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Willkommen bei Mordlust, einem Podcast der Partner in Crime.
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Wir reden hier über wahre Verbrechen und ihre Hintergründe.
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Mein Name ist Paulina Kraser.
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Und ich bin Laura Wohlers.
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In jeder Folge erzählen wir einen bedeutsamen, wahren Kriminalfall nach,
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ordnen den für euch ein, erörtern und diskutieren die juristischen,
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psychologischen oder die gesellschaftlichen Aspekte
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und wir sprechen mit Menschen mit Expertise.
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Hier geht es um True Crime, also auch um die Schicksale von echten Menschen.
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Bitte behaltet das immer im Hinterkopf.
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Das machen wir auch, selbst dann, wenn wir zwischendurch mal etwas abschweifen.
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Das ist für uns so eine Art Comic Relief, aber natürlich nicht despektierlich gemeint.
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Bevor wir mit der heutigen Folge starten,
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in der ein eingespieltes Duo plötzlich in gegnerischen Ecken steht,
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können wir euch heute endlich mal mehr zur Tour sagen.
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Also erstmal vielen, vielen Dank für eure Geduld.
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Wir wissen, dass das viel verlangt war, jetzt so lange nicht zu wissen, was Sache ist.
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Genau, und trotz dieser langen Wartezeit können wir jetzt leider erstmal keine positiven Nachrichten verkünden.
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Wir müssen die Tour nämlich absagen.
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Ja, es ist zwar so, dass es mir jetzt besser geht, also aufgrund der Behandlung, die ich jetzt in den letzten Monaten gemacht habe,
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aber ich bin leider immer noch nicht so fit, dass ich jetzt wieder ganz normal arbeiten kann,
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also jede Woche Podcasts aufnehmen kann,
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geschweige denn irgendwie in absehbarer Zeit so eine große Tour mit sieben Städten zu spielen.
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Ja, und dass das jetzt alles so lange gedauert hat, das hat natürlich zum einen eben diesen gesundheitlichen Grund,
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dass wir da abwarten mussten, aber zum anderen ging es da jetzt auch noch um eine organisatorische Sache.
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Im Hintergrund sind natürlich die ganze Zeit Sachen gelaufen,
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denn uns war das wichtig, dass ihr nicht auf den Ticketkosten sitzen bleibt.
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Und deswegen können wir jetzt zum Glück verkünden,
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Ihr bekommt, wenn ihr die Tickets bis zum 4. September zurückgebt,
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die Ticketkosten inklusive, und das ist wichtig,
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sämtlicher Gebühren vom jeweiligen Ticketanbieter zurückerstattet.
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Und das gilt auch für diejenigen, die die Tickets schon zurückgegeben haben
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und die Gebühren bisher nicht erstattet bekommen haben.
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Das war nämlich bisher so.
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Jeder und jede muss sich dafür aber proaktiv beim jeweiligen Ticketanbieter melden,
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wo man die Tickets gekauft hat.
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Nur eine Sache für Tickets, die über den Zweitmarkt gekauft wurden,
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also über Ebay zum Beispiel und Tickets, die nicht online,
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sondern über eine Vorverkaufsstelle verkauft wurden.
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Da können wir leider nicht garantieren, dass die Gebühren erstattet werden.
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Das liegt außerhalb des Einflussbereichs von unserem Veranstalter und Eventim.
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Die Ticketkosten bekommt aber natürlich auch Ihr zurückerstattet.
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Alle Infos packen wir euch aber auch nochmal in die Folgenbeschreibung.
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Ja, und wir schauen dann, wie es mir in den nächsten Monaten geht.
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Wir sind aber sehr zuversichtlich, dass wir es nochmal auf die Bühne schaffen.
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Vermutlich wird das dann eben ein bisschen anders aussehen, damit das eben für mich machbar ist.
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Aber dieses Jahr wird es auf jeden Fall nichts mehr.
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Ja, aber vielleicht ist es jetzt ja auch ganz gut so, damit diese Hängepartie für uns und euch jetzt erstmal beendet ist.
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Ja, auch damit ihr jetzt nicht mehr das Geld so lange irgendwo parken müsst für eine Veranstaltung, wo ihr am Ende gar nicht wisst, ob ihr dann an dem Tag überhaupt könnt.
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Dann entstehen da irgendwie Frustrationen und gerade jetzt haben wir noch das Gefühl, also abgesehen von einigen wenigen, da echt viel Unterstützung und Verständnis in dieser Zeit von euch bekommen zu haben.
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Und das war für uns, muss man ganz ehrlich so sagen, sehr, sehr wichtig, eben weil wir jetzt gerade durch eine schwere Zeit gegangen sind und wir in dieser Zeit das Gefühl von Rückhalt in der Community gespürt haben.
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Ja, ja, vielen, vielen, vielen Dank auch für alle gute Besserungskommentare.
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Ich habe wirklich jeden Einzelnen gelesen und mich bei jedem Einzelnen sehr doll gefreut.
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So, und jetzt kommen wir aber zu unserem heutigen Fall, in dem es um einen Boxkampf geht, der nicht durch ein K.O., sondern durch ein Verbrechen vorzeitig beendet wird.
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Fast alle Namen haben wir geändert und die Triggerwarnung findet ihr in der Folgenbeschreibung.
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Er fährt auf die Autobahn und drückt aufs Gas.
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Heute wird sich alles ändern.
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700 Kilometer später steigt er aus seinem Auto aus und läuft auf ein großes Gebäude zu.
