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#184 Leichen im moos

Mordlust.
Willkommen bei Mordlust, einem Podcast der Partner in Crime.
Wir reden hier über wahre Verbrechen und ihre Hintergründe.
Mein Name ist Paulina Kraser und heute glücklicherweise wieder bei uns ist
die Laura Wohlers, die bin ich.
Wir erzählen hier in jeder Folge einen bedeutsamen wahren Kriminalfall nach,
ordnen den für euch ein, erörtern und diskutieren die juristischen,
psychologischen oder gesellschaftlichen Aspekte und wir sprechen mit Menschen mit Expertise.
Hier geht es um True Crime, also auch um die Schicksale von echten Menschen.
Bitte behaltet das immer im Hinterkopf.
Das machen wir auch, selbst dann, wenn wir zwischendurch mal etwas abschweifen.
Das ist für uns so eine Art Comic Relief, aber natürlich nicht despektierlich gemeint.
Bevor wir mit dem heutigen Fall starten, in dem eine ganze Stadt von einer Festnahme erschüttert wird.
Laura, wie hat dir die letzte Folge ohne dich gefallen?
Also es war natürlich erstmal ein komisches Gefühl, mich nicht zu hören.
Vor allem direkt bei dem Anfangssatz, wo man so denkt, jetzt komme ich ja, ich bin ja ein Teil.
Ja, das ist mein Part, jetzt mein Einsatz.
Ja, ich habe dann schon so mitgesprochen und dann dachte ich, stopp.
Nee, aber auf der anderen Seite war ich ja jetzt sozusagen in erster Linie Hörerin, also Konsumentin.
Und wie wir alle wissen, liebe ich True Crime Podcasts, vor allem, wenn sie sehr gut sind.
Und das war für mich irgendwie...
Danke.
Genau, das war eben so.
Ich fand die Folge ziemlich gut.
Ja, vor allem deswegen, weil ich das Thema super spannend fand.
Und dann fand ich es irgendwie toll, wie nah man doch an Rosemary rangekommen ist.
Also obwohl sie ja selber nie erzählt hat und mit der Presse gesprochen hat, konnte ich als Zuhörerin total mitfühlen.
Und was mich ehrlicherweise gar nicht gestört hat, war, dass es keine zweite Stimme gab, also dass es mich nicht gab.
Das hat mich am meisten gestört, weil es super anstrengend ist, so lange zu labern.
Das wollte ich dich nämlich auch fragen, wie das jetzt für dich war, weil für mich als Hörerin war das nicht komisch oder so.
Also beim Hören fand ich es auch okay.
Also ich finde, man merkt schon, dass was fehlt.
Aber bei der Aufnahme vor allem war das ganz anders, weil du fehlst mir natürlich als Ansprechpartnerin und aber auch als Korrektur.
Weil wir beide reden ja auch manchmal Quatsch und dann sagt der andere halt, stopp, was erzählst du da für ein Bullshit?
Und das gab es halt jetzt nicht.
Ja.
Deswegen, man ist dann so ganz für sich alleine und weiß auch nicht so, passt es jetzt?
Oder macht man ziemlich viel ins Blaue hinein.
Und besonders gefehlt hast du mir natürlich dann auch zum Ende, wo man dann nochmal über den Fall redet und was einen daran besonders bewegt hat.
Weil da sprechen wir ja zusammen drüber und das fühlt sich sehr komisch an, so mit den eigenen Gedanken dann da so alleine zu sein.
Ja, das glaube ich, aber ich fand das total wichtig, dass du es gemacht hast, weil du mir dann da auch so an ein paar Stellen so aus der Seele gesprochen hast.
Und das ist ja auch das, was wir oft von unseren HörerInnen gespiegelt bekommen, dass das eben cool ist, dass wir am Ende nochmal so das rekapitulieren und reflektieren und so weiter.
Weil das dann erstens eben manchmal genau das ist, was die auch denken.
Oder die kommen nochmal auf andere Ideen und denken sich, ja, stimmt, so ist das.
Und ich muss sagen, ich habe das bei noch keinem True Crime Podcast so gehört, der halt alleine erzählt wird, dass jemand sich am Ende halt so viel Zeit genommen hat für eine Reflexion.
Und ich fand das aber richtig wichtig.
Aber was ich dann sagen muss, so das Einzige, was mir gefehlt hat vielleicht als Konsumentin ist, dass, weil manchmal sind wir in einem echt spannenden und irgendwie auch traurigen Fall, aber dann gibt es da irgendeinen Detail und dann kommst du oder ich komme irgendwie auf eine Idee und dann gibt es da so eine kleine Side-Story zu, ne, so, dass dann irgendwie ja dieser Comic-Relief ist, ne.
Und der ist natürlich einfach schwer als Einzelperson zu liefern, ne.
Ja, voll.
Also das war das Einzige, was ich so ein bisschen vermisst habe.
Aber auch, weil ich gerne dabei gewesen wäre und mit dir gerne auch ein bisschen gequatscht hätte.
Also ich hatte dich auf jeden Fall die ganze Zeit im Ohr irgendwie.
So hat sich das angefühlt.
Als wüsste ich sowieso schon, was du denn dazu sagen willst und das habe ich dann einfach auch gesagt.
Naja.
Und jetzt starten wir aber mit unserem heutigen Fall, der uns mitnimmt in ein Haus hinter hohen Hecken und in einen dunklen Wald, in dem sich kurz vor Neujahr 2012,
am helllichten Tag Schreckliches abspielt.
Alle Namen, selbst den Namen einer Stadt, haben wir in diesem Fall geändert.
In den Tagen zwischen Weihnachten und Silvester scheinen die Uhren irgendwie langsamer zu ticken.
In den Fenstern vieler Häuser leuchten festliche Lichterketten, während drinnen Familien zusammenkommen, um gemeinsam innezuhalten, um den Schwebezustand zu genießen.
Es ist der 29. Dezember, zwei Tage vor Silvester, als spät am Abend das Telefon im Haus des 47-jährigen Bauingenieurs klingelt.
Am anderen Ende der Leitung ist sein Vater Arno.
Es sieht ihm gar nicht ähnlich, so spät noch anzurufen.
Es muss sich um etwas Dringendes handeln.
Und tatsächlich berichtet sein Vater, dass Eckarts Mutter Margarete seit heute Mittag verschwunden ist.
Sie sei nicht von ihrer Gassirunde im Wald zurückgekommen, wo sie jeden Tag mit Aurel, einem alten Kockerspaniel, spazieren geht.
Sein Vater fragt, ob Eckart vielleicht wisse, wo seine Mutter ist.
Eckart ist perplex.
Seine Eltern leben fünfeinhalb Autostunden entfernt in Steinried, einer Stadt in Brandenburg.
Und seine 67-jährige Mutter hat kein Handy.
Nein, sagt Eckart, er weiß nicht, wo sie ist.
Sorge steigt in ihm auf, aber sein Vater versucht, ihn zu beruhigen.
Er habe bereits die Polizei informiert und eine Vermisstenanzeige aufgegeben.
Noch heute Nacht werde ein Hubschrauber mit Wärmebildaufnahmen nach Margarete suchen.
Nach dem Telefonat mit seinem Vater ist die entspannte Festtagsstimmung vor Eckart wie verflogen.
In der Nacht schläft er nicht viel und schon am nächsten Morgen um kurz nach sechs ruft er bei seinem Vater an,
in der Hoffnung, dass seine Mutti, wie er sie nennt, inzwischen wieder aufgetaucht ist.
Aber das ist sie nicht.
Also entscheidet sich, Eckart ins Auto zu steigen und nach Steinried zu fahren
und seinem aufgewühlten Vater bei der Suche zu helfen.
Als er gegen 14 Uhr an seinem Elternhaus in Steinried ankommt, wartet sein Vater schon auf ihn.
Eigentlich sieht alles aus wie immer.
Der Rasen des riesigen Gartens ist perfekt gemäht, die hohe Hecke, die das Holzhaus umrahmt, ist akkurat getrimmt,
die Terrasse ist mit zahlreichen Moosgestecken dekoriert, die Eckarts Mutti passend zur Jahreszeit gern selbst bastelt.
Nur Margarete selbst fehlt.
Und sein Vater Arno will keine Zeit mehr verlieren.
Obwohl die Hubschrauber in der Nacht nichts gefunden haben,
will Eckarts Vater im Wald, wo Margarete immer mit dem Hund Gassi geht, nach ihr suchen.
Auf dem Weg müssen sie noch einen Freund von Arno abholen, den er ebenfalls gebeten hat, zu helfen.
Also fahren sie direkt los und sind kurze Zeit später zu dritt in dem Waldstück.
Hohe Tannen stehen hier dicht beieinander.
Wenig Licht fällt auf den feuchten Waldboden.
Vom Hauptweg gehen mehrere Trampelfahrer ab, die sie nacheinander ablaufen.
Etwa eine Stunde lang suchen sie.
Erfolglos.
Das ist doch Irrsinn, was wir hier machen, sagt Eckart schließlich.
Hier ist nichts.
Auch der Freund seines Vaters will längst umdrehen und woanders suchen.
Doch sein Vater Arno besteht darauf, weiterzumachen.
Er gibt die Richtung vor und Eckart geht ihm hinterher,
als er, Eckart, plötzlich in einigen Metern Entfernung zwei schwarze Schuhe sieht.
Schwarze Slipper, die akkurat nebeneinander am Wegesrand stehen.
Eckart ruft seinen Vater Arno heran.
Ja, das sind Muttis Schuhe, sagt er, während Eckart schon etwas anderes ins Auge gefasst hat.
Einige Meter von den Schuhen entfernt kann er zwei Erdhügel erkennen.
Einer ist groß und länglich, der andere kleiner.
Sie sind mit Moos und Laub bedeckt.
Offenbar liegt darunter etwas.
Aus dem größeren Erdhügel schauen zwei Füße hervor.
Aus dem kleineren Hügel braunes Fell, wie das von Aurel.
Als Eckart begreift, was er sieht, fängt er an zu schluchzen.
Er weint.
Es müssen die Füße seiner Mutter sein, seiner geliebten Mutti.
Ein Blick zu seinem Vater verrät, auch er ist erschüttert.
Der sonst so gefasste 68-Jährige ist kreidebleich und zittert am ganzen Körper.
Trotzdem schafft es sein Vater, das Handy aus der Tasche zu holen und die Polizei zu verständigen,
die nur Minuten später zusammen mit einem Notarztwagen eintrifft.
Eckart, sein Vater und dessen Freund werden einige hundert Meter vom Fundort entfernt von den SanitäterInnen versorgt.
Eckart steht unter Schock und trotzdem will er wissen, ob seine grausame Vermutung wahr ist.
Es ist seine Mutter, die dort im Wald liegt.
Unter Erde, Moos und Laub, so als wäre sie beerdigt worden.
Ja, bestätigt ihm die Polizei, nachdem die Beamtinnen die Leiche freigelegt haben.
Es sind Margarete und der Familienhund Aurel.
Eckart ringt mit seiner Fassung.
Sein Herz wird schwer wie ein Stein und seine Brust wird eng.
Immer wieder hat er dieselben schrecklichen Bilder vor seinem inneren Auge.
