00:00:00
Ganz herzlich willkommen bei Mordlust, einem Podcast der Partner in Crime.
00:00:14
Hier reden wir über wahre Verbrechen und ihre Hintergründe.
00:00:16
Mein Name ist Paulina Kraser und ich bin Laura Wohlers.
00:00:19
In jeder Folge erzählen wir einen bedeutsamen, wahren Kriminalfall nach,
00:00:23
ordnen den für euch ein, erörtern und diskutieren die juristischen,
00:00:26
psychologischen oder gesellschaftlichen Aspekte und sprechen mit Menschen mit Expertise.
00:00:31
Hier geht es um True Crime, das heißt aber auch um die Schicksale von echten Menschen.
00:00:35
Bitte behaltet das immer im Hinterkopf.
00:00:37
Das machen wir auch, selbst dann, wenn wir zwischendurch jetzt mal ein bisschen abschweifen
00:00:40
oder miteinander reden.
00:00:41
Das ist für uns immer so eine Art Comic Relief, aber natürlich nicht despektierlich gemeint.
00:00:45
Bevor wir mit dem heutigen Fall starten, in dem es um eine unterschätzte Gefahr geht,
00:00:49
die in ganz, ganz vielen Kinderzimmern lauert, wollen wir jetzt mal über ein Thema sprechen,
00:00:54
das unserer Meinung nach noch mehr Aufklärung braucht.
00:00:56
Und zwar geht es um die Änderung von § 184b im Strafgesetzbuch.
00:01:01
Da geht es um die Verbreitung, den Erwerb und Besitz von kinderpornografischen Inhalten.
00:01:06
Also so heißt dieses Gesetz.
00:01:08
Genau, also darunter würden beispielsweise Nacktbilder von Kindern fallen,
00:01:12
also von unter 14-Jährigen, die sie aber vielleicht auch selber gemacht haben,
00:01:15
aber auch Missbrauchsdarstellungen.
00:01:18
Und diesbezüglich haben wir ein paar wilde Sachen im Internet gehört, wie zum Beispiel in diesem Video, was ihr jetzt hört.
00:01:24
In der Strafe gesenkt.
00:01:25
Ist doch keine Straftat mehr, es ist nur im Vergehen, als würde ich jemanden schubsen.
00:01:28
Und ganz wichtig, Verteidigungsspielraum.
00:01:30
Sind denn geringfügige Fälle?
00:01:31
Wenn jemand also weniger Dateien besitzt, ist es okay, wird nicht bestraft.
00:01:35
Jetzt mal ohne Witz, das könnt ihr doch nicht ernst meinen.
00:01:37
Dieses Gesetz ist schon vor Monaten in Kraft getreten.
00:01:39
Hört man nichts darüber.
00:01:41
Warum wurde darüber keine Welle gemacht?
00:01:43
Und hier denken wir, wurden bestimmte Sachen vermutlich missverstanden.
00:01:47
Aber zum Teil wollten bestimmte Leute das sicherlich auch missverstehen, was da passiert ist.
00:01:52
Beispielsweise für Klicks oder eben um über diese Gesetzesänderungen und damit auch vielleicht die Regierung herzuziehen.
00:01:58
Also einmal zum Hintergrund.
00:02:00
Schon 2021 gab es eine Gesetzesänderung.
00:02:03
Da wurde nämlich 184b im StGB im Rahmen der Bekämpfung von sexualisierter Gewalt gegen Kinder verschärft.
00:02:10
Und damals wurde also beschlossen, dass der Besitz und die Verbreitung kinderpornografischen Materials in Anführungszeichen grundsätzlich als Verbrechen eingestuft wird.
00:02:20
Und es wurde die Mindestfreiheitsstrafe von einem Jahr festgelegt.
00:02:24
Und damit wurden diese Taten von einem Vergehen zu einem Verbrechen.
00:02:29
Und das hört sich jetzt erstmal super an, hat aber ein paar Probleme mit sich gebracht.
00:02:35
Und zwar also beispielsweise Jugendliche ab 14 Jahren, die sich sowas hin und her geschickt haben.
00:02:41
Oder Menschen, die die Bilder bekommen haben, weil es irgendwie in einen Gruppenchat geschickt wurde.
00:02:47
Und die dann mehrere Tage darauf rumgedacht haben, was die jetzt damit machen sollen.
00:02:51
Oder Menschen, die das weitergeleitet haben und jemanden mit Rechtskenntnis gefragt haben, was mache ich jetzt damit.
00:02:57
Oder auch Mütter, die diese Bilder dann an Lehrkräfte geschickt haben oder einem Elternteil weitergeleitet haben mit dem Zusatz,
00:03:03
hey, guck mal bitte, was in der Klasse unserer Kinder hier rumgeschickt wird.
00:03:07
So einen Fall gab es übrigens auch tatsächlich nicht.
00:03:09
Und all diese Menschen, die hatten sich zwar auch schon vor der Gesetzesänderung strafbar gemacht.
00:03:14
Jetzt aber hatte man seit 2021 viel weniger Spielraum für diese Fälle,
00:03:20
weil man die quasi vor Gericht ziehen musste, obwohl die ja etwas ganz anderes sind,
00:03:24
als solche Inhalte mit pädokriminellem Hintergrund zu verschicken.
00:03:29
Genau. Und dieser Mutter aus dem Beispielfall, der drohten jetzt nach der Gesetzesverschärfung aus 2021 ein bis zehn Jahre Haft.
00:03:38
Also auch wenn man sagt, man möchte sie nicht hart bestrafen, hätte sie mindestens ein Jahr Haftstrafe bekommen
00:03:43
und auch einen Eintrag natürlich ins Führungszeugnis.
00:03:46
Und weil es damals von einem Vergehen zu einem Verbrechen geworden ist,
00:03:50
gab es also keine Möglichkeit, das Verfahren und sei es gegen die Zahlung einer Geldauflage einzustellen.
00:03:57
Und weil dann aber auch einige Gerichte gesagt haben, ey, so kann das nicht stimmen.
00:04:01
Das muss nochmal zum Bundesverfassungsgericht.
00:04:03
Und es eben in der Zeit auch ganz klar Leute getroffen hat, die das Gesetz eigentlich so nicht treffen sollte,
00:04:10
gab es jetzt eben diesen Sommer eine Gesetzesreform von 184b angetrieben von unserem,
00:04:15
ja, also jetzt, ja, damaligen Justizminister Marco Buschmann.
00:04:20
Und da ging es eben vor allem um die Herabsetzung der Mindeststrafe.
00:04:25
Also statt wie bisher mit mindestens einem Jahr Freiheitsstrafe wird der Besitz solcher Inhalte nun mit sechs Monaten,
00:04:31
in manchen Fällen auch nur mit drei Monaten bestraft.
00:04:33
Eben um eine Verhältnismäßigkeit für diese sogenannten Wahnfälle oder Schulhofsfälle zu schaffen.
00:04:40
Also die, von denen wir jetzt gerade gesprochen haben, mit den Müttern oder Kindern, ja.
00:04:44
Und obwohl diese Gesetzesreform ja jetzt schon ein bisschen her ist, kamen jetzt erst kürzlich im Internet diese Videos hoch,
00:04:49
wo Leute sich eben darüber massiv aufgeregt haben und auch unterstellt haben, wieso erfährt man davon nichts.
00:04:55
Naja, also wenn man regelmäßig vielleicht mal ein Nachrichtenmagazin konsumieren würde,
00:05:00
dann hätte man da vielleicht schon von gehört.
00:05:02
Aber die tun ja jetzt so, als hätte die Ampel das irgendwie still und heimlich entschieden,
00:05:08
sodass das Ja keiner mitbekommen sollte.
00:05:11
Und ja, der Strafraum fängt jetzt weiter unten an und generell kann das auch bedeuten,
00:05:16
dass es zu einer geringeren Strafe kommt.
00:05:18
Das ist aber eben nicht zwingend.
00:05:20
Also man kann immer noch zu derselben Strafe für Menschen mit pädokriminellem Hintergrund kommen,
00:05:24
wie vor der Änderung jetzt.
00:05:25
Und diese Menschen, die sich da aufregen, ignorieren eben sehr oft,
00:05:29
dass es bei der Gesetzesänderung um diese Menschen,
00:05:32
die das zur eigenen Befriedigung oder finanziellen Bereicherung machen, nicht ging.
00:05:37
Sondern Sinn dahinter war, wirklich mehr Spielraum für die anderen Fälle zu schaffen.
00:05:42
Und das ist natürlich höchst gefährlich, das dann so verfälscht darzustellen,
00:05:46
weil viele Leute natürlich dann auf diesen Zug aufspringen,
00:05:49
die selber irgendwie kein Nachrichtenmagazin seit einem halben Jahr geschaut haben.
00:05:53
Ja, genau. Und sowas macht natürlich auch Stimmung.
00:05:55
Also mit solchen Themen generiert man halt eben auch immer viele Klicks,
00:05:59
weil es einfach ein emotional aufreibendes Thema ist.
00:06:02
Und sowas birgt natürlich total viel Gefahren für Desinformation
00:06:06
und manche Parteien benutzen das auch absichtlich,
00:06:09
um da irgendwie die Stimmung aufzuheizen.
00:06:11
Deswegen wollten wir jetzt nochmal darüber reden und da ein bisschen Klarheit reinbringen.
00:06:14
Das ist allerdings nicht der einzige Grund, weshalb wir darüber reden,
00:06:18
denn wir kommen heute im Laufe des Falls, um den es jetzt gleich geht,
00:06:21
auch nochmal auf diese Gesetzesänderung zurück.
00:06:23
Alle Namen haben wir geändert und die entsprechende Triggerwarnung zum Fall
00:06:28
findet ihr wie immer in der Folgenbeschreibung.
00:06:31
Sommer 2022. T-Shirts, Röcke, Kleider und Accessoires.
00:06:37
Das spricht man übrigens so aus. Das ist mir ganz wichtig, an der Stelle mal zu sagen.
00:06:40
Da gab es schon mindestens eine große Ehekrise zwischen Laura und Wir.
00:06:45
Ja, wenn ich jetzt diesen Absatz vorgelesen hätte, hätte ich es genau anders ausgesprochen.
00:06:49
Obwohl du es besser weißt, hättest du Accessoires gesagt.
00:06:53
Es hört sich aber komisch an.
00:06:55
Also ganz tolle Accessoires gab es da.
00:07:00
Oh Gott, ich hasse auch solche Leute.
00:07:02
Also ich hasse solche Leute wie mich,
00:07:04
die dann so darauf voll viel Wert legen,
00:07:06
aber so ganz viele andere Sachen dann so falsch machen.
00:07:09
Das Bekleidungsgeschäft, das Simone soeben betreten hat,
00:07:12
bietet ein umfangreiches modisches Angebot.
00:07:14
Etliche Textilien, die mal mehr, mal weniger ordentlich
00:07:18
auf verschiedenen Verkaufszischen liegen,
00:07:20
zahllose Kleidungsstücke auf den aneinandergereihten Kleiderbügeln
00:07:23
ziehen an ihr vorbei.
00:07:24
Dabei will die 53-Jährige mit der zierlichen Statur
00:07:28
und dem blonden Bob gar nicht ihre Garderobe erweitern,
00:07:30
sondern die ihres Kindes.
00:07:32
Gemeinsam mit ihrer 14-jährigen Tochter Lea
00:07:34
ist Simone ins Outlet-Center gefahren,
00:07:36
um ihr eine Freude zu machen.
00:07:38
Eine kleine Shoppingtour und gemeinsame Mutter-Tochter-Zeit.
00:07:41
Davon war Simone vor ihrem Aufbruch zu Hause überzeugt,
00:07:44
würden der Jugendlichen sicher gefallen.
00:07:46
Doch nun, inmitten des Klamottenladens,
00:07:48
muss Simone sich eingestehen,
00:07:50
dass sie sich offenbar getäuscht hat.
00:07:52
Denn begeistert wirkt Lea nicht.
00:07:56
Mit nachdenklichen Blick und hängenden Schultern
00:07:58
trottet sie hinter ihrer Mutter her.
00:07:59
Lea wirkt teilnahmslos nahezu gleichgültig.
00:08:03
Nicht einmal bleiben ihre großen braunen Augen
00:08:05
interessiert an etwas hängen.
00:08:07
Also besteht Simone,
00:08:08
größere Geschütze aufzufahren.
00:08:10
Lea darf sich etwas zum Anziehen aussuchen.
00:08:12
Egal was es ist, egal was es kostet,
00:08:14
Simone kauft es ihr.
00:08:16
Doch die 14-Jährige lehnt ab.
00:08:17
Sie hat kein Interesse.
00:08:21
die völlig untypisch für einen Teenager in ihrem Alter ist.
00:08:24
Doch wirklich überrascht ist Simone nicht.
00:08:26
Es passt zu Lea.
00:08:27
Oder besser gesagt,
00:08:29
zu der neuen Lea.
00:08:31
Ihre Tochter hat sich verändert.
00:08:33
Das ist Simone ganz deutlich aufgefallen.
00:08:35
Lea ist zwar schon immer ein ängstliches
00:08:37
und schüchterndes Mädchen,
00:08:38
das sich nicht einmal traut,
00:08:40
ohne Begleitung zum Döner im Biss zu gehen,
00:08:42
der nur wenige Straßen von ihrem Zuhause entfernt ist.
00:08:44
Aber seit einigen Monaten ist es anders.
00:08:48
Lea ist nun nicht mehr nur zurückhaltend,
00:08:51
sondern regelrecht verschlossen.
00:08:53
Nahezu jeden Tag beobachtet Simone,
00:08:55
wie Lea nach Schulschluss schnurstracks in ihr Zimmer geht,
00:08:58
die Tür schließt und dort den Rest ihres Tages bleibt.
00:09:01
Lea wirkt oft in sich gekehrt,
00:09:03
nachdenklich und nervös.
00:09:05
An anderen Tagen einfach nur traurig und niedergeschlagen.
00:09:08
Simone kann sich nicht erinnern,
00:09:09
wann sie ihre Tochter zum letzten Mal hat Lachen sehen.
00:09:12
Außerdem ist die 14-Jährige in letzter Zeit nur noch am Handy,
00:09:16
hat kaum Appetit
00:09:17
und stochert oft nur mit der Gabel in ihrem Essen herum.
00:09:19
Anfangs hatte Simone das Verhalten ihrer Tochter
00:09:22
noch auf die Pubertät geschoben.
00:09:24
Mittlerweile ist sie jedoch besorgt und überzeugt,
00:09:27
dass mit ihr etwas nicht stimmt.
00:09:29
Lea will jedoch nicht mit der Sprache rausrücken,
00:09:31
ob Liebeskummer, Ärger in der Schule
00:09:34
oder was ganz anderes die Ursache ihres Verhaltens ist.
00:09:38
Denn jedes Mal, wenn Simone das Gespräch mit ihrer Tochter sucht,
00:09:41
Und das versetzt Simones Mutterherz einen Stich.
00:09:44
Schließlich haben sie und Lea
00:09:46
eigentlich ein gutes Verhältnis zueinander.
00:09:48
Der heutige Einkaufsbummel ist nicht
00:09:50
Simones erster Versuch,
00:09:51
ihre Tochter auf andere Gedanken zu bringen.
00:09:53
In den vergangenen Wochen haben sie und Ehemann Bernd
00:09:56
nichts unversucht gelassen,
00:09:57
um Lea aufzumuntern und aus ihrem Zimmer zu locken.
00:10:00
Erst letztens haben sie beispielsweise
00:10:02
mit ihr und ihrem elfjährigen Bruder Lasse
00:10:04
einen Ausflug zu einem nahegelegenen Badesee gemacht.
