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Willkommen bei Mordlust, einem Podcast der Partner in Crime.
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Hier geht es um wahre Verbrechen und ihre Hintergründe.
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Mein Name ist Paulina Kraser und normalerweise sitzt hier mit mir meine Freundin und Kollegin
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Laura Wohlers, mit der ich immer einen bedeutsamen, wahren Kriminalfall nacherzähle.
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Gemeinsam ordnen wir den dann mal ein, erörtern oder diskutieren die juristischen, psychologischen
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oder gesellschaftlichen Aspekte und sprechen mit Menschen mit Expertise.
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Heute führe ich euch aber alleine durch diese Folge.
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Hier geht es um True Crime, also auch um die Schicksale von echten Menschen.
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Bitte behaltet das immer im Hinterkopf.
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Das machen wir auch, selbst dann, wenn wir zwischendurch mal etwas abschweifen.
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Das ist für uns so eine Art Comic-Oleaf, aber natürlich nicht despektierlich gemeint.
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Und bevor ich mit dem heutigen Fall starte, in dem es um eines der dunkelsten Kapitel der
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US-amerikanischen Medizingeschichte geht, in dem ein Arzt wortwörtlich tiefe Einschnitte
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im Leben seiner PatientInnen vornimmt, will ich noch einmal kurz für die, die es bisher
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nicht mitbekommen haben oder für die, die hier neu sind, erklären, wieso ihr mich hier
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heute alleine sprechen hört.
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Laura, meine Podcast-Partnerin, ist erkrankt und weil es ihr momentan nicht möglich ist, im
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selben Maße wie zuvor zu arbeiten, wird sie bis auf Weiteres nur jede zweite Woche hier
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In den anderen Wochen bin ich entweder alleine oder habe mir ExpertInnen eingeladen, die etwas
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zum jeweiligen Fall beitragen können.
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Das hier ist also jetzt die erste Folge, die ich alleine mache und ich hoffe, dass wir uns
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damit alle wohl fühlen und ja, okay, dann gehen wir es jetzt an.
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Jetzt geht's los mit dem heutigen Fall, in dem es um eine Familie geht, in der Liebe und
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Zuneigung an Erfolg geknüpft sind und um das Schattendasein, das jene führen müssen, die
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diesen Erwartungen nicht entsprechen.
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Die entsprechende Triggerwarnung für den Fall findet ihr in der Folgenbeschreibung.
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Unser Fall beginnt im November 1941 und zwar in einem sterilen Operationssaal in der George
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Washington Klinik, in dem man gerade eine zarte, hohe Stimme singen hört und die stammt
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von der Patientin, die dort auf dem OP-Tisch liegt, festgeschnallt und mit einer kreuzähnlichen
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Markierung auf dem teilweise kahlrasierten Schädel.
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Gott bless America, singt sie.
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Ganz so, wie man es ihr aufgetragen hat.
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Sie ist konzentriert auf den Text und merkt nicht, wie einer der anwesenden Ärzte schließlich
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den Bohrer an ihrem betäubten Kopf positioniert und mit brummendem Geräusch ihre Schädeldecke
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Ein Weg Richtung Gehirn.
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Ein vermeintlicher Weg Richtung Genesung.
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Doch als die Patientin nur wenige Minuten später verstummt und die Stille zurück in
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den OP-Seil kehrt, ist klar, dieser Eingriff hat nicht die versprochene Heilung herbeigeführt,
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sondern eine Katastrophe für die Patientin.
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Und dass diese Katastrophe wegen eines ausgetüftelten Vertuschungsplans nicht an die Öffentlichkeit
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kommt, sorgt möglicherweise für etliche weitere Opfer.
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Aber wir gehen erstmal zurück, nämlich um 23 Jahre.
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Überfüllte Krankenhäuser, überlastetes Personal und PatientInnensterben gibt es zu der Zeit in
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Die spanische Grippe hat zu der Zeit, also 1918, die Welt nämlich fest im Griff.
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Die Pandemie hatte in den vergangenen Monaten bereits 25 Millionen Menschen das Leben gekostet
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und sorgt mittlerweile auch dafür, dass die Ärztinnen in den USA mit ihrer Arbeit kaum hinterherkommen.
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Und das bekommt heute, am 13. September 1918, auch Rose am eigenen Leib zu spüren.
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Die 28-Jährige ist gerade zu Hause in ihrem Bett im Schlafzimmer und wartet darauf, dass jeden
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Moment ihr Arzt durch die Tür hereinschneit.
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Der wollte nämlich eigentlich schon vor Stunden hier sein, doch von dem Mediziner fehlt immer
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Aber Rose will nicht mehr warten und sie kann auch bald nicht mehr warten, denn die 28-Jährige
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liegt in den Wehen und sie merkt, dass es jetzt bald losgeht und ihr drittes Kind ganz offensichtlich
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bereit ist, das Licht der Welt zu erblicken.
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Nun macht ihr aber ihre überforderte Hebamme klar, dass das jetzt noch nicht in Frage kommt.
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Die hat nämlich für die Hausgeburt die klare Anweisung, auf den Arzt zu warten und fordert
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Rose deswegen auf, die Beine zusammenzudrücken und nicht zu pressen.
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Aber Rose will natürlich pressen, genauso wie sie es bei ihren vorherigen Geburten, als ihre
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zwei Söhne auf die Welt gekommen sind, auch gemacht hat.
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Die 28-Jährige beißt also die Zähne zusammen, aber so sehr sie sich dabei auch anstrengt, gegen
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diese bevorstehende Geburt kommt sie nicht an.
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Und als dann das Köpfchen des Kindes herausragt, beginnt die Hebamme zu handeln.
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Aber anstatt dem Baby nun auf die Welt zu helfen, macht sie genau das Gegenteil.
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Sie greift nämlich zu und schiebt das Kind mit aller Kraft dorthin zurück, wo es hergekommen
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ist, also in den Geburtskanal.
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Und das nicht nur einmal.
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Wieder und wieder drückt sie das Baby zurück in den Mutterleib.
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Dieses Zurückdrücken in den Geburtskanal verursacht bei Rose unfassbare Schmerzen.
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Zwei Stunden muss sie die aushalten, bis der Arzt endlich das Zimmer betritt, die Hebamme
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beiseite drängt und das Baby auf die Welt holt.
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Rose ist unendlich erleichtert.
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Und das kleine rosige Wesen in ihren Armen lässt sie dann die schmerzvolle Tortur, die sie
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durchstehen musste, auch schnell vergessen.
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Und sie weiß in dem Moment, ihre Tochter hatte keinen einfachen Start ins Leben.
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Dessen ist sie sich angesichts der letzten Stunden bewusst.
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Doch Gott sei Dank ist alles nochmal gut gegangen.
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Zumindest ist sie davon in diesem Moment noch überzeugt.
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Rosemary lautet der Name des kleinen Mädchens.
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Rosemary Kennedy.
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Und das ist ein Nachname, der bereits 1918 für Erfolg und Wohlstand steht und der wenige Jahrzehnte
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später ein Symbol für wirtschaftlichen und politischen Einfluss wird.
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Rosemary ist die erste Tochter von Rose Fitzgerald und Joseph Patrick Kennedy Senior, einem versierten
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Unternehmer und Investor.
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Und als neuester Familienzuwachs macht die kleine Rosemary ihre Geschwister, den zweijährigen
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Joseph Junior und den einjährigen John zu großen Brüdern.
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Und genau, es ist der John, der im Juni 1963 bei einem Besuch in West-Berlin vor dem Schöneberger
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Rathaus folgende berühmte Worte sagen wird.
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Rosemary Kennedy ist nämlich die Schwester von John F. Kennedy, der später einmal 1961
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Präsidenten der Vereinigten Staaten gewählt werden wird.
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Hier geht es jetzt aber nicht um John, sondern um Rosemary, die jetzt 1918 das jüngste Kind der
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Kennedy-Familie ist.
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Vor allem Mutter Rose ist natürlich schockverliebt in ihr kleines pausbäckiges Mädchen, das ihren
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Brüdern auch ziemlich ähnlich sieht.
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Also Rosemary hat das gleiche dichte braune Haar, die gleichen hellen neugierigen Augen.
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Also optisch ist die durch und durch eine Kennedy.
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Und doch ist sie irgendwie anders als ihre Geschwister.
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Denn das fällt den Eltern auf, in den ersten Lebenswochen weint Rosemary kaum.
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Also sie ist ein sehr ruhiges, man will fast sagen, schweigsames Baby.
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Und obwohl sie von Tag zu Tag größer wird und wächst, wird schnell klar, dass sich Rosemary
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auch deutlich langsamer als ihre Brüder entwickelt.
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Als sie beispielsweise zwei Jahre alt ist und damit natürlich längst kein Baby mehr, kann sie immer noch nicht laufen.
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Mutter Rose schiebt sie nach wie vor im Kinderwagen vor sich her und nimmt sie auf den Arm, um sie von A nach B zu tragen.
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Und mit dem Sprechen ist das auch ähnlich.
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Also mehr als Brabbeln bringt Rosemary nicht über die Lippen.
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Und auch aufrecht sitzen fällt ihr beispielsweise schwer, was die meisten Kinder vor ihrem ersten Geburtstag ja schon können.
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Zunächst denken sich Rose und Joe Kennedy nicht viel bei diesen Schwierigkeiten.
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Und meinen, vielleicht ist sie ja einfach nur eine Spätsünderin.
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Doch als 1920 und 1921 Rosemarys jüngere Schwestern Kathleen und Eunice geboren werden
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und entwicklungstechnisch schnell an Rosemary vorbeiziehen, beginnen sich die Eltern ernsthafte Sorgen zu machen.
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Weil sie fragen sich, was stimmt denn mit ihrer älteren Tochter nicht?
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Warum hängt sie bloß so hinterher?
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Und das sind Fragen, mit denen sich Rose und Joe Kennedy an mehrere Kinderärztinnen wenden.
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Das heißt, sie lassen ihre Tochter immer und immer wieder untersuchen und begutachten.
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Und immer wieder bekommen sie zu hören, ursächlich für Rosemarys Entwicklungsverzögerung waren die Umstände ihrer Geburt.
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Und hier einmal kurz zur Erklärung.
