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Willkommen bei Mordlust, einem Podcast der Partner in Crime.
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Wir reden hier über wahre Verbrechen und ihre Hintergründe.
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Mein Name ist Paulina Kraser.
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Und ich bin Laura Wohlers.
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In jeder Folge erzählen wir einen bedeutsamen, wahren Kriminalfall nach,
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ordnen den für euch ein, erörtern und diskutieren die juristischen,
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psychologischen oder die gesellschaftlichen Aspekte und sprechen mit Menschen, mit Expertise.
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Hier geht es um True Crime, also auch um die Schicksale von echten Menschen.
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Bitte behaltet das immer im Hinterkopf.
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Das machen wir auch, selbst dann, wenn wir zwischendurch mal etwas abschweifen.
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Das ist für uns so eine Art Comic Relief, aber natürlich nicht despektierlich gemeint.
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Und bevor wir zu dem heutigen Fall kommen, der zeigt, wie wichtig es ist,
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uns an die Vergangenheit zu erinnern, geht es darum,
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wie wichtig es ist, sich an die Vergangenheit zu erinnern.
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Und zwar gibt es eine aktuelle Umfrage aus diesem Jahr der Jewish Claims Conference.
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Und die zeigt, dass etwa 40 Prozent der 18- bis 29-Jährigen nicht wissen,
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dass etwa sechs Millionen Jüdinnen und Juden in der Zeit des Nationalsozialismus ermordet wurden.
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15 Prozent glaubten, es seien weniger als zwei Millionen gewesen.
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Und zwei Prozent der Befragten waren der Auffassung,
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der Holocaust habe überhaupt nicht stattgefunden.
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Aber warte mal, wie alt waren die zwischen 18 und?
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Aber dann waren die doch in der Schule.
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Das macht mir ein bisschen Angst.
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Ja, mir auch nämlich, weil ich will dafür gar nicht die verantwortlich machen,
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die das nicht wissen.
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Aber warum kriegen die das nicht beigebracht?
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Also gefühlt war mein Geschichtsunterricht zum Großteil tatsächlich Zweiter Weltkrieg.
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Ich hatte miserablen Geschichtsunterricht.
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Wir haben immer nur Filme geguckt und dann Multiple-Choice-Tests gehabt.
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Und zwar, wo in den Antwortmöglichkeiten auch immer nur so ein Wort verändert wurde.
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Aber natürlich erinnere ich mich gerade, weil wir so viele Filme geguckt haben,
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an diese Bilder und Videos.
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Ja, diese Bilder sind natürlich super eindrücklich.
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Das hatten wir nicht im Geschichtsunterricht.
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Und was wir im Geschichtsunterricht auch nicht hatten, war, dass wir mit der Klasse halt nie
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ein Konzentrationslager zum Beispiel besichtigt haben.
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Ja, wir auch nicht.
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Ja, und das finde ich total schade, weil ich glaube, das wäre am eindrücklichsten gewesen.
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Weil so etwas zu sehen mit eigenen Augen, das löst ja krasse Gefühle aus.
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Und sowas vergisst man dann ja auch nicht mehr.
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Der Zentralrat der JüdInnen in Deutschland zeigte sich darüber auch sehr alarmiert.
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Der besorgniserregende Anstieg antisemitischer, verbaler und körperlicher Gewalt,
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den wir in Deutschland beobachten, hat seine Wurzeln zu einem großen Teil in der Desinformation
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und dem Mangel an Informationen über den Holocaust.
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Das sagte der Zentralratspräsident Josef Schuster.
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Die Studie würde die Dimension des fehlenden Wissens insbesondere mit Blick auf junge Erwachsene zeigen
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und Politik, Bildung und Medien müssten gemeinsam dagegen steuern.
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Und das tun wir heute mit dieser Folge, die übrigens, wie manchen vielleicht schon aufgefallen ist,
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keine Folgennummer hat.
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Und das aus gutem Grund.
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Das ist uns nämlich beiden unabhängig voneinander aufgefallen,
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dass diese Folge ja eigentlich die 188 ist.
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Genau, das war zufällig.
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Also wir beschäftigen uns hier ja heute in der Folge mit dem dunkelsten Kapitel der deutschen Geschichte.
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Und gerade diese Folge vereint die Zahl 18 und 88 in sich,
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die ja von Rechtsextremen als Codes benutzt werden
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und jeweils für einen Buchstaben im Alphabet stehen.
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Also die 18 für Adolf Hitler und die 88 für Heil Hitler wird ja auch zum Teil gerne auf Kennzeichen benutzt.
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Und ja, weil das einfach ein sehr unglücklicher Zufall ist, hat diese Folge einfach keine Folgennummer.
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Jetzt widmen wir uns aber gleich unserem Fall.
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Den wollen wir euch jetzt, also Ende Februar erzählen.
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Denn es jährt sich der Todestag der Person, um die es heute geht.
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Die Triggerwarnung zu dem Fall findet ihr in der folgenden Beschreibung.
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Die Prinsengracht in Amsterdam ist eine belebte Straße,
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gesäumt von hohen, schmalen Häusern mit steilen Giebeln und großen Sprossenfenstern.
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Die Fassaden sind aus dunklem Backstein, manche bereits verwittert vom Regen und Wind.
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Unten im Erdgeschoss befinden sich kleine Geschäfte und Werkstätten.
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Niemand, der die Straße entlang geht, würde ahnen,
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dass hinter den Fenstern des Hauses mit der Nummer 263 ein Geheimversteck existiert.
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Ein Versteck, in dem ein Mädchen gerade ein Buch aufschlägt,
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dessen Innerstes von einem rot-orange-grauen, karomusternen Einband geschützt wird.
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Vor einigen Monaten, als sie das Tagebuch zum 13. Geburtstag bekam, waren die Seiten noch leer.
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Jetzt sind sie eng beschrieben, mit ihrer gleichmäßigen, geschwungenen Schrift.
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Ihr Tagebuch ist Annes größter Schatz.
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Ihm vertraut die zierliche Teenagerin mit dem dichten, dunklen Haar
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und den grün gesprengelten Augen ihre innigsten Geheimnisse, Wünsche, Sorgen und Ängste an.
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Ihr Innenleben tobt.
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Und das liegt daran, dass sich Annes' Welt seit langer Zeit auf ein paar Quadratmeter beschränkt.
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Seit Monaten lebt sie in einem Versteck, abgeschirmt von der Außenwelt.
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Denn dort draußen herrscht Krieg.
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Menschen, die wie Anne jüdischen Glaubens sind, müssen unvorstellbare Grausamkeiten erleiden.
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Es sei denn, es gelingt ihnen, sich zu verstecken, damit sie nicht ermordet werden.
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Anne wünscht sich nicht sehnlicher, als dass der Krieg zu Ende geht.
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Denn wenn es endlich soweit ist, wird sie die Schule abschließen und Schriftstellerin werden.
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Und mit ihren Werken will sie dazu beitragen, der Welt davon zu berichten, welches Leid die Nazis Millionen von Menschen angetan haben.
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Bis es soweit ist, schreibt sie in ihrem Versteck an ihrem ersten Buch.
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Und wie es der Zufall will, liegt das Versteck, in dem Anne ihr Buch schreibt, hinter einem großen, hölzernen Bücherregal.
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Wer sein Geheimnis nicht kennt, sieht darin nur ein unspektakuläres Möbelstück, in dem einige Aktenordner stehen.
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Mieb jedoch weiß, dass das Regal mehr ist als das.
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Es ist die Tür zu dem Ort, der Anne und sieben weiteren Menschen Schutz vor den Nazis bietet.
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Mieb ist eine der wenigen Personen, die in diesen Plan eingeweiht ist und Anne und den anderen hilft, im Verborgenen zu überleben.
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Die schlanke 33-Jährige mit den dunkelblonden, welligen Haaren schlüpft seit Monaten nahezu jeden Tag durch die als Bücherregal getarnte Tür,
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um die acht Personen im Versteck mit Lebensmitteln zu versorgen.
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Und sie bringt ihnen Nachrichten aus der Welt mit, die für sie nicht mehr zugänglich ist.
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Um Anne und die anderen zu beschützen, setzt Mieb jeden Tag ihr eigenes Leben aufs Spiel.
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Schon vor einigen Monaten, im Juni 1942, tobt der Zweite Weltkrieg bereits.
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Amsterdam ist von Adolf Hitler und den Nazis besetzt, die in den Niederlanden, genauso wie im Deutschen Reich und anderen Ländern,
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ihre Ideologie mit aller Gewalt durchsetzen wollen.
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Dabei stützen sich die Nazis auf die sogenannte Rassenlehre.
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Sie verbreiten die Ideologie, die Menschheit lasse sich in unterschiedliche Rassen einteilen, die nicht alle gleichwertig seien.
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Deutsche gehören in den Augen der Nazis zur arischen Rasse.
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Laut den Nazis sei die arische Rasse am meisten wert und daher dazu bestimmt, über die Menschheit zu herrschen.
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Erkrankte Menschen und Menschen mit Behinderung sehen die Nazis als minderwertig an, genauso wie queere Menschen oder Menschen mit anderer Hautfarbe.
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Jüdinnen seien die größten Feinde der arischen Rasse, denn sie würden den Fortbestand des deutschen Volkes bedrohen.
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Sollte man eigentlich wissen, aber da wir die Folge ja eingeleitet haben mit Dingen, die viele Menschen nicht wissen,
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Sei es hier nochmal gesagt, diese rassistische Ideologie entbehrt jeglicher wissenschaftlichen Grundlage und diente alleine dazu, Menschen zu verfolgen und zu ermorden.
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Es gibt keine biologischen Menschenrassen.
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Das Konzept ist längst widerlegt und jede Form von Rassismus ist einfach nur menschenverachtend.
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Aber damals glaubten viele daran.
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Jedenfalls werden zu der Zeit jüdische Menschen immer stärker ihrer Rechte beraubt und dürfen immer weniger.
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Das spürt auch die 13-jährige Anne Frank Anfang des Jahres 1942 am eigenen Leib.
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Jüdische Kinder wie sie dürfen nur noch in spezielle jüdische Schulen gehen.
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Jüdinnen dürfen nicht mehr mit der Tram und dem Auto fahren.
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Sie müssen ihre Fahrräder abgeben, dürfen nur noch in jüdischen Geschäften einkaufen und ihre Haare nur noch bei jüdischen FriseurInnen schneiden lassen.
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Ihnen ist es verboten, in der Öffentlichkeit Sport zu machen, ins Theater oder ins Kino zu gehen.
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Und damit Jüdinnen auf der Straße auf einen Blick erkennbar sind, müssen sie einen gelben Stern, den sogenannten Judenstern, auf ihre Kleidung nähen.
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Um herauszufinden, wer Jude oder Jüdin ist, durchforsten die Nazis die Mitgliederlisten der jüdischen Glaubensgemeinden.
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Sie überprüfen Ausweispapiere, Dokumente von Volkszählungen und Polizeiakten.
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Nach den sogenannten deutschen Rassengesetzen gilt ein Mensch mit drei oder mehr jüdischen Großeltern als Jude oder Jüdin unabhängig davon,
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ob er sich selbst als jüdisch identifiziert oder den jüdischen Glauben auslebt.
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Auch ehemalige JüdInnen, die zum Christentum konvertiert sind, werden nicht als ChristInnen anerkannt, sondern genauso verfolgt.
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In Amsterdamer Stadtvierteln, in denen viele JüdInnen wohnen, führen die Nazis immer wieder Razzien durch.
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Sie sperren Straßen, damit die Menschen nicht flüchten können und durchsuchen die Häuser.
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Männliche Bewohner werden auf die Straße getrieben, wo sie wie Verbrecher verhaftet und abgeführt werden.
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Unter den Angehörigen, die zurückbleiben, ist die Rede davon, dass die Verhafteten ins Konzentrationslager Mauthausen kommen.
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Doch was es damit auf sich hat, weiß niemand so genau.
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Frauen und Kinder hoffen inständig darauf, dass ihre Ehemänner und Väter bald zurückkehren.
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Aber das Gegenteil ist der Fall.
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Immer mehr von ihnen erhalten nur noch eine Botschaft.
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Die vom Tod der Männer.
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Offiziell ist er immer plötzlich.
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Etwa wegen eines Herzinfarkts oder Tuberkulose.
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Aber viele der Angehörigen zweifeln am Wahrheitsgehalt dieser Todesursachen.
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Einer von denen, die die Nachrichten vom Tod zahlreicher jüdischer Männer mit Entsetzen aufnehmen, ist Annes Vater Otto.
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Der große, schlanke 53-Jährige mit dem Schnauzer ist eigentlich ein besonnener Mann, den nicht so schnell aus der Ruhe bringt.
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Aber die aktuellen Entwicklungen bereiten ihm große Sorgen.
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Denn Annes Vater ist, wie seine Frau Edith Annes Mutter, ebenfalls jüdisch.
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Und das, was sich jetzt in Amsterdam ereignet, hat die Familie so ähnlich schon damals in ihrer Heimat Deutschland erlebt.
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Als dort vor fast zehn Jahren Hitler an die Macht gelangt und von da an JüdInnen immer härter verfolgt werden,
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entschließen sich Annes Eltern damals mit der vierjährigen Anne und der sieben Jahre alten Schwester Margot zu einem Schritt ins Ungewisse.
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Als ein bekannter Otto anbietet, für die Firma Opecda, die Geliermittelfirma Meladen herstellt,
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einen Standort in den Niederlanden aufzubauen, willigt er ein.