Die Schuhe am Wegesrand, der Erdhügel in der Ferne und die Füße, die herausragen.
Das ist seine Mutter.
Sie wurde offenbar im Wald getötet, bei ihrer Gassirunde, die sie seit Jahren jeden Tag macht.
Er will die Bilder abstellen, nicht wahrhaben, aber sie sind wahr.
Das wird ihm allein durch die PolizistInnen bewusst, die hier sind und beginnen, viele Fragen zu stellen.
Fragen, die er ihnen gern beantworten würde.
Wann ist sie zum Gassi gehen aufgebrochen?
Gab es Menschen, mit denen seine Mutter Streit hatte?
Wer könnte ihr das angetan haben?
Aber Eckart stellt sich diese Fragen selbst.
Es ist bereits dunkel geworden, als er und sein Vater nach Hause gebracht werden.
In das leere Holzhaus, in dem Eckart alles an seine Mutter erinnert.
Der Schmerz ist kaum auszuhalten, an diesem ersten Abend ohne sie.
Genau wie an den Tagen, die darauf folgen.
Denn Eckart bleibt über den anstehenden Jahreswechsel bei seinem Vater in Steinried.
Er will ihn jetzt nicht allein lassen.
Immerhin waren seine Eltern 47 Jahre lang verheiratet.
47 Jahre und einen Tag, um genau zu sein.
Am 28. Dezember, einen Tag bevor Margarete verschwunden ist, haben sie ihren Hochzeitstag gefeiert.
Der Strauß roter Rosen, den Eckarts Vater seiner Mutter zu dem Anlass geschenkt hat, steht noch immer in voller Pracht auf dem Wohnzimmertisch.
Daneben auf dem Boden der üblich geschmückte Weihnachtsbaum, wie ihn Eckart noch aus seiner Kindheit kennt.
Er hatte eine glückliche Kindheit, Jirnstein riet.
Seine Mutter war erst 20, als sie ihn bekommen hat.
Sein leiblicher Vater hat sich kurz darauf aus dem Staub gemacht.
Aber es hat nur wenige Monate gedauert, bis Arno, seinen Adoptivvater, seinen Platz eingenommen hat.
Eckarts Mutter und er kannten sich noch aus Schulzeiten.
Sie war das schönste Mädchen der Klasse, hat Eckart sich sagen lassen.
Mit braunen Locken und immer hübsch angezogen.
Damals hatte sein Vater Arno ein Auge auf sie geworfen.
Und ein halbes Jahr nach Eckarts Geburt, im Dezember 1964, haben die beiden schließlich geheiratet.
Als Eckart neun Jahre alt war, sind sie gemeinsam in das gepflegte Holzhaus gezogen.
Sein Vater Arno hat zwei Kamine eingebaut, das Dach neu gedeckt und hat den riesigen Garten neu angelegt.
Seine Mutter hat sich unten ein Kosmetikstudio eingerichtet.
Jeden Morgen, wenn Eckart zur Schule musste, kam schon die erste Kundin, die seine Mutti im weißen Kittel mit zurückgebundenem Haar und einem breiten Lächeln empfangen hat.
Und wenn Eckart zurückkam, hatte seine Mutter meist noch immer zu tun.
Sein Vater hat ihm dann bei den Hausaufgaben geholfen.
Arno war schon immer klug und wissbegierig, aber als Eckart noch ein Kind war, konnte sein Vater in der Berufswelt lange nicht richtig Fuß fassen.
Für einige Jahre war er Leiter einer Schmiede im Autowerk, danach technischer Leiter eines Zirkus.
Zeitweise war sein Vater auch arbeitslos.
Erst als Eckart mit 26 von zu Hause ausgezogen ist, nach Nordrhein-Westfalen, wo er als Bauingenieur mehr Geld verdienen konnte, hat sein Vater Karriere gemacht.
Das war 1990, nach der deutschen Wiedervereinigung.
Arno hat sich in Steinried, das in der ehemaligen DDR lag, schon während der Wende politisch engagiert.
Er war einer der Gründungsmitglieder des hiesigen SPD-Ortsvereins und wurde nach der Wiedervereinigung zum ersten Bürgermeister der Stadt ernannt.
Unter Arnos Hand ist Steinried aufgeblüht.
Er hat ein gläsernes Rathaus errichten lassen, hat Arbeitsplätze geschaffen und die Autobahn, die vorher mitten durch die Stadt ging, auf Stelzen bauen lassen, um den Ort ruhiger zu machen.
Steinried galt daraufhin als ostdeutsches Wirtschaftswunder und Eckart konnte in der Presse Fotos von seinem Vater sehen, seine grauen Haare, seine eckige Brille und die blauen Augen dahinter, wie er die Hände von Gerhard Schröder, Angela Merkel und sogar von Prinz Charles schüttelte.
Sein Vater wurde zweimal wiedergewählt. Er war 18 Jahre im Amt, bevor er sich 2008 vor drei Jahren zur Ruhe setzte.
Seiner Beliebtheit im Ort hat das aber keinen Abbruch getan.
Wenn Eckart in Steinried mit seinem Vater unterwegs ist, dann grüßt ihn jeder mit Namen.
Überall muss er Smalltalk halten. Genau wie seine Mutter.
Im Ort hat man sogar Spitznamen für die beiden eingeführt.
Sein Vater wird Napoleon genannt, weil er mit seinen 1,65 recht klein ist, dafür in seinem Job aber umso erfolgreicher.
Und seine Mutter nennen manche die Lady Di von Steinried, weiß Eckart.
Denn genau wie die verstorbenen Prinzessin ist auch seine Mutter für ihre Hilfsbereitschaft bekannt.
Jedes Jahr hat sie einen Adventsmarkt in der Stadt veranstaltet, dessen Erlös komplett an das ortsansässige Frauenhaus gespendet wurde.
Selbst an die Türen von hochrangigen Firmenchefs hat sie geklopft, um die Spenden zu vervielfachen.
Privat hat sie regelmäßige Klassentreffen für ihre ehemaligen MitschülerInnen organisiert, um den Kontakt zu halten.
Und auch für die Frauen, die zu ihr ins Studio kamen, war Margarete weit mehr als nur Kosmetikerin.
Das wird Eckart erst jetzt bewusst, als seine Mutti nicht mehr da ist.
Von allen Seiten erreichen ihn und seinen Vater Beileidsbekundung.
Eine langjährige Freundin seiner Mutter berichtet, dass Margarete sie noch kurz vor ihrer Gassierunde am Tag ihres Verschwindens angerufen hatte.
Eckarts Mutter hatte ihr versprochen, heute im Wald Moos zu sammeln, um ihr ein schönes Gesteck für den Balkon zu basteln.
Doch statt Moos zu sammeln, wurde Eckarts Mutter an diesem Tag unter Moos und Erde begraben.
Ein grauenvolles Bild, das immer wieder vor Eckarts innerem Auge vorbeizieht.
So wie die Feiertage an ihm.
An Silvester klingelt abends ein befreundetes Ehepaar seiner Eltern an der Haustür, das nichts vom Tod seiner Mutter weiß.
Sie sind schick gekleidet und haben Berliner dabei.
Margarete hatte sie vor ihrem Tod eingeladen.
Eckart muss ihnen nun sagen, dass hier heute niemandem nach Feiern zumute ist.
Seine Mutti ist nicht mehr da.
Sie wird das Jahr 2012 nie erleben.
An ihrer Stelle ist die Trauer in das große Holzhaus eingezogen.
Eckarts Vater vergräbt sich seit ihrem Tod in Alltagsaufgaben.
Er erledigt Papierkram und fährt mit einem alten Freund ins Museum.
Es ist seine Art der Trauerbewältigung, denkt sich Eckart, als er eine Woche nach dem Tod seiner Mutter zurück nach Nordrhein-Westfalen zu seiner Familie fährt.
Was ich jetzt erstmal total gut finde, dass man, wenn man seinen Partner verliert, was ja so unfassbar tragisch ist, dass man sich einfach Sachen sucht, die einen beschäftigen.
Und ich meine, als Kind ist es natürlich auch immer schwierig, dabei zusehen zu müssen, wenn ein Elternteil stirbt, was mit dem anderen passiert.
Weil als Kind musst du deine eigene Trauer bewältigen, plus dich dann ja auch noch um das andere Elternteil sorgen, was möglicherweise den größten Teil des Lebens nicht ohne den Partner verbracht hat.
Ja, und dieses Beschäftigen, das lenkt einen ja auch ab und hält einen irgendwie davon ab, in so ein ganz tiefes Loch zu fallen.
Und das wird natürlich auch Eckart wichtig sein, der ja auch wieder zurück zu seiner Familie möchte, nach so einer schweren Zeit.
Und zu Hause kann er das erste Mal seit langer Zeit seine Kinder wieder in die Arme nehmen.
Ein bisschen Abstand zu haben zu dem, was in Steinried passiert ist, tut ihm gut.
Es ist der 24. Januar, etwa vier Wochen nach Margaretes Verschwinden, als Eckart zu Hause wieder einen Anruf aus der Heimat erreicht.
Doch diesmal ist es nicht sein Vater, sondern eine Kommissarin der Kriminalpolizei.
Sein Vater sei festgenommen worden, sagt sie.
Er stehe im Verdacht, seine Ehefrau Eckarts Mutter getötet zu haben.
Die Nachricht über Arnus Festnahme versetzt Eckart, aber auch die BürgerInnen von Steinried in Schock.
Der ehemalige Bürgermeister wurde im Schlafanzug und in Handschellen abgeführt.
Das haben die NachbarInnen gesehen.
Nur aus welchem Grund sollte er seine Ehefrau töten?
Darüber spekuliert schon bald die ganze Stadt.
Margarete und Arno haben doch jahrelang eine Ehe wie im Bilderbuch geführt.
Sie sind Seite an Seite aufgetreten und haben beim jährlichen Adventsmarkt um die Wette gestrahlt.
Doch jetzt, wo die Verhaftung des ehemaligen Bürgermeisters in aller Munde ist, wollen einige Leute im Ort mehr gewusst haben.
Doch, doch, zuletzt hatte es gekriselt, erzählen manche.
Andere tragen es so lange weiter, bis es zum Stadtgespräch wird.
Arno soll sich im Ruhestand eine Wohnung in Berlin genommen haben, sagen die einen.
Aber nur, weil er im Alter noch eine Unternehmensberatung gegründet und ab und zu in Berlin gearbeitet hat, sagen die anderen.
Zudem habe er die Wohnung in der Hauptstadt im letzten Monat gekündigt und sei wieder ganz zu Hause bei Margarete eingezogen.
Sie habe sich darüber gefreut, wissen ihre Freundinnen.
Sie hatte vor, das Kosmetikstudio aufzugeben und sich selbst zur Ruhe zu setzen.
Sie wollte ihre Rente mit Arno genießen.
Mit dem Mann, mit dem sie bald ihre goldene Hochzeit gefeiert hätte.
Der Mann, der jeden in der Stadt kennt und freundlich grüßt.
Dass er jetzt der Hauptverdächtige im Mordfall seiner Frau ist, ist für viele in Sternried völlig unverständlich.
Vor allem nach den schauderhaften Geschichten, die man sich im Ort erzählt hat.