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Wenn man die Geburt in die Länge zieht, dann kann das richtig problematisch werden, hat uns Experte Dr. Richard Krüger erklärt.
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Krüger ist Arzt in Weiterbildung für Gynäkologie und Geburtshilfe am Klinikum Bielefeld und sagt,
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man versucht so eine Geburt eigentlich nicht medizinisch zu verlangsamen, sondern die zu unterstützen.
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Und das hat mit der Sauerstoffversorgung zu tun, so der Experte.
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Künstlich das Kind in dieser Situation zu halten, also wo das Köpfchen schon so tief getreten ist,
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es dann wieder nicht mehr durchtreten zu lassen, hält das Kind in der problematischsten Phase.
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Wenige Minuten darf eine Herzfrequenz des Kindes abfallen, darf eine Sauerstoffversorgung des Kindes auch mal pausieren.
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Das ist kein Problem, das hält jedes gesunde Kind stressfrei aus.
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Aber wenn es eben lange in dieser Situation bleibt, und das ist hier künstlich hervorgerufen worden,
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durch das Zurückschieben des kindlichen Köpfchens,
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dann wird eben eine Sauerstoffunterversorgung des Kindes im Geburtskanal provoziert.
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Eben weil die Nabelschnur, durch die das Kind mit Sauerstoff versorgt wird,
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bei der Geburt durch den engen Geburtskanal komprimiert wird.
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Und diese längere Unterversorgung ist insofern problematisch,
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weil dadurch im schlimmsten Fall eine Hirnschädigung hervorgerufen werden kann.
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Einige Quellen sagen auch, dass Rosemary so eine hatte.
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Und unser Experte Dr. Krüger ist sich sicher,
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dass all ihre Entwicklungsschwierigkeiten auf den Sauerstoffmangel während der Geburt zurückzuführen sind.
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Es ist so, dass wir natürlich nicht ausschließen können,
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dass vielleicht nicht ohnehin dieses Kind mit einer Entwicklungsverzögerung auf die Welt gekommen wäre.
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Aber der direkte Zusammenhang mit einer so traumatischen Geburt
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und einer sehr hochwahrscheinlichen Sauerstoffunterversorgung des Kindes
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zu dieser ja sehr verwundbaren Zeitpunkt des Lebens eines Menschen
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ist sehr wahrscheinlich verantwortlich dafür.
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Und falls ihr euch jetzt denkt, das muss doch damals schon bekannt gewesen sein.
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Warum hatte die Hebamme denn überhaupt die Anweisung, die Geburt hinaus zu zögern?
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So richtig verlässliche Quellen gibt es dafür nicht.
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Aber in der Biografie von Rosemary Kennedy, geschrieben von Kate Clifford Larson, steht,
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dass dem Arzt angeblich ein Honorar versprochen wurde,
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wenn er das Kind auf die Welt holt und die Hebamme deswegen die Anweisung hatte, auf ihn zu warten.
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Jedenfalls wächst die kleine Rosemary dennoch zu einem fröhlichen, liebenswerten Kind heran.
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Sie liebt es zu singen, zu tanzen und zu malen.
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Nur werden mit den Jahren Rosemarys Defizite immer offensichtlicher.
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Im Alter von vier bis fünf wird ihr klar, dass sie neben der Entwicklungsverzögerung
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auch motorische und kognitive Schwierigkeiten hat.
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Und das merkt sie auch selbst, weil sie beim Spielen mit ihren Geschwistern oft nicht mithalten kann.
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Also sie kann nicht so schnell laufen, sie kann nicht so hoch klettern und sie ist auch ungeschickt.
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Und während zum Beispiel ganz viele Kinder im Winter immer wieder schneebedeckte Hügel hinuntersausen,
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sitzt Rosemary ganz verunsichert auf ihrem Schlitten, weil sie ihn nicht lenken kann und auch das Gleichgewicht nicht halten kann.
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Und dass sie so hinterherhinkt, das wird vor allem auch in der Schulzeit deutlich.
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Also das Mädchen mit dem frechen Lachen und den Sommersprossen im Gesicht findet zwar schnell Anschluss und schließt Freundschaften
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und tollt auf dem Schulhof herum, aber intellektuell wird sie in ihrer Klasse schnell zur Außenseiterin,
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weil eben Rechenaufgaben, Lesen, Schreiben, alles macht ihr Kopfzerbrechen.
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Und immer wieder müssen die LehrerInnen ihr beispielsweise erklären, dass man von links nach rechts schreibt und nicht andersrum.
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Und Rosemary kann auch keine schweren, komplexen Sätze bilden.
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Also bei Gesprächen, da kommt sie dann auch oft ins Stolpern.
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Und deswegen, das ist ja sicherlich nicht verwunderlich, entpuppt sich die Schule für Rosemary schon bald als ein Ort der Frustration,
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an dem sie tagtäglich mit ihren Schwächen konfrontiert wird.
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Und dabei möchte Rosemary um jeden Preis mithalten, also dazugehören.
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Und das nicht nur im Klassenzimmer, sondern auch zu Hause.
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In dem großen Wohnhaus in Brookline, in dem Staat, der so schwer auszusprechen ist,
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aber ich versuch's, Massachusetts.
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Also ihr wisst, welchen ich meine, ja.
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Da, wo die Kennedys zu der Zeit wohnen, begegnen ihr ihre Geschwister mit Nachsicht.
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Also die unterstützen Rosemary.
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Aber so ist eben nicht jedes Familienmitglied zu ihr.
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Ihr Vater Joe hat hohe Erwartungen an seine Kinder.
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Und die dürfen deswegen auch nicht weniger als perfekt sein.
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Mit Intellektglänzen, aber auch mit gutem Aussehen.
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Jeden Samstag lässt er sie nacheinander auf die Waage steigen,
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um zu kontrollieren, dass sie weder zu dick noch zu dünn sind.
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Das muss man sich mal reinziehen.
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Und alltägliche Familiensituationen wie gemeinsame Abendessen werden regelmäßig zu Unterrichtsstunden,
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in denen er ausschweifende Monologe über die Geschichte Amerikas hält
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und das Wissen seiner Töchter und Söhne abfragt.
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Mutter Rose wird es später einmal in ihren Memoiren so formulieren.
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Joe lehrt seine Kinder, GewinnerInnen zu sein.
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Aber Fakt ist nun mal, Rosemary ist keine Gewinnerin.
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Zumindest nicht gemessen an den Maßstäben ihres Vaters,
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die für alle Kennedy-Kinder gleichermaßen gelten.
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Joe ist davon überzeugt, dass seine Ansprüche motivieren.
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Also, dass seine Strenge und seine hohe Erwartungshaltung seinen Kindern guttun.
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Aber in Rosemarys Fall geht seine Gleichung halt nicht auf.
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Die entwickelt gerade deswegen auch ein geringes Selbstvertrauen und eine permanente Angst, ihren Vater zu enttäuschen.
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Regelmäßig muss sie dann in seine strengen Augen gucken, wenn sie mal wieder eine schlechte Note von der Schule mit nach Hause gebracht hat.
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Und das ist sicherlich falsch, jetzt hier an der Stelle zu behaupten, dass Joe Kennedy seine Tochter nicht liebt.
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Aber weil der Erfolg seiner Kinder so wichtig für ihn ist und der eben auch entscheidend für das Maß seiner Zuneigung ist,
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steht Rosemary bei ihm nie besonders hoch im Kurs.
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Aber sie wünscht sich das halt sehr. Sie wünscht sich sehr seine Anerkennung.
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Und das liest man auch in Briefen, die sie ihm schreibt, wenn sie mal eine gewisse Zeit lang getrennt voneinander sind.
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Die John F. Kennedy Presidential Library hat uns freundlicherweise zwei Exemplare zugeschickt.
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Und da liest man total raus, dass sie ihm einfach gefallen will und ihm nah sein möchte.
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In einem zum Beispiel, da erzählt sie ihm von einer Gewichtsabnahme und schreibt dann im nächsten Satz sowas wie,
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na, da staunst du, oder?
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Und das ist ja total traurig, dass sie das jetzt so herausstellt und auch von jedem noch so kleinen Fortschritt berichtet, den sie macht.
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Doch weil diese kleinen Fortschritte nicht ausreichen, schleppen die Eltern Rosemary in den kommenden Jahren
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regelmäßig in die Praxisräume von PsychologInnen und suchen renommierte ÄrztInnen aus den Fachbereichen Neurologie und Psychiatrie auf.
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Aber die meisten von denen legen den Kennedys nahe, dass sie sich schlicht damit abfinden müssen, dass ihre Rosie eine Lernschwäche hat.
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Einige sprechen auch von Geisteskrankheit oder einer leichten geistigen Behinderung.
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Und jetzt könnt ihr euch vorstellen, für Rose, aber vor allem natürlich für Joe Kennedy, ist das ein Schock.
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Und hat vor allem eine Konsequenz.
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Von solchen Diagnosen soll die Außenwelt am besten nie etwas mitbekommen.
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Fortan werden sie alles daran setzen, dass niemand außer der Familie erfährt, dass ihre Rosemary nicht einer vermeintlichen Norm entspricht.
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Eine Entscheidung, die das Fundament für ein langjähriges Familiengeheimnis legt.
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Wir merken, für Rosemarys Eltern, Rose und Joe Kennedy, hat ab sofort höchste Priorität, dass niemand merkt, dass ihre Tochter anders ist, als sie sich das vorstellen.
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Und das hat unterschiedliche Gründe.
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Also zum einen ist es Mitte des 20. Jahrhunderts ja noch ziemlich gängig, dass Menschen, die geistig beeinträchtigt sind, institutionalisiert werden.
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Also sprich, in Nervenheilanstalten untergebracht werden.
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Und das wollten die Kennedys damals auf gar keinen Fall, weil die Zustände in den Psychiatrien zu dieser Zeit wirklich dramatisch sind.
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Also die sind komplett überfüllt.
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Und weil es auch noch keine etablierten Behandlungsmethoden gibt, vegetieren diese PatientInnen dort wirklich die meiste Zeit eigentlich nur vor sich hin.
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Also es waren wirklich grauenhafte Zustände damals.