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So ziehen Anne und ihre Familie von Frankfurt nach Amsterdam.
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Denn anders als in Deutschland werden JüdInnen in den Niederlanden Mitte der 30er nicht verfolgt.
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Dort bauen sich die Franks im Laufe der nächsten Jahre ein neues Leben auf.
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Dafür arbeitet Annes Vater hart und es gelingt ihm, noch eine zweite Firma zu gründen, die mit Gewürzen und Kräutern handelt.
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Nach einigen Jahren zahlt sich die harte Arbeit aus.
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Die Geschäfte laufen endlich. Annes Eltern sind zufrieden.
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Auch Anne und ihre Schwester Margot haben sich gut eingelebt.
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Sie sind fleißige Schülerinnen. Der Neubeginn ist geglückt.
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Die vier Franks fühlen sich wohl und frei.
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Sie müssen keine Angst davor haben, von den Nazis verfolgt zu werden.
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Doch damit ist es vorbei, als die deutsche Wehrmacht am 1. September 1939 Polen überfällt und damit den Zweiten Weltkrieg auslöst.
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Bald darauf sind auch Dänemark und Norwegen von den Nazis besetzt.
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Im Mai 1940, sieben Jahre nach dem Umzug der Franks, überfallen die Nazis auch die bislang vermeintlich sicheren Niederlande und gehen auch dort immer härter gegen Menschen jüdischen Glaubens vor.
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Als Jüdinnen keine Firmen mehr besitzen dürfen, will Annes Vater auf gar keinen Fall, dass seine zwei Unternehmen den Nazis in die Hände fallen.
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Deshalb überschreibt er sie seinen engsten Mitarbeitern und Vertrauten.
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Tatsächlich ist es jedoch weiterhin Otto, der die Geschicke lenkt.
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Weil er aber nicht weiß, ob diese List genügt, um die Nazis zu täuschen, denkt die Familie auch darüber nach, es Ediths beiden Brüdern und vielen anderen gleichzutun und in die USA zu emigrieren.
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Dafür sind alle möglichen Einreisedokumente für die vier Familienmitglieder nötig.
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Annes Eltern versuchen sie zu beschaffen, aber es gelingt ihnen nicht.
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Die USA-Pläne werden vollends zerschlagen, als die Vereinigten Staaten im Dezember 1941 in den Krieg eintreten.
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Eine Flucht dorthin ist jetzt nicht mehr möglich.
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Die Grenzen sind dicht.
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Dann nehmen die Razzien gegen jüdische Männer zu.
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Annes Eltern erfahren von immer mehr männlichen Freunden und Bekannten, die deportiert werden und irgendwo in der Ferne ums Leben kommen.
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Ihnen wird zunehmend klar, dass es in Amsterdam nicht mehr sicher ist.
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Anne weiß, dass ihre Eltern deshalb überlegen, wo sie zukünftig leben können.
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Weil niemand vorhersagen kann, welche Gesetze gegen JüdInnen noch erlassen werden,
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bringen sie schon seit längerer Zeit wertvolle Gegenstände, Möbel und Kleidungsstücke zu FreundInnen, die christlichen Glaubens sind.
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Denn sie wollen nicht, dass ihr Besitz eines Tages den Nationalsozialisten in die Hände fällt.
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Ihr Vater erklärt ihr, dass er und Annes Mutter auf keinen Fall wollen,
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dass die Familie, so wie viele andere, geschnappt wird.
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Und er und Edith deswegen überlegen, wo sie sich verstecken könnten.
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Die 13-jährige Anne betet inständig, dass es noch lange dauern wird, bis es tatsächlich so weit kommt und sie untertauchen müssen.
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Aber diese Hoffnung verpufft schon bald.
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Anfang Juli 1942 versetzt eine Postkarte die Familie in helle Aufregung.
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Adressiert ist sie an die 16-jährige Margot.
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Normalerweise empfängt man auf Postkarten Grüße aus dem Ausland,
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doch diese Postkarte hätte am liebsten kein Mitglied der Familie Frank je zu Gesicht bekommen.
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Auf ihr steht, dass sich Margot am Amsterdamer Hauptbahnhof einfinden muss.
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Mitnehmen darf sie nur ein Koffer voller Arbeitskleidung.
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Sie soll nicht länger zur Schule gehen, sondern in ein Arbeitslager nach Deutschland gebracht werden,
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wie es sie dort immer häufiger gibt.
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Als Anne davon erfährt, fängt sie an zu weinen.
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Ihre ruhige, liebe Schwester ist erst 16 Jahre alt.
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Ein so junges Mädchen wollen die Nazis in ein Lager bringen?
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Das ist doch Wahnsinn.
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Tatsächlich ist die Angst der Franks nicht unbegründet.
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Der Aufruf zum Arbeitseinsatz ist der Beginn der dritten Phase der Jüdinnenverfolgung in den Niederlanden.
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Nachdem die Nazis sie identifiziert und im gesellschaftlichen Leben isoliert haben,
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werden sie dann deportiert.
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In verschiedenen Lagern, etwa in Steinbrüchen, sollen sie sich entweder zu Tode arbeiten
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oder sie werden direkt in Gaskammern geschickt.
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Diese Details kennen Anne und ihre Familie nicht.
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Aber ihre Eltern machen Anne und Margot klar, dass sie mit dem Untertauchen keinen Tag länger warten dürfen.
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Also packen sie ihre Sachen.
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Am nächsten Tag, einem Montag, wird Anne um halb sechs von ihrer Mutter geweckt.
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Normalerweise würde sie sich jetzt für einen neuen Schultag fertig machen.
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Doch anders als sonst macht sie sich nicht auf den Weg zum Unterricht, sondern ins Versteck.
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Das Gebäude, das ihnen Schutz vor den Nazis bieten soll, liegt mitten in Amsterdam,
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nur knapp vier Kilometer von ihrem Zuhause entfernt.
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Anne kennt das Haus, sie war schon mal hier.
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Denn es liegt hinter der Firma ihres Vaters.
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Dort angekommen, schließt sich die geheime Tür hinter Anne.
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Und das Leben, das sie bislang kannte, muss sie vorerst hinter sich lassen.
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Anne steht zwischen vollgepackten Koffern und Kisten mit ihren Kleidern und Habseligkeiten aus der alten Wohnung.
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Doch weil sie schneller als geplant untertauchen mussten, um Margot zu beschützen, ist das Versteck nicht fertig eingeräumt.
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Anne packt mit Feuereifer an, um die bislang ungenutzten Lagerräume im Hinterhaus der Firma so schnell wie möglich bewohnbar zu machen.
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Daher kommt sie erst nach ein paar Tagen dazu, richtig darüber nachzudenken, wie sich ihr Leben innerhalb kürzester Zeit verändert hat.
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Ihr kommt es vor, als hätte sich plötzlich die Welt umgedreht.
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Dass sie sich in ihrem neuen Zuhause jemals wirklich zu Hause fühlen kann, bezweifelt sie.
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Aber sie fühlt sich nicht unwohl, sondern eher wie in einer sehr eigenartigen Pension, in der sie Ferien macht.
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Ihr ist klar, dass das eine verrückte Auffassung vom Untertauchen ist, aber so empfindet sie es nun mal.
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Und sie ist überzeugt davon, dass man in der ganzen Stadt, vielleicht sogar im ganzen Land, kein zweites, so bequem eingerichtetes Versteck findet.
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Anders als ihre Eltern und Margot gewöhnt sich Anne schnell daran, dass die Turmglocke der nahegelegenen Kirche jede Viertelstunde schlägt.
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Anne mag den tiefen, durchdringenden Ton. Er hat für sie etwas Vertrautes, besonders in der Nacht.
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Und schon bald sind es nicht mehr nur Anne und ihre Familie, die sich an die lauten Glockenschläge gewöhnen müssen.
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Eine Woche nach den Frankens kommt eine weitere jüdische Familie ins Versteck.
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Hermann van Pelz ist in Ottos Firma angestellt.
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Die Männer haben vereinbart, dass auch er, seine Frau Auguste und ihr 16 Jahre alter Sohn Peter im Hinterhaus untertauchen.
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Dieses Hinterhaus liegt versteckt hinter dem Haus, in dem sich Ottos Firma befindet.
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Deshalb ist es von der Straße nicht einsehbar.
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Man muss außerdem wissen, dass es das Hinterhaus überhaupt gibt, sonst würde man es nicht finden.
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Von den Büroräumen der Firma im Vorderhaus führt eine Treppe zu einer kleinen Diele mit einem großen, hölzernen Regal voller Aktenordner.
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Nur Mieb und die anderen wenigen Eingeweihten wissen, dass das Regal eine Tür ist und dass sich dahinter genügend Räume verbergen, damit dort mehrere Menschen leben können.
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Es ist zwar beengt, aber auszuhalten.
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Im ersten Geschoss, das direkt über dem Lager der Firma liegt, teilt sich Anne mit ihrer Schwester ein Zimmer.
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Daneben befindet sich das ihrer Eltern.
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Eine Treppe nach oben führt zu einem größeren Raum mit einer hohen Decke.
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Es ist das Schlafzimmer von Hermann und Auguste, das tagsüber als Küche und Wohnzimmer für alle genutzt wird.
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Ihr Sohn Peter schläft nebenan in dem kleinen Durchgangszimmer, von dem aus eine Treppe auf den Dachboden führt.
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Dort werden Vorräte gelagert und die nasse Wäsche aufgehängt.
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In den nächsten Tagen versuchen alle, sich ihre neue Bleibe so gemütlich wie möglich zu machen.
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Um ihrem neuen Zimmer eine persönliche Note zu verleihen, verschönert Anne die Wendel des schmalen Raums, den sie sich mit Margot teilt, mit Bildern von pausbeckigen Babys, niedlichen Tieren und SchauspielerInnen.
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Viele davon hat die lebhafte 13-Jährige aus ihrer Lieblingszeitschrift Cinema in Theater ausgeschnitten.
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Anne ist ein riesiger Fan der Hollywood-Stars.
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Oft träumt sie sich in diese Glitzerwelt.
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Zeit dafür hat sie jetzt genug, denn sie trifft keine FreundInnen mehr, geht nicht zur Schule und nicht einmal mehr auf die Straße.
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Ihre Welt ist geschrumpft auf das Versteck im Hinterhaus, das sie sich mit sechs anderen Personen teilt.
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Auf 50 Quadratmetern leben nun sieben Menschen, die praktisch keine Möglichkeit haben, sich aus dem Weg zu gehen.
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Trotzdem, oder gerade deshalb, pendelt sich bald ein Alltag ein.
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Die Mahlzeiten sind Fixpunkte, gegessen wird gemeinsam.
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Aber die vielen Stunden dazwischen ziehen sich zähl wie Kaugummi, wenn es nichts zu tun gibt.
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Also verbringen die Untergetauchten viel Zeit damit, sich weiterzubilden.
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Auch im Versteck bekommen Anne, Margot und Peter Unterricht, und zwar von Lehrer Otto, Annes Vater.
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Auf dem Stundenplan stehen unter anderem Englisch, Französisch, Mathematik und Geschichte.
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Außerdem wird viel gelesen und Anne schreibt auch selbst viel.
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Schon früher hat es ihr Spaß gemacht, sich Geschichten auszudenken.
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Und sie führt Tagebuch.
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Das Büchlein mit dem rot-orange-grau karierten Laien-Einband hat sie zum Geburtstag bekommen,
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einen Monat bevor ihr Leben komplett auf den Kopf gestellt wurde und sie untertauchen mussten.
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Erst ist es ihr ein bisschen peinlich, ihre emotionalen Ergüsse niederzuschreiben.
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Aber je öfter sie das macht, desto mehr merkt sie, wie gut ihr das tut.
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Ihrem Freundinnen kann sie ja nicht mehr erzählen, was sie beschäftigt.
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Also schreibt sie im Tagebuch Briefe an ihre fiktive Freundin, die sie Kitty tauft.
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Ihr berichtet Anne von ihrem neuen Alltag im Versteck, der in ihren Augen ganz ungewohnt, aber auch abenteuerlich ist.
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Das Einzige, was der 13-Jährigen noch immer schrecklich fehlt, ist ihre Katze Mortje.
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Anne weiß, dass Mortje bei der Nachbarsfamilie in ihrem alten Zuhause ein schönes neues Heim bekommen hat.
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Trotzdem würde sie viel dafür geben, ihr Kätzchen bei sich zu haben, es schnurren zu hören und streichen zu können.
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Mortje ist mein weicher und schwacher Punkt, schreibt Anne in ihr Tagebuch.
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Ich vermisse sie jede Minute und niemand weiß, wie oft ich an sie denke.
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Ich bekomme dann immer Tränen in die Augen.
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Mortje ist so lieb und ich habe sie so gern und ich mache schon Traumpläne, dass sie wieder zurückkommt.
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Bis es soweit ist, kann Anne nur in Gedanken bei Mortje sein.
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In der Realität versucht sie ebenso auf Samtpfoten herumzuschleichen wie ihr Stubentiger.
00:20:33
Denn im Hinterhaus müssen sich Anne und die anderen sehr leise verhalten.
00:20:37
Schuhe sind tabu und der Gang zur Toilette muss gut geplant sein, denn die Spülung können sie nur zu bestimmten Zeiten ziehen.
00:20:44
Das Abwasserrohr verläuft nämlich durch das Lager der Firma, das sich direkt unter ihrem Versteck befindet.
00:20:50
Und die Männer, die dort arbeiten, dürfen nicht wissen, dass sie da sind.
