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#178 Der letzte weg

Guten Tag und herzlich willkommen bei Mordlust, einem Podcast der Partner in Crime.
Wir reden hier über wahre Verbrechen und ihre Hintergründe.
Mein Name ist Paulina Krazer.
Und ich bin Laura Wohlers.
In jeder Folge erzählen wir einen bedeutsamen, wahren Kriminalfall nach,
ordnen den für euch ein, erörtern und diskutieren die juristischen,
psychologischen oder gesellschaftlichen Aspekte und wir sprechen mit Menschen mit Expertise.
Hier geht es um True Crime und das heißt auch um die Schicksale von echten Menschen.
Bitte behaltet das immer im Hinterkopf.
Das machen wir auch, selbst dann, wenn wir zwischendurch mal ein bisschen abschweifen
und miteinander quatschen.
Das ist für uns immer so eine Art Comic Relief, aber natürlich nicht despektierlich gemeint.
Und bevor wir heute mit einem Fall starten, in dem wirklich der Albtraum aller Eltern wahr wird,
weil eine Schülerin von heute auf morgen spurlos verschwindet,
gibt es eine erfreuliche Nachricht.
Genau, wir hatten es lange angekündigt.
Es gibt endlich mal wieder Merch.
Es ist wirklich lange, lange her, dass wir einen Merch-Drop hatten.
Und wir haben die Zeit aber auch genutzt.
Und zwar haben wir unser Design ein bisschen angepasst.
Und wir haben auch neue Ideen für Merch entwickelt.
Aber natürlich gibt es die alten Klassiker in Neuauflage trotzdem noch bei uns.
Ich finde, du stapelst zu niedrig, Paulina.
Ja.
Ja, der Merch ist wirklich, finde ich, auf ein neues Level gehoben worden.
Nicht nur vom Design, sondern auch von der Qualität der Produkte.
Und irgendwie, finde ich, sind die Sachen cooler als vorher.
Ja, das stimmt.
Ich habe nur das Gefühl, ich bin keine gute Verkäuferin,
wenn es um meine eigene Person oder um meine eigenen Sachen geht.
Ja, das stimmt.
Was wir auf jeden Fall jetzt wieder dabei haben,
sind Shirts mit Partner-in-Crime-Stick.
Diesmal gibt es die Shirts in Male und Female.
Gemeint sind damit aber nur die Passform.
Also tragen kann natürlich jeder alles.
Und davon gibt es auch verschiedene Farben.
Dann gibt es nicht despektierlich gemeint Hoodies.
Vorne steht das drauf.
Und daher ist dieser Hoodie ideal für Leute geeignet,
die Schluss machen wollen, ihren Job kündigen wollen
oder dreist sind und sich irgendwie vordrängeln wollen.
Aber diesmal ist auch hinten ein geiles Artwork drauf.
Und es gibt unsere Socken,
die vor allem, finde ich, im Winter richtig gut sind,
weil sie auch ein bisschen dicker sind als so normale Tennis-Socken.
Ja.
Und es gibt auch wieder die Tassen.
Genau, die waren ja hart nachgefragt
und die gab es eine Zeit lang nicht.
Neu dabei sind jetzt Partnerschlüsselanhänger.
Also die gibt es dann im Doppelpack.
Genauso wie die Freundschaftsarmbänder.
Da stehen drauf Komplize oder Komplizen.
Und die könnt ihr kaufen in allen Kombivarianten.
Also Laura und ich haben zum Beispiel zweimal Komplizen an.
Und das könnt ihr euch so vorstellen,
wenn wir Freundschaftsbänder sagen,
dann ist das so Taylor Swift,
Swifties Armbänder,
aber halt mordlustig.
In düster.
In düster, genau.
Und jetzt zum Schluss das Allercoolste für Weihnachten.
Wir haben ein Ugly-Christmas-Mordlust-Sweater designt und der ist wirklich toll.
So ugly.
Der ist ja ugly, aber auch ganz toll.
Fussel ist auch drauf, spielt eine große Rolle.
Da ist so viel zu finden.
Das ist wie so ein Wuselbild.
Der ist aber limitiert.
Das heißt, ihr müsstet dann schnell sein.
Und ebenfalls limitiert sind die Mordlust-Weihnachtsbaumkugeln.
Bekommt ihr alles auf partnerincrime.shop.
Und wenn ihr bis zum 17.12. bestellt,
dann kommen die Sachen innerhalb Deutschlands auch noch rechtzeitig vor Weihnachten an,
wurde uns gesagt.
Aber wie gesagt,
Es gibt ein paar limitierte Stücke.
Daher, je eher ihr die Geschenke für eure Freundinnen kauft
oder vielleicht ja auch für euch selbst,
desto besser.
So und jetzt gleich kommen wir zu unserem heutigen Fall,
in dem die Zeugen in dem Moment, als sie versterben,
den Ermittlenden mehr Aufklärung über ein Verbrechen leisten,
als zu Lebzeiten.
Fast alle Namen haben wir geändert.
Und die Trigger-Warnung findet ihr wie immer in der Folgenbeschreibung.
An einem Juni-Tag 2016 klingelt beim LKA in Brandenburg das Telefon.
Jemand in der Dienststelle hebt ab.
Am anderen Ende der Leitung meldet sich eine Frau zu Wort.
Sie will sich endlich etwas von der Seele reden,
das sie schon seit Jahren beschäftigt.
Es ist etwas derart Belastendes,
dass sie sich erst jetzt wagt, den Schritt zu tun
und ihr Gewissen zu erleichtern.
Die Worte, die durch den Hörer dringen,
kommen den Beamten nicht alle Tage zu Ohren.
Es geht um ein Geständnis
in einem sehr schwerwiegenden Verbrechen.
Ein ungeklärter Mordfall.
Die Frau sagt, sie kennt jemanden,
der ihr vor zwei Jahren gestanden hat,
einen Menschen getötet zu haben.
Das allein ist Grund genug,
dass die Beamtinnen hellhörig werden.
Aber als sie erfahren, um welchen Fall es sich handelt,
sind die Diensthabenden sofort alarmiert.
Ein Cold Case,
der seit 23 Jahren als ungeklärt gilt.
Könnte es wirklich sein,
dass durch die Aussage dieser Zeugin
die Ermittlungsakten zu diesem Verbrechen
nach so langer Zeit
bald endlich zu dem Stapel
der gelösten Fälle gelegt werden können?
Der Anruf der Frau gibt den Ermittlenden
jedenfalls große Hoffnung,
dass die Cold Case-Einheit des LKA
kurz vor der Aufklärung steht.
Zumindest sieht zu diesem Zeitpunkt
alles danach aus.
23 Jahre zuvor.
Der Abend des 7. Oktober 1993
ist herbstlich kühl.
Hier im brandenburgischen Belzig,
einer idyllischen Kleinstadt
mit viel Grün
und historischem Altstadtkern,
kehrt langsam Dunkelheit ein.
In einer der Wohnungen am Rande der Stadt,
in der Klinkengrundsiedlung,
hört Elisabeth,
wie die Musik ihrer Tochter,
die gesamten Räume
mit Hintergrundrauschen beschallt.
Die 45-Jährige mit den blauen Augen
und dem mittelbraunen Bob-Haarschnitt
wohnt hier zusammen mit ihrem Mann Peter
und ihrer Tochter Andrea.
Die 16-Jährige ist vorhin erst
vom Shoppen wieder heimgekommen.
Ihre Kleene,
so nennen sie und Vater Peter Andrea immer,
hat den vorletzten Herbstferientag
nochmal genutzt,
um sich neue angesagte Klamotten zu kaufen.
Ihre Tochter ist sehr schlank,
groß, hat eine wallende Mähne von blonden Haaren
und weiß ihr Äußeres
mit ihrem Modebewusstsein in Szene zu setzen.
Kurz nachdem Andrea mit ihrer Ausbeute
nach Hause gekommen war,
hat sie sich gegen 18 Uhr
in ihr Zimmer verkrümelt
und die Musik angeschmissen.
Alpha Will hört man in dieser Zeit
oft aus den Lautsprechern der 16-Jährigen,
wenn sie gerade nicht mit dem Büffeln
für die Schule beschäftigt ist.
Elisabeths Tochter geht in die 11. Klasse
der Gesamtschule in Welzig,
von der sie ein gutes Zeugnis
nach dem anderen nach Hause bringt.
Andrea ist sehr fleißig und ambitioniert,
was Elisabeth als Mutter
ziemlich stolz macht.
Kurz vor dem Abendbrot
kommt ihre Tochter dann
aus ihrem Zimmer
und führt ihr und Vater Peter
die neu geschockten Sachen vor.
Eine trendige Levi's 501 Jeans
und schwarze Plateauschuhe.
Das Outfit im charakteristischen
Nineties-Look passt super
zu ihren langen Haaren
und den strahlend blauen Augen.
Danach wird der Tisch
für das gemeinsame Abendbrot gedeckt.
Doch zu Hause wird es die 16-Jährige
heute nicht halten.
Andrea hat Pläne für später.
Sie will noch ins Pogo.
Andrea ist Stammgast
in dem Jugendclub,
der in einer Backsteinbilla
in der Innenstadt zu Hause ist.
Zu Fuß braucht man nur knappe 15 Minuten dorthin.
Den Weg ist Andrea schon oft gelaufen.
Peter stört sich an den Abendplänen seiner Tochter.
Ob das denn schon wieder sein muss,
will Vater Peter wissen.
Ich sitze doch eh nur über den Büchern.
Sonst komme ich doch nicht raus.
Es sind doch Ferien.
Ein Argument, das zu überzeugen scheint,
denn Elisabeth und Peter
wissen ihrer Tochter nichts mehr entgegenzusetzen.
Die 16-Jährige freut sich
und macht mit ihrer Mutter aus,
spätestens um 22 Uhr wieder zu Hause zu sein.
Um die Uhrzeit
kommt nämlich ein Thriller im Fernsehen
und den will Andrea unbedingt sehen.
Andrea gruselt sich gerne.