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Und zum anderen muss man jetzt an der Stelle wissen, dass wir uns in der Geschichte in einer Zeit befinden, nämlich Ende der 20er, Anfang der 30er Jahre, in der Rosemary's Vater, Joe Kennedy, beruflich immer weiter durchstartet.
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Also mittlerweile ist der ein super erfolgreicher Investor an der Wall Street.
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Der investiert in Immobilien und in die Filmindustrie und beginnt sich auch in der Politik zu engagieren, wodurch das Ansehen der Kennedy-Familie nochmal deutlich steigt.
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Und diesen gesellschaftlichen Aufstieg sieht Joe Kennedy jetzt gefährdet, wenn der Zustand seiner Tochter öffentlich werden würde, weil sowohl Menschen mit Behinderung als auch psychisch Erkrankte damals total stigmatisiert wurden.
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Warum? Das hat uns Medizinhistoriker Professor Heiner Fanggerau erklärt, der am Institut für Geschichte, Theorie und Ethik der Medizin der Uniklinik Düsseldorf tätig ist.
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Das kann man zum Teil daraus erklären, dass der Wunsch nach Distanz einfach dazu führt, dass man sagt, ich möchte mit den Leuten nichts zu tun haben.
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Das kann aber auch etwas damit zu tun haben, dass man Angst vor dem anderen hat.
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Und wenn man einen Menschen mit einer psychischen Erkrankung in der Familie hat, ist sofort die Sorge da, ob dieses Stigma nicht vielleicht auf die ganze Familie ausstrahlt.
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Und das Besondere bei psychischen Erkrankungen ist ja, dass sie über die Auffälligkeit das soziale Gefüge stören.
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Psychische Erkrankungen sind sozial auffällig und eine einflussreiche Familie fühlt sich eben auch selber gestört durch die Person, die den eigenen Status bedroht durch die soziale Auffälligkeit.
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Der Experte spricht jetzt hier konkret von psychischen Erkrankungen, sagt aber auch, dass man das ausweiten könne auf Behinderungen, Lernschwächen und ganz viele andere Diagnosen.
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Also sprich, von dieser Stigmatisierung sind damals eigentlich alle Menschen betroffen, die in irgendeiner Form von der gesellschaftlichen Erwartung abwischen.
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Das ist ja heute auch noch teilweise so. Aber in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts war diese Stigmatisierung einfach noch viel, viel krasser, weil sie auch innerhalb der Gesellschaft richtig tief verankert war.
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Und zwar wegen der sogenannten Eugenetik. Manche sagen auch Eugenik. Dazu haben wir hier im Podcast auch schon einige Male was gemacht, aber ich hole nochmal alle ins Boot.
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Die Eugenetik war eine pseudowissenschaftliche Bewegung, die auf dem Sozialdarwinismus basierte und der propagierte das Überleben des Stärkeren, in Anführungszeichen, und unterteilte die Gesellschaft in starke und schwache Individuen.
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Und die Eugenetik behauptete, es gäbe gute und schlechte Erbanlagen. Und als gut galten jene, denen intellektuelle und körperliche Fähigkeiten zugeschrieben wurden, also von gesunden und erfolgreichen Menschen.
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Und schlechte Erbanlagen wurden Personen mit psychischen Erkrankungen, Behinderungen, körperlichen Krankheiten oder vermeintlich auch mangelnder Moral zugeschrieben.
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Weil diese Lehre auch annahm, dass man beispielsweise kriminelles Verhalten auf schlechtes Erbgut zurückführen könnte.
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Und obwohl diese Lehren heute natürlich widerlegt sind, waren sie damals weit verbreitet und führten dann auch zu wirklich gravierenden Konsequenzen für diejenigen, die als schwache Gesellschaftsmitglieder mit schlechtem Erbgut galten.
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Bekanntestes Beispiel sind sicherlich die Verbrechen der Nationalsozialisten.
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In Deutschland diente die Eugenetik als ideologisches Fundament der NSDAP.
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Und hier wurde ja 1933 das Gesetz zur Verhütung erbkranken Nachwuchses verabschiedet, das ja die Zwangssterilisation von Personen mit bestimmten Erkrankungen legitimierte.
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Das führte dann damals zur Sterilisation zahlreicher Frauen mit Depressionen, Psychosen und Behinderung.
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Und später wurden dann ja im Rahmen der sogenannten Euthanasie-Programme psychisch Erkrankte und Menschen mit Behinderung massenhaft getötet.
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Wir sind ja jetzt in den USA, aber auch dort gab es die eugenische Bewegung, um eben in Anführungszeichen die genetische Qualität der Bevölkerung zu verbessern.
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Und deswegen wurden auch dort schon zu Beginn des 20. Jahrhunderts Zwangssterilisationen durchgeführt.
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1907 erließ zum Beispiel der Bundesstaat Indiana das erste Gesetz, das solche Maßnahmen legitimierte.
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Und Schätzungen zufolge wurden bis in die 70er Jahre etwa 60.000 bis 70.000 Zwangssterilisationen in den USA durchgeführt.
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Und ich sage das jetzt hier nur, weil das zeigt einfach ziemlich deutlich, welchen gesellschaftlichen Status Menschen wie Rosemary hatten, die nicht dem Ideal entsprachen.
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Und deswegen kann man auch sagen, also die Kennedys, die entscheiden sich jetzt damals nicht nur wegen Rosemarys Wohl ihre, ich nenne es jetzt mal Defizite, weil man einfach bis heute nicht genau weiß, was sie hatte, für sich zu behalten, sondern auch weil die sich damals um ihr eigenes Wohl sorgen, weil diese Angst vor angeblich schlechten Erbanlagen allgegenwärtig war und man deswegen um das gesellschaftliche Ansehen der ganzen Familie fürchtet.
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Denn wenn Rosemary schlechte Erbanlagen hat, dann liegt ja nahe, dass das Familie verbreitet ist.
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Das Versteckspiel der Kennedys hat für Rosemary weitreichende Folgen.
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Innerhalb ihrer Familie erlebt sie zwar weiterhin überwiegend Rückhalt und ist auch bei Ausflügen und Urlauben dabei, aber in der Öffentlichkeit ist sie schlicht außen vor.
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Also wenn die Kennedys Einladungen zu gesellschaftlichen Events erhalten, dann kommt sie einfach nicht mit.
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Ganz anders als ihre Geschwister, zu denen 1932 mittlerweile acht Brüder und Schwestern gehören.
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Vor allem Rosemarys Bruder John ist für Vater Joe eine gern gewählte Begleitung.
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Der nimmt ihn nämlich regelmäßig mit, um damit zu prahlen, dass sein Sohn später in Harvard studieren und danach in der Politik Karriere machen werde, was ja dann später auch stimmte.
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Rosemary dagegen kommt nie in den Genuss solcher Schmeicheleien und fühlt sich oft einsam und isoliert.
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1934, da ist sie gerade 16 Jahre alt, da schreibt sie einmal aus dem Internat in Rhode Island, das sie mittlerweile besucht, nach Hause.
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Zu dem Zeitpunkt soll Rosemary berichten zufolge intellektuell da etwa auf dem Stand einer Fünfklässlerin sein und offenbar scheint sie in dem Moment zu begreifen, dass sie den Ansprüchen der Kennedys nach wie vor nicht gerecht werden kann.
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Besonders deutlich machen das auch die handgeschriebenen Worte, die sie kurze Zeit später an ihren Vater richtet.
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Da schreibt sie an ihn nämlich, ich hasse es, dich in irgendeiner Form zu enttäuschen.
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Etwa vier Jahre später steht für die Familie Kennedy dann eine große Veränderung an.
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Nachdem sich Joe Kennedy in den vergangenen Jahren immer mehr in der Politik engagiert und unter anderem den Wahlkampf von Präsident Franklin D. Roosevelt unterstützt hat, wird er nun 1938 zum US-Botschafter Großbritanniens ernannt.
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Und das ist ein Amt, das ihm nicht nur weitere Anerkennung und Macht verleiht, sondern auch dazu führt, dass die ganze Familie, und zwar einschließlich Rosemary, die Koffer packt und nach London zieht.
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Statt dem amerikanischen Brookline ist ab sofort Mayfair ihr neues Zuhause.
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Und im Londoner Stadtteil der Reichen und Schönen finden die Kennedys schnell Anschluss und werden von der feinen Gesellschaft mit offenen Armen empfangen.
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Heißt, ihr Kalender ist prall gefüllt mit Einladungen zu Feierlichkeiten, Premieren und Empfängen, zu denen sie eben auch die Kinder mitbringen sollen.
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Die ist mittlerweile 19 und dann damals auch in einem Alter, in dem sich die Öffentlichkeit zunehmend für die älteste Kennedy-Tochter interessiert.
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Und das stellt natürlich das bisherige Versteckspiel ihrer Eltern auf eine echte Probe.
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Denn Joe und Rose ist klar, die können ihre Strategie Rosemary immer außen vor zu lassen, so jetzt nicht weiterführen,
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weil die sonst zu viel Spielraum für Spekulationen und Gerüchte bieten.
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Das wiederum bringt sie jetzt zu einem Umdenken, dass Rosemary gewissermaßen Tor und Tür in ein neues Lebenskapitel öffnet.
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Im Mai 1938, nur zwei Wochen nach ihrer Ankunft in London, werden sie und ihre jüngere Schwester Kathleen
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gemeinsam mit anderen jungen Frauen der gehobenen Gesellschaft als Debutantinnen in den Buckingham Palace eingeladen.
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Für Rosemary ist das der erste öffentliche Auftritt in der neuen Heimat und dafür musste sie wochenlang auf Anweisungen ihrer Familie üben,
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elegant zu laufen und halbwegs sicher zu tanzen, um bloß nicht aufzufallen.
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Aber Rosemary fällt an diesem Tag auf. Und zwar positiv.
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Die 19-Jährige ist an dem Tag in eine weiße Robe aus Tö mit silbernen Verzierungen geschlüpft
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und trägt weiße, lange Handschuhe.
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Und immer wieder bleiben die Blicke an ihr hängen.
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Und sie ist an diesem Tag auch eine begehrte Tanzpartnerin.