00:20:53
Es ist zu gefährlich, die Lagerarbeiter könnten sie verraten.
00:20:56
Von der Existenz der Versteckten wissen nur Ottos engste Mitarbeitende aus dem Büro.
00:21:01
Sie versorgen Anne und die anderen täglich mit Lebensmitteln, Vorräten und Nachrichten aus der Welt.
00:21:07
Eine von den Eingeweihten ist Mieb.
00:21:10
Anders als Anne muss sie sich nicht vor den Nazis verstecken.
00:21:13
Denn die 33-Jährige, die aus Österreich stammt, aber schon als Kind in die Niederlande kam, ist keine Jüdin, sondern Christin.
00:21:20
Otto Franks Firma kennt die schlanke Frau in- und auswendig.
00:21:24
Seit fast zehn Jahren arbeitet sie als Sekretärin für ihn.
00:21:27
Sie schätzt ihren Chef und seine Familie sehr.
00:21:30
Deshalb hat Mieb auch keine Sekunde gezögert, als Otto sie vor ein paar Monaten in seine Pläne eingeweiht hat.
00:21:36
Dieses Gespräch in seinem Büro wird sie nie vergessen.
00:21:40
Als Otto sie fragte, sind sie bereit, Mieb, die Verantwortung zu übernehmen und uns zu versorgen, solange wir untergetaucht sind,
00:21:46
antwortete Mieb nur, selbstverständlich.
00:21:48
Sie weiß noch genau, wie Otto und sie sich damals in die Augen sahen.
00:21:52
Es war ein Blickkontakt zwischen zwei Menschen, fand sie, wie man ihn in seinem Leben nur ein- oder zweimal austauscht.
00:21:59
Otto setzte noch einmal an, Mieb, jeden, der Juden hilft, erwartet schwere Strafe, Gefängnis, vielleicht, Mieb unterbrach ihren Chef.
00:22:08
Ich sagte, selbstverständlich, und das ist es auch für mich.
00:22:11
Mieb wusste von Anfang an, dass sie sich damit selbst in Gefahr bringt.
00:22:15
Aber die Franks sind ihr wichtig.
00:22:17
Das sieht nicht nur Mieb so, sondern auch ihr Mann Jan und Ottos anderen Mitarbeitenden, die eingeweiht werden mussten, damit der Plan funktioniert.
00:22:25
Johannes und Viktor, die mit Mieb's Mann Jan die Geschäfte auf dem Papier leiten, dazu die Büroangestellte Bepp und ihr Vater aus dem Lager der Firma.
00:22:32
Alle sechs hatten sich sofort bereit erklärt, die Untergetauchten zu unterstützen und kein Wort über ihr Leben im Hinterhaus zu verlieren.
00:22:40
Für sie alle gibt es keine andere Option, als zu helfen.
00:22:44
Mieb hat deshalb seit ein paar Monaten kaum noch Freizeit, sondern quasi zwei Jobs, den in der Firma und den im Hinterhaus.
00:22:53
Wenn sie morgens gegen neun Uhr in die Firma kommt, setzt sie sich nicht sofort an ihren Schreibtisch im Büro, das sie sich mit Bepp und Johannes teilt.
00:23:00
Stattdessen geht sie schnurstracks zu der Diele mit dem Bücherregal, zieht es zur Seite auf und verschwindet im Versteck.
00:23:06
Sie weiß, wie wichtig es für Anne und die anderen ist, sie jeden Morgen zu sehen.
00:23:11
Denn es bedeutet, dass über Nacht nichts Schlimmes geschehen ist und die HelferInnen nach wie vor für sie da sind.
00:23:17
Im Hinterhaus lässt sich Mieb die Liste mit den Lebensmitteln geben, die die Versteckten gerne hätten.
00:23:22
Dabei stellt Anne Fragen über Fragen.
00:23:24
Ob sie etwas von ihren Freundinnen gehört habe, wie es ihrer Katze Mortje in ihrem neuen Zuhause gehe, was draußen auf den Straßen los sei.
00:23:33
Wenn Anne schon am Morgen so überschwänglich ist, muss Mieb sie meist auf später vertrösten.
00:23:37
Denn erst einmal muss sie im Büro die Aufträge für die Firma abarbeiten und für die Versteckten einkaufen.
00:23:43
Doch je länger der Krieg dauert, desto schwieriger wird das.
00:23:46
Lebensmittel werden knapper.
00:23:48
Damit die Menschen nicht horten, geben die Behörden Marken aus, mit denen bestimmte Lebensmittel nur in einer bestimmten Menge gekauft werden dürfen.
00:23:55
Offiziell hat Mieb nur Karten für sich und ihren Mann Jan.
00:23:59
Aber sie muss nicht nur für sie beide einkaufen, sondern noch für sieben weitere Menschen.
00:24:04
Dank Jan gelingt das auch.
00:24:06
Er hat sich dem niederländischen Widerstand gegen die deutsche Besatzung angeschlossen
00:24:10
und kann über diese Kontakte gefälschte Lebensmittelmarken für Anne und die anderen Versteckten organisieren.
00:24:16
So schafft es Mieb trotzdem, genügend Mehl, Kartoffeln, Gemüse und mehr zu bekommen,
00:24:21
bevor sie am Nachmittag wieder durch den Bücherschrank ins Hinterhaus schlüpft.
00:24:24
Dabei hat sie dann nicht nur die Einkäufe oder je nach Bedarf neue Kleidung,
00:24:29
sondern oft auch Bücher oder Spiele dabei.
00:24:31
Manchmal können sich ihre Untertaucher, wie Mieb, Anne und die anderen ab und zu nennt,
00:24:36
auch für die Firma, die mit Marmeladen und Gewürzen handelt, nützlich machen.
00:24:39
Dann bringt sie in Körbe voller Kirschen, die entsteint werden müssen,
00:24:43
oder Soßenpulver, das in Päckchen abgefüllt gehört.
00:24:46
Mieb weiß, dass Anne und die anderen für jede Art von Abwechslung und Unterhaltung dankbar sind.
00:24:51
Und wenn schon der Körper nicht kann, wie er möchte, muss doch wenigstens der Geist beschäftigt bleiben,
00:24:56
damit ihre Freundinnen in dem Versteck nicht durchdrehen.
00:25:02
Das wird umso wichtiger, als es nach vier Monaten im Hinterhaus noch beengter wird als ohnehin schon.
00:25:08
Mieb erfährt von ihrem Zahnarzt Fritz Pfeffer, dass er als Jude ebenfalls dringend eine Möglichkeit zum Untertauchen sucht.
00:25:14
Als Mieb das hört, handelt sie sofort.
00:25:17
Fritz ist ein Bekannter von Otto, die beiden Männer sind gleich alt.
00:25:21
Im Hinterhaus berichtet sie Otto davon.
00:25:23
Er und die anderen Versteckten sind einer Meinung.
00:25:26
Wo sieben essen, werden auch acht satt, sagen sie.
00:25:30
Kurz darauf zieht der 53-Jährige als achte Person ins Hinterhaus ein.
00:25:35
Vor allem Annes Alltag verändert sich durch die Anwesenheit des neuen Mitbewohners.
00:25:40
Denn jetzt, wo er da ist, schläft Margot nicht mehr bei ihr, sondern bei ihren Eltern.
00:25:44
Anne muss sich jetzt also das Zimmer mit Fritz teilen.
00:25:48
Darüber ist die 13-Jährige nicht begeistert.
00:25:51
Fritz ist zwar nett, aber für sie ist er ein Fremder.
00:25:54
Trotzdem versucht sie, sich mit der neuen Situation zu arrangieren, denn sie denkt an die Worte ihres Vaters.
00:25:59
Wenn wir jemanden retten können, ist alles andere Nebensache.
00:26:03
Das sieht Anne genauso.
00:26:05
Dennoch gerät sie mit dem 40 Jahre älteren Mann immer wieder aneinander.
00:26:09
Es regt sie fürchterlich auf, dass er sie so oft als frech und unerzogen kritisiert.
00:26:14
Das Schlimmste für Anne ist, dass Fritz das meist auch noch ihrer Mutter petzt, von der sie dann ausgeschimpft wird.
00:26:20
Und das, obwohl Anne mit Edith ohnehin oft genug wegen aller möglichen Kleinigkeiten streitet.
00:26:25
Auch ohne, dass sich jemand einmischt.
00:26:27
Anders als bei ihrem Vater hat Anne das Gefühl, dass ihre Mutter sie oft einfach nicht versteht.
00:26:33
Ihr ist klar, dass die Enge im Hinterhaus das angespannte Mutter-Tochter-Verhältnis nicht besser macht.
00:26:37
Also versucht sie oft, ihren Ärger einfach runterzuschlucken.
00:26:41
Auch wenn sie ihre Wut am liebsten in die Welt hinausschreien würde.
00:26:44
Aber das geht nicht, denn man darf sie im Hinterhaus auf keinen Fall entdecken.
00:26:50
Deshalb atmen Anne und die anderen jeden Tag auf, wenn es 17.30 Uhr ist.
00:26:54
Dann machen die Lagermitarbeiter, von denen keiner außer Johann von ihrer Existenz weiß, Feierabend.
00:26:59
Und die Versteckten haben wieder einen Tag überstanden, ohne sich zu verraten.
00:27:04
Sie müssen nun nicht mehr nur in Socken herumlaufen und sie können endlich wie gewohnt auf die Toilette gehen.
00:27:09
Dann bekommen die Acht meist nochmal kurz Besuch von Helferin Bepp.
00:27:13
Bevor sie als Letzte die Firma verlässt, fragt sie, ob alles in Ordnung sei.
00:27:17
Wenn auch Bepp weg ist, kommen Anne und die anderen sogar regelmäßig aus ihrem Versteck im Hinterhaus und schleichen in Ottos ehemaliges Privatbüro im Vorderhaus.
00:27:25
Dort steht nämlich ein Radio.
00:27:27
Auf diesem Weg informieren sich die Untergetauchten über die neuesten Entwicklungen des Kriegs, und zwar unabhängig von der Nazi-Propaganda.
00:27:35
Das gelingt, weil sie unerlaubterweise Sender wie das niederländische Radio Oranje oder die britische BBC hören, die die Nazis zu sogenannten Feindsendern erklärt und deshalb verboten haben.
00:27:47
Im Winter 1942 auf 1943, Anne und die anderen sind etwa ein halbes Jahr im Versteck, geht es im Radio viel um die Schlacht bei Stalingrad.
00:27:54
Die deutschen Truppen, die das Deutsche Reich weiter in den Osten ausdehnen wollen, kämpfen dort erbittert gegen die Soldaten der Sowjetunion.
00:28:01
Hitler brüstet sich mit angeblichen Erfolgen in Stalingrad, aber die Realität sieht anders aus.
00:28:07
Die Schlacht ist zäh und die deutschen Soldaten sind den Temperaturen von bis zu minus 40 Grad nicht gewachsen.
00:28:13
Viele, die nicht im Schützengraben sterben oder in sowjetische Kriegsgefangenschaft geraten, erfrieren.
00:28:19
In der BBC ist Anfang Januar 1943 zum ersten Mal die Rede davon, dass die Deutschen bei Stalingrad kapitulieren.
00:28:26
Und genauso kommt es wenige Wochen später.
00:28:28
Für Anne und die anderen ist das eine gute Nachricht.
00:28:31
Die Nationalsozialisten könnten bald ganz geschlagen und der Krieg zu Ende sein.
00:28:36
Trotzdem ist es für Anne schrecklich zu hören, was in der Welt außerhalb ihres Verstecks geschieht.
00:28:41
All das Leid und das Elend, das der Krieg über die Menschen bringt, kann sie nur schwer ertragen.
00:28:46
Schlimm genug, dass sich eine 13-Jährige überhaupt mit solchen Themen auseinandersetzen muss.
00:28:50
Dass sie nicht wie gewohnt zur Schule gehen und ihre Freundinnen treffen kann,
00:28:54
sondern sich in einem Hinterhaus verstecken muss, weil sie in ihrem eigentlichen Zuhause nicht sicher ist.
00:28:59
Im Radio ist immer wieder die Rede davon, dass die Nazis Millionen Menschen mit Giftgas oder auf andere Weise töten.
00:29:06
Anne kann das nicht fassen.
00:29:07
Das NS-Regime lässt morden, weil jemand willkürlich entschieden hat, dass nicht alle Menschenleben gleich viel wert sein sollen?
00:29:15
Auch nicht anders.
00:29:16
In den Augen der Nazis haben sie und Millionen andere jüdische Menschen es nicht verdient zu leben,
00:29:21
nur weil sie einen anderen Glauben haben.
00:29:24
Trotzdem hadert Anne nicht mit ihrem Schicksal.
00:29:27
Obwohl der ganze Erdbeikrieg führt und ein Ende noch nicht abzusehen sei, schreibt sie in ihr Tagebuch.
00:29:33
Wir haben es gut, besser als Millionen anderer Menschen.
00:29:36
Wir sitzen sicher und ruhig und essen sozusagen unser Geld auf.
00:29:40
Wir sind so egoistisch, dass wir über nach dem Krieg sprechen, uns über neue Kleider und Schuhe freuen,
00:29:46
während wir eigentlich jeden Cent sparen müssen, um nach dem Krieg anderen Menschen zu helfen.
00:29:50
Zu retten, was noch zu retten ist.
00:29:53
Aber Anne kann nicht helfen, nur ausharren.
00:29:56
Dabei fühlt sich die Zeit unendlich lang an.
00:29:58
Denn im Versteck passiert nichts.