Die Filme von Stephen King
liebt sie am meisten.
Auch Mutter Elisabeth
schaut gern sowas,
vorzugsweise aber mit ihrer Tochter zusammen.
Mutti, wartest du auf mich?
Dann können wir den Film
später gemeinsam gucken.
Mutter Elisabeth
verspricht so lang wach zu bleiben.
Der Deal steht also.
Andrea kommt um 22 Uhr zurück nach Hause.
Da schließt das Pogo eh
und danach gibt es ein bisschen
Mutter-Tochter-Zeit vor dem Fernseher.
Andrea zieht sich eine Jacke
über ihre neuen Sachen
und steht gegen 20 Uhr
ausgebereit in der Wohnung.
Ihre schlanken Finger
sind mit einem Ring verziert
und ihr Handgelenk
baumelt eine Uhr,
mit deren Hilfe sie heute
sicherlich zeitig
wieder zu Hause sein wird.
Elisabeth und Peter
verabschieden ihre Kleine.
Dann verschwindet der Teenager
durch die Tür
und macht sich auf
zu einem ausgelassenen Abend.
Nach zwei Stunden daheim
im Neubaugebiet am Stadtrand
steht der Kürzere
der beiden Zeiger auf der Uhr
auch schon auf der 10.
Zeit also,
dass Andrea
jeden Moment durch die Tür schneit
und sich zu Mutter Elisabeth
auf die Couch flätzt,
um gemeinsam den Tüller zu schauen.
Doch die Vorfreude auf den Film
verflüchtigt sich Minute für Minute,
denn Andrea kommt nicht.
Das sieht ihrer 16-jährigen Tochter
gar nicht ähnlich.
Sie ist doch sonst so ein zuverlässiger
und pünktlicher Mensch.
Elisabeth und Peter
beschleicht ein ganz komisches Gefühl,
als Andrea gegen 23 Uhr
noch immer nicht daheim ist.
Hat sie sich vielleicht verquatscht?
Hat sie die Zeit nicht im Blick?
Oder ist sie spontan noch mit zu einer Freundin
und hat vergessen, Bescheid zu geben?
Immer wieder schauen die Eltern aus dem Fenster
und halten Ausschau nach Andrea.
Doch sie kommt nicht.
Draußen sieht man in der Dunkelheit
nur schemenhaft die gepflegten Schrebergärten
auf der anderen Straßenseite.
Was ist denn nur los?
Das ungute Gefühl wächst langsam
zu ernsthafter Sorge heran.
Während im Fernsehen der Thriller läuft,
fühlt es sich für Elisabeth und Peter so an,
als würde sich ihr eigenes Leben
gerade in einen verwandeln.
Die beiden wappnen sich für eine lange Nacht,
in der sie darauf warten,
dass Andrea heimkommt.
Also kochen sie erst mal Kaffee.
Während der nach und nach
vom Filter in die Kanne tropft
und Andreas Eltern immer unruhiger werden,
halten sie es irgendwann nicht mehr auszuwarten.
Sie müssen irgendwas tun.
Elisabeth greift zum Hörer.
Ihre Finger tippen eine Nummer
nach der anderen ins Telefon.
Nervös klappert sie alle Freundinnen von Andrea ab,
um sich zu erkundigen,
ob jemand etwas von ihrer Tochter weiß.
Aber bei niemandem will Andrea
an dem Abend aufgeschlagen sein.
Nur wo ist sie dann?
Vater Peter beschließt,
das selbst herauszufinden.
Gegen ein Ohr
schnappt sich der breit gebaute Mann
mit den dunkelgrauen Haaren
und dem graumelierten Vollbart
seine Autoschlüssel
und macht sich auf,
Andrea zu suchen.
Elisabeth bleibt zurück,
falls ihre Tochter
doch noch nach Hause kommt.
Stundenlang fährt Peter durch Belsig.
An ihm fliegen die Wohnsiedlungen,
die Innenstadt und das Pogo vorbei.
In jeder Straße und Gasse
schaut er sich um,
aber von Andrea keine Spur.
Es ist kurz vor vier Uhr morgens,
als Peter sich dazu entschließt,
zur Polizei zu fahren.
Peter fährt zur Polizeiwache,
um seine Tochter als vermisst zu melden
und hofft dort auf die Hilfe
der Beamtinnen bei der Suche.
Jedoch stößt er nicht
auf die gewünschte Hilfsbereitschaft.
Stattdessen sagt man dem besorgten Vater,
dass ohne konkrete Verdachtsmomente
erst mal keine Suche eingeleitet wird.
Junge Frauen würden schnell mal
von zu Hause abhauen
oder die Nacht über woanders bleiben.
Was die Beamtinnen Peter
damit sagen wollen ist,
heute werden die Füße
erst mal still gehalten.
Peter glaubt,
dass die Beamtinnen
ihn nicht richtig verstehen.
Andrea wollte ja pünktlich
zum Film wieder zu Hause sein
und seine Tochter
ist noch nie unangekündigt
nicht nach Hause gekommen.
Aber die Polizei
vertröstet den Vater.
Die Erfahrung würde zeigen,
dass Jugendliche
nach ein paar Tagen
wieder von selbst auftauchen.
Peter muss sich geschlagen geben
und fährt zurück zu Elisabeth.
Am nächsten Morgen
ist Andrea noch immer
nicht nach Hause zurückgekehrt.
An erholsamem Schlaf
war bei Mutter Elisabeth
und Vater Peter
überhaupt nicht zu denken.
Die Sorge um ihre Tochter
hat sich durch die ganze Nacht gezogen.
Und jetzt ist Andreas Zimmer
noch immer leer.
Elisabeth ist keine Person,
die in so einer Situation
einfach Däumchen dreht.
Sie muss raus
und selbst nach ihrer
vermissten Tochter suchen.
Also zieht sie sich an
und geht den Weg zum Pogo ab.
Sie nimmt die Route,
von der sie ausgeht,
dass Andrea sie auch genommen hat.
Schaut noch mal genau
hinter Büsche und Hecken.
Vielleicht hat Vater Peter
gestern in der Dunkelheit
etwas übersehen.
Circa 400 Meter
vom Jugendclub entfernt
passiert die 45-jährige Mutter
ein vermülltes Grundstück.
Eingezäunt mit Maschenrad
und wucherndem Unkraut
liegt eine Wiese,
auf der mehrere
marode Holzschuppen stehen.
Das Grundstück
erregt Elisabeths Aufmerksamkeit.
Von den Holzverschlägen
liegt jede Menge Gerümpel.
Vom Zaun aus
sieht Elisabeth
eine Matratze
und ein Handtuch.
Bei dem Anblick
der Matratze
überkommt Elisabeth
sofort ein schaurig
seltsames Gefühl.
Sie macht sich
auf den Weg
zur Polizei
und berichtet,
was sie auf der Wiese
gesehen hat.
Andreas Mutter
versucht die BeamtInnen
dadurch zu animieren,
mit der Suche zu beginnen.
Aber die Polizei
will noch immer abwarten
und ein Grundstück,
das der Mutter
ein seltsames Gefühl bereitet,
reicht noch lange nicht aus,
um groß angelegte
Suchmaßnahmen einzuleiten.
Wieder vertröstet man.
Andrea ist gerade
erst einmal
seit dem Vorabend
verschwunden.
die Wahrscheinlichkeit,
dass sie wieder auftaucht,
sei hoch.
Die Bälziger Polizei
ist allerdings bereits dabei,
Krankenhäuser,
Hotels,
Bahn,
Busse und Taxen
zu checken.
Nur um sicherzugehen,
dass Andrea
nicht vielleicht doch
irgendwo abgestiegen ist
oder verletzt
in einem Krankenhaus liegt.
Aber ohne Erfolg.
Nirgendwo ist die 16-Jährige
untergekommen,
keiner hat sie gesehen
oder gefahren.
Nach wie vor
fehlt von ihr jede Spur.
Niedergeschlagen
kommt Elisabeth
nach dem Besuch
bei der Polizei nach Hause.
Damit Peter und ihr
nicht die Decke
auf den Kopf fällt,
drucken sie in den
darauffolgenden Tagen
Suchplakate,
heften sie überall
im Bälzig an
und sprechen so gut
wie jeden in der Stadt an,
um über ihre
vermisste Tochter
zu erzählen.
Je mehr Menschen
wissen,
dass sie verschwunden ist,
desto höher ist die Wahrscheinlichkeit,
dass wachsame Augen
in Bälzig Ausschau
nach ihr halten.
In dieser Zeit
kommen jeden Abend
engagierte PolizistInnen
zu Besuch,
um seelische Unterstützung
zu geben
und sich über
neueste Erkenntnisse
auszutauschen.
Allerdings sind das
nicht sonderlich viele,
denn Fortschritte
machen weder die Polizei
noch die privat
organisierte Suche
von Andreas' Eltern.
Um noch mehr Aufmerksamkeit
auf Andreas'
Verschwinden zu lenken,
wissen sich Elisabeth
und Peter
irgendwann nicht anders
zu helfen,
als einem Fernsehteam
des LBB
ihre Wohnungstür
zu öffnen.
Vater Peter
ruft sich den vergangenen
Donnerstag ins Gedächtnis
und berichtet von seiner Hoffnung
an jenem Abend,
als Andrea verschwunden war.
Dass er zunächst noch dachte,
sie hätte sich nur verquatscht.
Aber mittlerweile
seien es mehrere Tage,
in denen seine Tochter
nicht mehr heimgekommen sei.
In seiner Stimme
liegt Anspannung
und völlige Ratlosigkeit.
Tiefe Sorgenfalten
und verzweifelte Blicke
während des Interviews
verraten,
wie schlecht es ihm
und seiner Frau
seitdem geht.
Aber nicht nur
Andreas' Familie
leidet darunter,
dass die 16-Jährige
wie vom Erdboden
verschluckt ist.
Auch Freundinnen
der Schülerin
machen sich große Sorgen
und packen bei der Suche
nach ihr mit an.