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In seinem Hosenbund steckt eine Waffe.
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In der Halle, die er jetzt betritt, sind tausende Menschen.
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Sie alle warten gespannt auf das Event, das gleich losgeht.
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Doch ihn interessiert nur eins.
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Ein ganz bestimmter Mensch, der sich hier irgendwo aufhält.
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Wenige Momente später hat er ihn gefunden.
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Sofort zieht er seine Waffe und richtet den Lauf seiner Pistole auf die Person, die nur wenige Meter vor ihm steht.
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Er sagt kein Wort, sondern zielt nur und drückt ab.
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Knapp 18 Jahre zuvor
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In Ulm, einer hübschen Stadt in Baden-Württemberg, geht Rola gerade über den Pausenhof ihrer Grundschule Richtung Parkplatz.
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Die Drittklässlerin wird dort heute von ihrer Mutter abgeholt, zu der sie so schnell wie möglich will.
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Die Achtjährige mit den dunkelbraunen Haaren und den großen rehbraunen Augen geht nämlich nicht gern zur Schule.
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Nicht nur, weil sie schüchtern ist, sondern vor allem wegen der Jungs, die sie immer wieder ärgern und ihr ihre Sachen wegnehmen.
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Wenn so etwas passiert, bleibt Rola still oder fängt an zu weinen.
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Wenn ihr die Tränen dann ihre Wangen hinunterkullern, rufen ihre Schulkameraden Heulsuse über den ganzen Pausenhof.
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Schon oft hat Rola die Diebe mit ihrem Hab und Gut von dannen ziehen lassen.
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Jedes Mal fällt natürlich zu Hause auf, dass Schulsachen fehlen.
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Ihre Eltern sprechen sie darauf an, aber Rola traut sich nicht, ihnen die Wahrheit zu sagen.
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Stattdessen flunkert sie und behauptet, dass die Sachen kaputt oder verloren gegangen seien.
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Das klappt auch immer, bis zu diesem Nachmittag, an dem Rola nach dem Unterricht zum Parkplatz will.
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Als sie über den Pausenhof läuft, reißen ihr die Jungs ihre Schultasche und ihren Turnbeutel vom Rücken.
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Sie werfen die Sachen auf den Boden und spielen damit Fußball.
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Rola jagt ihren Habseligkeiten hinterher und fleht die Schulkameraden an, aufzuhören.
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Doch die machen weiter, bis eine Frau mit glatten braunen Haaren und dunklen Augen vor ihnen steht.
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Es ist Rolas Mutter Nala, die den Jungs eine Ansage macht und den Zirkus damit beendet.
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Rola bekommt ihre Sachen wieder und zusammen mit ihrer Mutter macht sie sich auf den Heimweg.
00:06:04
Rola ist dankbar, dass ihre Mutter ihr geholfen hat, aber jetzt hat sie Angst vor Ärger,
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weil nun rausgekommen ist, wie es ihr in der Schule ergeht.
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Zu Hause angekommen, erzählt ihre Mutter ihrem Vater Fadil, was sie auf dem Schulhof beobachtet hat.
00:06:17
Rola macht sich auf Anschiss gefasst, aber niemand schimpft mit ihr.
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Ihr Vater ist der Meinung, dass sie sich wehren können sollte.
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Er sagt, sie müsse sich nichts gefallen lassen.
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Und wie sie das bewerkstelligen soll, weiß Fadil offenbar auch schon ganz genau.
00:06:32
Rola soll es doch mal mit Sport versuchen, erklärt er ihr.
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Sie solle sich ein Beispiel an Rolas jüngerer Schwester Cosima nehmen.
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Sie geht zum Turnen und hat dort nicht nur viele Freundinnen, sondern auch Selbstbewusstsein gewonnen.
00:06:45
Aber weder Rola noch ihr Vater sehen sie auf dem Schwebebalken oder am Reck.
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Fadil hat einen ganz anderen Vorschlag.
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Sie soll dorthin mitkommen, wo die Fäuste fliegen.
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Er selbst geht hobbymäßig zum Thai-Boxen.
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Und genau dorthin, ins Tao-Box-Studio, will er Rola ein paar Tage später mitnehmen.
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Rola ist skeptisch und hat auch ein wenig Angst.
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Was, wenn dort andere Kinder sind, die sie auslachen, weil sie sich blöd anstellt?
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Es fällt ihr nicht leicht, aber sie nimmt all ihren Mut zusammen und sagt dem vorgeschlagenen Probetrainings schließlich zu.
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Sie will es zumindest versuchen.
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Sie will wissen, ob sie das Zeug dazu hat, sich endlich gegen ihre Schulkameraden wehren zu können.
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Rola weiß es noch nicht, doch diese Entscheidung wird ihr zugleich das größte Glück und den bittersten Schmerz bringen.
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Rola sehnt sich sehr eine positive Veränderung in ihrem Leben herbei.
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Denn in ihren acht Jahren hat sie schon mehr durchmachen müssen als die meisten Kinder in ihrer Klasse.
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Rola war erst ein paar Monate alt, als sie, ihre Mutter und ihr leiblicher Vater wegen des Bürgerkriegs aus dem Libanon nach Deutschland geflogen sind.
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In ein Land, das sie nicht kannten und dessen Sprache sie nicht mächtig waren.
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Von der 3500 Kilometer langen Flucht hatten sich Rolas Eltern endlich Frieden und einen Neuanfang versprochen.