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Und abgelenkt von ihrer Anmut merkt nahezu niemand, dass ihr das Tanzen koordinativ nahezu alles abverlangt.
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Verschiedene Zeitungen drücken dann am nächsten Tag Fotos von ihr und ihrer Schwester auf den Titelseiten
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und bezeichnen sie als exquisit.
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Nach diesem Auftritt im Buckingham Palace blüht Rosemary dann regelrecht auf.
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Zwar unter den wachsamen Augen ihrer Geschwister,
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aber immerhin kann sie ab jetzt an den Wochenenden zu Theaterpremieren und Opern gehen.
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Und unter der Woche besucht die 19-Jährige in London eine katholische Mädchenschule,
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die ganz anders ist als die Bildungseinrichtung, an denen sie vorher war.
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Die Chesham School in Kensington, einem Stadtteil im Westen Londons,
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folgt der sogenannten Montessori-Pädagogik.
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Das ist ein Lernansatz, der die individuellen Stärken und Schwächen in den Mittelpunkt stellt
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und die haben dann auch keine Noten oder andere Bewertungsschemata.
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Und für Rosemary ist das super und die liebt auch die Schule,
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weil sie das erste Mal in einem Lernumfeld ist, in dem man individuell auf sie eingeht
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und sie auch so akzeptiert, wie sie ist.
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Und deswegen macht sie dann dort auch Fortschritte beim Lesen und beim Schreiben
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sogar so sehr, dass sie dann auch Kindern aus jüngeren Klassen aus Büchern vorlesen kann.
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Und sie hilft bei der Zubereitung des Mittagessens.
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Also es ist quasi das erste Mal in ihrem Leben,
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dass sie nicht tagtäglich mit ihren Schwächen konfrontiert wird
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und das Gefühl hat, nicht genug zu sein, um was schaffen zu können.
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Also sie entwickelt daraufhin auch Selbstvertrauen
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und fühlt sich gefördert, akzeptiert und gesehen.
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Nur ahnt sie inmitten ihres größten Glücks nicht,
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dass ihr Leben schon bald eine dramatische Wendung nehmen wird.
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Und zwar eine Wendung, die ihren Höhenflug beenden
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und das neu erlangte Glück für immer aus ihrem Leben verbanden wird.
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Es ist das Jahr 1940, als Joe Kennedy nach gerade einmal zwei Jahren im Amt
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als US-Botschafter zurücktritt.
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Er hat sich nämlich in der Vergangenheit mehrmals
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gegen eine Beteiligung der USA am Zweiten Weltkrieg ausgesprochen
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und damit eine Haltung vertreten,
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die der Position der amerikanischen Roosevelt-Regierung deutlich widerspricht.
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Und die Kritik an seiner Person ist mittlerweile so groß,
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dass Joe jetzt keine andere Möglichkeit sieht, als seinen Posten zu räumen.
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Und mit dem Ende seiner diplomatischen Karriere
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haben er und seine Familie dann auch keinen Grund mehr, in London zu bleiben.
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Das ist für Rosemary ganz dramatisch.
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Und diese geplante Rückkehr in die USA, die treibt sie auch an den Rand der Verzweiflung.
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Sie fleht und bettelt, in Großbritannien bleiben zu dürfen
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und weiterhin in der Stadt leben zu können, in der sie sich so wohl fühlt.
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Aber ihr Vater lässt damit nicht mit sich reden und das auch angesichts der deutschen Luftangriffe und Nazi-Bombardierungen.
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Die Rückkehr in die USA gleicht dann für Rosemary aber einer Katastrophe und stürzt sie in eine emotionale Krise.
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Losgerissen von diesem Londoner Unterstützungssystem, muss sie jetzt zurück in dieses Umfeld,
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was ihr ihr Leben lang ihre Schwächen vor Augen geführt hat,
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indem sie immer eine Außenseiterin war und im Schatten ihrer Geschwister stand.
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Die 21-Jährige ist unglücklich, sauer und frustriert.
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Und das zeigt sie in der Zeit auch.
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Rosemary ist nämlich nicht nur deprimiert und unausgeglichen,
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sie ist auch furchtbar wütend und schlägt um sich.
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Und dieses Verhalten belastet nicht nur ihre Familie, sondern auch ihre LehrerInnen.
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Seit der Rückkehr in die USA besucht Rosemary nämlich ein katholisches Mädcheninternat in Washington,
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in dem sie dann auch den Großteil ihrer Zeit verbringt oder besser gesagt verbringen sollte.
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Denn immer wieder bricht Rosemary nachts aus dem Schulgebäude aus
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und treibt sich dann auf den Straßen rum,
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wo sie Lehrkräfte oft erst in den frühen Morgenstunden dann einsammeln können.
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Und ihr könnt euch vorstellen, vor allem Rosemarys Vater ist über die nächtlichen Ausflüge von ihr entsetzt.
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Also der fragt sich, was macht die denn da, wenn die nachts still und heimlich aus dem Schulgebäude schleicht?
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Und hat auch im Kopf, ist die vielleicht mit Männern zusammen?
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Und gerade das ist für Joe Kennedy ein unerträglicher Gedanke, weil er sich sorgt.
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Und hier kann man sich ja auch die Frage stellen,
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geht es ihm dabei wohl zuallererst um das Wohlergehen seiner Tochter oder um sein eigenes?
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Denn Joe ist damals überzeugt, wenn Rosemary als junge, unverheiratete Frau
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im Zuge eines nächtlichen Techtelmächtels schwanger werden würde,
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dann wäre das nicht nur ein Skandal.
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Es wäre der gesellschaftliche Todesstoß für die Kennedys.
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Und ein berufliches Hindernis für seine Söhne Joseph Junior und John,
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für die er große Pläne hat.
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Als sich dann die nächtlichen Ausflüge von Rosemary häufen,
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nehmen Joe und Rose Kennedy ihre Tochter dann von der Schule.
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Rosemary verbringt ihre Zeit nun Tag ein, Tag aus in ihrem Elternhaus.
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Aber auch da spitzt sich die Situation nach einer Weile immer weiter zu,
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weil Rosemarys Wutausbrüche nicht nur immer häufiger werden,
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sondern auch immer intensiver.
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Einmal ärgert sie sich so sehr über ihren Großvater,
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dass sie gewaltsam auf ihn losgeht
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und ihre Familie sie nur mit vollem Körpereinsatz zurückziehen kann.
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Und dieser Zorn von Rosemary,
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der wird irgendwann zu einer echten Belastungsprobe für die Kennedys,
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aus der schließlich Vater Joe eine Konsequenz zieht.
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So darf es nicht weitergehen.
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Für den 52-Jährigen ist klar, dass er irgendetwas unternehmen muss,
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bevor Rosemary mit ihrem Verhalten den Ruf der Familie aufs Spiel setzt.
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Sein Interesse ist deswegen sofort geweckt,
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als er 1941 von einem medizinischen Eingriff hört,
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der nicht nur vielversprechend klingt,
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sondern auch nach der perfekten Lösung für seine Probleme.
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Joe Kennedy hört damals von der präfrontalen Lobotomie.
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Das ist ein Verfahren, das in den 30ern
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von dem portugiesischen Mediziner Antonio Agas Moniz erfunden wurde.
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Hier in den USA wird das Verfahren aber
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mit einem anderen Namen in Verbindung gebracht,
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und zwar Dr. Walter Freeman.
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Das ist ein Neurologe und Psychiater.
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Er hat ausgeprägte Geheimratsecken,
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einen dunklen Bart und dichte Augenbrauen.
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Und der führt seit fünf Jahren gemeinsam mit seinem Kollegen Dr. James Watts,
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das ist ein angesehener Neurochirurg, das Verfahren durch.
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Und das zählt darauf ab,
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psychische Erkrankungen mittels einer Hirn-OP zu behandeln.
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Vor allem Dr. Freeman sieht in der Lobotomie
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einen medizinischen Game Changer
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und redet öffentlich davon,
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Depressionen, Psychosen, aber auch Schizophrenie
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nicht nur lindern, sondern heilen zu können.
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Und das ist zu der Zeit ein Versprechen,
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das auch die Presse tagtäglich beschäftigt.
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Also es gibt ganz viele Artikel in der Zeit
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und die lesen sich fast wie reine Lobgesänge auf Freeman.
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In einem heißt es,
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viele der bis dato operierten Personen
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hätten sich, Achtung Zitat,
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von Problemen für ihre Familien
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und Ärgernisse für sich selbst
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in nützliche Mitglieder der Gesellschaft verwandelt.
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Und eine Welt, die einst ein Ort des Elends,
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der Grausamkeit und des Hasses zu sein schien,
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erstrahle für sie, also die PatientInnen,
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nun in Sonnenschein.
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Das frage ich mich,
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welche JournalistInnen das geschrieben haben.
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Es sind auf jeden Fall Zeilen,
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die damals sowohl Betroffene als auch Angehörige
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wie Joe Kennedy in ihrer Verzweiflung aufhorchen lassen.
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Weil das damals auch der erste vielversprechende Ansatz ist,
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psychische Erkrankung effektiv zu behandeln.
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Denn viel mehr Ansätze gibt es 1941,
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also dem Jahr, in dem wir uns da jetzt gerade befinden,
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gar nicht wirklich.
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Also es gibt keine Psychopharmaka,
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es gibt keine etablierten Therapieformen,
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die auch wirklich was bringen.
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Und deswegen sind damals viele Menschen Feuer und Flamme,
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als Freeman dann mit diesem Heilsversprechen um die Ecke kommt.
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Als Teil der sogenannten Psychochirurgie
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beruht die Lobotomie,
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fälschlicherweise muss man dazu sagen,
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auf der Annahme,
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dass psychische Erkrankungen ihre Ursache
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einzig und allein im Hirn haben.
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das defekte Nervenbahn.
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Der Grund dafür sind,
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dass Menschen psychisch erkranken.
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Und ein Großteil der angeblich defekten Nervenbahn,
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um die es da geht,
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befindet sich im sogenannten präfrontalen Kortex.
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Das ist ein Areal im Frontallappen des Gehirns,
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der direkt hinter der Stirn sitzt.
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Deswegen wird er auch Stirnhirn genannt.