Sie bilden Gruppen,
fahren mit mehreren Autos
in der Gegend herum
und klappern Discos
in der Nähe ab.
Irgendwo muss es doch
einen Hinweis
auf Andrea geben.
Aber auch sie
müssen nach zahlreichen
Autofahrten
und Gesprächen
geknickt feststellen,
dass sie nirgends
fündig werden.
In der Zwischenzeit
hat die Schule
wieder angefangen.
Nach den Herbstferien
beginnt der Unterricht
an der Gesamtschule wieder.
Andreas' Platz
in der 11. Klasse
bleibt allerdings leer.
Wir vermissen dich,
schreiben sie
in den kommenden Tagen
auf Andreas' Schulbank.
Die schreckliche Nachricht
von Andreas' Verschwinden
dominiert die Gespräche
auf dem Schulhof.
SchülerInnen
und Lehrkräfte
sind betroffen
und Gedanken
an ihre Mitschülerin
breiten so manchen
von ihnen
mehr Kopfzerbrechen
als die Matheaufgaben,
an denen sie
in dieser Zeit sitzen.
Exakt eine Woche
nach Andreas' Verschwinden
ist der Polizei klar,
die 16-Jährige
taucht nicht,
wie erhofft,
von alleine wieder auf.
Andreas' Umfeld
ist zu der Zeit
schon einige Tage
aktiv damit beschäftigt,
die Teenagerin zu finden.
Jetzt packt die Kripo
mit an
und startet die
groß angelegte Suchaktion,
die sich ihre Eltern
von Anfang an erhofft haben.
Die Gegend innen
und umbälzig
wird weiträumig abgesucht,
aber auch hier
kann man keine Erfolge
verzeichnen.
Dann übernimmt
die Kripo Potsdam
den vermissten Fall,
und geht einem weiteren
Ermittlungsansatz nach,
mögliche Zeuginnen
ausfindig machen.
Die Ermittlerinnen
versuchen,
den 7.10.,
also den Abend
des Verschwindens,
mit Zeitstempeln
zu rekonstruieren.
Dazu müssen sie wissen,
wer hat Andrea
wann und wo gesehen.
Eine mehrköpfige
Einsatzgruppe
wird zur hübschen
Backsteinvilla geschickt,
in der das Pogo zu Hause ist.
Von dort aus
will man durch
Befragungen ermitteln,
welche Jugendlichen
am besagten Abend
hier waren
und wer Andrea
möglicherweise gesehen hat.
Aber egal,
wen sie fragen,
niemand will Andrea
am 7.10.
im Pogo gesehen haben.
Andreas Freundinnen
hatten dort
auf sie gewartet,
sie waren für den Abend
verabredet,
aber laut ihnen
ist sie dort
nie aufgekreuzt.
Die Kripo
geht also davon aus,
dass die Schülerin
eventuell gar nicht
in der Disco war.
Das ließe darauf schließen,
dass ihr schon
auf dem Weg
dorthin etwas
zugestoßen ist.
Vielleicht gibt es
aber ZeugInnen,
die sie auf der Route
von zu Hause
zur Disco getroffen haben.
Und damit
haben die Beamten
tatsächlich mehr Glück.
Von einer Gruppe
Jugendlicher erfahren sie,
dass sie Andrea
in der Berliner Straße
auf dem Weg
zum Pogo begegnet sind.
Zwei weitere Jungs,
13 und 14 Jahre alt,
haben Andrea
nach der Begegnung
mit den Jugendlichen
dann noch in einer Gasse
getroffen,
etwa anderthalb Kilometer
von Andreas
zu Hause entfernt,
die zum Pogo führt.
Dieser schmale Fahrt
wird von den Leuten
in Belsig
Liebesgang genannt,
weil er eine Abkürzung
zur Karl-Liebknecht-Straße ist.
Der Liebesgang
ist ein steiniger,
leicht ansteigender Pfad,
der zum Teil
an Backsteinmauern
vorbeiführt,
zum Teil erstrecken sich
Wiesen und buschiges
Gestrüpp links und rechts
vom Weg.
Die Abkürzung endet
nur 50 Meter
vom Pogo entfernt
und irgendwo hier
wollen die beiden Teenager,
die mit Andrea
gemeinsam zur Schule gehen,
sie gesehen haben.
Der ältere der Jungs
sagt der Polizei,
ja, wir haben kurz
mit ihr gesprochen,
über nichts Besonderes
und dann ist sie
auch schon weitergelaufen.
Die Wege der drei
hätten sich dann getrennt.
Der 14-Jährige
sei in die eine Richtung
nach Hause gelaufen,
sein 13-jähriger Kumpel
sei woanders abgebogen.
Andrea muss die Abkürzung
durch den Liebesgang
genommen haben,
um bis zum Pogo
zu laufen.
Was danach passiert ist,
ist aber unklar.
Eine Mitarbeiterin
des Jugendclubs
gibt zwar an,
dass sie sich vage
daran erinnern könne,
Andrea draußen
vor dem Club
gesehen zu haben,
die Ermittlerinnen
ziehen nach all den
Befragungen den Schluss,
dass sich Andreas Spur
irgendwo zwischen dem Liebesgang
und dem Eingang
zum Pogo verliert.
Was geschah auf den
paar Metern bis zum Pogo?
Wen hat sie getroffen?
Das gilt es jetzt
mit den neuen Erkenntnissen
herauszufinden.
Deswegen wird die Suche
nochmal auf die Gegend
um den Liebesgang herum
fokussiert.
Die Polizei checkt
angrenzende Grundstücke
und alle Wege
rund ums Pogo.
Aber Andrea
oder irgendwelche
Hinweise auf sie
finden sie nicht.
Jetzt müssen
schwere Rückschützer
aufgefahren werden.
Die Kripo macht sich
auf den Weg
zu Elisabeth und Peter,
um Gegenstände
der Vermissten zu holen,
die später als DNA
abgleich dienen könnten.
Denn mittlerweile
geht auch die Polizei
davon aus,
dass Andrea etwas
Schlimmes zugestoßen
sein muss.
Zunächst durchkämmt
die Kripo mit Hundestaffeln
große Gebiete
außerhalb von Welt
sich engmaschig.
Über der kleinen Stadt
rattern die Rotorblätter
von Hubschraubern.
Tagelang fliegen sie
über die umliegenden
Wälder,
immer in der Hoffnung,
doch noch einen Hinweis
auf die vermisste
Andrea zu erspähen.
Aber Andrea
bleibt verschwunden.
Vor über einer Woche
hat sie sich quasi
in Luft aufgelöst
und bei den Menschen
in der Umgebung
macht sich mittlerweile
die bedrückende Frage
breit, ob es nicht
vielleicht schon zu spät ist,
die 16-Jährige
noch zu finden.
Derweil muss die Polizei
Hinweisen von
angeblichen ZeugInnen
nachgehen,
denen die Ermittelnden
mit einer großen
Portion Skepsis
begegnen.
Vermeintliche
HellseherInnen
melden sich,
die angeblich
ganz konkrete
Orte benennen können,
wo sich Andrea
aufhalten soll.
Andere ZeugInnen
berichten,
dass sich die 16-Jährige
in den Fängen
eines Zuhälters
befinde,
man habe sie
im Rotlichtmilieu
gesehen.
Lkw-FahrerInnen
behaupten,
sie hätten Andrea
in Italien gesehen,
wieder andere sagen,
sie habe sich
in Griechenland,
Luxemburg
oder in der Schweiz
aufgehalten.
Sogar Interpol
wird in die Suche
nach der Schülerin
involviert.
Keiner der Hinweise
verspricht Aufklärung,
aber weil die Kripo
keine anderen
Anhaltspunkte hat,
bleibt ihr nichts anderes
übrig,
als den 250 Hinweisen
nachzugehen,
ganz gleich,
wie weit hergeholt
sie auch scheinen.
Am Ende stellen
sich aber alle
als Falschmeldung heraus.
Auch Andreas Eltern
bleiben von falschen
Fährten nicht verschont.
Einmal ruft jemand
bei ihnen an,
der Andreas Stimme
imitiert und macht
sich einen Spaß
aus dem Leid
der verzweifelten Eltern,
deren Alltag mittlerweile
vor allem daraus besteht,
Fernsehaufrufe zu organisieren
und Privatdetektive
zu briefen.
Selbst eine Belohnung
von 10.000 D-Mark
für Hinweise
wird ausgeschrieben.
Jede Maßnahme
ist vergebens.
Und trotzdem
geben die Eltern
die Hoffnung,
nicht auf ihre Tochter
doch noch zu finden.
Ergebnislos
vergeht erst ein Jahr,
dann zwei.
Irgendwann sind es fünf
ohne neue Hinweise
auf Andreas Verbleib.
Ihre Freundinnen
haben in der Zwischenzeit
ihren Schulabschluss gemacht
und Ausbildung
oder ein Studium begonnen.
Bei Außenstehenden
ist Andrea
ein halbes Jahrzehnt
nach ihrem Verschwinden
nicht mehr
jeden Tag präsent.
Wohl aber
bei ihren Eltern.
Elisabeth und Peter
haben ihre Wohnungen
am Stadtrand
in den letzten Jahren
komplett renoviert.
Jeder Raum
ist anders und neu.
Bis auf das Zimmer
von Andrea.
In den zehn Quadratmetern
steht die Zeit
seit dem 7. Oktober
1993 still.
Alles darin
sieht noch exakt so aus
wie an dem Tag
ihres Verschwindens.
Manchmal
legt Elisabeth
die selbst
aufgenommenen
Kassetten
von Andrea ein
und hört die Musik,
die ihre Tochter
immer so geliebt hat.
Zwischen
Easy Lover
und Remember
von Phil Collins
hört man auch
manchmal Andrea
selbst auf den Tonbändern.
Dann kann sie
nicht anders
und muss ihren
Tränen freien Lauf lassen.
Ab und an
nimmt Elisabeth
auch Blusen
oder Shirts
ihrer Tochter
aus dem Schrank
und riecht daran.
An den Stoffstücken
klammert sie sich
genauso fest
wie an ihrer Hoffnung
ihr Kind endlich
wiederzusehen.
