euch ein, erörtern und diskutieren die juristischen,
00:00:24
psychologischen oder gesellschaftlichen Aspekte.
00:00:27
Und wir sprechen mit Menschen mit Expertise.
00:00:30
Hier geht es um True Crime, also auch um die Schicksale von echten Menschen.
00:00:33
Bitte behaltet das immer im Hinterkopf, das machen wir auch.
00:00:35
Selbst dann werden wir zwischendurch mal ein bisschen abschweifen.
00:00:37
Das ist für uns so eine Art Comic-Relief, aber natürlich nicht despektierlich gemeint.
00:00:41
Bevor wir mit dem heutigen Fall starten, der Rechtsgeschichte geschrieben hat,
00:00:46
Laura, eine kleine Anekdote und auch vielleicht eine interessante Info für HörerInnen
00:00:52
bezüglich des Rechts auf Sitzplatzreservierungen.
00:00:55
Ich bin gerade ein bisschen mit der Bahn unterwegs gewesen
00:00:58
und da haben sich wirklich Abgründe aufgetan,
00:01:01
sowohl von Seiten der Bahn als auch menschlich von den PassagierInnen.
00:01:06
Also auf einem meiner Wege ist natürlich ein ganzer Waggon ausgefallen.
00:01:10
Und ich hatte eigentlich eine Sitzplatzreservierung und nun war es aber so,
00:01:15
dass einige Leute, die Reservierungen hatten, andere Sitzplätze bekommen haben
00:01:19
und andere Reservierungen sowie meine wurden komplett gestrichen.
00:01:23
Dann bin ich halt schnell rein, habe mich hingesetzt und dann kam irgendwann eine Frau und sagte,
00:01:27
ja, uns gehören hier die drei Sitze in einer Reihe.
00:01:31
Also ihr, ihr Mann und dem Sohn, der so Anfang, Mitte 20 war.
00:01:36
Also musste ich wieder aufstehen und mir einen neuen Platz suchen, musste mich noch zweimal umsetzen und so,
00:01:41
hatte dann aber zum Glück irgendwann Platz.
00:01:43
Dann kommt so nach eineinhalb Stunden Fahrt bei einem Halt eine ältere Dame rein,
00:01:49
stellt sich hin und sagt zu dieser Familie, zwei der Sitzplätze gehören mir.
00:01:55
Ich, erst mal Ohren gespitzt, dachte, hä, aber ich bin da doch aufgestanden, wie kann das denn sein, ja?
00:02:03
Dann sagt der Mann, ja, nee, heute ist ja alles durcheinander und die Reservierungen, die gelten nicht.
00:02:09
Und dann meinte sie, doch, doch, ich habe ja eine neue Reservierung bekommen für diesen Platz hier.
00:02:13
Also meine gelten schon und ich habe halt zwei der Sitzplätze, auf denen sie sitzt,
00:02:17
aber meine Begleitung kommt nicht, das heißt, ich brauche nur einen, ja?
00:02:19
Da dachte ich schon, na, die werden mich ja wohl jetzt nicht angelogen haben, hoffentlich.
00:02:25
Ja, aber ich war natürlich dann ganz ohr, was dieser beratungsresistente Mann dann da zu der Frau noch gesagt hat.
00:02:33
Und er sagte dann, nee, hier ist alles durcheinander, da müssen Sie jetzt eine Bahnmitarbeiterin oder einen Mitarbeiter holen,
00:02:40
weil das sehe ich jetzt nicht ein, hier aufzustehen.
00:02:42
Dann sagt die Frau so, ja, klar, mache ich gerne, kommt die Mitarbeiterin.
00:02:47
Und er sagt zu ihr, ja, wir hatten auch Sitzplätze reserviert und zwar da hinten welche,
00:02:54
ja, aber die Leute da wollten nicht aufstehen und deswegen mussten wir ja woanders hin.
00:02:58
Und dann sagt die Bahnmitarbeiterin, ja, aber das kann ja jetzt nicht das Problem dieser Frau sein,
00:03:02
die die Sitzplätze hat.
00:03:04
Und sie meinte auch so, kann ich mir jetzt nicht vorstellen,
00:03:07
dass sie nicht in der Lage sind, sich da durchzusetzen, ja?
00:03:10
Wie gesagt, der Mann war komplett stur und auch sau unfreundlich
00:03:14
und die Familie offenbar keine Hemmung, skrupellos zu lügen und mich von dem Platz da zu verscheuchen,
00:03:20
der ja gar nicht denen gehörte, nur damit die dann da in einer Reihe sitzen können, ja?
00:03:24
Nicht mal nebeneinander, also wirklich ungehobelt.
00:03:28
Dann sagt der Typ zu der Bahnmitarbeiterin, ja, dann sorgen Sie jetzt dafür,
00:03:32
dass die, die auf unseren Sitzplätzen sitzen, aufstehen.
00:03:35
Dann sagt die Bahnmitarbeiterin, das kann ich nicht,
00:03:38
denn die Sitzplatzreservierung verliert nach 15 Minuten ihre Gültigkeit.
00:03:43
Heißt, wenn man nicht innerhalb von 15 Minuten seinen Hintern auf den reservierten Sitz platziert,
00:03:49
Dann sagt der Mann, ja, dann bleibe ich hier jetzt auch noch 20 Minuten sitzen,
00:03:53
dann hat die Frau auch keine Reservierung mehr für diese Plätze.
00:03:56
Also es war wirklich unfassbar.
00:04:00
Da haben sich auch schon andere aufgeregt.
00:04:02
Ich habe mich natürlich auch eingemischt, weil ich bin eine Pöblerin.
00:04:05
Und ich wollte auch nochmal zeigen, hä, ich wurde hier unter falscher Tatsachenbehauptung aufgescheucht.
00:04:10
Also das finde ich eigentlich am krassesten, dass die dich da haben aufstehen lassen,
00:04:15
obwohl die gar nicht, also gar nicht den Sitz da hatten auf ihrer Karte.
00:04:19
Nee, und vor allem, sie hätten ja wenigstens mir sagen können, was ihre Sitzplätze gewesen wären.
00:04:24
Dann hätte ich mich ja dahin gesetzt.
00:04:25
Ich meinte, ich hatte ja keine Reservierung mehr.
00:04:27
Also meine, man wurde ja aufgehoben.
00:04:29
Dann hätte ich nicht danach hier noch Reise nach Jerusalem gespielt, ja?
00:04:32
Also so unverschämt.
00:04:34
Und dann meinten auch schon die anderen so, hä, können Sie mal bitte aufstehen für diese Frau?
00:04:39
Das geht ja nicht, ja?
00:04:40
Na ja, dann hat sich irgendwann eine erbarmt.
00:04:42
Wie eine erbarmt?
00:04:43
Na, eine Frau, die auch in dieser Reihe saß, aber hinter der Mutter quasi und hat gesagt,
00:04:48
hier, ich stehe auf, dann kann ihr Sohn sich hier hinsetzen.
00:04:51
Also ich meine, die haben ja auch getan, als wäre der irgendwie drei Jahre alt oder so.
00:04:55
Das war ein erwachsener Mann.
00:04:57
Und dann saßen die halt in einer Reihe und die Frau konnte dann auf ihrem Platz sitzen.
00:05:01
Aber musste dann halt an einem Tisch mit diesem ungeholtem Mann sitzen.
00:05:05
Ich fand das einfach so grauenhaft, ja?
00:05:07
Mir wäre das so peinlich gewesen, wenn ich der Sohn oder die Frau gewesen wäre.
00:05:12
Also wenn ich der Sohn gewesen wäre, hätte ich gesagt, ähm, Papa, ich setze mich einfach
00:05:16
woanders hin, ciao.
00:05:17
Oder ich wäre einfach gegangen, weil mir das so peinlich gewesen wäre.
00:05:20
Ja, nee, aber die waren alle so.
00:05:22
Die ganze Familie war so, nee, warum, wir haben doch hier Sitzplätze und so.
00:05:26
Oh nee, also man denkt sich auch so, was für Probleme diese Leute haben.
00:05:30
Die möchte ich gerne haben, ehrlicherweise.
00:05:33
Aber ich wusste das nicht mit den 15 Minuten.
00:05:36
Das wusste ich auch nicht.
00:05:37
Das ist natürlich Wissen, was man nochmal gebrauchen könnte im Laufe des Lebens.
00:05:41
Aber nicht in dem Sinne, dass man dann 15 Minuten einfach auf einem Platz sitzen bleibt, auch
00:05:46
wenn jemand kommt.
00:05:47
Ich weiß auch nicht, ob das dann gilt.
00:05:50
Sich schlafend stellen.
00:05:52
Ich glaube, das führt dann eher dazu, dass man dann ungebetenerweise plötzlich jemanden
00:05:57
auf dem Schoß sitzen hat, der dann versucht, mit seiner einen Po-Backe dann doch noch den
00:06:01
Sitz zu berühren, damit die Reservierung nicht erlischt.
00:06:03
Ja, und jetzt geht's weiter mit einem ähnlich schlimmen Fall.
00:06:09
Bei dem die Lage allerdings noch ein bisschen mehr eskaliert ist.
00:06:12
Es beginnt nämlich mit einer Hausdurchsuchung, die zwar präzise geplant ist, aber schon nach
00:06:17
wenigen Minuten komplett aus dem Ruder läuft.
00:06:20
Fast alle Namen haben wir geändert.
00:06:24
März 2010 in einer kleinen Gemeinde etwa 30 Kilometer entfernt von Koblenz.
00:06:28
Um kurz vor 6 Uhr vermischt sich kühle Morgenluft mit einer sich ankündigenden Dämmerung.
00:06:34
Der Großteil des 1300-Seelen-Dorfs in Rheinland-Pfalz ist an diesem Mittwoch noch im Schlummerzustand und
00:06:39
wartet darauf, dass sanfte Sonnenstrahlen ihn wachkitzeln.
00:06:42
Es ist eigentlich ein Morgen wie jeder andere, bis plötzlich ein Einsatzwagen auf einem
00:06:47
Feldweg unweit von einem der hübschen Freistehenden Einfamilienhäuser am Ortsrand zum Stehen kommt.
00:06:52
Darin sitzt ein 10-köpfiges Spezial-Einsatzkommandoteam.
00:06:57
Mit Schutzkleidung und schusssicheren Westen steigen die 10 Einsatzkräfte aus dem Wagen.
00:07:02
Die bewaffneten SEK-BeamtInnen verdecken ihre Gesichter mit Sturmhauben.
00:07:06
Einige derer, die gleich in das Haus eindringen wollen, tragen Helme mit Visier.
00:07:10
Das Team ist startklar.
00:07:11
Es streift durch den Lichtkegel einer Straßenlaterne und nähert sich so seinem Zielobjekt.
00:07:16
Einem hellgelb gestrichenen Einfamilienhaus, in dem der Mann wohnt, dem das Aufgebot heute gilt.