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Und der präfrontale Kortex,
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der übernimmt im Gehirn eine ziemlich wichtige Aufgabe,
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wie uns Professor Jürgen Schleier,
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Neurochirurgischer Leiter des Universitätsklinikums Regensburg,
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Der ist für alles zuständig.
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Der integriert alles,
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was wir aus unserer Umgebung aufnehmen,
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sehen, hören, fühlen, riechen, schmecken,
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kommt da vorne an,
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nachdem es in den primären Zentren aufgenommen worden ist.
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Und alles, was aus unserem Inneren kommt,
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Emotionen, Gedächtnis, Schmerz,
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Alles wird da vorne verschachtelt, bewertet
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und entschieden, was ist jetzt gerade relevant.
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Muss ich jetzt gerade wissen,
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ob mein Bein ausgestreckt ist oder nicht.
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Oder ist das irrelevant?
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Und ich konzentriere mich auf das Gespräch mit denen.
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Alles wird in Millisekunden praktisch verarbeitet.
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Der ist zuständig, um einen Plan zu machen,
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mit denen jetzt zu sprechen,
00:33:41
mit dem Rechner einzuschalten,
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zu gucken, ob der Plan funktioniert
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und den zu adaptieren.
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Also man kann sagen,
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der präfrontale Kortex ist sowas wie der Regisseur,
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der im Gehirn den Takt angibt.
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Also das zeigt sich dann vor allem
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in Bezug auf Emotionen ganz gut,
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die der präfrontale Kortex
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nicht nur koordiniert,
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sondern auch kontrolliert,
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indem er eine spontane Reaktion zurückhält
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und durch eine soziale, adäquate ersetzt.
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Wenn Sie mich jetzt wütend machen
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und ich das Gefühl habe,
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ich müsste Sie jetzt verhauen,
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schaltet sich der präfrontale Kortex ein
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nee, keine gute Idee,
00:34:13
macht keinen guten Eindruck.
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Wird dann vielleicht mal
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in der Öffentlichkeit berichtet,
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hat juristische Konsequenzen
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oder Sie sind doppelt so stark wie ich,
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kauen Sie zurück.
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Das wird alles innerhalb von wenigen
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Bruchteilen von Sekunden bewertet
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und dann wird mein Verhalten
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danach ausgerichtet.
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Also wir merken,
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der präfrontale Kortex
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spielt eine super zentrale Rolle dabei,
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was uns als Mensch ausmacht.
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Hey, da weiß man damals noch nicht
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alles das darüber,
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was wir heute wissen.
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Und die Lobotomie sieht nun eben vor,
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genau in diesem Hirnbereich
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angeblich defekte Verbindungen
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im Zuge dieser Operation zu zerstören,
00:34:51
das ist zumindest die Idee,
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anschließend neu und gesund bilden können.
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Man kann auch sagen,
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das Gehirn soll quasi auf Werkeinstellungen
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zurückgesetzt werden, ja.
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Und die Fachwelt,
00:35:01
die begegnet der Lobotomie damals
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erstmal noch mit Skepsis,
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einfach, weil es keine Langzeitstudien gibt,
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aber Waterfree Man ist bereits jetzt
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von ihrem Mehrwert überzeugt.
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Und viele Angehörige
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und PatientInnen auch,
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denn nach der Lobotomie
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wirken viele wie ausgewechselt.
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die haben keine hysterischen Anfälle mehr,
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die sind nicht mehr je zornig,
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nicht mehr verhaltensauffällig
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und klagen dann auch nicht mehr
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über depressive Gedanken.
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Stattdessen wirken sie ruhig,
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eben genauso wie Joe Kennedy
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seine Rosemary gerne hätte.
00:35:30
Die neuartige Lobotomie
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erweckt also Hoffnung in ihm.
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Vielleicht sind Freeman und Watts
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Rosemary's Wutanfällen
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operativ ein Ende zu bereiten.
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Vielleicht können sie
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mithilfe eines Skalpels
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den Ruf seiner Familie retten.
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Und so vereinbart Vater
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Joe Kennedy für seine Tochter
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einen OP-Termin.
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Es ist der 6. November 1941.
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Seite an Seite betreten
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Rosemary und ihr Vater
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an diesem Herbsttag
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George Washington University
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Klinik in Washington.
00:36:00
Es ist ein Termin,
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der gewissermaßen
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im Geheimen stattfindet,
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denn Joe Kennedy
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hat niemandem erzählt,
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dass er Rosemary
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heute einer Lobotomie
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unterziehen will.
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Weder ihrer Mutter Rose
00:36:11
noch ihren 8 Geschwistern
00:36:13
vermutlich nicht einmal
00:36:15
Rosemary selbst.
00:36:16
Es ist auch unklar,
00:36:18
ob sie irgendjemand
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nach ihrer Einwilligung fragt.
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Fest steht aber,
00:36:22
nur kurze Zeit später
00:36:24
liegt die 23-Jährige
00:36:26
auf einem OP-Tisch
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inmitten eines sterilen Raums.
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Ihr Schädel ist betäubt
00:36:31
und oberhalb der Stirn
00:36:32
und Schläfen rasiert.
00:36:33
Statt dichtem Haar
00:36:34
wird ihre nackte Kopfhaut
00:36:36
nun von einer aufgemalten
00:36:37
kreuzähnlichen Markierung
00:36:39
Während Rosemary
00:36:40
vermutlich keine Ahnung hat,
00:36:42
was als nächstes
00:36:43
mit ihr passiert,
00:36:44
gehen Freeman und Watts
00:36:49
zuvor getan haben.
00:36:50
Für Patientin Nummer 66
00:36:52
ist nun alles bereit.
00:36:54
Der Eingriff kann beginnen.
00:36:57
Neurochirurg Watts
00:37:00
Rosemary's Schläfe an.
00:37:01
Mit brummendem Geräusch
00:37:03
zweieinhalb Zentimeter
00:37:06
durch die Schädeldecke
00:37:07
seiner Patientin.
00:37:12
20 Zentimeter langer
00:37:15
durch das gebohrte Loch
00:37:20
und beginnt dann,
00:37:26
ein bisschen ekliger.
00:37:44
Dr. Walter Freeman
00:37:51
den Metallspatel
00:37:55
gibt den Ton an,
00:37:58
die Arbeitsteilung
00:37:59
zwischen den beiden,
00:38:03
keine chirurgische
00:38:04
und kann deswegen
00:38:05
nicht selber ran.
00:38:05
Dafür spricht er
00:38:07
aber in der Zeit
00:38:07
mit den PatientInnen,
00:38:09
auch mit Rosemary
00:38:14
auch ein bisschen
00:38:22
rückwärts zählen
00:38:25
God Bless America
00:38:28
Rosemary gehorcht.
00:38:32
im Operationssaal
00:38:36
plötzlich Stille.
00:38:41
Bewusstsein verloren.
00:38:48
nach der Operation
00:38:58
Und dieser Tatsache
00:38:59
müssen jetzt Dr. Freeman
00:39:01
ins Auge blicken.
00:39:02
Seit die 23-Jährige
00:39:04
in ihrem Krankenbett
00:39:05
wird immer deutlicher,
00:39:06
wie niederschmetternd
00:39:08
ihr Zustand ist.
00:39:10
ist nämlich kaum
00:39:11
wieder zu erkennen.
00:39:11
Sie ist offenbar
00:39:13
auf dem Entwicklungsstand
00:39:14
eines Kleinkindes.
00:39:16
was man ihr sagt,
00:39:16
kann sie gar nicht
00:39:20
die sonst so wach
00:39:21
und neugierig aussahen,
00:39:22
sind jetzt trostlos
00:39:25
halbseitig gelähmt
00:39:26
und inkontinent.
00:39:27
Rosemarys bisheriges
00:39:29
Leben war zwar geprägt
00:39:30
diagnostischen Wirrwarr,
00:39:32
vielleicht war sie
00:39:33
kognitiv beeinträchtigt,
00:39:34
vielleicht hatte sie
00:39:34
eine Lernschwäche,
00:39:37
nach der Lobotomie,
00:39:39
Rosemarys Zustand
00:39:40
eindeutig beschreiben.
00:39:41
Sie ist schwerbehindert,
00:39:43
sowohl körperlich
00:39:44
als auch geistig.
00:39:45
Und der Eingriff,
00:39:46
der ihr Heilung bringen sollte,
00:39:47
hat sich für sie
00:39:48
als Katastrophe entpuppt.
00:39:51
und da fragt man sich,
00:39:52
woran hat sie liegen?
00:39:53
Unser neurologischer Experte,
00:39:55
Professor Jürgen Schleier,
00:39:56
gibt uns da eine Einordnung.
00:39:57
Das ist so 100% alles
00:39:59
auf die Lobotomie
00:40:01
also diese halbseitige Lähmung,
00:40:02
die Blasenentlärmungsstörung,
00:40:03
diese erhebliche Minderung
00:40:06
Also die Halbseitenlähmung,
00:40:08
da ist es ja wahrscheinlich
00:40:09
zu weit nach hinten gekommen,
00:40:10
weil das sind die Faserbahnen,
00:40:12
die von der Hirnrinte,
00:40:14
die ein bisschen weiter hinten ist,
00:40:15
für unsere Bewegung zuständig sind.
00:40:17
Wenn die durchtrennt werden,
00:40:18
hat man auf der gegenseitigen
00:40:19
Körperhälfte eine Lämo.
00:40:20
Das ist wie bei einem Schlaganfall.
00:40:22
Und die plötzliche Inkontinenz
00:40:24
lässt sich laut Schleier
00:40:25
auch durch die Verletzungen
00:40:26
am präfrontalen Kortex erklären,
00:40:28
weil der auch eine gewisse Kontrolle
00:40:30
über Blase und Stuhl hat.
00:40:31
Schleiers Fazit lautet also,
00:40:34
dass Watts und Freeman
00:40:35
bei Rosemary's Lobotomie
00:40:36
schlichtweg mehr kaputt gemacht haben,
00:40:38
als sie eigentlich wollten.
00:40:40
irgendwas ist schief gelaufen,
00:40:42
wenn man so will.
00:40:42
Aber Schleier sagt auch,
00:40:44
dass man aus heutiger Sicht
00:40:46
dass diese Lobotomie
00:40:48
eine super problematische OP war,
00:40:52
wirklich alles andere
00:40:53
als präzise war.