Die mittlerweile
50-Jährige
versucht alles,
um die Erinnerung
an Andrea
nicht verblassen zu lassen.
Die letzten Jahre
konnte sie sich
nicht an den Schmerz
gewöhnen,
der seit dem
Verschwinden ihrer
Tochter
Einzug gehalten hat.
Eher ist es
schlimmer geworden.
Früher konnte sie
sich noch beschäftigen.
Die Suche damals
hat ihr geholfen,
nicht den Verstand
zu verlieren.
Tag und Nacht
hatten sie damit zu tun,
ihre Tochter zu finden
und abends sind sie erschöpft
ins Bett gefallen.
Jetzt aber,
fünf Jahre später,
wo jegliche Suchmöglichkeiten
ausgeschöpft sind
und niemand mehr so richtig
Hoffnung hat,
kann Elisabeth nur noch warten
und darauf hoffen,
dass die Gedanken und die Sorgen
sie nicht vollends einnehmen.
Arbeiten kann sie schon lange
nicht mehr.
Sie ist seit anderthalb Jahren
krank geschrieben.
Und trotz all dem Grauen,
all den Rückschlägen
der letzten Jahre,
wollen Elisabeth und Peter
sich das letzte Fünkchen
Hoffnung noch immer
nicht nehmen lassen.
Gegenüber dem Berliner Kurier
sagt Peter in dieser schwierigen Zeit,
Zitat,
ich werde meine Kleine
so lange suchen,
bis ich sie gefunden habe.
Doch Peter selbst
wird Andrea nicht finden.
Es wird ein Zufallsfund sein,
der neue Entwicklungen
bringen wird.
Aber dieser lässt noch
zwei weitere lange Jahre
auf sich warten.
Am 7. Juli 2000,
knapp sieben Jahre
nach Andreas' Verschwinden,
schaut ein Mann in Belzig
auf seinem Küchenfenster.
Er beobachtet,
wie sein Hund
etwas vor sich betreibt.
Der Mann geht raus
und schaut sich den Gegenstand an,
den sein Golden Retriever
offenbar angeschleppt hatte.
Zunächst ist ihm nicht ganz klar,
was er da vor sich sieht.
Der Gegenstand ist hart und rundlich.
Er hebt ihn auf
und als er erkennt,
was er da gerade
in seiner Hand hält,
trifft ihn beinahe der Schlag.
Das, was sein Hund
da angeschleppt hat,
ist ein menschlicher Schädelknochen.
Ach du Scheiße,
stell dir das vor.
Der Mann wohnt nah
eines Grundstücks
auf dem früher Kriegsgefangene
aus dem Zweiten Weltkrieg
untergebracht waren.
Deswegen tippt er zuerst
auf einen Schädel aus dieser Zeit,
ruft aber trotzdem
sicherheitshalber die Polizei.
Die Belziger Beamtinnen
reagieren sofort
und inspizieren
mit Leichenspülhunden
in das nahegelegen.
Bei einem der maroden Holzschuppen,
vollgepackt mit Gerümpel,
wird hinter einer Holztür
der Rest der skelettierten Leiche gefunden.
Der grausige Fund
wird zur Gerichtsmedizin gebracht,
um herauszufinden,
wer die Person war
und was die Todesursache
sein könnte.
Für die Polizei
steht sofort der Verdacht
im Raum,
dass die Knochen,
die hier gerade gefunden wurden,
womöglich die Überreste
von Andrea sein könnten.
Um dem nachzugehen,
macht sich die Polizei
auf dem Gelände
auf die Suche
nach Andreas Habseligkeiten.
Dazu wird aus dem Schuppen
der ganze Unrat geräumt
und alles gesichtet.
Die Polizei hat die Hoffnung,
dass sich hier irgendwo Klamotten
oder der Schmuck
von Andrea befinden könnten,
aber sie hat kein Glück.
Hier ist nichts,
was mit der Schülerin
in Verbindung gebracht werden kann.
Sind die Knochen
vielleicht doch nicht von ihr?
Die Antwort darauf
kann nur die Gerichtsmedizin geben,
die zum Glück
schnell Ergebnisse liefern kann.
Denn anhand eines Zahnabgleichs
stellt der Obduzent fest,
dass es sich bei dem Fund
definitiv um die Überreste
der 16-Jährigen handelt.
Weil die Leiche
schon vollständig skelettiert ist,
schlussfolgert der Rechtsmediziner,
dass Andrea schon sehr lange tot ist.
Gut möglich also,
dass sie bereits am Tag
ihres Verschwindens gestorben ist.
Zur Todesursache
kann er nicht viel sagen,
denn die Knochenfunde
lassen keinen Rückschluss
auf eine eindeutige Antwort zu.
Lediglich ein markantes Detail
ist sehr auffällig.
Andreas Schädelknochen
weist eine Verletzung auf.
Könnte sie also durch Stege
auf den Kopf gestorben sein?
Die Polizei geht aufgrund
der neuen Erkenntnisse
nun jedenfalls davon aus,
dass der Fundort der Leiche
nicht gleichzeitig der Tatort sein kann.
Denn wäre Andrea hier
bei dem Schuppen gestorben,
so hätte man doch auch
sicherlich ihren Ring,
die Uhr und ihre Kleidung gefunden,
die sie am Abend
ihres Verschwindens getragen hat.
Und da die Leiche entkleidet
abgelegt wurde,
steht jetzt auch ein mögliches
Sexualverbrechen im Raum.
Andrea ist also tot.
Und auch wenn die Ermittlenden
und die Rechtsmedizin
nicht mit absoluter Gewissheit
sagen können,
dass die Schülerin
noch am Tag des Verschwindens
gestorben ist,
liegt doch genau das nahe.
In dem Moment,
als Andreas Eltern
von dem Fund ihrer
toten Tochter erfahren,
bricht gewaltige Trauer
über Elisabeth und Peter
herein.
Die Gewissheit über ihren Tod
ist schmerzhaft
und grausam.
Und so endgültig.
Sie müssen mit gebrochenen
Herzen akzeptieren,
dass Andrea nie wieder
ihre Kassetten abspielen
oder gemeinsam mit ihrer Mutter
gemütliche Filmabende
machen wird.
Sie war gerade einmal
16 Jahre jung
und hatte noch
ihr ganzes Leben vor sich.
Aber irgendjemand
hat es beendet
und jetzt können Elisabeth
und Peter nur noch
die Knochen ihrer Tochter
zur Grabe tragen.
Verglüht ist der letzte
Funken Hoffnung,
an den sie sich
die letzten Jahre
geklammert haben.
Die ganze Zeit
hatten sie gehofft,
ihre Kleine doch nochmal
in die Arme schließen zu können,
dass die Familie
wieder komplett ist.
Diese Aussicht
hat sich zwar nicht bewahrheitet,
eine andere Befürchtung
dagegen wohl.
Denn das Grundstück,
auf dem Andreas Leiche
gefunden wurde,
ist jenes Grundstück,
an dem Elisabeth
vor sieben Jahren
vorbeiging
und bei dem es ihr schauderte.
Das Grundstück,
von dem sie damals
der Polizei erzählte
und das gerade einmal
900 Meter
von ihrem Zuhause
entfernt liegt.
Kurz danach
sagt Vater Peter
in einem Fernsehinterview,
Zitat,
der Gedanke,
dass sie irgendwo
hier in der Nähe
tot aufgefunden wird,
das war das Schlimmste.
Warum wurde ihre Leiche
nicht schon vor sieben Jahren
hier gefunden,
als sich die Polizei
eine Woche nach Andreas
verschwinden
auf die Suche
nach ihr gemacht hat?
Angeblich wurde damals
alles rund ums Pogo
gründlich abgesucht.
Es ist eine Frage,
auf die selbst
die zuständige Polizei
keine Antwort weiß.
Niemand will sich
erklären können,
warum man Andreas Leiche
nicht damals schon
gefunden hat.
Wurde etwa gar nicht
gründlich genug gesucht?
Oder ist der Tatort
ein anderer
und die Leiche
wurde erst viel später
hierher gebracht?
Das würde zumindest erklären,
warum Andreas Kleidung
und ihr Schmuck
nicht bei ihren
Überresten lag.
Dennoch bleiben
zwei große Fragen
weiterhin bestehen.
Was genau ist mit der
Sechzehnerin passiert
und wer ist für ihren
Tod verantwortlich?
Die Ermittlungen
befinden sich trotz
der neuen Entwicklung
wieder in einer Sackgasse.
Es gibt keine neuen
Hinweise und auch
keine neuen Spuren,
bei denen man
ansetzen könnte.
Eine gefundene Leiche
ist nicht gleichzeitig
ein gelöster Fall.
Die Kripo ist mit
ihrem Latein am Ende.
Und so müssen die
Ermittlungen feststellen,
dass ihnen wieder einmal
nichts anderes übrig bleibt
als das zu tun,
was sie die letzten Jahre
vorrangig getan haben.
Warten.
Warten,
dass Kommissar Zufall
ihnen irgendwann
zur Hilfe kommt
und ihnen so doch
noch zum Durchbruch verhilft.
Für ehemalige
MitschülerInnen von Andrea
geht das Leben
derweil weiter.
Über die Jahre
treten ihre FreundInnen
feste Jobs an
und gründen Familien.
Der Tag,
an dem Andreas Leiche
gefunden wurde,
jährt sich insgesamt
weitere zwölfmal.
19 Jahre
nach Andreas Verschwinden
und vermutlich
auch ihrem Tod
sieht die Polizei ein,
dass sie in dem Fall
nichts mehr ausrichten kann.
2012 stellt sie die Arbeit
an dem Fall ein
und schließt die Akten.
Und damit wird Andrea
ja zu einem klassischen
Cold Case,
also einem
bisher ungeklärten
Kriminalfall.
Es gibt aber auch
Cold Cases,
die ganz anders gelagert sind,
wo zwar eine Leiche
gefunden wird,
aber die Polizei
gar nicht weiß,
wer der oder die Tote
überhaupt ist
und wer sie getötet hat.