00:10:07
Doch Lea wollte nicht ins Wasser
00:10:08
und hatte trotz sommerlicher Temperaturen
00:10:10
darauf bestanden, ihre gesamte Kleidung anzubehalten.
00:10:13
Der Plan, wieder etwas Leichtigkeit in Leas Alltag zu bringen,
00:10:16
war damit gefloppt.
00:10:18
Genauso wie die Shoppingtour,
00:10:19
die Simone und Lea nun ohne gefüllte Einkaufstüten beenden.
00:10:23
Einige Wochen später startet Simone wieder einen Versuch.
00:10:27
Gemeinsam mit Tochter Lea und Sohn Lasse
00:10:29
möchte die 53-Jährige den Nachmittag des 21. Juli 2022 nutzen,
00:10:34
um Schuhe zu kaufen.
00:10:36
Dieses Mal geht es jedoch nicht um Spaß,
00:10:39
sondern um Pragmatismus.
00:10:40
Ihre Kinder brauchen dringend neue Träter.
00:10:42
Simone ist gerade dabei,
00:10:44
sämtliche Autotüren aufzureißen,
00:10:46
um das Fahrzeug angesichts der heißen Temperaturen zu lüften,
00:10:49
als Lea leger gekleidet in schwarzer Leggings,
00:10:51
grauem Trägertop und weißen Sneakern
00:10:54
aus der Haustür tritt und auf sie zukommt.
00:10:56
Die 14-Jährige sagt,
00:10:57
sie wolle noch kurz bei einem Klassenkameraden vorbeischauen,
00:11:00
der nur ein paar Straßen weiter wohnt.
00:11:02
Ihm seinen beigen Kapuzenpullover vorbeibringen,
00:11:04
den er in der Schule vergessen habe
00:11:06
und den sie für ihn mitgenommen hat.
00:11:07
Danach können sie los.
00:11:09
Simone ist irritiert.
00:11:11
Dass ihre Tochter alleine irgendwo hin will,
00:11:14
ist untypisch für sie.
00:11:15
Sie will doch sonst überall hin begleitet werden.
00:11:17
Außerdem wirkt Lea wieder einmal
00:11:20
völlig neben der Spur und unsicher.
00:11:22
fast so, als wisse sie mal wieder selbst nicht,
00:11:25
ob sie sich das, was sie vorhat, wirklich zutraut.
00:11:27
Lea wendet sich Simone an die 14-Jährige.
00:11:30
Du schaffst das.
00:11:32
als würde dieser kleine Satz etwas bewirkt haben.
00:11:35
Kurz darauf läuft Lea los.
00:11:36
Doch wenn Simone wüsste,
00:11:38
was ihre Tochter wirklich vorhat,
00:11:40
dann hätte sie sie in diesem Moment
00:11:42
niemals gehen lassen.
00:11:43
Etwa eine halbe Stunde später
00:11:47
tippt Simone ungeduldig,
00:11:48
Lea, wo bist du, in ihr Telefon.
00:11:51
Die 53-Jährige findet es seltsam,
00:11:53
dass Lea noch nicht zurück ist.
00:11:54
Schließlich wohnt der Klassenkamerad,
00:11:56
dem sie seinen Pulli bringen wollte,
00:11:57
nur ein paar Gehminuten entfernt.
00:11:59
Und so langsam wollen sie wirklich los.
00:12:02
Simone beschließt daher,
00:12:04
ihre Tochter bei ihrem Schulfreund einzusammeln.
00:12:06
Doch als sie dort ankommt und klingelt,
00:12:08
stellt sich heraus,
00:12:09
Lea ist gar nicht hier gewesen.
00:12:11
Simone ist verdutzt.
00:12:13
Das kann nicht sein.
00:12:14
Ihre Tochter hat ihr doch klar gesagt,
00:12:16
wo sie hin will.
00:12:17
Und wenn sie nicht hier ist,
00:12:18
wo ist sie dann?
00:12:19
In Simones Magen
00:12:21
braut sich ein unangenehmes Gefühl zusammen,
00:12:23
doch sie beschließt,
00:12:24
Ruhe zu bewahren
00:12:25
und mit Sohn Lasse erst einmal
00:12:26
wieder nach Hause zu fahren.
00:12:27
Lea wird schon gleich wieder auftauchen
00:12:29
und alles aufklären.
00:12:30
Da ist sich Simone sicher.
00:12:32
Und kurz vor 18 Uhr,
00:12:34
Lea ist seit etwa anderthalb Stunden weg,
00:12:36
zeigt Simones Handy
00:12:37
den Eingang einer neuen Nachricht an.
00:12:39
Lea hat ihr geschrieben.
00:12:42
Doch als sie die Nachricht öffnet,
00:12:44
ist die Erleichterung schnell wieder verflogen.
00:12:46
Denn Lea hat ihr nur ein einziges Wort geschickt.
00:12:50
Simone ist verwirrt.
00:12:52
Was möchte Lea ihr damit sagen?
00:12:54
Warum schreibt sie nicht einfach,
00:12:55
und wann sie endlich zurück ist?
00:12:57
Simone versucht,
00:12:58
ihre Tochter telefonisch zu erreichen,
00:13:00
doch die nimmt nicht ab.
00:13:01
Darüber werden sie sprechen müssen,
00:13:03
wenn die 14-Jährige wieder zu Hause ist.
00:13:05
Doch Lea kommt nicht wieder nach Hause.
00:13:08
Nicht in den nächsten Minuten,
00:13:10
nicht in den nächsten Stunden.
00:13:11
Je weiter der Zeiger
00:13:12
an diesem Donnerstag auf der Uhr voranrückt,
00:13:14
desto größer wird Simones Sorge.
00:13:16
Aus einem anfänglichen unguten Gefühl
00:13:19
ist mittlerweile echte Angst geworden.
00:13:21
Wo ist ihre Tochter nur?
00:13:23
Gemeinsam mit Leas Vater Bernd
00:13:25
klappert Simone den Freundeskreis von Lea ab,
00:13:27
ruft KlassenkameradInnen an,
00:13:29
in der Hoffnung,
00:13:30
dass Lea sich dort aufhält
00:13:31
oder eines der Kinder ihre Tochter
00:13:33
in den vergangenen Stunden
00:13:34
zumindest gesehen hat.
00:13:35
Währenddessen wählt Lasse
00:13:37
immer wieder die Nummer seiner Schwester.
00:13:42
Lea ist seit mittlerweile
00:13:43
fünfeinhalb Stunden verschwunden,
00:13:44
treffen Simone und Bernd eine Entscheidung.
00:13:46
Sie schalten die Polizei ein.
00:13:48
Für die BeamtInnen
00:13:50
sind mehrere Szenarien denkbar.
00:13:52
Womöglich ist Lea
00:13:53
einfach zu Hause ausgebüxt.
00:13:54
Vielleicht ist sie bei einer Freundin
00:13:56
oder einem Freund,
00:13:57
den ihre Eltern nicht kennen.
00:13:58
Da die PolizistInnen jedoch auch
00:14:00
ein Verbrechen nicht ausschließen können,
00:14:02
nehmen sie die Sorge
00:14:03
von Simone und Bernd ernst
00:14:04
und leiten erste Schritte ein.
00:14:06
Die Suche nach Lea beginnt.
00:14:10
Während Streifenwagen
00:14:11
durch den kleinen Ort
00:14:12
in Südbaden fahren
00:14:13
und PolizistInnen
00:14:14
mit wachsamen Augen
00:14:15
Ausschau nach dem Teenager halten,
00:14:16
sind Simone und Bernd
00:14:17
ebenfalls unterwegs.
00:14:19
Für die besorgten Eltern
00:14:20
kommt es nicht in Frage,
00:14:21
dass sie Tatenlust
00:14:22
zu Hause auf dem Sofa verharren
00:14:23
und darauf warten,
00:14:25
jeden Augenblick
00:14:26
der Schlüssel ins Schloss gesteckt wird
00:14:27
und Lea durch die Eingangstür kommt.
00:14:29
Nein, sie müssen selbst etwas tun.
00:14:31
Unterstützt von FreundInnen,
00:14:33
Menschen aus der Nachbarschaft
00:14:35
laufen sie selbst
00:14:36
die mittlerweile dunklen Straßen
00:14:38
und Wege des kleinen Orts ab,
00:14:39
rufen Leas Namen in die Ferne,
00:14:41
in der Hoffnung,
00:14:41
die 14-Jährige gesund und munter zu finden.
00:14:44
Doch der 21. Juli 2022
00:14:47
birgt kein Happy End
00:14:48
für die Suchenden.
00:14:49
Lea bleibt verschwunden.
00:14:52
startet die Polizei
00:14:53
eine groß angelegte Suchaktion.
00:14:55
Mehr als 100 PolizistInnen
00:14:57
setzen nun von morgens bis abends
00:14:58
alles daran, Lea zu finden.
00:15:00
Akribisch nehmen sie
00:15:02
nahezu jeden Quadratmeter
00:15:03
von Leas Wohnort
00:15:04
und die nahegelegene Umgebung
00:15:07
und Polizeihubschrauber
00:15:08
kommen zum Einsatz.
00:15:10
Simone und ihre Familie
00:15:11
beteiligen sich weiterhin
00:15:13
Sie haben Plakate entworfen,
00:15:15
mit denen sie nun
00:15:15
auf Leas Verschwinden
00:15:16
aufmerksam machen
00:15:17
und um Mithilfe bitten.
00:15:18
Vermisst steht eingerahmt
00:15:20
von mehreren Ausrufezeichen
00:15:22
in großen roten Buchstaben
00:15:23
auf den Zetteln,
00:15:24
die Simone und die anderen
00:15:26
an Bushaltestellen,
00:15:28
und Schaufenstern befestigen.
00:15:29
Für die vermissten Anzeige
00:15:31
haben sie zwei Fotos
00:15:32
von der ziellichen
00:15:32
14-Jährigen ausgewählt.
00:15:34
Auf einem hält sie
00:15:35
ihr Handy in den Händen
00:15:36
und schaut verträumt
00:15:37
während ihre langen, dunklen Haare
00:15:39
ins Gesicht fallen.
00:15:40
Auf dem anderen fokussiert sie
00:15:42
mit ihren sanften
00:15:45
zu einem zaghaften
00:15:46
Lächeln geformt.
00:15:47
Simones Herz ist schwer.
00:15:49
Ob sie ihre Tochter
00:15:52
so lächeln sehen wird?
00:15:53
In den kommenden Tagen
00:15:55
bleibt Lea weiterhin verschwunden.
00:15:57
obwohl die Sonderkommission,
00:15:59
die die Polizei mittlerweile
00:16:00
ins Leben gerufen hat,
00:16:01
nichts unversucht lässt,
00:16:02
um die 14-Jährige zu finden.
00:16:04
Die Suche nach Lea
00:16:05
beschränkt sich dabei
00:16:06
nicht nur auf analoge Mittel.
00:16:08
Auch digital begeben sich
00:16:10
auf Spurensuche,
00:16:11
in der Hoffnung,
00:16:11
Simones Tochter aufzuspüren.
00:16:13
Gleich zu Beginn
00:16:15
hatte die Polizei
00:16:16
ihr Handy zu orten.
00:16:17
Mit einem richterlichen Beschluss
00:16:19
hatten die Beamtinnen
00:16:20
an die Netzbetreiber gewandt,
00:16:22
Leas Handynummer durchgegeben
00:16:23
und um Standortdaten gebeten.
00:16:25
Jedoch ohne Erfolg.
00:16:28
und ist offenbar ausgeschaltet
00:16:30
somit nicht möglich.
00:16:33
einige Tage später,
00:16:34
können die Provider
00:16:35
den Ermittelnden
00:16:36
doch etwas an die Hand geben,
00:16:37
was sich für die Suche
00:16:39
als hilfreich erweisen könnte.
00:16:40
Den Netzbetreibern
00:16:42
ist es nachträglich gelungen,
00:16:43
drei Standorte zu bestimmen,
00:16:45
an denen sich Lea
00:16:46
am Abend des 21. Juli,
00:16:47
dem Tag ihres Verschwindens,
00:16:49
aufgehalten hat.
00:16:51
die den Beamtinnen
00:16:53
Baden-Württembergs,
00:16:54
in der Nähe ihres Heimatortes,
00:16:56
werden sie Lea nicht finden.
00:16:57
Denn die letzten beiden Standorte,
00:17:00
an denen sich Lea
00:17:00
offenbar aufgehalten hat,
00:17:02
liegen in Hessen,
00:17:03
mehrere hundert Kilometer
00:17:04
von ihrem Elternhaus entfernt.
00:17:06
Das versetzt die PolizistInnen
00:17:09
in Alarmbereitschaft.
00:17:10
Für sie ist es nahezu ausgeschlossen,
00:17:13
die von ihren Eltern
00:17:14
und ängstlich beschrieben wurde,
00:17:15
alleine in ein anderes
00:17:17
Bundesland gefahren ist.
00:17:18
Sie muss in Begleitung
00:17:19
einer anderen Person
00:17:20
unterwegs gewesen sein.
00:17:23
die sie gezwungen hat,
00:17:24
mit ihr mitzukommen,
00:17:25
sie verschleppt hat
00:17:26
und die ihr vielleicht
00:17:27
sogar etwas angetan hat,
00:17:30
Und um herauszufinden,
00:17:32
wer diese Person
00:17:33
setzt die Polizei
00:17:34
nun auf eine besondere
00:17:36
Ermittlungsmethode,
00:17:37
die Funkzellenanalyse.
00:17:40
das seit Anfang der 2000er
00:17:42
bei Ermittlungen
00:17:42
zum Einsatz kommt
00:17:44
im vermissten Fall von Lea
00:17:46
Durchbruch bringen soll.
00:17:50
eine Funkzellenanalyse ist
00:17:51
und wie sowas abläuft,
00:17:52
das erklären wir euch
00:17:54
jetzt in unserem Aha.
00:17:55
Genau, also zunächst mal
00:17:56
ist wichtig zu wissen,
00:17:56
dass unser Mobilfunknetz
00:17:59
geografische Bereiche
00:18:01
und die nennt man eben
00:18:03
wenn wir telefonieren,
00:18:04
Nachricht verschicken
00:18:05
oder beispielsweise
00:18:06
mobile Daten nutzen,
00:18:07
dann verbindet sich
00:18:09
automatisch mit einem
00:18:11
Funkzelle abdeckt.
00:18:12
Und das hat den Grund,
00:18:13
dass unsere Handys
00:18:14
so konzipiert sind,
00:18:15
dass sie möglichst
00:18:16
immer Empfang haben sollen
00:18:17
und die nächstgelegene
00:18:18
Funkzelle in der Regel
00:18:19
eben das stärkste Signal
00:18:20
Deswegen kann man
00:18:22
anhand der Funkzelle,
00:18:23
in der sich ein Handy befindet,
00:18:24
auch Rückschlüsse
00:18:25
auf den Aufenthaltsbereich
00:18:27
einer Person ziehen.
00:18:28
Wobei man sagen muss,
00:18:29
dass das mal mehr,
00:18:30
mal weniger genau geht,
00:18:31
weil entscheidend dafür
00:18:32
ist unter anderem
00:18:33
die Funkzellendichte.
00:18:34
In jetzt so städtischen Gebieten
00:18:36
mit gut ausgebauter
00:18:38
Mobilfunkversorgung
00:18:39
gibt es meistens
00:18:40
so viele kleine Funkzellen,
00:18:42
sogenannte Small Cells,
00:18:44
die teilweise weniger
00:18:46
als 100 Meter abdecken.
00:18:48
und wenn man weiß,
00:18:49
da eingeloggt ist
00:18:51
den Aufenthaltsort
00:18:52
der betreffenden Person
00:18:53
ziemlich genau bestimmen.
