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#193 Eine überdosis justiz

Willkommen bei Mordlust, einem Podcast der Partner in Crime.
Hier geht es um wahre Verbrechen und ihre Hintergründe.
Mein Name ist Paulina Kraser und normalerweise sitzt hier mit mir meine Kollegin und Freundin
Laura Wohlers, mit der ich immer einen bedeutsamen, wahren Kriminalfall nacherzähle.
Gemeinsam ordnen wir den immer ein, erörtern und diskutieren die juristischen, psychologischen
oder gesellschaftlichen Aspekte und sprechen mit Menschen mit Expertise.
Heute aber führe ich euch alleine durch diese Folge.
Hier geht es um True Crime, also auch um die Schicksale von echten Menschen.
Bitte behaltet das immer im Hinterkopf, das machen wir auch, selbst dann, wenn wir zwischendurch
mal etwas abschweifen.
Das ist für uns eine Art Comic Relief, aber natürlich nicht despektierlich gemeint.
So, heute erzähle ich euch von einem Fall, dessen Aufklärung sich über Jahre hinwegzieht.
Doch statt sich der Wahrheitsfindung zu nähern, drängen sich immer mehr Fragen auf.
Unter anderem die, ob es bei dieser Geschichte überhaupt eine schuldige Person gibt oder ob
nicht am Ende alle irgendwie Opfer sind.
Vorher möchte ich euch aber noch erzählen, dass Personen, die in der Öffentlichkeit stehen,
manchmal so eine Art Paranoia entwickeln.
Manche von meinen BerufsfreundInnen passen wirklich total auf, was sie in der Öffentlichkeit
sagen, machen, welche Spuren die im Internet hinterlassen.
Und ich habe in meinem Freundeskreis auch tatsächlich zwei Fälle, da finde ich das fast
schon behandlungswürdig.
Bei mir und Laura hält sich das alles in Grenzen, auch weil das meiste, was wir machen,
einfach sehr uninteressant ist und wir eh nicht so viel über unser Privatleben reden und
wir auch keine schillernden Persönlichkeiten sind, auf die die Presse lauert.
Ja, nobody cares.
Aber als ich neulich mein Mal nach Zahlen gemacht habe und mit Laura über die Arbeit sprechen
wollte, sagte sie dann am Telefon so beiläufig und zwar auch in dieser Tonart.
Ah, Mausi, hast du schon gesehen?
Du bist in der Bild.
Und sie hat das mit so einem Bedauern gesagt, dass ich schon dachte, scheiße, was habe ich
denn jetzt gemacht?
Also ein, zwei Sachen würden mir doch einfallen, die vielleicht berichtenswert wären.
Naja, dann schaue ich mir das an und es war ganz anders als gedacht.
Also wir haben das mit dieser doofen Flugzeugstory vom letzten Mal in die Bild geschafft.
So Flugzeughorrorgeschichten, die klicken wohl sehr gut.
Ansonsten kann ich mir das nicht erklären, wieso die das nochmal gemacht haben.
Die hatten darüber schon berichtet und das war alt und es gab nichts Neues zu erzählen.
Und ich dachte mir so, ey, wir haben hier im Podcast über so viele bewegende Geschichten berichtet.
Ja, wir haben Justitias Wille gemacht.
Wir hatten neulich erst die Folge 189, wo wir mit LTO zusammen die Staatsanwaltschaft
genervt haben, bis wir an Infos zu diesem Militärfall gekommen sind.
Es gibt so viel, was interessant ist.
Naja, also die haben sich Aussagen aus dem Podcast rausgepickt.
Ist ja auch fein, darüber beschwere ich mich überhaupt nicht.
Worüber ich mich allerdings gewundert habe, ist, dass meine Geschichte auch noch angereichert
wurde mit so eigenen Interpretationen.
Also zum Beispiel, dass ich in einem Billighotel am Flughafen war.
Das habe ich nie gesagt und das stimmte auch gar nicht.
Es war gar kein Billighotel, gegen die habe ich auch gar nichts war auf der Reise, auch
in welchen.
Das Hotel war einfach scheiße, aus diversen Gründen.
Die habe ich hier im Podcast jetzt auch nicht erläutert.
Und das Hotel war leider auch nicht am Flughafen.
Wäre schön gewesen, dann hätten wir uns eine halbe Stunde Fahrzeit mitten in der Nacht
auch noch gespart.
Weshalb ich das erzähle, ist ja jetzt kein Drama und mir auch egal, dass das da drinsteht.
Aber das ist in der Presse ein Phänomen und auch bei uns in der Firma immer mal wieder
Thema.
Also Dinge in Wissenslücken reinzuinterpretieren.
Gerade wenn bei uns jemand neu anfängt, ist das immer die erste Baustelle.
Man bekommt Informationen und dann stellt man sich die Szene vor und das Gehirn füllt die
Lücken mit Dingen, die man gar nicht weiß.
Und das dauert so ein bisschen, bis man lernt, aktiv dagegen zu arbeiten und nichts anzunehmen.
Das ist immer hier bei uns das Ding.
Man darf nichts annehmen.
Die Anekdote passt so schön, weil die Presse auch in unserer heutigen Folge eine wichtige
Rolle spielt.
Und in dem Fall hat das natürlich weitaus verheerendere Folgen, dass man eine in sich
schlüssige Geschichte erzählen will, auch wenn es auf Kosten der beteiligten Personen geht.
Einige Namen haben wir geändert und die Trigger-Warnung zu dieser Folge findet ihr in der Folgenbeschreibung.
Die Geschichte, von der ich euch heute erzählen will, führt uns erstmal zurück zu einer kleinen
Hausarztpraxis in Langenhagen.
Das ist nördlich von Hannover.
Im Dezember 2002 sitzt in einem Sprechzimmer, in dem sich an den Wänden Bücher stapeln, eine
Ärztin hinter ihrem Schreibtisch.
Sie ist Internistin, also Fachärztin für Innere Medizin.
Ihr gegenüber sitzt Carina, eine mittelalte Frau mit dunklem Haar.
Und neben ihr sitzt ihr 64 Jahre alter Vater Arnold, dessen Patientenakte prall gefüllt ist.
Herzrhythmus und Durchblütungsstörungen, Osteoporose und eine seltene Form der Leukämie
sind darin vermerkt.
Und seit kurzem muss Arnold nach seinen Mahlzeiten häufig brechen, was seiner Tochter Carina Sorgen
bereitet.
Er ist schon total abgemagert und er würde am liebsten gar nicht mehr essen, sagt er.
Von Tag zu Tag wird er schwächer, berichtet Carina, der Ärztin, die aufmerksam zuhört.
Frau Dr.
Bach hat es geschafft, zu dem ansonsten so verschlossenen Arnold einen Draht aufzubauen.
Für gewöhnlich misstraut er nämlich Ärztinnen eigentlich.
Aber Frau Dr.
Bach hat ihn schon mehrfach wieder aufgepäppelt und darauf hofft seine Tochter Carina auch
jetzt.
Als Frau Dr.
Bach ihn fragt, wieso er nicht isst, sitzt Arnold nur apathisch da und sagt, er habe einfach
keinen Hunger.
Statt zu essen, raucht er bis zu 60 Zigaretten am Tag.
Wenn Carina ihn dann zu Hause besucht, sieht er lieber fern, statt mit ihr zu reden.
Carina bittet die Internistin, ihren Vater in die Paracelsus-Klinik aufzunehmen.
Ein Krankenhaus in der Nähe, in dem Frau Dr.
Bach einige Belegbetten für ihre Patientinnen hat.
Die auf ständige Betreuung angewiesen sind.
Viele von ihnen sind KrebspatientInnen, bei denen die Krankheit weit fortgeschritten ist.
So wie bei Arnold.
Er war schon sechs Mal bei der Internistin auf Station.
Und auch heute bewilligt sie wieder seine Aufnahme.
Dann verlassen Arnold und seine Tochter die Ärztin wieder.
Seine Nächte verbringt Arnold ab sofort in der Belegklinik, wo er Aufbaupräparate erhält
und unter Beobachtung der Ärztin ernährt wird.
Carina ist froh, dass ihr Vater nun nicht mehr alleine zu Hause sein muss und besucht ihn in der nächsten Zeit regelmäßig.
Aber es geht ihm weiterhin schlecht.
Arnold ist nachts oft unruhig, zeitweise auch aggressiv.
Er will aufstehen, obwohl er so schwach ist.
Er klackt über starke Bauchschmerzen und wird mehrfach ohnmächtig.
Was die Ursache dafür ist, kann Dr. Bach nicht herausfinden.
Sie will ihn an einen anderen Facharzt überweisen.
Aber Arnold weigert sich.
Er will nicht zu einem anderen Arzt, er will hier bleiben.
Sowohl die Ärztin als auch Arnolds Tochter Carina geben sich irgendwann geschlagen.
Am sechsten Tag nach seiner Einlieferung bittet Arnold Carina, ihn zu duschen.
Sie stützt ihn auf dem Weg ins Badezimmer.
Sie entkleidet ihn.
Es schmerzt sie zu sehen, dass von ihrem Vater nur noch Haut und Knochen übrig sind.
Carina wäscht ihren Vater, bevor sie den 64-Jährigen in ein Handtuch einwickelt.
Arnold sitzt vor ihr und sagt nichts.
Aber er tut etwas, was er sonst nie tut.
Er öffnet seine Arme und drückt Carina an sich.
Gerührt von dieser Geste erwidert sie seine Umarmung.
Und für einen Moment stehen sie so da.
Drei Tage später, neun Tage nach seinem Arztbesuch bei Frau Dr. Bach,
stirbt Arnold in der Paracelsus-Klinik.
Für Carina steht er fest, mit seiner Umarmung hat er sich bei ihr bedankt
und sich im Stillen von ihr verabschiedet.
Er wollte einfach nicht mehr.
Er ist jetzt von seinen Schmerzen erlöst.
In den nächsten Jahren wird sich Carina noch häufig daran erinnern müssen,
wie ihr Vater sie noch ein letztes Mal, so fest er konnte, an sich gedrückt hat.
Oft, weil sie um ihn trauert.
Aber auch, weil sie vor Gericht davon erzählen muss, wo ein furchtbares Verbrechen angeklagt wird.
In der Paracelsus-Klinik muss es nach Arnolds Tod weitergehen,
denn die Betten auf der Station von Dr. Bach bleiben nie lange frei.
Die 53-jährige zierliche Frau mit rahmenloser, dezenter Brille,
die ihr graues, kurzes Haar perfekt frisiert trägt,
ist unter den Mitarbeitenden für ihre Kompetenz in der Krebsmedizin bekannt.
Die PatientInnen kommen aus der ganzen Region und wollen gezielt zu ihr.
Frau Dr. Bach ist ehrlich und empathisch, sagt man,
und meist rund um die Uhr für Fragen und Ängste erreichbar.
Meist arbeitet sie 14 bis 16 Stunden am Tag.
Sie ist dafür bekannt, dass sie sich nicht nur hinter ihrem Schreibtisch versteckt,
sondern auch die Hand ihrer PatientInnen hält und sich Zeit für sie nimmt.
Selbst als sie einmal auf der Autobahn einen schweren Unfall hatte
und ihr Auto war ein Totalschaden,
hat sie sich wenig später den weißen Kittel übergezogen und gearbeitet.
Urlaub oder freie Tage nimmt sie sich nur selten.
Dafür ist einfach keine Zeit im Alltag der Medizinerin,
denn der ist eng durchgetaktet.
Frühmorgens fährt sie zur Visite in die Paracelsus-Klinik,
wo sie für die Station der Inneren Medizin mit 25 Belegbetten zuständig ist.
Mittags öffnet sie ihre Hausarztpraxis in der Nähe für die Sprechstunde.
Solange kümmern sich AssistenzärztInnen um die Erkrankten in der Paracelsus-Klinik
und abends fährt Dr. Bach für gewöhnlich selbst auch noch einmal hin,
um nach ihnen zu sehen.
Fast alle PatientInnen, die in der Paracelsus-Klinik auf Dr. Bachs Station liegen,
sind wie Arnold schwer krebskrank und haben keine Chancen mehr auf Heilung.
Frau Dr. Bach kennt das.
Als junge Frau hat sie ihre Mutter ebenfalls an Krebs verloren.