Ja, das hatten wir
ja auch schon öfter.
Ja, das hört sich
immer ein bisschen
komisch an,
weil man ja denkt,
ja, irgendjemand wird
diese Person doch
vermissen
und mal eine
Vermisstenanzeige
aufgegeben haben
oder so.
Aber das ist halt
manchmal nicht so.
Allein in Deutschland
wurden zwischen 1986
und 2023
neun Frauen,
sieben Männer,
ein Junge
und ein circa
drei Wochen altes
Baby
tot aufgefunden
und bis heute
nicht identifiziert.
Manchmal ist es ja aber so,
dass für die Person
eine Vermisstenmeldung
aufgegeben wurde,
aber man sie halt eben
entweder nicht
identifizieren kann
oder die Toten
mit den dazugehörigen
Vermisstenmeldungen
nicht in Zusammenhang
gebracht werden,
weil sie beispielsweise
ganz woanders
vermisst gemeldet wurden.
Genau, und wegen
solcher Fälle
wurde die internationale
Kampagne
Identify Me
ins Leben gerufen.
Bei dieser Aktion geht es
jetzt nur um
weibliche
unbekannte Opfer
und das ist nicht nur
eine Sache,
bei der das BKA
federführend ist,
sondern auch die Polizei
in Belgien, Spanien,
Italien, Frankreich
und in den Niederlanden.
Die Idee dahinter ist nämlich,
dass man es
verdenkbar hält,
dass die Frauen
aus anderen Ländern
stammen und die Leichen,
wie du sagst,
dann möglicherweise
ganz woanders
und zwar absichtlich
im Ausland
zurückgelassen werden.
Ach so,
ja, im Ausland sogar.
Ja, um dann eben
diese Aufklärung zu erschweren.
Und 2023
war die Kampagne
auch schon einmal erfolgreich.
Die hat nämlich
dazu beigetragen,
dass ein britisches Opfer
in Belgien
identifiziert wurde.
Rita Roberts
heißt die Frau.
die wurde 31 Jahre
nach Auffinden ihrer Leiche
von jemandem
aus ihrer Familie
identifiziert.
Und das nur,
weil ihre Tattoos
auf Bestrebung der Kampagne hin
in internationalen News
gezeigt wurden
und Rita
dadurch erkannt wurde.
Ja,
aber sie ist eben
nur eine von vielen,
denn bei Identify Me
geht es insgesamt
um 46 unbekannte
weibliche Tote.
Und Ziel ist es natürlich,
jede Einzelne zu identifizieren
und ihnen ihren Namen
zurückzugeben.
Und wir,
obwohl wir uns ja viel
mit vermissten Fällen
und mit Crime beschäftigen,
haben davon noch nie
vorher gehört.
Ja, das stimmt.
Und die Idee dahinter
ist super einfach.
Man muss es halt nur
in die Welt tragen
und dazu beitragen.
Und deswegen packen wir
euch nochmal den Link dazu
in die Shownotes
und machen auch bei Instagram
nochmal einen Post damit.
Mittlerweile sind 23 Jahre vergangen.
Dann,
an einem Juni-Tag 2016,
meldet sich eine Frau
beim LKA Brandenburg
und gibt an,
eine Aussage
im Fall von Andrea
machen zu wollen.
Ein Bekannter von ihr,
Lorenz,
habe ihr vor zwei Jahren
den Mord
an einer Schülerin gestanden.
Die BeamtInnen
wollen mit ihm sprechen,
aber die Frau am Telefon
macht ihnen einen Strich
durch die Rechnung.
Das gehe nicht,
denn Lorenz sei tot.
Er sei in Berlin
im Mai 2016
im Alter von 37 Jahren
in einer S-Bahn
zusammengebrochen
und wenig später
an Organversagen gestorben.
Lorenz habe wohl
eine heftige Drogenkarriere
hinter sich gehabt.
Zu seinen Lebzeiten
hatte sich die Frau
offenbar nicht getraut,
die Informationen
an die Polizei weiterzugeben,
aber jetzt,
wo er tot ist,
kann sie das,
was sie schon seit zwei Jahren
mit sich rumträgt,
wohl nicht mehr
für sich behalten.
Und das klingt jetzt
für manche
vielleicht total unrealistisch,
dass sich jemand
einfach so
nach ewig langer Zeit
meldet,
um ein Verbrechen
aufzuklären,
aber sowas kommt tatsächlich
immer mal wieder vor.
Im Beispielfall
ist Petra Null,
1988 wurde sie
mit nur 24 Jahren
nach einer Karnevalsfeier
in der Kölner Altstadt
von einem unbekannten
Angreifer brutal ermordet.
Petra,
die war Mutter
einer 18 Monate alten Tochter,
wurde getreten,
auf ihr wurde
herumgetrampelt
und gekniet.
Und ihr Gesicht,
die Brust und der Hals,
die wiesen massive
Verletzungen auf.
Sie war offenbar
wehrlos
und wurde am Ende
erwürgt
und dann ausgeraubt.
aber es ging
um gerade mal
100 D-Mark,
also mehr Ausbeute
war das nicht
und die Polizei
hat dann intensiv
ermittelt,
aber konnte den Täter,
die sind von einem
männlichen Täter
gleich ausgegangen,
halt nicht ausfindig machen.
Und im Dezember
2022,
also mehr als
34 Jahre
nach der Tat
wurde der Fall
von Petra Null
bei Aktenzeichen XY
ausgestrahlt
und noch während
die Sendung lief,
meldete sich jemand
und das war ein Zuschauer,
der sich tatsächlich
als Zeuge
aus der Tatnacht
zu erkennen gab
und der Mann
hat sich halt
während dieser Sendung
offenbar dazu entschieden,
seinen ehemaligen Kumpel
zu belasten,
mit dem er
in der Karnevalsnacht
1988 unterwegs war
und die Hinweise,
die der Mann
der Polizei gab,
die führten dann
auch zum Durchbruch.
Am Ende konnte der Täter
halt dingfest gemacht werden,
wurde 35 Jahre
nach der Tat verurteilt,
weil auch seine DNA
tatsächlich mit den Spuren
an der Leiche
von damals übereinstimmte.
Und das finde ich
schon wirklich absurd,
weil damit rechnet
die Polizei ja eigentlich
in der Regel
wahrscheinlich nicht.
Nee.
Aber,
und deswegen werden ja
auch so alte Code-Cases
immer nochmal wieder neu
auch gezeigt
bei Aktenzeichen XY,
weil es eben doch
Leute gibt,
die über Jahre
so ein schlechtes Gewissen haben
und gerade wenn dann
eben vielleicht jemand stirbt,
der sie ja vielleicht
auch unter Druck gesetzt hat
oder bedroht hat
oder wie in dem Fall,
ich meine,
das war sein ehemaliger Kumpel,
vielleicht hat man dann auch
irgendwann keinen Bezug mehr
zu der Person,
die man gedeckt hat
und dann ringt man sich
im Zweifel vielleicht doch
dann mal durch,
da rein Tisch zu machen
und den Familien
dann auch die Aufklärung
zu geben,
die sie brauchen,
weil das machen
solche Sendungen
dann tatsächlich
ja auch genauso wie wir,
die emotionalisieren
das Schicksal
dann ja auch nochmal
und wenn dann da
ein Zeuge oder eine Zeugin sitzt
und dann diese Eltern sieht
wie zerbrochen,
die sind an dem Verlust,
dann wirkt das bei manchen
halt schon doch
auch nochmal wieder was.
Ja, und auch bei anderen
vielleicht, die es einfach
verdrängt haben.
Also, dass das dann
nicht nur bei denen
passieren kann,
bei denen das schlechte
Gewissen dann irgendwie
über die Jahre
so groß geworden ist
und so eine Sendung
dann der letzte Anschub ist,
sondern vielleicht auch
bei den Leuten,
die das verdrängt haben
und bei denen
so eine Sendung
das Ganze dann
überhaupt erst wieder
ins Gedächtnis bringt.
Deshalb ist es so wichtig,
dass man immer wieder
über die Cold Cases spricht.
Ja.
Und als die Mitglieder
der Cold Case Einheit,
die Andreas Fall
mittlerweile übernommen hat,
von dem Namen hören,
die die Zeugin der Polizei
am Telefon genannt hatte,
schrillen bei ihnen
alle Alarmglocken.
Dass jetzt ein gewisser Lorenz
der Schlüssel zur Lösung
des Falls sein soll,
ist für sie vor allem
deshalb interessant,
weil ihnen der kürzlich
Verstorbene
nicht unbekannt ist.
Sein Name taucht
mehrmals in den Akten
von damals auf.
Lorenz war einer
der beiden Jungs,
die Andrea am Tag
ihres Verschwindens
1993 auf dem Weg
zum Pogo begegnet sind.
Und zwar in dem Liebesgang,
dem schmalen Pfad,
den Andrea offenbar
als Abkürzung genommen hatte.
Lorenz war damals
14 Jahre alt
und an jenem Abend
mit seinem Freund
Eike unterwegs.
Auch Eike,
so geht es aus den Akten hervor,
hatten sich die Ermittlungen
damals näher angeschaut.
Er und Lorenz
wurden kurz nach Andreas
Verschwinden
nämlich mit Einbrüchen
und Diebstählen
in Verbindung gebracht.
Unter anderem
hatten die zwei Jungs
kurz nach dem 7.
Oktober 1993
eine Schubkarre geklaut.
Wegen der Masse
an begangenen Delikten
und weil sie die letzten
bekannten Zeugen waren,
die Andrea mit Sicherheit
gesehen hatten,
hatte man sie damals
sogar kurzzeitig im Verdacht.
Die Jungs wurden
nach Andreas Verschwinden
also von der Polizei befragt.
Dabei hatten sie angegeben,
unterschiedliche Wege
nach Hause genommen zu haben.
Und das,
obwohl sie in dieselbe
Richtung mussten.