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Doch auch, als zwei Jahre nach ihrer Ankunft die kleine Cosima die Familie komplett machte, blieb ein Problem bestehen.
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Das Problem, das Rolas Vater in die Familie brachte.
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Die häusliche Gewalt.
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Seitdem Rola denken kann, schlug er ihre Mutter immer und immer wieder.
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Das hörte erst auf, als Rolas Vater zurück in den Libanon kehrte und Rola, Cosima und ihre Mutter Nala in Frieden ließ.
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Da war Rola etwa dreieinhalb Jahre alt.
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Für ihre Mutter war diese Zeit nicht leicht, als Alleinerziehende von zwei Kleinkindern.
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Doch eine Person stand ihr bei und half ihr, sie durchzustehen.
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Ein großer, muskulöser junger Mann mit dunklen, kurzen Haaren und einem dünn rasierten Bart, der seine Oberlippe und Kieferpartie nachzeichnet.
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Ihn hatte Rolas Mutter schon vor Cosimas Geburt über Bekannte kennengelernt und es hatte nicht lang gedauert, da zählte er bereits zu ihren engsten Bezugspersonen.
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Rola und Cosima behandelte der damals 21-Jährige von Anfang an wie seine eigenen Töchter.
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Und so freute sich Rola auch, als Fadil und ihre Mutter schließlich ein Paar wurden und er, Rola und Cosima, mithilfe einer Adoption auch offiziell zu seinen Kindern machte.
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Seitdem sind sie seine Kinder, denn im Libanesischen gibt es kein Wort für Stiefkind.
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Und Fadil ist ihr Papa.
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Heute ist Fadil nicht mehr so oft daheim, denn sein Geld verdient der mittlerweile 26-Jährige nicht mehr als Lagerarbeiter wie früher, sondern als Lkw-Fahrer.
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Doch jeden Sonntag ist Familientag, an dem Fadil, Rola, Cosima und ihre Mutter ins Restaurant, ins Kino oder an einen anderen schönen Ort ausführt, an dem er seinen Töchtern jeden Wunsch erfüllt.
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Vielleicht ist es seiner vielen Abwesenheit geschuldet, dass es Fadil ein Anliegen ist, dass es Rola und Cosima an nichts fehlt.
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Nicht an den neuesten Spielzeugen, den angesagtesten Klamotten oder an schönem Schmuck.
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Und auch nicht an seiner emotionalen Unterstützung.
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Deshalb nimmt Fadil Rola 1993 auch das erste Mal mit ins Tau-Box-Studio.
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Damit sich die Achtjährige zur Wehr setzen kann, sollte sich nochmal jemand trauen, seiner Tochter Unrecht anzutun.
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Als Rola an diesem Tag den Trainingsraum betritt, sieht sie schwere Sandsäcke hin- und herbaumeln und verschwitzte Männer, die mit voller Wucht auf sie einprügeln.
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Außer ihr ist weit und breit kein Kind in Sicht.
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Auch keine Frau.
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Fadils Trainer und Kumpel kommt kopfschüttelnd auf Rola und ihren Vater zu und sagt, Rola könne hier nicht trainieren.
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Ich kenn sie, sie heult doch nur rum, erklärt er.
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Aber Rola will es unbedingt einmal probieren.
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Der Trainer überlegt kurz.
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Dann schaut er sie ernst an und sagt, dass sie hier aber keine Sonderbehandlung erwarten könne.
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Rola will das auch gar nicht.
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Ihr gefällt es, dass sie hier kaum wahrgenommen wird und auch, dass hier keine anderen Kinder sind, die sie ärgern können.
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Und so geht's gleich los.
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Rola zieht sich Sportklamotten an und bekommt Boxhandschuhe angelegt, die viel zu groß für ihre zierlichen Hände sind.
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Vater Fadil stellt sich zu ihr, um ihr zunächst die Basics im Boxen beizubringen.
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Die Haltung, bei der man die Hände schützend vors Gesicht hält, um Schläge abzuwehren, hat Rola ziemlich schnell drauf.
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Doch so schnell wie ihr Vater mit den Schienenbeinen gegen den Sandsack tritt, ist sie nicht.
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Auch die ersten Fausthiebe gelingen ihr nicht so richtig.
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Aber ihr Vater ermutigt Rola, einfach mal alle Emotionen rauszulassen.
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Rola konzentriert sich, fokussiert den Sandsack und schlägt so fest sie kann zu.
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Mit jedem Kick und jeder Faust, die darauf prallt, wird sie selbstsicherer.
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Nach ihrem ersten Training ist sie elektrisiert.
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Sie spürt, dass sie etwas in sich geweckt hat.
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Ehrgeiz, Adrenalin, Selbstvertrauen.
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Das fühlt sich toll an und deshalb geht Rola von diesem Tag an zwei- bis dreimal die Woche mit ihrem Vater ins Boxtraining.
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Ihre Schüchternheit legt sie von Mal zu Mal mehr ab und Tränen kommen ihr auch nicht mehr so schnell.
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Rola fühlt sich wohl im Boxstudio und das macht sich auch im Hinblick auf ihre Leistungen bemerkbar.
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Vater Fadil und der Trainer im Studio sind begeistert, mit wie viel Elan die Grundschülerin an sich arbeitet.
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Selbst bei den härteren Übungen wie Liegestütze oder Schattenboxen ziert sie sich nicht, sondern probiert es so lange, bis sie es kann.