00:18:54
Aber jetzt beispielsweise
00:18:55
in ländlichen Gebieten,
00:18:57
wo eine Funkzelle
00:18:58
einen bis zu 35 Kilometer
00:19:00
großen Radius abdeckt,
00:19:02
da wird es dann schon schwieriger
00:19:03
mit einer genauen
00:19:04
Standortbestimmung.
00:19:06
Für Ermittlungsbehörden
00:19:08
total hilfreich sein,
00:19:10
über Verbindungsdaten
00:19:12
auf den Aufenthaltsort
00:19:13
einer Person ziehen zu können.
00:19:14
Und wenn Polizei
00:19:15
und Staatsanwaltschaft
00:19:17
dann spricht man eben
00:19:18
von einer Funkzellenanalyse.
00:19:20
Ein kleines Beispiel.
00:19:22
bei einem Juwelier
00:19:24
gibt es einen bewaffneten
00:19:25
und die Tatzeit ist bekannt.
00:19:27
Dann kann sich die Polizei
00:19:29
mit einem richterlichen Beschluss
00:19:30
an den Netzbetreiber
00:19:31
der betreffenden Funkzelle wenden
00:19:32
und den auffordern,
00:19:34
die Verbindungsdaten
00:19:35
zur Tatzeit herauszugeben.
00:19:36
Die werden nämlich
00:19:38
zumindest eine Weile
00:19:39
protokolliert und gespeichert.
00:19:40
Das kann man sich dann
00:19:42
dass die Ermittlungen
00:19:43
dann so eine tabellarische
00:19:44
Übersicht von Handynummern kriegen,
00:19:46
die zum Tatzeitpunkt
00:19:47
in der Funkzelle
00:19:48
des Tatorts eingeloggt waren.
00:19:49
Ist natürlich erstmal
00:19:50
ein ziemlich schwaches Indiz,
00:19:52
weil man natürlich
00:19:52
davon ausgehen kann,
00:19:53
dass mehrere Nummern
00:19:54
auf der Liste stehen
00:19:55
und das auch erst einmal
00:19:57
dass sich diese Personen
00:20:00
zu dieser Zeit befunden haben.
00:20:01
Wenn man allerdings
00:20:02
schon eine verdächtige Person hat,
00:20:04
dann kann das ja auf jeden Fall
00:20:06
um zum Beispiel ein Alibi
00:20:08
Und nun darf man sich das
00:20:09
aber nicht so vorstellen,
00:20:10
dass PolizistInnen tagtäglich
00:20:12
irgendwelche Handys
00:20:13
orten und Funkzellendaten
00:20:14
von den Netzbetreibern bekommen,
00:20:15
weil die Funkzellenanalyse
00:20:17
nämlich nur unter ganz
00:20:18
bestimmten Voraussetzungen
00:20:19
als Ermittlungsmethode
00:20:20
angewandt werden darf.
00:20:22
Welche das sind,
00:20:23
findet sich in der Strafprozessordnung.
00:20:24
Da sagt der Paragraf 100g
00:20:27
dass die Erhebung
00:20:28
von sogenannten Verkehrsdaten
00:20:29
nur dann zulässig ist,
00:20:30
wenn es um Straftaten
00:20:32
von erheblicher Bedeutung geht.
00:20:35
so Kapitaldelikte
00:20:36
wie Mord, Totschlag
00:20:37
oder schwere Körperverletzungen,
00:20:38
bewaffnete Raubüberfälle,
00:20:40
bla bla bla bla bla.
00:20:41
Und natürlich auch
00:20:42
schwere Sexualdelikte
00:20:43
wie Vergewaltigung
00:20:44
und sexuelle Nötigung.
00:20:46
die ja mittlerweile
00:20:47
schon ein paar Tage
00:20:48
verschwunden ist,
00:20:49
geht die Polizei
00:20:50
halt mittlerweile
00:20:52
dass ihr was Schlimmes
00:20:53
einer schweren Straftat wurde,
00:20:55
welcher auch immer.
00:20:56
Und deswegen ist
00:20:58
die Funkzellenanalyse
00:20:59
in dem Fall auch legitim,
00:21:00
wobei die hier jetzt
00:21:01
ein bisschen anders läuft
00:21:03
als bei dem Beispiel
00:21:04
mit dem Juwelier.
00:21:04
Was die Polizei jetzt
00:21:07
den drei Standortdaten,
00:21:08
die sie von Lea haben,
00:21:09
Funkzellen zuzuordnen
00:21:13
ein Mobiltelefon gibt,
00:21:16
von Leas Verschwinden
00:21:17
zeitgleich mit ihr
00:21:19
Funkzellen eingeloggt war.
00:21:22
gibt es da einen Treffer.
00:21:23
Es gibt nur ein Telefon,
00:21:26
das sich nach Leas Verschwinden
00:21:28
in denselben Funkzellen
00:21:31
der 14-Jährigen.
00:21:32
Sowohl in Leas Wohnort
00:21:34
als auch in Hessen.
00:21:36
Was die PolizistInnen
00:21:37
bezeichnet man als
00:21:39
Es ist die erste
00:21:41
vielversprechende Spur,
00:21:42
seit sie nach Lea suchen.
00:21:44
die sie zu einer Person führt,
00:21:46
nach Leas Verschwinden
00:21:47
mit ihr zusammen gewesen
00:21:49
Nachdem die Beamte
00:21:51
innen wenig später
00:21:52
den Anschlussinhaber
00:21:53
der Nummer ermittelt haben,
00:21:54
geben sie seinen Namen
00:21:55
in das polizeiliche
00:21:56
Auskunftssystem ein.
00:21:57
Sie wollen prüfen,
00:21:59
der offensichtlich
00:22:01
mit Lea nach Hessen
00:22:03
polizeilich bekannt ist.
00:22:04
Und als ihnen der Computer
00:22:06
nach wenigen Klicks
00:22:07
seinen kriminellen
00:22:08
Lebenslauf offenlegt,
00:22:09
schrillen bei den
00:22:11
die Alarmglocken.
00:22:13
denn die Vorgeschichte
00:22:14
lässt sie befürchten,
00:22:16
Furchtbares passiert ist.
00:22:18
Der nächste Tag,
00:22:22
hat gerade erst begonnen,
00:22:26
in einer südhessischen
00:22:27
eine Wohnung stürmt.
00:22:28
Es sind die vier Wände
00:22:30
von Kai Gerlach.
00:22:31
Nach den Ergebnissen
00:22:33
der Funkzellenanalyse
00:22:34
ist die Polizei überzeugt,
00:22:36
mit Leas Verschwinden
00:22:39
in seiner Wohnung
00:22:40
vielleicht sogar festhält.
00:22:43
des Sondereinsatzkommandos
00:22:44
sind daher voller Hoffnung,
00:22:45
als sie sich Zutritt verschaffen.
00:22:47
Doch die Wohnung
00:22:49
Kai ist nicht da
00:22:51
finden sie nicht.
00:22:53
schauen sich genauer um.
00:22:54
Schnell entdecken sie hier
00:22:56
inmitten des unordentlichen
00:22:58
in dem sie nun stehen,
00:22:59
einige Gegenstände,
00:23:00
die ihre Aufmerksamkeit
00:23:02
Weiße Darmensneaker
00:23:04
und ein graues Tanktop.
00:23:08
eine Schülerfahrkarte
00:23:09
und ein ausgeschaltetes Handy.
00:23:11
Es sind Leas Sachen,
00:23:13
ihres Verschwindens getragen
00:23:14
und bei sich gehabt haben soll.
00:23:16
So hat es ihre Familie
00:23:17
auf den selbstentworfenen
00:23:18
Plakaten beschrieben.
00:23:19
Für die PolizistInnen
00:23:21
ist damit eine Sache klar.
00:23:24
auf der richtigen Spur.
00:23:28
Die PolizistInnen
00:23:29
müssen sich einiges anhören,
00:23:31
gegen halb zehn Uhr morgens,
00:23:33
nur wenige Stunden
00:23:33
nach der Wohnungsdurchsuchung,
00:23:36
einer Frankfurter
00:23:37
Sicherheitsfirma
00:23:37
Handschellen anlegen.
00:23:38
Nachdem die Ermittlenden
00:23:40
seinen Arbeitsplatz
00:23:41
ausfindig gemacht haben,
00:23:42
sind sie hierher gefahren,
00:23:43
um den 29-Jährigen,
00:23:44
der soeben seine Nachtschicht
00:23:46
als Security-Mitarbeiter
00:23:49
Die PolizistInnen
00:23:51
auf eine nahegelegene
00:23:53
wo sie ihm die Fragen stellen,
00:23:54
die sie umtreiben.
00:23:57
Was hat er mit ihr gemacht?
00:23:59
Da es seit über einer Woche
00:24:01
kein Lebenszeichen mehr
00:24:02
von der 14-Jährigen gibt,
00:24:03
geht die Polizei
00:24:04
mittlerweile vom Schlimmsten aus.
00:24:06
den sie soeben verhaftet haben,
00:24:08
Lea etwa getötet?
00:24:10
ein unscheinbarer Kerl
00:24:12
mit kräftiger Statur
00:24:13
und dunkelblonder
00:24:14
liefert ihnen darauf
00:24:15
keine Antworten.
00:24:17
Zumindest keine,
00:24:18
die ihnen weiterhelfen.
00:24:20
nahezu desinteressiert,
00:24:22
dass er nichts getan habe,
00:24:25
noch nicht einmal kenne.
00:24:26
Während die VernehmungsbeamtInnen
00:24:29
Kai Informationen zu entlocken,
00:24:31
seine Mobiltelefone untersucht.
00:24:33
Gleich zwei Handys
00:24:34
haben die PolizistInnen
00:24:36
sicherstellen können.
00:24:37
Und als sie beginnen,
00:24:39
die Geräte auszuwerten,
00:24:40
stoßen sie schnell auf etwas,
00:24:41
das ihre Aufmerksamkeit erregt.
00:24:43
Die Geodaten auf Kais Handys
00:24:46
dass er sich in der Nacht
00:24:47
nach Leas Verschwinden
00:24:48
länger an einem See
00:24:49
in Mittelhessen aufgehalten hat.
00:24:51
Eine Erkenntnis,
00:24:53
die Bewegung in die Ermittlungen bringt.
00:24:55
Und die nun dazu führt,
00:24:56
dass sich ein polizeiliches
00:24:59
auf den Weg dorthin macht.
00:25:01
Wenige Stunden später.
00:25:02
Das Naturschutzgebiet Teufelsee
00:25:05
ist ein abgelegenes Fleckchen Erde.
00:25:07
Da das Gewässer zum Baden
00:25:09
ungeeignet und von dichtem
00:25:10
Gestrüpp umgeben ist,
00:25:11
verirren sich selbst
00:25:12
in den Sommermonaten
00:25:13
nur wenige Menschen hierher.
00:25:16
nachdem ein Polizeihubschrauber
00:25:17
eine Entdeckung gemacht hat,
00:25:18
haben sich zahlreiche Mitglieder
00:25:20
der Polizei hier versammelt,
00:25:21
die nun ZeugInnen
00:25:22
eines schockierenden Anblicks werden.
00:25:25
Auf der Wasseroberfläche
00:25:26
treibt Beuchlings
00:25:27
ein lebloser Körper,
00:25:28
dessen lange dunklen Haare
00:25:30
sich in einem Geäst verfangen haben.
00:25:33
gelingt es den Einsatzkräften
00:25:35
den Leichnam zu bergen.
00:25:38
um eine weibliche Person handelt,
00:25:40
wie schnell klar ist.
00:25:41
Doch ob es wirklich Lea ist,
00:25:44
tot aus dem See gezogen haben,
00:25:45
das können die BeamtInnen
00:25:48
Zu unkenntlich ist der Körper,
00:25:50
der offensichtlich mehrere Tage
00:25:52
Noch am späten Abend
00:25:54
soll die Rechtsmedizin
00:25:55
mithilfe eines DNA- und Zahnabgleis
00:25:57
die Frage nach der Identität klären.
00:25:59
Mit dem Ergebnis am nächsten Morgen
00:26:01
ist schließlich klar,
00:26:05
nachdem sie das Haus verlassen hat
00:26:06
und nicht wiedergekommen ist,
00:26:07
gibt es keine Hoffnung mehr,
00:26:09
sie Leben zu finden.
00:26:11
Und den Ermittlenden
00:26:13
steht nun die schwerste Aufgabe
00:26:15
die ihr Beruf mit sich bringt.
00:26:17
Sie müssen es den Eltern sagen.
00:26:19
Wie soll man als Mutter
00:26:21
so etwas verkraften?
00:26:25
keine Antwort findet.
00:26:26
Nachdem die Polizei
00:26:27
ihr und Mann Bernd
00:26:29
dass Lea tot ist,
00:26:30
sind die 53-Jährige
00:26:32
am Boden zerstört.
00:26:34
was der größte Albtraum
00:26:35
aller Eltern ist,
00:26:36
ist nun ihre schmerzliche Realität.
00:26:38
Simone kann nicht fassen,
00:26:40
dass ihre Tochter
00:26:41
nie wieder nach Hause kommen wird,
00:26:43
nie wieder ihre Stimme hören
00:26:45
oder sie in die Arme schließen wird.
00:26:46
In der dunkelsten Stunde
00:26:49
versuchen viele Menschen
00:26:50
aus ihrem kleinen Ort
00:26:51
Simone und Bernd
00:26:52
etwas Licht zu schenken.
00:26:53
Nahezu stündlich
00:26:55
aus Grablichtern,
00:26:56
Blumen und Stofftieren
00:26:57
vor der terracottafarbenen
00:26:59
Fassade des Rathauses.
00:27:01
die Simone und ihr Mann
00:27:02
zu schätzen wissen.
00:27:03
Offenbar gibt es hier
00:27:04
in dem kleinen südbadischen Dorf
00:27:07
die sich auf stille Weise
00:27:08
mit ihnen verbunden fühlen,
00:27:10
und Fassungslosigkeit
00:27:11
mit ihnen teilen.
00:27:14
die große Anteilnahme
00:27:15
kann Simone und Bernd
00:27:16
nicht von der Frage ablenken,
00:27:19
und Nacht beschäftigt.
00:27:20
Was um Himmels Willen
00:27:22
ist mit ihrer Lea geschehen?
00:27:23
Das will nun auch
00:27:26
die Polizei herausfinden.
00:27:28
mithilfe jenes Mannes,
00:27:30
im Visier haben.
00:27:34
dank Standortdaten
00:27:35
auf seinem Handy
00:27:36
unter dringendem
00:27:38
Lea getötet zu haben.
00:27:39
Doch weiterhelfen
00:27:41
will der 29-Jährige
00:27:42
selbst immer noch nicht.
00:27:43
Nachdem er bei seiner Verhaftung
00:27:45
noch betont hatte,
00:27:46
nichts getan zu haben,
00:27:49
gar nichts mehr.
00:27:51
seine Kooperation
00:27:51
gelingt es der Polizei
00:27:53
einen Fortschritt
00:27:54
bei den Ermittlungen
00:27:55
Denn die Auswertung
00:27:57
die nach wie vor
00:27:58
andauert, bringt eine wichtige
00:28:02
In den vergangenen Monaten
00:28:04
hatten sie täglich
00:28:05
miteinander Kontakt
00:28:06
und haben sie über
00:28:07
verschiedene Kanäle
00:28:08
tausende Nachrichten
00:28:12
ErmittlerInnen nun
00:28:13
die Chats zwischen
00:28:15
und dem doppelt so alten
00:28:16
Und dabei wird klar,
00:28:18
in der sich Lea in den
00:28:22
Und sie wuchs nicht nur
00:28:23
mit jedem weiteren Tag,
00:28:25
sondern auch mit jeder Nachricht.