Es gab Gerüchte darüber, dass Margarete mit einer Schrotflinte erschossen worden sei,
dass die Mafia sie getötet habe oder dass sie Opfer eines Sexualverbrechens geworden sei.
Niemand hat vermutet, dass Arno etwas damit zu tun gehabt haben könnte.
Von einem Sexualdelikt sind auch die PolizistInnen, die am Fundort der Leiche waren, zunächst ausgegangen.
Denn dort im Wald sah alles danach aus.
Margaretes lebloser Körper war übel zugerichtet.
Sie hatte Hämatome, vermutlich von Faustschlägen, im Gesicht und ihr Kopf steckte in einer Plastiktüte.
Unter der Tüte kam ein grün-violett gestreifter Schnürsenkel zum Vorschein, der eng um den Hals zugezogen worden war.
Damit wurde die 67-Jährige erdrosselt, fand die Rechtsmedizin später heraus.
Genau wie ihr Hund Aurel.
Auch um seinen Hals wurde ein Schnürsenkel festgezogen, bis das Tier nicht mehr atmen konnte.
Seine kleine Schnauze steckte in einer leeren Fruchtgummitüte.
Ein grauenvoller Anblick.
Genauso war Margaretes Unterleib vollkommen entblößt.
Ihre Hose und ihr Slip hingen nur noch in einer Kniekehle.
Ein Bein lag komplett frei.
In ihrer Hosentasche konnten die Ermittlungen ein ungenutztes Kondom und eine Viagra-Tablette finden.
Ihre Gucci-Armbanduhr trug Margarete noch am Arm.
Deshalb ging die Kripo anfangs von einem Sexualverbrechen aus, doch die Vermutung haben die PolizistInnen nach der Obduktion verworfen.
Es gibt keine Anzeichen dafür, dass Margarete im Wald vergewaltigt wurde.
Und auch, dass der Täter noch vor einer versuchten Vergewaltigung von SpaziergängerInnen überrascht wurde und eilig geflüchtet ist, schließt die Polizei aus.
Dann hätte er nämlich nicht die Zeit gehabt, die Leiche noch mit Erde zu bedecken und Margaretes Schuhe so akkurat an den Wegesrand zu stellen.
Die Polizei geht jetzt vielmehr davon aus, dass der, der ihr das angetan hat, seine Tat als Sexualverbrechen tarnen wollte.
Deshalb hat er Margaretes Hose heruntergezogen und ihr das Kondom und die Viagra-Tablette in die Hosentasche gesteckt.
Arno wusste, wann und wo sie jeden Tag im Wald spazieren war.
Er hat sie sogar mehrfach davor gewarnt, allein und ohne Handygassi zu gehen.
Und er hat sich von Anfang an verdächtig verhalten.
Schon bei seiner ersten Befragung im Wald, als Margarete gerade erst gefunden wurde,
hat Arno unaufgefordert angefangen, von ihren Eheproblemen zu erzählen.
Margarete sei sehr dominant gewesen, hat Arno gesagt.
Er habe im gemeinsamen Haus kein Bild aufhängen dürfen.
Und als er einmal blaue Blumen im Garten angepflanzt habe, habe seine Frau die Zwiebeln wieder ausgebuddelt.
Deswegen habe er sich im Ruhestand eine eigene Wohnung in Berlin genommen.
Nicht wegen der Unternehmensberatung, sondern weil er dort endlich seine Ruhe hatte
und selbst Bilder an die Wände hängen durfte, was ihn gefreut habe.
Trotzdem sei er von einem Monat zu Margarete zurückgekommen.
Er habe der Ehe nochmal eine Chance geben wollen, hat Arno der Polizei gesagt.
Auf sein Alibi angesprochen, hat Arno angegeben, am Vormittag beruflich in Steinried an der Therme zu tun gehabt zu haben
und später in Berlin zum Essen mit einem Freund verabredet gewesen zu sein.
Die Polizei hat zwischenzeitlich ZeugInnen befragt, die beides bestätigen.
Aber zum Essen in Berlin ist Arno erst um 14.15 Uhr erschienen, nicht um 13 Uhr wie verabredet.
Und am Vormittag wurde Arno zwar von überraschend vielen BürgerInnen in Steinried gesehen,
es gibt aber auch mehrere Menschen, die sich auf einen ZeugInnenaufruf der Polizei gemeldet haben,
die glauben, Arno danach noch gesehen zu haben.
Und zwar um kurz nach 12 Uhr zwischen der Therme und dem Essen in Berlin.
Am Waldrand von Steinried. Und zwar zusammen mit Margarete.
Die ZeugInn Frau Kloos kennt Arno und Margarete vom Sehen.
Am Tattag, dem 29. Dezember, sei sie mit dem Fahrrad an der Stelle vorbeigefahren,
an der Margarete jeden Mittag ihren silbernen Mercedes parke, bevor sie in den Wald gehe.
Sie kenne das Kennzeichen gut, sagt die ZeugInn. Und die Türen seien geöffnet gewesen.
Margarete habe mit ihrem Hund Aurel an der einen Fahrzeugtür gestanden und ein Mann an der anderen.
Er habe hinter der Autotür gestanden, deshalb habe sie ihn nicht ganz sehen können,
aber sie glaubt, dass der Mann Arno gewesen sei. Ganz sicher sei sie sich aber nicht.
Ähnlich geht es dem Ehepaar Kramer, das am 29. Dezember ebenfalls auf der Straße am Waldrand unterwegs war.
Die beiden seien auf dem Weg zum Blumengroßmarkt gewesen, erzählt Frau Kramer der Polizei,
als sie den Mercedes von Margarete am Eingang des Waldweges haben stehen sehen.
Der Kofferraum sei geöffnet gewesen und Margarete habe ihre Schuhe gewechselt, erinnert sich Frau Kramer.
Weiter hinten im Wald habe sie einen Mann erkannt, von dem sie glaubt, dass es Arno war.
Sie habe sich noch gewundert, dass Arno heute mit in den Wald gehe, sagt die ZeugInn.
Normalerweise sei Margarete nämlich immer alleine mit dem Hund Gassi gegangen.
Darüber hat sich auch Frau Niederberger gewundert, eine Parteikollegin von Arno.
Sie kennen sich seit über zehn Jahren.
Auch sie gibt bei der Polizei an, dass sie Margaretes Mercedes vermutlich am 29. Dezember gegen 12 Uhr am Waldrand habe stehen sehen.
Arno sei gerade aus der Beifahrertür ausgestiegen, als sie vorbeigefahren sei und er sei gestolpert.
Sie wusste, dass er einige Zeit in Berlin gelebt und dass es in der Ehe des ehemaligen Bürgermeisters gekriselt hatte.
Deshalb habe sie sich in dem Moment darüber gewundert, dass Margarete und Arno offenbar wieder zusammen seien.
Gleichzeitig war sie von Arnos Haarfarbe überrascht.
Der ist aber grau geworden, sei er durch den Kopf gegangen.
Sie könne sich nicht mehr mit Sicherheit erinnern, ob sie die beiden am 28. oder am 29. Dezember gesehen habe, tendiere aber zum 29.
Ein anderer Zeuge gibt außerdem an, dass er Margarete am 28. Dezember, also am Tag vor ihrem Verschwinden, alleine auf dem Weg zum Gassigehen gesehen hat.
Auch deshalb geht die Polizei davon aus, dass Frau Niederberger Arno am Tag der Tat, also am 29. im Wald gesehen hat.
Dass Arno überhaupt die Tage mit seiner Frau im Wald gewesen war, hatte er bei den polizeilichen Befragungen aber nicht erzählt.
Auch das macht ihn zum Verdächtigen. Denn zur Tatzeit zwischen 12 und 13.30 Uhr hat niemand Arno gesehen.
Zum Essen in Berlin ist er enorm verspätet gekommen.
Er sagt, weil die Arbeit an der Therme länger gedauert habe, aber auch dafür gibt es keine Zeuginnen.
Auch, dass der ehemalige Bürgermeister überhaupt beruflich an der Therme zu tun gehabt hat, kann niemand belegen.
Er habe sie früher einmal bei der Planung eines Anbaus unterstützt, gibt ein Mitarbeiter bei der Polizei an.
Aber zum Tatzeitpunkt sei die Zusammenarbeit eigentlich beendet gewesen.
Damit steht für die Polizei fest, Arno hat, was sein Alibi betrifft, gelogen.
Er verbirgt etwas. Deshalb wird der ehemalige Bürgermeister von Sternried knapp einen Monat nach der Tat festgenommen.
Und durch Arnos Festnahme wird der Fall weit über die Grenzen von Steinried hinaus bekannt.
Früherer Rathauschef verhaftet und Ex-Bürgermeister soll seine Ehefrau ermordet haben, Titel in Zeitungen in ganz Deutschland.
Der Fall des einst gefeierten Lokalpolitikers ist in aller Munde.
Und dabei stützt sich die Boulevardpresse auf ein ganz bestimmtes Detail.
Ihr liegt ein Roman vor, den Arno offenbar vor wenigen Monaten unter einem Pseudonym in einem Verlag für private Autobiografien veröffentlicht hat.
Wachgeküsst heißt das Buch, auf dessen Cover sich ein Mann und eine Frau zwischen roten Rosenblättern tief in die Augen blicken.
Eine Erotik-Erzählung steht unter dem Titel.
Ein Sexbuch schreibt die BILD, denn es geht um eine rauschende Affäre zwischen dem Protagonisten, den Arno Henry Sanders genannt hat, und einer viel jüngeren Angestellten.
Und um die zerrüttete Ehe des Mannes.
In einem BILD-Interview bestätigt Arnos Verlegerin nach seiner Festnahme, dass Arno das Manuskript selbst geschrieben und die Erzählung sogar selbst erlebt hat.
Sie habe viele unschöne Stellen über seine Ehefrau sogar noch gestrichen.
Nicht aber eine Passage, die jetzt vielfach in der Presse zitiert wird.
Aus Seite 84 unterhält sich die Hauptfigur Henry mit einem Bekannten über gescheiterte Ehen.
Haben Sie jemals daran gedacht, auszusteigen oder sich scheiden zu lassen?
fragt der eine.
Entscheidung nie. An Mord schon, sagt der andere.
Die BürgerInnen von Steinried können nicht glauben, was sie da lesen.
Ihr Bürgermeister soll eine Affäre gehabt und ein Buch darüber veröffentlicht haben.
Gedruckt wurden nur etwa 250 Exemplare und von denen will jetzt jeder eines.
Immer wieder werde in ihrem Buchladen nach der zwielichtigen Biografie gefragt, sagt eine Steinrieder Buchhändlerin der Presse.
Es gäbe schon eine Warteliste.
Vor den Schlagzeilen ist auch Eckart in seiner 500 Kilometer entfernten Heimat in Nordrhein-Westfalen nicht sicher.
Er kann seinen Vater auf den Titelseiten der Klatschblätter sehen.
Er ist entsetzt.
Nicht darüber, dass sein Vater eine Affäre hatte, das wusste er bereits.
Sondern weil er ein Buch darüber geschrieben hat und weil die Ehe seiner Eltern nun in der Öffentlichkeit durch den Dreck gezogen wird.
Das hätte seine Mutter nicht gewollt, meint Eckart.