Mechthild Bach studierte damals Architektur und Mathematik.
Mit dem Tod ihrer Mutter wechselte sie dann das Fach.
Sie begann mit dem Medizinstudium und spezialisierte sich später auf die innere Medizin,
speziell auf die Behandlung von Krebs.
Bei aber eben jenen, die keine Chancen auf Heilung mehr haben,
versucht Bach gemeinsam mit ihrem Klinikpersonal die Schmerzen ihrer PatientInnen möglichst erträglich zu machen.
Sie bietet beispielsweise zur Schulmedizin unterstützende Behandlungsmethoden wie Vitaminspritzen oder Misteltherapien an.
Einige ihrer PatientInnen, die bereits austherapiert sind, sind überzeugt, dass sie sich danach wohler fühlen.
Es ist der 15. Mai 2003.
Arnold ist vor knapp fünf Monaten gestorben, als zwei Männer in der Paracelsus-Klinik auftauchen.
Sie weisen sich als Mitarbeiter des medizinischen Dienstes Niedersachsen aus.
Ein Gutachterdienst, der bei Verdacht auf Kassenbetrug von Kranken- und Pflegekassen zur Prüfung geschickt wird.
Die AOK Niedersachsen hat die beiden beauftragt.
Die Männer fordern von der Klinik die Akten von PatientInnen ein, die in den letzten zwei Jahren auf der Station von Mechthildbach verstorben sind.
Was sie darin suchen, bleibt vorerst geheim.
Eine Woche später, am 22. Mai 2003, erstattet die Krankenkasse dann Anzeige gegen Frau Dr. Bach.
Und zwar nicht etwa wegen Kassenbetrugs.
Die Vorwürfe sind schlimmer.
Man verdächtigt die Ärztin wegen unterlassener Hilfeleistung, fahrlässiger Tötung und Totschlags in mehreren Fällen.
Einer davon ist Arnold.
Dr. Bach habe seine lebensbedrohliche Herzrhythmusstörung nicht behandelt und ihm stattdessen hohe Dosen Morphin,
das ist ein Schmerzmittel aus der Familie der Opiate, verabreicht, die zu einem Atemstillstand geführt hätten,
werfen ihr die AOK-Gutachter vor.
Eine Art Sterbehilfe, sagen die Gutachter.
An dieser Stelle will ich mal kurz alle abholen.
Laura und ich haben uns ja im letzten Jahr sehr viel mit dem Thema Sterbehilfe auseinandergesetzt.
Und wir haben eine Podcast-Reihe dazu veröffentlicht, die den Namen Justitias Wille trägt.
Und darin haben wir einen aktuellen Prozess begleitet, bei dem ein Arzt vor Gericht stand, der einer jungen Frau zum Tod verholfen hat.
Ich komme später nochmal zu dem Fall.
Dieser hier unterscheidet sich allerdings von dem, weil Dr. Torowski, so hieß der Arzt, dessen Fall wir begleitet haben,
der hatte PatientInnen auf ihren ausdrücklichen Wunsch hin ein Mittel zur Verfügung gestellt, das sie sich dann selbst verabreicht haben.
Das nennt sich assistierter Suizid.
In Fällen, bei denen ÄrztInnen ihren PatientInnen ein tödliches Medikament auf deren Verlangen hinspritzen,
können sich die MedizinerInnen der Tötung auf Verlangen strafbar machen.
Das ist dann die sogenannte aktive Sterbehilfe.
In Deutschland grundsätzlich erlaubt ist dagegen die passive Sterbehilfe.
Damit ist gemeint der Verzicht auf lebensverlängernde Maßnahmen bzw. der Behandlungsabbruch,
also wenn PatientInnen nicht mehr künstlich ernährt werden wollen zum Beispiel.
Auch die indirekte Sterbehilfe ist grundsätzlich nicht strafbar.
Auch im Jahr 2003 nicht und da spielt ja unser Fall.
Bei der indirekten Sterbehilfe geht es vor allem um die Schmerzlinderung in der letzten Lebensphase.
Also wenn Betroffene, die dem Tod nahe sind, Medikamente wie Morphin bekommen,
die ihnen die Schmerzen nehmen, aber gleichzeitig dazu führen können, dass sie früher sterben.
Das ist in der Palliativmedizin, also bei der Behandlung von todkranken PatientInnen, gang und gäbe.
Und das ist auch rechtlich in Ordnung, solange die Schmerzbehandlung im Vordergrund steht
und man den Tod eben nicht auf Wunsch der PatientInnen absichtlich frühzeitig herbeiführt.
In unserem Fall kommen die Gutachter jetzt zu dem Schluss,
dass Mechtelbach mehreren PatientInnen, auch Arnold, zu hohe Dosen Morphin verabreicht hat
und damit den Tod der Menschen herbeiführen wollte.
Warum? Da will man sich hier jetzt noch nicht so ganz festlegen.
Eben entweder, weil Mechtelbach Sterbehilfe leisten wollte oder wegen Geldes.
Einer der Gutachter sagt nämlich, dass die Ärztin sterbenskranke PatientInnen
auch gegen ihren Willen mit Schmerzmittel getötet haben soll, um Behandlungskosten für die Klinik zu sparen.
Deshalb gäbe es auf ihrer Station auch verhältnismäßig viele Tote.
Die Krankenkasse erstattet jetzt also Strafanzeige,
woraufhin die Staatsanwaltschaft Hannover ein Ermittlungsverfahren gegen Mechtelbach einleitet.
Ihre Praxis und die Station der Paracelsus-Klinik werden durchsucht.
Die Ermittelnden nehmen die Akten von insgesamt 78 PatientInnen mit,
denen die Ärztin kurz vor ihrem Tod Morphin verabreicht hat.
Ob die Dosis zur Schmerzlinderung angemessen oder zu hoch war, soll nun untersucht werden.
Und so viel vorweg, diese Frage wird mehrere ExpertInnen in diesem Fall lange beschäftigen.
Und der Grund dafür ist, dass damals, also 2003, die Palliativversorgung gar nicht auf dem Stand war, wie wir sie heute haben.
Also heute gibt es in fast jedem Krankenhaus eine Palliativstation, auf denen medizinisches Personal arbeitet,
das genau dafür ausgebildet ist, Menschen, die wahrscheinlich bald sterben werden,
würdevoll in den Tod zu begleiten, ihnen die Schmerzen zu nehmen
und sie und ihre Angehörigen auch psychologisch, sozial oder auch spirituell zu betreuen.
Damals, als Mechtelbach Ärztin ist und Arnold stirbt, sieht das aber ganz anders aus.
Das hat uns Heiner Melching, Geschäftsführer der Deutschen Gesellschaft für Palliativmedizin erklärt.
Ja, die Palliativmedizin sah in den frühen 2000er Jahren natürlich noch ganz anders aus als heute.
Es gab noch nicht die Möglichkeiten für Ärzte und Ärzte, sich weiter zu qualifizieren.
Seit 2004 gibt es überhaupt erst die Möglichkeit, die Zusatzweiterbildung Palliativmedizin für Ärzte zu erlangen.
Das war alles noch sehr an den Anfängen.
Wir hatten noch keine wirklichen Strukturen aufgebaut, vor allem auch nicht in der ambulanten Palliativversorgung.
Das ist erst später gekommen.
2007 gab es dann ein Gesetz für die spezialisierte ambulante Palliativversorgung.
Das hat auch fünf, sechs, sieben Jahre gedauert, bis es überhaupt in Gang kam.
Also das muss man sagen, das waren schon noch sehr andere Zeiten.
In Deutschland gab es Anfang der 2000er gerade mal in 50 von 2000 Krankenhäusern vielleicht zwei oder drei Palliativmedizinische Betten.
In Niedersachsen, wo die Paracelsus-Klinik liegt, in der Frau Dr. Bach arbeitet, gab es keine einzige Palliativstation.
Heiner Melching hat uns gesagt, dass man einfach nicht so richtig wusste, wohin mit den sterbenden Menschen.
Es war schon so, dass sterbende Patienten in Waschräume geschoben wurden oder ins Arztzimmer geschoben wurden.
Und der Arzt kam dann mal so, dann lag da tot an seinem Zimmer.
Ist aber natürlich auch dem geschuldet, dass es ja, da haben wir auch große Zimmer gehabt.
Da gab es sechs-Bett-, acht-Bett-Zimmer und mehr.
Und das heißt, da lagen ja dann auch sieben andere Patienten unter Umständen im Zimmer.
Und ich glaube, es war gar nicht so, dass man jetzt die Sterben abschieben wollte,
sondern diese sieben anderen, die da im Zimmer lagen, davor beschützen wollte.
Also es ist ein paternalistisches Denken der Medizin heraus, die davor schützen wollte, dass sie jetzt sehen, dass jemand stirbt.
So, und Frau Dr. Bach handhabt das damals in der Paracelsus-Klinik aber eben anders
und ist deswegen in der Region rund um Hannover dafür bekannt,
dass sie als eine von wenigen unheilbar Kranke noch aufnimmt und sich auch um die kümmert.
Bei Frau Dr. Bach sei ein Sterben in Würde möglich, sagt man.
Und deshalb wollen auch viele todkranke PatientInnen explizit zu ihr.
Auch deshalb verbucht ihre Station verhältnismäßig viele Todesfälle.
Trotzdem steht jetzt der Vorwurf im Raum, dass Frau Dr. Bach beim Tod ihrer PatientInnen nachhilft.
Und so verhängt die Bezirksregierung Hannover im Juli 2003,
eineinhalb Monate nach der Anzeige der Krankenkasse, ein sofortiges Berufsverbot gegen Frau Dr. Bach.
Die Begründung lautet, unrechtmäßige Sterbehilfe in mehreren Fällen.
Die Behörde kommt nach eigener Einschätzung also zu dem Schluss,
dass die Ärztin bei einigen der untersuchten Fällen mit ihrer Schmerztherapie zu weit gegangen ist.
Sie soll den Tod durch den Einsatz von Morphin nicht nur billigend in Kauf genommen haben,
sondern sie soll ihn willentlich herbeigeführt haben.
Warum sie das getan haben soll, etwa auf Verlangen der PatientInnen oder um Kosten für die Klinik zu sparen,
das lässt das Bezirksgericht offen.
Mechthildbach selbst weiß die schweren Vorwürfe entschieden von sich.
Sie habe sicher kein Leben vorzeitig beendet, sagt sie dem NDR.
Wenn sie Morphin verabreicht habe, dann nur um Schmerzen zu lindern,
zum Beispiel bei Atemnot, wo das Medikament auch nachweislich helfen kann.
Auch die Leitung der Paracelsus-Klinik stellt sich hinter sie.
Das Belegkrankenhaus gibt ein Gutachten bei Professor Lukas Radbruch in Auftrag,
einer der ersten Palliativmediziner in Deutschland.
Und er sieht sich nun ebenfalls wie die AOK-Gutachter die Akten von Mechthildbachs PatientInnen an
und kommt zu einem ganz anderen Schluss.
Er könne keine überhöhte Dosierung von Morphin oder sonstige Auffälligkeiten,
die zum Tode führen könnten, feststellen.
Nur eines bemängelt er, die Dokumentation der Ärztin ist lückenhaft.
Manchmal fehlen Eintragungen über Schmerzen der PatientInnen oder Gespräche mit den Angehörigen.
Deshalb seien nicht alle von Dr. Bachs medizinischen Entscheidungen ganz nachvollziehbar.
Die Staatsanwaltschaft hingegen zweifelt keineswegs an Mechthildbachs Schuld.
Und deshalb wird im Februar 2004, sieben Monate nachdem ihr die Approbation entzogen wurde,
Haftbefehl gegen die Internistin erlassen.
Frühmorgens steht die Polizei vor der Tür ihres beschaulichen Einfamilienhauses in Bad Salzdefford.
Mechthildbach wird festgenommen und in eine Vierbettzelle in der JVA Hannover gebracht.
Die Staatsanwaltschaft stützt den Haftbefehl auf ein weiteres Gutachten,
nämlich das des renommierten Schmerzmediziners Michael Zenz aus Bochum.
Es wurde von der Staatsanwaltschaft in Auftrag gegeben und sollte
eigentlich unter Verschluss bleiben, wird aber kurz darauf teilweise im Spiegel zitiert.