00:30:00
Fast jeder Tag läuft gleich ab.
00:30:02
Aufstehen, waschen, frühstücken, lernen, Mittagessen.
00:30:06
Danach machen die Erwachsenen oft einen Mittagsschlaf.
00:30:08
Anne versteht nicht, wie man so viel schlafen kann,
00:30:11
weil man eh den ganzen Tag quasi nichts erlebt.
00:30:14
Um wenigstens etwas zu tun, schreibt sie stattdessen Tagebuch.
00:30:18
Oder liest, bevor es dann langsam schon wieder Zeit fürs Abendessen und dann fürs Bett wird.
00:30:23
So geht es Tag für Tag, Woche für Woche, Monat für Monat.
00:30:28
Vor den Fenstern im Versteck macht der Winter dem Frühling Platz, dann der Frühling dem Sommer.
00:30:33
Im Juli 1943, nach einem Jahr im Versteck,
00:30:37
sorgt eine Radionachricht für ein Stimmungshoch bei den BewohnerInnen des Hinterhauses.
00:30:41
Hitlers Verbündeter in Italien, der Diktator Mussolini, wurde gestürzt.
00:30:46
Die inzwischen 14-jährige Anne und die anderen jubeln, so laut es ihnen in ihrem Versteck möglich ist.
00:30:51
Diese Neuigkeit entfacht erneut ihre Hoffnung, dass das Ende des Kriegs zum Greifen nahe ist
00:30:56
und endlich wieder Frieden einkehrt.
00:30:58
Doch nur ein paar Tage später weicht die Hochstimmung blanker Angst.
00:31:02
Bomben gehen auf Amsterdam nieder.
00:31:04
Annes Ohren dröhnen, als sie ganz in der Nähe das Knallen hört.
00:31:07
Die Angst kriecht ihr kalt den Rücken herunter.
00:31:10
Anne und die anderen können nicht in einem Luftschutzbunker Schutz suchen,
00:31:13
sie sind in ihrem Versteck gefangen.
00:31:15
Nicht auszudenken, was wäre, wenn eine Bombe auch das Hinterhaus treffen würde.
00:31:21
Anne versucht die Panik nicht, die Oberhand gewinnen zu lassen.
00:31:23
Sie beißt die Zähne zusammen, denn sie muss jetzt tapfer sein.
00:31:27
Es wird schon alles gut gehen.
00:31:28
Allerdings warten die Untergetauchten in den darauf folgenden Wochen und Monaten
00:31:33
vergeblich auf die Nachricht, dass die Niederlande frei sind von der Hitlerherrschaft
00:31:36
und dass sie endlich aus ihrem Versteck kommen können.
00:31:39
Obwohl sie noch immer genug zu essen haben und ein sicheres Dach über dem Kopf,
00:31:43
macht sich mit der Zeit Lagerkoller breit.
00:31:45
Mit sieben anderen Menschen lebt Anne auf 50 Quadratmetern.
00:31:49
Rund um die Uhr 24-7.
00:31:52
Aufstehen, waschen, frühstücken, lernen, Mittagessen, Tagebuch schreiben, lesen, Abendessen, schlafen.
00:31:59
Eines Highlights ist, wenn Mieb oder jemand anderes von den HelferInnen vorbeikommt,
00:32:03
der ein bisschen Abwechslung in den immer gleichen Alltag bringt.
00:32:07
Wie ein bunter Farbklecks auf einem Schwarz-Weiß-Gemälde.
00:32:10
Manchmal wird es Anne aber auch zu viel inmitten der Leute, die permanent um sie herum sind.
00:32:15
Dann klettert die 14-Jährige ab und zu auf den Dachboden, um ihre Ruhe zu haben.
00:32:20
Aber es gibt eine Person, die sie gern auf den Dachboden begleiten darf.
00:32:24
Je mehr Zeit Anne mit dem Jungen, der zweieinhalb Jahre älter ist, als sie verbringen muss,
00:32:29
desto lieber ist sie mit ihm zusammen.
00:32:31
Bisher hat Anne ihr Innerstes nur ihrem Tagebuch anvertraut,
00:32:34
aber bei Peter hat sie den Eindruck, wirklich mit jemandem reden zu können.
00:32:38
In Anne macht sich ein Gefühl breit, das sie so bisher noch nicht kannte.
00:32:42
Sie ist nicht nur gern in seiner Nähe, sondern sucht auch Körperkontakt.
00:32:45
Umso glücklicher ist sie, als sie merkt, dass es Peter offenbar genauso geht.
00:32:50
Eines Abends sitzen sie besonders eng nebeneinander.
00:32:53
Anne legt ihren Kopf auf Peters Schulter, spürt seinen Arm warm auf ihrem Rücken.
00:32:58
Sie hört ihr eigenes Herz pochen und fühlt das Glück durch ihren Körper strömen,
00:33:02
als Peter ihr einen Kuss auf die Wange gibt.
00:33:04
In Peters Arm fühlt sie sich geborgen, auch wenn draußen die ganze Welt eine Gefahr ist.
00:33:10
Trotzdem wird Annas Bedürfnis nach Freiheit und dem Leben außerhalb des Hinterhauses immer größer.
00:33:16
Auf dem Dachboden schaut sie deshalb oft durch das kleine Fenster.
00:33:19
Durch das Glas sieht Anne ein Stück Himmel und den prächtigen Kastanienbaum im Garten.
00:33:24
Seine Blätter waren saftig grün, als Anne ins Versteck gezogen ist.
00:33:28
Dann wurden sie bunt, bevor sie im Winter zu Boden segelten und im Frühjahr neu zu sprießen begannen,
00:33:33
nur um sich im Herbst wieder zu verfärben.
00:33:36
Jetzt haben sich die Blätter schon ein zweites Mal von den Ästen verabschiedet.
00:33:40
Nackt und kahl ragen sie in den Winterhimmel, den Anne sehnsüchtig durch das Dachfenster betrachtet.
00:33:45
Seit anderthalb Jahren hat sie die Natur nur durch die kleine Öffnung erlebt.
00:33:49
Seither hat sie keinen Fuß mehr vor die Haustür gesetzt.
00:33:52
Sie hat weder die klirrend kalte Winterluft in ihren Lungen gespürt,
00:33:56
noch die ersten warmen Frühlingssonnenstrahlen auf ihrer Haut.
00:33:59
Am Dachfenster fliegen ab und zu Vögel vorbei, denen Anne sehnsüchtig nachschaut.
00:34:04
Die haben es gut, sie sind frei, sie können hin, wo sie wollen.
00:34:07
Ihr dagegen hat man die Flügel ausgerissen und sie in einen Käfig gesperrt.
00:34:12
Wie gerne würde sie Radfahren, Tanzen, Pfeifen und sich so jung fühlen, wie sie tatsächlich ist.
00:34:17
So schreibt sie es in ihr Tagebuch.
00:34:20
Annes Nerven werden immer dünner und den anderen geht es genauso.
00:34:24
Miep merkt das immer, wenn sie den Bücherschrank öffnet und ins Versteck kommt.
00:34:29
Obwohl Anne und alle anderen versuchen, keine unzufriedenen Gesichter zu machen
00:34:33
und immer freundlich zu ihr sind, kann die 34-Jährige die Anspannung deutlich spüren.
00:34:38
Sie füllt den Raum wie ein praller Ballon und würde Miep mit einer Nadel hineinstechen,
00:34:42
würde der Ballon platzen und sie alle würden von den angestauten Konflikten und der Angst überflutet werden.
00:34:48
Miep weiß, dass es vor allem Anne oft nicht leicht hat, als die Jüngste im Versteck,
00:34:53
die mit ihrer wissbegierigen Art am wenigsten für ein Leben im Verborgenen gemacht ist.
00:34:58
Kein Wunder, sie ist ein Teenager, sollte die Welt entdecken dürfen.
00:35:02
Stattdessen lebt sie seit über eineinhalb Jahren fast wie eine Gefangene.
00:35:05
Anne ist ohnehin reif für ihr Alter.
00:35:08
Das Aufwachsen im Krieg hat sie dazu gezwungen.
00:35:10
Miep bewundert es manchmal, wie selbstbeherrscht nicht nur Anne, sondern auch die anderen sind.
00:35:15
Natürlich weiß sie nicht, was in den vielen Stunden, die sie nicht bei ihren Freundinnen sein kann, geschieht.
00:35:21
Aber immer wenn sie ins Versteck kommt, reißen sich die Acht zusammen.
00:35:24
Mehr noch, sie sind immer voller Dankbarkeit, denn ihr Leben liegt in Mieps Händen.
00:35:29
Dieser Verantwortung ist sich Miep jeden Tag bewusst, seit sie Otto das Versprechen gab, für seine Familie zu sorgen.
00:35:36
Seither hat sie Wort gehalten und das wird sie auch weiterhin tun.
00:35:39
In ihr keimt nicht der kleinste Zweifel auf.
00:35:42
Auch nicht, als an den Hauswänden und Straßenschildern in Amsterdam immer mehr schwarz umrandete Plakate auftauchen.
00:35:49
Die Nazis veröffentlichen Todesanzeigen von Menschen, die sie hingerichtet haben, weil sie im Widerstand waren.
00:35:54
Die Nachrichten über ihre Ermordung sollen zur Abschreckung für andere dienen.
00:35:58
Miep spürt, wie die Lage immer bedrohlicher wird.
00:36:01
Wie eine pechschwarze Gewitterwolke, die permanent über ihr hängt und sich jederzeit entladen kann.
00:36:07
Die Situation ist nicht nur für Jan brenzlig, der selbst auch im Widerstand ist, sondern auch für sie selbst.
00:36:13
Denn indem sie Anne und den anderen hilft, handelt sie ebenfalls nicht regimetreu.
00:36:18
Jetzt ist oberste Vorsicht geboten.
00:36:20
Denn wenn man ihr oder den anderen HelferInnen auf die Schliche kommen würde, wäre nicht nur ihr eigenes Leben in Gefahr, sondern auch das von Anne und den anderen.
00:36:28
So weit darf es nicht kommen.
00:36:30
Miep schiebt die düsteren Gedanken beiseite und macht weiter.
00:36:34
Eine andere Möglichkeit gibt es nicht.
00:36:36
So wie man einen Schritt nach dem anderen macht, versucht sie auch, einen Tag nach dem anderen zu nehmen.
00:36:41
So lange, bis die Schreckensherrschaft der Nazis endlich ein Ende hat.
00:36:45
Doch das ist noch immer nicht der Fall.
00:36:47
Stattdessen werden Not, Armut und Hunger immer größer.
00:36:51
Denn je länger der Krieg dauert, desto knapper werden die ohnehin schon rationierten Lebensmittel.
00:36:56
Vor den Geschäften steht sich Miep mit etlichen anderen Menschen die Beine in den Bauch für ein paar Kartoffeln und verschrumpelte Kohlköpfe.
00:37:02
Dieser Mangel führt in ganz Amsterdam zu Einbrüchen in sämtliche Firmen und Geschäfte,
00:37:07
in denen die EinbrücherInnen entweder Essbares oder Wertgegenstände, die sich gut dafür eintauschen lassen, vermuten.
00:37:13
Es ist also nur eine Frage der Zeit, bis auch Ottos Firma, die noch dazu mit Lebensmitteln handelt, ins Visier gerät.
00:37:19
Jeden Abend bankt Anne im Versteck, dass die Nacht friedlich vorübergeht.
00:37:24
Nicht auszudenken, wenn Fremde in die Firma eindringen würden und das Hinterhaus entdecken.
00:37:28
Dann wäre alles aus.
00:37:30
Am Ostersonntag 1944, nach fast zwei Jahren im Versteck, sitzt Anne mit ihrer Familie zusammen,
00:37:36
als es um halb zehn am Abend an der Zimmertür klopft.
00:37:40
Es ist Peter. Er lerne gerade Englisch und bräuchte Ottos Hilfe bei einem schwierigen Satz.
00:37:44
Misstrauisch sieht Anne zu, wie die beiden verschwinden.
00:37:47
Peters Thronfall klang seltsam. Sie kauft ihm das mit der Englischaufgabe nicht ab.
00:37:52
Da ist etwas im Busch, ist sie sich sicher.
00:37:54
Anne wird unruhig. Gab es etwa einen Einbruch?
00:37:58
Tatsächlich erfahren Anne und die anderen, dass Peters Englischaufgabe nur ein Vorwand war,
00:38:03
um Otto darüber zu informieren, dass er Geräusche aus dem Lager gehört hat.
00:38:07
Um der Sache auf den Grund zu gehen, schleichen Otto, Peter, sein Vater Hermann und Fritz nach unten.
00:38:13
Anne bleibt mit Margot, ihrer Mutter und Auguste im Versteck und lauscht.
00:38:17
Auf einmal hören sie einen lauten Schlag.
00:38:19
Anne stockt der Atem.
00:38:21
Was hat das zu bedeuten?
00:38:23
Kämpfen die Männer etwa mit Eindringlingen?
00:38:25
Dann ist alles wieder ruhig.
00:38:27
Anne und die anderen haren noch etwa eine halbe Stunde aus, ohne zu wissen, was sich unter ihnen abspielt.
00:38:33
Erst dann hören sie Schritte auf der Treppe.
00:38:35
Otto, Peter, Hermann und Fritz kommen zurück ins Versteck.
00:38:39
Anne und die anderen wollen genau wissen, was passiert ist.
00:38:42
Sie erfahren, dass die Einbrecher ein Brett aus der Tür zum Lager herausgebrochen haben, um sich Zugang zu verschaffen.