Sie würde sich im Grab umdrehen, wenn sie davon wüsste.
Und bei dem Gedanken daran zieht sich alles in Eckart zusammen.
Denn ihr Ruf war seiner Mutti immer enorm wichtig.
So wichtig, dass sie seinem Vater nicht einmal eine Szene gemacht hat, als sie selbst vor Jahren von dieser Affäre erfahren hat.
Im Jahr 2005 hat sie einen anonymen Brief bekommen, in dem man ihr mitgeteilt hat, dass Arno mit einer jüngeren Angestellten im Rathaus fremd gehe.
Das finde ich irgendwie interessant.
Diese anonymen Briefe, wo dann jemand erzählt, hier dein Ehemann geht fremd.
Ich frage mich immer, wer sind diese Leute?
Ich war mal fast so eine.
Erzähl, das möchte ich wissen.
Das finde ich super spannend, weil ich das natürlich auch manchmal gerechtfertigt finden würde, wenn man sowas mitbekommt.
Es gibt natürlich verschiedene Gründe, sich einfach nicht einzumischen.
Aber es gibt auch verschiedene Gründe, vielleicht der Person das mitzuteilen.
was der Partner oder die Partnerin macht.
Also je nachdem auch, in was für einer Beziehung man zur betrogenen Person steht.
Ja, also in der Situation war das so, dass ich dachte, jetzt langsam muss es ihr endlich mal jemand sagen.
Also der Frau.
Und zwar, damit die sich endlich trennt.
Damit das Pärchen, also das andere Pärchen, die Affäre, dann freie Bahn hat.
Was?
Also ich wollte, dass die Frau, dessen Mann seit Jahren eine Affäre mit einer anderen hat, dass die das erfährt, damit die sich trennt, die Frau.
Damit die Affäre freie Bahn hat.
Ja, okay, aber also inhaltlich habe ich es schon verstanden, aber du wolltest sozusagen gar nichts Wohlwollendes für die Frau, sondern für die Affärenfreundin.
Genau, weil ich der Affärenfreundin etwas näher stehe als eine Frau.
Naja, also genau, ich war nicht beteiligt, aber ich habe dann eben auch gedacht, gut, ich kenne ja die Frau gar nicht und woher soll ich wissen, dass diese Frau sich trennt, wenn die mitbekommt, dass ihr Mann fremd geht.
Vielleicht will die sich gar nicht trennen, vielleicht ist ihr das auch egal.
Vielleicht, wenn sie es erfährt, will sie eine Paarberatung machen und danach sind sie happier than ever.
Und deswegen habe ich mich am Ende dann auch dazu entschieden, leben und leben lassen und denke, dass das in dem Fall auch genau das Richtige war.
Aber ich frage mich gerade, ob es anders gewesen wäre, wenn ich jetzt zum Beispiel die Affäre von jemandem bin, in den ich halt unsterblich verliebt bin, sage ich jetzt mal, würde ich das dann der Ehefrau in einem Brief schreiben, weißt du?
Ja, ja, hier drängt sich natürlich der Verdacht auf, dass dieser Brief anonym geschrieben wurde, weil es vielleicht ein Mitarbeiter oder eine Mitarbeiterin aus dem Rathaus ist, dass die Person dann vielleicht nicht möchte, dass ihr Arbeitsplatz dann irgendwie in Gefahr ist oder so.
Ja, ich habe noch eine andere Frage dazu. Also wenn du jetzt die Margarete gewesen wärst, hättest du das lieber so erfahren durch so einen anonymen Brief oder gar nicht erfahren?
Boah, doch, ich hätte es dann schon lieber erfahren als nicht.
Genau, aber du hast mich gefragt, wenn ich die Margarete wäre und das weiß ich halt nicht. Wenn ich jetzt ich bin und mein Partner würde mich betrügen, würde ich es auf jeden Fall wissen wollen, falls du das die Frage ist.
Und dann auch lieber durch einen anonymen Brief als gar nicht. Du auch, ne?
Ja, auf jeden Fall. Schreibt mir, wenn ihr was wisst.
Das finde ich clever, weil die Person müsste dann ja auch den Namen deines Mannes wissen, womit du dann ja schon mal sicher wärst, dass das jetzt nicht irgendwie nur so dahergeholt ist, weil der ist ja nicht mit Namen hier bekannt, wie Fussel zum Beispiel.
Ja.
Was ja auch seine Vorteile hat, ne? Man sagt ja, halt deine Beziehung geheim, dann kannst du zwei haben.
Sagt man das? In der Medienwelt.
Ja, Margarete hat es jetzt auf jeden Fall erfahren und dann auch ihren Sohn Eckart damals angerufen, um ihm davon zu erzählen.
Sie war verletzt, aber trotzdem gefasst. Sie hat nie in Erwägung gezogen, sich deshalb von ihrem Ehemann zu trennen. Ihre Rache sah anders aus.
Sie habe sich jetzt ein Ohrengrab allein gekauft, hat sie ihrem Sohn damals mitgeteilt.
Wenn sie irgendwann sterben sollte, dann solle er, Eckart, die Rede auf ihrer Beerdigung halten, hat Margarete von ihrem Sohn verlangt.
Und er solle sicherstellen, dass sein Vater niemals ihr Grab besuchen werde.
Und tatsächlich hat Eckart die Rede auf ihrer Beerdigung gehalten.
Er hat viel geweint an diesem Tag.
So plötzlich seine geliebte und kerngesunde Mutti zu verlieren, hat ihn völlig aus der Bahn geworfen.
Sein Vater stand währenddessen nur blass und still neben ihm.
Später hat Arno einen Kranz aus weißen Rosen auf ihrem Grab niedergelegt.
In tiefer Trauer hat dein Arno schon auf der Schleife.
Es war das einzige Mal, dass er an ihrem Grab stand.
Denn zwei Tage später wurde Arno festgenommen und Eckarts Leben geriet noch mehr aus den Fugen.
Es wurde erschüttert, genau wie sein Urvertrauen.
Dass ausgerechnet sein Vater, der Mann, der ihn adoptiert und als Kind mit ihm die Hausaufgaben gemacht hat,
ihm die Mutter genommen haben soll, hat Eckarts Welt auf den Kopf gestellt.
Er will das nicht glauben.
Aber da ist auch ein Teil von ihm, der sich schon in der Woche nach Margaretes Tod,
als Eckart und Arno alleine waren, über das Verhalten seines Vaters gewundert hat.
Warum hat er sich in unwichtigem Papierkram vergraben?
Warum ist er mit einem Freund ins Museum in Berlin gegangen, statt zu Hause mit Eckart zu trauern?
Einmal, als Vater und Sohn zusammen im Auto an dem Waldstück vorbeigefahren sind, in dem Margarete gefunden wurde,
hat sein Vater Eckart gebeten, anzuhalten.
Arno ist ausgestiegen und zum späteren Leichenfundort gegangen.
Was hat er da gemacht?
Fragt sich Eckart noch heute.
Hat er Beweise vernichtet?
Eckart hat inzwischen der Polizei davon erzählt und erhofft, dass der anstehende Gerichtsprozess Klarheit schaffen wird.
Klarheit über das, was im Wald geschehen ist.
Klarheit darüber, warum seine Mutti so grausam sterben musste.
Dabei sind es nicht nur Antworten, die der Prozess für Eckart bereithält, sondern auch neue Fragen.
Fragen, die niemand hat kommen sehen.
Zehn Monate nach Margaretes Tod, an einem Mittwochmorgen im Oktober 2012, soll der Prozess gegen Arno starten.
Die erste Verhandlung ist auf 9 Uhr angesetzt, doch bereits um 7.30 Uhr warten die ersten BesucherInnen vor dem Landgericht in Potsdam.
Darunter ist ein Lehrer, der Arno einst unterrichtet hatte, FreundInnen aus der Partei und BürgerInnen aus Steinried.
Sie wollen unbedingt einen Platz ergattern und sehen, wie der gefallene Bürgermeister in Handschellen in den Verhandlungssaal geführt wird.
Auch Eckart ist gespannt darauf, seinen Vater wiederzusehen.
Allerdings hat er seinen Platz sicher.
Eckart hat die Nebenklage im Prozess angetreten.
Denn weil er der Sohn des Angeklagten ist, hat er lange keine Akteneinsicht erhalten.
Alle Informationen, die er zum Verbrechen an seiner Mutter finden konnte, musste er aus der Presse zusammenlesen.
Erst seit er Nebenkläger ist, ist er im Bilde darüber, was genau mit seiner Mutter passiert sein soll und was die Staatsanwaltschaft seinem Vater vorwirft.
Seite um Seite hat er die Akten studiert und als er damit fertig war, hat er entschieden, seinen Vater nicht mehr im Gefängnis zu besuchen.
Zu belastend sind die Aussagen der ZeugInnen, die seinen Vater und seine Mutter an ihrem Todestag im Wald gesehen haben.
Zu unglaubwürdig ist das Alibi, das sein Vater vorlegt.
Und zu groß ist der Schmerz in Eckarts Brust, jetzt, wo er die grauenvollen Details zum schrecklichen Tod seiner Mutter kennt.
Allein, dass sein Vater verdächtigt wird, ihr all diese schlimmen Dinge angetan zu haben, hat sein Urvertrauen fundamental erschüttert.
Er konnte diesem Mann einfach nicht mehr gegenübertreten. Bis heute vor Gericht.
Es kostet Eckart Kraft, heute hier zu sein, aber er muss, um herauszufinden, was mit seiner Mutti passiert ist.
Und seit er die Akten gelesen hat, kann er sich gut vorstellen, dass sein Vater das ganz genau weiß.
Doch Arno dementiert weiterhin, etwas damit zu tun zu haben.
Allen, die ihn im Gefängnis besucht haben, hat er seine Hände gezeigt und gefragt, ob diese Hände töten können.
Und in einer Wochenzeitung, die kostenlos in Sternried verteilt wird, hat er eine Anzeige schalten lassen.
Ich bitte Sie um Mithilfe, heißt es darin.
Hat mich jemand am 29. Dezember zwischen 12 und 13 Uhr in oder auf dem Gelände der Therme gesehen.
Bekleidet war ich mit einer dreiviertellangen dunkelblauen Wetterjacke und einer blauen Jeans.
Arno hat in der Anzeige darum gebeten, dass sich potenzielle ZeugInnen bei der Polizei oder bei seinen Rechtsbeiständen melden sollen.
Zwei renommierte AnwältInnen, neben denen er heute vor Gericht im blauen Brudelhemd und mit offenem Jackett Platz nimmt.
Er sieht zu Boden, als die Fotografen ihr Blitzlichtgewitter vor ihm eröffnen.
Erst als die Presse den Saal verlassen hat, hebt Arno seinen Kopf.
Eckart sieht zu ihm hinüber.
Schweiß bildet sich auf Eckarts Stirn.
Doch sein Vater weicht den Blick seines Sohnes aus.
Die Staatsanwaltschaft hat Arno wegen des heimtückischen Mordes an seiner Ehefrau angeklagt,
in Tateinheit mit einem Verstoß gegen das Tierschutzgesetz.
Der Angeklagte leugnet den Tatverwurf.
Seit seiner Festnahme hat er nicht mehr auf die Fragen der Ermittelnden geantwortet.