00:11:55
Nur einmal bringt Fadil sie an ihre Grenze.
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Rola ist inzwischen neun Jahre alt und ihr Vater der Meinung, sie muss die Schläge und Kicks jetzt mal langsam an einem Gegner anwenden.
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Das hat Rola noch nie gemacht.
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Vorher hat sie immer nur auf Sandsäcke oder Polster, die der Trainer ihr hinstreckte, eingedroschen.
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In einem Mini-Boxring im Studio fordert Fadil sie nun aber auf zuzuschlagen und zwar auf ihn.
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Rola traut sich nicht und gibt nur ganz zögerlich sanfte Hiebe von sich.
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Da schreit Fadil sie an, jetzt hau doch mal richtig zu.
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Die laute, wütende Stimme ihres Vaters lässt sie zusammenzucken.
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Dabei kennt sie sie schon von zu Hause.
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Fadils andere, seine dunklere Seite, die immer dann zum Vorschein kommt, wenn Rola nicht nach seiner Pfeife tanzt.
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Sie weiß, dass es besser wäre, ihm in so einem Moment keine Widerrede zu geben und sich seinem Willen zu beugen.
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Doch jetzt im Boxring mit seinem Gebrüll wird ihr alles zu viel.
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Sie hat schon so lange trainiert heute, ist fix und fertig und will einfach nur noch nach Hause.
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Also schreit sie zurück, weint und zieht ihre Boxhandschuhe aus.
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Mit bebender Stimme sagt sie, dass sie nicht mehr will.
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Doch Fadil zwingt Rola ihre Handschuhe wieder anzuziehen und sagt zu ihr,
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du verlässt den Ring erst, wenn du mir richtig weh getan hast.
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In dem Moment wird Rola klar, dass das der einzige Weg ist, aus dieser Situation herauszukommen.
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Also haut die Neunjährige unter seinen Kommandos wieder und wieder so fest zu, wie sie nur kann.
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Solange, bis Fadil endlich zufrieden ist.
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Seit diesem Training sagt er ihr immer öfter, dass sie großes Talent hat.
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Das erfüllt Rola mit extrem viel Stolz und Selbstbewusstsein.
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Sie fühlt sich stark und zwar so stark, dass sie mittlerweile so weit ist, sich den Jungs in der Schule zu stellen.
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Und als einer von ihnen sie wieder einmal ärgern will, gibt sie ihm einen kräftigen Kick auf den Oberschenkel.
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So, wie sie es beim Training gelernt hat.
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Ab da lassen sie ihre Schulkameraden nicht nur in Ruhe.
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Rola erntet sogar Respekt.
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Jetzt buttert sie niemand mehr unter.
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Boxen ist ihr Befreiungsschlag.
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Als Rola 13 Jahre alt ist, hat sie ihr Ziel klar vor Augen.
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Sie will professionelle Boxerin werden.
00:13:58
Mittlerweile ist sie auf der Realschule und aus dem kleinen, schüchternen Mädchen ist eine selbstbewusste, muskulöse Teenagerin geworden.
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Doch um ihr Hobby zum Beruf zu machen, braucht sie echte Fights und echte Gegnerin.
00:14:11
Das ist aber gar nicht so einfach, denn Frauenboxen ist in den 90ern weder beliebt noch verbreitet.
00:14:15
Erst nach wochenlanger Suche gelingt es ihrem Trainer im Tau-Box-Studio, eine Gegnerin für Rola zu finden.
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Und so kämpft Rola 1999 gegen die 23-jährige Dagmar Koch.
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Die erfahrene Boxerin hat sich dazu bereit erklärt, außerhalb der Wertung gegen Rola anzutreten.
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Für die 13-Jährige soll es ja erstmal nur um die Einschätzung ihrer Fähigkeiten gehen.
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Rola, die zehn Jahre jünger ist als ihre Opponentin, ist aufgeregt.
00:14:42
Sie hat vorher noch nie vor Publikum geboxt und sich auch noch nie mit einer Frau gemessen.
00:14:47
Bisher hat sie immer nur mit ihrem Vater oder anderen Männern in ihrem Boxstudio gekämpft.
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Sie beobachtet, wie Dagmar sich warm macht.
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Die schlanke Blondine mit dem definierten Körper hat eine 1A-Schlagtechnik drauf.
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Rola ist zwar nervös, aber in ihr macht sich noch etwas anderes breit.
00:15:04
Sie will ihr Können endlich testen.
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Schließlich steigen die beiden durch die Seile und der Ringrichter erklärt,
00:15:10
dass trotz ausbleibender Wertung heute normale Wettkampfbedingungen herrschen.
00:15:14
Dann gibt er den Ring frei und es geht los.
00:15:17
In der ersten Runde kassiert Rola einige Schläge, bis sie merkt, dass Dagmar Linkshänderin ist.
00:15:23
Bisher hat Rola nur mit Rechtshändern trainiert.
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In der zweiten Runde kann sie Dagmar jetzt besser einschätzen und ihre Schläge abwehren.
00:15:30
Und dann kommt die 13-Jährige richtig in Fahrt.
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Ihre Fäuste passelt auf Dagmar ein und Rola verpasst ihr eins auf die Nase.
00:15:37
Einige Runden später wird der Kampf für beendet erklärt.
00:15:41
Offiziell gewonnen hat zwar keine von beiden, da es weder KampfrichterInnen noch Wertungen gibt,
00:15:46
aber Rola fühlt sich wie eine Gewinnerin.