00:38:48
Die Männer ertappten sie auf frischer Tat.
00:38:50
Hermann schrie Polizei, woraufhin die Fremden flüchteten.
00:38:55
Otto und die anderen reparierten die Tür, so gut es ging, aber die Eindringlinge standen offenbar noch vor dem Haus und traten die Tür ein zweites Mal ein.
00:39:02
Um sie endgültig zu vertreiben, schlug Peters Vater Hermann mit einem Ball auf den Boden.
00:39:07
Das zeigte Wirkung.
00:39:09
Sie liefen davon.
00:39:10
Aber dann leuchteten zwei Personen, die draußen unterwegs waren, mit einer Taschenlampe ins Lager.
00:39:15
Um bloß nicht entdeckt zu werden, stürmten die vier Männer zurück ins Versteck.
00:39:18
Dort angekommen waren sie die anderen.
00:39:21
Die PassantInnen könnten den Einbruch melden.
00:39:23
Dann sei es sehr wahrscheinlich, dass die Polizei ins Haus kommt.
00:39:27
Allen steht der Schock ins Gesicht geschrieben, als wenig später tatsächlich Schritte auf der Treppe zum Versteck ertönen.
00:39:34
Das muss die Polizei sein.
00:39:37
Die acht sind mucksmäuschenstill.
00:39:40
Umso lauter ist das Geräusch, das dann an Annes Ohr dringt.
00:39:44
Jemand rüttelt am Bücherschrank.
00:39:47
Anne bleibt das Herz stehen.
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Jetzt ist alles aus.
00:39:50
Jetzt sind sie verloren.
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Anne hört niemanden atmen.
00:39:53
Aber sie hat den Eindruck, nicht nur ihr eigenes Herz Hermann zu hören, sondern auch die der anderen.
00:39:58
Aber dann entfernen sich die Schritte wieder.
00:40:01
Offenbar blieben sie unentdeckt.
00:40:03
Trotzdem tut Anne in dieser Nacht kein Auge zu.
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Den anderen geht es ähnlich.
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Zu groß ist die Angst, dass die Polizei zurückkommt und die Geheimtür doch noch entdeckt.
00:40:13
Aber im Haus rührt sich nichts mehr.
00:40:15
Dennoch dauert es, bis Anne den Vorfall verdaut hat.
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Sie ist jeden Tag dankbar dafür, dass Gott sie beschützt hat.
00:40:21
Wir sind gerettet.
00:40:22
Rette uns weiterhin.
00:40:23
Das ist das Einzige, was wir sagen können.
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So schreibt es Anne wortwörtlich in ihr Tagebuch.
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Zwei Monate später geben die neuesten Entwicklungen außerhalb des Verstecks Anne und den anderen Untergetauchten noch mehr Grund, dankbar zu sein.
00:40:38
Aus dem Radio erfahren sie vom D-Day am 6. Juni 1944.
00:40:42
Die Briten, Kanadier und US-Amerikaner sind in der französischen Normandie gelandet.
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Nun werden die Nazis nicht nur im Osten von der Sowjetunion, sondern auch im Westen bekämpft.
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Das könnte bedeuten, dass der Krieg sich nun wirklich dem Ende neigt.
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Als das in Leinen gebundene Büchlein, das sie vor zwei Jahren zum 13. Geburtstag bekommen hat, schließlich voll ist,
00:41:22
macht sie in Kontoheften aus dem Büro oder auf losen Blättern weiter.
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Ihre Werke verstaut sie in einer alten, ledernen Aktentasche, die sie von ihrem Papa bekommen hat.
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Inzwischen glaubt Anne nämlich nicht mehr wie früher,
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dass die literarischen Ergüsse einer Teenagerin später nicht einmal mehr sie selbst interessieren werden.
00:41:40
Im Gegenteil, sie denkt, dass ihre Aufzeichnungen sogar wertvoll sein könnten.
00:41:44
Denn sie denkt oft noch an die Worte des niederländischen Erziehungsministers,
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die sie vor einiger Zeit im Radio gehört hat.
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Er sagte, dass man nach dem Ende des Kriegs alle Informationen über die Leiden des niederländischen Volkes
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während der deutschen Besatzung zusammentragen und veröffentlichen müsse,
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damit die ganze Welt von der Schreckensherrschaft der Nazis erfährt.
00:42:04
Als Beispiel für solche Zeitdokumente nannte er Tagebücher.
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Seither ist Anne wie elektrisiert.
00:42:10
Sie hat beschlossen, nach dem Krieg auf der Basis ihres Tagebuchs ein Buch zu veröffentlichen.
00:42:15
Das Hinterhaus soll es heißen und darin will sie von ihrer Zeit im Versteck erzählen.
00:42:20
In ihrem eigentlichen Tagebuch hält sie alle ganz persönlichen Dinge fest.
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Ihm vertraut sie an, dass sich ihre Gefühle für Peter verändert haben
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und sie sich mehr und mehr sicher ist, dass er nicht ihr fester Freund sein kann.
00:42:32
In ihren Augen hat er noch zu wenig Charakter und Willenskraft.
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Wer weiß, ob sie sich überhaupt jemals so nahe gekommen wären,
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würden sie nicht dasselbe Schicksal im Versteck teilen.
00:42:41
Und Anne schreibt auch über die Reibereien mit ihrer Mutter
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und wie sehr es sie aufregt, so oft von Fritz und Peters Mutter Auguste
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als vorlaut und frech gemaßregelt zu werden.
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Aber wenn sie ernster ist, nimmt das auch niemand für voll.
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Anne schreibt und schreibt.
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Für sie ist das wie ein Ventil, das sie braucht, um zu überleben.
00:43:00
Denn das, was sie denkt und fühlt, kann sie niemandem sonst anvertrauen.
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Sie ist überzeugt, wenn sie es nicht einmal mehr aufschreiben könnte,
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würde sie komplett ersticken.
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So schreibt sie es.
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Vor allem ihr Charakter beschäftigt die inzwischen 15-Jährige sehr.
00:43:14
Eigentlich besteht sie aus zwei Annes,
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so schreibt sie es am 1. August 1944 nach gut zwei Jahren im Versteck in ihr Tagebuch.
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Die eine Anne ist lustig und oberflächlich, die andere ernsthaft.
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Die ernsthafte Anne kenne nun niemand,
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weil in Gesellschaft anderer immer nur die oberflächliche Anne sehr präsent sei
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und die andere keinen Platz finde.
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Das beschäftigt Anne sehr.
00:43:37
Sie wünscht, sich als vielschichtiger Charakter wahrgenommen zu werden.
00:43:41
Immerhin ist sie kein kleines Kind mehr,
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sondern auf dem Weg, eine junge Frau zu werden.
00:43:45
Und sie will unbedingt eine Schriftstellerin werden, die man ernst nimmt.
00:43:49
Auch diese Gedanken schreibt sie in ihrem Tagebuch nieder.
00:43:53
Es ist das letzte Mal, dass Anne den Stift ansetzt
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und selbst ihre Geschichte erzählt.
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Der 4. August 1944 ist der 761. Tag,
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den Anne und ihre Familie im Hinterhaus ausharren.
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Miep kommt an diesem sonnigen Freitagmorgen ins Büro.
00:44:10
So, wie sie es immer tut, öffnet sie die als Bücherregal getarnte Geheimtür
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und taucht ein in die Welt, in der Anne und die anderen seit über zwei Jahren unter dem Radar der Nazis leben.
00:44:20
Als Miep ihre acht Freundinnen begrüßt und sich wie jeden Tag die Einkaufsliste geben lässt,
00:44:26
merkt sie wieder einmal, wie sehr sich die Versteckten freuen, sie zu sehen.
00:44:29
Miep kann das verstehen.
00:44:31
Anne und die anderen kleben immer aneinander, können sich nie aus dem Weg gehen.
00:44:35
Wenn Miep oder die anderen HelferInnen kommen, ist das ein Stück Normalität,
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ein Stück Sicherheit und eine willkommene Abwechslung in dem eintönigen Alltag im Hinterhaus.
00:44:44
Gerade Anne hat großen Redebedarf und schmettert Miep etliche Fragen entgegen.
00:44:49
Wie so oft will sie auch heute wissen, was es alles Neues gibt.
00:44:53
Aber Miep muss die quirlige 15-Jährige mal wieder enttäuschen.
00:44:57
Sie muss sich beeilen.
00:44:58
Die Arbeit wartet und sie muss noch die Lebensmittel besorgen.
00:45:01
Aber Miep versichert Anne, wenn sie heute Nachmittag mit den Einkäufen wiederkommt,
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ist Zeit für ein ausführlicheres Gespräch.
00:45:07
Danach verabschiedet sie sich von Anne und den anderen.
00:45:10
Sie zieht die Geheimtür hinter sich zu und geht in ihr Büro.
00:45:13
Dort setzt sich Miep wie Webb und Johannes an ihren Schreibtisch und beginnt zu arbeiten.
00:45:18
Als es auf Mittag zugeht, verändert sich etwas im Büro,
00:45:22
aber weil Miep so konzentriert ist, bemerkt sie es nicht gleich.
00:45:25
Erst als sie den Blick von ihren Unterlagen hebt, sieht sie in der Bürotür einen Mann stehen.
00:45:31
Obwohl er in zivil gekleidet ist, ist Miep klar, dass es sich um einen SS-Mann handelt.
00:45:36
Denn er hat einen Revolver in der Hand, den er auf Webb, Johannes und sie richtet.
00:45:40
Auf Holländisch befehlt er, sitzen bleiben, verhalten sie sich ruhig.
00:45:45
Dann geht er weiter in das Büro von Viktor, der die Firma auf dem Papier leitet.
00:45:49
Ich glaube, jetzt ist es soweit, Miep, hört sie Johannes sagen.
00:45:53
Auch sie fühlt, jetzt sind sie aufgeflogen.
00:45:56
Die Polizei wird sie, genau wie die Versteckten im Hinterhaus, verhaften.
00:46:00
Um Miep und Bepp dieses Schicksal zu ersparen, sagt Johannes zu den Frauen,
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dass sie verschwinden sollen, um sich selbst zu retten.
00:46:07
Bepp ergreift die Gelegenheit, aber Miep bleibt sitzen.
00:46:11
Sie kann nicht aufstehen, aus dem Haus gehen und ihre Freundinnen zurücklassen.
00:46:15
Als der SS-Mann wieder in ihr Büro kommt und Johannes mitnimmt, bleibt Miep sitzen.
00:46:20
Nach einiger Zeit hört sie noch einen anderen Mann im Haus, der auf Deutsch Befehle gibt.
00:46:25
Die Art, wie er spricht, kommt Miep seltsam vertraut vor.
00:46:29
Als er vor ihr steht, herrscht er sie an.
00:46:31
Jetzt sind sie dran.
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Miep ist klar, dass er weiß, dass sie nicht unschuldig ist, sondern das Versteck kennt.
00:46:37
Das bedeutet, wie Johannes und Viktor wird auch sie verhaftet werden.
00:46:41
So ist die Gesetzeslage.
00:46:43
Jedem Menschen, der Jüdinnen hilft, droht die Todesstrafe.
00:46:48
Aber sie lässt sich von dem Polizisten, der wie sie Anfang 30 ist, nicht einschüchtern,
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denn ihr wird klar, warum ihr der Klang seiner Stimme bekannt vorkommt und wie sie ihm kontern kann.
00:46:58
Sie sieht ihm geradewegs in die Augen und sagt auf Deutsch, sie sind doch Wiener.
00:47:03
Ich bin auch aus Wien.
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Und damit erreicht Miep genau das, was sie will.
00:47:08
Der Mann ist vollkommen überrascht und verwirrt.
00:47:11
Als er sie anschreit, er wolle ihre Papiere sehen, hält Miep ihm ihren Ausweis unter die Nase.
00:47:16
Der bestätigt, dass sie in Wien geboren ist.
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Da brüllt der Österreicher Miep an, ob sie sich nicht schäme, diesem, Zitat, Judenpakt zu helfen.
00:47:25
Er beschimpft sie als Verräterin, die aufs Schärfste bestraft werde.
00:47:29
Aber er macht keine Anstalten, sie festzunehmen.
00:47:32
Mieps Versuch, über ihre gemeinsame Herkunft eine Verbindung zu dem Mann aufzubauen, scheint zu funktionieren.
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Beide kommen aus dem selben Land, sogar aus derselben Stadt.
00:47:42
Aber sie hilft den Menschen, die er verfolgt.
00:47:45
Auf einmal verändert sich der Ausdruck in seinen Augen und er sagt,
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aus persönlicher Sympathie, von mir aus können sie bleiben.
00:47:53
Aber gnade ihnen Gott, wenn sie türmen.
00:47:55
Ich komme wieder und kontrolliere sie.
00:47:58
Eine falsche Bewegung und sie landen auch im Gefängnis.
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Dann verlässt er das Büro.
00:48:03
Miep hört, wie er die Tür von außen zusperrt.
00:48:07
Kurz darauf dringen Geräusche an ihr Ohr, die sie so nie hören wollte.
00:48:11
Ihre Freundinnen steigen die Treppe aus dem Hinterhaus nach unten.
00:48:15
Ihre Schritte klingen kraftlos und voller Angst.
00:48:18
Sie führen zwar raus aus dem Haus, aber nicht in die Freiheit, sondern direkt ins Gefängnis.
00:48:25
Zwei Stunden, nachdem der Mann mit dem Revolver in der Bürotür stand, ist das Hinterhaus leer.