Und was darin steht, ist für Frau Dr. Bach vernichtend.
Gutachter Zenz betiteln die JournalistInnen im Text als Palliativpapst,
der Mechthildbach Zitat
Darüber hinaus stellt der Sachverständige in Frage, ob die PatientInnen überhaupt über die Wirkung von Morphin aufgeklärt wurden.
Ein PatientInnen habe schließlich nur Russisch gesprochen.
Frau Dr. Bach beherrsche nicht einmal die einfachsten Grundlagen der Tumorschmerztherapie,
befindet Gutachter Zenz in dem Artikel.
Und der schlägt ein wie eine Bombe.
Deutschlandweit greifen Zeitungen die Vorwürfe gegen Mechthildbach auf.
Es ist nicht abzusehen, wie oft sich die Ärztin in 20 Jahren als Herrin überleben und tot aufgespielt haben könnte,
schreibt etwa das Hamburger Abendblatt.
Die Bild bezeichnet die unscheinbare Internistin, die auf Kameraaufnahmen teils verschreckt und unnahbar wirkt,
als Todesengel.
Das ist auch so ein Titel, den liebt die Presse in Bezug auf ÄrztInnen, die morden, töten vorsätzlich oder als SterbehelferInnen arbeiten.
Das ist so ausgelutscht.
Und ich finde, hier sieht man ganz deutlich, die Presse möchte ein Bild von Mechthildbach zeichnen.
Ein Bild, das sie so im Kopf hat, was Sinn ergibt und was sich auch als Geschichte gut verkauft.
Aber diese Bezeichnungen stoßen in diesem Fall auch auf Unverständnis und zwar bei vielen PatientInnen,
die Mechthildbach in ihrer Hausarztpraxis behandelt hat.
Sie finden die Frau, der sie jahrelang mit medizinischen Entscheidungen vertraut haben, nirgends in der Berichterstattung wieder.
Frau Dr. Bach steht für sie für Kompetenz, für unermüdliche Fürsorge und für tröstende Hoffnung.
Sie hat sich immer für sie eingesetzt.
Deshalb setzen sich ihre PatientInnen jetzt für sie ein.
Dutzende Menschen versammeln sich kurz, nachdem Mechthildbach inhaftiert wurde, vor der JATVA in Hannover.
Jeder von ihnen hält eine einzelne Rose in den Händen, die sie für die Ärztin ihres Vertrauens sammeln und ihr zukommen lassen möchten.
Und jeder von ihnen spricht in den höchsten Tönen von Frau Dr. Bach.
Wir hören jetzt ein paar Töne, die der NDR damals vor Ort gesammelt hat.
Ich bin ohnmächtig geworden. Ich weiß nicht, ob das eine Allergie war oder irgendwas anderes.
Und bin dann ins Krankenhaus gekommen. Und Frau Dr. Bach war von der ersten Minute immer für mich da.
Sie hat gesagt, Tag und Nacht ist sie für mich da gewesen. Und ich bin ganz fest von überzeugt, sie hat mir das Leben gerettet.
Weil ich nicht wieder aus der Ohnmacht erwachen konnte.
Das hat lange gedauert. Ich war 16 Tage im Krankenhaus. Und sie hat alles Mögliche getan, das ich heute noch am liegen bin, habe ich ihr zu verdanken.
Meine Mutter war 90 Jahre alt, war todkrank. Wir haben schon gedacht, sie muss sterben. Die wird jetzt 93. Ist topfit.
Von wem ist sie topfit gemacht worden? Von Frau Dr. Bach. Das sollten Sie man auch mal schreiben. Nicht nur immer Negatives.
Sie hat mich damals mit Magersucht wieder aufgepäppelt. Aber richtig. War jeden Tag da. Ich hatte manchmal abends am Bett so leichte Hänger.
Da kam sie abends um 10 Uhr zu mir ans Bett. Sie hat meinem Vater das Leben gerettet. Der lag bei ihr. Der wird auch hier heute noch herkommen.
Sie hat meine Großmutter vom Pflegeheim bewahrt. Und ich finde einfach nur, was an dieser Frau betrieben wird, ist Rufmord. Absoluter Rufmord.
Also ihr seht, anhand der Aussagen von einigen ehemaligen PatientInnen kann man schon sehen, die sind nicht ganz einverstanden, wie Mechelbach in der Presse dargestellt wurde.
Drei Wochen bleibt die Ärztin in Untersuchungshaft. Dann kommt sie gegen eine Kaution von 40.000 Euro frei.
Sie darf wieder nach Hause. Aber der Haftbefehl gegen sie bleibt bestehen. Er ist nur gegen Auflagen ausgesetzt.
Neben der Geldzahlung muss sie sich fortan einmal die Woche bei der Polizei melden. Und das nicht nur monatelang, sondern Jahre.
Erst im Juli 2005, mehr als zwei Jahre nach der Strafanzeige der Krankenkassen, erhebt die Staatsanwaltschaft Anklage gegen Mechelbach.
Und ich will hier einmal kurz erklären, warum das so lange dauert. Falls ihr euch erinnert und die Folge gehört habt, in der 191, da ging es um dieses China-Restaurant.
Da hatte ich erzählt, dass die Strafprozessordnung es vorschreibt, dass sechs Monate nach einer Inhaftierung Anklage erhoben werden,
beziehungsweise ein erster Verhandlungstermin vor Gericht terminiert werden muss.
Es gibt aber natürlich, wie so oft, Ausnahmen im Gesetz. Und zwar, wenn das Verfahren besonders schwierig ist oder die Ermittlungen einen besonderen Umfang aufweisen.
Außerdem gilt diese Sechs-Monatsfrist auch wirklich nur für inhaftierte Personen.
Also nicht, wenn, wie hier der Haftbefehl außer Vollzug gesetzt wurde, die beschuldigte Person also tatsächlich in Freiheit ist.
Dann darf das auch mal länger dauern. Das hat uns unser Anwalt des Vertrauens Benedikt Müller von der Kanzlei Abel und Kollegen erklärt.
Diese Ausnahmen von der Sechs-Monatsfrist greifen also bei inhaftierten Personen, und das war Mächtelbach ja nicht mehr,
wenn es beispielsweise sehr viele aufzuklärende Fälle in einem Fall gibt oder weil ein anderer wichtiger Grund vorliegt.
Und darunter fällt zum Beispiel auch das Einholen von Gutachten oder das Warten darauf.
Hier in unserem Fall geht es um das Gutachten des Sachverständigen Michael Zenz.
Der wurde ja von der Staatsanwaltschaft schon beauftragt, um den medizinischen Sachverhalt einzuordnen.
Und das eine Gutachten, das hat er auch recht schnell fertig gehabt.
Das ist das, was im Spiegel zitiert wurde.
Aber Zenz sollte noch mehrere weitere Gutachten anfertigen.
Und damit hat er sich unverhältnismäßig viel Zeit gelassen.
Deswegen hat es bis zur Anklage zwei Jahre gedauert.
Die Staatsanwaltschaft hat in diesen zwei Jahren aber außerdem auch noch weiter ermittelt.
Und zwar, ob es Anzeichen für aktive Sterbehilfe, also für Tötung auf Verlangen der PatientInnen gibt.
Das hatte ich eingangs erklärt.
Wenn PatientInnen sagen, bitte töten Sie mich und die Ärztin oder der Arzt verabreicht einem dann was.
Mit der Anklage kommt die Behörde jetzt aber hier zu dem Schluss, dass dem nicht so ist.
Denn es gibt keine Anzeichen dafür, dass PatientInnen Mechthildbach darum gebeten haben, sie zu töten.
Für die Staatsanwaltschaft steht deshalb fest, Mechthildbach soll acht PatientInnen im Alleingang eine, Zitat,
unangemessen hohe Dosis Morphine verabreicht haben, wobei ihr bewusst war, dass die Behandlung einen tödlichen Verlauf zur Folge haben würde.
So steht es in der Anklageschrift.
Deshalb wird ihr jetzt Totschlag in acht Fällen vorgeworfen.
Dem Motiv des Krankenhausgutachters, der behauptet hatte, dass Mechthildbach Behandlungskosten sparen wollte,
schließt sich die Staatsanwaltschaft aber nicht an.
Das Motiv sei unklar, heißt es stattdessen.
Die Ärztin widerspricht den Vorwürfen öffentlich und bemängelt, dass sich kein Gutachter,
weder Michael Zenz noch der Gutachter der Krankenkasse, jemals die Mühe gemacht hat, mit ihr zu sprechen.
Beide haben nur bewertet, was in den Akten steht.
In einer persönlichen Stellungnahme hätte sie Missverständnisse aufklären können, sagt Mechthildbach der Presse.
Aber die Möglichkeit bekommt sie nicht.
Stattdessen wird ihr Vertrag mit der Paracelsus-Klinik gekündigt.
Ohne Approbation kann sie nicht wie vorher arbeiten.
Auch ihre Hausarztpraxis muss sie schließlich verkaufen, um sich finanziell über Wasser zu halten.
Anstelle ihrer Arztpraxis richtet sie sich zu Hause ein Büro für Präventologie ein.
Dort widmet sie sich der Krebsvorsorge.
Sie berät und coacht Betroffene und deren Angehörige.
Aber es ist natürlich nicht das, was sie machen will und wofür sie studiert hat.
Im Mai 2007, nochmal zwei Jahre nach der Anklage, weil das Gericht noch immer auf Gutachten des Sachverständigenzens wartet,
wendet sie sich schließlich an den Anwalt Matthias Waldraff.
Vorher wurde sie von einem Medizinrechtler vertreten, der inzwischen aber in den Ruhestand gegangen ist.
Der 53-jährige Waldraff ist Strafverteidiger und gilt als Koryphäe auf seinem Gebiet.
Als Mechthildbach ihn anruft und fragt, ob er ihr Mandat übernehmen will, sagt er nicht direkt zu.
Er will die Frau erst treffen, die er aus der Presse als tötende Ärztin kennt.
Und für diese Folge haben wir mit Matthias Waldraff gesprochen und er hat uns erklärt, warum ihm ein vorheriges Treffen wichtig war.
Ich wollte unbedingt a. den Menschenbach kennenlernen und b. eine Überzeugung gewinnen, ob a. zwischen uns die Chemie stimmt
und zweitens ich Vertrauen derart finden kann zu diesen Menschen, dass wir einen gemeinsamen Kampf in den nächsten Jahren führen.
Es war mir klar, dass zeitlich und an Intensität da vieles auch auf mich zukommt.
Also verabreden sich der Anwalt und Frau Dr. Bach an zwei Tagen für mehrere Stunden zum Gespräch.
Und Matthias Waldraff trifft dabei auf eine Frau, die ganz anders ist als das Bild, das die Presse von ihr gezeichnet hat.
Ich habe eine Frau Dr. Bach kennengelernt, die entgegen der medialen Darstellung damals sehr sensibel mit Tiefgang auch empathisch an die Dinge herangehen,
und auch durchaus mit Selbstkritik und ganz weit weg sozusagen von dieser medialen Präsentation, wo sie eher kühl und auch zum Teil nicht auf dieser Welt rüberkam.
Es war das Gegenteil und das hat auch wesentlich mit dazu beigetragen, dass ich mich entschieden habe, dann ihre Verteidigung zu übernehmen.
Was für ihn ganz entscheidend war, war, dass er nach diesen Gesprächen das Gefühl hatte, er würde sein Leben auch Frau Dr. Bach anvertrauen, wenn sie seine Ärztin gewesen wäre.
Sie hat zu ihm gesagt, dass sie selbst nie Kinder bekommen hat, weil ihre PatientInnen für sie sowas wie eine Familie waren.
Das hat er ihr abgenommen und schließlich das Vertrauen zu ihr gewonnen, das ihm so wichtig war bei diesem Mandat.
Matthias Waldraff und Mächtet Bach treffen sich nun jeden Sonntag und gehen die Fälle durch, die ihr vorgeworfen werden.
Es geht um acht Menschen. Jeder von ihnen war laut Bach sterbenskrank, genau wie Arnold.
Frau Dr. Bach ist davon überzeugt, dass sie sowohl Arnold als auch alle anderen richtig behandelt hat.