00:15:48
Ihr erster Kampf war ein echter Erfolg.
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Vor allem, nachdem sie erfährt, wem sie heute die Nase blutig geschlagen hat.
00:15:55
Dagmar Koch ist Vize-Europameisterin.
00:15:58
Rola fällt aus allen Wolken.
00:16:00
Wenn sie das vorher gewusst hätte, wäre sie aus Angst und Respekt gar nicht erst in den Boxring gestiegen.
00:16:05
Die Nachricht ist für sie ein echter Schock, aber auch die Bestätigung,
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dass sie das Zeug dazu hat, es ganz weit zu bringen.
00:16:11
So wie Papa Fadils ihr prophezeit hat.
00:16:14
Und tatsächlich, in der Folgezeit wird Rola von verschiedenen Sport- und Boxverbänden
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zu Lehrgängen und Trainings eingeladen.
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Immer mit dabei ist ihr Vater.
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Er ist für Rola eine unversichtbare Unterstützung, ohne die sie nie zum Boxen gekommen wäre.
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Doch Fadils Unterstützung hat einen Preis.
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Fadil begleitet Rola nicht nur, er verfolgt sie auf Schritt und Tritt.
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Solange sie denken kann, wollte er schon immer wissen, wo sie sich aufhält.
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Seitdem sie mit dem Boxen angefangen hat, ist es noch extremer geworden.
00:16:50
Fadil verlangt von ihr, ihn per SMS mitzuteilen, sobald sie das Haus verlässt,
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wo sie hingeht und wann sie wieder nach Hause kommt.
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Auch beim Training übt er viel Druck auf die Teenagerin aus, obwohl er nicht ihr Trainer ist.
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Immer wieder treibt er sie an ihre Grenzen.
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Sie solle sich den Arsch aufreißen, sie müsse besser werden, wird er nicht müde zu sagen.
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Fadil bläut ihr ein, es müsse ihre Priorität sein, eine erfolgreiche Boxerin zu werden.
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Alles, was sie davon ablenken könnte, lehnt Fadil daher strikt ab.
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Rola pariert die meiste Zeit, schließlich will sie unbedingt Profiboxerin werden.
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Sie ist keine rebellische Teenagerin, die ihre Grenzen austestet, heimlich raucht oder sich nachts rausschleicht, um mit Freundinnen abzuhängen.
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Was ihr Vater sagt, ist Gesetz.
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Das war schon immer so.
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Dafür, dass er ihr alles in Bezug auf Boxen ermöglicht, verlangt Fadil von Rola Gehorsamkeit.
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Rola muss sich also daran halten, wenn Fadil ihr vorschreibt, wohin sie mit wem gehen darf und wie lange.
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Hält Rola sich nicht daran, wird Fadil wütend, so wütend, dass er ihr gegenüber auch handgreiflich wird.
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Schon seit ihrer Kindheit kennt Rola das von Fadil.
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Auch ihre Mutter und ihre kleine Schwester Cosima kriegen seine Wut zu spüren, wenn sie ihm nicht gehorchen.
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Oder wenn Fadil unkontrollierte Wutausbrüche hat, wegen Dingen, die gar nichts mit ihnen zu tun haben.
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Dann schlägt er zu, entweder mit der flachen Hand oder mit dem Gürtel.
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Und trotzdem liebt Rola ihren Vater, weil er sie immer unterstützt und lobt.
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Und weil er es ihr ermöglicht, ihren großen Traum zu verfolgen.
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Um diesen wahr werden zu lassen, beschränkt Rola ihr Leben in den nächsten Jahren auf Schule, Sport und Familie.
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Letzteres wird für die mittlerweile 15-jährige Rola noch wichtiger, als sie 2001 erfährt, dass Nachwuchs im Anmarsch ist.
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Ihre Mutter ist schwanger und Rola freut sich riesig auf ein zweites Geschwisterchen.
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Kurz nach der Geburt kann Rola ihren Bruder Nadim, den sie schon jetzt abgöttisch liebt, endlich auf den Arm nehmen.
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Sie streichelt ihm über seinen dunklen Pflaumen am Kopf und könnte dahin schmelzen, wenn er sie mit seinen großen braunen Augen anfunkelt.
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Funkeln sind auch die Medaillen und Pokale, die Rola dank ihrer knallharten Disziplin in den nächsten Jahren mit nach Hause bringt.
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Mit 16 Jahren trägt sie den Titel baden-württembergische Meisterin im Kickboxen, mit 17 internationale Tiroler Meisterin im Amateurboxen und mit 18 kann sie sich stolz deutsche Meisterin im Leichtgewicht nennen.
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Rola boxt auf Profi-Niveau.
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Um jetzt noch höher hinauszukommen, gründen sie und ihr Vater einen eigenen Boxstall.
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Ein Team aus sechs bis sieben Leuten kümmert sich fortan um Promotion, Kämpfe und Sponsoring.
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Rola ist der Star und Fadil offiziell ihr Manager.
00:19:24
Ihre berufliche Zukunft liegt ab dato in seinen Händen.
00:19:27
Und die sieht rosig aus.
00:19:29
So steht am 5. Juni 2009 der wichtigste Tag in Rolas bisherigem Leben an.
00:19:34
Rolas Boxstall hat eine Halle im Edwin-Scharfhaus in Neu-Ulm gemietet, in der tausend ZuschauerInnen Platz haben.
00:19:40
Heute tritt sie gegen Loli Muñoz an.