00:48:30
Miep sitzt immer noch wiegelähmt da.
00:48:33
Sie hatte Anne gesagt, dass sie sich heute Nachmittag einmal wieder ausgiebig unterhalten würden.
00:48:37
Doch nun sind Anne und die anderen nicht mehr da, sondern in den Fängen der Menschen, die sie seit Jahren jagen.
00:48:45
Miep will gar nicht darüber nachdenken, was sie ihnen antun.
00:48:48
Als sie wieder einigermaßen klar denken kann, geht sie ins Versteck.
00:48:52
Dort offenbart sich ihr ein Bild der Verwüstung.
00:48:55
Hier wurde alles auf links gedreht.
00:48:57
Möbel und Gegenstände wurden umgeworfen, sämtliche Schranktüren und Schubladen aufgerissen und der Inhalt verstreut.
00:49:04
Der Boden im Schlafzimmer von Edith und Otto ist bedeckt mit Papier.
00:49:08
Mittendrin erkennt Miep ein Büchlein mit einem rot-orange-grau karierten Leineneinband.
00:49:14
Es ist das Tagebuch, das Anne vor zwei Jahren zum Geburtstag bekommen hat.
00:49:18
Miep weiß, wie viel es der 15-Jährigen bedeutet.
00:49:21
Ihm hat sie ihre geheimsten Gedanken und Gefühle anvertraut.
00:49:25
Miep nimmt es an sich, genauso wie alle anderen Papierbögen, die Annes gleichmäßige Schreibschrift tragen.
00:49:32
Was damit geschehen soll, weiß sie ganz genau.
00:49:34
Ohne einen Blick hineinzuwerfen, verstaut Miep das Tagebuch und die anderen Unterlagen in ihrem Schreibtisch im Büro.
00:49:41
Verborgen, vor neugierigen Augen, wird sie es dort so lange für Anne aufbewahren, bis sie wieder zurückkommt.
00:49:47
Nur leider weiß niemand, wann das sein wird.
00:49:50
Ende September, ein paar Wochen nach der Festnahme, schöpft Miep aber wieder Hoffnung.
00:49:56
Helfer Johannes, der wie Viktor und die acht Versteckten verhaftet worden ist, ist wieder auf freiem Fuß.
00:50:02
Als er zu Miep in die Firma kommt, fällt sie ihm in die Arme, lacht und weint gleichzeitig.
00:50:06
Johannes erzählt ihr, was nach der Verhaftung geschehen ist.
00:50:10
Er und Viktor kamen genauso wie die acht Untergetauchten in Amsterdam ins Gefängnis.
00:50:15
Dort wurden sie getrennt.
00:50:17
Was mit ihren jüdischen Freundinnen geschah, erfuhren Johannes und Viktor nicht.
00:50:21
Die beiden kamen vom Gefängnis in eine andere Haftanstalt.
00:50:26
Johannes hatte Glück im Unglück.
00:50:28
Weil er seit Jahren Probleme mit dem Magen hat, dringten Mitarbeitende des Roten Kreuzes bald darauf, ihn freizulassen.
00:50:34
Nur deshalb konnte er als freier Mann nach Amsterdam zurückkehren.
00:50:38
Kurz nach ihm kommt aber auch Viktor zurück.
00:50:41
Für Miep ist das ein gutes Zeichen.
00:50:43
Johannes und Viktor haben die Inhaftierung überlebt.
00:50:46
Dann gelingt das den anderen hoffentlich genauso.
00:50:50
Was weder sie noch Johannes und Viktor wissen.
00:50:52
Nach ein paar Tagen im Gefängnis werden die Franks genauso wie die Familie von Pelz und Fritz Pfeffer ins Durchgangslager Westerbork gebracht.
00:50:59
Von dort werden Jüdinnen in andere Konzentrations- und Vernichtungslager verteilt.
00:51:04
Nach einigen Wochen im Durchgangslager werden Anne und die anderen weitergeschickt.
00:51:09
Ins über 1000 Kilometer entfernte deutsche KZ Auschwitz-Birkenau im heutigen Südpolen.
00:51:15
Der Zug, der sie und etliche andere Gefangene dorthin bringt, besteht aus Viehwaggons.
00:51:20
Und genauso sind die Menschen dort drin zusammengefärscht.
00:51:24
Es gibt kaum Nahrung und Wasser.
00:51:26
Statt einer Toilette steht ihnen nur ein kleines Fass zur Verfügung.
00:51:29
Nach drei Tagen Fahrt unter unwürdigsten Bedingungen erreichen Anne und die anderen Auschwitz.
00:51:34
Über dem Eingangstor zum Lager prangt der Schmiede all seine Schriftzug.
00:51:38
Arbeit macht frei.
00:51:40
Noch am Bahnsteig der Rampe, wie die Nazis sagen, werden die Familien getrennt.
00:51:45
Anne, ihre Schwester Margot, ihre Mutter Edith und Peters Mutter Auguste zusammen mit den anderen Frauen und Kindern auf die eine Seite.
00:51:52
Annes Vater Otto, Peter, sein Vater Hermann und Fritz sowie alle anderen Männer auf die andere.
00:51:58
Während alle den mit Knüppel und Schusswaffen bewaffneten Uniformierten Folge leisten, brüllen die Permanentbefehle.
00:52:05
Dazwischen bellen Wachhunde.
00:52:06
Anne und die anderen müssen sich in Reihen aufstellen.
00:52:09
Alle werden von den Uniformierten genau begutachtet und die Reihen neu sortiert.
00:52:14
Vor allem Mütter mit kleinen Kindern, ältere Frauen und ältere Männer werden weggebracht.
00:52:19
Sie verschwinden in Richtung von steinernen Gebäuden mit qualmenden Schornsteinen.
00:52:23
Offiziell werden sie in Sammelduschen geschickt, um sich zu waschen.
00:52:27
Was die allermeisten von ihnen jetzt noch nicht wissen, aus den Duschköpfen strömt kein Wasser, sondern giftiges Gas.
00:52:33
Und der Rauch, den die Schornsteine in den Himmel blasen, kommt nicht von Kohlen oder Holz, sondern von Hunderten von Menschen,
00:52:39
die jeden Tag in den Gaskammern sterben und deren Leichen in den angrenzenden Krematurien verbrannt werden.
00:52:44
Das systematische Ermorden von Frauen, Männern und Kindern ist die finale Phase der Jüdinnenverfolgung durch die Nazis.
00:52:51
Unterdessen geht der Krieg weiter und die Auswirkungen auf die Bevölkerung werden immer schlimmer.
00:52:57
In Amsterdam sind Geschäfte und Läden längst geplündert, Lebensmittel sind Mangelware.
00:53:01
Und als der Winter kommt, es aber keine Kohlen mehr gibt, holzen die BewohnerInnen die Bäume in der Innenstadt ab, um ihre Wohnungen zu heizen.
00:53:09
Auch Seife ist nicht mehr zu bekommen, weshalb die hygienischen Bedingungen immer schlechter werden und sich Krankheiten wie die Kretze ausbreiten.
00:53:17
Jeden Tag hofft Mieb, dass die USA, Großbritannien, Frankreich und die Sowjetunion, die sich mittlerweile als Alliierte zusammengeschlossen haben, um gegen die Nazis zu kämpfen, den Krieg endlich beenden.
00:53:27
Dann könnten ihre Freundinnen endlich zurückkommen.
00:53:30
Was sie gerade durchleben müssen, mag sich Mieb gar nicht vorstellen.
00:53:34
Sie geht davon aus, dass sie in einem Lager sind, aber sie weiß nicht in welchem.
00:53:39
Sie hofft nur inständig, dass es eines der Lager ist, in denen die Menschen Zwangsarbeit verrichten müssen.
00:53:44
Nicht eines derer, in denen sie den Tod finden.
00:53:46
Dass es auch solche gibt, weiß Mieb mittlerweile aus dem Radio.
00:53:51
Die BBC berichtet seit langem darüber, dass es dort Kammern gibt, in denen die Nazis die Jüdinnen mittels Giftgas ermorden.
00:53:57
Als die Niederlande am 5. Mai 1945, ein Dreivierteljahr nach der Festnahme der Versteckten, endlich durch die Alliierten befreit werden und der Zweite Weltkrieg drei Tage später in Europa endgültig zu Ende ist, überrollt Mieb eine Welle der Erleichterung.
00:54:12
Endlich ist es soweit.
00:54:14
Darauf hat sie jahrelang gehofft.
00:54:16
Sofort ist Mieb in Gedanken bei Anne und den anderen.
00:54:19
Sie fragt sich, ob ihre Freundinnen, wo auch immer sie waren, nun auch schon frei und auf dem Weg zurück nach Amsterdam sind.
00:54:25
Und während die Bevölkerung das Ende der fünf Jahre langen deutschen Besetzung feiert und sich über die dringend nötigen Lebensmittelpakete freut, die die Alliierten aus ihren Flugzeugen für die NiederländerInnen abwerfen,
00:54:36
kehren in den nächsten Tagen und Wochen immer mehr Menschen nach Hause zurück, die geflohen oder von den Nazis verschleppt worden sind.
00:54:43
Unter den RückkehrerInnen sind jedoch weder die Familie Frank noch die Familie von Pelz oder Fritz Pfeffer.
00:54:49
Dabei hofft Mieb jeden Abend, dass ihr Mann Jan endlich gute Neuigkeiten für sie hat.
00:54:54
Jan arbeitet für die Stadt.
00:54:56
Am Amsterdamer Hauptbahnhof empfängt der Heimkehrende und versorgt sie mit dem Nötigsten.
00:55:00
Jeden Menschen, den Jan dabei trifft, fragt er, ob er etwas über die Familie Frank weiß.
00:55:06
Aber bisher ist er immer ohne irgendeine hilfreiche Information nach Hause gekommen.
00:55:10
Daher will sich Mieb auch an diesem Abend keine allzu großen Hoffnungen machen.
00:55:15
Aber anders als sonst berichtet Jan ihr diesmal, dass ihm jemand gesagt habe, dass Otto Frank zurückkehre.
00:55:21
Als Mieb das hört, spürt sie ihr Herz wie verrückt in ihrer Brust schlagen.
00:55:26
Was für ein Glück, Otto kommt zurück.
00:55:28
Und die anderen auch, da ist sie sich sicher.
00:55:31
Alles wird gut werden.
00:55:33
Es ist der 3. Juni, fast ein Monat nach Kriegsende, als vor Miebs Haustür der Mann auftaucht, den Mieb sehnlichst erwartet.
00:55:44
Körperlich scheinen ihm die vergangenen Monate nicht übermäßig zugesetzt zu haben.
00:55:49
Schmal war er schon immer.
00:55:51
Aber als Mieb ihm in die Augen sieht, wird ihr klar, dass Otto unfassbares Leid erlebt hat.
00:55:56
Sie will etwas sagen, fragen, aber aus ihrer Kehle dringt kein Laut.
00:56:00
Schließlich bricht Otto das Schweigen und sagt, Edith kommt nicht zurück.
00:56:05
Mieb fühlt sich, als hätte man ihr eine Faust in die Magengrube gerammt.
00:56:10
Von Otto erfährt sie von seinen letzten Momenten mit seiner Familie.
00:56:16
Nachdem sie an der Rampe in Auschwitz getrennt worden sind, kommen Anne, Margot, Edith und Auguste ins Frauenlager.
00:56:22
Otto, Hermann, Peter und Fritz in das für Männer.
00:56:25
Dort nimmt man ihnen nach dem furchtbaren Transport noch den letzten Rest Menschenwürde.
00:56:30
Von nun an haben sie keine Namen mehr, sondern nur noch eine Nummer, die ihnen auf den linken Unterarm tätowiert wird.
00:56:36
Ihre Haare werden abrasiert und ihre Kleidung gegen Lagerkleidung eingetauscht.
00:56:41
Dann werden die Männer zum Arbeiten eingeteilt.
00:56:44
Peters Vater Hermann verletzt sich bei der schweren körperlichen Arbeit im Straßenbau an der Hand.
00:56:48
Peter und die anderen müssen daraufhin mit ansehen, wie die Nazis ihn in die Gaskammern schicken.
00:56:53
Aber auch Otto wird im Laufe der nächsten Monate immer schwächer.
00:56:57
Als die Rote Armee der Sowjetunion immer weiter Richtung Lager vordringt,
00:57:01
lassen es die Nazis in dem Versuch, ihre Gräueltaten zu vertuschen, räumen.
00:57:06
Alle Gefangenen, die körperlich noch dazu in der Lage sind, müssen zu sogenannten Todesmärschen nach Deutschland antreten.
00:57:12
Zu Fuß hunderte Kilometer bei Minusgraden und Schnee.
00:57:16
Otto ist dafür viel zu schwach.
00:57:18
Der großgewachsene Mann wiegt nur noch 52 Kilo.
00:57:21
Weil die Nazis davon ausgehen, dass der 55-Jährige ohnehin nicht überlebt,
00:57:26
wird er, so wie die anderen, die zu krank oder zu schwach für den Todesmarsch sind,
00:57:31
in der Krankenbaracke zurückgelassen.
00:57:32
Dort versucht er, Peter zu überreden, das Lager nicht zu verlassen,
00:57:36
sondern sich in der Krankenbaracke zu verstecken.
00:57:38
Aber Peter fühlt sich einigermaßen fit.
00:57:41
Er ist überzeugt, den Todesmarsch zu überleben.
00:57:43
Otto bleibt allein in Auschwitz zurück.