Als Lorenz,
der da jetzt verstorben ist,
mit dieser Unstimmigkeit
konfrontiert wurde,
reagierte er ruhig
und überlegt
und fragte die Ermittlerinnen,
ob man als jugendlicher
Mörder in den
Jugendknast muss
und wie lang
und ob man,
wenn man erwachsen ist,
dann in ein normales
Gefängnis verlegt wird.
Sehr auffällig
fanden die Beamtinnen
damals,
aber zum Rest
schwieg Lorenz.
Eike konnte 1993
nur als Zeuge
und nicht als Beschuldigter
befragt werden.
Er war erst 13 Jahre alt.
Trotz der verdächtigen Aussagen,
dem kriminellen Background
und der Tatsache,
dass die beiden womöglich
die letzten waren,
die Andrea lebend gesehen haben,
konnte die Polizei Lorenz
und Eike nie für die Tat
belangen.
Und so blieben die beiden
bis heute nicht mehr
als ein paar Vermerke
in der Akte,
die jetzt im Juni 2016
von den Ermittlerinnen
der Cold Case Einheit
23 Jahre später
erneut aufgeschlagen
auf den Schreibtischen liegt.
Jetzt sind sie so nah
an einer Aufklärung dran,
wie ihre Kolleginnen
niemals zuvor.
Wenn eine Mitwisserin
nach Lorenz Tod
beginnt zu sprechen,
vielleicht tun es dann
auch noch weitere.
Die Zeugin hatte am Telefon
nämlich den Hinweis
auf Lorenz Familie gegeben.
Auch die soll eingeweiht
gewesen sein,
in das, was er gestanden
getan zu haben.
Und so machen sich
die Mitglieder der Cold Case Einheit
wenig später
auf den Weg nach Belsig,
das mittlerweile in
Bad Belsig
umgenannt wurde,
um endlich zu erfahren,
was mit Andrea
passiert ist.
Die Ermittlenden
machen sich also
im Spätsommer 2016
auf zu Lorenz Mutter.
Gerade erst ist ihr Sohn
gestorben
und nun stehen
Beamtinnen vor ihr,
die sie mit dem
offenbar dunkelsten
Geheimnis seiner Vergangenheit
konfrontieren wollen.
Wenn sie jetzt gestehen sollte,
dass sie mehr weiß,
gibt sie nicht nur zu,
mit ihrem Schweigen
Schuld auf sich geladen zu haben,
sondern wird in Bad Belsig
dann für immer
die Mutter eines Mörders sein.
Es ist daher nicht erstaunlich,
dass sie zunächst
Schwierigkeiten hat,
sich zu öffnen.
Das Gespräch verläuft zäh,
doch schließlich sieht sie offenbar ein,
dass jetzt der Zeitpunkt gekommen ist,
die Wahrheit zu sagen.
Und so erzählt die Mutter,
was ihr Sohn ihr gestanden habe.
Er und Eike
hätten Andrea
an jedem Oktoberabend 1993
ganz zufällig auf dem Weg
ins Poro getroffen.
Im Liebesgang
hätten sie das schicke Outfit
der 16-Jährigen gesehen
und dabei nichts Gutes
im Schilde geführt.
Die beiden hätten Andrea
Geld abknöpfen wollen,
weil Andrea die Jungs
jedoch erkannt habe,
immerhin gingen sie
auf dieselbe Schule
und wohnten in derselben Gegend,
habe sie ihnen
mit einer Anzeige gedroht.
Das hätten die beiden
unbedingt verhindern wollen.
Es sei zu einem Gerangel
zwischen den dreien gekommen,
in dessen Verlauf
Gewalt angewendet worden sei.
Lorenz habe seiner Mutter gegenüber behauptet,
dass er seinen damals
13-jährigen besten Freund Eike
dabei nur unterstützt habe
und Andrea
infolge dieser Rangelei
gestorben sei.
Endlich.
Endlich ein Durchbruch
im Fall von Andrea.
Sie soll also durch die Hände
von Lorenz
und seinem damaligen
13-jährigen Freund Eike
gestorben sein.
Den verstorbenen Lorenz
können die BeamtInnen
zwar nicht mehr dazu befragen
oder ihn strafrechtlich verfolgen,
aber den von ihm
beschuldigten Eike
können die Ermittelnden
sehr wohl nochmal befragen.
Ende Oktober 2016
fährt also ein Teil
der Cold Case Einheit
zu ihm,
um ihn mit den Erkenntnissen
in dem Fall
und seiner Beschuldigung
durch Lorenz
zu konfrontieren.
Andreas Verschwinden
und vermutlich auch ihr Tod
liegen da
schon über 23 Jahre zurück.
Eike ist mittlerweile
36 Jahre alt,
verheiratet,
Vater von zwei Kindern
und hat einen festen Job
in einer Molkerei.
Von seiner Vergangenheit
in Bad Belzig
hat er sich zumindest
physisch weit entfernt.
Mittlerweile wohnt er
in Österreich.
Die ErmittlerInnen
treffen sich mit dem Mann
mit der glatze
Dreitagebart
und den tätowierten Oberarm
an der bayerisch-österreichischen Grenze.
Und obwohl die Anschuldigung
gegen ihn schwerwiegt
und er mutmaßlich
ein Menschenleben
auf dem Gewissen hat,
sind die ErmittlerInnen
guter Dinge,
dass Eike gestehen wird.
Und das Argument dafür
liefern sie ihm
auch gleich
beim gemeinsamen Gespräch.
Denn Eike
müsse sich keine Sorgen
um strafrechtliche
Konsequenzen machen,
denn zur Tatzeit
war er 13 Jahre alt
und damit
strafunmündig.
Nur nochmal zur Erinnerung,
bis zum 14. Lebensjahr
ist man strafunmündig.
Also das heißt,
dass dann keine
strafrechtlichen Konsequenzen
drohen,
selbst wenn man
was rechtswidriges
wie jetzt Körperverletzung
oder auch
einen Raubüberfall
begeht.
Das Alter 14
hat der Gesetzgeber
festgelegt,
weil er der Meinung ist,
dass Kinder und Jugendliche
bis zu diesem Alter
noch nicht einsehen können,
etwas Falsches getan zu haben
und auch nur bedingt
in der Lage sind,
ihr Handeln zu steuern.
Diese Reife
zur Einsicht
hat man laut Gesetz
also erst ab 14 Jahren.
Und diese
Strafunmündigkeitsregelung
gilt ohne Wenn und Aber.
Das bedeutet,
dass es absolut
keine Ausnahmen gibt.
Selbst dann nicht,
wenn jemand zum Beispiel
mit zwölf Jahren
jemanden umbringt
und dabei aber deutlich
reifer als gewöhnlich
in diesem Alter ist.
Es ist jetzt aber nicht so,
dass dann gar keine
Konsequenzen drohen.
Das Familienrecht
zum Beispiel greift
dann trotzdem.
Straffälligen Minderjährigen
oder deren Eltern
kann also zum Beispiel
familiengerichtlich
Kinder- und Jugendhilfe
angeordnet werden.
In schwerwiegenden Einzelfällen
kann sogar entweder
das Sorgerecht
entzogen werden,
die Minderjährigen
dann in Pflegefamilien,
Heimen oder zwangsweise
auch in psychiatrischen
Anstalten untergebracht werden.
Wichtig ist dabei aber,
das darf man dann nicht
als Strafe betrachten,
sondern das soll
der Besserung dienen.
Das kann man auch
ganz gut an diesem Fall
von Luise aus Freudenberg
sehen.
Da könnt ihr euch
noch vielleicht dran erinnern.
Das ist diese Zwölfjährige,
die im März 2023
von zwei Mädchen
im Alter von 12 und 13
in einem Wald
durch zahlreiche
Messerstiche getötet wurde.
Ganz schlimmer Fall
und für ganz viel Aufsehen
hat er gesorgt.
Genau und unsere HörerInnen
haben den ja auch
von uns verlangt.
Also viel Nachfrage
gab es eben auch.
Aber wegen dem,
worüber wir jetzt gerade
reden,
würden wir dazu
keinen Fall machen
oder keine Folge machen,
weil da gab es eben
kein strafrechtliches
Gerichtsverfahren,
wie wir das sonst
in den meisten Fällen haben,
wo man dann eben auch
ein Urteil hat,
wo man die ganzen
Informationen rausziehen kann.
Ja und dann versucht man
natürlich bei so
jungen Menschen
auch die Wiedereingliederung
in die Gesellschaft
nach vorne zu treiben
und deswegen werden
natürlich auch sehr viel
personenbezogene Informationen
und Details der Tat
verschlossen gehalten.
Genau und diese beiden
TäterInnen haben eben
keine Strafe bekommen,
die beiden wurden aber
nach der Tat
vom Jugendamt betreut.
Und die, die Luise
bei der Tat festgehalten hatte,
die kam für zehn Monate
in eine
kinderpsychiatrische Anstalt.
Laut der Presse soll sie
heute in einer
betreuten Wohngruppe leben
und jedes zweite Wochenende
mit ihren Eltern
verbringen dürfen.
Die andere,
also die, die zugestochen hat,
die wurde in eine
psychiatrische Einrichtung
eingewiesen
und beide Mädchen
sollen bis zu ihrem
18. Lebensjahr
in diesen Einrichtungen
verbleiben.
Und wie man sich das
vielleicht auch denken kann,
reicht das Luises Eltern
jetzt nicht.
Also die haben Klage
eingereicht und wollen
mit Hilfe eines
Zivilprozesses
Schmerzensgeld
und Hinterbliebenengeld
von insgesamt
160.000 Euro haben.
Einen Termin
für diese Verhandlung
gibt es aber noch nicht.
Und wozu dieser Fall
ja auch beigetragen hat,
ist zu dieser Diskussion,
ob man das Alter
der Strafmündigkeit
von 14 auf 12
Jahren senken sollte.
Der rheinland-pfälzische
Justizminister
Herbert Mertin
hatte sich im März
2023 dafür ausgesprochen
und er will
empirische Forschung
anregen,
um zu überprüfen,
ob die derzeit
geltenden
Mündigkeitsgrenzen
heutzutage
überhaupt noch sinnig
sind.