00:19:43
Dabei geht es nicht um eine regionale Meisterschaft, sondern um viel, viel mehr.
00:19:48
Beide Boxerinnen haben in dem 10-Runden-Kampf die Chance, gleich zwei Weltmeisterinnen-Titel von verschiedenen Verbänden zu gewinnen.
00:19:55
Im Umkleideraum spürt Rola tief im Inneren immer noch ihr ängstliches Ich von früher.
00:20:00
Sie will dieses Kind heute mit 24 Jahren stolz machen.
00:20:04
Kurz vor dem Kampf zieht sich Rola ihre mit silbernen Pailletten überzogene Weste mit Kapuze über und läuft Richtung Ring.
00:20:11
Die laute Musik, das Getöse aus dem Publikum, Standing Ovations.
00:20:15
Alle jubeln ihr zu.
00:20:16
Rola hat Gänsehaut.
00:20:18
Heute Abend will sie niemanden enttäuschen.
00:20:21
Sie will gewinnen.
00:20:21
Loli ist eine harte Gegnerin und Rola macht sich auf einen erbitterten Kampf gefasst.
00:20:26
Im Ring angekommen, blickt sie der durchtrainierten Spanierin mit dem schwarzen Pony und dem strengen Pferdeschwanz ins Gesicht.
00:20:33
Rola will gleich mit ihren hellrosa Boxhandschuhen mitten reintreffen.
00:20:36
Dann ertönt die Glocke und die beiden Frauen liefern sich einen harten Schlagabtausch.
00:20:42
Rola liegt in den ersten sechs Runden klar vorn.
00:20:44
Doch in der siebten Runde kassiert sie einen heftigen Schlag auf die Nase.
00:20:48
Sofort schießt das Blut über ihr Gesicht und auf ihr weißes Top.
00:20:51
Rolas Nasenloch wird mit Watte gestopft.
00:20:54
Sie kann jetzt nur noch durch das andere atmen.
00:20:56
In den Runden sieben, acht und neun kommt auf einmal wieder das ängstliche Mädchen in Rola zum Vorschein.
00:21:02
Statt zuzuschlagen, wehrt sie die Hebe nur ab und versucht vor Loli zu flüchten.
00:21:06
In Runde zehn geht es um alles oder nichts.
00:21:08
Rola rast sich nochmal zusammen und schiebt ihr Grundschulicht zur Seite.
00:21:12
Die beiden Frauen im Ring schlagen zwei Minuten lang heftig aufeinander ein.
00:21:16
Am Ende geht keiner der beiden K.O., sodass nach gewonnenen Runden entschieden wird.
00:21:20
Mit Schweiß und Blut im Gesicht steht Rola im Ring und wartet auf das Ergebnis.
00:21:25
Ihre Nerven liegen blank.
00:21:27
Der Ringrichter stellt sich zwischen die Boxerin und nimmt ihre Hände, um gleich die Gewinnerin zu verkünden.
00:21:32
Eine geführte Ewigkeit später spürt Rola, wie ihr rechter Arm in die Luft gerissen wird.
00:21:37
Ihr Name wird gerufen.
00:21:39
Sie hat gewonnen.
00:21:40
Rola kommen sofort die Tränen, diesmal vor Freude.
00:21:44
Die Halle tobt, Konfetti fliegt durch die Luft und bleibt auf ihrer schweißnassen Haut kleben.
00:21:49
Ihr Vater Fadiel ist der Erste, der sie umarmt und ihr gratuliert.
00:21:53
Ihr werden die zwei schweren Gürtel umgelegt und dann realisiert Rola, sie hat es geschafft.
00:21:58
Sie ist mit 24 Jahren Weltmeisterin.
00:22:01
Rund ein Jahr später ist Rola immer noch ganz beflügelt von ihrem Doppelsieg.
00:22:06
In Ulm wird sie mittlerweile von Fremden auf der Straße angesprochen und auf Facebook mit etlichen Nachrichten bombardiert.
00:22:12
Bei einem Chatverlauf bleibt sie im Frühjahr 2010 hängen.
00:22:15
Diese Nachrichten kommen von einem Costa.
00:22:18
Obwohl Rola nicht antwortet, schreibt Costa immer wieder.
00:22:21
Solange, bis Rola irgendwann schnippisch antwortet, er solle damit aufhören.
00:22:25
Sie will sich am Zenit ihres Erfolgs nicht ablenken lassen, erst recht nicht von einem Mann.
00:22:30
Ihr Vater predigt ihr, seitdem sie denken kann, dass alle Männer draußen in der Welt Schweine und alle Frauen, die zu viele Freiheiten hätten, schlampen seien.
00:22:39
Der Kontakt zu allen Männern außer Fadi selbst ist für Rola tabu.
00:22:45
Nur einmal hat sie sich dem Credo ihres Vaters widersetzt.
00:22:48
Vor fünf Jahren wollte sie einem Austauschschüler eine E-Mail schreiben.
00:22:52
Und das, obwohl Fadi es ihr ausdrücklich verboten hatte.
00:22:56
Fadi erwischte die damals 20-Jährige dabei und drehte durch.
00:22:59
An der Wand im Zimmer hing zur Deko ein Samurai-Schwert, das sich der vor Wut rasende Fadi schnappte und damit auf seine Tochter losging.
00:23:07
Rola sah dabei nur die scharfe Klinge vor sich und kreischte panisch los.
00:23:10
Fadi schrie seine Tochter an und drohte ihr.