Auch den Mann, der nur Russisch sprach.
Der Spiegel hatte das ja mit aufgegriffen, diesen Vorwurf, dass der Mann sie nicht verstanden habe und sie ihn daher gar nicht richtig aufgeklärt haben könne.
Sie sagt aber, dass seine Tochter immer dabei gewesen sei und für den Vater alles übersetzt hat.
So erzählt sie das Matthias Waldraff. Das hat sie nur nirgends aufgeschrieben.
Sie gibt also zu, dass es ihr großes Versäumnis ist, dass sie die Dokumentation ihrer Arbeit teilweise vernachlässigt hat.
Sie hat nicht jeden Schritt im hektischen Klinikalltag aufgeschrieben, nicht jedes Gespräch notiert, sagt sie.
Aber nur, um immer bei den PatientInnen zu sein. Um sich ihre Beschwerden anzuhören, ihre Hand zu halten und für sie da zu sein.
Niemals habe sie ihnen das Leben nehmen wollen. Im Gegenteil.
Ihr Ziel sei es immer gewesen zu heilen, ihr Leben zu verbessern und Schmerzen zu lindern.
Und das ist es, was sie auch vor Gericht klarstellen müssen, weiß Matthias Waldraff.
Aber der Prozess lässt auf sich warten. Es wird 2006, 2007 und schließlich 2008.
Seit sechs Jahren ist Arnold tot. Fünf Jahre lang darf Mechthild Bach schon nicht mehr als Ärztin arbeiten.
Dabei hofft sie so sehr, ihre Praxis bald wieder öffnen zu können.
Dass die Verhandlungen, in der Waldraff und Bach die Vorwürfe gegen sie entkräften wollen, noch immer nicht stattfinden kann,
liegt darin begründet, dass auch jetzt, nach fünf Jahren, immer noch Gutachten des Sachverständigen-Zenz aus Bochum ausstehen.
Eine Frechheit, findet Matthias Waldraff.
Ein Zeitraum, der nach meiner und festen Überzeugung der Verteidigung unzumutbar war,
einen klaren Verstoß gegen europäisches Menschenrecht und die Menschenrechtskommission war,
natürlich hätte die Staatsanwaltschaft, wenn sie dann von einem Gutachter erfährt,
ich habe eine Lehrverpflichtung, es dauert noch ein Jahr, es dauert noch ein Jahr, es dauert noch ein Jahr,
sagen müssen, wir entziehen ihnen den Auftrag und wir beauftragen jemand anders.
All das ist hier nicht passiert und hat bis zum letzten Tag dieses gesamte Verfahren extrem belastet.
Der Anwalt bezieht sich hier auf Artikel 6 der Europäischen Menschenrechtskonvention,
und zwar das Recht auf ein faires Verfahren.
Dort heißt es unter anderem, jede Person hat ein Recht darauf,
das in einem fairen Verfahren öffentlich und innerhalb angemessener Frist verhandelt wird.
Diese Frist ist aber nicht näher festgelegt.
Und fünf Jahre sind tatsächlich sehr lang.
Vor allem, weil die Staatsanwaltschaft laut Waldraff auch keinen Druck gemacht hat,
um die Gutachten schneller zu bekommen.
Der Verteidiger konnte den Schriftverkehr zwischen dem Gutachter und der Oberstaatsanwältin einsehen.
Und er sagt, nach drei Jahren wurde da mal freundlich nachgefragt, sonst nichts.
Und in der Zwischenzeit sind ZeugInnen verstorben.
Viele Angehörige der Verstorbenen waren ja selbst schon sehr alt.
Als es endlich losgeht, ist es Februar 2008 geworden.
Von acht Menschen, die Mechthildbach getötet haben soll,
haben sich nur Angehörige von einer Patientin dazu entschieden,
die Nebenklage gegen die Ärztin anzutreten.
Es handelt sich um die drei selbstbetagten Töchter einer damals 80-jährigen verstorbenen Frau,
die der Internistin vorwerfen, sie zu wenig über den Zustand ihrer Mutter aufgeklärt zu haben.
Außerdem hätten sie das Gefühl gehabt, dass ihre Mutter schlecht gepflegt worden sei.
Es sei ihrer Ansicht nach zum Beispiel zu wenig Sauerstoff aus dem Atemgerät ihrer Mutter gekommen.
Mechthildbach belastet die Vorwürfe der Nebenklägerin, hat uns Matthias Waldraff gesagt.
Das nimmt sie mit.
Und trotzdem geht sie zuversichtlich in den bevorstehenden Prozess, auf den sie so lange gewartet hat.
Sie hatte die Vorstellung, auf ein unbefangenes Gericht zu treffen,
das sie ernst nimmt, das sich beschäftigt und intensiv auseinandersetzt mit dem, was sie vorträgt,
sich vorstellen kann, dass so wie sie ihren Beruf verstanden hat,
die Arbeit mit und an den Patienten wichtiger ist, als etwas schriftlich darüber zu dokumentieren,
dass das vorstellbar ist und sozusagen auf offene und unbefangene Menschen trifft.
Und auch Matthias Waldraff geht voller Tatendrang in die Verhandlung.
Seine Verteidigung folgte einer bestimmten Linie.
Die Strategie der Verteidigung war schlicht, einfach und gerade der Überzeugung,
auch meiner, die ich gewonnen hatte, aus unseren intensivsten Kontakten und Gesprächen
mit der Mandantin umzusetzen, dass sie niemals, niemals in der Lage gewesen wäre,
Patientinnen und Patienten derart zu behandeln, dass eine Gefahr für ihr Leben bestand.
Das war ihre Überzeugung und genau so haben wir es auch im Gerichtssaal rübergebracht und vermittelt.
Aber sie stoßen auf starken Gegenwind.
Der Gutachter Michael Zenz, der sogenannte Palliativpapst aus Bochum,
der sich für seine Gutachten so lange Zeit gelassen hatte, sitzt Tag für Tag im Gerichtssaal
und führt, wann immer er gefragt wird, lang und eloquent aus,
wie inkompetent Mechtelt Bach seiner Meinung nach sei.
Was er allerdings nicht beantworten kann, ist, wie lange die Verstorbenen noch gelebt hätten,
wenn die Angeklagte sie nicht behandelt hätte.
Stunden? Tage? Oder Monate?
Das kann der Mediziner nicht näher ausführen.
Kein Wunder, sagt Raphael Duziak, ein anderer Gutachter, das könne nämlich kein medizinischer Sachverständiger.
Deshalb hält Duziak es auch für falsch, Mechtelt Bach des Totschlags zu bezichtigen.
Es sei unmöglich nachzuvollziehen, ob die Patientinnen aufgrund von überdosierten Schmerzmitteln
oder an ihren Krankheiten gestorben sind.
Duziak ist ein renommierter Professor der Universität Frankfurt und Direktor der Klinik für Anästhesiologie,
Intensivmedizin und Schmerztherapie.
Er hat auf Anfrage der Verteidigung hin, also im Auftrag für Matthias Waldraff und Mechtelt Bach,
ein Gegengutachten zu dem von Michael Zenz erstellt und kommt zu einem ganz anderen Schluss.
Die ärztliche Prognose und der Allgemeinzustand der Patientinnen komme im Gutachten von Professor Zenz zu kurz.
Denn alle acht Patientinnen hätten sich in Notfallsituationen befunden.
Es sei zwar möglich, dass einige Patientinnen ohne das Opiat einige Stunden länger gelebt hätten,
räumt Duziak ein, aber mit Sicherheit feststellen könne das niemand.
Und die Frage ist ja auch, welchen Preis hätte es gehabt, wenn ihr Leben länger erhalten worden wäre.
Beispielhaft dafür steht der Fall des Patienten Dieter, dessen Geschichte die ZuhörerInnen im Gerichtssaal einige Jahre zurückversetzt.
Dieter wird im Dezember 2002 im Alter von 52 Jahren mit schweren Krampfanfällen auf die Station von Mechtelt Bach eingeliefert.
Er kennt Frau Dr. Bach gut, wurde schon mehrfach von ihr behandelt, aber er spricht äußerst ungern über seine Schmerzen.
So ungern, dass er nicht einmal seiner Frau Dora davon erzählt.
Dass er zu Hause in den letzten Tagen heimlich mehr als 60 Schmerztabletten geschluckt hat, weiß Dora gar nicht.
Wie schlimm es um ihren Ehemann steht, erfährt sie erst in der Paracelsus-Klinik von Frau Dr. Bach.
Zusätzlich zu Dieters Asthma und seiner Tuberkulose, unter der er seit längerem leidet, hat er aggressiven Speiseröhrenkrebs.
Die Internistin kann Metastasen in der Lunge, in der Leber und im Gehirn feststellen.
Letztere sind vermutlich die Ursache für seine Krampfanfälle, diagnostiziert Mechtelt Bach.
Weitere Metastasen in seiner Brust machen das Atmen für Dieter schwer.
Eine Heilung hält sie für ausgeschlossen.
Dora trifft die Diagnose schwer, aber sie ist froh, dass die Ärztin sie nun mit ihr geteilt hat und nicht mit Dieter.
Denn Dieter wird wütend, wenn man ihn auf seine Krankheiten anspricht.
Und dabei geht es ihm hier in der Paracelsus-Klinik, wo Frau Dr. Bach seine Schmerzen mit Morphium behandelt, doch gerade wieder etwas besser.
Er plant sogar einen Sylturlaub für sich und Dora.
Die Freude darüber will sie ihrem Mann nicht nehmen.
Also ist sie es, die Dieters weitere Behandlung mit seiner Ärztin bespricht.
Kurze Einordnung.
Also Dora und Mechtelt Bach sagen Dieter nicht, wie schlecht es um seine Gesundheit steht.
A, weil er ungern über seine Schmerzen spricht und B, weil sie ihn schonen wollen.
Das kann man jetzt menschlich vielleicht irgendwie nachvollziehen.
Rechtlich ist das aber natürlich schwierig, hat uns Medizinrechtlerin Marion Bayer gesagt.
Denn als Ärztin ist Dr. Bach zur therapeutischen Sicherheitsaufklärung verpflichtet.
Und das heißt, sie muss ihrem Patienten Dieter eigentlich sagen, was er hat, damit er selbst über seine weitere Behandlung entscheiden kann.
Rechtlich gesehen ist das hier also ein Behandlungsfehler.
Und hier muss ich auch dazu sagen, egal wie gut sie ihn kannte oder zu kennen glaubte, das geht natürlich nicht.
Also es gibt sicherlich Menschen, die nicht wissen wollen, wenn ihr Tod kurz bevor steht.
Aber um das Recht derer zu wahren, die halt eine ehrliche Aufklärung wollen, muss man dann in Kauf nehmen, dass auch diejenigen mit der Wahrheit konfrontiert werden, die sie dann vielleicht lieber nicht hören möchten.
Dora hingegen ist froh über Dr. Bachs Diskretion.
Sie übergibt ihr auch eine PatientInnenverfügung, in der Dora und Dieter festgehalten haben, dass sie ohne Leiden sterben wollen.
Dann sieht Dora dabei zu, wie ihr Mann bei jedem ihrer täglichen Besuche in der Klinik wackeliger auf den Beinen wird.
Die Krampfanfälle werden wieder häufiger.
Das Sprechen und das Schlucken fallen Dieter immer schwerer.
Schließlich so schwer, dass er keine feste Nahrung mehr zu sich nehmen kann und Frau Dr. Bach alle sechs Stunden eine Dosis von 10 Milligramm Mophin verordnet.
So hält sie es in seiner Patientenakte fest.
Vor Gericht streiten sich nun mehrere Gutachter darüber, ob die Gabe von Schmerzmittel rechtens war.
Zu viel, sagen einige.
Dieter hätte nicht einmal ins Krankenhaus gehört, er habe doch noch Urlaub machen wollen.
Die Schmerzmittel seien völlig angebracht gewesen, sagen andere Sachverständige.
Die Dosis bei starken Schmerzen sei vertretbar.
Wir haben die Frage einmal an Heiner Melching von der Deutschen Gesellschaft für Palliativmedizin weitergegeben.
Er hat die Akten natürlich nicht gesehen, aber er hat die Menge trotzdem mal vage für uns eingeordnet.