00:07:23
Der 43-jährige Uwe Knopke ist Teil des berüchtigsten Motorradclubs der Welt.
00:07:28
Der Hells Angels.
00:07:30
Uwe werden gleich mehrere Straftaten vorgeworfen.
00:07:33
Die Polizei hat mitbekommen, dass er ein ehemaliges Mitglied der Hells Angels genötigt und erpresst haben soll.
00:07:39
Außerdem soll Uwe gemeinsam mit weiteren Hells Angels-Mitgliedern eine Sexarbeiterin von ihrem Stammplatz verscheucht haben,
00:07:45
in dem er ihr gedroht habe, nur damit die Partnerin eines anderen Hells Angels-Mitglied dort anschaffen konnte.
00:07:51
Nur fehlen der Polizei noch eindeutige Beweise dafür.
00:07:55
Um diese sicherzustellen, rücken in dieser Nacht insgesamt 10 Teams in der Umgebung aus,
00:08:00
um 10 unangekündigte Hausdurchsuchungen durchzuführen.
00:08:03
Die ganze Aktion läuft parallel, damit sich die Hells Angels-Mitglieder nicht gegenseitig warnen und so Beweismaterial vernichten können.
00:08:10
Und eines dieser Einsatzteams bezieht nun Stellung vor Uwes Haus.
00:08:15
Die BeamtInnen des SEK haben den Auftrag, bei dem großgewachsenen und stark gebauten Mann nach Beweisen zu suchen.
00:08:20
Durch das, was Uwe vorgeworfen wird, weiß die Polizei, dass Uwe jemand ist, der seine eigene Definition von Recht hat und Probleme gern selbst regelt.
00:08:29
Deswegen ist bei dem heutigen Einsatz ein hohes Maß an Vorsicht geboten.
00:08:34
Der Plan ist, gewaltsam und ohne Vorwarnung in Uwes Haus einzudringen.
00:08:39
Sie wollen den Hells Angels im Schlaf überraschen, damit sie keine Gegenwehr befürchten müssen.
00:08:43
Dazu positionieren sich einige aus dem Team zunächst vor und einige hinter dem Haus.
00:08:48
An der Hausvorderseite können sie erkennen, dass bei drei von vier Fenstern die Rollläden komplett geschlossen sind.
00:08:54
Aber der Rollladen am rechten Fenster im Obergeschoss ist ein Spalt weit geöffnet.
00:08:59
Dadurch sehen sie, das Licht im Haus ist aus.
00:09:02
Für die BeamtInnen in Uniform ein gutes Signal, das ihnen zeigt, dass bisher niemand drin mitbekommen hat, dass sie das Haus umstellt haben.
00:09:09
Beste Voraussetzungen, sich jetzt Zugang zu verschaffen.
00:09:12
Die weiße Haustür befindet sich auf einem kleinen Podest, darüber ein spitzes Vordach.
00:09:17
Als Stütze des Vordachs dienen zwei weiße Betonsäulen, die ein wenig an einen griechischen Tempel erinnern.
00:09:23
Genau hier machen sich nun zwei SEK-Beamte an die Arbeit.
00:09:28
Einer davon ist Patrick.
00:09:29
Der 42-jährige Polizist hat schon bei etlichen Einsätzen in seiner 17-jährigen Karriere beim SEK mitgewirkt.
00:09:36
Das verdankt Patrick auch seiner besonderen Fähigkeit, die bei einer Mission wie der heutigen besonders gebraucht wird.
00:09:42
Er ist nämlich Türöffnungsspezialist.
00:09:45
Patrick und sein Kollege stehen jetzt vor der Haustür, deren obere Hälfte mit Ornamenten aus Milchglas versehen ist.
00:09:52
Auch durch diese Fensterchen sieht man nichts außer Dunkelheit.
00:09:56
Wunderbar. Jetzt kann's losgehen.
00:09:58
Patrick setzt zusammen mit seinem Kollegen ein hydraulisches Gerät zum Aufbrechen von Türen an.
00:10:04
Er schiebt das Gerät am rechten unteren Drittel der Tür wie ein Keil zwischen Türrahmen und Tür.
00:10:09
Dann wird die Hydraulik betätigt und der Keil schiebt die Tür einen kleinen Spalt weit auf.
00:10:14
Das Material der Tür gibt unter einem lauten Knacken nach.
00:10:17
Danach platziert Patrick das Türöffnungsgerät mittig am rechten Türrahmen, kurz darauf wieder ein lautes Knackgeräusch.
00:10:24
Die ersten beiden Verriegelungen sind aufgebrochen.
00:10:27
Alles verläuft nach Plan.
00:10:29
Jetzt werden die SEK-Beamtinnen nur noch durch die dritte und letzte Verriegelung von den möglichen Beweisen gegen den Hells Angel getrennt.
00:10:36
Plötzlich entdeckt einer der Beamten, der sich seitlich hinter dem Haus positioniert hat, das im Obergeschoss Licht angeht.
00:10:44
Offensichtlich ist der Hells Angel aufgewacht.
00:10:46
Per Funk gibt der Beamte die Meldung Licht an die KollegInnen weiter.
00:10:50
Doch abbrechen wollen sie die Aktion nicht.
00:10:53
Das SEK-Team will den vorher festgelegten Plan durchziehen.
00:10:56
Patrick sitzt in der Hocke vor der Haustür und ist dabei, die letzte Verriegelung aufzubrechen.
00:11:01
Langsam steht er auf und streckt seinen linken Arm vorbei an den Milchglas-Ornamenten in Richtung der oberen Ecke der Haustür.
00:11:09
Gleich haben sie es geschafft.
00:11:11
Doch noch während Patrick aus der Hocke aufsteht, zerreißen plötzlich zwei Schüsse die spätwinterliche Morgenruhe.
00:11:18
Der 42-Jährige fasst sich an seinen linken Arm, taumelt nach hinten.
00:11:22
Er ruft noch Arm, Arm, dann fällt er zu Boden und bleibt liegen.
00:11:26
Seine neuen KollegInnen brauchen einen Moment, um zu realisieren, was hier gerade passiert ist.
00:11:32
Dann schlägt die Realität wie ein Blitz ein.
00:11:35
Der im Vorfeld so präzise ausgetüftete Plan ist dahin.
00:11:38
Patrick wurde offenbar von dem Hells Angel angeschossen.
00:11:41
Einer aus dem Einsatzteam schreit, sofort aufhören zu schießen, hier ist die Polizei.
00:11:46
Währenddessen ruft ein anderes Teammitglied den Notarzt.
00:11:50
Die Beamten fordern den Hells Angel auf, das Haus zu verlassen.
00:11:55
Der 43-Jährige öffnet daraufhin ein Fenster, rechts neben der Haustür und zeigt sich mit erhobenen Händen.
00:12:00
Er ist unbewaffnet.
00:12:02
Das SEK tritt die sowieso schon fast aufgebrochene Haustür jetzt endgültig aus den Angeln, stürmt das Gebäude und stürzt sich auf den Hells Angel, der sich ohne Gegenwehr festnehmen lässt.
00:12:13
Aber der Höllenengel ist nicht allein zu Hause gewesen.
00:12:16
Eine blonde Frau ist bei ihm, seine Verlobte.
00:12:18
Sie wird ebenfalls vorläufig festgenommen.
00:12:21
Währenddessen wird Patrick ins nahegelegene Krankenhaus eingeliefert und kämpft dort um sein Überleben.
00:12:26
Durch Patricks angehobenen Arm konnte die Kugel in die Aussparung seiner Schutzweste in den Brustkorb eindringen und dort mehrere Organe verletzen.
00:12:35
Patrick verliert sehr viel Blut und um 6.57 Uhr nur knapp eine Stunde nach Einsatzbeginn auch sein Leben.
00:12:42
Nur wenige Stunden nach dem Tod des SEK-Beamten machen sich JournalistInnen auf den Weg in das kleine Dorf.
00:12:49
Als noch am selben Tag die Artikel erscheinen, weiß nicht nur die Rheinland-Pfelsische Gemeinde, was sich hier in den frühen Morgenstunden des 17. März 2010 abgespielt hat.
00:12:58
Medien in ganz Deutschland titeln Hells Angel erschießt SEK-Beamten.
00:13:03
Neben Bildern von dem hellgelben Haus werden Fotos von der weißen Tür mit den Einschlusslöchern gedruckt.
00:13:08
Der Hells Angel habe ohne jegliche Vorwarnung geschossen und dabei einen Elite-Polizisten getötet, heißt es.
00:13:14
Die Bürgermeisterin aus Uwe Knopkes Dorf zeigt sich entsetzt, dass, Zitat, hier ein unschuldiger Mann sein Leben lassen musste.
00:13:21
Auch die AnwohnerInnen können kaum fassen, dass sich so eine blutige Szene in ihren Reihen abgespielt hat und sind erschüttert.
00:13:29
Dass sie Tür an Tür mit so jemandem wohnen, hatten sie nicht geahnt.
00:13:33
Und schon bald werden Stimmen laut die Sühne für diese Tat fordern.
00:13:36
Das Hamburger Abendblatt zitiert den rheinland-pfelsischen Ministerpräsidenten Kurt Beck, der sagt, dass es sich hier um eine schreckliche Gewalttat handelt.
00:13:44
Eine Gewalttat, die gerecht werden muss.
00:13:46
Es ist das erste Mal seit 25 Jahren, dass in Rheinland-Pfalz ein Polizist im Dienst getötet wurde.
00:13:52
Der 43-jährige Hells Angel, der die Tat laut Medienberichten gestanden hat, gehört in den Knast.
00:13:57
Da sind sich die Medien, aber auch die Behörden einig.
00:14:00
Und bereits am Abend der tödlichen Schüsse steht fest, gegen Uwe wurde Haftbefehl wegen Mordes erlassen.
00:14:06
Seine Verlobte wurde wieder laufen gelassen.
00:14:09
Wegen des Todes ihres geschätzten Kollegen sieht die Gewerkschaft der Polizei die Justiz in der Pflicht, hart gegen kriminelle Rocker wie Uwe vorzugehen.
00:14:17
Und dafür soll der Prozess sorgen, der schon sechs Monate später beginnt.
00:14:21
Am 14. September 2010 tummeln sich etliche MedienvertreterInnen vor dem Koblenzer Landgericht,
00:14:28
dessen betongrau karierte Fassade nicht gerade dafür sorgt, dass das Gericht zu den Schönsten des Landes gehört.
00:14:33
Im Erdgeschoss befindet sich der verglaste Eingangsbereich, durch den an diesem Herbsttag neben der Presse auch ein Haufen Schaulustiger hereinspaziert.
00:14:42
Bei diesem Bild ist sofort klar, dieser Prozess erfordert strenge Sicherheitskontrollen.