Doch weil Arno im Ort so bekannt ist, konnte die Staatsanwaltschaft auch ohne seine Hilfe relativ genau rekonstruieren,
wie der Tag, an dem Margarete getötet wurde, verlaufen sein könnte.
Die Tatversion, von der die Ermittelnden ausgehen, beruht in großen Teilen auf den Aussagen von etlichen ZeugInnen,
die sowohl Margarete als auch Arno am Tag der Tat gesehen haben.
Und sie wird jetzt zum Anfang des Prozesses im Rahmen der Anklage vor Gericht verlesen.
Am 29. Dezember 2011, dem Tag, an dem Margarete sterben wird, steht sie um 5.30 Uhr auf, um mit Aurel spazieren zu gehen.
Nur die Straße runter, so wie jeden Morgen.
Danach frühstückt sie mit Arno und die beiden verabreden sich für 12 Uhr zu einem gemeinsamen Spaziergang im Wald.
Bis dahin gehen beide ihre Wege.
Margarete bleibt zu Hause und telefoniert mit mehreren Freundinnen.
Arno fährt in die Stadt.
Zuerst zur Sparkasse, wo er einem Bankmitarbeiter recht zerstreut vorkommt.
Mehrfach läuft er ohne erkennbaren Grund zwischen dem Automaten und dem Schalter hin und her,
wie man auf den Überwachungskameras später sehen kann.
Anschließend fährt er zur Therme, in der in den Weihnachtsfeiertagen viel los ist.
Drei lange Schlangen haben sich vor dem Schwimmbad gebildet.
Arno stellt sein Auto im Parkverbot ab.
Das beobachtet eine Mitarbeiterin in ihrer Raucherpause.
Er erklärt ihr, dass er nur schnell etwas abgeben müsse und gleich wegfahre.
Dann geht er an einer der Schlangen vorbei, direkt zur Kasse.
Er grüßt den Kassierer und spricht kurz mit ihm, worüber sich der Mann wundert.
Doch statt dann etwas abzugeben, geht Arno nach einem kurzen Smalltalk einfach wieder zurück nach draußen,
wo er sein Auto umparkt.
Anschließend läuft er ohne erkennbaren Grund zurück ins Foyer der Therme.
Erst um kurz vor 12 verlässt Arno den Empfangsraum des Schwimmbads
und geht zu Fuß zu einer nahegelegenen Straßenkreuzung, wo er sich mit Margarete verabredet hat.
Davon geht jedenfalls die Staatsanwaltschaft aus.
Er steigt in ihren silberfarbenen Mercedes ein und gemeinsam fahren sie zum Wald.
Wie immer parkt Margarete am Waldrand vor einer Schranke.
Sie öffnet den Kofferraum und wechselt ihre Schuhe, während Arno schon in den Wald hineinläuft.
Seine Frau folgt ihm mit Aurel.
Sie sind von der Straße aus nicht mehr sichtbar, als Margarete plötzlich vom Pfad abbiegt.
Die 67-Jährige wird zu einer Stelle, an der sie schon häufig Moos gesammelt hat.
Sie will ja ein Gesteck für ihre Freundin machen.
Das hat sie ihr heute Morgen am Telefon versprochen.
Sie zieht sich gerade ihre gelben Gummihandschuhe an, als Arno, der vor ihr steht,
plötzlich seine Hand zu einer Faust bald und unvermittelt ausholt.
Der 68-Jährige verpasst seiner Frau zwei Faustschläge ins Gesicht.
Daraufhin geht Margarete zu Boden.
Dort kniet Arno sich auf sie und legt ihr den Schnürsenkel,
den er von zu Hause mitgebracht hat, um den Hals.
Er zieht ihn unter ihrem Kinn fest zusammen.
Minutenlang bringt Margarete um ihr Leben.
Dann hört sie auf zu atmen.
Zur Sicherheit zieht Arno ihr noch eine Plastiktüte über den Kopf,
die er mit der Hundeleine an ihrem Hals befestigt.
Anschließend packt Arno den 14 Jahre alten Cocker Spaniel Aurel und erdrosselt auch ihn.
Dann wendet Arno sich wieder Margarete zu.
Er steckt ihr das Kondom und die Viagra-Tablette in die Hosentasche
und zieht ihr die Hose und ihren Slip herunter.
Auch ihre Schuhe streift er von den Füßen.
Die schwarzen Slipper, die sie immer im Wald getragen hat,
stellt er an den Wegesrand in der Hoffnung, dass man ihre Leiche schnell findet
und er die Rolle des besorgten Ehemannes, der seine Frau sucht,
nicht allzu lang spielen muss, vermutet die Staatsanwaltschaft.
Dann bedeckt er die Leiche mit Erde, Laub und Moos
und geht schließlich zurück zum Waldweg.
Mit dem Auto seiner Frau fährt er zurück in die Stadt.
Er stellt es am Wegesrand einer Straße ab und wirft den Schlüssel in einen Laubhaufen,
wo er später von einer Anwohnerin gefunden wird.
Zu Fuß geht er zurück zu seinem eigenen Auto, das noch immer in der Nähe der Therme steht
und ruft seinen Bekannten an, mit dem er längst in Berlin zum Essen verabredet war.
Er entschuldigt sich für die Verspätung und fährt etwa 30 Minuten nach Berlin,
wo er gegen Viertel nach zwei ankommt.
Arno isst seelenruhig und trinkt Rotwein,
bevor er gegen halb vier zurück nach Steinried fährt.
Dort begibt er sich ins leere Haus.
30 Minuten wartet er, bevor er die ersten Bekannten anruft und nachfragt,
ob sie wissen, wo Margarete sei.
Sie seien um 16 Uhr zum Kaffee zu Hause verabredet gewesen, sagt er.
Natürlich weiß niemand, wo Margarete steckt.
Aber es macht sich auch niemand große Sorgen.
Margarete werde schon bald heimkommen, vermuten alle.
Doch Margarete kommt nicht heim.
Und um 18 Uhr geht Arno zur Polizei, um eine Vermisstenanzeige aufzugeben.
Der erste Polizist bemüht ihn ab.
Es sei noch zu früh für eine Anzeige, sagt er.
Erst als sein Vorgesetzter erfährt, dass der ehemalige Bürgermeister seine Frau sucht,
werden plötzlich alle Hebel in Bewegung gesetzt.
Mit Spürhunden und Hubschraubern wird noch in der Nacht nach Margarete gesucht,
allerdings ohne Erfolg.
Währenddessen ruft Arno seinen Sohn Eckart an,
der am nächsten Tag nach Steinried reist, um bei der Suche nach seiner Mutter zu helfen.
Sein eigener Vater führt ihn schließlich zum Leichenfundort.
Er besteht darauf, genau dort weiterzusuchen,
wo Eckart schließlich die Schuhe seiner getöteten Mutti entdeckt.
Ein grausamer Plan seines eigenen Vaters.
Da ist sich zumindest die Staatsanwaltschaft sicher.
Für die Tatversion, die die Staatsanwaltschaft in der Anklage darlegt,
spricht etwa, dass Arnos Handy zur Tatzeit in der Funkzelle eingeloggt war,
in der sich auch der Leichenfundort befindet.
Außerdem konnten Kriminaltechniker in winzige DNA-Spuren von Arno an den Schnürsenkel feststellen,
mit denen Margarete und Aurel erdrosselt wurden.
Es sind nur Indizien, aber zusammen mit den Aussagen der ZeugInnen,
die Arno am Tattag mit Margarete im Wald gesehen haben,
bilden sie eine Indizienkette, die für Arnos Täterschaft spricht.
Auch die ZeugInnen sind vor Gericht geladen.
Nur hören sich ihre Beobachtungen jetzt, zehn Monate nach ihren Aussagen bei der Polizei, plötzlich ganz anders an.
Frau Niederberger, Arnos Parteikollegin, ist sich überhaupt nicht mehr sicher,
ob sie Arno nicht schon am Mittwoch, also einen Tag vor Margaretes Verschwinden, mit ihr im Wald gesehen hat.
Bei der Polizei hatte sie noch zum Donnerstag, also dem 29. tendiert.
Jetzt vor Gericht möchte sie sich nicht mehr festlegen.
Genau wie die ZeugInnen Frau Kloss, die Radfahrerin.
Sie kann vor Gericht nicht mit hundertprozentiger Sicherheit bezeugen,
ob es Arno war, den sie am Waldrand mit Margarete gesehen hat.
Er sei von der Autotür verdeckt gewesen, sie habe ihn nicht richtig erkennen können.
Und auch Frau Kramer, die am 29. Dezember mit ihrem Mann auf dem Weg zum Blumengroßmarkt war
und sich in ihrer polizeilichen Vernehmung noch sicher war, Arno mit Margarete gesehen zu haben,
distanziert sich plötzlich von ihrer Aussage.
Sie habe die Person, die mit Margarete im Wald war, nur von ganz weit hinten,
in einer Entfernung von mehreren hundert Metern gesehen.
Und sie glaube nicht, dass es Arno war, der da lief.
Arno würde nicht so, Zitat, latschen, wie die Person, die sie gesehen habe.
Frau Kramer beharrt sogar darauf, dass sie niemals gesagt habe, den Angeklagten gesehen zu haben.
Selbst als der Vorsitzende Richter sie mit ihren Aussagen bei der Polizei konfrontiert,
in denen sie Arno klar benennt, dementiert sie.
Das frustriert den Vorsitzenden Richter sichtlich.
Mitten in der Verhandlung schlägt er mit der flachen Hand auf den Tisch.
Ihm und allen anderen Anwesenden ist klar,
damit fallen drei der wichtigsten Zeuginnen weg.
Nämlich alle, auf die die Anklage die Annahme gestützt hatte,
dass Arno am Tag der Tat mit Margarete im Wald war.
Und gleichzeitig kommen vor Gericht neue ZeugInnen hinzu,
die ihn stattdessen woanders gesehen haben wollen.
Denn mehrere Menschen haben sich auf Arnos Anzeige in der Zeitung gemeldet
und ausgesagt, dass sie ihn nach 12 Uhr am 29. Dezember an der Therme gesehen haben,
so wie er es immer behauptet hatte.
Damit stützen sie sein Adibi und bringen die gesamte Indizienkette der Anklage ins Wanken.
Die scheint nach nur wenigen Wochen vor Gericht aber auch an allen anderen Enden zu bröckeln.
Selbst die Funkzelle, in der Arno zur Tatzeit eingeloggt war,
entpuppt sich als ein schwaches Indiz.
Sie erstreckt sich über ein so großes Gebiet,
dass sich Arnos Aufenthaltsort anhand seines Handys nicht nur auf den Wald einschränken lässt.
Und auch für seine DNA an den grün-violett gestreiften Schnürsenkeln
gibt es eine andere mögliche Erklärung.
Was, wenn die Schnürsenkel aus dem gemeinsamen Haus stammen,
in dem auch Arno wohnte,
und wenn Margarete sie selbst zum Tatort mitgebracht hat?
Wenn er die Schnürsenkel in seinem Haus mal in der Hand hatte,
würde seine DNA auch daran haften.