00:40:55
Weil es in den 40ern
00:40:56
abgesehen vom Röntgen
00:40:58
nämlich gar keine
00:40:59
technischen Hilfsmittel
00:41:00
und bildgebende Verfahren gab,
00:41:02
mit denen man hätte kontrollieren können,
00:41:04
wie das jeweilige Gehirn
00:41:07
und wo man sich eigentlich
00:41:08
gerade befindet.
00:41:09
Und weil man damit aber ja auch
00:41:11
sowieso nur die Knochen
00:41:13
wäre jetzt Röntgen
00:41:14
eh sinnfrei für die Lobotomie gewesen.
00:41:17
man hat eigentlich
00:41:18
blind darin rumgestochert
00:41:20
dass die Nervenverbindungen
00:41:22
die dann angeblich
00:41:24
für die psychischen
00:41:24
Krankheiten sind.
00:41:30
die Nervenbahnen getroffen hätte,
00:41:31
die man kappen wollte,
00:41:32
dann hätte das für Rosemary
00:41:34
trotzdem höchstwahrscheinlich
00:41:36
negative Folgen gehabt.
00:41:38
den präfrontalen Kortex
00:41:40
dann leiden laut
00:41:41
unserem medizinischen Experten
00:41:42
Professor Schleier
00:41:43
nämlich vor allem zwei Dinge.
00:41:46
die Planungsfähigkeit
00:41:47
und die Emotionsregulierung.
00:41:49
Schwierigkeiten vorhaben,
00:41:51
die eine gewisse Planung
00:41:52
in die Tat umzusetzen.
00:41:54
Also beispielsweise
00:41:55
jetzt die Überlegung,
00:41:56
was will ich essen?
00:41:57
Was brauche ich dafür
00:41:59
Wo bekomme ich die her?
00:42:00
Wie bereite ich das Essen zu?
00:42:01
Weil man vielleicht schon,
00:42:03
nachdem man überhaupt
00:42:04
die Zutaten aufgeschrieben hat,
00:42:06
weshalb man das überhaupt macht.
00:42:08
Und man hat seine Gefühle
00:42:10
überhaupt nicht unter Kontrolle.
00:42:11
Weil man entweder
00:42:12
völlig ungefiltert ist
00:42:14
und starke Emotionen
00:42:16
kontrollieren kann.
00:42:18
oder je nachdem,
00:42:19
welche neuronalen Verbindungen
00:42:21
da zerstört werden,
00:42:22
kann auch das Gegenteil
00:42:24
es kommen gar keine Emotionen
00:42:26
Es werden keine Gefühle gezeigt
00:42:28
oder die Betroffenen
00:42:29
wirken wie eine leere Hülle.
00:42:31
Und das wurde aber damals
00:42:34
als Erfolg verbucht,
00:42:35
weil bei einigen
00:42:36
ja dann auch tatsächlich
00:42:37
das Leid verschwand.
00:42:39
Also zum Beispiel
00:42:40
und kontrollierten
00:42:41
Gefühlsausbrüche.
00:42:43
Aber generell muss man sagen,
00:42:47
die variierten stark.
00:42:48
Also manche PatientInnen
00:42:51
auf dem Entwicklungsstand
00:42:52
eines Kleinkindes.
00:42:54
Manche haben teilweise
00:42:57
vor dem Eingriff hatten
00:43:01
so sehr im Moment,
00:43:02
aber jetzt nicht
00:43:02
auf eine gute Weise,
00:43:03
sondern auf eine Weise,
00:43:07
nicht mehr geregelt bekommt.
00:43:09
zeigt halt eben auch,
00:43:10
dass die Lobotomie
00:43:11
gar nicht das Wunderheilmittel
00:43:13
für das es damals
00:43:15
vor allem in der Presse,
00:43:16
sondern dass die Lobotomie
00:43:19
sehr viel Schaden
00:43:19
anrichten konnte.
00:43:20
Dass quasi diese
00:43:21
plötzliche Wesensveränderung,
00:43:23
die Freeman und Watts
00:43:24
auch als Heilung
00:43:26
interpretierten,
00:43:27
eigentlich nichts weiter
00:43:30
die auch mit dem
00:43:31
Verlust von ganz
00:43:32
wesentlichen Fähigkeiten
00:43:34
und der Persönlichkeit
00:43:36
Nach der verpatzten
00:43:38
Lobotomie von Rosemary
00:43:44
Watts gemacht hat,
00:43:46
schiefgelaufen ist.
00:43:47
Immer wieder erlebt Freeman,
00:43:48
wie es bei PatientInnen
00:43:49
zu schweren Komplikationen
00:43:51
und Infekten kommt
00:43:56
Und es gab auch schon
00:43:58
bei denen Betroffene
00:43:59
danach schwerbehindert sind,
00:44:02
zerstört wurden.
00:44:03
Genau wie bei Rosemary.
00:44:04
Aber Dr. Walter Freeman
00:44:06
gibt halt eben nicht viel
00:44:07
auf diese Ereignisse,
00:44:08
weil das für ihn
00:44:09
nichts weiter sind
00:44:10
als traurige Ausnahme
00:44:12
einer angeblichen
00:44:13
starken Erfolgsserie.
00:44:14
Und er versucht dann,
00:44:17
auch unter den Teppich
00:44:19
indem er behauptet,
00:44:20
die Betroffenen seien
00:44:21
wahrscheinlich schon vorher
00:44:22
schwer krank gewesen
00:44:23
oder ihr Tod war jetzt
00:44:25
gar nicht eindeutig
00:44:25
auf die Lobotomie
00:44:27
Denn Dr. Freeman
00:44:28
ist fest überzeugt
00:44:30
vom Nutzen der Lobotomie
00:44:31
und macht sich deswegen
00:44:32
aus den Todesfällen
00:44:33
und Komplikationen.
00:44:35
Jetzt bei Rosemary
00:44:36
ist das aber ein bisschen
00:44:37
anders, weil die 23-Jährige
00:44:39
ist ja eine Kennedy
00:44:40
und damit halt Mitglied
00:44:43
angesehenen Familie.
00:44:44
Wenn jetzt öffentlich wird,
00:44:46
was die Lobotomie
00:44:46
bei ihr angerichtet hat,
00:44:49
nicht nur das Ende
00:44:49
von der Karriere
00:44:50
von Freeman bedeuten,
00:44:51
sondern auch das Ende
00:44:56
da ist sich Dr. Freeman
00:44:59
größere Katastrophe,
00:45:00
weil die Lobotomie
00:45:02
seiner Meinung nach
00:45:03
wirklich die Lösung
00:45:04
bei psychischen Krankheiten
00:45:05
ist und er ist sich
00:45:07
dass die in Zukunft
00:45:07
zum Standardverfahren
00:45:09
und aber auch das Potenzial
00:45:11
hat, ihn zum Superstar
00:45:13
in der Medizinwelt
00:45:14
Am Ende zeigt sich aber
00:45:16
Dr. Freemans Sorge
00:45:18
über ein vorzeitiges
00:45:20
das ist völlig unbegründet,
00:45:21
denn ihr könnt euch
00:45:23
wer gar kein Interesse
00:45:25
dass die Öffentlichkeit
00:45:26
von Rosemarys Zustand
00:45:29
nämlich Joe Kennedy.
00:45:32
möchte er die beiden
00:45:33
behandelnden Ärzte auch
00:45:35
zur Verantwortung ziehen,
00:45:36
weil für ihn einfach
00:45:37
nur wichtig ist,
00:45:38
jetzt, wo Rosemary
00:45:47
Und wieder einmal
00:45:50
über alles andere.
00:45:56
deswegen heimlich
00:46:00
wo die Kennedy-Familie
00:46:01
mittlerweile auch
00:46:17
und rechtfertigt
00:46:24
Mittleren Westen
00:46:53
einzigen Menschen,
00:47:00
ihren Aufenthaltsort
00:47:03
Kennedys nicht wissen,
00:47:06
niemand besuchen.
00:47:42
US-Repräsentantenhaus
00:48:02
schwerbehinderten
00:48:07
US-amerikanischen
00:49:53
posttraumatische
00:49:54
Belastungsstörungen
00:49:57
so weit verbreitet
00:50:24
Eispickel-Variante.
00:50:42
dann folgendermaßen
00:50:45
eispickel-ähnliches
00:51:11
Medizinkongressen
00:51:29
keine chirurgische
00:52:05
mittelalterlicher
00:53:00
US-amerikanischen
00:53:02
Eispickel-Methode
00:53:04
und durchzuführen.
00:53:38
vielversprechend
00:54:07
Vorbereitungszeit
00:54:24
erklärt dann auch
00:54:26
PatientInnen in der
00:54:50
Bewusstlosigkeit.
00:54:58
Elektro-Krampf-Therapie,
00:55:07
Bewusstlosigkeit
00:55:12
sondern schaltet
00:55:18
an Angstzuständen
00:55:28
schaffen könnte,
00:55:29
also Schizophrenie,
00:55:38
also Angehörige,
00:55:45
unkontrollierbar
00:55:50
vielversprechende
00:56:01
Stimmungsschwankungen,
00:56:03
Arbeitsunwilligkeit,
00:56:06
der auf jeden Fall
00:56:06
auch einen Flock
00:56:09
kommen dann auch
00:56:10
überforderte Eltern
00:56:13
ihre aufmüpfigen
00:56:17
gestellt werden.
00:56:20
eines Zwölfjährigen
00:56:26
erlebt in dieser
00:56:34
führt er täglich
00:56:37
sehr fragwürdigen
00:57:09
Lobotomie-Patienten
00:57:13
kein medizinischer
00:57:14
sondern irgendeine
00:58:04
sag ich jetzt mal,
00:58:07
Positives gesehen und völlig
00:58:09
außer Acht gelassen,
00:58:09
dass diese Menschen
00:58:10
für den Eingriff dann aber auch
00:58:12
einen hohen Preis
00:58:13
zahlen, nämlich teilweise
00:58:14
essenzielle Fähigkeiten
00:58:16
ihrer Persönlichkeit.