Also einen Patienten oder eine Patientin am Lebensende sechsmal täglich 10 Milligramm Mophin zu geben, das ist in der Palliativmedizin gar nicht so eine ungewöhnliche Dosierung.
Da würde man nie mit anfangen.
An seinem Todestag, drei Wochen nach Einlieferung in die Paracelsus-Klinik, schleppt sich Dieter noch an Doras Arm in die Cafeteria.
Am Abend stirbt er, laut Anklage an einer absichtlich zu hoch dosierten Injektion von Morphin, die ihm Dr. Bach verabreicht hat.
Ob das wirklich so war und wie krank Dieter wirklich war, darüber wird man sich vor Gericht nicht einig.
Und die Frau, die ihm am nächsten stand, seine Ehefrau Dora, kann vor Gericht nicht mehr aussagen, denn nachdem der Prozess so lange auf sich hat warten lassen, ist sie, wie viele andere ZeugInnen, inzwischen verstorben.
An ihrer Stelle spricht zwar eine Nachbarin des Ehepaars vor Gericht, die eng mit Dora befreundet war und sagt, dass sie die Anklage gegen Frau Dr. Bach scharf kritisiert hatte.
Darüber, was Dr. Bach und Dora aber in Bezug auf die Behandlung abgemacht haben, kann sie nicht sagen.
Und das wird jetzt hier zum Problem, denn auch darüber gibt es keine Aufzeichnungen und die Gutachter sagen, was nicht dokumentiert wurde, ist nicht passiert.
Sie werfen ihr also vor, die Medikamentenvergabe möglicherweise gar nicht abgesprochen zu haben.
Und mehr noch, es steht sogar im Raum, ob Dieter überhaupt hätte sterben müssen.
Ein Neurologe, der als Gutachter aussagt, findet, dass die Hirnschwellung, unter der Dieter zuletzt mit der richtigen Behandlung heilbar gewesen wäre.
Vielleicht hätte der 52-Jährige dann noch länger gelebt und mit seiner Frau nach Sylt fahren können.
Dr. Bach ist keine Neurologin und eine andere ärztliche Meinung hat sie damals nicht eingeholt.
Das wäre heute undenkbar. Normalerweise gibt es in solchen Fällen Konferenzen, an denen mehrere FachärztInnen aus verschiedenen Gebieten zusammen entscheiden, wie und ob eine Krebsbehandlung weitergeht.
Hier in dem Fall war das nicht so.
Vielleicht wusste Dr. Bach es nicht besser.
Vielleicht hat sie aber auch im Sinne von Dora gehandelt.
Die wusste, dass ihr Mann keine weitere Behandlung mehr will und wollte, dass er schmerzfrei sterben kann.
Weil, das muss man ja auch dazu sagen, selbst ohne Hirnödem war Dieter ja noch schwer krebskrank.
Und vielleicht war es eben auch in Dieters Sinn, die Behandlung abzubrechen.
Wie es genau war, kann die Kammer aus einer Patientenakte nicht entnehmen.
Die Verteidigung von Mechthild Bach betont immer wieder, dass die Ärztin selbstverständlich nie im Alleingang gehandelt hat,
sondern dass all ihre medizinischen Entscheidungen mit den PatientInnen oder mit deren Angehörigen abgestimmt waren.
Im Zweifel müsse man ihr das glauben, wenn man ihr nichts anderes nachweisen könne, sagt Matthias Waldraff vor Gericht.
Doch das scheinen einige anders zu sehen.
Und offenbar hat sich diesbezüglich auch einer der drei Berufsrichter schon vor Beginn des Prozesses festgelegt.
Sechs Monate nach Verhandlungsbeginn wendet sich dessen Ex-Frau mit einem ungeheuerlichen Vorwurf an einen Anwalt.
Ihr Ex-Mann habe ihr bereits ein Jahr vor dem Prozess und einem Telefonat gesagt, das er Frau Dr. Bach für schuldig halte, sagt sie.
Sie hatte den Fall Bach in den Medien verfolgt und ihm gegenüber geäußert, dass sie sich nicht vorstellen könne, dass eine Ärztin ihre PatientInnen töte.
Daraufhin habe er sinngemäß gesagt, dass die Anklage nur die Spitze des Eisbergs sei.
Wir befassen uns nur mit acht Fällen und in diesen acht Fällen bin ich hundertprozentig davon überzeugt, dass sie die Patienten tot gespritzt hat.
Du glaubst das gar nicht, da ist einer mit Kopfschmerzen gekommen und war schon am nächsten Tag tot, zitiert die Frau ihren Ex-Mann.
Für ihre Aussage gibt sie eine eidesstattliche Versicherung ab.
Als Matthias Waldraff davon erfährt, kann er gar nicht glauben, was er da hört.
Wenn das stimmt, dann hatte seine Mandantin nie eine Chance auf einen fairen Prozess.
Wenn das stimmt, dann hat einer von drei Richtern sie von Beginn an vorverurteilt.
Dann ist der Richter befangen.
Also stellt Matthias Waldraff beim nächsten Verhandlungstermin einen Befangenheitsantrag.
Er will, dass der Richter unverzüglich vom Prozess ausscheidet.
Der Richter auf der anderen Seite sagt, dass das Telefonat mit seiner Ex-Frau so nie stattgefunden hat.
Da würde sie sich irren.
Die Scheidung mit ihr sei unerfreulich verlaufen, ihr Verhältnis miteinander zerstört.
Und außerdem habe sie sich in psychiatrischer Behandlung befunden, versucht er seine Ex zu diskreditieren.
Und das mit Erfolg.
Das Gericht lehnt den Befangenheitsantrag von Seiten der Verteidigung ab.
Der Richter bleibt im Verfahren.
Zumindest für kurze Zeit.
Dann erkrankt der Mann und mit ihm der vorsitzende Richter.
Beide sind nicht mehr in der Lage, dem Prozess weiter beizuwohnen.
Und das Landgericht Hannover hat es versäumt, ErsatzrichterInnen einzusetzen,
die im Falle von Krankheit übernehmen könnten.
Damit ist sechs Monate nach Prozessbeginn Schluss.
Der Prozess gegen Dr. Mechtelbach platzt.
Und mit ihm die Hoffnung auf Aufklärung des Falls.
Zumindest vorerst.
Der Prozess muss jetzt nämlich neu aufgerollt werden.
Die Angeklagte und ihr Verteidiger hoffen dabei auf ein faires Verfahren.
Ein Licht am Ende eines langen, dunklen Tunnels.
Nur kann zu diesem Zeitpunkt noch keiner von ihnen ahnen, dass es sie noch schlimmer erwischen wird.
Eineinhalb Jahre vergehen, bis der neue Prozess gegen Mechtelbach im Frühjahr 2010 starten kann.
Und das nicht nur mit drei neuen RichterInnen, sondern auch mit fünf neuen Fällen, die zur Anklage hinzugekommen sind.
Matthias Waldraff hat uns erklärt, wie das zustande kam.
Nach der Unterbrechung, die durch das Ende des ersten Prozesses entstanden war, legte die Staatsanwaltschaft dann weitere fünf Gutachten von dem Herrn Professor aus Bochum vor.
Das setzte, was den zeitlichen Ablauf betraf, nun allem auch noch die Krone auf.
Erst recht, als die Staatsanwaltschaft dann dem Ergebnis dieser fünf Gutachten folgend die Anklage auf insgesamt 13 Fälle des Totschlags mit diesen fünf weiteren Fällen erhöht hat.
Vor Gericht soll ein Fall nach dem anderen verhandelt werden.
Das bedeutet, die Kammer will jedes Schicksal einzeln begutachten und bewerten, ob die Lebenszeit der jeweiligen PatientInnen durch Frau Dr. Bachs Behandlung verkürzt wurde oder nicht.
Trotz allem, was bisher passiert ist, gehen Matthias Waldraff und seine Mandantin zuversichtlich in die zweite Verhandlung.
In dem zweiten Prozess traf Frau Dr. Bach auf ein neu besetztes Gericht und vor allem einen Vorsitzenden, zu dem sie und zwar vom ersten Moment an eine positive, vertrauensvolle Basis mit unmittelbarem Augenkontakt empfand.
Sie hat in ihrer empathisch und auch sehr emotional zu Beginn vorgetragenen Erklärung noch einmal detailliert auseinandergesetzt, weshalb sie niemals, niemals in der Lage gewesen wäre und es auch nicht getan hat,
gewusst Menschenleben in Gefahr zu bringen oder Menschen gar zu töten durch die Verabreichung Schmerzlinderndens und Morphins.
Das hat sie und alle, wenn das so erlebt haben, sehr eindrücklich getan.
Diese Erklärung, von der Matthias Waldraff hier spricht, trägt Mechthild Bach selbst vor.
Sie steht im zartrosa Bläser mit schwarzem Rock hinter der Anklagebank und zittert leicht, als sie die Sätze, die sie sich zurechtgelegt hat, von einem Blatt Papier abliest.
Einst habe sie anderen Zuversicht gegeben, sagt sie mit leiser Stimme.
Heute brauche sie selbst Kraft und Zuversicht, denn sie werde zu Unrecht beschuldigt.
In keinem der 13 Fälle habe sie die Lebenszeit ihrer PatientInnen absichtlich verkürzt, betont die Angeklagte und ringt Umfassung.
Sie habe lediglich eine Begleiterin in jeder Lebenssituation sein wollen.
Eine ehrliche, kompetente, vertrauenswürdige Ärztin.
Abgesehen davon, dass sie die Dokumentation der PatientInnen-Akten nicht ernst genug genommen habe, habe sie nichts falsch gemacht, sagt Mechthild Bach.
Dann listet sie nacheinander die Namen der verstorbenen PatientInnen auf, um die es hier im Prozess geht und deren Krankheiten.
Die zierliche Frau ist den Tränen nahe, als sie sagt, dass jeder dem Tode nahe gewesen sei.
Und jeder habe das Recht gehabt, diesen Weg in Würde und Angst freizugehen.
Deshalb habe sie Morphium und Valium verabreicht.
Aber schlussendlich seien alle 13 PatientInnen nach einer palliativmedizinischen Betreuung an ihren Leiden gestorben.
Als sich die Ärztin setzt, stehen viele der rund 70 BesucherInnen im hinteren Teil des Saals auf, um Zustimmung und Verständnis auszudrücken.
Daraufhin setzt der Vorsitzende Richter eine kurze Pause an, in der Mechthild Bach aufsteht und sich von ihren AnhängerInnen umarmen lässt.
Im Prozessverlauf will das neue Gericht von Mechthild Bach wissen, woran sie denn festgemacht hat, dass ihre PatientInnen, wie sie sagt, dem Tode nahe waren.
Daraufhin erklärt die 60-Jährige, dass man bei PatientInnen, die man gut und lange kennt, weil man sie jahrelang, manchmal auch jahrzehntelang behandelt hat, ein Gefühl dafür entwickelt, wann es zu Ende geht.
Sie habe gespürt, wenn PatientInnen sich quälen, leiden und dem Tod nahe sein.
Und dann sagt sie etwas, das noch Folgen haben wird.
Sie spricht von einer Aura, die sie dann wahrnehme.
Und das sorgt für Empörung und Schlagzeilen.
Bachs Verteidiger erinnert sich daran.
Das ist medial sofort sehr verkürzt und auf dieser Todesengel-Ebene rübergebracht worden, ohne dass der Versuch von ihr, diese Sensibilität zu beschreiben, richtig wiedergegeben wurde.
Herr Prof. Dr. Dudziak aus Frankfurt hat das bestätigt.
Und das bestätigen einem auch viele erfahrene Ärzte unterschiedlichster Prägung und Fachrichtung, dass dieses schwer mit Worten zu beschreibende Empfinden da sein kann.
Die weitere Verhandlung ist, ähnlich wie der erste Prozess, geprägt vom Streit der Gutachter.
Es geht um medizinische Diskussionen bis ins kleinste Detail, bei denen weder die RichterInnen noch die Staatsanwaltschaft mitreden können.
Deutlich wird nur, dass es zwei Lager gibt.
Die Gutachter, darunter Palliativpapst Michael Zenz aus Bochum, die Frau Dr. Bach schwere Behandlungsfehler und Aufklärungsdefizite vorwerfen.