00:28:26
Etwa drei Monate zuvor.
00:28:29
Die sozialen Medien
00:28:30
sind ein fester Bestandteil
00:28:34
ist die 14-Jährige
00:28:36
und anderen Plattformen
00:28:38
lag Videos und Bilder
00:28:39
und chattet mit ihren
00:28:41
Menschen, die sie aus der
00:28:43
Fußballverein kennt,
00:28:44
in dem sie kickt.
00:28:45
Aber auch solche,
00:28:46
die sie persönlich
00:28:47
noch nie getroffen hat
00:28:48
und denen sie sich
00:28:49
dennoch nahe fühlt.
00:28:51
Dass Lea Personen,
00:28:52
die sie nur aus den
00:28:53
und Online-Spielen
00:28:55
als ihre FreundInnen
00:28:56
hat zu Hause schon öfter
00:28:58
zu Diskussionen geführt.
00:28:59
Vor allem ihre Mutter
00:29:00
Simone kann nicht verstehen,
00:29:02
dass sie dieses Wort
00:29:03
für Leute nutzt,
00:29:04
mit denen sie bisher
00:29:05
ausgetauscht hat.
00:29:06
Doch Lea ist das egal.
00:29:08
Freundschaften gibt es
00:29:10
für die 14-Jährige
00:29:10
nicht nur in der analogen,
00:29:12
in der digitalen Welt.
00:29:14
Und sie ist immer offen
00:29:15
dafür, neue zu schließen.
00:29:19
erhält Lea eine Nachricht
00:29:21
von einem unbekannten Mann.
00:29:24
Wo genau der erste Kontakt
00:29:26
zwischen den beiden
00:29:27
lässt sich nicht rekonstruieren.
00:29:30
ab dem 25. April
00:29:31
kommunizieren sie vorrangig
00:29:33
über WhatsApp und Snapchat.
00:29:34
Obwohl Lea weiß,
00:29:36
dass Kai doppelt so alt ist
00:29:37
vertraut sie sich ihm an.
00:29:40
redet sie fortan
00:29:41
über die typischen Themen
00:29:42
eines Teenagers,
00:29:44
aber auch über die strengen
00:29:46
Regeln ihres Vaters,
00:29:48
Kai geht darauf ein,
00:29:50
er mimt den verständnisvollen
00:29:52
und gibt Lea das Gefühl,
00:29:53
dass er sich für sie
00:29:54
und sie versteht.
00:29:55
Doch nur kurze Zeit später
00:29:57
lenkt er ein zunächst
00:29:58
harmlos anmutendes Gespräch
00:30:00
in eine ganz andere Richtung.
00:30:02
In einer Nachricht
00:30:08
ein wohlhabender
00:30:09
Personenschützer zu sein,
00:30:10
der bereits für die Sicherheit
00:30:12
bekannten Leuten
00:30:14
Als ihr Sugar-Daddy
00:30:15
könnte er ihr Geld
00:30:16
zur Verfügung stellen.
00:30:18
was sie im Gegenzug
00:30:19
dafür tun müsse,
00:30:20
sei ihm Fotos zu schicken.
00:30:22
Aber nicht irgendwelche Fotos,
00:30:24
sondern Nacktfotos.
00:30:26
warum die schüchterne Lea
00:30:27
die darauf folgende
00:30:28
Entscheidung trifft.
00:30:29
Vielleicht will sie
00:30:30
Grenzen ausloten.
00:30:31
Womöglich ist es Neugierde,
00:30:32
vielleicht aber auch
00:30:33
jugendlicher Leichtsinn.
00:30:36
kommt sie Kais bitte nach
00:30:37
und schickt ihm die Bilder.
00:30:39
auch ohne ihr Gesicht zu zeigen.
00:30:41
Doch Kai gibt sich
00:30:42
damit nicht zufrieden.
00:30:47
Kai bombardiert Lea
00:30:49
mit Text- und Sprachnachrichten.
00:30:51
Einmal schickt er ihr
00:30:53
etwa 800 Mitteilungen
00:30:56
Dauerbeschallung.
00:30:57
Außerdem sendet Kai
00:30:58
ihr nun einen Katalog
00:31:02
als ihr Sugar-Daddy
00:31:03
und die sie zu befolgen habe.
00:31:07
in jeder Hinsicht
00:31:09
und unabdingbaren
00:31:13
ich habe auch gedacht,
00:31:15
irgendwas Religiöses
00:31:16
hat das irgendwie an sich.
00:31:18
Aber jetzt geht es schon
00:31:19
ein bisschen in eine andere Richtung.
00:31:20
Die nächste Regel ist,
00:31:22
du stellst mir deinen Körper
00:31:24
und an jedem Ort
00:31:25
Du wirst mir immer zeigen,
00:31:28
dass du deine Rolle,
00:31:29
mein Eigentum zu sein,
00:31:32
und mir zu gehorchen,
00:31:35
Du wirst mir jede gestellte Frage
00:31:37
ehrlich und direkt beantworten.
00:31:39
Du wirst mir jederzeit
00:31:40
Auskunft über deinen
00:31:41
körperlichen und seelischen
00:31:44
Du wirst mich nie
00:31:46
und auch keine Widerworte
00:31:48
Und wenn ich Tochter
00:31:54
und ich akzeptiere
00:31:56
Also das ist auch so widerlich,
00:31:58
weil ich habe mich schon gefragt,
00:32:00
normalerweise heißt das ja
00:32:03
Und Babe ist schon auch
00:32:05
nochmal was anderes
00:32:06
Also dieser Mensch hat
00:32:07
offenbar auch irgendwie
00:32:08
ein Faible dafür,
00:32:10
das in dieses Rollenspiel
00:32:13
widerlich finde.
00:32:15
woran mich das erinnert?
00:32:16
Ich habe mich mal
00:32:17
für so eine Reportage
00:32:19
für so ein Kriminalmagazin,
00:32:21
Fahndung Deutschland
00:32:22
für mich ja in so ein
00:32:24
Pro-Anorexie-Forum
00:32:26
Und da ging es quasi
00:32:27
zum einen Teil darum,
00:32:29
wie animieren sich
00:32:30
gegenseitig dazu,
00:32:31
sich runterzuhungern.
00:32:34
ging aber darum,
00:32:36
explizit in diese
00:32:39
wo viele junge Mädchen
00:32:40
sich rumtreiben,
00:32:42
eingesteuertes Selbstbild
00:32:44
keinen hohen Selbstwert,
00:32:45
sich dann absichtlich
00:32:47
Männer einschleusen,
00:32:48
um Kontakt zu diesen
00:32:51
halt eben aufzunehmen.
00:32:52
Und ich hatte dann
00:32:53
Kontakt mit so einem Mann
00:32:54
und das Ziel war halt,
00:32:56
dass wir uns mit dem
00:32:58
Ich musste also,
00:33:00
damit so ein Treffen
00:33:02
über mehrere Wochen
00:33:06
weil eigentlich,
00:33:07
ich habe mir das
00:33:09
dann so vorgestellt,
00:33:10
jetzt eine andere
00:33:11
ich bin irgendein
00:33:13
nicht so an mich
00:33:14
Das hat trotzdem
00:33:16
nicht so richtig
00:33:17
er schreibt jetzt
00:33:18
mit, keine Ahnung,
00:33:19
Tiffi oder wie auch
00:33:20
immer ich mich da
00:33:32
Und das Ding ist,
00:33:38
deswegen wollte ich,
00:33:41
Aber das hat mich
00:33:42
wirklich so irre
00:33:44
Alltag bestimmt hat,
00:33:45
aufgestellt hat.
00:33:50
natürlich funktioniert,
00:33:55
für das Treffen,
00:34:03
die die auch oft.
00:34:04
Und wenn es mich
00:34:06
Zeit psychisch so
00:34:08
die ja eigentlich
00:34:09
nicht wirklich was
00:34:10
von sich preisgegeben hat,
00:34:11
sondern über eine
00:34:11
erfundene Identität
00:34:12
mit ihm gesprochen hat,
00:34:13
dann kann ich mir
00:34:14
halt vorstellen,
00:34:16
für Mädchen ist,
00:34:18
gefestigt und die
00:34:21
Intimes unter Druck
00:34:24
wo man ja wirklich
00:34:27
öffentlich wird.
00:34:28
wirklich schlimm
00:34:30
der jetzt platzen würde.
00:34:31
Ja, und ich kann
00:34:37
also viel geschrieben,
00:34:44
das kennt ja jeder
00:34:45
der früher irgendwie
00:34:47
auch mit Leuten,
00:34:47
die man nicht kannte,
00:34:48
man kreiert in seinem
00:34:50
Kopf ja auch ein Bild
00:34:51
von dieser Person,
00:34:53
was man gut findet,
00:34:54
was oft gar nicht
00:34:56
zu der Person passt,
00:34:56
aber man hat dieses Bild,
00:34:57
man möchte sich auch
00:34:59
gar nicht vorstellen,
00:35:00
einem was Böses will
00:35:03
wenn man so jung ist
00:35:04
und noch sich so viele
00:35:05
Erfahrungen gemacht hat,
00:35:06
dann sehe ich das,
00:35:08
wie man da dann immer
00:35:10
tiefer reinrutscht,
00:35:11
ohne das richtig zu bemerken,
00:35:13
dass das total falsch ist,
00:35:15
was da passiert.
00:35:16
und gerade junge Leute
00:35:17
sind oft ja noch nicht
00:35:18
in der Lage zu differenzieren,
00:35:19
was projiziere ich jetzt
00:35:21
auf eine Person,
00:35:23
über das Chatten kenne,
00:35:24
und was ist diese Person
00:35:26
eigentlich wirklich
00:35:27
und gerade wenn sie sich
00:35:28
vielleicht auch in der echten Welt
00:35:29
ein bisschen einsam fühlen,
00:35:30
ist das echt gefährlich,
00:35:32
weil es auch oft
00:35:33
diese Spirale gibt,
00:35:35
es wird immer mehr gefordert,
00:35:36
es werden immer mehr Details
00:35:38
mit denen die TäterInnen,
00:35:39
die jungen Menschen
00:35:40
dann unter Druck setzen
00:35:41
und genauso passiert das
00:35:42
halt damals auch mit Lea.
00:35:44
Kai schickt ihr nämlich
00:35:45
auch noch einen Fragebogen
00:35:46
zu sexuellen Vorlieben,
00:35:47
die sie als unerfahrenes
00:35:50
gar nicht beantworten kann
00:35:51
und schließlich macht er klar,
00:35:53
dass ihm der digitale Kontakt
00:35:54
zu Lea nicht mehr reicht.
00:35:56
Er will sich mit ihr treffen,
00:35:57
mit ihr Sex haben.
00:35:59
Lea möchte das auf keinen Fall.
00:36:01
Das macht sie ihm mehrfach klar
00:36:03
und versucht ihn zugleich
00:36:04
mit zeitverzögerten
00:36:05
und einsilbigen Antworten
00:36:06
auf Abstand zu halten.
00:36:09
fühlt sich mit dem Kontakt
00:36:11
längst nicht mehr wohl.
00:36:12
Sie schreibt ihm,
00:36:13
dass sie das alles nicht mehr will,
00:36:14
dass ihr das zu viel ist.
00:36:15
Unter anderen Umständen
00:36:17
hätte sie den Kontakt
00:36:18
zu ihrem Chatpartner
00:36:19
vermutlich längst abgebrochen,
00:36:20
seine Nummer gelöscht,
00:36:22
oder einfach nur geghostet.
00:36:25
wenn Lea versucht,
00:36:25
sich dem 29-Jährigen
00:36:27
ihm nicht antwortet
00:36:29
oder seine Forderung
00:36:30
nach neuen Bildern
00:36:32
Zunächst redet Kai
00:36:34
lediglich davon,
00:36:35
sich zu suizidieren,
00:36:36
wenn sie ihm nicht mehr schreibt.
00:36:38
ihren Nachnamen nennen,
00:36:40
in seinem Testament
00:36:41
berücksichtigen könne
00:36:42
und er ist ein Kind.
00:36:43
Dann spricht er schließlich
00:36:45
Lea selbst etwas anzutun
00:36:47
oder ihrem Vater
00:36:48
die Nacktbilder zu zeigen,
00:36:49
der sie dann mit Sicherheit
00:36:50
in ein Kinderheim
00:36:51
abschieben würde.
00:36:52
In der Kommunikation
00:36:53
mit der 14-Jährigen
00:36:55
auf ein perfides Zusammenspiel
00:36:57
aus Einschüchterung,
00:36:58
Drohung und Manipulation.
00:37:00
Lea wird zu Kais
00:37:01
digitaler Marionette.
00:37:03
Und um die Fäden
00:37:04
weiterhin fest in der Hand
00:37:06
ist dem 29-Jährigen
00:37:07
jedes Mittel recht.
00:37:09
Als Lea beispielsweise
00:37:10
einmal ein paar Tage
00:37:11
nur sporadisch schreibt
00:37:12
und Kai vor allem
00:37:13
mit Ignoranz begegnet,
00:37:15
unter einer anderen
00:37:16
Handynummer bei ihr
00:37:16
und gibt sich als Henker aus,
00:37:18
der von Kai beauftragt worden sei,
00:37:20
ihre Familie zu töten.
00:37:21
Lea könne das jedoch verhindern,
00:37:23
indem sie wieder
00:37:24
Tochter des Sugar Daddys werde.
00:37:27
steht mit dem Rücken
00:37:29
was sie tun soll,
00:37:30
wie sie sich verhalten soll.
00:37:31
Aus Angst vor Konsequenzen
00:37:33
führt sie den Kontakt
00:37:35
Am liebsten würde Lea
00:37:36
ihm nie wieder antworten,
00:37:38
ihm nie wieder auch
00:37:39
nur eine Nachricht schicken.
00:37:40
Sie wünscht sich,
00:37:41
dass Kai aus ihrem Leben
00:37:43
Doch wie die Ermitteln
00:37:44
denn heute wissen,
00:37:45
ist das nicht passiert.
00:37:47
Ja, und ich habe ja eben
00:37:49
dass es halt ja oft
00:37:51
dass jetzt Menschen
00:37:53
die halt falsche
00:37:54
Hintergedanken haben
00:37:55
bei so einem Kontakt,
00:37:56
dass die natürlich
00:38:04
irgendwie das Vertrauen
00:38:11
Und dieses Vorgehen,
00:38:16
wenn Kinder im Internet
00:38:17
angeschrieben werden
00:38:18
sie in der analogen
00:38:20
oder virtuellen Welt
00:38:21
sexuell zu belästigen
00:38:22
oder zu missbrauchen.
00:38:23
Und Cybergrooming
00:38:24
ist gerade am Anfang
00:38:25
oft gar nicht so einfach
00:38:27
Unser heutiger Experte,
00:38:28
Cyberkriminologe
00:38:29
Professor Thomas Gabriel-Rüdiger
00:38:31
hat uns nämlich erklärt,
00:38:34
meistens gar nicht klar sagen,
00:38:35
dass sie auf sexuelle Sachen
00:38:39
ein klassisches Beispiel
00:38:40
wie sowas aussehen kann.
00:38:43
oder eine Täterin
00:38:45
ein Online-Spiel spielt
00:38:47
oder in sozialen Medien
00:38:49
auf ein Bild reagiert
00:38:50
und es einschreibt,
00:38:53
weil sie die Vorstellung haben,
00:38:55
dass ich mit dem Kind
00:38:56
zusammenspielen kann,
00:38:57
dass ich das Kind
00:38:58
darauf anspreche,
00:38:59
kriege ich vielleicht
00:39:00
die Möglichkeit,
00:39:01
eine Handynummer zu bekommen
00:39:02
und mit der Handynummer
00:39:03
kann ich zum Beispiel
00:39:04
über WhatsApp dann agieren.