00:14:47
Streng deshalb, weil sich unter die Menge eine ganze Rockermannschaft in Lederkutten gemischt hat.
00:14:51
Eine Gruppe Hells Angels versammelt sich an dem Ort, dem sie als selbsternannte Outlaws normalerweise nicht viel abgewinnen können.
00:14:58
Doch heute sitzt ein Mitglied ihrer Truppe auf der Anklagebank, dem sie den Rücken stärken wollen.
00:15:03
Die Männer mit den schwarzen Lederjacken, die mit dem typischen Hells Angels Schriftzug und Totenkopf mit Engelsflügeln bestückt sind,
00:15:09
nehmen in den vorderen Rängen im Gerichtssaal Platz und warten auf Uwe.
00:15:13
Als der Angeklagte in den modernen Saal mit viel Licht und hellen Wänden tritt und seine Kuttenkumpels sieht,
00:15:19
macht sich ein leichtes Lächeln auf seinem Gesicht breit.
00:15:22
Der mittlerweile 44-jährige Uwe sieht gepflegt aus.
00:15:25
Seine langen, dunkelbraunen Haare hat er im Nacken zu einem strengen Pferdeschwanz gebunden.
00:15:29
Er ist glatt rasiert und ganz in schwarz gekleidet.
00:15:33
Ein Mann mit kurzem grauen Haar und Schnauzer nickt ihm von der ersten Reihe im Publikum aus zu.
00:15:38
Seine Lederweste verrät, wer er ist.
00:15:41
Auf einem Aufnäher steht President Bonn.
00:15:44
Der Präsident der Hells Angels im Bonner Charter, so nennt man den Ortsclub der Rockergang,
00:15:48
ist persönlich erschienen, um seine Solidarität mit seinem Vereinsmitglied,
00:15:52
das einen Polizisten auf dem Gewissen hat, zu symbolisieren.
00:15:55
Einige Augenblicke später wird die Verhandlung eröffnet.
00:16:00
Der Staatsanwalt fordert für Uwe eine Verurteilung wegen Mordes aus niedrigen Beweggründen.
00:16:04
Aus seiner Anklageschrift verliest er, wie sich die Tat abgespielt haben muss.
00:16:08
Was er sagt, liegt nahe, dass der Eindruck, den manche nach der Tat von Uwe durch Medienberichte
00:16:13
bekommen haben mögen, nicht so ganz der Wahrheit entspricht.
00:16:16
Denn tatsächlich habe Uwe gar nicht auf die Polizei schießen wollen.
00:16:20
Der Anklagevertreter geht davon aus, dass Uwe überhaupt nicht wusste, dass das SEK vor seiner Haustür stand.
00:16:26
Er ist sich sogar sicher, dass Uwe nicht einmal mit einem Polizeieinsatz gerechnet hat.
00:16:30
Stattdessen habe Uwe am frühen Morgen des 17. März 2010 geglaubt, dass es sich bei den Leuten vor seiner Tür um Einbrecher handelte.
00:16:39
Grund für diese Annahme ist, dass bei Uwe und seiner Verlobten in den Monaten zuvor schon zweimal eingebrochen wurde
00:16:44
und dabei ein Schaden von etwa 50.000 Euro entstanden ist.
00:16:48
Uwe habe den vermeintlichen Einbruch laut Anklage als persönliche Kränkung empfunden und im Sinne der Selbstjustiz gehandelt.
00:16:57
Als Mitglied der berüchtigten Hells Angels habe er die Person vor seiner Tür dafür bestrafen wollen,
00:17:01
es zu wagen, in sein Haus eindringen zu wollen.
00:17:04
Aus diesem niedrigen Beweggrund habe Uwe zur Waffe gegriffen und ohne jegliche Vorwarnung
00:17:09
aus einer Entfernung von gerade einmal zweieinhalb Metern zweimal abgedrückt.
00:17:13
Dabei, so die Anklage, habe Uwe gezielt den Menschen vor seiner Tür erschossen,
00:17:18
obwohl er nicht gewusst habe, um wen genau es sich handelte.
00:17:22
Es sei Uwe also vor allem darum gegangen, den Menschen zu töten, der sich einen Weg in sein Reich wahren wollte.
00:17:28
Der Staatsanwalt beschreibt das Szenario mit den Worten, es ähnelte einer Hinrichtung.
00:17:32
Uwe hingegen sieht in seinem Verhalten keinen Mord, nicht einmal einen Totschlag.
00:17:38
Ganz im Gegenteil, er hält seine Schüsse sogar für gerechtfertigt.
00:17:42
Obwohl er jemanden getötet hat, verteidigt er diese blutige Tat mit breiter Brust vor Gericht.
00:17:48
Er gehöre weder verurteilt noch eingesperrt und will nun vor Gericht selbst erklären, warum er unschuldig sei.
00:17:54
Der 44-jährige Angeklagte ergreift in seinem Prozess das Wort und schildert seine Version der Dinge.
00:18:02
Dabei legt er erstmal offen, dass er vor seiner Zeit bei den Hells Angels ein komplett anderes Leben geführt hat
00:18:08
und damals nicht hatte absehen können, dass er einmal Teil des berüchtigsten Motorradclubs der Welt wird.
00:18:14
18 Jahre lang arbeitet er als Konditor, bis ihn vor zehn Jahren eine Mehlstauballergie dazu zwingt,
00:18:20
Spritzbeutel und Ofenhandschuhe an den Nagel zu hängen.
00:18:23
Als berufsunfähiger Frührentner wird er Mitglied bei den Hells Angels.
00:18:27
Statt Rührwesen und Kuchen dominieren ab jetzt Waffen und Motorräder seinen Alltag.
00:18:32
Uwe übernimmt 2008 das ranghohe Amt der Sergeant-at-Arms im Charter Bonn.
00:18:37
Seine Aufgabe ist es, dass die Höllenengel in Ruhe ihren Geschäften nachgehen können
00:18:41
und dabei nicht über den Tisch gezogen werden.
00:18:43
Er sorgt für Ordnung, sowohl innerhalb als auch außerhalb des Clubs.
00:18:47
Wenn nötig, taucht er dazu persönlich mit anderen Hells Angels-Mitgliedern bei Leuten auf, die Probleme machen.
00:18:54
Oft geht es um klubinterne Angelegenheiten oder Konflikte, bei denen Hells Angels private Dinge klären wollen.
00:18:59
Einmal macht er zum Beispiel Stress bei einem Fitnessstudio, weil jemand, den er kennt, sich dort mit der Betreiberin über ein Abo streitet.
00:19:06
Außerdem schützt der Sergeant-at-Arms die Mitglieder in seinem Charter für feindlichen Angriffen.
00:19:11
Denn häufig geht es bei den Hells Angels auch um Revieransprüche, die sie gegen ihre Erzrivalen ausfechten.
00:19:18
Zwei Wochen vor dem verheerenden Abend erhält einer von Uwes Kumpels eine SMS.
00:19:24
In der Nachricht steht, dass bei den Bandidos das Gerücht rumgehen würde, dass einer von ihnen einen Angriff auf einen Hells Angel plane.
00:19:32
Laut des Informanten soll jemand schwer verletzt, vielleicht sogar getötet werden,
00:19:36
damit sich bei den Bandidos jemand den Patch mit der Aufschrift
00:19:40
Expect No Mercy und 25.000 Euro dazu verdienen kann.
00:19:44
So und kurz diese Patches, das sind diese Aufnäher, die die meisten vielleicht von diesen Lederkutten kennen,
00:19:50
die die Rocker tragen bzw. getragen haben, weil seit 2017 gibt es ja dieses Kuttenverbot
00:19:56
und deswegen dürfen die die nicht mehr in der Öffentlichkeit anziehen.
00:19:59
Zu der Zeit, in der der Fall hier spielt, galt das ja aber noch nicht.
00:20:03
Und bei den Hells Angels ist der wohl bekannteste Patch der Center Patch, also dieser Death Head.
00:20:08
Das ist dieser Totenkopf mit Motorradhelm, Hörnern und den großen gelb-roten Engelsflügeln.
00:20:14
Den dürfen nur Hells Angels Mitglieder tragen.
00:20:17
Und dann sind an diesen Lederwesten oder halt Jacken noch manchmal andere Patches angebracht.
00:20:22
Wie zum Beispiel beim Bonner Hells Angels Präsident, der mit der Aufschrift President und Bonn.
00:20:27
Und dann gibt es wiederum noch andere Patches, deren Bedeutung jetzt nicht unbedingt erstmal offensichtlich ist.
00:20:33
Den Hells Angels Patch, auf dem De Cuyallo steht, bekommt ein Hells Angel nur dann,
00:20:38
wenn er einen Polizisten oder eine Polizistin für den Club erheblich verletzt hat, zum Beispiel durch Prügel.
00:20:45
Und wenn ein Hells Angel einen anderen Menschen schwer verletzt oder sogar tötet, also jetzt nicht jemanden von der Polizei,
00:20:50
sondern in den meisten Fällen halt Mitglieder eines verfeindeten Motorradclubs wie den Bandidos,
00:20:55
dann bekommt das Mitglied den Patch mit der Aufschrift Filthy Few.
00:20:58
Also das heißt dann sowas wie die wenigen Schmutzigen.
00:21:01
Offiziell bestreiten die Hells Angels zwar diese Bedeutung des Patches,
00:21:05
aber sie sagen auch nicht, wofür der sonst stattdessen steht.
00:21:09
Und das Äquivalent zu diesem Aufnäher bei den Bandidos, weil die haben natürlich andere Namen und andere Aufnäher,
00:21:14
ist eigentlich Cude Gras.
00:21:16
Aber in diesem Fall reden die ja immer von Expect No Mercy, von dem jetzt auch bei Uwe's Prozess die Rede ist.
00:21:22
Und noch kurz dazu, also ich habe zur Vorbereitung für diese Folge mit einem Mitglied eines Rockerclubs
00:21:27
ein ausführliches Hintergrundgespräch geführt.
00:21:29
Und der hat auch nochmal betont, dass es natürlich nicht so ist,
00:21:32
dass man einfach irgendwie eine Oma auf der Straße umboxen soll oder so.
00:21:38
Und dann so ein Patch bekommt, sondern je nachdem bei welchem Club man ist,
00:21:42
wird das auch bis in die obersten Ränge vorher abgesprochen.
00:21:45
Und du musst es für den Club tun.
00:21:48
Also jetzt nicht einfach, weil du selbst verärgert bist oder so.
00:21:51
Tatsächlich ist mein Informant auch eher so ein Typ, der einer Oma über die Straße helfen würde.
00:21:56
Und ich glaube, das zeigt auch so ein bisschen,
00:21:59
dass da nicht nur ein bestimmter Schlag Mensch Mitglied ist.
00:22:03
Und das beispielsweise nur, weil nur in Anführungsstrichen man sich der organisierten Kriminalität verpflichtet,
00:22:10
man nicht auch einer Oma über die Straße hilft, aber halt auch andersrum.