Und diejenigen, die lediglich ihre Dokumentation kritisieren, aber eben auch sagen, dass so ein Klinikalltag nie wie im Lehrbuch verläuft und dass das allein nicht zum Totschläger oder zur Totschlägerin macht.
Einer von ihnen ist Raphael Dudziak, das ist der Sachverständige der Verteidigung, der seinem Kollegen Michael Zenz zwar fachlich nicht unterlegen sein soll,
allerdings ist er zurückhaltender und weniger wortgewandt als Zenz, berichtet der NDR damals.
Im Schlagabtausch mit dem Gutachter der Staatsanwaltschaft lässt ihn das an manchen Stellen alt aussehen.
Matthias Waldraff bemerkt und bedauert das früh.
Aber er und Mechthildbach hoffen, dass das Gericht darüber hinweg sieht und sich auf die Inhalte der Aussagen konzentriert.
Über ein Jahr lang dauert die Gutachterschlacht nun schon an, als schließlich am 18. Januar 2011 der 50. Verhandlungstag ansteht.
Es ist ein kalter Dienstag in Hannover.
Sechs der 13 angeklagten Fälle wurden seit Prozessstart verhandelt, also quasi Halbzeit.
Deshalb hat die Kammer für heute eine sogenannte Zwischenbilanz angekündigt.
Das ist eine erste vorläufige Einschätzung des Sachverhalts, die bei so umfangreichen Prozessen nicht ungewöhnlich ist.
Sie dient dazu, die Prozessbeteiligten zu informieren und der Verteidigung die Möglichkeit zu geben, wenn nötig zu reagieren.
Matthias Waldraff und Mechthildbach sind gespannt, was sie erwartet.
Die Angeklagte ist davon überzeugt, dass der vorsitzende Richter sie und ihre Arbeit versteht.
Ihr Anwalt könnte sich vorstellen, dass das Gericht in einigen Fällen die Anklage wegen Totschlags fallen lässt und stattdessen eine fahrlässige Tötung in den Raum stellt.
Keiner erwartet, was dann kommt.
Der vorsitzende Richter stellt kurz und knapp dar, dass die Kammer Mechthildbach bisher in allen verhandelten Fällen für schuldig hält.
Das Gericht ist sich also sicher, dass Mechthildbach das Leben ihrer PatientInnen vorzeitig beendet hat, indem sie ihnen zu viel Morphin gespritzt hat.
Damit schließt sich die Kammer dem Gutachten von Michael Zenz an, dem Sachverständigen der Staatsanwaltschaft.
Den Gegenargumenten der Verteidigung folgt sie nicht.
In zwei Fällen rückt das Gericht aber tatsächlich von der Anklage des Totschlags ab.
Aber nicht, wie von Matthias Waldraff erwartet, zugunsten von Mechthildbach.
Im Gegenteil, in diesen beiden Fällen kommt laut der Kammer auch das Mordmerkmal der Heimtücke in Betracht und daher eine Verurteilung wegen Mordes in Frage.
Denn was diese beiden Fälle von den anderen unterscheidet ist, dass die zwei PatientInnen bis kurz vor ihrem Tod noch ansprechbar waren.
Die anderen nicht.
Mechthildbach hätte sie also über die Wirkung von Morphin aufklären können und sich ihre Einwilligung für die Behandlung holen müssen.
Also salopp gesagt, hätte sie sowas sagen müssen wie, gegen starke Schmerzen kann ich ihnen Morphin verabreichen.
Das birgt aber Risiken und kann unter Umständen dazu führen, dass sie früher sterben.
Sind sie damit einverstanden oder nicht?
Und die PatientInnen hätten dann Ja sagen müssen.
Das lässt sich aber aus den Akten nicht herauslesen.
Deshalb geht die Kammer davon aus, dass die Ärztin in den beiden Fällen keine Einwilligung hatte.
Was bedeuten würde, dass sie ihr arg und wehrlos ausgesetzt waren.
Deshalb kommt für die Kammer in diesen Fällen jetzt ein Mord in Betracht.
Und einer dieser Fälle ist der von Arnold.
Ihr erinnert euch an den Anfang.
Arnold hatte eine seltene Form von Leukämie und Herzrhythmus und Durchblutungsstörungen.
Und zuletzt hatte er auch das Essen verweigert, weil er es häufig wieder erbrechen musste.
In den Tagen vor seinem Tod wugt der 64-Jährige nur noch 45 Kilo.
Seine Tochter Carina sagt vor Gericht aus, dass sie seine innige Umarmung nach der Dusche
kurz vor seinem Tod als Geste der Dankbarkeit und des Abschieds empfunden hat.
Ihr Vater sei bereit gewesen zu gehen, erklärt sie.
Aber Arnold war bis zum Schluss bei vollem Bewusstsein.
Er sei ansprechbar gewesen, als Frau Dr. Bach ihm Morphium gegen die Schmerzen verabreichte.
stellt die Kammer fest.
Anhand seiner Patientenakte kann das Gericht nicht nachvollziehen, dass die Ärztin ihn je
über die Wirkung des Opiats aufgeklärt hat.
Also sei es wahrscheinlich, dass Frau Dr. Bach ohne sein Einverständnis gehandelt hat,
schlussfolgert die Kammer.
Deshalb steht das Mordmerkmal der Heimtücke im Raum.
Ob es schließlich bejaht wird, muss in der weiteren Verhandlung erörtert werden,
sagt das Gericht.
Was aber für den vorsitzenden Richter schon feststeht, ist, dass die Angeklagte das Leben
aller sechs PatientInnen, auch derer, die zum Schluss nicht mehr bei Bewusstsein waren,
mit zu hohen Dosen Morphin verkürzt hat und dass keiner der Betroffenen den Wunsch hatte,
zu sterben.
Sie hatten Zukunftspläne, so der vorsitzende Richter.
Und es sei zwar zulässig, Morphium einzusetzen, auch wenn es zur Lebensverkürzung führe,
die Grenze liege aber dort, wo der Schmerz beseitigt sei.
Und selbst wenn sie in einigen Fällen dafür das Einverständnis der PatientInnen hatte,
was weiterhin keiner mit Sicherheit weiß, dann hätte sie aktive Sterbehilfe betrieben.
Und die ist, wie ich Anfang schon erklärt habe, illegal.
Aber wie gesagt, es gibt keine Hinweise darauf, dass die PatientInnen sie um Sterbehilfe
gebeten haben.
Das Gericht hält sie also bisher in allen Fällen für schuldig.
In vier von sechs verhandelten Fällen wegen Totschlags, in zwei sogar wegen Mordes.
Und sieben weitere Fälle stehen noch aus.
Die Zwischenbilanz des Landgerichts kommt für Matthias Waldraff und seine Mandantin völlig überraschend.
Sie dauert nur 20 Minuten, aber sie nimmt der Ärztin Mechthildbach mit einem Mal alle Hoffnung
darauf, dass sich doch noch alles zum Guten für sie wendet.
Sie hatte bis heute daran festgehalten, dass man im Zweifel für sie entscheiden werde.
Aber jetzt steht fest, das Gericht zweifelt nicht.
Ganz im Gegenteil.
Eine Verurteilung wegen Totschlags, so wie es die Staatsanwaltschaft zunächst angeklagt hatte,
würde für Frau Dr. Bach eine maximale Haftstrafe von 15 Jahren bedeuten.
Bei einer Verurteilung wegen Mordes wäre die lebenslange Haft für die 61-Jährige unumgänglich.
Es ist diese Aussicht, die die Ärztin bis ins Mark erschüttert, hat uns Matthias Waldraff im Interview erzählt.
Es gibt Momente, die verliest auch ein Strafverteidiger sein Leben lang nicht.
Ein Moment dieser Art war, als die neben mir sitzende Mechthildbach von diesem Vorsitzenden,
von dem sie unverändert der Überzeugung war, dass er sozusagen als einziger sie versteht,
hören musste, dass das Gericht in zwei Fällen die Voraussetzungen für eine Verurteilung wegen Mordes
nach dem bisherigen Ergebnis der Beweisaufnahme für möglich erhält.
Diese Worte des Vorsitzenden haben bei Frau Dr. Bach zu einer akuten Schock-Situation und innerlichen Zertrümmerung geführt.
Das war physisch für mich neben ihr spürbar.
Und ich habe dann auch um sofortige Unterbrechung der Hauptverhandlung gebeten
und habe sie dann mehr oder weniger halb gestützt und getragen in unseren Besprechungsraum gebracht,
den wir im Landgericht Hannover hatten.
Dort sitzen die beiden schweigend zusammen.
Mindestens zehn Minuten, sagt keiner was.
Mechthildbach weint.
Matthias Waldraff ist klar, dass es heute nicht mehr darum gehen wird, wie sie jetzt weitermachen.
Für ihn ist nur noch wichtig, dass seine Mandantin jetzt sicher nach Hause kommt,
wo sie die Nachrichten des Mordverwurfs erst mal verdauen muss.
Sie verabreden sich für den kommenden Sonntag, um die nächsten Schritte zu besprechen.
Sie kamen um zwölf Uhr zu mir in die Kanzlei.
Wir waren alleine und sie hat mich gefragt, sicher eine knappe Stunde lang,
wie es weitergehen kann mit dieser Ansage und welche Konsequenzen es hat.
Wir haben alles, und da bin ich, so sind wir immer miteinander umgegangen,
auch völlig offen und ehrlich gewesen, die verschiedenen Stränge durchgegangen,
unter allen Alternativen.
Auch der Alternative, dass jetzt, wenn das Gericht das tatsächlich machen sollte
und in zwei Fällen wegen Mordes verurteilt,
sie mit höchster Wahrscheinlichkeit wieder in Haft geht, in Untersuchungshaft geht,
dass, wenn dann der Bundesgerichtshof über eine Revision zu entscheiden hat,
dass sicher wieder Minimum ein Dreivierteljahr dauert,
dass dann, wenn wir diese Revision gewinnen, und davon waren wir ausgegangen,
jetzt mal auch zugunsten der Mandantin,
ein anderes Gericht sich neu anarbeiten muss in diesem Fall.
Das heißt, auch dann, wenn alles positiv weitergelaufen wäre,
mit Ausnahme der Verurteilung, und ein Freispruch war ja nicht mehr zu realisieren,
und eine fahrlässige Tötung auch nicht, sondern eher das, was angedroht wurde,
dann Minimum zwei bis drei Jahre ins Land gehen.
Das war ein Punkt, der für sie sehr wichtig war,
neben der Frage einer erneuten Inhaftierung.
Mechthild Bach will auf keinen Fall wieder in Untersuchungshaft.
Die Wochen, die sie 2004, vor mittlerweile sieben Jahren, in einer Zelle verbracht hat,
waren für sie die schlimmste Zeit ihres Lebens, sagt sie ihrem Anwalt.
Damals kam sie gegen Kaution frei, aber der Haftbefehl gegen sie besteht seit jeher.
Und jetzt, wo ein Mordverdacht gegen sie im Raum steht,
ist es gut möglich, dass sie wieder inhaftiert wird, erklärt Matthias Waldraff.
Sie könnte wegen Fluchtgefahr verhaftet werden.
Zwei Stunden lang sprechen der Anwalt und seine Mandantin in aller Offenheit darüber,
wie es nun weitergehen könnte.
Am Ende hat Matthias Waldraff das Gefühl,
dass Mechthild Bach keine Kraft mehr hat dabei zuzusehen,
wie die Gutachter ihre ärztlichen Einschätzungen anzweifeln und zerpflücken, wie er sagt.
Als Matthias Waldraff sie an diesem Sonntag zum Abschied vor seiner Kanzlei umarmt,
erfindet er riesigen Respekt für sie und hat zugleich eine düstere Vorahnung.
Am nächsten Tag erhält Matthias Waldraff einen Anruf von der Polizei.
Mechthild Bach sei leblos in ihrem Haus aufgefunden worden, teilt ihm ein Kommissar mit.
Die mittlerweile 61-Jährige hat sich noch in der Nacht,
sechs Tage nach der Zwischenbilanz vor Gericht, das Leben genommen.
Die Aussicht auf weitere Zeit im Gefängnis hat sie nicht ausgehalten.
So wollte sie nicht weiterleben.