00:57:46
Als die Rote Armee das Lager kurz darauf Ende Januar befreit,
00:57:49
sammelt Otto seine letzten Kraftreserven.
00:57:52
Er geht in den Frauenbereich und hofft inständig,
00:57:55
unter den dort zurückgelassenen Edith und seine Töchter zu finden.
00:57:59
Aber es gibt kein Lebenszeichen von seiner Familie.
00:58:01
Stattdessen erfährt Otto, dass Edith vor drei Wochen gestorben ist.
00:58:05
Ihr Körper konnte nicht mehr.
00:58:06
Was ihm fast ebenso zusetzt wie die Todesbotschaft seiner Frau,
00:58:10
ist die Tatsache, dass Edith in der letzten Zeit ihres Lebens völlig allein war.
00:58:15
Otto erfährt nämlich auch, dass Anne und Margot, genauso wie Auguste,
00:58:19
schon vor zwei Monaten von Auschwitz ins Lager Bergen-Belsen gekommen sind.
00:58:24
Das ist trotz allem eine gute Nachricht.
00:58:26
In Bergen-Belsen gibt es keine Gaskammern.
00:58:28
Es ist kein Todes, sondern ein Arbeitslager.
00:58:31
Als Otto mit seiner Geschichte endet, sagt er deshalb zu Mieb,
00:58:34
für Margot und Anne habe ich große Hoffnung.
00:58:37
Dass sich die erfüllen, wünschen sich Otto und Mieb nun jeden Tag.
00:58:42
Jetzt, wo Otto wieder zurück ist, wirkt es fast so, als wäre er nie weg gewesen.
00:58:46
Denn er geht wie Mieb nun wieder täglich in die Firma.
00:58:48
Es ist eine Konstante, die ihm Halt und Stabilität gibt.
00:58:52
Es ist schrecklich für ihn zu wissen, dass seine geliebte Frau in Auschwitz auf grauenvolle Weise gestorben ist
00:58:57
und gleichzeitig nicht zu wissen, ob er seine Töchter jemals wiedersehen wird.
00:59:01
Boah, furchtbar.
00:59:04
Tagsüber hilft die Arbeit, die kreisenden Gedanken in seinem Kopf zu stoppen.
00:59:10
Aufträge für Gewürzmischungen trudeln nach wie vor herein.
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Zwar nicht üppig, aber so, dass sie sich über Wasser halten können.
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Kaum ist Otto wieder da, nimmt er sofort wieder seinen Platz als Geschäftsführer ein.
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Der Platz, der ihm zwei Jahre lang verwehrt war, weil die Nazis jüdische Menschen jagten
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und er und seine Familie untertauchen mussten.
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In einem Versteck, das direkt nebenan liegt.
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Darüber nachzudenken ist völlig surreal.
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Und doch war es Realität.
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Als Mieb Otto an seinem Schreibtisch sieht, merkt sie ihm an,
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wie erleichtert er es, eine Beschäftigung zu haben.
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Aber auch nachdem die Tagesgeschäfte erledigt sind, kommt Otto nicht zur Ruhe.
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Jetzt beginnt die noch wichtigere Arbeit, die Suche nach Anne und Margot.
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Er stellt Anfragen bei Geflüchteteneinrichtungen,
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durchforstet Namenlisten von Überlebenden, die täglich aktualisiert werden
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und kontaktiert sämtliche Menschen, von denen er gehört hat,
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dass sie möglicherweise etwas über seine Töchter wissen.
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Währenddessen bemüht sich die niederländische Bevölkerung, genau wie die in Deutschland und anderen Ländern,
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in denen der Krieg getobt hat, um eine neue Normalität.
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Geschäfte und Läden sind zwar noch immer fast leer, Lebensmittel nach wie vor rationiert,
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aber auf den Straßen kehrt langsam das Leben zurück.
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Menschen packen an, um durch Bomben zerstörte Häuser und sich selbst dadurch wieder eine Existenz aufzubauen.
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Und wie Otto und Mieb warten auch viele von ihnen auf ein Lebenszeichen von ihren Liebsten.
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Eines Morgens jedoch, als Mieb und Otto im Büro die Post durchsehen, ändert sich mit einem Schlag alles.
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Mieb hört noch, wie Otto einen Brief aufschlitzt.
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Er stammt von einer Krankenschwester aus Rotterdam.
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Eine der Personen, die Otto nach Informationen über seine Mädchen gefragt hat.
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Dann schluckt eine bleiernde Stille jegliches Geräusch im Raum.
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Als Mieb Otto ansieht, ist ihm alle Farbe aus dem Gesicht gewichen.
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Boah, ist das schlimm.
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Margot und Anne kommen nicht zurück.
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Otto verlässt den Raum.
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Mieb muss sich an ihrem Schreibtisch festhalten.
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Alles nur das nicht.
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Sie war sich so sicher, dass dieser allerschlimmste Fall nicht eintreten würde.
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Nicht Anne und Margot.
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Obwohl die Trauer Miebs Herz fast erdrückt, weiß sie, was zu tun ist.
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Sie öffnet die Schreibtischschublade und nimmt Annes Tagebuch und ihre anderen Notizen heraus,
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die sie vor fast einem Jahr dort verstaut und seitdem,
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wie einen Schatz gehütet hat.
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Jetzt, wo die traurige Gewissheit herrscht, dass Anne nie wieder zurückkommen wird,
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ist Mieb klar, was damit passieren soll.
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Sie geht in Ottos Büro und übergibt ihm die Schriftstücke.
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Zur Erklärung sagt sie nur einen Satz.
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Hier ist das Vermächtnis ihrer Tochter an sie.
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Weder Mieb noch Otto Ahn, dass das Buch, das auf Annes Tagebuch beruht,
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Jahre später mehr als 30 Millionen Mal verkauft werden wird.
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Der Blick in Annes Innerstes offenbart der Welt eine persönliche Perspektive auf das Leid,
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das Jüdinnen unter der grausamen Herrschaft der Nazis widerfahren ist.
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Nach und nach bekommen Otto und Mieb von Überlebenden Annes letztes Lebenskapitel im KZ Bergenbelsen erzählt.
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Wie die Gefangenen dort vor der Befreiung der britischen Alliierten leben müssen, ist menschenunwürdig.
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Das Lager ist heillos überfüllt.
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In den Baracken mit den schmalen Holzbritschen, in denen die Menschen schlafen, drängen sie sich dicht an dicht.
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Durch diese erzwungene Körpernähe können sie wenigstens der eisigen Kälte ein wenig entfliehen.
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Es gibt kaum etwas zu essen und die hygienischen Bedingungen sind katastrophal.
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Wie die anderen versucht Anne, einfach nur irgendwie zu überleben.
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Obwohl sie es nicht weiß, ist sie sich sicher, dass sie ihre Eltern nie wiedersehen wird.
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Anne ist überzeugt davon, dass sie wie Millionen andere Menschen getötet wurden.
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So erzählt sie es unter Tränen einer anderen Jüdin im KZ.
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Nun ist Anne umringt von Menschen, die aussehen wie Skelette.
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Ihre Körper sind bis auf die Knochen abgemagert, ihre Köpfe kahl geschoren.
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Die Augen liegen in dunklen Höhlen, wie bei einem Totenschädel.
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Anne weiß, alle hier, sie selbst eingeschlossen, sind dem Tod näher als dem Leben.
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Der einzige Lichtblick ist ihre Schwester Margot.
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Aber nach etwa vier Monaten in Bergenbelsen wird die 19-Jährige schwer krank.
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Im Lager grassiert Typhus.
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Jetzt hat es auch Margot erwischt.
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Auf ihrem Körper breiten sich rote Flecken aus und sie hat frohes Fieber.
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Für Anne ist das schrecklich.
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Wenn Margot stirbt, ist sie ganz allein auf der Welt.
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Ihr Leid klagt sie einer Schulfreundin von früher, die sie in diesen Tagen zufällig in
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dem überfüllten Lager trifft.
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So schlimm die Umstände sind, unter denen sich die beiden Teenagerinnen begegnen,
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ist es trotzdem schön zu wissen, dass sie noch am Leben sind.
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Ein paar Mal gelingt es Anne noch, ihre Freundin zu treffen, aber dann wird auch Anne so krank
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Durch die schlechte Versorgung im Lager ist die 15-Jährige ohnehin schon völlig entkräftet,
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sodass die Typhus-Bakterien leichtes Spiel haben, sich in ihrem Körper auszubreiten.
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Die Schmerzen in ihren Armen und Beinen sind kaum auszuhalten, ihr Kopf ist glühend heiß.
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Anne und Margot bräuchten dringend Medikamente, aber es gibt keine.
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Irgendwann sind sie so schwach, dass sie nicht mehr von den hölzernen Pritschen aufstehen
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Bald darauf stirbt Margot an der schweren Infektion.
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Ein paar Tage später gehen auch Annes Kraftreserven zu Ende.
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Ihr Körper kann nicht länger gegen die Krankheit kämpfen.
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Auch er kapituliert vor Typhus.
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Und Annes Herz schlägt zum letzten Mal.
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Das war heute vor 80 Jahren.
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An welchem Tag genau Anne gestorben ist, ist nicht bekannt.
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In jedem Fall war es nur ein paar Wochen, bevor Bergen-Belsen durch britische Soldaten
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Otto und Miep haben nun traurige Gewissheit.
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Anne, Margot und Edith sind tot.
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Dass Hermann von Pelz in den Gaskammern gestorben ist, wissen sie bereits.
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Nach und nach erfahren sie auch vom Schicksal ihrer anderen Freundinnen.
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Hermanns Frau Auguste, die mit Anne und Margot in Bergen-Belsen war, wurde nach dem Tod der
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Mädchen von dort weitergeschickt.
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Erst ins KZ Buchenwald und von dort ins KZ Theresienstadt.
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Glückwunsch schab sie auf dem Weg dorthin.
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Ihr Sohn Peter, der nicht bei Otto in Auschwitz bleiben wollte, überlebte den Todesmarsch ins
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Allerdings forderten die Strapazen der vergangenen Monate ihren Tribut.
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Der 18-Jährige wurde krank und starb etwa zur gleichen Zeit, als amerikanische Truppen das
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KZ Mauthausen befreiten.
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Fritz Pfeffer starb schon fünf Monate vorher im KZ Neuengammer, offiziell an einer entzündlichen
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Anne, Margot, Edith, Auguste, Peter, Hermann und Fritz sind sieben von Millionen Opfern der
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grausamen NS-Herrschaft.
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Die Nazis und ihre UnterstützerInnen haben während ihres Regimes zwischen 1933 und 1945 mindestens
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17 Millionen Menschen getötet.
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Dabei haben sie die Zahl von JüdInnen in Europa mehr als halbiert.
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Vor dem Krieg lebten elf Millionen JüdInnen in Europa.
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Die Nazis töteten sechs Millionen.
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Dieser Völkermord geht als Holocaust in die Geschichtsbücher ein.
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Allein im Konzentrationslager Auschwitz-Birkenau fanden 1,1 Millionen Menschen den Tod.
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Die meisten wurden in den Gaskammern erstickt, andere wurden erschossen.
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Viele starben aber auch durch Erschöpfung oder Krankheiten.
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Insgesamt sterben im Zweiten Weltkrieg über 60 Millionen Menschen.
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Von den acht aus dem Hinterhaus überlebt nur Anne's Vater Otto die Schreckensherrschaft
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Er hadert mit sich und seinem Schicksal.
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Es fällt ihm schwer, sich in dem Leben nach dem Krieg zurechtzufinden.
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Nicht nur wegen der dramatischen Erlebnisse im Konzentrationslager, sondern auch deshalb,
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weil er als Einziger noch am Leben ist.
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Dabei lief es im Versteck so gut.
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Alles war so gut geplant und sie hatten die besten HelferInnen, die er sich hätte wünschen
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Sie hätten nur noch ein Dreivierteljahr im Hinterhaus aushalten müssen.
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Aber das konnten sie nicht, denn irgendjemand hat sie verraten.
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Davon ist nicht nur Otto überzeugt, sondern auch die Kripo in Amsterdam, die die Ermittlungen
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Als wichtigster Zeuge wird später der Wiener SS-Mann befragt, der Otto, Anne und die anderen
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im Versteck verhaftet hat.
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Er gibt jedoch an, dass es in all den Jahren so viele DenunziantInnen gegeben habe, dass
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er sich nicht mehr erinnern könne, wer es in diesem Fall war.
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Er selbst ist nach dem Krieg in seine Heimatstadt Wien zurückgekehrt, wo er wie zuvor als Polizist
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Acht Jahre später muss er sich wegen seiner Rolle im NS-Regime verantworten.
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Er wird festgenommen und während der Ermittlungen gegen ihn vom Dienst suspendiert.
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Allerdings lassen ihn die Behörden bald wieder laufen, denn er kann nicht strafrechtlich verfolgt
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Die Begründung lautet, er habe damals, Zitat, auf Befehl gehandelt und sich bei der Verhaftung
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korrekt verhalten.
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Ein Argument, das bei der Aufklärung von Naziverbrechen oft genutzt wird und so viele UnterstützerInnen
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des NS-Regimes vor einer Bestrafung bewahrt.
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Um die Person zu finden, die das Versteck verraten hat, wird in alle möglichen Richtungen ermittelt.
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Ins Visier gerät die Frau eines Lagermitarbeiters, die gehört haben wollte, dass in dem Haus JüdInnen
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versteckt worden seien.
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Außerdem laufen Ermittlungen gegen einen niederländischen Nazi, der die Polizisten kannte, die die Versteckten
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verhaftet haben.