00:22:15
Also dass nur wer einer Oma über die Straße hilft, dass das nicht auch heißen kann,
00:22:20
dass diese Person nicht vielleicht auch schwer kriminell ist.
00:22:22
Aber er ist ja auch ehemaliges Mitglied.
00:22:25
Das habe ich jetzt irgendwie so angenommen.
00:22:29
Dann ist da so das Gefühl, dass du bekommen hast, dass es dann schon sozusagen klare Regeln gibt
00:22:35
und dass man quasi jetzt nicht jemanden Unschuldiges, in Anführungszeichen, damit reinziehen würde.
00:22:41
Wobei man da natürlich auch gucken muss.
00:22:43
Sagen wir jetzt mal bei dem Fall von Uwe, der dann da Stress machen wollte in diesem Fitnessstudio.
00:22:50
Oder bei dieser Prostituierten.
00:22:52
Das war eigentlich ihr Stammplatz.
00:22:55
Also insofern trifft es natürlich schon manchmal Leute, die eigentlich ja nichts gemacht haben,
00:23:00
aber dann mit irgendwelchen Leuten aneinander geraten, die mit dem Club zu tun haben.
00:23:05
Also ganz so ist es natürlich auch nicht.
00:23:07
Nichtsdestotrotz, jeder Club hat ja auch seine eigenen Regeln.
00:23:11
Jeder Charter oder jedes Chapter verhält sich vielleicht auch anders, hat andere Dynamiken und so.
00:23:15
Aber, und ohne das verherrlichen zu wollen, aber ich habe jetzt zum Beispiel keine Angst vor meinem Gesprächspartner gehabt.
00:23:23
Also den kenne ich auch schon lange und ich wusste bis vor einem bis zwei Jahren gar nicht, dass der in seiner Freizeit Kutte trägt.
00:23:30
Dementsprechend habe ich die Person natürlich auch ganz anders kennengelernt und ohne Vorurteile, die ich vielleicht gehabt hätte, wenn ich das vorher gewusst hätte.
00:23:36
Und wüsste aus meinen eigenen Erfahrungen mit der Person nur Gutes zu erzählen.
00:23:42
Es würde sich vielleicht ändern, wenn ich wüsste, was diese Person in diesem Rockerclub so treibt.
00:23:46
Keine Verherrlichung, aber ja.
00:23:50
Aber es ist interessant und es ist immer so.
00:23:52
Es gibt immer zwei Seiten oder noch mehrere Seiten natürlich eines Menschen.
00:23:56
Und wenn man über Uwe jetzt ein bisschen was erfährt.
00:23:58
Er war halt Bäcker oder Konditor und ist da drin voll aufgegangen und so und musste das dann nur irgendwie beiseite legen, weil es dann irgendwie gesundheitlich auch nicht mehr weiterging.
00:24:09
Er lebt in diesem gelben Einfamilienhaus, das jetzt von außen aussieht.
00:24:13
Keine Ahnung wie, was weiß ich, ein Spießerhaus oder so.
00:24:16
Von daher bei ihm würde man ja auf den ersten Blick auch nicht unbedingt denken, was da noch alles dahinter steckt.
00:24:22
Naja, mein Gesprächspartner war dann auch so, Paulina, du weißt ja, wie ich bin.
00:24:26
Und da meinte ich halt so, ja, ich mag das natürlich glauben auch, dass nicht alle Mitglieder eines Clubs gleich kriminell sind.
00:24:33
Und es natürlich da auch Menschen geben wird, die Liebesseiten haben, ja.
00:24:38
Und dann sagte er nur, das sag mal nicht zu laut, denn ein amerikanischer Motorradverband hatte in den 40er Jahren mal behauptet, dass 99 Prozent aller Motorradfahrer ganz gesetzestreu sind.
00:24:50
Und deswegen tragen viele Rocker jetzt ein Ein-Prozent-Patch auf den Kutten, in so einer Raute, um eben zu sagen, ich bin ein One-Percenter, also ein Outlaw.
00:25:02
Und zu diesen 99 Prozent gehöre ich nicht. Und mein Gesprächspartner kommentierte das dann noch so viel Sand mit. Das Image muss auch schon gewahrt werden.
00:25:11
Ja, und um das zu zeigen, dazu gehören eben auch die Patches. Und im Fall von Uwe will eben jetzt ein Bandido sich sozusagen diesen Patch mit Expect No Mercy verdienen.
00:25:23
Das sagt eben dieser Informant. Und Uwe und die anderen Hells Angels nehmen den Hinweis auf diesen tödlichen Plan sehr ernst.
00:25:30
Denn der Informant bezog sich in seiner Nachricht auf einen Vorfall von vor etwa einem halben Jahr.
00:25:35
Im Oktober 2009 kam es nämlich in Duisburg zu einem bewaffneten Zusammenstoß zwischen Mitgliedern der beiden Clubs, der als bisheriger Höhepunkt der Auseinandersetzung zwischen den beiden rivalisierenden Motorradclubs gilt.
00:25:46
Ein Hells Angel hatte dabei einen Bandido durch einen Kopfschuss getötet.
00:25:51
Danach kam es zu mehreren Auseinandersetzungen in der Rockerszene, weil der zuvor geschlossene Friedensvertrag zwischen den Clubs damit für die Tonne war.
00:25:59
Und auf eben diesen Vorfall bezieht sich der Informant in seiner Nachricht.
00:26:02
Uwe fragt sich also, könnten die Bandidos es in ihrem Rachefeldzug jetzt auf einen Hells Angels Mitglied abgesehen haben?
00:26:09
Uwe will den möglichen Anschlag verhindern. Als Sergeant ist das schließlich auch seine Aufgabe.
00:26:16
Es ist der 16. März 2010. Uwe und ein paar andere Hells Angels aus dem Charter verabreden sich mit dem Mann, der ihnen die Information über den bevorstehenden Angriff gesteckt hat.
00:26:26
Sascha. Sascha ist Bandido, besser gesagt war er es bis vor drei Tagen.
00:26:31
Denn seine Verbindungen zu den Hells Angels sind derweil aufgeflogen.
00:26:35
Immer wieder hatte Sascha Kontakt zu den Bonner Hells Angels und stand ihnen damit näher, als er eigentlich sollte.
00:26:41
Als Saschas Untreue bei den Bandidos rauskam, wurde er von ihnen verprügelt und aus dem Club geworfen.
00:26:47
Als einstiges Mitglied der Bandidos hilft Sascha heute Abend also Uwe und seiner Crew, mehr Klarheit bezüglich des unheilvollen Gerüchtes zu bekommen.
00:26:55
Und Sascha packt aus. Ein gewisser Erik solle derjenige sein, der den Anschlag vorhabe.
00:27:01
Laut Sascha habe Erik immer eine Schrotflinte in seinem Auto bereit liegen.
00:27:05
Es ist also wahr. Bei dem Gerücht handelt es sich um eine ernsthafte Bedrohung für jeden Einzelnen in seinem Club und auch für Uwe persönlich.
00:27:13
Doch das wird er so nicht hinnehmen.
00:27:17
Der 43-Jährige und drei weitere Hells Angels statten Erik kurze Zeit später an demselben Tag einen Besuch ab, um ihn zur Rede zu stellen.
00:27:24
Es ist 22.17 Uhr an diesem kühlen Märzabend. Draußen ist es schon lange dunkel.
00:27:30
Uwe und die anderen Hells Angels rufen Erik an, also ans Fenster kommen, sie wollen mit ihm reden.
00:27:35
Der Bandido lässt sich auf ein Gespräch mit den Hells Angels ein.
00:27:38
Die fragen Erik, ob er eine Waffe besitzt und vorhat, einen Anschlag auf einen Hells Angel zu verüben.
00:27:44
Der Bandido verneint beides und beteuert, dass er solche Pläne nicht habe.
00:27:49
Er wüsste aber wer und liefert den Hells Angels auch prompt einen Namen.
00:27:55
Der Informant der Hells Angels und ehemalige Bandido, mit dem sich Uwe und die anderen erst heute getroffen haben,
00:28:02
soll also selbst hinter dem Angriffsplan stecken.
00:28:05
Laut Erik habe Sascha vor, mit einer Axt den, Zitat, Engeln die Flügel abhacken zu wollen.
00:28:11
Aber er selbst, das verspricht Erik, habe das nicht vor.
00:28:14
Sei es nun Erik, Sascha oder doch jemand ganz anderes der Bandidos, Uwe ist nach dem Treffen mit Erik fest davon überzeugt,
00:28:22
dass jemand aus dem Rockerclub einen Angriff gegen die Hells Angels plant.
00:28:25
Uwe fährt in dieser Nacht erst spät nach Hause, sperrt die Haustür auf und legt sich irgendwann neben seine verlobte Christine ins Bett.
00:28:32
Nicht wissend, was die Bandidos aushacken und wann jemand angreifen wird.
00:28:37
Nach nur vier Stunden wird Uwe wieder aus dem Schlaf gerissen.
00:28:42
Christine weckt ihn auf, um die beiden herum ist es stockfinster.
00:28:46
Seine Verlobte sagt, sie hat ein Knacken von unten aus dem Erdgeschoss gehört.
00:28:50
Sie glaubt, dass sich schon wieder Einbrecher an ihrer Tür zu schaffen machen.
00:28:54
Es ist gerade einmal ein Monat her, als bei den beiden eingebrochen wurde.
00:28:58
Die Einbrecher hatten letztes Mal ordentlich was mitgehen lassen.
00:29:02
Sogar Uwes Waffenschrank hatten sie aufgeflext und einen Revolver geklaut.
00:29:05
Uwe, jetzt hellwach, spitzt die Ohren.
00:29:08
Auch er nimmt Geräusche von draußen wahr, steigt aus dem Bett und geht zum Schlafzimmerfenster.
00:29:13
Durch den Spalt im Rollladen schaut er nach draußen auf den dunklen Asphalt,
00:29:17
der nur von der einsamen Straßenlaterne gegenüber beleuchtet wird.
00:29:21
Aber sonst sieht er nichts, vor allem keine Menschen.
00:29:24
Aber er hört welche, das ist er sich ganz sicher.
00:29:27
Für ihn klingt das nach nicht nur einer, sondern mehreren Stimmen.
00:29:31
Sofort schießt ihm ein Gedanke in den Kopf.
00:29:33
Es ist also wahr, die Bandidos sind hier.
00:29:36
Anders als seine Verlobte geht er nicht von Einbrechern aus,
00:29:40
sondern von den verfeindeten Rockern, die jetzt ihm,
00:29:43
wenige Stunden nach dem Besuch bei Erik, an den Kragen wollen.
00:29:46
Aber nicht mit ihm.