1993,
als Andrea getötet wurde,
galten sie jedenfalls
genauso wie heute.
Unter 14 Jahren
gibt es keine
strafrechtlichen
Konsequenzen.
Und eben das
teilt die Cold Case
Einheit
Ike mit,
weil ihn das
ja dazu bringen könnte,
die Wahrheit zu sagen.
Der 36-Jährige
reagiert ruhig
und gefasst.
Er gibt gegenüber
den BeamtInnen zu,
dass er Wissen
über die Tat hat
und bestreitet die
Beteiligung von
seinem damaligen
Freund Lorenz
bei dem Ganzen
nicht.
Aber zu seiner
eigenen Rolle
in dem Fall
und den Details
der Tat
möchte er im Moment
noch keine
Aussage machen.
Er bittet um etwas
Zeit und möchte
erst mit seiner
Familie darüber
sprechen.
Denn das,
was er der Polizei
berichten würde,
sei so einschneidend,
dass seine ganze
Familie darunter
leiden würde.
Den Ermittlenden
bleibt nichts anderes
übrig, als
Eike ziehen zu lassen.
Aber sie vereinbaren
mit ihm gleich
einen neuen Termin.
Eike soll in zwei
Tagen nach Brandenburg
kommen, damit dort
die Befragung
weitergeführt werden
kann.
Er ist einverstanden,
dann trennen sich die
Wege der Polizei
und Eike.
Zwei Tage später
erscheint Eike nicht
wie verabredet in
Brandenburg zur
Vernehmung.
Kurz nach dem
Treffen mit der
Polizei an der
österreichischen
Grenze wurde der
36-Jährige als
vermisst gemeldet.
Eine paradoxe
Wendung, dass
gerade der, der für
Aufklärung in dem
ehemaligen
Vermisstenfall sorgen
sollte, ihn vielleicht
sogar selbst zu
verantworten hat, nun
selbst vermisst wird.
Am Abend nach dem
Gespräch mit den
Ermittlenden aus
Brandenburg sei er mit
Outdoor-Klamotten
in seinen Opel
gestiegen und dann
nicht mehr zu Hause
aufgetaucht.
Seine Frau macht sich
große Sorgen, startet auf
Social Media, ein
Suchaufruf nach ihrem
vermissten Ehemann.
Ist es Zufall, dass nun
gerade Eike plötzlich
genau wie Andrea
damals wie vom
Erdboden verschluckt
ist, oder hat das eine
etwas mit dem
anderen zu tun?
Einige Tage lang sieht die
Polizei ihre Felle schon
davon schwimmen, bis sich
am 4.
November ein Jäger
meldet.
Offenbar war Eike im
Kaisergebirge in Tirol
wandern.
Der Jäger hatte seine
Leiche in den schroffen
Felsen entdeckt.
Eike hatte zuvor sein Auto
am Fuß des Pendlings,
einem Berg in der Nähe
seines Heimatortes, vor
einer Gaststätte stehen
lassen, ist hochgewandert und
hat sich dann in den Tod
gestürzt.
Seiner Frau hatte er in
der Wohnung einen
Abschiedsbrief hinterlassen.
Wenn du das liest, bin ich
bereits tot, hatte er den
Brief angefangen.
Weiter steht darin, dass er
an einem Punkt angekommen
sei, wo es kein Zurück
mehr gibt.
Über Andreas Tod und das,
was er mutmaßlich getan
hat, verliert er darin kein
einziges Wort.
Es ist wie verflucht mit dem
Fall von Andrea aus Bad
Belzig.
Erst hat man jahrelang fast
gar keine Spuren, dann
findet man ihre Leiche, aber
darauf keine Hinweise, die
zu weiteren
Ermittlungsergebnissen
führen und jetzt 23
Jahre später hat man zwar
über Dritte von einem
Geständnis eines
Tatbeteiligten gehört, aber
dieser ist tot und als man
kurz davor ist, den Fall
über den zweiten Täter zu
lösen, stürzt der sich in
die Tiefe und nimmt damit
alle wichtigen Details
über Andreas Tod für immer
mit ins Grab.
Trotzdem teilt die
Staatsanwaltschaft Potsdam und
das Polizeipräsidium
öffentlich mit, dass sie
sich sicher sind, das
Verbrechen weitestgehend
aufgeklärt zu haben.
Damit müssen sie sich
letztendlich zufrieden
geben, denn gegen Tote wird
nicht ermittelt.
In fast schon entschuldigenden
Worten sagt ein Ermittler dem
RBB gegenüber, ein Suizid ist
auch ein Geständnis.
Die ganze Wahrheit werden aber
weder er noch Andreas Eltern
erfahren.
Als Elisabeth und Peter vom Tod der
zwei Männer hören, sind sie am
Boden zerstört.
Der allerletzte Hoffnungsschimmer,
Frieden mit dem Fall ihrer Tochter
zu schließen, ist endgültig
erloschen.
Wie sollen sie abschließen, wenn sie
nie genau wissen werden, was Andrea
an jenem Abend widerfahren ist?
Elisabeth und Peter können sich
nur schwer vorstellen, dass ein
13- und ein 14-Jähriger so eine
Tat alleine begangen haben.
Sie vermuten, dass es noch einen
dritten älteren Mann gegeben haben
muss, der beteiligt war.
Der könnte zum Beispiel beim
Wegschaffen von Andreas Leiche
geholfen oder die Jungs
angeleitet haben, was sie am besten
tun sollten, um unentdeckt zu
bleiben, mutmaßen die beiden.
Im Gegensatz zur Polizei ist der
Fall für Andreas Eltern nicht
beendet.
Elisabeth will keinen
Spießruten laufen für die
Mitwisser, aber sie will, dass die
Polizei herausfindet, wer
möglicherweise eine
Mitverantwortung trägt.
Außerdem gab es laut der Eltern
schon damals Hinweise auf eine
Täterschaft von Eike und
Lorenz.
Lorenz hatte, so berichten es die
Eltern der Presse, sogar kurz nach
Andreas verschwinden, Aussagen bei
der Staatsanwaltschaft machen
wollen.
Zu der Zeit liefen gegen ihn
Ermittlungen in einem anderen
Fall.
Sein Wissen über Andreas Tod habe
er allerdings an einen Deal
koppeln wollen.
Er mache eine Aussage im Fall
Andrea, bekäme dafür aber
Strafrabatt in dem anderen
laufenden Verfahren gegen ihn.
Aber darauf wurde nicht
eingegangen.
Ein Sprecher der Staatsanwaltschaft
erklärt der Märkischen Allgemeinen
Zeitung gegenüber, wieso.
Eine Staatsanwaltschaft darf gar
keine Deals annehmen.
Strafmilderungen kommen nur bei
einem Geständnis innerhalb
desselben Verfahrens infrage.
Lorenz wollte aber Aussagen zu
Andrea machen und für eine
andere Tat den Rabatt.
Und das geht nicht.
Für Elisabeth und Peter stellt
also fest, Andrea hätte viel
früher gefunden werden müssen.
Stattdessen mussten sie erst
sieben lange Jahre warten, um
zu erfahren, dass ihre Kleine
tot ist. Und das, obwohl Elisabeth
genau auf dieses Grundstück
hingewiesen hatte.
Gerade dieser Ort ist besonders
belastend für die Eltern.
Andrea wurde zwischen Unrat und
Gerümpel bei einem verlotterten
Holzschuppen abgelegt.
Der Presse gegenüber sagt Elisabeth
unter Tränen, weggeworfen wie
Müll haben sie meine Tochter.
Mit dem Leichenfund hörte die
quälende Ungewissheit nicht auf,
sondern sie mussten weitere
16 Jahre auf Antworten auf ihr
Warum hoffen.
Vor allem Elisabeth macht das
extrem schwer zu schaffen.
2018, zwei Jahre nach
Einstellung der Ermittlungen
zum Mord an Andrea, stirbt Elisabeth
im Alter von 69 Jahren
plötzlich und unerwartet.
Viele Menschen in Bad Belzig
sagen an einem gebrochenen
Herzen.
Zumindest im Tod ist sie jetzt
wieder mit ihrer Tochter
vereint.
Denn das blieb ihr die letzten
25 Jahre verwehrt.
Und all die Zeit hat sie sich
immer gefragt.
Warum bringt jemand meine
Tochter um?
Wie musste sie sterben?
Und was ist im Liebesgang
bloß geschehen?
Eikes Suizid lässt die Vermutung
zu, dass es vielleicht doch mehr
war, als Lorenz Mutter bei der
Polizei ausgesagt hatte.
Damals, als Andreas entkleidete
Leiche gefunden wurde, hatte die
Polizei ein Sexualverbrechen
nicht ausgeschlossen.
Wenn Andrea wirklich bei einem
Gerangel ums Leben gekommen wäre
und der Grund dafür nur Geld
gewesen sei, wieso sollte sich
dann ein junger, verheirateter
Mann mit zwei Kindern, obwohl er
dafür strafrechtlich nicht mal
belangt werden konnte, in den
Tod stürzen?
Eike hatte nichts zu befürchten.
Gericht, Prozess oder Gefängnis
hätten dem 36-Jährigen nicht
gedroht.
Alles, was die Polizei wollte,
war die Wahrheit.
Auf Lorenz' Facebook-Seite
findet sich ein Bild, auf dem er
ein Kind auf dem Arm trägt und
ein Shirt mit Wanted drauf,
polizeilich gesucht.
Wenige Monate vor seinem
plötzlichen Tod hatte Lorenz
eine Caption ergänzt.
Die Menschen sind undankbar.
Du kannst tausende Dinge
richtig machen, doch machst du
nur eine Sache falsch, bist du
nichts mehr wert.
Die Schuld dieser
einen falschen Sache,
die er und sein damaliger
Freund 23 Jahre für sich
behalten hatten, muss so
schwer gewogen haben, dass
Eike sich deswegen selbst das
Leben und die Wahrheit über
Andreas' Tod mit ins Grab
nahm.