Es ist Arnos Verteidigung,
die die Kritik an der Beweisführung der Staatsanwaltschaft im Prozess zusammenfasst,
Die bislang ermittelten Indizien sind keine tragfähige Grundlage für eine Verurteilung,
sagt seine Rechtsanwältin,
während Arno im Gerichtssaal auf seine Hände starrt und die Lippen aufeinanderpresst.
Im Wissen, dass die Beweisführung der Staatsanwaltschaft noch eine weitere Lücke aufweist.
Bisher konnte ihm niemand ein Motiv nachweisen,
weshalb er seine Ehefrau getötet haben sollte.
Anhaltspunkte dafür finden sich höchstens in den Zeugenaussagen
von Margaretes und Arnos engsten Freundinnen.
Denn die wissen sehr wohl, dass der Schein der Perfekten ihr jahrelang getrogen hat.
Obwohl sie sich nach außen wie das perfekte Paar präsentierten,
war ihre Beziehung nie sehr liebevoll.
Margarete sei tatsächlich sehr dominant gewesen, das können fast alle bestätigen.
Wenn sie Gäste zum Abendessen eingeladen hat,
dann hat sie vorher angerufen und mit den Frauen abgesprochen, was sie anzuziehen haben.
Wenn sie ein Moosgesteck für eine Freundin basteln wollte,
dann hat sie gebastelt, ganz egal, ob die Freundin es wollte oder nicht.
Und wenn Margarete etwas von Arno wollte, dann hatte er das umgehend zu erledigen.
Auch wenn der Bürgermeister in wichtigen Terminen steckte.
Zu Hause hat sie ihm jeden Tag Post-Its hinterlassen mit Aufgaben, die er abarbeiten sollte.
Die Ehe zu seiner Frau sei nur, Zitat, über Zettel gelaufen,
hat Arno einmal seiner Vermieterin in Berlin erzählt.
Und wenn er eine Aufgabe zu spät erledigt habe, dann habe Margarete ihm kein Abendbrot zubereitet.
Und das hat sie ja wohl zu tun.
Weil selber ein Brot schmieren, das kann man einem Bürgermeister auch nicht abverlangen.
Zumuten.
Ja.
Das geht nicht.
Aber das sage ich jetzt so, ich finde es ja schlimm, wie sie ist.
Wenn man nur noch über Zettel kommuniziert, das ist ja auch nicht so gut, so nett.
Also weißt du, wo ich gerade total dran hängen geblieben bin, ist dieses,
ich rufe die Leute vorher an und sage denen, was sie anzuziehen haben.
Das finde ich wirklich interessant, ja.
Und auch aber, dass solche Leute im Alter dann trotzdem immer noch FreundInnen haben,
weil soziale Kontakte natürlich ja weniger werden.
Und ich weiß das noch mit meiner Oma.
Die war weit über 90.
Da waren natürlich schon viele weggestorben.
Sie kannte aber die Tante meines Vaters.
Aber meine Oma war die mütterlicherseits.
Und die kannten sich.
Und die haben immer einmal die Woche zusammen telefoniert.
Und meine Oma hat sich aufgeregt über die, ja.
Oh, die nervt und es ist anstrengend und so.
Die erzählt immer nur von ihrem Leid.
Und ich sage immer, ich habe auch Probleme.
Da wurde sich dann halt am Ende darüber beklagt,
wenn dem eigenen Leid und der eigenen Gebrechlichkeit nicht genug Raum gegeben wurde bei den Telefonaten.
Aber man hat eben nicht aufgehört, weil es ja trotzdem noch ein sozialer Kontakt an sich war.
Bei meiner Oma war das auch so, dass sie noch eine Freundin oder Bekannte hatte.
Nachbarin.
Und die hat sie dann auch halt ab und zu eingeladen zum Spielen.
Dabei hat sie sich dann auch wieder immer danach darüber beschwert, dass die eigentlich gar nicht mehr so gut spielen kann.
Und dann, wenn die Nachbarin weg war, dann hat sie unterm Tisch, hat sie quasi noch diese halt Rummikapp-Würfel oder wie man es halt immer nennt, diese Zahlen.
Unterm Tisch hat sie die gefunden.
Ich dachte, das hätte deine Oma beim Spielen mit dir gemacht.
Am Ende war es dann auch mal bei meiner Oma so, ja.
Ja, aber dann hat sie sich abgeguckt.
Das fand sie dann nachher nicht mehr so schlimm, als es um ihren eigenen Gewinn ging.
Da muss man dann wieder diese Zweckgemeinschaften bilden, die man ja schon in der Schule und im Kindergarten bilden musste, die man schon eigentlich immer gehasst hat.
Dann hat man dazwischen ein Leben, wo man sich seine Freunde und Freundinnen aussuchen kann und dann kommt man wieder dann irgendwann dahin, was eigentlich echt schade ist.
Ja, genau. Und deswegen lassen sich halt viele ja auch nicht scheiden, weil sie dann Angst haben, dann ist da niemand mehr.
Ja, und so war das eben offenbar auch in der Ehe von Arno und Margarete.
Für Eckhardt ist es natürlich nicht leicht, diese Zeugenaussagen zu hören von engen Freundinnen seiner Eltern.
Die seine Mutter in so einem negativen Licht darstellen.
Ja, sie war eine dominante Frau, aber sie war auch eine gute Mutter, eine loyale Freundin und eine erfolgreiche Geschäftsfrau.
Bevor sein Vater Bürgermeister wurde, war sie es, die die Familie verlässlich mit ihrem Kosmetiksonon ernährt hat.
Und dass sie da Hilfe im Haushalt haben wollte, das war damals für Eckhardt selbstverständlich.
Für Arno waren diese Zettel aber lästig.
Er hatte es satt, sich herumkommadieren zu lassen.
Stattdessen hat er sich mehr Zärtlichkeit gewünscht, wird vor Gericht klar.
Im selben Bett haben Arno und Margarete schon seit Jahren nicht mehr geschlafen, erzählen ihre Freundinnen.
Stattdessen hat Margarete ihren Hund Aurel im Ehebett schlafen lassen, den Arno nicht mochte.
Er selbst sei ohne Widerrede ins Gästezimmer gezogen.
Generell habe sich Arno nur selten gegen seine Frau aufgelehnt.
KollegInnen aus dem Rathaus erinnern sich daran, wie Margarete ihren Mann nach einer Rede von mehreren Mitarbeitenden kritisiert hat, weil er zu oft M gesagt habe.
Wie gemein.
Also das geht gar nicht.
Nein.
Seinen Partner oder seiner Partnerin vor anderen zu kritisieren.
Generell.
Ja, vor anderen.
Das ist so gemein da dran.
Das geht gar nicht.
Ich höre mir manchmal Sprachnachrichten von mir an und denke mir, wie schaffe ich es eigentlich im Podcast, gerade auszusprechen?
Ja, schaffst du ja gar nicht.
Zeigst du ja gerade.
Wie macht sie hier was vor?
Das merke ich mir.
Nee, ist gemein.
Habe ich dich jetzt vor anderen kritisiert?
Allerdings.
Ist okay, das macht unsere Liebe aus.
Aber hier ist es ja schon so, also abgesehen davon, dass hier auch geschnitten wird an der einen oder anderen Stelle, glaube ich, liegt es einfach daran, dass wir hier in so einer entspannten Zweieratmosphäre miteinander sind.
Aber wenn man halt einen Vortrag hält, ja, das ist ja für Leute wie mich zum Beispiel auch eine ganz schlimme Ausnahmesituation.
Ich hätte aber das jetzt auch nicht auf der Bühne zu dir gesagt, ne? Das hätte ich nicht gemacht.
Nee, lieber vor 800.000 Leuten hier im Podcast.
Nein, aber ich weiß, dass wir dann, aber hier können wir das immer noch rausschneiden.
Aber das hätte ich wirklich auf jeden Fall nicht gemacht.
Aber jetzt zurück zu Arne und Margarete, die ihm gegenüber da wohl immer sehr streng war.
Außerdem berichten Margaretes Freundinnen vor Gericht, dass sie ihren Mann ab und zu als Wurzelzwerg bezeichnete, weil er kleiner war als sie.
Das ist so scheiße.
Ja.
Arno hat alles runtergeschluckt, bis er im Jahr 2006 wegen einer akuten Darmentzündung zur Kur nach Bayern ging.
Quasi ans andere Ende von Deutschland.
Von der Behandlung dort hat Arno mehreren Freundinnen und noch vor seiner Festnahme auch der Polizei erzählt.
Er habe während der Kur erstmals psychologische Hilfe in Anspruch genommen und seine Therapeutin habe festgestellt, dass die chronische Darmerkrankung, unter der er seit Jahren leide, psychosomatisch sei.
Sie käme vom Stress, den er auf der Arbeit habe, sei aber zu einem großen Teil auch bedingt von seiner dominanten Ehefrau.
Die Therapeutin habe Arno damals nahegelegt, seine Frau zur Rede zu stellen oder sich von ihr zu lösen.
Und sie habe ihm empfohlen, über die Affäre mit seiner Arbeitskollegin, die ihn damals gerade verlassen hatte, zu schreiben.
Beides hat Arno zurück in Steinried in die Tat umgesetzt.
Er begann schon kurz darauf, am Manuskript für seinen Erotikroman zu schreiben und schlug Margarete vor, eine Paartherapie zu machen.
Doch sie weigerte sich.
Deshalb nahm sich Arno zwei Jahre später, als er in Rente ging, seine eigene Wohnung in Berlin, um Abstand von Margarete zu gewinnen.
Schon kurz nach seinem Umzug erzählte er mehreren Freundinnen, die jetzt vor Gericht als Zeug in den Haussagen, wie er in Berlin aufblühte und wie er seine Freiheit genoss.
Er habe sich wie ein neugeborenes Baby gefühlt, sagte er.
Einem Bekannten erzählte er sogar von seinen Besuchen in Bordellen und schließlich von einer 20 Jahre jüngeren Frau namens Sumire.
Er habe sich Hals über Kopf in sie verliebt, sagte Arno seinem Kumpel im Vertrauen.
Doch jetzt, als die Ende-40-Jährige vor Gericht in den ZeugInnen standritt, scheint von der Liebe nicht viel übrig zu sein.
Zumindest von ihrer Seite aus war da auch nie Liebe, macht Arnos Ex-Freundin vor der Kammer klar.
Sie seien zwar zwei Jahre zusammen gewesen, aber nur, weil er ihr Geld gegeben und ihr teure Geschenke gemacht habe.
Handtaschen von Gucci und Louis Vuitton, teuren Schmuck, eine Küche, Reisen nach Barcelona und nach Thailand und eine Schönheitsoperation seien auf seine Kosten gegangen.
Insgesamt mehr als 70.000 Euro habe sie vom Angeklagten erhalten, den sie nicht Arno, sondern Henry nannte, derselbe Name, den er in seinem Buch verwendet hat.
Der Angeklagte habe immer nur Sex im Kopf gehabt, berichtet Sumire weiter.
Und er sei enorm eifersüchtig gewesen.
Er habe ihr Handy und ihre Taschen kontrolliert, habe immer wissen wollen, wohin sie gehe und ihr vorgehalten, dass sie mit anderen Männern, Zitat, gefickt habe.