00:29:48
Der Sergeant at Arms öffnet seinen Waffenkoffer, der im Schlafzimmer liegt, nimmt eine Pistole heraus und lädt sie mit acht Patronen.
00:29:54
Dann geht er aus dem Schlafzimmer und macht im Obergeschoss das Licht an.
00:29:58
Der obere Flur und der Treppenbereich sind jetzt hell erleuchtet.
00:30:03
Vielleicht bringt das diejenigen vor seiner Tür dazu, das Weite zu suchen.
00:30:05
Zu Christine sagt er, sie soll im Schlafzimmer bleiben.
00:30:08
Uwe steigt die wenigen Treppen ins Erdgeschoss hinunter und bleibt am Treppenabsatz stehen.
00:30:13
Die Haustür ist schon einen Spalt weit aufgebrochen.
00:30:17
Jemand will sich also trotz des eingeschalteten Lichts Zugang verschaffen?
00:30:20
Uwe ist jetzt vollends überzeugt, das sind definitiv keine gewöhnlichen Einbrecher.
00:30:25
Es müssen Bandidos sein, die jetzt hier sind, um ihn und Christine anzugreifen.
00:30:29
Trotz des Lichts im Obergeschoss erkennt Uwe nur wenig im Eingangsbereich seines Hauses.
00:30:34
Durch die kleinen Milchglasornamente kann er vage einen Schatten von einem Mann in gebückter Haltung erkennen.
00:30:39
Er lauscht den Geräuschen von draußen, kann aber nichts Genaues verstehen.
00:30:43
In ihm steigt die Befürchtung, dass die Bandidos von außen durch die Tür schießen könnten.
00:30:47
Uwe verschanzt sich hinter der Wand am Treppenabsatz und schreit, verpisst euch.
00:30:52
Er will die Typen vor seiner Tür wissen lassen, dass er sie bei ihrem Vorhaben erwischt hat.
00:30:57
Vielleicht kehren sie dann um und tun ihm nichts.
00:31:00
Aber genau wie das Licht bewirkt auch sein Rufen nichts.
00:31:03
Die Personen vor seiner Tür gehen nicht weg.
00:31:05
Im Halbdunklen erkennt Uwe, dass die Haustür jetzt nur noch im oberen Bereich im Türrahmen gehalten wird.
00:31:11
Die Zeit drängt. Er muss etwas tun.
00:31:14
Die Typen könnten jeden Moment die Tür aufbrechen und dann wäre er geliefert.
00:31:17
Also hebt Uwe seine Waffe und zielt auf die Tür.
00:31:20
Auf die wirkungslose Aufforderung, dass die Leute vor seiner Tür sich verziehen sollen, folgen jetzt zwei verhängnisvolle Schüsse.
00:31:27
Nachdem er geschossen hat, rennt er zurück nach oben ins Schlafzimmer zu Christine.
00:31:31
Von dort hören die beiden auf einmal laute Rufe von draußen.
00:31:33
Jemand schreit, sofort aufhören zu schießen, hier ist die Polizei.
00:31:38
In diesem Moment wird Uwe bewusst, vor seiner Tür sind nicht die Bandidos und auch keine Einbrecher, wie von Christine vermutet.
00:31:44
Es war die Polizei, die in sein Haus wollte.
00:31:46
Jetzt ist er geliefert.
00:31:49
Uwe legt seine Waffe auf das Bett, geht zum Schlafzimmerfenster und ruft.
00:31:55
Wie könnt ihr sowas machen?
00:31:56
Warum habt ihr nicht geklingelt?
00:31:57
Warum gebt ihr euch nicht zu erkennen?
00:31:59
Dann hört er, wie ein Polizist ruft, dass er rauskommen soll.
00:32:02
Uwe geht die Treppen runter und hört die Beamtinnen draußen brüllen.
00:32:05
Er befürchtet, dass die Polizistinnen ihn sofort erschießen.
00:32:08
Trotzdem öffnet er das Fenster der Abstellkammer neben der Haustür und hebt beide Hände nach oben.
00:32:14
Mehrere SEK-Beamtinnen bedrohen ihn mit ihren Waffen.
00:32:17
Dann bekommt Uwe nur noch mit, wie sie seine nahezu vollständig ausgehebelte Haustür eintreten und ihn zu Boden bringen.
00:32:23
Uwe wehrt sich nicht.
00:32:25
Auch dann nicht, als ihn Mitglieder des SEK im Gesicht und im Schritt verletzen.
00:32:28
Nach seiner Festnahme stellt ein Gefängnisarzt bei ihm ein blaues Auge und ein Hämatom am Genital fest.
00:32:34
Sechs Monate später sitzt der Hells Angel hier im Landgericht und behauptet also, dass er lediglich sein Leben schützen wollte.
00:32:41
Dass er irrtümlicherweise dachte, bei den Menschen vor seiner Tür würde es sich um Einbrecher handeln,
00:32:46
so wie es die Anklage behauptet, sei nicht der Fall gewesen, sagt Uwe.
00:32:49
Er sagt, er habe nicht mit Einbrechern gerechnet und erst recht nicht mit der Polizei.
00:32:54
Auf diese Idee sei er gar nicht gekommen, sondern der festen Überzeugung gewesen, dass die Bandidos ihm jetzt an den Kragen wollen.
00:33:00
Seine Schüsse seien also eine Reaktion auf den vermeintlichen Angriff gewesen.
00:33:04
Ohne den hätte er gar nicht erst zur Waffe gegriffen.
00:33:07
Auch weil sich die vermeintlichen Bandidos weder durch das Einschalten des Lichts noch seine Aufforderung verpisst euch zurückgezogen haben,
00:33:14
habe er geschossen.
00:33:15
Was Uwe hier also sagen will, ist, dass er die Polizei nicht angegriffen, sondern sich eigentlich nur verteidigt hat.
00:33:21
Er habe quasi in Notwehr gehandelt, um sich selbst zu schützen.
00:33:25
Und wer in Notwehr handelt, und das müssten MordlusthörerInnen wissen,
00:33:28
der handelt nicht rechtswidrig und macht sich damit auch nicht strafbar.
00:33:32
Heißt, Uwe will einen Freispruch, weil er sich quasi nicht anders zu helfen gewusst habe.
00:33:39
Eine große Wende in dem medienwirksamen Prozess.
00:33:42
Der Mann, den man schon als kaltblütigen Polizistenmörder abgestempelt hatte, sagt, er habe aus Angst um sein Leben geschossen und schiebt dabei der Polizei die Schuld in die Schuhe.
00:33:51
Denn hätten sich die Beamtinnen als solche zu erkennen gegeben, wäre es gar nicht so weit gekommen.
00:33:56
Und das ist nicht das Einzige, was Uwe und sein Verteidiger der Polizei ankreiden.
00:34:00
Wieso wurde überhaupt so ein Großaufgebot geschickt?
00:34:03
Die beiden Männer zweifeln von der Anklagebank an, ob der Einsatz überhaupt angemessen war.
00:34:10
Uwe stand im Verdacht, eine Sexarbeiterin sowie einen Ex-Helts Angel erpresst und genötigt zu haben.
00:34:15
Die Sexarbeiterin sollte durch Uwes harte Worte ihren Standort aufgeben.
00:34:20
Und der Ex-Helts Angel wurde, sagen wir mal, mit Nachdruck und Unterdrohung dazu gebracht, offene Schulden in Höhe von 7.000 Euro zu begleichen.
00:34:31
Wegen dieser Vorwürfe wurden zehn bewaffnete SEK-Beamtinnen um sechs Uhr morgens zu Uwe geschickt, die gewaltsam und ohne Vorwarnung in sein Haus eindringen sollten, um ihn im Schlaf zu überraschen.
00:34:43
Laut Uwes Anwalt sei das völlig unverhältnismäßig gewesen.
00:34:47
Der Einsatz habe überhaupt nicht in Relation zu den vorgeworfenen Taten gestanden.
00:34:52
Die Polizeiaktion sei gänzlich überzogen und nicht gerechtfertigt gewesen.
00:34:57
Uwe beteuert, dass ihm Patricks Tod aus ganzem Herzen leidtun würde.
00:35:01
Aber eigentlich sei die Polizei letztendlich schuld.
00:35:04
Die wiederum räumt nach Uwes Einlassung zwar Fehler ein, den Tod ihres geschätzten Kollegen nimmt sie aber nicht auf ihre Kappe.
00:35:12
Denn es war Uwe, der sich bewaffnet und dann geschossen hat.
00:35:15
Sein Verpisst euch, dass er kurz vor den Schüssen gerufen haben will, will niemand gehört haben.
00:35:21
Und dass sich die Polizei trotz des eingeschalteten Lichts nicht zu erkennen gegeben hat, habe einen guten Grund gehabt.
00:35:27
Das Einsatzteam wusste, dass Uwe eine Ausbildung zum Schießlehrer gemacht hat und ein geübter Schütze ist.
00:35:33
Außerdem war bekannt, dass der Hells Angel legal mehrere Waffen besitzt.
00:35:37
Aus den Ermittlungen gegen den 44-Jährigen hatte sich zudem herauskristallisiert, dass Uwe gerne selbst für Recht und Ordnung sorgt.
00:35:45
Weil die Polizei bereits vor dem geplanten Zugriff all das über Uwe wusste, hat sie ihn als gewaltbereit eingestuft und es für notwendig erachtet, die Hausdurchsuchung verdeckt von den 10 SEK-Beamtinnen durchführen zu lassen.
00:35:58
Und den Angeklagten dran zu kriegen, wenn er noch schläft, rechtfertigt sich die Polizei.
00:36:02
Nach der Beweisaufnahme ist also klar, dass relativ unstrittig ist, was in der Nacht passiert ist.
00:36:09
Das Gericht muss das Geschehene jetzt aber rechtlich einordnen.
00:36:12
Also wer trägt die Schuld daran, dass Polizist Patrick in jener Nacht starb?
00:36:17
Bevor das Urteil gefällt wird, hält der Staatsanwalt am letzten Verhandlungstag sein Schlussplädoyer.
00:36:23
Er hält es für glaubwürdig, dass Uwe am frühen Morgen des 17.03.2010 eine Gefahr für sich und seine Verlobte sah.
00:36:29
Trotzdem hätte er nicht schießen dürfen, so die Staatsanwaltschaft.
00:36:34
Zwar habe Uwe wissen müssen und damit billigend in Kauf genommen, dass, wenn er von zweieinhalb Metern Entfernung schießt, dabei ein Mensch ums Leben kommen könnte.
00:36:42
Ein Mord mag aber mittlerweile selbst der Staatsanwalt nicht mehr annehmen, obwohl Uwe zu Beginn des Prozesses deswegen ja vor Gericht stand.
00:36:50
Weil aber im Laufe der Verhandlung kein niedriger Beweggrund festgestellt werden konnte und sich auch sonst kein Mordmerkmal herauskristallisiert hat, rückt der Staatsanwalt von seiner ursprünglichen Anklage ab.