00:23:13
Nach vielen beschwichtigenden Worten beruhigte sich Fadi wieder, legte das Schwert weg und entschuldigte sich bei seiner Tochter.
00:23:20
Rola ahnte, dass diese Entschuldigung nicht aufrichtig war, denn ihr Vater sagte im gleichen Atemzug zu ihr, sie sei selbst schuld, wenn sie ihn in solche Situationen bringe.
00:23:29
Und trotzdem versöhnten sich die beiden wieder.
00:23:32
Das ist so ein typisches Look what you made me do, ne?
00:23:35
Also eine externalisierte Schuldzuweisung, wo man die eigene Verantwortung ablehnt und dann stattdessen einer anderen Person zuschiebt, um sich dann nicht mit dem eigenen Fehlverhalten auseinandersetzen zu müssen.
00:23:46
Die Situation hat sich in Rolas Gedächtnis gebrannt.
00:23:49
Deshalb schenkt sie Kosta, der ihr auch weiter unentwegt schreibt, nicht für Aufmerksamkeit, bis er schreibt, dass er sie einmal nach Autogrammkarten gefragt hat und genau wie sie im Taubox-Studio trainiert.
00:23:59
Rola erinnert sich, sie kennt Kosta vom Sehen.
00:24:02
Aus ihren Abwimmelversuchen wird daraufhin trotz Fadils Warnung schnell freundschaftlicher Smalltalk.
00:24:07
Sie und der gebürtige Grieche schreiben über Gott und die Welt und plötzlich erwischt Rola sich dabei, dass sie sich über jede seiner Nachrichten freut und auf die nächste hinfiebert.
00:24:16
So kennt Rola sich gar nicht.
00:24:18
In den 25 Jahren ihres bisherigen Lebens hat sie sich nie für einen Mann interessiert.
00:24:24
Ab da laufen sich Rola und der 27-jährige Kosta immer häufiger im Boxstudio über den Weg.
00:24:30
Sie und der große durchtrainierte Mann mit hellbraunen Haaren und drei Tagebart unterhalten sich auch ab und zu kurz.
00:24:36
Und Rola merkt, wie jede Begegnung sie, auch wenn sie nur ein paar Sekunden lang ist, beflügelt.
00:24:41
In ihrer Bauchgegend kribbelt es jedes Mal, wenn sie Kosta sieht.
00:24:44
Ein Gefühl, das Rola vorher noch nie hatte.
00:24:47
Rola versucht es zu unterdrücken.
00:24:48
Das fällt ihr auch ein bisschen leichter, als Kosta ihr in einer seiner Nachrichten beichtet, dass er verheiratet ist, aber von seiner Frau getrennt lebt.
00:24:56
Rola schätzt seine Ehrlichkeit und verurteilt ihn nicht.
00:24:58
Und außerdem sind sie und Kosta ja nur befreundet.
00:25:03
Doch je mehr sie darüber nachdenkt, desto heftiger werden ihre Gefühle für Kosta.
00:25:07
Nach einigen Wochen gesteht sich Rola ein, dass sie verliebt ist.
00:25:11
Kosta ist der erste Mann, mit dem sich Rola eine gemeinsame Zukunft vorstellen kann.
00:25:15
Und trotzdem kann sie keine Beziehung mit ihm eingehen.
00:25:18
Sie hat Sorge, dass sie dadurch ihre Karriere zu sehr vernachlässigt.
00:25:22
Und dann ist da auch noch ihr Vater.
00:25:24
Nie im Leben würde er Kosta akzeptieren.
00:25:26
Er ist Grieche und nicht-muslimischen Glaubens, so wie Rola und ihre Familie.
00:25:30
Doch dazu ist er verheiratet.
00:25:32
Also entscheidet Rola sich dazu, Fadil alles zu verschweigen.
00:25:35
Doch dieses Verheimlichen hat Konsequenzen.
00:25:38
Während sich Rola in diesem Sommer 2010 auf ihren nächsten Weltmeisterschaftskampf vorbereitet,
00:25:44
plagen sie plötzlich Kreislaufprobleme und Ohnmachtsanfälle.
00:25:47
Ärztinnen untersuchen die 25-Jährige, aber Rola ist körperlich kerngesund und topfit.
00:25:53
Rola ahnt, woher die mysteriösen Symptome kommen.
00:25:56
Es ist ihre Psyche, die ihr durch ihren Körper mitteilt, dass sie endlich reinen Tisch machen muss.
00:26:01
Sie verheimlicht ihrem Vater jetzt schon seit drei Monaten die Sache mit Kosta, obwohl sie eigentlich über alles reden.
00:26:07
Der Druck ist mittlerweile zu groß.
00:26:09
Sie muss es ihrem Vater endlich sagen.
00:26:11
An einem Samstagnachmittag platzt es ihr ohne Umschweife heraus.
00:26:16
Papa, ich habe jemanden kennengelernt, habe mich verliebt und er sich in mich.
00:26:21
Rola erzählt ihrem Vater alles über Kosta und erwartet als Reaktion das Schlimmste.
00:26:26
Doch zu ihrer Überraschung bleibt Fadil völlig gelassen.
00:26:29
Er sagt, es sei kein Problem und dass er ihn kennenlernen wolle.
00:26:32
Rola traut der ganzen Sache nicht.
00:26:35
Und schon am nächsten Tag passiert das, womit sie bereits am Vortrag gerechnet hat.
00:26:39
Fadil kommt abends heim und ist außer sich.