00:58:19
Zwölfjährige, den
00:58:20
lobotomiert hat,
00:58:21
der heißt Howard
00:58:25
dass er nach dem
00:58:26
Eingriff kaum noch
00:58:27
Emotionen empfunden hat
00:58:31
so als hätte die
00:58:33
einen Teil seiner
00:58:34
Identität genommen.
00:58:39
Interview mit ihm
00:58:40
könnt ihr die Tage
00:58:41
auch auf unserer
00:58:42
Mordlust der Podcast
00:58:46
keine Ahnung hatte,
00:58:48
und aus Aufzeichnung
00:58:50
geht auch hervor,
00:58:51
dass Howard's Eltern
00:58:52
auch klare Anweisungen
00:58:54
dass die ihm nichts
00:58:56
über diese bevorstehende
00:58:57
Lobotomie erzählen
00:58:58
und damit war er,
00:59:00
da geht man heute von aus,
00:59:01
auch keine Ausnahme.
00:59:04
regelmäßig Lobotomien
00:59:06
PatientInnen ordnungsgemäß
00:59:08
aufzuklären oder
00:59:08
deren Zustimmung
00:59:11
im Grunde genommen
00:59:12
Zwangsbehandlung.
00:59:13
Bei Rosemary Kennedy
00:59:15
geht man ja auch davon aus,
00:59:16
dass sie absolut
00:59:17
keine Ahnung hatte
00:59:19
irgendeinem Vorwand
00:59:22
Heute wäre sowas
00:59:24
PatientInnenrechten
00:59:28
Körperverletzung
00:59:30
stellt das natürlich
00:59:30
auch eine Verletzung
00:59:32
Aufklärungspflicht dar.
00:59:35
war das allerdings
00:59:36
ein bisschen anders,
00:59:37
Medizinhistoriker
00:59:38
Heiner Fanggerau
00:59:42
vielen psychischen
00:59:46
vorher herrschte
00:59:48
dass diese Menschen
00:59:50
nicht einwilligungsfähig
00:59:52
weil ihnen zum Beispiel
00:59:59
einer Entscheidung
01:00:03
sie könnten zum Beispiel
01:00:04
auch einen psychisch
01:00:05
vergangenen Zeit
01:00:06
überredet haben,
01:00:12
würde man ja sagen,
01:00:16
der Einwilligung,
01:00:18
ich will es machen,
01:00:24
Fanggerau meint,
01:00:25
dass man davon ausgeht,
01:00:28
sogar ausdrücklich
01:00:29
gegen den Willen
01:00:31
von Patientinnen
01:00:32
durchgeführt hat
01:00:33
und das könnte man
01:00:34
heute juristisch gesehen
01:00:36
also jetzt neben
01:00:38
Körperverletzung
01:00:38
auch als Nötigung
01:00:39
oder gegebenenfalls
01:00:41
auch als fahrlässige
01:00:45
Vor allem bei Menschen,
01:00:46
die in Nervenheilanstalten
01:00:47
untergebracht waren,
01:00:48
sei das vermutlich
01:00:49
oft vorgekommen.
01:00:51
obwohl das schon damals
01:00:57
sagt Heiner Fanggerau,
01:00:59
in solchen Institutionen
01:01:01
oft abgesprochen,
01:01:02
dass sie in der Lage sind,
01:01:04
einen eigenen Willen
01:01:07
wurde einfach gemacht.
01:01:09
Eine Debatte darum,
01:01:11
dass es für eine Therapie
01:01:13
eine Einwilligung
01:01:14
eines Menschen braucht
01:01:15
und wenn der Mensch
01:01:16
selbst nicht einwilligen kann
01:01:18
eines Stellvertreters,
01:01:19
einer Stellvertreterin,
01:01:20
der war auch in der Zeit
01:01:23
und wurde diskutiert.
01:01:25
Also eine Therapie
01:01:26
soll nur mit Einwilligung
01:01:28
durchgeführt werden.
01:01:29
Das war eigentlich
01:01:30
der ethische Standard,
01:01:31
der praktische Standard
01:01:33
war ein anderer,
01:01:36
entweder nicht akzeptiert
01:01:38
oder übergangen wurde.
01:01:39
Aber Dr. Freeman
01:01:41
lässt sich damals
01:01:42
und niemandem stoppen.
01:01:45
transorbitale Lobotomien
01:01:46
nimmt er im Laufe
01:01:48
im medizinischen
01:01:49
Bis das Jahr 1954
01:01:54
einen Wendepunkt markiert.
01:01:56
als Chlorpromazin
01:01:58
auf den Markt kommt.
01:01:59
Das ist ein Medikament,
01:02:01
Neurotransmitter
01:02:01
im Gehirn blockiert
01:02:02
und so dann hilft,
01:02:05
und Wahnvorstellungen
01:02:11
Und es ist damals
01:02:13
die Geburtsstunde
01:02:14
der Psychopharmakam.
01:02:15
Und die Tatsache,
01:02:16
dass sich Symptome
01:02:18
einer psychischen
01:02:19
nun medikamentös
01:02:20
behandeln lassen,
01:02:23
Freemans Erfolgskurs
01:02:25
weil sich natürlich
01:02:26
weniger Menschen
01:02:27
lobotomieren lassen
01:02:27
möchten und lieber
01:02:29
eine Pille schlucken
01:02:30
oder eine Spritze
01:02:31
nehmen, weil das
01:02:31
viel attraktiver ist,
01:02:32
als sich ein Eispickel
01:02:33
ins Hirn rammen zu lassen.
01:02:36
trauen sich dann auch
01:02:36
immer mehr Ärzte
01:02:37
eine Freemans-Methode
01:02:39
außerhalb von Hörsälen
01:02:41
und Besprechungszimmern
01:02:44
werden auch immer mehr
01:02:45
Langzeitschäden der
01:02:46
Lobotomie offensichtlich
01:02:47
und Fälle bekannt,
01:02:48
in denen Menschen
01:02:50
Eingriffs gestorben sind
01:02:52
oder anschließend
01:02:52
schwerbehindert waren.
01:02:54
Also von dem einzigen Glanz
01:02:56
und der Hoffnung,
01:02:57
die jahrelang mitschwangen,
01:02:59
nichts mehr übrig.
01:03:01
ist die ernüchternde
01:03:03
als amerikanisches
01:03:04
Gesicht der Lobotomie
01:03:08
Auch wenn er das
01:03:10
ganz anders sieht.
01:03:13
die negativen Auswirkungen
01:03:15
seines Schaffens
01:03:16
Das endet dann darin,
01:03:17
dass er auch irgendwann
01:03:19
eines Medizinkongresses,
01:03:22
mit Kritik konfrontiert wird,
01:03:29
von PatientInnen
01:03:30
und Angehörigen.
01:03:32
sieht er sich dann
01:03:33
irgendwann gezwungen,
01:03:34
Eispickel und Hammer
01:03:36
aus der Hand zu legen,
01:03:38
an der mittlerweile
01:03:39
Lobotomie von Freeman
01:03:41
an einer Hirnblutung
01:03:43
und ihm die Approbation
01:03:44
Das ist das Ende
01:03:47
seiner medizinischen
01:03:50
kann er trotzdem nicht.
01:03:51
In den kommenden Jahren
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setzt er sich dann wieder
01:03:54
in sein Wohnmobil
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und fährt quer durch die USA,
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um ehemalige PatientInnen
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weil er positive
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Erfahrungsberichte
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damit er der Welt
01:04:03
wieder zeigen kann,
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die habe ich alle gerettet.
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Heute ist nicht viel
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darüber bekannt,
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ob ihm überhaupt
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jemand die Tür aufmacht,
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welche Begegnungen er hat
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und welche Geschichten
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stirbt Walter Freeman
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dann an Darmkrebs
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eines der dunkelsten
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US-amerikanischen
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Medizingeschichte.
01:04:24
Eine Geschichte,
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die ein trauriges
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Denn die Auswirkungen
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von Freemans Lobotomien
01:04:30
sind auch nach seinem Tod
01:04:32
nämlich durch die Menschen,
01:04:33
deren Leben er ruiniert hat.
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Auch das von Rose Marie.
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Die älteste Kennedy-Tochter
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hat es immer schwer gehabt.
01:04:40
Die ganze Kindheit und Jugend
01:04:41
über gehörten Ablehnung,
01:04:43
Misserfolg und Selbstzweifel
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zu ihrem Alltag.
01:04:45
Und die Lobotomie
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hat ihr dann endgültig
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einen Strich durch die Rechnung
01:04:49
irgendwann ein Leben zu führen,
01:04:51
in dem sie das Gefühl hat,
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Als ihr Bruder 1961
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zum Präsidenten gewählt wird,
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geben die Kennedys
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erstmals öffentlich bekannt,
01:05:01
in einer Einrichtung
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untergebracht ist.
01:05:03
Ohne Details zu nennen,
01:05:04
sagen sie der Presse,
01:05:05
eine Beeinträchtigung hat.
01:05:07
Dass sie sie aber
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seit fast 20 Jahren
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nicht gesehen haben
01:05:10
und auch nicht besucht haben,
01:05:12
das behalten sie dann noch für sich.
01:05:14
Das ist eine Ignoranz,
01:05:15
die offenbar von Joe Kennedy ausgeht,
01:05:17
weil er eben auch lange
01:05:18
den Aufenthaltsort
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seiner Tochter geheim hält
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und der Rest der Familie
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wohl erst Jahre später erfährt,
01:05:24
wo Rose Marie ist
01:05:26
und was mit ihr passiert ist.
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Als Joe Kennedy 1969 stirbt,
01:05:30
nimmt die Familie dann wieder Kontakt
01:05:32
zu der mittlerweile
01:05:32
51-jährigen Rose Marie auf.
01:05:36
die da noch da sind.
01:05:39
sind auch drei weitere
01:05:40
Geschwister von Rose Marie
01:05:41
bereits verstorben.
01:05:42
28 Jahre nach ihrer Lobotomie
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das erste Mal wieder umgeben
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von einigen ihrer Brüder
01:05:50
regelmäßig besuchen,
01:05:51
wird ihr Ausflüge machen
01:05:52
und sie jetzt wieder
01:05:53
in das Familienleben einbeziehen.