Den Menschen, die ihr am nächsten waren, hatte Frau Dr. Bach zum Abschied eine E-Mail geschrieben.
Vielen Dank für eure Unterstützung, schreibt sie.
Mein Gehen ist kein Schuldeingeständnis.
Aber ein Leben im Gefängnis, ein Leben ohne Patienten, das ist für mich kein Leben.
Ich wünsche euch von Herzen alles Gute.
Mechthild
Zu ihrer Beerdigung kommen mehr als 500 Menschen.
Freundinnen, Patientinnen und Angehörige drängen sich in die Elisabethkirche, die größte Kirche in Langenhagen.
Nicht alle Trauergäste finden einen Sitzplatz.
Einige bleiben auf den Gängen stehen und sehen nach vorne, wo der Sarg der Ärztin inmitten von weißen Rosen und Lilien steht.
Daneben weiße lange Kerzen und ein gerahmtes Bild von Mechthild Bach, so wie man sie kannte.
Das graue Haar akkurat frisiert, der Blick ernst, die Mundwinkel kaum merklich zu einem zaghaften Lächeln gezogen.
Die Pastorin spricht aus, was viele hier denken.
Sie spricht von Gutachtern, die nach erstaunlich langer Zeit erstaunlich genau Bescheid wussten.
Von einer Justiz, die Mechthild Bach acht Jahre lang an den Pranger gestellt und öffentlich seziert hat.
Und von einer teilweise brutalen medialen Vermarktung von Bachs Namen in der Presse.
Eine Behandlung in der letzten Phase des Lebens lasse sich nicht nur in Schwarz oder Weiß einteilen,
sondern verlaufe in Grauschattierung, sagt die Pastorin.
Der Mensch sei keine Rechenaufgabe.
Mechthild Bach hat sich ihr Leben lang für ein schmerzfreies Sterben ausgesprochen.
Einen würdevollen Tod.
Die einzige Möglichkeit, um für ihre eigene tragische Geschichte ein Ende zu finden, hat sie im Suizid gesehen.
Dabei ist die Ärztin nicht gestorben, weil sie dem Leben müde war, sondern an einer Überdosis Justiz.
Da sind sich die, die ihr nahe standen, einig.
Viele von ihnen begleiten den Trauerzug durch die Straßen von Langenhagen, wo Mechthild Bach als Ärztin gearbeitet hat.
Matthias Waldraff ist einer der Sagträger.
Auch für ihn ist es der tragische Abschluss eines jahrelangen Verfahrens, in dem nun nie ein Urteil fallen wird.
Und dass es kein Urteil gibt, bedeutet auch, dass die wichtigsten Fragen bis heute offen sind.
Man konnte also nie mit Sicherheit feststellen, ob die PatientInnen, um die es in diesem Verfahren ging, darunter Arnold,
und die da letztlich an ihren Krankheiten gestorben sind oder wirklich daran,
dass Mechthild Bach ihnen zu hohe Dosen Morphin gegeben hat.
Das Gericht war von Letzterem überzeugt, sonst wäre man sicherlich von der Anklage wegen Totschlags abgerückt
und hätte vor allem keinen Mordvorwurf in den Raum gestellt.
Für uns war es aber, und das muss ich hier auch ganz offen sagen, ohne Urteil zumindest schwer nachvollziehbar,
wieso Mechthild Bach so hart strafrechtlich verfolgt wurde.
Uns lagen die Akten hier in dem Fall nicht vor.
Wir hatten allerdings unter anderem ein Buch von zwei JournalistInnen der Hannoverischen Allgemeinen Zeitung,
denen die Akten zum Teil wiederum vorlagen.
Das Buch verlinken wir euch auch nochmal in den Shownotes.
Und die beiden konnten die Härte der Justiz in dem Fall trotzdem nicht nachvollziehen.
Dafür, dass sie absichtlich jemanden töten wollte, gab es vor Gericht keine Anhaltspunkte.
Matthias Waldraff ist sich bis heute sicher,
dass die Vorwürfe einzig und allein wegen der fehlenden Dokumentation aufrechterhalten werden konnten.
Beweise für die Anschuldigung gab es ihm zufolge keine.
Der Anwalt ist erschüttert darüber, was für ein Unheil diese fehlende Dokumentation nach sich gezogen hat.
Wir haben Frau Dr. Bach und ich häufiger uns auch auseinandergesetzt
mit diesem Defizit fehlender Dokumentation.
Und ich hätte mir wirklich gewünscht, dass es jemanden auch in ihrem Umfeld gegeben hätte,
der das hätte abnehmen können.
Das war aber personell einfach nicht leistbar.
Das ist heute schwer nachvollziehbar,
weil sie schon sich dann auch mit,
keine Vorwürfe, aber mit Gedanken von mir auseinandergesetzt zu sein,
Mensch, irgendwann hätten sie doch mal daran denken können,
dass vielleicht nach dem Tod eines Menschen sich das umdreht.
Und Leute, die mit ihnen gesprochen haben, sagen, da kann ich mich nicht dran erinnern.
Also irgendwann mal an diese Absicherung zu denken, das würde sie heute sicher auch selbstkritisch einwenden.
Das hat sie im Übrigen damals auch vor Gericht sehr deutlich gesagt, dass sie das bedauert.
Aber entscheidend war für ihre Gegner ja, dass man sagt, wir glauben dir nicht, dass du eben bestimmte Dinge möglich getan hast.
Jetzt, nach dem Suizid der Ärztin, fallen die Reaktionen der Justizverhalten aus.
Es ist tragisch, dass sich Frau Bach in einer so aussichtslosen Situation gesehen hat,
verkündet der Präsident des Hannoverischen Landgerichts.
Auch die Staatsanwaltschaft drückt ihr Bedauern über den Tod der Ärztin aus,
rechtfertigt sich aber nicht weiter.
Nur der niedersächsische Justizminister räumt, Zitat,
bedauerliche Verzögerungsphasen ein.
Mehr nicht.
Eine Verzögerungsphase, die, das will ich nochmal anmerken,
insgesamt fast acht Jahre gedauert hat.
Heute ist Mechthild Bach seit 14 Jahren tot.
Von den Vorwürfen des Todesengels konnte sie sich nie reinwaschen.
Und doch ist sie nicht mehr als solcher bekannt.
Im Gegenteil.
Heute sagen viele Fachleute,
Mechthild Bach sei in Sachen Palliativmedizin ihrer Zeit voraus gewesen.
Jetzt abgesehen natürlich von der fehlenden Dokumentation
und den umstrittenen Mengen an Morphin.
Denn wenn es wirklich stimmt,
dass die PatientInnen keine weiteren Behandlungen mehr durchmachen wollten,
so wie Arnold zum Beispiel,
der ja auch nicht mehr zu anderen FachärztInnen wollte,
obwohl Mechthild Bach ihm das geraten hatte.
Und wenn ihre PatientInnen oder deren Angehörige
ihr wirklich das Okay zur Schmerzbehandlung mit Morphin gegeben haben,
wohlwissend, dass ihr Leben dadurch verkürzt werden konnte,
dann hat die Ärztin aus Sicht der Palliativmedizin alles richtig gemacht.
Wir wissen, wie gesagt, nicht, ob das der Fall war.
Aber wenn man davon ausgeht,
dann hat Mechthild Bach die Therapie wie gewünscht beendet
und Schmerzen gelindert.
Und das macht man heute genauso,
hat uns Heiner Melching von der Deutschen Gesellschaft für Palliativmedizin erklärt.
Seit wir unser Strafrecht haben,
ist es eine Körperverletzung,
jemanden gegen seinen Willen zu behandeln.
Und das heißt, es ist eigentlich falsch,
immer zu sagen, man darf eine Therapie beenden,
sondern man muss sie beenden.
Es ist Pflicht, sie dann zu beenden,
wenn sie a. entweder keinen Sinn macht,
also keine medizinische Indikation dafür gibt,
dann darf man sie gar nicht anbieten.
Und wenn man eine Indikation hat für eine Behandlung
und der Patient, die Patientin das nicht will,
dann muss man sie auch abbrechen.
Aber es wird immer noch so gedacht,
wann darf ich denn?
Und dann hat das jemand irgendwie verfügt oder wie auch immer.
Es ist eigentlich ganz simpel.
Man muss die Therapie beenden
und man muss Leiden lindern
und man darf dann in Kauf nehmen,
dass durch eine Leidenslinderung,
also durch ein Opiat,
das Lebenserwartung kürzer ist,
wobei das auch immer nie einer genau vorhersehen kann.
Da gibt es immer Überraschungen.
Gerade dieses offene Gespräch
zwischen MedizinerInnen und PatientInnen
war früher aber nicht gang und gäbe,
hat uns Heiner Melching erklärt.
Manche ÄrztInnen hätten es als persönliches Versagen empfunden,
wenn ein Patient oder eine Patientin
unter ihrer Behandlung gestorben sei.
Deshalb ist die Palliativmedizin so wichtig,
weil man dort das Unvermeidliche,
den bevorstehenden Tod,
akzeptiert und Sterbenskranke darauf vorbereitet.
Und da hat sich in den vergangenen Jahren
einiges getan, sagt Melching.
Also die Palliativmedizin hat sich bezüglich dessen,
wie man auch am Lebensende mit Patienten umgeht,
schon sehr verändert und weiterentwickelt,
auch seit den 2000ern.
Ich glaube, in den letzten zehn Jahren noch mal mehr.
Ein Schwerpunkt liegt tatsächlich
zunehmend darauf,
auf Kommunikation,
das zu lernen,
verständlich Menschen klar zu machen,
was ist der Preis von was
und was ist eigentlich das Ziel unserer Therapie.
Wir nennen das Therapie-Zielfindung
und Therapie-Zielgespräche.
Das hat es, glaube ich,
in der Form,
hat sich das erst wirklich
in den letzten 15, 20 Jahren
wirklich erst richtig entwickelt,
dass man das auch unterrichtet,
dass man das auch lernt,
wie man das macht.
Das hat sonst jeder so gemacht,
so aus dem Bauchgefühl heraus.
Und das war mal,
das war gut.
Es gab natürlich Ärzte und Ärzte,
die das auch in den 50er, 60er Jahren schon konnten.
Aber das ist eben ein bisschen sortierter
und auch ein bisschen
mit mehr auch wissenschaftlichem Hintergrund inzwischen,
dass man da auch offener ist,
das zu besprechen
und die Bereitschaft wird größer.
Wenn man Matthias Waldraff glaubt
und all den UnterstützerInnen,
die Mechthildbach über die Jahre begleitet haben
und jeden Tag im Gericht saßen,
dann war der Ärzte besonders wichtig,
einen ganzheitlichen Blick
auf ihre PatientInnen zu haben,
so wie die Palliativmedizin das auch heute macht.
eine Behandlung nach bestem Wissen und Gewissen,
von reiner Schmerzlinderung
bis zu einer würdevollen, legalen Sterbebegleitung.
Matthias Waldraff ist davon überzeugt,
dass ihr Verfahren heutzutage ganz anders abgelaufen wäre.
Mit welcher Ignoranz,
allein schon über die Dauer,
die hier in einem Gutachter
zur Erstellung seiner Gutachten gegeben wurde,
das ist einfach unvorstellbar.
fünf Jahre lang, fünf Jahre lang nach Auftrag,
einfach erschreckend und erschütternd,
wie hier mit dem Schicksal einer
unstreitig, hochbeliebten,
erfahrenen und sehr, sehr guten Ärztin umgegangen worden ist.
Das hat mich nie wieder losgelassen.
Wird es auch nicht.
Und das hätte ich zuvor,
auch nach vielen, vielen Jahren und Prozessen
in Kapitalverbrechen,
in dieser Form nicht für Möglichkeiten.
Und das treibt mich immer noch um.
Und natürlich werde ich diesen Prozess
und diese Mandantin niemals vergessen.
Und es gibt so zwei, drei Tage im Jahr,
da bin ich ganz, ganz eng und nah bei ihr.
Er geht dann zu ihrem Grab und legt Blumen nieder,
hat uns Matthias Waldraff erzählt.
Und er denkt an die vielen Sonntage,
die er gemeinsam mit einer Frau verbracht hat,
die er als einzigartig beschreibt
und die er niemals vergessen wird.