00:39:06
Cybergrooming fängt
00:39:07
nicht erst an dem Punkt an,
00:39:08
in dem das Gespräch
00:39:09
in eine sexuelle Richtung
00:39:11
Also auch ein total banaler
00:39:13
oder harmlos wirkender Chat
00:39:15
ist bereits Cybergrooming,
00:39:16
wenn die TäterInnen
00:39:17
damit eben das Ziel verfolgen,
00:39:18
auf das Kind einzuwirken,
00:39:20
um dann eine geplante
00:39:21
sexuelle Belästigung
00:39:23
einen Missbrauch
00:39:25
Die Strafbarkeit
00:39:26
ergibt sich vor allem
00:39:27
aus dem Paragrafen
00:39:30
des Strafgesetzbuchs,
00:39:32
neu geschaffen wurde
00:39:33
und die Vorbereitung
00:39:35
von sexuellem Kindesmissbrauch
00:39:36
unter Strafe stellt.
00:39:40
dann in eine sexuelle Richtung
00:39:42
indem sie Kindern
00:39:43
irgendwelche sexuellen
00:39:44
Nachrichten schicken
00:39:45
oder sie dazu bringen,
00:39:47
ihnen Nacktfotos zu schicken
00:39:48
oder irgendwelche
00:39:49
intimen Aufnahmen
00:39:51
dann greift außerdem
00:39:53
der Paragraf 176a
00:39:55
der sexuellen Kindesmissbrauch
00:39:57
ohne Körperkontakt
00:39:58
Allerdings gilt das nur,
00:40:00
wirklich Kinder sind,
00:40:01
also maximal 13 Jahre alt,
00:40:03
weil darüber hinaus
00:40:04
ist man Jugendlicher
00:40:05
oder Jugendliche.
00:40:07
das, was Kai damit leer macht,
00:40:11
unterste Schublade,
00:40:13
zu dem Zeitpunkt
00:40:15
fällt es aber zumindest
00:40:16
nicht unter Cyber-Grooming.
00:40:17
Und Cyber-Grooming
00:40:19
betrifft sehr viele
00:40:23
der Landesanstalt
00:40:25
aus dem Juli 2024.
00:40:29
zwischen 8 und 17 Jahren
00:40:30
zum Thema Cyber-Grooming
00:40:33
dass etwa 25 Prozent,
00:40:38
davon betroffen war.
00:40:40
gaben außerdem an,
00:40:42
von einer erwachsenen Person
00:40:43
nach einem Treffen
00:40:44
gefragt worden zu sein
00:40:46
wurden sogar online
00:40:47
um freizügige Bilder
00:40:48
von sich gebeten.
00:40:49
Offiziell erfasst
00:40:52
Kriminalstatistik
00:40:57
von Cyber-Grooming.
00:40:59
das muss man hierzu sagen,
00:41:01
die juristisch relevanten
00:41:08
ist natürlich auch
00:41:09
zu hinterfragen,
00:41:11
wie aussagekräftig
00:41:12
diese Zahlen sind,
00:41:13
weil man kann sich ja
00:41:14
zum einen vorstellen,
00:41:15
dass vielen Kindern
00:41:16
vielleicht auch erstmal
00:41:18
dass das gar nicht
00:41:20
was sie da online
00:41:23
wenn man es checkt
00:41:25
trauen sich halt viele
00:41:27
das dann den Eltern
00:41:28
weil das natürlich
00:41:29
auch schambehaftet ist.
00:41:36
dass ihre Eltern
00:41:38
diese Nacktfotos
00:41:48
also ich weiß nicht,
00:41:50
habe ich mit meiner
00:41:54
irgendwie ist lustig
00:41:56
und das war auch
00:41:57
sexuell angehaut.
00:41:59
wie groß ist der BH
00:42:01
und was weiß ich
00:42:02
wurde da gefragt.
00:42:03
Das war ja schon
00:42:04
die zweite Frage,
00:42:09
wenn man gesagt hat
00:42:10
war da schon die Frage
00:42:12
nach der BH-Größe,
00:42:14
zu Mamas Schrank
00:42:16
weil man überhaupt
00:42:18
es da überhaupt gibt.
00:42:19
Vor allem so Mann,
00:42:24
also das habe ich
00:42:29
ich habe geschrieben
00:42:31
und was ich auch
00:42:33
immer geschrieben habe,
00:42:36
auch oft gefragt
00:42:36
und ich immer so
00:42:38
blonden Foliensträhnchen.
00:42:42
wir lachen jetzt
00:42:44
auch ein bisschen
00:42:44
beschämt einfach,
00:42:45
wollen aber damit sagen,
00:42:47
also gerade als wir
00:42:51
für uns entdeckt haben,
00:42:53
weil das gab es ja
00:42:54
vorher auch einfach
00:42:55
Da war ja gar nichts
00:42:57
mit Medienkompetenz
00:42:58
und uns hat das ja
00:43:00
niemand erzählt,
00:43:01
was da teilweise
00:43:03
auf der anderen Seite
00:43:04
des Bildschirms sitzen
00:43:05
und das ist ja was,
00:43:07
was viele heute auch noch
00:43:08
im Unterricht vermissen
00:43:09
oder was vielleicht auch
00:43:09
manche Eltern den Kindern
00:43:10
nicht vermitteln können
00:43:13
der Wunsch danach
00:43:14
irgendwie was auszuprobieren
00:43:15
ist erstmal normal.
00:43:16
Man muss halt nur
00:43:17
sehr genau gesagt bekommen,
00:43:18
was auf keinen Fall
00:43:20
gemacht werden darf
00:43:21
und wenn man das erste Mal
00:43:22
so eine Erfahrung macht,
00:43:24
weiß man dann vielleicht auch nicht,
00:43:25
dass ganz, ganz viele Menschen
00:43:27
mit dieser Masche versuchen,
00:43:28
an solche Bilder zu kommen
00:43:30
und das aber auch zeitgleich
00:43:32
ja noch mit ganz vielen anderen machen,
00:43:34
weil du das System dahinter
00:43:35
einfach noch nicht so richtig verstehst.
00:43:37
Naja, und dieses System
00:43:39
sorgt halt teilweise auch dafür,
00:43:41
dass tatsächlich,
00:43:42
das kam auch bei dieser Umfrage raus,
00:43:44
jedes vierte Kind
00:43:45
auch dann den Kontakt
00:43:46
oder zur Chatpartnerin
00:43:47
aufrecht erhält,
00:43:48
wenn sich herausstellt,
00:43:49
dass die Person älter ist,
00:43:51
als sie zuerst angegeben hat
00:43:52
oder als zumindest angenommen wurde.
00:43:54
Und genannt wurden da
00:43:55
von den minderjährigen Gründe
00:43:56
wie Wertschätzung,
00:43:59
aber auch die Freude darüber,
00:44:02
dass sich eine ältere Person
00:44:03
für sie interessiert.
00:44:05
das macht mich so traurig,
00:44:06
das finde ich ja so schrecklich,
00:44:09
das sind so unschuldig,
00:44:12
diese Kinder da,
00:44:13
noch nicht erlebt haben,
00:44:15
dass man sie einfach
00:44:16
von vorne bis hinten verarscht
00:44:17
und nur ausnutzt
00:44:18
und einfach erstmal
00:44:20
so vom Positiven ausgehen
00:44:22
und dann müssen die
00:44:23
solche Erfahrungen machen
00:44:25
und natürlich sind das nicht,
00:44:27
das ist ja dann nicht
00:44:28
in der Regel so,
00:44:29
wie das jetzt bei Lea ausgeht,
00:44:31
aber das ist für diese Kinder
00:44:34
das nehmen die noch
00:44:36
dem sie vertraut haben,
00:44:38
sie von vorne bis hinten
00:44:40
und die in ihrem Urvertrauen
00:44:46
in unserer Gesellschaft
00:44:47
wird uns das ja quasi
00:44:48
so anerzogen in der Schule
00:44:50
dass man auf ältere Leute
00:44:52
und dass ältere Leute
00:44:52
Autoritätspersonen
00:44:54
ja und in der Schule
00:44:56
war es doch auch so,
00:44:57
die Älteren waren immer
00:44:58
und wenn die dir
00:44:59
irgendwie Aufmerksamkeit
00:45:01
dann war das irgendwie toll
00:45:02
und hier denkt man jetzt so,
00:45:05
diese Person interessiert
00:45:06
sich jetzt für mich,
00:45:07
da fühle ich mich
00:45:09
und da fühle ich mich
00:45:11
und dann ist das an sich
00:45:12
erst mal noch kein Warnsignal
00:45:14
Und was das für Menschen sind,
00:45:17
die halt dann diese,
00:45:19
die Kinder sozusagen ausnutzen,
00:45:21
das haben wir unseren Experten
00:45:22
Professor Thomas Gabel-Rüdiger
00:45:24
und bei seiner Antwort
00:45:26
hat er unter anderem betont,
00:45:28
da nur bedingt zutreffen.
00:45:30
Also es gibt keinen
00:45:31
klassischen Täter.
00:45:31
Früher hatte man ja
00:45:32
diese Vorstellung,
00:45:33
da sitzen die alten,
00:45:35
perversen Männer
00:45:37
oder am Smartphone,
00:45:38
die auf die Kinder einwirken
00:45:39
und die gibt es.
00:45:41
Also gar keine Frage,
00:45:43
Man muss aber halt so wissen,
00:45:45
Cybergrooming ist
00:45:46
juristisch gesehen
00:45:47
aus meiner Sicht
00:45:49
und genauso wie das
00:45:51
ein Massenphänomen ist,
00:45:52
genauso vielseitig
00:45:53
sind auch die Täter
00:45:54
Trotzdem kann man,
00:45:55
wenn man es ganz grob
00:45:59
etwa 90% der Tatverdächtigen,
00:46:01
10% sind aber auch weiblich.
00:46:03
Also es gibt auch Frauen,
00:46:04
die deswegen in Erscheinung treten.
00:46:06
Und in den polizeilichen
00:46:07
Kriminalstatistiken zumindest
00:46:09
haben wir eine klare Fokussierung
00:46:11
auf junge Täter.
00:46:12
Also etwa die Hälfte,
00:46:15
sogar ein Hauch mehr,
00:46:17
und die absolute Mehrheit
00:46:18
ist unter 30 Jahren alt
00:46:20
bei Cybergrooming.
00:46:21
wir haben jetzt eine Generation
00:46:22
an Tätern und Täterinnen,
00:46:24
die selber mit dem digitalen Raum
00:46:26
aufgewachsen sind,
00:46:27
die das vielleicht selber
00:46:28
auch erlebt haben,
00:46:29
als Normalität empfunden haben,
00:46:30
mit creepy Typen im Netz zu schreiben
00:46:32
und die jetzt selber
00:46:33
in Erscheinung treten.
00:46:35
und wenn man eben weiß,
00:46:36
wie häufig das passiert,
00:46:38
ich habe da auch einen Fall
00:46:39
in meinem Bekanntenkreis,
00:46:40
wo ein junges Mädchen
00:46:42
dann Nacktbilder verschickt hatte
00:46:44
und das irgendwie
00:46:45
ein großes Problem war,
00:46:46
die hatte sich aber dann
00:46:47
glücklicherweise
00:46:47
auch ihrer Mutter anvertraut.
00:46:50
Also das ist so wichtig,
00:46:52
dass man das nicht
00:46:52
für sich behält.
00:46:54
dann fragt man sich ja schon,
00:46:56
wie kann man die Kinder
00:46:57
sozusagen vor sich selber schützen?
00:46:59
Du hast ja eben schon gesagt,
00:47:00
man sollte denen das
00:47:01
auf jeden Fall sozusagen,
00:47:03
die darauf aufmerksam machen,
00:47:04
was es für Gefahren gibt.
00:47:05
Aber die Frage ist ja auch,
00:47:07
ab wann soll man überhaupt
00:47:08
einem Kind oder einem Teenager
00:47:11
und sollte man dann
00:47:12
die Benutzung einschränken
00:47:14
oder kontrollieren?
00:47:18
in welchem Alter
00:47:19
sollte ein Kind ein Handy kriegen?
00:47:20
Also da muss ich sagen,
00:47:23
wenn es jetzt nur
00:47:24
ums Handy an sich geht,
00:47:25
um auch zu telefonieren
00:47:28
um Social Media Nutzung.
00:47:31
das ist die Frage,
00:47:32
also weil ich finde
00:47:32
WhatsApp zum Beispiel
00:47:34
als Social Media Nutzung,
00:47:37
ich meine jetzt wirklich
00:47:39
dass man halt sozusagen
00:47:39
mit ganz fremden
00:47:41
Menschen in Kontakt
00:47:47
es macht einfach so viel Schlechtes,
00:47:50
ich würde sagen 16.
00:47:52
ich finde 14 auch noch
00:47:53
wirklich sehr jung
00:47:55
also gerade auch in Bezug
00:47:57
und was da in sozialen Medien
00:48:00
und damit meine ich jetzt
00:48:02
Mobbing von Leuten,
00:48:03
mit denen man in einer Klasse ist.
00:48:06
dass da 16 das Beste wäre.
00:48:08
Das Problem ist natürlich,
00:48:11
die einzige Person bist
00:48:12
ohne Social Media,
00:48:13
ist das halt auch gemein.
00:48:15
aber ich glaube,
00:48:16
man war ja auch,
00:48:19
aber man hatte ja oft schon irgendwas,
00:48:21
was man nicht durfte
00:48:22
und andere durften das.
00:48:24
ich durfte immer eigentlich alles,
00:48:25
aber diejenigen,
00:48:27
die das nicht durften,
00:48:29
die waren jetzt nicht die Loser
00:48:32
und die hatten da nicht
00:48:33
irgendwelche großen Nachteile,
00:48:35
wenn man jetzt auf ihre Entwicklung guckt
00:48:37
also wenn man das jetzt so rückblickend betrachtet,
00:48:39
dann natürlich nicht, ne?
00:48:41
Aber die Weitsicht hat man ja als Teenie noch gar nicht
00:48:44
und wenn du nicht dazu gehörst, ne?
00:48:47
dann gehörst du nicht dazu
00:48:48
und Kinder können echt richtig gemein sein, ja?
00:48:51
Und die schließen ja auch andere schnell aus.
00:48:56
ich kann ja auch nicht so viel dazu sagen,
00:48:58
weil ich immer alles durfte und klar,
00:49:00
aber ich habe jetzt schon öfters von jungen Menschen
00:49:03
oder jungen Erwachsenen gehört,
00:49:05
die ihren Eltern jetzt so natürlich rückblickend
00:49:09
total dankbar sind,
00:49:11
dass sie den Social Media
00:49:13
bis 18 Jahren irgendwie verboten haben oder so, ne?
00:49:17
man weiß ja auch nicht,
00:49:18
was man für ein Elternteil wäre
00:49:21
oder sein wird oder so
00:49:22
und ich kann mir schon vorstellen,
00:49:25
dass da ein krasser sozialer Druck
00:49:26
auch aufgebaut werden kann
00:49:28
und dann will man irgendwie seinem Kind
00:49:30
das dann doch schon mit 14 erlauben.
00:49:32
Dann kann man aber ja vielleicht sagen,
00:49:35
dann kontrolliere ich aber jetzt alle Apps
00:49:37
und irgendwie die Nutzungszeiten,
00:49:39
dass das gar nicht erst dazu kommen kann,
00:49:41
dass die Kinder sich da
00:49:43
im Netz so verlieren und man selber
00:49:45
dann gar keinen Einfluss mehr darauf hat.