00:37:00
Totschlag soll jetzt also das Urteil lauten, wenn es nach der Anklage geht.
00:37:04
Zusätzlich fordert der Staatsanwalt aber auch noch eine Verurteilung wegen versuchter Erpressung der Sexarbeiterin und Nötigung des Ex-Helts Angels.
00:37:12
Die Zitat-Vielzahl der Taten spricht laut Staatsanwalt für Uwes hohe kriminelle Energie.
00:37:18
Die Anklage will Uwe deshalb für insgesamt zwölf Jahre hinter Gittern sehen.
00:37:22
Uwes Anwalt hingegen bekräftigt nur noch einmal, dass sich sein Mandant in einer existenziellen Entscheidungssituation befunden habe.
00:37:31
Der 44-Jährige war ihm zufolge in der Bredouille hinnehmen, dass Bandidos seine Tür aufbrechen und ihn übermannen oder sich zur Wehr setzen, bevor sich diese Befürchtung bewahrheitet.
00:37:41
Uwe entschied sich für Letzteres.
00:37:43
In seiner brenzligen Situation, selbst wenn sich kurz darauf herausstellte, dass das alles nur in seinem Kopf stattfand, sei die Notwehrhandlung von Uwe gerechtfertigt gewesen.
00:37:53
Am 28. Februar 2011 steht die Urteilsverkündung an.
00:38:00
Erneut dringen sich JournalistInnen in den Saal, der mit hellem Holz verkleidet ist.
00:38:05
Gespannt machen sie sich bereit zu notieren, was die RichterInnen und Chefinnen entschieden haben und welchem Urteil sich der Hells Angel stellen muss.
00:38:12
Bei der Verlesung der Entscheidung macht die dritte große Strafkammer des Koblenzer Gerichts deutlich, dass sie Uwes Version als Wahrheit verbucht.
00:38:20
Das Gericht geht tatsächlich davon aus, dass er fest mit einem Angriff der Bandidos gerechnet hat, nicht mit Einbrechern und schon gar nicht mit der Polizei.
00:38:29
Uwe habe also nicht im Sinne der Selbstjustiz, sondern vielmehr in Verteidigungsabsicht gehandelt.
00:38:36
Es sei ihm auch nicht im Generellen um das angespannte Verhältnis zwischen den verfeindeten Rockerclubs gegangen, sondern um eine konkrete Gefährdung in dem Augenblick, vor der er sich und seine Verlobte schützen wollte.
00:38:47
Das Gericht glaubt Uwe auch, dass der Hells Angel verpisst euch geschrien hat und das SEK dies nur offenbar überhört habe.
00:38:55
Doch in Notwehr habe Uwe nicht gehandelt, so das Gericht.
00:39:00
Und jetzt wird es ein bisschen rechtlich.
00:39:02
Das Gericht sagt nämlich, um in Notwehr zu handeln, muss ein gegenwärtiger, rechtswidriger Angriff vorliegen.
00:39:10
Einmal zur Verdeutlichung, wie das aussehen könnte.
00:39:13
Im Oktober 2021 hat ein 28-Jähriger Streit mit einem 36-jährigen Mann angefangen.
00:39:19
In einer Fußgängerzone in Erfurt hat der Jüngere den älteren Mann geschlagen, beleidigt und in den Schwitzkasten genommen.
00:39:27
Der Ältere, der laut Gericht nachweislich nicht derjenige war, der den Streit begonnen hat, hat dann ein Klappmesser gezogen und dem 28-Jährigen sogar gezeigt, um so weitere Angriffe abzuwehren.
00:39:37
Weil der Jüngere aber selbst dann nicht aufgehört hat, hat der Ältere zweimal in dessen Oberschenkel gestochen.
00:39:43
Der Angreifer ist daraufhin verblutet.
00:39:45
Das Landgericht Erfurt hat festgestellt, dass der Mann mit dem Messer einem gegenwärtigen, rechtswidrigen Angriff ausgesetzt war.
00:39:52
Rechtswidrig heißt im Jurasprech, wenn er objektiv im Widerspruch zur Rechtsordnung steht.
00:39:58
Der 36-Jährige, also der Ältere, durfte in der konkreten Situation also so handeln, weil der Angriff von dem anderen Mann rechtswidrig war und er sich damit in einer Notwehrlage befand.
00:40:10
Und deswegen wurde er dann auch im Oktober 2022 freigesprochen.
00:40:14
So, und das Gericht sagt jetzt aber, die Durchsuchung war rechtmäßig durch einen Durchsuchungsbeschluss ergangen, weil man ja Beweise sichern wollte.
00:40:23
Nicht nur in Uwes Haus, sondern auch bei weiteren Hells Angels Mitgliedern und im Clubhaus.
00:40:28
Und weil die Polizei ja eben wusste, dass Uwe gut mitwaffen kann und im Zweifel nicht davor zurückschreckt, selbst für seine eigene Ordnung zu sorgen, ging das SEK eben verdeckt vor.
00:40:38
Also zum Eigenschutz.
00:40:40
Insgesamt sei der Einsatz zwar nicht optimal verlaufen und ja, nachträglich mag es als Fehleinschätzung zu werten sein, dass sich die BeamtInnen nach Einschalten des Lichts nicht zu erkennen gaben.
00:40:52
Trotzdem war die Durchsuchung, von der Uwe ja nur dachte, es wäre ein unerlaubter Angriff gewesen, verhältnismäßig und auch rechtmäßig.
00:41:01
Und deshalb habe sich Uwe auch nicht in einer Notwehrlage befunden.
00:41:05
Zum Angeklagten gewandt, sagt der Vorsitzende Richter ermahnt, sie durften in dieser Situation nicht so handeln.
00:41:13
Abschließend schlussfolgert das Gericht, Uwes Version ist glaubhaft, er war der Überzeugung, sein Leben ist in Gefahr.
00:41:18
Weil aber kein rechtswidriger Angriff vorlag, war es trotzdem keine Notwehr und daher kann auch kein Freispruch erfolgen.
00:41:25
Uwe wird wegen Totschlags verurteilt.
00:41:27
Das Gericht verhängt wegen der Tötung von Patrick, der Nötigung des Ex-Hells Angels und der versuchten eräuberischen Erpressung der Prostituierten eine Gesamtfreiheitsstrafe von neun Jahren.
00:41:38
Uwe nimmt die Worte des Vorsitzenden Richters ohne sichtbare Regung auf.
00:41:42
Sein Verteidiger hingegen zeigt sich kämpferisch und kündigt Revision an.
00:41:46
Die Staatsanwaltschaft aber auch.
00:41:48
Denn obwohl Uwe eine lange Haftstrafe auferlegt bekommen hat, sind es drei Jahre weniger, als die Anklage gefordert hatte.
00:41:55
In den Augen der Staatsanwaltschaft ist das Strafmaß zu gering.
00:41:58
Bis sich die hohen RichterInnen in Karlsruhe das Urteil angesehen und geprüft haben, ob sich darin rechtliche Fehler finden lassen, kommt Uwe wieder in Haft.
00:42:06
Dem 44-Jährigen bleibt nichts anderes übrig, als zu warten, bis der Bundesgerichtshof entweder eine Entscheidung trifft, die ihm zugutekommt oder es bei dem Urteil des Landgerichts belässt.
00:42:17
Acht Monate später dann die Antwort.
00:42:19
Am 2. November 2011 steht fest, die Revision von dem BGH hatte Erfolg.
00:42:24
In ihrer Entscheidung ziehen die zuständigen Karlsruher Richter Stellung in Bezug darauf, dass das SEK sich nicht zu erkennen gegeben hat und betont,
00:42:32
Hausdurchsuchungen müssen grundsätzlich offen durchgeführt werden.
00:42:37
Das bedeutet, dass die Polizei zwar unangekündigt und überraschend bei Verdächtigen auftauchen darf,
00:42:42
grundsätzlich muss sie sich aber trotzdem dabei zu erkennen geben.
00:42:46
Die Wohnungsdurchsuchung ist nämlich eine offene Maßnahme.
00:42:49
Heißt, Ausnahmen von dieser Regel gibt es nur selten und ob Uwes Fall so eine Ausnahme darstellen sollte, möglich.
00:42:56
Das will der BGH nicht bewerten.
00:42:58
Und zwar, weil es im Grunde auch egal ist, ob das Vorgehen der SEK-BeamtInnen jetzt gerechtfertigt war oder nicht.
00:43:06
Denn entscheidend für Uwe ist etwas anderes.
00:43:08
Laut Bundesgerichtshof hat er sich nämlich in einem sogenannten Erlaubnistatbestandsirrtum befunden und in Putativnotwehr gehandelt.
00:43:17
Jetzt fragt ihr euch, was soll das denn sein?
00:43:20
Das haben wir unseren Experten, den Rechtsanwalt für Strafrecht, Benedikt Müller, gefragt.
00:43:24
Beim Erlaubnistatbestandsirrtum wie auch der Putativnotwehr handelt es sich um Irrtümer.
00:43:31
Irrtümer im rechtlichen Sinne heißt immer, die Vorstellung des Täters, der Täterin stimmt entweder nicht mit der Rechtslage oder nicht mit den tatsächlichen Gegebenheiten überein.
00:43:41
Die Putativnotwehr ist dann ein Unterfall.
00:43:45
Dieses Erlaubnistatbestandsirrtum beschreibt nämlich einen Fall, bei dem der Irrtum sich auf das Notwehrrecht bezieht.
00:43:52
Der Täter geht davon aus, dass ein gegenwärtiger, rechtswidriger Angriff auf sein Leben vorliegt, dessen er sich zur Abwehr erwehren muss und dann eben auch darf.
00:44:01
Das bedeutet also, dass jemand nur davon ausgeht, dass er oder sie sich in einer Notwehrlage befindet.
00:44:07
In echt liegt die aber gar nicht vor.
00:44:10
Hierzu ein natürlich sehr fiktives Beispiel.
00:44:13
Ich bin alleine zu Hause, höre Geräusche aus dem Wohnzimmer und denke, dass jemand Fremdes gerade dabei ist, Fussel aus seinem Körbchen zu klauen.
00:44:22
Ich weiß nämlich, dass viele den Köterich so gerne haben wollen, weil er einfach das feinste Feini ist und mir wurde auch schon mehrmals gedroht, dass er entführt werden wird.
00:44:32
Also denke ich, oh oh, jetzt ist mein Köterich dran.
00:44:35
Das Licht ist aus und im Dunklen schleiche ich mich an, rumple gegen den Tisch und glaube, jetzt will mich der Entführer oder die Entführerin angreifen, weil ich die Person in Flagranti erwischt habe.
00:44:48
Also nehme ich eine Vase vom Tisch und schmeiße die Richtung Fusselskörbchen, um die Person am Diebstahl zu hindern.