Was hatten er und Lorenz zu
verheimlichen?
Und wie dunkel muss das
Geheimnis gewesen sein, dass er
lieber starb, als endlich
reinen Tisch zu machen?
Ja, und das, finde ich, ist
wirklich die wichtigste Frage in
diesem Fall, weil genau, er hat
eine Familie, die er jetzt
zurückgelassen hat und die waren
Kinder, beziehungsweise er war
halt 13, er war halt ein Kind und
er hätte jetzt den Eltern von
Andrea mit seiner Aussage so viel
weitergeholfen und ihnen bei der
Aufarbeitung helfen können, aber so
hat er jetzt allen nur noch mehr
Kummer bereitet, weil irgendwie auch
stimmt, was der Polizist sagt, von
wegen, ein Suizid ist auch ein
Geständnis, zumindest in diesem
Fall, weil das einfach so nahe
liegt, dass es mit Andreas
Verschwinden zu tun hat, dieser
Suizid.
Das finde ich irgendwie so schade,
weil ich mir vorstellen könnte,
dass er sich in dem Moment einfach
so überfordert gefühlt hat und
gedacht hat, wenn ich das meiner
Familie erzähle oder sowas, dann
werden sie mich verstoßen oder
sowas. Aber meinst du nicht, da hat
er sich 23 Jahre lang die Gedanken
drum gemacht? Der muss doch immer
gedacht haben, was ist, wenn das
irgendwann alles mal rauskommt?
Ich weiß gar nicht, ob er in dem
Moment so überfordert war. Ist es
nicht vielleicht einfach so
gewesen, dass er das hatte absehen
können, dass das irgendwann mal
passiert?
Ich denke mir immer, man kann nur
weiterleben, entweder wenn man es halt
erzählt oder wenn man es komplett
verdrängt. Und vielleicht hat er es
komplett verdrängt, dann sein ganz
normales Leben geführt und jetzt hat es
ihn eingeholt und er hat sich in die Ecke
gedrängt gefühlt. Er sagt, es gibt
kein, ich bin an einem Punkt, wo es kein
zurück mehr gibt, aber es hätte einen
zurückgegeben.
Wieso?
Ich meine damit, wenn er es gesagt
hätte, hätte er ja anderen Leuten
damit geholfen. Er wäre nicht mal
ins Gefängnis gekommen und okay, man
weiß es nicht, die Frau hätte sich
vielleicht getrennt, weiß ich nicht,
weiß man doch gar nicht, was dann
passiert. Aber dann hätte er seinen
Kindern weiterhin ein Vater sein
können und eine zweite Chance im Leben
bestimmt irgendwie nach einer
bestimmten Zeit auch erhalten von
Menschen. Weißt du, was ich meine?
Ja, aber deswegen Mutmaße, das muss man
jetzt ja hier mal an der Stelle
sagen, ich, dass es die Angst vor der
eigenen Wahrheit ist und dass es zu
schlimm war, als dass, dass ich das
selbst hätte eingestehen wollen. Und ich
meine, nur weil dein Leben theoretisch
weitergeht und du nicht ins Gefängnis
kommst und nicht gegen dich ermittelt
wird, dein Leben ist ja auch dein
Umfeld. Und ich glaube, es gibt schon
Dinge und die Frau sagt, die hat davon
nie etwas erfahren. Die wusste
davon gar nichts. Dass, wenn du die auf
dem Tisch packst, dich die Leute mit
anderen Augen ansehen und du
wahrscheinlich dann auch selbst nicht
mehr in den Spiegel gucken kannst, weil
du das dann auch von deinem Umfeld
gespiegelt bekommst, was du getan
hast und dass das natürlich auch, auch
wenn man jung war, Rückschlüsse auf
dich als Person zulässt. Auch wenn du
dich geändert hast, zumindest sagt das
etwas über dich aus, wie du damals
warst. Und offenbar war es so schlimm,
dass er damit selbst nicht leben
wollte. Ja, ich meine, gerade wenn du
vielleicht auch mittlerweile ein Vater
bist, der seinen Kindern Vorbild sein
möchte, vielleicht war er das ja,
oder das vielleicht nicht ertragen
können, diese Wahrheit über sich zu
akzeptieren und nach draußen zu
kehren. Ja, das kann natürlich sein.
So, und dann noch folgendes. Laura,
vielleicht erinnerst du dich, wir
hatten ja letzte Woche gefragt, wie
gedenkt man VerbrecherInnen? Ja.
Da haben wir echt viele Nachrichten von
Menschen bekommen, die Trauerreden
halten. Vielen, vielen Dank dafür.
Schlechte Verstorbene gibt es
offenbar viele, aber wir wollen uns jetzt
ja hier auf die ganz Üblen
konzentrieren. Salopp gesagt, ja.
Also, ganz interessant fand ich eine
Nachricht, die sich darauf bezog, dass
es bei den Trauerreden ja nicht in
erster Linie um den Verstorbenen oder
die Verstorbene geht, sondern halt um
die Trauernden. Ja.
Ist ja im Grab auch so. Das muss man ja
auch nicht unbedingt, meiner Meinung
nach, nach den Vorstellungen des
Verstorbenen gestalten. Das ist ja für
die Hinterbliebenen da. Die müssen
sich das ja angucken, ja. Ja.
Die Person hatte auch noch geschrieben,
Zitat, einmal musste eine Trauerrede für
einen verurteilten Mörder gehalten
werden. Er beging die Tat mit Ende
20, saß seine Strafe ab und wurde
über 70 Jahre alt. Es gab also ein
Leben vor und nach der Tat, über das
wir sprachen. Trotzdem wurde die Tat
nicht ausgespart. Die Tat wurde nicht
explizit benannt, aber wir sprachen
darüber, dass er etwas Schreckliches
getan hatte, das vielen Menschen Leid
zugefügt hatte und viele Leben schwer
beeinflusst hatte. Das finde ich
irgendwie richtig gut. Ja, ich auch.
Genau. Weil das war ja auch für ihn
ein einschneidendes Erlebnis im
Leben. Eine Entscheidung, die er
höchstwahrscheinlich öfters mal
bereut hat und die ganz krasse
Konsequenzen hatte und ihn für
mindestens 15 Jahre wahrscheinlich
hinter Gittern brachte. Und wenn man
das dann einfach so wegignorieren
würde, das wäre ja auch gar nicht
repräsentativ für das Leben, wenn er
dann 70 Jahre alt geworden ist.
Komplett. Ich habe natürlich im
Hinterkopf, wir sagen hier ganz oft,
die Leute, die die Tat begehen, die
sitzen ab, die haben teilweise
irgendwann ein neues Leben und die
Hinterbliebenen haben lebenslang.
Und ich glaube, das muss man einfach
so akzeptieren, dass das nun mal so
ist in unserer Gesellschaft. Ich meine,
wir beide kannten ja auch mal eine
Person, die einen Autounfall verursacht
hatte, wobei jemand schwer verletzt
wurde. Und die verletzte Person hatte
ja offenbar ihr Leben lang dadurch
Einschränkungen. Ja. Und die Person,
die es verursacht hat, hat ja irgendwann
angefangen weiterzuleben. Ja. Und ich
glaube, das ist furchtbar schmerzhaft
und leider gehört das eben zur Realität
dazu. Ja, dass die Leute, die Fehler
begehen, wie jetzt in diesem Fall, im
Zweifel nicht ihr Leben lang darunter
leiden. Ja. Eine andere Person hatte
uns geschrieben, bei einem, der mehrmals
wegen Betrugs und Diebstahls verurteilt
wurde, waren wir bewusst dort ehrlich, wo
er es selbst nicht immer war. Also der
Täter hier in dem Fall, ja. Wir haben
nichts verschwiegen, aber auch nicht
versucht, Antworten auf die Fragen nach
den Gründen zu finden. Und das finde
ich auch gut. Diese Trauerreden, die
werden ja auch oft nicht jetzt in
Zusammenarbeit mit den Angehörigen
geschrieben, aber es gibt ja dieses
Vorgespräch, teilweise auch sehr lange
Vorgespräche. Und oft weiß man als
angehörige Person ja auch nicht, warum
diese nahe angehörige Person jetzt so
oder so war oder warum sie sich zu
Sachen entschieden hat. Und da jetzt im
Nachhinein dann in so einer Trauerrede
irgendwie zu versuchen, das irgendwie
psychologisch einzuordnen oder so, das ist
ja auch fehl am Platz irgendwie. Man
möchte halt der Person gedenken mit all
ihren Facetten, um ja auch, finde ich,
gerecht zu werden und nicht wie bei so einem
Schauspiel, wenn man jetzt von jemandem da
nur in den höchsten Tönen redet, der
aber ganz offenbar auch eine ganz, ganz
schwarze, dunkle Seite hatte. Ja, und das
hatte auch jemand geschrieben. Es ändert
ja nichts. Ja. Also es ist so ein bisschen
so, zum Teil muss man den Angehörigen
oder Zugehörigen ja auch zugestehen, dass
die selbst darunter gelitten haben. Und wenn
die nun mal nicht möchten, dass das wie so ein
zähes Kaugummi da noch in der Kirche oder
auf dem Friedhof nochmal wieder und wieder
durchgekaut wird, dann kann man das ja auch
nachvollziehen. Ja. Ja. Passend dazu, was noch
eine Hörerin geschrieben hatte. Ich höre zu und
erzähle von dem, was sich die Menschen
wünschen, denn ich bin keine Richterin. Ja. Fair.
Und damit kommen wir zum Ende der heutigen
Folge. Wir hören uns hier nächste Woche
wieder. Und zwar mit einem ganz tragischen
Fall, bei dem das Opfer eigentlich alles
richtig gemacht hat und die Justiz aber an ihre
Grenzen gestoßen ist.
Das war ein Podcast der Partner in Crime.
Hosts und Produktion Paulina Graser und Laura
Wohlers. Redaktion Marisa Morell und wir.
Schnitt Pauline Korb.
Rechtliche Abnahme und Beratung Abel und
Kollegen.