00:49:47
Ich würde das auch vollkommen verstehen,
00:49:50
also weil mit 14 ist man in Deutschland ja auch schon strafmündig, ne?
00:49:53
Und ich will halt glauben,
00:49:55
dass viele in dem Alter auch eigenständige Personen sind
00:49:58
mit Verantwortungsgefühl,
00:49:59
die natürlich auch ein starkes Bedürfnis
00:50:02
nach Unabhängigkeit, ne?
00:50:04
Und wenn meine Eltern damals meine Korrespondenzen,
00:50:10
nenne ich es jetzt mal,
00:50:11
mit 14 gelesen hätten,
00:50:12
da wäre aber richtig was los gewesen.
00:50:16
Und ich glaube aber auch auf der anderen Seite,
00:50:18
dass das für Eltern irgendwie sich mies anfühlt,
00:50:21
da mitzulesen, ne?
00:50:23
Und das wollte Mutter Simone halt auch auf keinen Fall bei Lea machen.
00:50:27
Also sie hat es ja schon mitbekommen,
00:50:29
dass Lea immer viel am Handy gewesen ist
00:50:31
und deswegen hatten die auch so eine Vereinbarung,
00:50:34
dass Lea ihr Handy jeden Abend um 22 Uhr abgibt
00:50:37
und es erst am nächsten Morgen wiederbekommt.
00:50:39
Aber kontrolliert hat Simone das Smartphone der 14-Jährigen nie.
00:50:43
Leas Privatsphäre zu respektieren,
00:50:46
ist Simone immer wichtig gewesen.
00:50:47
Nicht einmal hat sie heimlich das Herrn ihrer Tochter in die Hand genommen,
00:50:50
um zu lesen, was und mit wem sie schreibt.
00:50:53
Doch nun, in Anwesenheit von Polizei und Staatsanwaltschaft,
00:50:57
erhalten Simone und ihr Mann Bernd das erste Mal
00:50:59
einen Einblick in Leas digitales Postfach
00:51:02
und erfahren von den Chats zwischen ihr und Kai,
00:51:05
dem mutmaßlichen Mörder ihres Kindes.
00:51:07
Sachlich und zugleich feinfühlig
00:51:10
legen die Beamtinnen den Eltern nach und nach die Nachrichten vor.
00:51:13
Nachrichten, in denen Kai ihrer Tochter droht und sie einschüchtert
00:51:17
und die sich vermutlich für immer in ihrem Gedächtnis einbrennen werden.
00:51:20
Simone ist schockiert.
00:51:23
Sie versteht jetzt,
00:51:24
warum sich Lea in den vergangenen Wochen und Monaten
00:51:26
so merkwürdig verhalten hat,
00:51:28
warum sie immer nur niedergeschlagen traurig und nervös wirkte.
00:51:31
Ihre arme Tochter,
00:51:33
Lea muss unfassbare Angst gehabt haben,
00:51:36
muss unendlich verzweifelt gewesen sein
00:51:38
und die Vorstellung,
00:51:39
dass ihre Tochter in dieser emotionalen Ausnahmesituation
00:51:42
ganz auf sich allein gestellt war,
00:51:43
droht Simone's Mutterherz zu zerreißen.
00:51:47
Wir diskutieren nicht, ob sie verantwortlich sind.
00:51:49
Es geht um das Wie und Warum.
00:51:51
Mit diesen strengen Worten richtet sich die Vernehmungsbeamtin an Kai
00:51:55
und macht deutlich, dass Leugnen keinen Sinn mehr ergibt.
00:51:57
Die Polizei ist überzeugt, dass der 29-jährige Lea getötet hat.
00:52:01
Die Funkzellendaten haben belegt,
00:52:03
dass er in Leas Wohnort war und anschließend mit ihr nach Hessen gefahren ist.
00:52:07
Und dann wären da noch die persönlichen Gegenstände der 14-Jährigen,
00:52:10
die in seiner Wohnung gefunden wurden
00:52:12
und die Nachrichten,
00:52:13
die Kai und Lea in den vergangenen Monaten ausgetauscht haben.
00:52:16
Die Indizien sprechen klar gegen ihn.
00:52:19
Nach fünf Wochen in Gewahrsam
00:52:21
versuchen die Ermittelnden nun erneut,
00:52:23
Kai ein Geständnis zu entlocken.
00:52:24
Und anders als in den Vernehmungen zuvor,
00:52:27
in denen seine Lippen versiegelt waren
00:52:28
und er teilnahmslos zu Boden geblickt hat,
00:52:30
bricht Kai heute sein Schweigen
00:52:32
und beginnt zu reden.
00:52:34
Kai erzählt, dass er am 21. Juli 2022,
00:52:38
dem Tag von Leas Verschwinden,
00:52:40
mit ihr verabredet gewesen sei.
00:52:41
Lea habe ihm zuvor gesagt,
00:52:43
dass sie viel lieber bei ihm als bei ihren Eltern leben wolle.
00:52:46
Deshalb habe er sie in ihrem Heimatdorf abgeholt
00:52:49
und sei mit ihr gemeinsam nach Hessen
00:52:51
in Richtung seiner Heimatstadt gefahren.
00:52:53
Während der Autofahrt behauptet,
00:52:55
Kai habe Lea seine Nähe gesucht,
00:52:56
sich an seinen Arm gekuschelt
00:52:58
und erneut den Wunsch nach einem gemeinsamen Leben bekräftigt.
00:53:02
Dann, es sei bereits spät am Abend gewesen,
00:53:04
habe Lea während einer Pause Pferde auf einer Weide entdeckt.
00:53:07
Sie habe unbedingt reiten wollen
00:53:09
und sei auf eines der Pferde gestiegen.
00:53:11
Dann sei sie jedoch gestürzt.
00:53:13
Kai habe keinen Puls mehr fühlen können
00:53:15
und da es, Zitat,
00:53:17
scheiße rüberkommt,
00:53:18
wenn ein 29-Jähriger für eine 14-Jährige Rettung meldet,
00:53:21
habe er nicht den Notruf gewählt,
00:53:23
sondern ihre Leiche daraufhin
00:53:24
in einem nahegelegenen See versenkt.
00:53:26
Die PolizistInnen sind überzeugt,
00:53:29
Kai, der nun endlich begonnen hat zu reden,
00:53:32
erzählt ihnen wortwörtlich etwas vom Pferd.
00:53:34
Sie glauben ihm nicht, was sie ihm auch deutlich machen.
00:53:37
Also setzt Kai erneut an.
00:53:39
Dieses Mal, um eine andere Version zu erzählen.
00:53:42
Ja, er habe Lea getötet.
00:53:44
Während der Fahrt sei es zu einem Streit im Auto gekommen.
00:53:47
Lea habe ihn provoziert und beleidigt.
00:53:50
Deswegen habe er sie bei einer Pause auf einer Parkbank erwürgt.
00:53:53
Wie das ausgesehen habe,
00:53:55
demonstriert er an der Getränkedose, die vor ihm steht.
00:53:58
So, nuschelt er, während seine Finger das Plastik eindrücken.
00:54:02
Anschließend, behauptet Kai,
00:54:04
habe er Leas Leiche im See entsorgt.
00:54:06
Obwohl das, was sie da hören, furchtbar ist,
00:54:09
sind die Ermittlungen erleichtert,
00:54:10
dass Kai es ausspricht.
00:54:11
Da ist es, ihr Geständnis.
00:54:14
Und Kai zeigt sich plötzlich nicht nur redselig,
00:54:16
sondern auch kooperativ.
00:54:18
Kurz nach seiner Vernehmung führt er die Polizei zum Tatort.
00:54:21
Der 29-Jährige zeigt ihnen die Bank,
00:54:24
auf der er Lea erwürgt haben will.
00:54:25
Dann führt er die PolizistInnen zu einem Feldweg,
00:54:28
wo sie weitere Kleidungsstücke von Lea finden.
00:54:31
Ihr BH, dessen Träger abgeschnitten sind.
00:54:33
Ihr Slip, der ebenfalls zerfetzt ist.
00:54:36
Es sind Spuren, die den Ermittlungen klar machen,
00:54:38
Kai hat zwar sein Schweigen heute gebrochen,
00:54:41
aber die ganze Wahrheit hat er ihnen nicht erzählt.
00:54:47
Etwa ein Jahr nach Leas Tod
00:54:50
beginnt am Landgericht Gießen der Prozess gegen Kai.
00:54:52
Etliche JournalistInnen haben sich an diesem Morgen
00:54:55
in dem Spurgerichtssaal versammelt,
00:54:56
um ihre Kameras auf den Mann zu richten,
00:54:59
der einem Teenager das Leben genommen haben soll.
00:55:01
Doch Kai, der an diesem Dienstag
00:55:03
an der Seite von zwei Justizbeamten
00:55:05
in den Handschellen den Raum betritt,
00:55:06
weiß sich vor dem Blitzlichtgewitter zu schützen.
00:55:09
Mit einem Aktenordner, den er vor sich hält,
00:55:11
schirmt er sein Gesicht ab.
00:55:13
Sein struppiger brauner Haaransatz
00:55:15
und das rote T-Shirt,
00:55:16
das sackartig an ihm herunterhängt,
00:55:17
sind daher alles,
00:55:18
was die Presse vor die Linse kriegt.
00:55:20
Kai hat Lea monatelang online unter Druck gesetzt,
00:55:23
die sie am 21. Juli 2022
00:55:26
zu einem Treffen genötigt und getötet.
00:55:28
Davon ist die Staatsanwaltschaft überzeugt.
00:55:31
Mord, lautet der Vorwurf,
00:55:32
den sie dem mittlerweile 30-Jährigen machen.
00:55:35
Aber auch versuchte Vergewaltigung.
00:55:37
Die Staatsanwaltschaft ist sich sicher,
00:55:39
dass Kais tatsexuell motiviert war.
00:55:41
Da die Obduktion von Leas Leiche
00:55:43
jedoch keine Vergewaltigung bestätigen konnte,
00:55:45
beschränkt sich die Anklage
00:55:46
lediglich auf den Versuch.
00:55:48
Leas Eltern haben sich dazu entschieden,
00:55:50
im Prozess die Nebenklage anzutreten.
00:55:52
Simone und Bernd wollen darauf aufmerksam machen,
00:55:55
welche Gefahren online auf Kinder und Jugendliche lauern.
00:55:57
Vielleicht, so der tröstliche Gedanke,
00:56:00
an dem sie sich in ihrer Trauer festhalten,
00:56:02
können so andere Kinder vor dem bewahrt werden,
00:56:04
was ihrer Tochter zugestoßen ist.
00:56:06
Beim Prozessauftakt sind sie jedoch nicht anwesend.
00:56:09
Vor allem Simone muss zunächst Kraft sammeln,
00:56:11
bevor sie in wenigen Tagen ihre Aussage machen
00:56:14
und jenen Raum betreten kann,
00:56:15
in dem der Tod ihres Kindes rekonstruiert wird.
00:56:19
Kai, der auf der Anklagebank zwischen seinen beiden Anwälten
00:56:22
Platz genommen hat,
00:56:23
ist unterdessen zu alten Verhaltensmustern zurückgekehrt
00:56:25
und hört sich wieder in Schweigen.
00:56:27
Über ein schriftliches Statement,
00:56:29
das er einen seiner Verteidiger vorlesen lässt,
00:56:31
schildert er seine Version des Geschehens.
00:56:33
Die Streitgeschichte,
00:56:34
die er bereits bei der polizeilichen Vernehmung erzählt hat.
00:56:37
Und die, die die Staatsanwaltschaft
00:56:39
für erstunken und erlogen hält.
00:56:40
Denn nun, wo insgesamt 10 Millionen Datensätze
00:56:43
auf Kais und Leas Handys ausgewertet wurden
00:56:45
und sämtliche Chatnachrichten rekonstruiert sind,
00:56:48
ist die Anklage überzeugt,
00:56:49
dass sie sich stattdessen wie folgt zugetragen hat.
00:56:53
Es ist etwa 11 Uhr morgens,
00:56:55
als Kai am 21. Juli 2022 seine Wohnung in Hessen verlässt,
00:56:59
um nach Baden-Württemberg zu fahren.
00:57:01
Sein Ziel ist ein kleiner Ort im Süden des Bundeslandes,
00:57:04
der Wohnort von Lea,
00:57:06
dem die 14-Jährige ihn zwar nie persönlich verraten hat,
00:57:09
den Kai aber dank der sogenannten Snap-Map kennt,
00:57:12
einer Standortfunktion der App Snapchat,
00:57:14
die die Lokalisierung von Freunden ermöglicht.
00:57:16
Bereits seit Monaten ist Kai mit Lea in Kontakt
00:57:19
und immer häufiger will er sie auch in echt treffen.
00:57:22
Oft hatte er es ihr schon vorgeschlagen,
00:57:24
aber sie hatte immer abgeblockt.
00:57:26
Heute will er das nicht weiterhin nehmen.
00:57:28
Während der Autofahrt schickt er ihr eine Nachricht,
00:57:31
in der er ihr schreibt,
00:57:32
dass sie sich nach dem Schulschluss bei ihm melden soll.
00:57:35
so wie sie es aus Angst immer tut.
00:57:37
Kai teilt ihr mit,
00:57:39
dass er auf dem Weg zu ihr sei
00:57:40
und fordert sie auf,
00:57:41
sich am späten Nachmittag mit ihm zu treffen.
00:57:43
Lea reagiert daraufhin verängstigt
00:57:45
und fühlt sich offensichtlich in die Enge getrieben.
00:57:47
Die 14-Jährige bittet, das Ganze zu verschieben,
00:57:50
auf einen anderen Tag zu verlegen.
00:57:52
Und überhaupt wird ihr das alles langsam zu viel.
00:57:55
Doch Kai lässt Lea keine Wahl.
00:57:57
In scharfem Ton fordert er sie auf, zu kommen.
00:58:00
Der digitale Kontakt zwischen Kai und Lea
00:58:02
erstreckt sich an diesem Tag über mehrere Stunden.
00:58:05
Immer wieder versucht Lea,
00:58:06
sich bittend und bettelnd der Situation zu entziehen.
00:58:09
Etwa, indem sie sagt,
00:58:10
dass es ihr nicht gut gehen würde.
00:58:11
Meine Mutter geht mit mir in 20 Minuten zum Arzt,
00:58:15
Doch Kai kontert mit Einschüchterungen und Drohungen.
00:58:19
wie er es in den letzten Monaten getan hat.
00:58:22
befiehlt er Lea.
00:58:22
Er würde in Höhe des Dönerladens auf sie warten.
00:58:26
antwortet die 14-Jährige.
00:58:27
Dann schreibt Kai,
00:58:28
der im Besitz von Nacktfotos ist,
00:58:30
die Lea ihm geschickt hat.
00:58:32
Soll ich deine Eltern informieren?
00:58:33
Deinem Vater alles sagen?
00:58:36
antwortet der Teenager keine Minute später.
00:58:39
Lea sieht nun offensichtlich keine andere Möglichkeit mehr,
00:58:44
als zu der Verabredung zu erscheinen.
00:58:45
Also erfindet sie einen Vorwand,
00:58:47
um sich mit ihm treffen zu können.
00:58:48
Gegen 16.30 Uhr sagt sie ihrer Mutter,
00:58:50
die eigentlich in wenigen Minuten mit ihr und ihrem Bruder Lasse losfahren will,
00:58:54
um Schuhe zu kaufen,
00:58:55
dass sie einem Klassenkameraden noch schnell
00:58:57
einen vergessenen Pulli vorbeibringen will.