Seine Ehefrau habe ihn genervt und sie, die Zeugin selbst, habe Arnos Kontrollzwang genervt.
Im Frühjahr 2011 habe er ihr gesagt, dass er kein Geld mehr habe, deshalb habe er auch seine Wohnung in Berlin kündigen wollen.
Daraufhin habe sie die Beziehung beendet, aber Arno habe sich trotzdem noch ständig gemeldet.
Im Oktober sei dann in ihrer Wohnung eingebrochen worden.
Sie verdächtigte Arno, denn es wurden nur Sachen gestohlen, die er ihr geschenkt habe.
Daraufhin sei sie zu ihrem neuen Freund nach Dresden geflüchtet, aber auch dessen Adresse habe Arno herausgefunden.
Also sei sie schließlich für mehrere Monate nach Thailand geflogen, um sich ihm zu entziehen.
Dass Arno seiner Geliebten selbst da noch unzählige SMS gesendet hat, lässt sich anhand seines Telefons belegen.
Und dass er tatsächlich Geldsorgen hatte, kann das Gericht unter anderem einer Notiz entnehmen, die in seinem Kalender gefunden wurde.
Dort hat Arno notiert,
Danach folgt eine Rechnung, laut der er Margarete im Falle einer Scheidung Unterhalt zahlen müsste.
Ihm würden dann nur 1800 Euro im Monat übrig bleiben, hat Arno aufgeschrieben.
Am Ende der Notiz stehen nur drei kurze Sätze.
Rücklagen aufgebraucht, Kette ohne Ende.
Nur ich kann etwas daran ändern.
Was er damit meinte, bleibt vor Gericht offen.
Fest steht nur, dass er kurz danach seine Wohnung in Berlin überstürzt aufgab und zurück zu Margarete nach Steinried zog.
Laut ihm, um seiner Ehe wieder eine Chance zu geben.
Doch in den Köpfen der Anwesenden vor Gericht hat sich längst ein anderes Szenario breitgemacht.
Was, wenn Arno da schon beschlossen hatte, Margarete zu töten?
So hätte er das Haus verkaufen, vom Erlösleben und vielleicht sogar seine geliebte Summiere zurückgewinnen können.
Margarete hätte dem Hauskauf niemals zugestimmt, das wusste er.
Was, wenn er sie deshalb aus dem Weg geschafft hat?
Das wäre jedenfalls ein echtes Motiv.
Nur ein Motiv reicht nicht aus, um einen Mann zu verurteilen.
Der Prozess gegen Arno dauert bereits Monate an und noch immer gibt es offene Fragen,
die in den Pausen von den BesucherInnen in der Kantine diskutiert werden.
Unter ihnen haben sich zwischenzeitlich zwei Lager entwickelt.
Diejenigen, die hinter Arno stehen, die sich nicht vorstellen können,
dass der freundliche Rentner, der so viel für Steinried getan hat, ein so grausames Verbrechen begangen hat.
Am Tag vor ihrem Tod hat der Margarete doch noch Rosen mitgebracht.
Würde das ein Mörder tun?
Und diejenigen, denen die Indizien doch suspekt vorkommen.
Die Tatsache, dass Arno nichts an der Therme abgegeben hat
und niemand weiß, was er dort beruflich machen wollte.
Dass er ohne erkennbare Erklärung zu spät zum Essen mit seinem Freund kam
und dass er es war, der seinen Sohn zu dem Ort geführt hat,
wo dessen Mutter begraben lag, entkleidet und tot.
Eckart selbst gehört zum zweiten Lager.
Er hat sich dem Prozess als Nebenkläger angeschlossen,
um die Wahrheit über den Tod seiner Mutter zu erfahren.
Und nach all dem, was er bisher vor Gericht gehört hat,
kann er sein Bauchgefühl nicht mehr ignorieren.
Er hält seinen Vater für schuldig.
Auch wenn er sich wünschte, es wäre anders.
Bestärkt hat Eckarts Verdacht nicht zuletzt die Beobachtung eines Zeugen,
der auf Antrag der Nebenklage vor Gericht erstmals aussagt.
Ein Freund der Familie aus Steinried, der Eckarts Eltern 50 Jahre lang kannte.
Im Zeugenstand erzählt der Mann nun, dass er Arno am Tag der Tat gesehen hat.
Und zwar kurz nach 13 Uhr hinter dem Steuer von Margaretes Auto.
Er habe Arno sogar noch aus seinem Auto heraus zugewinkt, erzählt der Mann.
Lange hielt er die Szene nicht für wichtig, deshalb hat er sich nie bei der Polizei gemeldet.
Dabei bestätigt der Zeuge mit seiner Aussage die Annahme der Staatsanwaltschaft,
Arno muss Margaretes Auto vom Wald zurück in die Stadt gefahren haben,
wo ihr Mercedes schließlich am Straßenrand gefunden wurde.
Es ist ein klares Indiz für seine Täterschaft.
Aber für Eckart nicht das Einzige, an dem er die Schuld seines Vaters festmacht.
Es gibt noch drei Kleinigkeiten, die er sich bis heute nicht erklären kann.
Drei Auffälligkeiten, die vor Gericht keine Beweislast haben, für Eckart dagegen umso mehr.
Nummer eins, am Tag, als seine Mutter nur vermisst, aber noch nicht gefunden worden war,
ist Arno durch die ganze Stadt gefahren, angeblich, um nach Margarete zu suchen.
Er hat jegliche Freundinnen abtelefoniert, um nachzufragen, ob sie Margarete gesehen haben.
Aber er hat kein einziges Mal zu Hause angerufen, um zu prüfen, ob sie nicht inzwischen wieder da ist.
Vielleicht, weil er wusste, dass sie leblos im Wald lag?
Nummer zwei, am Abend, als sein Vater wieder daheim ankam, hat der sein Auto in die Garage gefahren.
Dabei war die Garage, solange Eckart denken kann, für den Mercedes seiner Mutter reserviert.
Warum sollte Arno also sein Auto dort abstellen, wenn er nicht schon davon ausging,
dass seine Frau nie zurückkommen würde?
Und Nummer drei, Arno ist sofort aus dem Gästezimmer aus und zurück ins Schlafzimmer gezogen.
Er hat sich umgehend ins Bett gelegt, in dem Margarete jahrelang allein mit Aurel geschlafen hatte.
Hat er das getan, weil er sie vermisst hat?
Oder war das seine Art, seinen Sieg zu verkünden?
Sein Sieg gegen die dominante Herrschaft von Margarete, die er nicht länger hinnehmen wollte?
Wie dominant diese Herrschaft war, darüber spricht ein psychiatrischer Gutachter vor Gericht.
Er ist der 97. Zeuge im Verfahren, einer der letzten, und er stellt schon zu Beginn seiner Aussage fest,
dass Arno mit ihm zwar viel über sein Leben gesprochen habe, nicht aber über den Tod seiner Frau.
Immerhin konnte der Experte feststellen, dass Arno seine Eheprobleme jahrzehntelang verdrängt, geleugnet und bagatellisiert hat.
Er pöbelt nicht zurück, wenn er angegriffen wird.
Er verdrängt so etwas oder nimmt es gar nicht erst wahr, erklärt der Sachverständige.
Und vom dominanten Elternhaus seiner Mutter sei Arno direkt ins nächste Dominanzregime.
Was sie sagte, war für Arno Gesetz.
Sie hatten nie viel Geld, der Vater starb früh.
So sei Arno in einer Familie groß geworden, in der autoritäre Struktur herrschte.
Ein Milieu des sozialen und emotionalen Mangels, stellt der Experte fest.
Er habe nicht reifen können, deshalb falle es Arno heute schwer, komplexe menschliche Beziehungen einzuschätzen.
Und vom dominanten Elternhaus seiner Mutter sei Arno direkt ins nächste Dominanzregime gekommen.
Nämlich in die Ehe mit Margarete.
Zwischen ihnen habe sich ein Macht-Unterwerfungskonflikt entwickelt.
Sie hatte die Hosen an, er hat kapituliert.
Er hat seine Gefühle für sich behalten und keine Aggressionen zugelassen.
Das habe zu einer psychosomatischen Störung geführt, meint der Experte.
Auch er glaubt, dass Arnos Darmerkrankung teilweise auf seine Eheprobleme zurückzuführen sei.
Nur, ob Arno deshalb schließlich einen Mord begangen hat, dazu will der Gutachter keine Angaben machen.
Ich weiß bis heute nicht, ob der Angeklagte es getan hat oder nicht, fasst er letztendlich zusammen
und lässt damit die Fragezeichen, die noch im Raum sind, stehen.
Vielen geht es genau wie dem Sachverständigen.
Niemand weiß mit Sicherheit, ob Arno das getan hat, was ihm vorgeworfen wird.
Es gibt Indizien, die darauf hindeuten, aber ergibt sich daraus eine Indizienkette,
die stark genug ist, um eine Verurteilung zu rechtfertigen?
Ja, sagt die Staatsanwaltschaft im Mai 2013, sieben Monate nach dem Prozessauftakt.
Sie rückt in ihrem Plädoyer nicht von der Mordanklage ab.
Nein, sagen hingegen Arnos VerteidigerInnen.
Ihr Mandant sei unschuldig und die Indizienkette, die vor Gericht erörtert wurde, sei lückenhaft.
Und was denkt Eckhardt?
Welche Strafe hält die Nebenklage für angemessen?
Eckhards Anwalt beginnt sein Plädoyer mit den Worten, dass sein Mandant eines der schwersten Jahre seines Lebens hinter sich habe
und plädiert schließlich für eine Verurteilung wegen Totschlags.
Mindestens zehn Jahre soll Arno dafür ins Gefängnis kommen, fordert der Nebenklagevertreter,
während Eckhardt schweigend neben ihm sitzt.
Er sieht seinen Vater nicht mehr an.
Sie haben sich nichts mehr zu sagen.
Arno hat den ganzen Prozess über geschwiegen.
Tine-mäßig fragt ihn der Vorsitzende Richter, ob er noch ein letztes Wort an den Saal richten will.
Da steht Arno überraschend auf.
Er spricht schnell und ohne Pause, als er die drei Sätze sagt, die er sich zurechtgelegt hat.
Ich kann Ihnen nur noch einmal versichern, dass ich meine Frau und unseren Hund nicht umgebracht habe.
Ich habe versucht, in den 15 Monaten Haft mit den wenigen Menschen und Mitteln,
die mir zur Verfügung standen, meine Unschuld zu beweisen.
Weil ich wusste, ich kann keine mich belastenden Zeugen finden.
Danke.
Und damit ist die Verhandlung geschlossen.
Vier Tage später treffen sich die Prozessbeteiligten ein letztes Mal vor Gericht.
Es ist ein sonniger Tag.
Die ZuschauerInnen tragen leichte Klamotten, einer erscheint sogar mit Strohhut.
Arno trägt wieder das Polohemd vom ersten Tag, darüber einen grauen Nadelstreifenanzug.
Er hat sich schick gemacht für die zahlreichen Menschen, die zur Urteilsverkündung erschienen sind.
In den Reihen wird heftig diskutiert, wie sich das Gericht entschieden hat.
Freispruch, Todstag oder Mord.
Alles wäre möglich und alle lauschen gespannt, als der Vorsitzende das Wort erhebt.