Und von der er sagt,
dass es ihr so wichtig war,
anderen Leuten zu helfen,
dass sie nicht ertragen konnte,
als jemand verurteilt zu werden,
der angeblich das Gegenteil tat.
An dieser Stelle wird mir gerade das erste Mal bewusst,
was für ein enges Verhältnis
manchmal auch die Verteidigung
zu den MandantInnen hat.
Und dass die zusammen in einem Boot sitzen
und dass das sicherlich auch manchmal
für die Verteidigung sehr schmerzhaft ist,
mit anzusehen,
wie MandantInnen,
gehen wir jetzt mal davon aus,
sie seien zu Unrecht beschuldigt,
zerbrechen können an so einem Verfahren.
Also das war ein sehr umstrittener Fall
zur damaligen Zeit.
Normalerweise halten Laura und ich uns
ja stark zurück mit unserer Meinung dazu,
wie wird es gewesen sein
und so, gerade wenn es juristisch
nicht geklärt ist.
Ich lehne mich jetzt hier aber mal
ein bisschen aus dem Fenster.
Hat Mechtelbach Fehler gemacht?
Ja, waren die eklatant?
Wirklicherweise.
Und ich glaube, gerade wenn es um
das Sterben von Menschen geht
und um eine Medikation,
die das Leben verkürzen könnte,
dann hat sie bezogen auf diesen Punkt
sicherlich nicht gut gearbeitet.
Ganz klar.
Also in Bezug darauf,
dass sie Gespräche und Entscheidungen
von PatientInnen und Angehörigen
nicht dokumentiert hat.
Bin ich der Meinung,
dass Mechtelbach Menschen
vorsätzlich getötet hat?
Nein.
Und ich sage euch auch, wieso.
Die Fälle wurden ja nicht
von Angehörigen angezeigt.
Also es gab da nachher
diese Nebenkläger,
aber das war in einem Fall
von auch insgesamt 78 Fällen,
bei denen Mechtelbach
Morphium benutzt hat.
Und von den anderen
kam keiner auf die Idee,
dass da etwas nicht mit
rechten Dingen zugeht.
Und ich möchte mal meinen,
bei so einer Vielzahl von Personen,
da hätte sich irgendwer gemeldet,
wenn das jemand kritisch hinterfragt hätte
und wenn da irgendeine Art
Verdacht aufgekommen wäre.
Außerdem gab es ja kein Motiv.
Also bis zum Schluss
hat die Staatsanwaltschaft
nicht plausibel erklären können,
wieso Mechtelbach ihre PatientInnen
hätte töten wollen.
Am Anfang stand ja das
mit diesen Behandlungskosten,
die sie für die Klinik
hätte einsparen wollen im Raum.
Aber das war halt ganz schnell
vom Tisch.
Es gab ja gar keine Hinweise darauf,
dass das Krankenhaus
oder sie persönlich
einen finanziellen Vorteil
daraus gezogen hätten,
wenn PatientInnen schneller verstarben.
Das, und das will ich kurz dazu sagen,
das kann ja der Fall sein,
wenn Krankenhäuser
eine pauschale Vergütung
pro Behandlungsfall erhalten
und nicht pro Tag abrechnen.
Oder auch wenn alte
und schwer kranke PatientInnen
keine teuren Operationen mehr bekommen,
aber sehr pflegeintensiv sind
und halt lange da in den Betten liegen,
dann bringen die den Kliniken
wirtschaftlich weniger ein.
Aber, wie gesagt,
darauf gab es ja gar keine Hinweise.
Und deswegen bleibt da meines Erachtens
auch nur der Antrieb,
dass sie den Menschen
die Schmerzen nehmen wollte.
Und, wie das in der Palliativmedizin
üblich ist,
damit halt in Kauf nahmen,
dass das möglicherweise
lebensverkürzend hätte sein können.
Und in dieser Hinsicht
hat sich auch die Deutsche Gesellschaft
für Palliativmedizin
und der Marburger Bund,
das ist ein Verband der Angestellten
und Beamtenärztinnen
und Ärzte Deutschlands
hinter sie gestellt.
Und auch die haben gesagt,
dass sie alles so gemacht hat,
wie man es beispielsweise
auch heute machen würde,
abgesehen von der fehlenden Dokumentation.
Und ich finde nicht,
dass eine fehlende Dokumentation
so eine Odyssee
nach sich ziehen darf.
also vor allem,
wenn diese fehlende Dokumentation
ja zumindest in Teilen
von den Aussagen von Angehörigen
hätte ersetzt werden können,
wenn die nicht teilweise
weggestorben wären,
weil der Prozess so lange gedauert hat.
Und das finde ich an diesem Fall
den eigentlichen Skandal.
Wie kann sowas erlaubt sein?
Das wäre natürlich spannend gewesen,
was der Europäische Gerichtshof
für Menschenrechte dazu gesagt hätte.
Unser Rechtsberater sagt,
rechtsstaatswidrige Verfahrensverzögerung
ist hier zumindest denkbar.
Ob das im Endeffekt
bejaht worden wäre,
das kann man nicht sicher sagen.
Das Ding ist,
können wir sicher wissen,
dass Mechthildbach
das Leben ihrer PatientInnen
nicht absichtlich verkürzen wollte
und nicht vielleicht doch
illegale Sterbehilfe betrieben hat?
Nein.
Aber ich glaube,
den Fall hätte es so
heute nicht mehr gegeben.
Auch ein bisschen,
weil sich unser Umgang
mit dem Sterben
und Sterbehilfe verändert hat.
2003 war das ja noch
nahezu ein Tabuthema.
Erst 2020
hat das Bundesverfassungsgericht
in einem Grundsatzentscheid
das Recht auf selbstbestimmtes Sterben
per Gesetz festgelegt.
Seitdem ist Sterbehilfe
in Deutschland liberaler
als in vielen anderen Ländern,
weil wir hier auch generell
Suizidbeihilfe von psychisch Erkrankten
erlauben
und es keine klare
gesetzliche Regelung gibt.
Das heißt,
da kann auch potenziell
mehr Spielraum sein,
aber es schafft eben
auch Unsicherheiten.
Jetzt brauche ich kurz
ein bisschen Anlauf,
um auf meinen Punkt zu kommen.
Ich hatte euch ja anfangs
von dem Fall von Dr.
Turowski berichtet,
den wir letztes Jahr
beim Prozess begleitet haben.
Dr.
Turowski stand vor Gericht,
weil er einer psychisch Erkrankten
zum Suizid verhalf.
Und vor Gericht ging es viel darum,
ob die Frau ihre Entscheidung
zum Suizid
aus ihrem freien Willen
heraus getroffen hat
oder ob Dr.
Turowski
sie dahingehend beeinflusst hat.
und das Blöde ist,
wie man feststellt,
ob jemand frei verantwortlich
entscheidet,
dafür gibt es keine
gesetzlichen Regelungen.
Dr.
Turowski fand jetzt beispielsweise,
dass er alles richtig gemacht hat
und sie genügend
auf ihren freien Willen
hin untersucht hat.
Und das Gericht
sah das jetzt aber anders
und verurteilte ihn
wegen Totschlags
ermittelbarer Täterschaft,
weil auch er
die Grenzen des Zulässigen
überschritten haben soll.
Das Urteil ist allerdings
noch nicht rechtskräftig.
Wo genau jetzt aber
diese Grenzen
des Zulässigen liegen,
darüber herrscht noch
Unsicherheit,
weshalb die Kammer
bei der Urteilsverkündung
auch sagte,
der BGH müsse die Kriterien
der Dauerhaftigkeit
und inneren Festigkeit
noch weiter präzisieren,
damit die Rechtsprechung
oder der Gesetzgeber
mehr Orientierung schaffen.
Also heißt,
gerade ist man sich jetzt
nicht so sicher,
was man darf und was nicht
in Bezug auf psychisch Erkrankte.
Also wenn Sterbenskranke
jetzt beispielsweise,
weil sie Krebs
im Endstadium haben,
die aller Wahrscheinlichkeit
nach in den nächsten
drei Monaten Sterben
Suizidhilfe in Anspruch
nehmen wollen,
bekommen die die in der Regel
auch und da kräht am Ende
kein Hahn mehr nach.
Aber viele sind halt verunsichert.
Und jetzt das Ding,
Dr. Turowski will keine
gesetzliche Regelung dazu.
Und damit steht er
auch nicht alleine da,
weil bei SterbehelferInnen
wie ihm immer die Sorge
so ein bisschen mitschwingt,
dass die Hürden
für den assistierten Suizid
unnötig hochgesetzt werden
und ihn de facto
unmöglich machen.
die sagen dann,
es gibt schon genug
rechtliche Grundlagen.
Ich kann das verstehen,
weil beispielsweise
sowas wie verpflichtende
Wartezeiten oder
bestimmte Gutachten
die Arbeit dann erschweren.
Aber ich bin trotzdem
ganz anderer Meinung
als Dr.
Turowski.
Ich habe dazu auch mal
ein Gastkommentar
bei Legal Tribune
online geschrieben.
Dass es nämlich keine
gesetzlichen Regelungen gibt,
führt ja eben dazu,
dass immer wieder
MedizinerInnen vor Gericht landen,
so halt wie
Turowski auch selber.
Und hätte es Regelungen gegeben,
an die er sich hätte halten können,
dann hätte er sie auch befolgt.
Da bin ich mir ziemlich sicher
und dann wäre er auch
nicht verurteilt worden.
Und hier schließt sich
für mich jetzt
so ein bisschen der Kreis,
denn mit der Palliativmedizin
ist es ja ähnlich
in Bezug auf klare Regelungen
und war es vor allem
in der Zeit,
als Mechthild Bach
praktiziert hat.
Bei der Palliativmedizin
ist das aber natürlich schwieriger,
weil da sehr viel mehr
Einzelfallentscheidungen
getroffen werden müssen
als bei der Suizidassistenz
und deswegen ist es auch schwieriger,
bei der Palliativmedizin
klare Grenzen zu ziehen.
Also die Frage,
hat eine Person
aus freiem Willen herausgehandelt
oder wurde sie beeinflusst,
ist zwar komplex,
aber theoretisch überprüfbar,
beispielsweise durch
ein psychiatrisches Gutachten
oder Wartezeiten.
Aber die Frage,
wann wird aus einer Linderung
von Leiden
eine unzulässige
Lebensverkürzung,
das ist gerade im Nachhinein
sehr schwierig zu überprüfen
und gerade bei Fällen,
bei denen man den Tod
ja eigentlich nicht will,
sondern nur in Kauf nimmt.
Jedenfalls glaube ich,
dass Mechthild Bach
auch auf eine Art Opfer
fehlender gesetzlicher
Regelung geworden ist,
genau wie Dr. Turowski.
Und das finde ich deswegen
sehr problematisch,
weil solche Fälle
wiederum dazu führen,
dass andere Ärztinnen
Sorge vor Strafverfolgung haben
und eventuell dann nicht helfen,
selbst wenn sie es könnten.
Vielen Dank an Matthias Waldraff
für das Interview
und das Vertrauen
für diese Folge.
Und eine Sache noch,
die hat mich nämlich
sehr beschäftigt
bei dem Fall.
Diese Gutachterschlacht
vor Gericht.
Am Ende waren es
neun Männer,
die ihre Einschätzung
zu den Fällen abgegeben haben.
Ich finde das absurd,
erschreckend
und auch spannend,
wie ExpertInnen
auf demselben Gebiet
zu so unterschiedlichen
Schlüssen kommen können.
Und deswegen werde ich mich
in der übernächsten Folge
damit auch nochmal
mehr beschäftigen.
Der Fall Mechthild Bach
ist nämlich nicht
der einzige,
bei dem die
unterschiedlichen Ansichten
von GutachterInnen
so verheerende Folgen hatte.
und ich erhoffe mir da
auch ein bisschen Aufklärung
von unseren ExpertInnen,
die wir dann hören.
Nächste Woche hören wir uns
aber erstmal wieder mit Laura.
Macht's gut.
Das war ein Podcast
der Partner in Crime.
Hosts und Produktion
Paulina Kraser
und Laura Hohlers.
Redaktion
Isabel Mayer
und wir.
Schnitt
Pauline Korb.
Rechtliche Abnahme
und Beratung
Abel und Kollegen.