00:59:00
Doch statt an der Tür eines Gleichaltrigen zu klingeln,
00:59:02
sitzt sie kurze Zeit später in Kais Auto.
00:59:06
das ohne seine Eltern nahezu nirgendwo hingeht,
00:59:09
fährt nun mit einem Mann,
00:59:10
der doppelt so alt ist wie Lea,
00:59:12
Was genau in den Stunden,
00:59:14
in denen sie gemeinsam im Auto sitzen,
00:59:17
Doch Lea verschickt noch am Abend
00:59:19
mehrere Nachrichten an ihre Familie.
00:59:22
mach dir keine Sorgen,
00:59:23
schreibt sie etwa Simone.
00:59:25
Ich bin morgen früh wieder da.
00:59:26
Bruder Lasse schreibt sie zudem,
00:59:28
bin morgen früh wieder da,
00:59:30
Es sind Nachrichten,
00:59:32
mit denen Lea ihre Liebsten offenbar beruhigen will.
00:59:34
Doch bis auf das Wort Mama,
00:59:36
das ihre Mutter am frühen Abend erreicht,
00:59:38
werden sie nicht zugestellt.
00:59:39
Lea hat kein Guthaben mehr auf dem Handy.
00:59:41
Zudem scheint die 14-Jährige zumindest zu ahnen,
00:59:44
dass sie in Gefahr ist.
00:59:45
Mehrmals versucht sie Kais Kennzeichen zu fotografieren.
00:59:48
Das zeigen die verschwommenen Aufnahmen auf ihrem Handy.
00:59:51
Nach etwa 300 Kilometern
00:59:53
macht Kai schließlich Halt an einem Waldstück,
00:59:55
fordert Lea auf auszusteigen
00:59:57
und fällt auf einer Parkbank über sie her.
00:59:59
Während Kai Lea vergewaltigt
01:00:01
oder es zumindest versucht,
01:00:04
bis das Leben aus ihr gewichen ist.
01:00:05
Nur wenige Stunden,
01:00:07
nachdem er ihre Leiche
01:00:08
im nahegelegenen Teufelsee entsorgt hat,
01:00:10
wendet er sich online dem nächsten Mädchen zu.
01:00:12
Eine 17-Jährige,
01:00:14
mit der er schon eine Weile chattet
01:00:16
und der er nun mehrere Penisbilder
01:00:18
und ein Masturbationsvideo schickt.
01:00:20
Dass Lea nicht das einzige Mädchen war,
01:00:22
das Kai online sexuell belästigt hat,
01:00:24
wird im Prozess nur allzu deutlich.
01:00:26
Im Zuge der datenforensischen Untersuchung
01:00:29
war es der Polizei gelungen,
01:00:30
etwa 100 weibliche Personen ausfindig zu machen,
01:00:33
die Kai in der Vergangenheit online kontaktierte.
01:00:35
Darunter als jüngste Emma,
01:00:37
ein 13-jähriges Mädchen.
01:00:39
Emma tritt im Prozess
01:00:40
nicht nur als Zeugin auf,
01:00:41
sondern auch als Geschädigte.
01:00:43
Neben der Tötung und versuchten Vergewaltigung von Lea
01:00:45
sitzt Kai nämlich außerdem auf der Anklagebank,
01:00:48
weil er die 13-Jährige online dazu gebracht haben soll,
01:00:50
ihm Nacktbilder von sich zu schicken
01:00:52
und dadurch Nacktfotos von Minderjährigen
01:00:54
in seinen Besitz gebracht haben soll.
01:00:56
Wie ihm das gelungen ist,
01:00:58
das berichtet Emma selbst,
01:00:59
wenn auch außerhalb des Gerichtsaals.
01:01:02
das am 10. Verhandlungstag abgespielt wird,
01:01:04
zeigt das Gespräch
01:01:05
zwischen zwei Ermittelnden und der Schülerin.
01:01:07
Beschämt und schüchtern berichtet sie darin,
01:01:10
wie Kai sie im Sommer 2022 angeschrieben hat.
01:01:13
Ihr sagt, er wolle, Zitat,
01:01:14
versaut snappen.
01:01:16
Emma lässt sich darauf ein.
01:01:19
dass Kai mehr als doppelt so alt ist wie sie,
01:01:20
sondern vermutet einen etwa gleichaltrigen Jungen
01:01:23
hinter seinem Usernamen.
01:01:24
Nach einem kurzen Chat
01:01:25
tauschen die beiden ihre Handynummern aus.
01:01:27
Dann wird es, wie sie es nennt, merkwürdig.
01:01:30
Kai schickt ihr einen Fragebogen zu.
01:01:32
Eine Bewerbung als Sugar-Tochter.
01:01:34
Er will merkwürdige Dinge von ihr wissen,
01:01:37
ihre Körbchengröße und ihre sexuellen Vorlieben.
01:01:40
Außerdem, ob sie rasiert ist und Sexspielzeug benutze.
01:01:43
Obwohl ihr das alles komisch vorkommt,
01:01:46
führt Emma den Kontakt fort.
01:01:47
Ich wollte mich gut fühlen,
01:01:49
gibt sie beschämt zu.
01:01:50
Komplimente bekommen und so.
01:01:52
Als Kai Emma um Nacktfotos bittet,
01:01:55
schickt sie ihm daher welche zu.
01:01:56
Doch als der damals 29-Jährige,
01:01:58
die 13-Jährige schließlich drängt,
01:02:00
sich mit ihm zu treffen,
01:02:01
um mit ihm Sex zu haben,
01:02:02
zieht sie einen Schlussstrich
01:02:04
und blockiert seine Nummer.
01:02:05
Seine Drohung, er werde sich umbringen,
01:02:07
wenn sie ihm nicht mehr schreibe, er hält sie nicht mehr.
01:02:10
Als das Video von Emmas Vernehmung endet,
01:02:13
herrscht im Gerichtssaal Fassungslosigkeit.
01:02:15
Die Anwesenden sind schockiert
01:02:16
über Kais perfides Vorgehen
01:02:18
und seine ausgeklügelte Masche,
01:02:19
die er wie eine Schablone immer wieder neu ansetzte,
01:02:22
wenn er online Jagd auf junge Mädchen machte.
01:02:24
Doch es ist nicht nur sein Verhalten,
01:02:27
das für Entsetzen sorgt,
01:02:28
sondern auch die Tatsache,
01:02:29
dass es überhaupt so weit kommen konnte.
01:02:31
Kais Kindheit zeichnet sich
01:02:33
durch Vernachlässigung und Gleichgültigkeit aus.
01:02:36
Als siebtes von insgesamt zehn Kindern
01:02:38
wird der heute 30-Jährige unter desolaten Zuständen groß.
01:02:41
Seine alleinerziehende Mutter
01:02:42
ist mit der Erziehung von ihm und seinen Geschwistern
01:02:45
sowohl emotional als auch intellektuell überfordert.
01:02:48
Und Kais alkoholkranker Vater
01:02:49
ist nur eine blasse Erinnerung in seinem Leben.
01:02:52
Er verließ die Familie,
01:02:54
als Kai gerade einmal drei Jahre alt war.
01:02:56
Statt in Liebe und Fürsorge aufzuwachsen,
01:02:58
ist Kai schon früh auf sich selbst gestellt.
01:03:00
Im Kindergarten fällt er wegen Mangel
01:03:02
der Körperhygiene und fehlenden Pausenboten auf.
01:03:05
In der Förderschule, die er anschließend
01:03:07
wegen Konzentrationsschwierigkeiten
01:03:08
und sprachlicher Defizite besucht,
01:03:10
erscheint er regelmäßig zu spät,
01:03:12
wenn er überhaupt hingeht.
01:03:14
Statt zu lernen und sich in die Klassengemeinschaft zu integrieren,
01:03:17
seilt sich Kai immer weiter ab
01:03:18
und streunert in nahegelegenen Kaufhäusern herum,
01:03:21
in denen er etwas mitgehen lässt.
01:03:23
Mal sind es Kaugummis, mal Kondome.
01:03:25
An Tagen, an denen er tatsächlich zum Unterricht erscheint,
01:03:28
stört und provoziert er.
01:03:30
Als Kai acht Jahre alt ist, wird bekannt,
01:03:32
dass einer seiner älteren Brüder
01:03:33
von einem Bekannten der Mutter sexuell missbraucht wurde.
01:03:36
Mehrere Stunden muss Kai deshalb
01:03:38
bei einem Kinderpsychologen Rede und Antwort stehen.
01:03:40
Ob auch er Opfer solcher Übergriffe wurde,
01:03:43
kann nicht final geklärt werden.
01:03:44
Klar ist dagegen,
01:03:45
etwa sechs Jahre später wird Kai selbst zum Täter.
01:03:49
Im Mai 2007, im Alter von gerade einmal 14 Jahren,
01:03:52
trifft er dann auf dem Weg ins Schwimmbad
01:03:54
auf eine Elfjährige.
01:03:55
Unter einem Vorwand lockt er sie hinter das Gebäude der Schwimmhalle.
01:03:59
Dann beginnt er sie von hinten mit einem Gummiband zu würgen,
01:04:02
während er sie versucht zu vergewaltigen.
01:04:03
Nur ein zufällig vorbeikommender Erwachsener
01:04:05
kann das Schlimmste gerade noch verhindern.
01:04:07
Für Kai hat seine Tatfolgen.
01:04:09
Ein halbes Jahr später steht er deswegen vor Gericht.
01:04:12
Und nachdem ein Gutachter ihn aufgrund seines niedrigen IQs
01:04:15
von 77 für vermindert schuldfähig hält,
01:04:17
ordnet das Gericht statt Gefängnis den Maßregelvollzug an,
01:04:20
in der Erwartung, dort könne man mittels Therapie
01:04:23
eine Rückfallgefahr vermindern.
01:04:24
Seine gesamte Jugend verbringt Kai nicht nur in einer,
01:04:28
sondern in mehreren psychiatrischen Einrichtungen.
01:04:30
Mehrmals muss er wegen Grenzüberschreitungen
01:04:32
und Fehlverhaltens die Klinik wechseln.
01:04:34
Er bedrängt Patientinnen, umarmt sie ungefragt von hinten,
01:04:37
klaut Unterwäsche und beobachtet sie heimlich beim Duschen.
01:04:40
Außerdem onaniert er immer wieder in Gemeinschaftsräumen
01:04:43
und weist, wenn er erwischt wird,
01:04:45
daraufhin, dass das, was er da mache, nur menschlich sei.
01:04:47
Als Kai volljährig wird, muss er ein Medikament einnehmen,
01:04:51
das den Testosteronspiegel im Körper senkt
01:04:53
und das zur Hemmung des Sexualtriebs verabreicht wird.
01:04:56
2015, nach acht Jahren im Maßregelvollzug,
01:04:59
nimmt Kai sich einen Anwalt.
01:05:01
Er will raus aus der Psychiatrie,
01:05:02
weg aus der Klinik, in der man, so behauptet er,
01:05:05
ihm gar nicht richtig helfe.
01:05:06
Klinikpersonal und Staatsanwaltschaft schlagen Alarm.
01:05:10
Auf gar keinen Fall dürfe man dem zustimmen.
01:05:13
Sie sprechen von kaum sichtbaren Therapiefortschritten,
01:05:16
von schlechten Kriminalprognosen und Wiederholungsgefahr.
01:05:19
Doch ein neues psychiatrisches Gutachten,
01:05:21
das ihm nun einen IQ von 88 bescheinigt
01:05:24
und die zuvor angenommene Minderbegabung damit verneint,
01:05:27
bringt schließlich den verheerenden Stein ins Rollen.
01:05:30
Kai wird aus der Psychiatrie entlassen.
01:05:32
Nach zehn Jahren Klinikaufenthalt darf er gehen.
01:05:35
Seine neu gewonnene Freiheit ist aber an Bedingungen geknüpft.
01:05:38
Der mittlerweile 24-Jährige wird unter Führungsaufsicht gestellt,
01:05:42
eine Maßregel, mit der er auch fernab der Psychiatrie weiterhin überwacht wird.
01:05:47
Unter anderem muss Kai an einem Programm für rückfallgefährdete SexualstraftäterInnen teilnehmen,
01:05:51
das eine engmaschige Betreuung vorsieht.
01:05:53
Außerdem muss er sich weiterhin psychiatrisch behandeln lassen.
01:05:56
Doch schnell stellt sich heraus, Kai hat nicht vor, sich an Regeln zu halten.
01:06:01
Regelmäßig verpasst er Termine mit BewährungshelferInnen
01:06:04
und ist ihnen gegenüber aufmüpfig und impulsiv.
01:06:06
Zudem verfällt er nur kurz nach seiner Entlassung wieder in alte Muster.
01:06:11
Ende 2017 liegen insgesamt neun Anzeigen wegen sexueller Belästigung gegen ihn vor.
01:06:16
Zum Prozess kommt es jedoch nie.
01:06:18
Obwohl Kai sich einen juristischen Fehltritt nach dem anderen leistet,
01:06:23
hat sein Verhalten keine Konsequenzen.
01:06:25
2018 darf er wegen angeblicher Nebenwirkungen und dem Wunsch,
01:06:29
er wolle wieder eine sexuelle Beziehung führen,
01:06:30
das triebhemmende Medikament absetzen.
01:06:34
Anfang 2022, nach fünf Jahren, endet Kais' Führungsaufsicht.
01:06:38
Nur ein halbes Jahr später ist Lea tot.
01:06:40
Simone kriegt all diese Infos nur indirekt von ihrer Anwältin mit,
01:06:45
die sie und ihr Mann Bernd bei der Nebenklage vertritt.
01:06:47
Nur einmal geht Simone selbst in den Gerichtssaal, um ihre Aussage zu machen.
01:06:51
Konzentriert und mit brüchiger Stimme erzählt sie den Anwesenden von ihrer Tochter.
01:06:55
Beschreibt, was Lea für ein ruhiges, schüchterndes Mädchen war
01:06:59
und berichtet zugleich von den Veränderungen,
01:07:01
die ihr in den Monaten vor der Tat aufgefallen waren.
01:07:04
Monate, in denen die 54-Jährige keine Ahnung hatte,
01:07:07
dass ihre Tochter online mit einem verurteilten Sexualstraftäter verkehrt,
01:07:11
der sich schließlich nicht nur im Internet als ihr schlimmster Albtraum entpuppen würde.
01:07:15
Dass Kai überhaupt die Möglichkeit hatte, wieder straffällig zu werden,
01:07:18
macht Simone unfassbar sauer.
01:07:20
Sie kann nicht verstehen, dass man ihn trotz aller Warnzeichen aus der Psychiatrie entlassen hatte,
01:07:24
dass einem gefährlichen Mann wie ihm die Freiheit gewährt wurde.
01:07:27
Alles, was die 54-Jährige nun noch tun kann, ist zu hoffen.
01:07:31
Darauf, dass Kai mit der vollen Härte des Gesetzes bestraft wird und dass er nie wieder auf freien Fuß kommt.
01:07:36
Ob der mittlerweile 30-Jährige tatsächlich den Rest seines Lebens hinter Gittern verbringen wird,
01:07:42
ist eine Frage, bei der das Gericht auf die Unterstützung eines psychiatrischen Gutachters setzt.
01:07:46
Der Sachverständige hat Kai in den vergangenen drei Monaten an jedem Verhandlungstag beobachtet
01:07:51
und zweimal abseits des Gerichtsgebäudes ausführlich mit ihm gesprochen.
01:07:55
Seine Aufgabe ist es nun, einen Einblick in Kai's Seelenleben zu liefern und damit festzustellen,
01:08:00
inwieweit er überhaupt als schuldfähig zu erachten ist.
01:08:03
Und die Bestandsaufnahme, die er dabei vornimmt, ist niederschmetternd, egozentrisch und empathielos.