00:44:54
Aber in Wahrheit ist es halt jetzt Laura, die heimlich eine Überraschungsparty für mich organisieren wollte und gerade dabei war, das Körbchen wegzuräumen, um da ein riesengroßes Geschenk für mich hinzustellen.
00:45:07
Dann habe ich Laura irrigerweise in Notwehr verletzt, weil ich sie für eine diebische Älter und Angreiferin gehalten habe.
00:45:14
Ja, und das ist dann sehr schade für mich, denn wenn Paulina wirklich geglaubt hat, dass eine fremde Person sie rechtswidrig angreift und sie das auch vor Gericht entsprechend begründen kann,
00:45:25
dann handelt sie in Putativnotwehr eben auch, wenn der tatsächliche Angriff nicht rechtswidrig war.
00:45:30
Und was daraus folgt ist, die Person, also in dem Fall Paulina, kann strafrechtlich für ihr Handeln nicht belangt werden.
00:45:37
Die Putativnotwehr führt jetzt mal eine genaue rechtliche Einordnung außen vor, unterm Strich nämlich zu demselben Ergebnis wie die echte Notwehr, nämlich Straffreiheit, also Freispruch.
00:45:48
Die Entscheidung, ob Putativnotwehr vorliegt, ist aber natürlich immer einzelfallbedingt.
00:45:54
Tatsächlich hatte auch das Landgericht Koblenz geprüft, ob Uwe in Putativnotwehr gehandelt hatte.
00:46:00
Allerdings hatte es das verneint, weil das Landgericht hat nämlich gesagt, dass die Voraussetzung dafür unter anderem eine erforderliche und gebotene Notwehrhandlung gewesen wäre.
00:46:10
Also da hatte man sich quasi auf Uwes Schüsse bezogen und gesagt, diese Art der Verteidigung, die muss erforderlich gewesen sein.
00:46:17
Und erforderlich heißt unter anderem, dass man auch gucken muss, was ist denn das mildere Mittel, wenn ich mich jetzt verteidige?
00:46:26
Also kurz, wenn Laura mich angreift und ich habe eine Waffe, aber auch ein Schutzschild zur Verfügung, um den Angriff abzuwehren.
00:46:33
Und das Schutzschild ist auch dazu geeignet, auf jeden Fall, weil Lauras Minifäuste ganz leicht aufzuhalten sind.
00:46:40
Dann muss ich dieses Schutzschild nehmen und nicht gleich die Waffe.
00:46:43
Und diese Abwägung aber, welches das mildere Mittel ist, hatte Uwe laut Landgericht Koblenz nicht gemacht und sagt, er hätte nämlich zum Beispiel erstmal einen Warnschuss abgeben müssen.
00:46:56
So hatte die Kammer das geurteilt.
00:46:57
Weil Uwe hat zwar zuerst Verpisst euch gerufen, das hatte ja angeblich niemand gehört.
00:47:03
Das könnte auch ein milderes Mittel theoretisch gewesen sein, weil das den Angriff vielleicht abgewehrt hätte.
00:47:09
Aber was er eben nicht gemacht hat, ist angedroht, die Waffe zu benutzen.
00:47:14
Und vielleicht hätte das die Leute vor der Tür ja auch abgeschreckt.
00:47:17
So hat das das Landgericht gesagt.
00:47:19
Und die Situation hätte es zugelassen, den Waffengebrauch auch noch durch einen Warnschuss anzudrohen.
00:47:24
Und das hätte Uwe auch machen müssen, weil er am Ende gar nicht wirklich sicher hätte wissen können, wer da jetzt vor der Tür war.
00:47:30
Und weil er das aber eben alles nicht getan hatte, habe es sich bei den Schüssen eben nicht um eine gebotene Notwehrhandlung gehandelt.
00:47:37
Und jetzt sagt der BGH aber, naja, der Uwe ist ja davon ausgegangen,
00:47:43
dass er sich in einer akuten Gefahr durch einen rechtswidrigen Angriff befunden hat.
00:47:48
Weil dadurch, dass er das Licht angemacht hat und verpisst euch geschrien hat und trotzdem weiter an dieser Tür gefummelt wurde,
00:47:55
hat er ja gemerkt, da draußen ist jetzt nicht irgendein Einbrecher.
00:47:58
Und weil er eben dachte, da will jetzt eine nicht bekannte Anzahl von Bandidos meine Tür aufbrechen und mir dann an den Kragen.
00:48:06
Und die dringen jeden Moment ein, hätte er laut BGH kein weniger gefährliches Verteidigungsmittel wählen müssen als die Schüsse.
00:48:15
Dafür hätte er auch einfach nicht die Zeit gehabt.
00:48:18
Und das Risiko sei für ihn nur schwer kalkulierbar gewesen.
00:48:21
Weil, ist ja auch klar, wenn es jetzt die Bandidos gewesen wären,
00:48:25
dann wäre dadurch die Lage mit Sicherheit noch mehr eskaliert.
00:48:29
Weil im Zweifel hätten die ja auch Waffen gehabt.
00:48:31
Und so war es dem mittlerweile 45-Jährigen nicht zuzumuten,
00:48:35
erstmal durch weitere Drohungen und durch die Abgabe eines Warnschusses auf sich aufmerksam zu machen
00:48:39
und unter Umständen dadurch halt sogar seine Kampfposition zu schwächen.
00:48:43
Er hätte den Warnschuss also nur dann abgeben müssen,
00:48:46
wenn er sich in dem Moment sicher gewesen wäre,
00:48:48
dass dadurch ein Angriff endgültig abgewendet werden kann.
00:48:51
Was heißt das jetzt für Uwe?
00:48:53
Weil eine irrtümliche Annahme der Notwehrlage genauso zu behandeln ist wie eine tatsächliche,
00:48:59
sagt der BGH jetzt halt,
00:49:00
die Verkettung unglücklicher Umstände, die zum Tod des Polizeibeamten führen,
00:49:05
war dem Angeklagten daher nicht anzulasten.
00:49:08
Die Verurteilung wegen Totschlags hat also keinen Bestand.
00:49:11
Und Uwe wird freigesprochen.
00:49:13
Der Höllenengel darf nach über 20 Monaten Urhaft das Gefängnis verlassen.
00:49:18
Ein Urteil, das viele wie ein Schlag trifft.
00:49:21
Und weil es der BGH war, der diese Entscheidung getroffen hat,
00:49:23
ist das Urteil jetzt rechtskräftig.
00:49:25
Uwes Freispruch ist in Stein gemeißelt und begegnet einem Hagel aus Kritik.
00:49:30
Denn einige Medien, PolitikerInnen und die Polizei wollen das Urteil nicht akzeptieren.
00:49:35
Ein Mitglied einer kriminellen Organisation tötet einen Polizisten im Dienst
00:49:40
und wird dann auf freien Fuß gesetzt.
00:49:41
Und das nur, weil Uwe behauptet, er hätte fälschlicherweise geglaubt,
00:49:45
dass vor der Tür eine verfeindete Rockergang steht.
00:49:49
Allein dieser Fakt sorgt für einen riesigen Aufschrei.
00:49:52
Eine Boulevardzeitung titelt daraufhin
00:49:54
BGH lässt Polizistenkiller laufen
00:49:57
und zeigt sich empört darüber, dass der Hohe Gerichtshof
00:50:00
viel Verständnis für die angebliche Angst des Hells Angels gehabt hätte.
00:50:04
Es sei ein Zitat
00:50:05
Urteil im Namen des Volkes, das keiner versteht
00:50:08
und würde zeigen, wie sehr sich die Bundesrichter in die Situation des Kriminellen einfühlten.
00:50:13
Selbst der rheinland-pfälzische Innenminister Roger Lewins äußert sich dazu.
00:50:17
Er könnte das BGH-Urteil nur mit absolutem Unverständnis hinnehmen.
00:50:20
Seiner Meinung nach ermuntert es
00:50:23
Doch die Polizei findet nicht nur das problematisch.
00:50:29
Besonders alarmierend sei die Signalwirkung, die der Freispruch auf die Rockerclubs habe.
00:50:33
Der Bund deutscher Kriminalbeamter hält es für völlig falsch, dass sich ein Hells Angel mit einer Schusswaffe
00:50:39
gegen einen Mitglied einer rivalisierenden Rockerbande zur Wehr setzen dürfe.
00:50:43
Das ist zumindest die Botschaft, die der Bund aus dem BGH-Urteil herausliest und die eine Lücke zwischen Recht und Gerechtigkeit geschafft hätte.
00:50:50
PolizistInnen würden sich, so die Polizeigewerkschaft, einmal mehr zum Abschuss freigegeben fühlen,
00:50:56
denn Schwerstkriminelle würden jetzt davon ausgehen, dass sie durch Türen schießen dürfen, wenn die Polizei sie festnehmen will,
00:51:01
sagt der Vorsitzende der Polizeigewerkschaft.
00:51:04
Das Urteil beschwöre eine neue Spirale der Gewalt zwischen Rockerbanden und der Polizei herauf.
00:51:11
Insgesamt sei das Urteil des Hohen Gerichts ein fatales wie falsches Signal.
00:51:15
Die FAZ sieht das genauso.
00:51:17
In einem Kommentar der Zeitung wird kritisiert, dass Rockern dadurch gesagt würde, sie können nach ihren eigenen Regeln spielen.
00:51:23
In der Entscheidung des BGH stehe quasi eine Anleitung zum strafreien Töten.
00:51:28
Rocker fühlen sich bedroht, schießen und berufen sich dann auf Notwehr.
00:51:32
Laut FAZ ist das ein Freibrief für kriminelle Clubs.
00:51:37
Die Proteste sind laut, in den Stimmen liegt Empörung, Wut und Enttäuschung.
00:51:41
Der BGH hört sie, hält aber dagegen.
00:51:44
Die Entscheidung wird von einem Sprecher des Bundesgerichtshofs verteidigt.
00:51:47
Das Urteil stellt keinen Freibrief für bewaffnete Rocker dar,
00:51:50
sondern betrifft einen in seinen Sachverhaltsdetails ganz besonders gelagerten tragischen Einzelfall.
00:51:57
Und Uwe, seine Zeit nach dem Freispruch, verbringt er tatsächlich noch einmal vor Gericht.
00:52:02
Denn auch wenn er wegen den tödlichen Schüssen sein Leben nicht hinter schwedischen Gardinen fristen muss,
00:52:07
hat die Justiz nicht unter den Tisch fallen lassen, weswegen die katastrophale Hausdurchsuchung überhaupt durchgeführt wurde.
00:52:13
Weil der BGH auch die Verurteilung wegen der anderen Vorwürfe beanstandet hatte,
00:52:17
musste Uwe deswegen nochmal vor Gericht.
00:52:19
Im Juni 2012 wird er wegen Nötigung und versuchter Nötigung zu einem Jahr Haft verurteilt, diesmal rechtskräftig.