01:05:55
Rose Marie ist es mittlerweile gelungen,
01:05:57
zumindest das Laufen
01:05:58
wieder etwas zu erlernen.
01:06:01
kann sie sich alleine
01:06:02
auf den Beinen halten
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da einige Meter gehen.
01:06:04
Richtig sprechen
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kann sie dagegen nie wieder.
01:06:07
Und auch der einstige Glanz
01:06:10
ist nicht mehr da.
01:06:11
Rose Marie ist zwar anwesend
01:06:12
und nimmt Dinge wahr,
01:06:14
und versucht zu kommunizieren,
01:06:16
aber es gibt eben auch
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in denen es wirkt,
01:06:18
als wäre sie ganz weit weg.
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nimmt sie im Alter
01:06:24
ihrer drei noch lebenden
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ihren letzten Atemzug.
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Umgeben von denen,
01:06:29
mit denen ihr Vater
01:06:30
regelmäßig verglichen hat
01:06:32
und mit denen sie
01:06:34
nie mithalten konnte.
01:06:39
ich mache jetzt mal das,
01:06:40
was ich mit Laura
01:06:41
sonst immer mache.
01:06:42
mich fragt ja zwar niemand,
01:06:43
was meine Gedanken dazu sind,
01:06:45
vielleicht können wir ja auch
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irgendwann so einen Einspieler
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von Laura bringen,
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wo sie mich dann fragt,
01:06:49
was hältst du jetzt davon?
01:06:54
ich habe mir lange
01:06:55
Gedanken um die Figur
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Dr. Freeman gemacht
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und welche Rolle
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er in dieser ganzen Sache
01:07:00
und welche Schuld
01:07:00
er damit auf sich geladen hat.
01:07:02
Und ich bin dann
01:07:03
von Jack L. High gestoßen,
01:07:07
und wie sich seine Meinung
01:07:10
im Laufe seiner Recherche
01:07:11
so verändert hat.
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zunächst dachte ich,
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dass er ein Monster
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oder ein Verbrecher
01:07:17
gewesen sein muss.
01:07:20
was er getan hat.
01:07:23
als eine tragische Figur.
01:07:29
sondern für die Folgen
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seiner eigenen Fehler
01:07:32
und Versäumnisse.
01:07:34
als seinen eigenen Fehler
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sehe ich hier ganz klar,
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das Nicht-in-Kenntnis-Setzen
01:07:39
der PatientInnen,
01:07:40
obwohl er das damals schon
01:07:42
gar nicht machen dürfen.
01:07:43
Und auch das Nicht-Aufklären
01:07:44
über die möglichen Folgen.
01:07:47
seine Erfolgsquote
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mit 63 Prozent an,
01:07:51
nicht wahnsinnig viel ist.
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Was dann Erfolg bedeutet,
01:07:55
das steht nochmal
01:07:55
auf einem anderen Blatt,
01:07:57
eine leere Hülle
01:07:59
Aber in den Werbungen
01:08:02
hört sich das halt an,
01:08:03
als wäre das wirklich
01:08:04
das Allheilmittel
01:08:07
Und dass die Lobotomie
01:08:09
so einen Erfolgskurs hatte,
01:08:11
hatte sicherlich
01:08:13
Also der war halt,
01:08:15
eine charismatische Figur
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so eine Art Entertainer.
01:08:18
Also das sieht man
01:08:20
in diesen Beiträgen,
01:08:20
aber er ist ja offenbar
01:08:22
auch richtig gut
01:08:23
bei Leuten angekommen,
01:08:24
weswegen er auch
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so viele von seiner
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Methode überzeugen konnte.
01:08:27
Also Freeman soll
01:08:30
und 4.000 Lobotomien
01:08:32
selbst durchgeführt haben.
01:08:33
Der war natürlich
01:08:34
damals auch nicht alleine.
01:08:37
Und allein bei seinen
01:08:39
sollen Schätzungen
01:08:41
200 bis 300 Menschen
01:08:43
und natürlich Tausende
01:08:45
nachhaltig an schweren
01:08:46
Beeinträchtigungen
01:08:47
danach gelitten haben.
01:08:48
Tausende, Tausende
01:08:51
ein tragisches Schicksal
01:08:53
erleiden mussten.
01:08:54
Und da möchte ich
01:08:55
das mit dem Finger
01:08:55
nochmal auf eine andere
01:08:57
und zwar auf Joe Kennedy.
01:09:01
um ihm zu gefallen
01:09:04
an ihr durchführen,
01:09:06
durchgeführt wurde.
01:09:07
Rosemary war die
01:09:10
Diese OP war super riskant
01:09:13
und dann geht schief,
01:09:14
was nicht selten
01:09:15
zur damaligen Zeit
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Und dann besucht er
01:09:18
sie kein einziges Mal
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und macht nicht mal
01:09:24
wie übrigens auch
01:09:26
also zumindest ist
01:09:27
darüber nichts bekannt,
01:09:28
nicht geklagt hat,
01:09:30
war für Dr. Freeman
01:09:32
ja auch ein absoluter
01:09:36
nicht so ein Typ
01:09:37
dem die öffentliche
01:09:38
Wahrnehmung seiner
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viel zu wichtig war,
01:09:42
das war auch eine
01:09:43
einflussreiche Familie.
01:09:45
damals öffentlich
01:09:46
gegen den ausgesprochen
01:09:48
schon dem Ansehen
01:09:51
Und möglicherweise
01:09:52
zumindest einige
01:09:55
verhindern können.
01:09:56
Zumindest in den USA,
01:09:58
weil das sei auf jeden Fall
01:09:59
der war ja nicht der
01:10:01
Und die Schätzungen,
01:10:02
wie viele PatientInnen
01:10:03
es weltweit gegeben
01:10:05
die schwanken da stark.
01:10:06
Also zwischen 100.000
01:10:08
und einer Million.
01:10:09
Einige davon auch
01:10:12
natürlich auch nicht
01:10:13
mal durchgeführt.
01:10:13
Ich hatte es vorhin
01:10:14
ja auch schon mal
01:10:15
Begründer der Lobotomie
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war ja eigentlich
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dieser portugiesischen
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Antonio Egas Moniz,
01:10:22
der übrigens auch
01:10:24
dass man Homosexualität
01:10:25
damit heilen könnte.
01:10:26
Und der hat 1949
01:10:28
sogar den Nobelpreis
01:10:30
was diesem Eingriff
01:10:32
natürlich auch noch mal
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Popularitätsschub
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Vertrauen geschenkt hat.
01:10:39
und das war bei mir
01:10:40
am Anfang auch so,
01:10:41
dass bei manchen
01:10:42
jetzt der Reflex
01:10:43
naheliegen könnte,
01:10:44
dass man all das
01:10:46
komplett verurteilt
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und aus heutiger Sicht
01:10:48
versteht man das ja auch,
01:10:50
dachte man halt wirklich,
01:10:52
man würde den Menschen
01:10:54
Also in vielen Fällen
01:10:57
wirklich Menschen,
01:10:58
gewalttätig waren,
01:10:59
Stimmen gehört haben,
01:11:01
depressiv waren,
01:11:04
Und man hat damals
01:11:06
nach Möglichkeiten
01:11:08
nicht wegzusperren
01:11:10
schlimmsten Bedingungen
01:11:12
vegetieren zu lassen.
01:11:13
Und nach der Lobotomie
01:11:15
waren diese Leiden
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in Anführungsstrichen.
01:11:19
einen Vergleich ganz gut
01:11:22
ganz schlimme Schmerzen
01:11:24
die man unbedingt
01:11:25
nicht mehr haben will
01:11:26
und dann kommt jemand
01:11:27
und nimmt das Bein ab,
01:11:28
dann sind die Schmerzen
01:11:30
aber bei der Lobotomie
01:11:32
hat man nach außen
01:11:35
dass auch ein enormer
01:11:37
Vor allem nicht,
01:11:38
wenn man erst mal
01:11:39
so euphorisiert davon ist,
01:11:42
die schlimmen Symptome
01:11:43
einer Erkrankung
01:11:44
nicht mehr da sind.
01:11:44
Erschreckend finde ich
01:11:46
wenn ich mir das so ansehe,
01:11:47
wie lange das schon her ist,
01:11:50
also dass diese Idee davon,
01:11:51
die Gesellschaft
01:11:52
in starke und schwache
01:11:53
Individuen zu unterscheiden
01:11:55
und was für Auswirkungen
01:11:56
das aber noch immer
01:11:57
auf unsere heutige Welt hat.
01:12:00
dass das noch immer
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eine Heidenarbeit ist,
01:12:04
Zipanz für Unterschiede
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in die Welt zu bringen,
01:12:06
denn unsere Gesellschaft
01:12:08
viel zu ableistisch,
01:12:10
wir sind immer noch
01:12:11
viel zu ableistisch,
01:12:12
wir stigmatisieren
01:12:13
psychische Erkrankungen
01:12:15
noch viel zu sehr,
01:12:17
obwohl ich selbst
01:12:17
lange Zeit davon betroffen war,
01:12:19
weil ein Drittel der Bevölkerung
01:12:20
mindestens einmal im Leben
01:12:22
davon betroffen ist
01:12:24
und immerhin bemüht man sich
01:12:25
heute sehr um eine
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Entstigmatisierung.
01:12:27
Einige geben sich da
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I am looking at you,
01:12:32
Carsten Linnemann.
01:12:34
Stichwort Register
01:12:35
für psychisch erkrankte
01:12:36
GewalttäterInnen.
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Vielleicht hilft es ein bisschen,
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dass wir immer wieder
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den Blick zurückwerfen,
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was hat sich seitdem geändert
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und was kann ich heute tun.
01:12:52
halte ich zum Glück
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keinen Monolog mehr.
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Da ist Laura wieder dabei
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und wir sprechen über
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den Anschein macht,
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als wäre die schuldige Person
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schnell gefunden.
01:13:01
doch dann sind sich
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die zur Verurteilung
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verhelfen sollen,
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nicht mehr so sicher.
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Das war ein Podcast
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der Partner in Crime.
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Hosts und Produktion
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und Laura Wohlers.
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Jennifer Fahrenholz
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Rechtliche Abnahme
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Abel und Kollegen.