Im Namen des Volkes.
Der Angeklagte wird wegen Mordes in Tateinheit mit der Tötung eines Tieres zur lebenslangen Freiheitsstrafe verurteilt.
Arno schwankt und lässt sich auf seinen Platz fallen.
Selbst Eckart ist überrascht von der Härte der Justiz.
Doch die Kammer sieht Arnos Schuld als erwiesen an.
Sie ist sich sicher, dass der Angeklagte am Tattag extra in der Bank und in der Therme war und dass er sich dort absichtlich auffällig verhalten hat, um von möglichst vielen Menschen gesehen zu werden.
In der Hoffnung, dass sie ihm später ein Alibi verschaffen würden.
Das Gericht ist überzeugt davon, dass es tatsächlich Arno war, den die Zeuginnen gesehen haben.
Und das ist der 29. Dezember, der Tattag war, an dem sie ihre Beobachtung gemacht haben.
Denn am Tag davor war Margarete nachweisbar viel später und vor allem alleine im Wald.
Vermutlich haben Arno und seine Verteidigung darauf gehofft, dass sich Zeuginnen falsch oder ungenau erinnern, mutmaßt die Kammer.
Dass die Zeuginnen Frau Kramer und Frau Niederberger ihre Aussagen vor Gericht geändert haben, führt die Kammer darauf zurück, dass sie den ehemaligen Bürgermeister nicht belasten wollten.
Bei der Polizei wussten sie noch nicht, wann genau Margarete gestorben war.
Deshalb waren sie zu dem Zeitpunkt nicht beeinflusst und ihre Aussagen von damals sind glaubhaft.
Die Angaben vor Gericht hingegen seien verzerrt von der Sorge, Arno in den Rücken zu fallen.
Und auch die Aussagen der neuen Zeuginnen, die Arno nach 12 Uhr an der Therme gesehen haben wollen, hält die Kammer für unglaubhaft.
Sie hatten sich auf Arnos Anzeige in der Zeitung gemeldet, wo er ausdrücklich nach Menschen gesucht hatte, die ihn nach 12 Uhr dort gesehen haben wollen.
Allein die Frage sei sogar Steve urteilt das Gericht.
Deshalb seien die Angaben derjenigen, die sich darauf gemeldet haben, nicht zu verwerten.
Sie müssen sich in der Zeit geirrt haben.
Was Arno angeht, sieht es das Gericht als erwiesen an, dass er seinen Lebensabend nicht in seiner zerrütteten Ehe mit Margarete verbringen wollte.
Im Ruhestand in Berlin hatte er das Leben außerhalb des Dominanzregimes kennen und lieben gelernt.
Er habe es nicht mehr aufgeben wollen und er habe seine Rente nicht mit seiner Frau teilen wollen.
Deshalb habe er sie getötet und zwar heimtückisch.
Denn Margarete war im Wald, wo sie Moos sammeln wollte, arg und wehrlos.
Als er anfängt, mit den Fäusten auf sie einzuschlagen, hatte sie seinen Angriff nicht kommen sehen und als sie am Boden lag, war sie ihm hilflos ausgeliefert, was er ausgenutzt hat.
Dafür muss er nun für mindestens 15 Jahre ins Gefängnis gehen.
Am Ende der Urteilsverkündung sitzt Arno zusammengesunken auf seinem Stuhl.
Jeder kann ihm ansehen, dass er mit einem Freispruch gerechnet hatte, nicht damit seinen Ruhestand im Gefängnis zu verbringen.
Doch auch die Revision, die er einlegt, ändert nichts daran.
Der BGH kann keine Fehler in der Beweiswürdigung des Potsdamer Landgerichts erkennen.
Arno bleibt schuldig und hinter Gittern.
Und dort ist er so aktiv, wie er es einst für die Stadt war.
Er schreibt noch weitere Bücher und betreut die Gefängnisbibliothek.
Außerdem töpfert und malt er.
Seine fertigen Ölbilder seien wie ein Fenster aus seiner Zelle heraus, sagt er der Presse.
Wenn das Wetter schön ist, dann findet man Arno im Garten der Haftanstalt.
Dort darf er heute gärtnern, ohne dass jemand seine Blumen wieder ausreißt.
Inzwischen ist der über 80-Jährige im offenen Vollzug untergebracht.
Seit 2023, zehn Jahre nach dem Urteil, darf er die Haftanstalt tagsüber verlassen.
Sogar ohne Aufsicht.
Ab und zu geht der ehemalige Bürgermeister dann in Steinried essen.
Oder er besucht alte Freundinnen.
Und wenn ihn jemand fragt, dann bleibt er stets dabei.
Er habe Margarete nicht getötet und sitze unschuldig im Gefängnis.
Eckart glaubt das nicht.
Er hat seinen Vater auch nach seiner Verurteilung nicht mehr dort besucht.
Wie soll er ihm verzeihen, dass er Margarete so abrupt und gewalttätig aus dem Leben gerissen hat?
Dass er ihm die Mutter und seinen Kindern die Großmutter genommen hat?
Und für was?
Um eine Frau zurückzugewinnen, die ihn nie wollte, sondern nur sein Geld.
Um ein Leben abseits seiner Ehe leben zu können.
Dafür hätte er Eckarts Mutter nicht töten müssen.
Denn wie Eckart inzwischen erfahren hat, ging es auch seiner Mutter alleine, ohne ihren Ehemann, besser.
Auch sie ist ohne Arno aufgeblüht, hat Eckart von ihren Freundinnen erfahren.
Beim alljährlichen Klassentreffen, das sie geplant und kurz vor ihrem Tod noch veranstaltet hat, war sie ausgelassen.
Sie lachte viel und flirtete sogar ein bisschen mit ihren ehemaligen Schulkameraden.
Die 67-Jährige hatte abends mit ihrer besten Freundin Hand in Hand auf der Straße getanzt.
Sie war glücklich und voller Lebensfreude.
Kurz darauf machte sie direkt einen neuen Termin für das nächste Klassentreffen aus.
Am 17. Oktober 2013 wollten sie wieder zusammenkommen, haben ihre ehemaligen MitschülerInnen Eckart erzählt.
Margarete wollte alles planen, wie immer.
Doch dann wurde sie getötet von ihrem Ehemann, der ihr die Zukunft nahm, um seine eigene zu sichern.
Im Oktober 2013, fünf Monate nach der Verurteilung seines Vaters, ist es Eckart, der nach Steinried fährt.
Margaretes Freundinnen haben ihn als Ehrengast zum Klassentreffen eingeladen und Eckart hat zugesagt.
Das Restaurant, in dem sie sich treffen, hatte seine Mutter schon vor zwei Jahren ausgesucht.
Das sieht ihr ähnlich.
Sie hat nie etwas dem Zufall überlassen, weiß Eckart.
Als er das Lokal jetzt betritt, ist sein Herz schwerer als sonst.
Er vermisst seine Mutti noch immer.
Doch im Inneren der Gaststätte erwartet ihn ein gemütlicher Anblick.
Die lange Tafel, an der Margaretes ehemalige MitschülerInnen bereits sitzen, ist passend zur Jahreszeit herbstlich geschmückt.
Das hätte seiner Mutter gefallen, weiß Eckart.
Ein Platz am Tisch ist noch leer.
Eigentlich sollte sie hier sitzen.
Doch stattdessen setzt sich Eckart nun zwischen die KlassenkameradInnen seiner Mutti.
Alle freuen sich über seine Anwesenheit.
Sie haben bereits ein Blumenkissen aus Moos auf ihrem Grab im Waldfriedhof niedergelegt, erzählen sie ihm.
Wir denken an dich, deine Klassenkameraden, steht auf der Schleife.
Eckart freut sich, das zu hören.
Sein Herz wird wärmer, der Kummer weniger.
Denn er weiß, seine Mutti ist zwar nicht bei ihm, aber sie wird nie vergessen werden.
Es ist doch einfach nur scheiße.
Ihm ging es besser ohne seine Frau.
Ihr ging es offensichtlich auch viel besser ohne ihren Mann.
Es gibt die Möglichkeit der Scheidung.
Wie zum Himmels Willen...
Ja, sag das mal so.
Wie zum Himmels Willen.
Warte mal, das sagt man nicht.
Nee, wie zum Himmels Willen.
Wie um Himmels Willen kommt man auf die Idee, dass es jetzt besser wäre, den anderen Menschen zu töten.
Ja, wegen der Rente.
Ja, nein!
Weil er ja diese blöde...
Ja, na klar.
Aber er wollte ja da seine Ex-Freundin zurück, die nur sein Geld wollte.
Sowas verstehe ich ja auch nicht.
Da hat er gedacht, nie wäre sowas Unehrliches, was mir Spaß bringt.
Aber dass sie eigentlich gar keine Gefühle für ihn hatte, war ihm da egal.
Ja, also und ich muss auch sagen, ich finde halt auch sein Verhalten jetzt...
Also schon auch vor der Tat, dass er da so tiki-sneaky noch die roten Rosen da gekauft hat.
Also ich gehe jetzt halt davon aus, dass er das war.
Er wurde dafür verurteilt, das können wir so benennen, ja.
Genau.
Und dann das mit den Rosen da noch und sich irgendwie so darstellen wollte als Ehemann, der ja noch mal die Ehe retten wollte oder der ja noch eine Chance geben wollte.
Das fand ich jetzt schon shady.
Und jetzt da mit seinem letzten Wort, dass er halt sagt, er war es nicht.
Und sowas macht mich dann immer noch wütender, wenn man das dann nicht zugeben kann und sich entschuldigt und so.
Ja.
Weil somit nimmt er halt auch dem Eckart noch mal ganz viel, finde ich.
Mich wundert tatsächlich ein bisschen, dass er jetzt im offenen Vollzug ist, obwohl er ja immer geleugnet hat.
Stimmt.
Aber er ist natürlich auch schon sehr alt.
Und weil du eben noch mal betont hast, dass wir davon ausgehen, dass er das war.
Also mal abgesehen von seiner Verurteilung.
Wir haben in der Regel das Urteil vorliegen, so wie in diesem Fall auch.
Da steht natürlich nicht alles drin, was während des Prozesses gesagt wurde.
Dieses hier war recht umfangreich.
Ja, und wir hatten ja noch das Buch von der Journalistin, die sich mit dem Fall beschäftigt hatte.
Und ich würde aber schon allein, weil der Sohn, der ja nun wirklich ein großes Interesse daran hätte, seinem Vater Glauben zu schenken, dass der alleine schon von seiner Schuld überzeugt ist, überzeugt mich dann halt auch.
Abgesehen davon, dass er eh rechtskräftig verurteilt wurde und man ihn auch Mörder nennen darf.
Das war es für diese Woche.
Nächste Woche mit mir hier ist ein Experte, den ihr schon öfter bei uns gehört habt.
Und wir reden gemeinsam über einen Fall, bei dem es um Stimmen im Kopf geht, die einer Person befehlen, etwas Furchtbares zu tun.
Das war ein Podcast der Partner in Crime.
Hosts und Produktion Paulina Graser und Laura Wohlers.
Redaktion Isabel Mayer und wir.
Schnitt Pauline Korb.
Rechtliche Abnahme und Beratung Abel und Kollegen.