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Der Mann hatte eine Firma, die mit ähnlichen Waren wie die von Otto handelte.
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So könnte er Zugang zum Lager gehabt haben und dort möglicherweise Geräusche aus dem
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Hinterhaus gehört haben.
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Noch dazu kannte er den Lagerverwalter von Ottos Firma, der erst eingestellt wurde, nachdem
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die Franks untergetaucht waren.
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Dieser Lagerverwalter wird ebenfalls genau unter die Lupe genommen.
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Er ist ein sehr neugieriger Mann, der immer wieder versuchte herauszufinden, ob nach Feierabend
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noch jemand in der Firma war.
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Zudem stellte er einmal eine sehr auffällige Frage.
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Er wollte wissen, ob die Firma früher nicht einmal einen Herrn Frank gehört habe.
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Für die Polizei ist der Lagerverwalter der Hauptverdächtige.
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Aber Mieb und auch Otto glauben nicht daran.
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Denn sie kennen das Geheimnis des Lagerverwalters.
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Während des Kriegs hat er seinen eigenen Sohn versteckt, um ihn vor dem Arbeitslager
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Daher sind Otto und Mieb überzeugt davon, dass er die Untergetauchten nicht verraten hat.
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Tatsächlich könnten auch die Eindringlinge Verdacht geschöpft haben.
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Die Kripo hat viele Theorien, aber keinen einzigen Beweis.
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Otto Frank spricht sich schließlich dafür aus, die Ermittlungen einzustellen.
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Er möchte gar nicht wissen, wer sie verraten und damit seinen Liebsten den Tod gebracht hat.
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Denn selbst wenn jemand dafür verantwortlich gemacht werden kann, kommt seine Familie nicht
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Er kann ihr nur noch ein würdiges Andenken bewahren.
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Daher entscheidet sich Otto auch dazu, das Tagebuch seiner Tochter zu veröffentlichen.
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Die ganze Welt soll von ihrem Schicksal erfahren und von dem Leid, das die Nazis seiner Familie
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Weil Anne es selbst nicht mehr kann, erfüllt ihr Vater ihren größten Wunsch und macht seine
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Tochter zur Schriftstellerin.
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So wird Annes Traum schließlich doch noch wahr.
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Auf tragische Art und Weise aber umso bedeutsamer.
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Denn Annes Geschichte über das Hinterhaus dient nicht nur zur Erinnerung an die Versteckten,
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sondern auch als Mahnung für alle Menschen weltweit.
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So machen es sich Otto und auch Miep zur Lebensaufgabe, an Anne und die anderen zu erinnern.
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In Interviews wird Miep oft gefragt, ob es überhaupt einen Sinn hatte, sich derart in Gefahr
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zu begeben, wo sie ihre Freundinnen am Ende doch nicht vor den Gräueltaten der Nazis bewahren
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Darauf antwortet sie, Zitat,
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Zu meinem unendlichen Bedauern haben wir Anne nicht retten können.
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Aber wir Helfer haben es zumindest geschafft, ihr Leben um zwei Jahre zu verlängern.
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Und in dieser Zeit konnte sie ihr Tagebuch schreiben und dadurch ihre Botschaft von Toleranz und Verständnis
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Und etwas ist ihr noch wichtig.
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Das betont sie in ihrer Dankesrede, als ihr 1994 in den USA die Wallenberg-Medaille verliehen
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Eine Auszeichnung für außergewöhnliche humanitäre Leistungen.
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Die Leute nennen mich manchmal eine Heldin.
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Das möchte ich nicht, denn ich habe ihnen bereits gesagt, dass die Untergetauchten die mutigen
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Ich mag es auch nicht, weil die Leute nie denken sollten, dass man eine ganz besondere Person
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sein muss, um denen zu helfen, die einen brauchen.
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Ich selbst bin nur eine gewöhnliche Frau.
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Ich hatte gar keine Wahl.
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Ich könnte mir viele, viele schlaflose Nächte und ein miserables Leben vorstellen, wenn
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ich mich geweigert hätte, den Franks zu helfen.
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Ja, ich habe unzählige Male geweint, wenn ich an meine lieben Freunde denke.
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Aber dennoch bin ich froh, dass es keine Tränen der Reue sind, weil ich mich geweigert
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habe, denen zu helfen, die in Not waren.
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Selbst wenn Hilfe fehlschlägt, ist es besser, es zu versuchen, als nichts zu tun.
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Diese Botschaft geben Miep und ihr Mann Jan auch an ihr eigenes Kind weiter.
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Fünf Jahre nach dem Krieg kommt ihr Sohn Paul zur Welt.
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Es ist dasselbe Jahr, in dem in Amsterdam wieder Normalität einkehrt.
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Die Läden sind wieder voll mit Waren und die Bevölkerung muss nicht mehr Hunger leiden.
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Trotzdem geht Miep wie in den Kriegsjahren sorgsam mit Lebensmitteln um.
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Sie bringt es nicht übers Herz, Essensreste wegzuwerfen, wenn sie für ihre Familie und Otto
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Von ihm muss sich Miep zwei Jahre später trennen.
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Annes Vater zieht in die Schweiz.
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Trotzdem bleibt das besondere Band, das die beiden geknüpft haben, bestehen, bis Otto
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mit 91 Jahren stirbt.
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Miep lebt noch 30 Jahre länger und hält die Erinnerungen an das schreckliche Schicksal
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von Millionen von Menschen lebendig.
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Und das tun auch zahlreiche Überlebende des Holocaust, von denen es ja leider immer weniger
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gibt, zum Beispiel Margot Friedländer.
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Ihr gelang es lange Zeit, sich vor den Nazis zu verstecken.
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Ein Jahr vor Kriegsende wurde sie trotzdem gefasst und kam als 23-Jährige ins KZ Theresienstadt.
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Heute ist sie 103 Jahre alt und setzt sich noch immer mit aller Kraft dafür ein, dass nicht
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vergessen wird, welche Ungerechtigkeiten und Grausamkeiten damals als normal galten und wie
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viele Menschen aus reiner Willkür ermordet wurden, nur weil andere entschieden haben, dass
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diese Leben weniger wert seien.
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In einem Interview mit der Tagesschau zum Holocaust-Gedenktag am 27.
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Januar 2025 sagt sie das hier.
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Nur wir, die wir es erlebt haben, wissen darüber und können darüber sprechen.
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Ich spreche für die, die es nicht geschafft haben und nicht nur für die 6 Millionen Juden, für
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alle, die man umgebracht hat.
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Margot Friedländer wird außerdem gefragt, was ihre Botschaft an die junge
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Generation ist und daraufhin sagt sie das.
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Damals haben die Menschen gejubelt, gejubelt, weil sie nicht wussten, für was.
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Ihr seid klüge, ihr habt gelernt, ihr wisst, was Menschlichkeit ist, was sich gehört, was wir sind.
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Dass Menschen, ganz egal welche Hautfarbe, welche Religion, sie sind Menschen und müssen als
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Menschen respektiert werden.
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Weißt du eigentlich, dass ich sie interviewt habe?
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Ja, das war in meinem Volo, durften wir Volos aus meinem Jahrgang, wo du ja nicht drin warst, durften sie
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Ich konnte mir gar nicht vorstellen, dass diese Frau, die so eine Stärke und so eine Klarheit
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ausgestrahlt hat, in ihrem Leben diese furchtbaren Erfahrungen machen musste.
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Und ja, du hast ja gerade gesagt, sie ist 103 Jahre alt und ich finde, sie ist einfach so ein krasses
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Vorbild, wie sie jetzt schon seit Jahren diese Arbeit macht und mit jungen Leuten spricht und
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immer wieder ihre dunkelsten Tage durchlebt, damit sich die Geschichte nicht wiederholt.
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Ja, da sagst du was, da gehört bestimmt ganz schön was dazu, da immer und immer wieder
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Und so Appelle wie die von Margot Friedländer, die sind auch heute noch so, so wichtig.
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Das zeigen zum Beispiel allein die Zahlen zu Antisemitismus-Vorfällen.
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2024 waren in Deutschland nämlich 42 Prozent der jüdischen Gemeinden davon betroffen.
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Also unter anderem sowas wie von Sachbeschädigungen, verbaler Hetze, aber auch körperlichen Angriffen.
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Und da hilft es natürlich überhaupt nicht, wenn es dann da so jemanden gibt wie Björn Höcke
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von der AfD, der eine erinnerungspolitische Wende fordert.
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Der wurde ja vom Verfassungsschutz auch als rechtsextrem eingestuft.
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Und er ist eben der Meinung, man würde sich in Deutschland zu sehr auf die Vergangenheitsbewältigung
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Vor allem stört ihn das Holocaust-Mahnmal in Berlin.
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Dazu sagte der nämlich, Zitat, wir Deutschen sind das einzige Volk der Welt, das sich ein
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Denkmal der Schande in das Herz seiner Hauptstadt gepflanzt hat.
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Ja, und was der alles gesagt hat, also der spricht auch von dämlicher Bewältigungspolitik
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und sagt Nazi-Parolen wie alles für Deutschland.
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Und man darf ihn ja laut Gerichtsurteil auch als Nazi bezeichnen.
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Und dieser Mann wird dann auch noch von der Parteivorsitzenden gelobt.
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Und damit ist er nicht der einzige, Gauland auch.
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Wir erinnern uns daran, dass Hitler und die Nazis nur ein Vogelschiss in über tausend
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Jahren erfolgreicher deutscher Geschichte seien.
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Also massiv Holocaust-relativierende Aussagen.
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Und er meinte ja auch, dass es nicht so schlimm sei, wenn man ihn als Nazi bezeichne, Klammer
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auf das in der DDR schlimmere Repressionen gegen politische Gegner gegeben habe, Klammer zu.
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Und diese Partei hatte bei der Bundestagswahl jetzt vergangenen Sonntag über 20 Prozent.
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Und gerade in Anbetracht des Umgangs, den da einzelne Parteileute mit dem Holocaust haben,
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macht mir das echt Bauchweh.
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Und mir fällt das wirklich schwer, das nachzuvollziehen, dass man die Partei trotz dieser Aussagen für
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Und das waren diesmal auch Menschen aus meinem Umfeld.
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Und ich habe echt einige nervenaufreibende Gespräche deswegen gehabt.
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Und ich verstehe, für viele ist die aktuelle Migrationspolitik ein Anlass gewesen, die AfD
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zu wählen, weil sie etwas anderes haben wollen, was ich aber nicht verstehen kann.
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Und da kann ich jetzt natürlich nur für die Leute sprechen, mit denen ich auch Kontakt
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Und das sind keine AfD-Wählenden aus Überzeugung.
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Aber was ich bei denen nicht verstehen kann, ist, wenn man diese Partei wählt, dann finde
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ich es problematisch, wenn man diesen Aspekt der Partei so abwinkt und sich dann halt nur
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auf die Migrationspolitik konzentriert.
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Weil ich finde, so ehrlich muss man dann zu sich selbst sein und sagen, ja, ich weiß, dass
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das in Teilen eine rechtsextreme Partei ist.
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Ich weiß, da sind Nazis drin.
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Und die unterstütze ich trotzdem mit meiner Stimme.
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Und die wähle ich trotzdem.
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Und das hat mir jetzt persönlich in den Gesprächen irgendwie gefehlt, ja.
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Ja, und auch wenn man nachvollziehen kann, dass manche mit der Migrationspolitik, wie die
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jetzt die letzten Jahre gelaufen ist, nicht zufrieden sind, macht es mir Sorgen, wenn dann
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aber Leute, die AfD wählen, die dann eben so rechtsextreme Tendenzen halt abwinken oder
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Weil das ist ja jetzt nicht sowas wie zu sagen, ja, dass die jetzt die Schuldenbremse beibehalten
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Das finde ich jetzt irgendwie doof.
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Aber die Migrationspolitik ist mir jetzt halt wichtiger.
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Nee, weil da geht es ja um was, das man nicht ignorieren kann, wenn man bestimmte Werte
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hat und die lebt.
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Und deswegen machen wir Menschen, die diese Partei nicht aus Überzeugung wählen, wie jetzt
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die Leute, mit denen du dann teilweise auch gesprochen hast, auch Sorgen.
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Also wie die Menschen, die das aus Überzeugung machen.
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Aber was wir ja auch irgendwie nicht vergessen sollten, ist, dass es ja an uns allen irgendwie
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liegt, für eine Gesellschaft einzustehen, die zusammenhält, die miteinander spricht und
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sich gegenseitig respektiert.
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Und das geht eben nur, wenn wir einander zuhören, wenn wir versuchen, auch unser Gegenüber zu
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verstehen und gemeinsam Lösungen zu finden.
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Also Hass und Spaltung, das bringt uns eben nicht weiter und ist auch einfach nur gefährlich,
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was uns ja irgendwie diese Folge jetzt auch nochmal auf eine ganz eindrückliche Weise vor
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Augen gehalten hat.
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So, und nächste Woche geht es hier bei Mordlust um einen sehr ermittlungslastigen Fall.
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Und da werden wir sehr genau besprechen, wie der Fall gelöst wurde.
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Den haben wir nämlich mit Unterstützung der beiden leitenden Ermittelnden erarbeitet.
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Das war ein Podcast der Partner in Crime.
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Hosts und Produktion Paulina Kraser und Laura Wohlers.
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Redaktion Magdalena Höcherl und wir.
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Schnitt Pauline Korb.
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Rechtliche Abnahme und Beratung Abel und Kollegen.