01:08:08
So lauten die Eigenschaften, die der Psychiater dem 30-Jährigen zuschreibt.
01:08:13
Der Sachverständige ist überzeugt, dass andere Menschen für Kai nur leblose Hüllen ohne Bedeutung sind,
01:08:18
für dessen Gefühle und Bedürfnisse er sich schlichtweg nicht interessiere.
01:08:22
Entsprechend sei bei ihm eine dissoziale Persönlichkeitsstörung mit psychopathischen Zügen zu erkennen,
01:08:27
die sich auch in seinem Sexualverhalten widerspiegeln.
01:08:30
Auf Kais Schuldfähigkeit habe das jedoch keine Auswirkungen, genauso wenig wie sein niedriger IQ,
01:08:36
den der gerichtliche Gutachter bei 76 sieht.
01:08:39
Zwar liege der 30-Jährige mit diesem Wert unter dem Durchschnitt,
01:08:43
es sei dabei jedoch lediglich von einer Lernbehinderung auszugehen.
01:08:46
In den zehn Jahren Psychiatrie habe Kai sich nicht zum Positiven verändert,
01:08:50
sondern seine Verhaltensweisen vielmehr verfestigt und gezeigt,
01:08:53
dass er weder leid noch lenkbar ist.
01:08:56
Er entzieht sich allen, die sich mit ihm beschäftigen, formuliert es der Experte
01:09:00
und macht klar, die Wahrscheinlichkeit, dass Kai erneut straffällig werden würde
01:09:04
und online weiterhin Kontakt zu Mädchen und jungen Frauen suchen würde, ist hoch.
01:09:08
Eine Einschätzung, die Konsequenzen hat.
01:09:11
Am 29. September 2023 fällt das Landgericht Gießen nach rund drei Monaten sein Urteil.
01:09:16
Kai wird wegen Mordes an Lea in Tateinheit mit Versuch der Vergewaltigung schuldig gesprochen.
01:09:21
Die Kammer hält es für erwiesen, dass Kai die 14-Jährige am 21. Juli 2022 dazu brachte,
01:09:27
in sein Auto zu steigen und sie dann in einem Waldstück tötete.
01:09:30
Eine durchgeführte Vergewaltigung konnte ihm zwar nicht nachgewiesen werden,
01:09:34
zumindest aber an dem Versuch gibt es jedoch keine Zweifel.
01:09:37
Für das Gericht kommen zwei mögliche Szenarien in Frage.
01:09:41
Entweder erwürgte Kai Lea während des Versuchs, sie zu vergewaltigen,
01:09:45
oder im Anschluss an den Versuch, damit sie ihn nicht verraten konnte.
01:09:48
Das Mordmerkmal, das er erfüllt habe, sei also entweder die Befriedigung des Geschlechtstriebs oder die Verdeckungsabsicht.
01:09:56
Und an dieser Stelle kurze Erklärung.
01:09:58
Normalerweise ist es ja so, dass Angeklagte nur dann verurteilt werden können,
01:10:01
wenn man ihnen eine Straftat klar nachweisen kann.
01:10:04
Und dazu gehört eben auch, dass man sagen kann, wie das Ganze abgelaufen ist.
01:10:08
Aber wenn nachgewiesen ist, dass jemand eine Tat, die ihm vorgeworfen wird, auf jeden Fall begangen hat
01:10:13
und man quasi nur nicht genau weiß, ob es jetzt so oder so abgelaufen ist,
01:10:17
dann ist es den Gerichten mit der sogenannten Wahlfeststellung möglich,
01:10:21
trotzdem eine Verurteilung und einen Schuldspruch zu rechtfertigen.
01:10:26
Wesentliche Voraussetzung ist, dass man in der Regel zwei mögliche Szenarien hat,
01:10:31
bei denen man sich sicher ist, dass eins davon zutrifft.
01:10:35
Bei Kai ist man sich da auf jeden Fall sicher.
01:10:37
Der 30-Jährige erhält die höchste Strafe, die das deutsche Rechtssystem kennt.
01:10:42
Neben einer lebenslangen Haftstrafe wird bei dem 30-Jährigen die besondere Schwere der Schuld festgestellt,
01:10:47
die das Gericht unter anderem mit seinem besonders perfiden Vorgehen begründet
01:10:51
und der Tatsache, dass er mehrere Straftaten begangen hat.
01:10:55
Denn neben dem Mord und der versuchten Vergewaltigung von Lea spricht die Kammer ihn auch schuldig
01:10:59
wegen der Besitzverschaffung missbräuchlicher Darstellungen von Kindern.
01:11:02
Die kommenden Jahrzehnte wird Kai in Haft verbringen.
01:11:05
Doch dass er die Zeit im Gefängnis nutzen wird, um seine Taten zu hinterfragen, ist nahezu ausgeschlossen.
01:11:10
Schließlich hat er dem psychiatrischen Gutachter bereits verraten, wie er sich das Leben hinter Gittern vorstellt.
01:11:15
Ruhig und entspannt.
01:11:18
Und mit jeder Menge Zeit, um in Ruhe Serien schauen zu können.
01:11:21
Simone hat nun Klarheit.
01:11:24
Nun, wo der Mörder ihrer Tochter überführt und zur Rechenschaft gezogen wurde,
01:11:28
muss sie sich keine Gedanken mehr darüber machen, wer Lea getötet hat.
01:11:31
Sich nicht mehr damit beschäftigen, wer ihr den schmerzvollsten Verlust ihres Lebens beschert hat.
01:11:37
Doch selbst jetzt, nach dem dreimonatigen Prozess, gibt es Dinge, die für Simone nach wie vor unbegreiflich sind
01:11:42
und die ihr emotional zusetzen.
01:11:44
Ein Klick wäre nicht nötig gewesen, um Kai zum Schweigen zu bringen.
01:11:48
Ihre Tochter Lea hätte den Kontakt zu ihrem Peiniger abbrechen können,
01:11:52
seine Nummer und Social-Media-Profile blockieren und ihn so aus ihrem Leben streichen können.
01:11:56
Dass Lea das nicht getan hat, macht Simone deutlich, wie hilflos sie sich gefühlt haben muss,
01:12:01
wie ausgeliefert und vor allem wie allein.
01:12:04
Dabei war Lea das nie.
01:12:06
Sie hätte mit Simone reden können, sich ihrer Mutter anvertrauen können.
01:12:10
Denn dann hätte Simone dem Albtraum ihrer Tochter ein Ende bereitet und das getan,
01:12:14
was für jede Mutter an allererster Stelle steht.
01:12:17
Sie hätte ihr Kind beschützt.
01:12:19
Und das ist, ich habe das ja vorhin schon gesagt,
01:12:23
es ist dieses Anvertrauen, das fühlt sich in dem Moment für ein Kind wahnsinnig groß an
01:12:29
und wahnsinnig schlimm, sich dann zu öffnen.
01:12:32
Auf lange Sicht gesehen wird das eine schwierige Zeit im Leben gewesen sein,
01:12:36
aber irgendwann ist es auch vorbei.
01:12:38
Und das muss so schlimm sein für die Mutter, zu wissen, dass ihre Tochter sich wegen Scham hat unter Druck setzen lassen
01:12:45
und dass sie als Eltern das natürlich alles hätten regeln können.
01:12:50
Sie hätte es ja stoppen können, wenn sie es gewusst hätte.
01:12:53
Ja, und ich kann mir schon gut vorstellen, dass Simone sich in irgendeiner Form Vorwürfe gemacht hat oder macht,
01:13:01
obwohl das natürlich total irrational ist, weil sie ist ja nicht Schulter dran oder so und auch nicht das Kind,
01:13:07
sondern dieser perfide Mensch, der Lea eingeredet hat, dass ihr Vater sie ins Heim schicken wird,
01:13:16
wenn der von den Nacktfotos erfahren würde.
01:13:19
Und wenn du sowas von jemandem hörst, mit dem du halt jeden Tag Kontakt hast und dem du ja auch irgendwie vertraut hast und so,
01:13:25
dann glaubt man das dann im Zweifel, wenn man eben 14 Jahre alt ist.
01:13:29
Aber Simone hat sich das wahrscheinlich gar nicht vorstellen können, was da gerade für eine Kommunikation auf dem Handy ihrer Tochter abgeht.
01:13:37
Ja, natürlich nicht.
01:13:38
Ja, und man hofft ja auch, dass das Kind in solchen Situationen immer zu einem kommen würde.
01:13:43
Man vermittelt dem Kind das ja auch, aber für die ist natürlich, sich mit sowas an die Eltern zu wenden, super unangenehm.
01:13:50
Und auch bei einem Lehrer oder einer Lehrerin zum Beispiel, es bräuchte eigentlich Anlaufstellen, wo man das melden könnte, die neutral sind.
01:13:57
Ja, und das hat auch Professor Thomas Gabriel Rüdiger ja im Hintergrundgespräch erzählt,
01:14:02
dass er der Meinung ist, dass Kinder halt viel zu wenig geschützt werden im Netz.
01:14:08
Also jetzt mal abgesehen von dem, was Eltern da leisten können.
01:14:10
Aber er hatte halt auch gesagt, Jugendliche hätten gar keine Möglichkeit, online halt in irgendeiner Form an die Polizei heranzutreten
01:14:18
oder zu sagen, so guck mal, was hier passiert, da habe ich jetzt gerade ein ungutes Gefühl bei.
01:14:23
Also beispielsweise könnte man ja daran denken, die Social-Media-Kanäle der Polizei könnten da irgendwie hilfreich sein oder so.
01:14:29
Aber die meisten sagen halt ganz klar, dass sie keine Nachrichten lesen und auch nicht dafür da sind, Anzeigen entgegenzunehmen, was man ja auch verstehen kann.
01:14:38
Und der hatte da eben eingebracht, dass er eine Online-Wache gut finden würde, über die Kinder per Knopfdruck digital mit der Polizei beispielsweise per Videochat dann kommunizieren könnten.
01:14:51
Er wünscht sich sogar in Deutschland eine zentrale Kinder-Online-Wache, also eine von allen Ländern und dem Bund betriebene Stelle, wo Kinder dann auch rund um die Uhr Hilfe finden können.
01:15:01
Das ist natürlich klar, also wir haben hier in unserem normalen Lebensraum, haben wir eine Polizei, die für Recht und Ordnung sorgt.
01:15:08
Und wir bewegen uns aber alle im Netz und das ist einfach wie ein anderes Gebiet, in dem es wirklich nur wenige Regeln gibt und die sind dann auch immer von den Plattformen festgesetzt.
01:15:19
Und bis man etwas aus der digitalen Welt in der realen Welt zur Anzeige gebracht hat und so, ja, das dauert einfach ewig.
01:15:27
Ja, und auch diese Sache mit dem Anvertrauen und mit dieser Scham, die da oft in diesen Sachen halt mitschwingt, kann ich mir halt vorstellen, dass es halt für Kinder wirklich viel einfacher wäre, wenn sie irgendwie einen direkten Zugang zur Polizei hat, dass man da nicht die Eltern irgendwie erstmal reinziehen muss oder sowas und sich denen anvertrauen muss,
01:15:53
sondern irgendwie mithilfe eines Chats oder so der Polizei anvertrauen, die dann nur dafür da ist, bei solchen Sachen zu helfen.
01:16:00
Genau, also was auch immer gemacht wird, es muss einfach noch sehr, sehr viel passieren, damit das Netz irgendwie ein besserer Raum wird, ja.
01:16:07
Also ich meine, wir erleben das ja nur im Kleinen, was uns manchmal Leute schreiben oder was es da für Kommentare gibt oder so, ne.
01:16:13
Aber da passiert auch einfach so viel Schlimmes, weswegen wir uns ja auch irgendwie mit der Zeit immer mehr so zurückgezogen haben gefühlt, ne.
01:16:23
Also so private Sachen, Alltag begleiten und so, sowas machen wir ja gar nicht.
01:16:27
Ich weiß nicht, also ich meine, das hat sich natürlich auch geändert mit der Zeit, aber man will irgendwie so viel wie möglich für sich behalten, damit du nichts rausgibst, was andere Menschen dann nehmen und gegen dich benutzen, ne.
01:16:40
Also ich meine, das ist jetzt auch nur ein Grund, aber.
01:16:42
Ja, total. Und es ist ja oft so, ne, wenn irgendwie neue, was weiß ich, wenn es neue Wege gibt, wie man kommunizieren kann, neue Plattformen, neue Apps und so weiter,
01:16:54
dass man am Anfang sich gar nicht vorstellen kann, was für krasse, kranke Sachen da eigentlich abgehen können, weil die nicht dafür erfunden wurden, dass zum Beispiel Cybergrooming oder sowas da stattfindet.
01:17:07
Aber ich denke mir, wir sind in 2024. Jetzt mittlerweile gibt es schon sehr lange Social Media und man hat trotzdem nicht das Gefühl, dass es ein sicherer Ort ist, ja.
01:17:19
Ja, und um jetzt nochmal ganz kurz zu unserem Anfang zurückzukommen. Kai ist nämlich noch nicht ganz durch mit dieser Sache. Nach dem Urteil ist der nämlich in Revision gegangen.
01:17:29
Der BGH hat die zwar größtenteils verworfen und die Verurteilung wegen Mordes und die lebenslange Freiheitsstrafe und so hat er stehen lassen.
01:17:36
Aber in einer Sache gibt es da nochmal Prüfungsbedarf und zwar in der Verurteilung wegen der Besitzverschaffung von dem Fotomaterial halt von dieser 13-jährigen Emma, die die Nacktfotos geschickt hat.
01:17:48
Da will der BGH, dass wegen dieser Gesetzesänderung, über die wir ganz am Anfang gesprochen haben, der Strafrahmen nochmal überprüft wird.
01:17:54
Also sprich, das Landgericht soll nochmal neu entscheiden, welche Strafe dafür jetzt angebracht ist.
01:18:00
Und die Gesetzesänderung könnte, Betonung auf könnte, tatsächlich für Kai bedeuten, dass jetzt, wo die Mindeststrafe für Erwerb, Besitz und Verbreitung von sogenannter Kinderpornografie herabgesenkt wurde,
01:18:12
er jetzt diesbezüglich mit einer geringeren Strafe für diese Delikte rechnen könnte.
01:18:18
Also geringer als die zwei Jahre und drei Monate, die das Gericht dafür verhängt hat.
01:18:22
Aber, nochmal und deswegen Rückbezug zum Anfang, das muss es aber nicht bedeuten.
01:18:27
Es muss aber auf jeden Fall nochmal neu geprüft werden.
01:18:31
Das ist in seinem Fall aber tatsächlich am Ende egal, weil es nur eine Formalie ist und das ändert gar nichts an der lebenslangen Haftstrafe,
01:18:39
zu der er ja sowieso wegen Mordes verurteilt wurde.
01:18:42
Und es ist auch sehr unwahrscheinlich, dass er nochmal aus dem Gefängnis rauskommen wird,
01:18:46
vor allem da ja auch die besondere Schwere der Schuld festgestellt wurde.
01:18:50
Genau. Und in der nächsten Folge, da geht es um eine ganz bestimmte Berufsgruppe,
01:18:56
die Menschen besonders gut verschwinden lassen kann.
01:19:01
Es geht um Zauberei.
01:19:03
Nein, tut es nicht. Nein. Mehr dazu nächste Woche.
01:19:06
Das war ein Podcast der Partner in Crime.
01:19:11
Hosts und Produktion Paulina Graser und Laura Wohlers.
01:19:15
Redaktion Jennifer Fahrenholz und wir.
01:19:19
Schnitt Pauline Korb.
01:19:20
Rechtliche Abnahme und Beratung Abel und Kollegen.