00:52:27
Weil er die verhängte Strafe bereits mit seiner 20-monatigen U-Haft abgesessen hat, bleibt Uwe aber ein freier Mann.
00:52:33
Den BGH-Freispruch haben zu diesem Zeitpunkt noch längst nicht alle verdaut.
00:52:37
Denn wenn man es herunterbricht, ist Patrick, ein ambitionierter 42-jähriger Polizist,
00:52:42
ums Leben gekommen, erschossen von einem Hells Angel.
00:52:46
Aus dieser Perspektive ist das Unverständnis vieler durchaus nachvollziehbar.
00:52:50
Aber so einfach ist es eben nicht.
00:52:53
Es ist, wie der BGH betont, ein Einzelfall, der auf einem Irrtum fußt.
00:52:57
Viele JuristInnen begrüßen das Urteil und halten es für die einzig richtige Konsequenz daraus.
00:53:02
Für sie ist es ein Meilenstein der Rechtsgeschichte.
00:53:05
Für andere, vermutlich insbesondere Patricks Angehörige, ein Skandal.
00:53:10
Und diese Menschen bleiben in ihrer nur sehr schwer zu akzeptierenden Realität zurück.
00:53:16
Ja, also wie siehst du das jetzt bei dem Fall?
00:53:18
Also als ich zum ersten Mal davon gehört habe und nur sozusagen die Headline.
00:53:24
Die Headline ist ja quasi Hells Angel, er schießt Polizeibeamten und kommt frei.
00:53:30
Da habe ich natürlich direkt gedacht, das kann ja wohl nicht wahr sein.
00:53:36
Und als ich dann gelesen habe, wie er sich halt verteidigt, was er halt sagt, habe ich auch gedacht, ja gut, also erzählen kann man ja auch viel, wenn man einen schlauen Verteidiger dabei hat und so.
00:53:49
Aber wenn man so wirklich ins Urteil guckt und hört, was ist an dem Tag davor passiert, was war diese Vorgeschichte mit dem Bandido, der umgebracht wurde oder an den Kopf geschossen wurde von einem Hells Angel und dann dieses Gerücht, was da entstanden ist, was sie dann ja sehr ernst genommen haben.
00:54:05
Dann hört sich diese Verteidigungsstrategie schon wieder plausibel für mich an.
00:54:10
Und wenn man davon ausgeht, dass es so war, dann finde ich dieses Urteil auch richtig.
00:54:16
Weil nur weil er ein Hells Angel ist, kann man ihn dann ja eigentlich nicht anders behandeln, als wenn es jetzt nur ein Bäcker gewesen ist.
00:54:24
Nee, genau. Und nicht nur eigentlich. Und das ist, glaube ich, eben auch diese Darstellung, weshalb ich das Beispiel von meinem Gesprächspartner hier auch einbringen wollte.
00:54:33
Obwohl ich natürlich weiß, dass es in diesen Banden Menschen gibt, die schlimme Dinge tun, mit denen man nichts zu tun haben will, die im rotlichen Milieu arbeiten, die mit Drogen dealen, die Leuten auch Angst machen und, und, und.
00:54:45
Aber es ist eben nicht so, dass er nur, weil er dem Rockerclub angehört, jetzt hier die böse Person in dieser Geschichte ist.
00:54:53
Oder keine Rechte verdient hat.
00:54:55
Ja, na total. Und auch wenn er vorher kriminelle Dinge gedreht hat, die ja aber ein ganz anderes Kaliber waren als jetzt das hier, sagt das eben nicht, dass er einfach einen Polizisten erschossen hätte.
00:55:09
Und diese Erzählung der Medien, dass das jetzt ein Freifahrtschein ist, das stimmt halt einfach nicht.
00:55:16
Denn alleine zu behaupten, ach, ich habe gedacht, das waren die verfeindeten Mitglieder, das reicht ja allein nicht aus.
00:55:22
Hier hat das ja eine lange Vorgeschichte, die auch belegt ist. Es gibt diese Nachrichten von dem Informanten der Bandidos an die Hells Angels.
00:55:33
Es gibt eine Aufzeichnung über die Anrufliste an dem Tag, an dem das passiert ist, wo sie noch mit dem zweiten Bandido sprechen wollten.
00:55:41
Ja, und es gibt auch die Seite der Polizei, wo man eben weiß, die haben sich nicht zu erkennen gegeben.
00:55:49
Und ich will hier jetzt auch nicht der Polizei die Schuld geben oder sowas, aber es war halt eben so, dass sie nicht gerufen haben, hier ist die Polizei, als sie gesehen haben, das Licht ist angegangen.
00:55:57
Weil es ist ja gut möglich, dass dann alles anders gelaufen wäre, wissen wir nicht, aber es ist halt möglich.
00:56:04
Es ist halt für die Polizei natürlich auch so tragisch, weil die kann natürlich überhaupt nicht wissen, dass sie jetzt gerade in das Haus von jemandem eindringen, der eh davon ausgeht, irgendwie demnächst vielleicht angegriffen zu werden.
00:56:17
Die sind ja auf jeden Fall auch Opfer hier und sie hatten ja auch berechtigten Grund zu der Annahme, dass es für sie sicherer war, sich nicht zu erkennen zu geben.
00:56:27
Also finde ich, muss man das als tragisches Geschehen verbuchen, wobei diese schiefgelaufenen Hausdurchsuchungen auch keine Einzelfälle sind.
00:56:37
Es gibt in den USA diese sogenannten No-Knock-Rates, bei denen es häufiger vorkam, dass HausbesitzerInnen dachten, da sind jetzt Einbrecher, die werden jetzt angegriffen, hier kommen jetzt bewaffnete Menschen rein.
00:56:50
Und weil es da ja eben auch das Stand-Your-Ground-Gesetz gibt, kam es da halt auch zu gewalttätigen Auseinandersetzungen, bei denen PolizistInnen verletzt oder getötet wurden.
00:56:59
Aber wo wir jetzt am Ende wieder damit hinkommen, ist ja diese Sache mit den Waffen.
00:57:05
Und in den USA, gut, ist es eh ein anderes Thema.
00:57:09
Aber hätte Uwe keine Waffe gehabt, wäre das auch nicht passiert.
00:57:15
Und diese ganzen Fälle in den USA halt eben auch nicht.
00:57:18
Und deswegen regt es mich immer wieder so auf, dass es überhaupt irgendwelche Menschen gibt, die Waffen zu Hause haben, die sie eben dann auch einsetzen.
00:57:29
Genau, und das ist ja auch ein weiterer Grund dieser verdeckten Vorgehensweise, weil die wussten, er hat Waffen zu Hause und ist ein geübter Schützer.
00:57:36
Also wir haben uns hier lange mit diesem sehr rechtslastigen Rechtsklassiker beschäftigt.
00:57:42
Ja, also dieses Urteil, was der BGH da gesprochen hat, war auch deswegen eben besonders, weil der BGH Uwe direkt freigesprochen hat.
00:57:50
Oft wird ja so ein Verfahren dann nochmal zurück ans Landgericht gegeben, damit die nochmal neu verhandeln.
00:57:54
Aber hier war der BGH eben ganz klar.
00:57:56
Und dieser Erlaubnis-Tatbestands-Irrtum ist halt eben auch recht selten.
00:58:00
Deswegen gilt das eben auch unter JuristInnen hier als Rechtsklassiker.
00:58:04
Hat uns unser Experte Benedikt Müller erzählt, der uns auch hier bei der Folge Unterstützen zur Seite stand.
00:58:10
Vielen Dank dafür.
00:58:12
Und wer auch mittlerweile fast ein Klassiker ist, sind wir.
00:58:15
Denn heute, wo die Folge rauskommt, habe ich drinstehen, dass wir Jahrestag haben.
00:58:23
Also nicht Podcast-Geburtstag, sondern heute ist unser Jahrestag.
00:58:28
Kommt das hier am dritten raus, oder was?
00:58:29
Wieso am dritten?
00:58:30
Warte mal, ist nicht am dritten unser Jahrestag?
00:58:33
Nee, am sechsten steht hier.
00:58:35
Ah, ja, am sechsten.
00:58:37
Sechster November.
00:58:39
Weil ich weiß nämlich noch, als du deine Ausbildung angefangen hast, an einem ersten, da war ich nämlich noch im Urlaub.
00:58:44
Und deswegen habe ich euch erst später getroffen.
00:58:46
Irgendwann werden wir das ja festgelegt haben müssen, dass das hier unser Jahrestag ist.
00:58:50
Ja, ja, nee, das war der Tag, wo ich dich zum ersten Mal gesehen habe.
00:58:53
Ich glaube, Paulina hat mich da nicht wahrgenommen, so richtig.
00:58:56
Ich habe sie schon wahrgenommen.
00:58:58
Nee, und zwar mit Absicht.
00:58:59
Sie kam dann und dann irgendwie war ich auch schon, weiß ich nicht warum, aber ich war dann so, weiß ich nicht, kann mich noch ganz genau erinnern.
00:59:06
Ich weiß ja auch noch genau, wo das war.
00:59:07
Und zwar vor der Konferenz, also vor unserem Konferenzraum, ist halt so ein Flur.
00:59:13
Und da kamst du nämlich dann und dann stand ich da, glaube ich, mit noch zwei anderen Volos von mir, von meinem Jahrgang und du hast dann irgendwas gesagt.
00:59:20
Aber ich weiß ganz genau, wie das irgendwie war und dass ich irgendwie dachte, die ist ja cool.
00:59:27
Ach so, ja, weil ich wollte schon sagen, das geht nämlich vielen Leuten so, dass sie sich an die ersten Begegnungen mit mir erinnern, weil Angst ja auch ein Gefühl ist, was Erinnerung behält.
00:59:40
Ja, also acht Jahre bereichern wir uns nun schon gegenseitig das Leben.
00:59:45
Was da alles passiert ist, es kommt einem trotzdem nicht vor wie acht Jahre.
00:59:49
Es kommt einem vor wie vier Jahre, oder?
00:59:51
Ich habe auch gedacht, also wir waren ja noch ganz jung und frisch, als wir uns kennengelernt haben.
00:59:58
Aber wir haben so viel jetzt schon erlebt und trotzdem fühlt es sich nicht so lange an.
01:00:03
Das ist irgendwie interessant.
01:00:04
Weil die Zeit mit dir wie im Flug vergeht.
01:00:06
Diese Folge ist auch schon wieder vorbei, aber zum Glück kommt ja nächste Woche die nächste.
01:00:13
Wir machen immer weiter.
01:00:14
Das war ein Podcast der Partner in Crime.
01:00:20
Hosts und Produktion Paulina Kraser und Laura Wohlers.
01:00:24
Redaktion Marisa Morell und wir.
01:00:27
Schnitt Pauline Korb.
01:00:29
Rechtliche Abnahme und Beratung Abel und Kollegen.