00:26:43
Er verbietet Rola den Kontakt zu Kosta und sagt, er wolle ihn doch nicht kennenlernen.
00:26:47
Als Begründung wirft er seiner Tochter vor, dass sie sein Vertrauen gebrochen habe, weil sie ihn monatelang belogen hat.
00:26:53
Rola wusste, dass solche Anschuldigungen kommen.
00:26:56
Aber sie ist 25 Jahre alt und sollte ihre eigene Entscheidung treffen dürfen.
00:27:00
Fadil ist nicht mehr der einzige Mann in ihrem Leben.
00:27:03
Sie und Kosta sind mittlerweile ein Paar.
00:27:05
Also versucht Rola, Fadil klarzumachen, wie lächerlich er sich verhält.
00:27:09
Aber Fadil beharrt darauf, dass Rola ihn hintergangen habe und dass das unverzeihlich sei.
00:27:14
Sie solle sich Kosta aus dem Kopf schlagen.
00:27:18
Aber Rola denkt nicht daran.
00:27:19
Ihre Entscheidung für die Liebe und für Kosta steht fest.
00:27:22
Und daran kann auch Fadil nicht mehr rütteln.
00:27:25
Selbst als er in den darauffolgenden Tagen und Wochen versucht, Kosta immer wieder schlecht zu reden.
00:27:29
Er habe schlimme Dinge über ihn gehört.
00:27:32
Er sei kein guter Mensch, versucht er ihr einzureden.
00:27:34
Aber mit jedem Mal, bei dem Rola nicht auf Fadils Sticheleien eingeht, wird er wütender.
00:27:39
Er fängt an, Rola zu drohen.
00:27:41
Er werde die beiden auseinander bringen.
00:27:43
Wenn es sein müsse, mit Gewalt.
00:27:46
Aber Rolas Wille ist eisern und sie weiß, was sie will.
00:27:48
Zum Glück stehen ihre Mutter und ihre kleine Schwester Cosima zu ihr.
00:27:51
Somit sind es im Haus jetzt drei gegen einen.
00:27:54
Irgendwo dazwischen, der kleine Nadim.
00:27:56
Für Fadil eine noch nie dagewesene Konstellation, die ihn immer wieder zum Ausrasten bringt.
00:28:02
Zwischen Rola und ihm kracht es nahezu täglich.
00:28:06
Keiner der beiden will nachgeben und der Haussegen hängt schief.
00:28:09
Acht Wochen, nachdem Rola ihrem Vater von Kosta erzählt hat, kommt es zum entscheidenden Wendepunkt.
00:28:16
Fadil zieht aus der Familienwohnung aus.
00:28:18
Die letzte Zeit wurde hier mehr gestritten und gebrüllt als normal miteinander geredet.
00:28:23
Das Zusammenleben zwischen Fadil, der sich bis dato als unanfechtbares Familienoberhaupt verstanden hat, und den drei Frauen, funktioniert nicht mehr.
00:28:31
Fadil sieht seinen Status als Herr im Haus dahin schwinden, weshalb es ihn aus den gemeinsamen vier Wänden treibt.
00:28:37
Doch nur wenig später hört sie von Bekannten, dass Fadil in der Stadt immer wieder herum erzählt, er würde sie oder Kosta oder auch die ganze Familie verletzen oder sogar umbringen.
00:28:48
Kosta, ihre Mutter und Cosima versuchen Rola zu beruhigen und sagen, dass das nur leere Drohungen wären und Fadil lediglich überreagiert.
00:28:56
Aber Rola ist extrem beunruhigt.
00:28:58
Sie kennt ihren Vater und weiß, dass er seinen Worten definitiv Taten folgen lassen kann.
00:29:04
Zu ihrer Angst mischt sich aber auch Enttäuschung.
00:29:06
Ihr eigener Vater will ihr etwas antun, weil sie sich verliebt hat?
00:29:10
Fadil war bisher ihr größter Supporter, der ihr ihren Traum wahrgemacht hat und der immer ein offenes Ohr für sie hatte.
00:29:17
Doch nun schmerzt es Rola einfach nur, wenn sie hört, wie er ihr ihr Liebesglück nicht gönnen, sondern mit aller Macht zerstören will.
00:29:24
Das muss sie verhindern.
00:29:26
Deshalb entscheidet sich Rola schließlich dafür, zur Polizei zu gehen.
00:29:30
Dort wird ihr allerdings gesagt, man könne ihr nicht helfen, solange nichts Konkretes passiert sei.
00:29:35
Zur Hilfe allen wird die Polizei erst, wenn es schon zu spät ist.
00:29:40
Am 29. Dezember 2010 klingelt es an der Tür der Familienwohnung.
00:29:46
Rola macht auf und vor ihr steht Fadil.
00:29:48
Bevor sie auch nur ein Wort sagen kann, packt ihr Vater sie und zerrt sie ins Wohnzimmer.
00:29:53
Rola schaut auf seine kräftigen Hände, die sie fest im Griff haben.
00:29:56
Seine Finger sind blutverschmiert.
00:30:00
Im Wohnzimmer brüllt Fadil los, er habe Kosta kaputt geschlagen.
00:30:03
Rolas Gesichtszüge entgleiten und ihre Gedanken rasen.
00:30:07
Was hat Fadil getan?
00:30:09
Ihr Vater prallt daraufhin damit, dass Kosta im Krankenhaus liege.
00:30:12
Als Rola das hört, packt sie die blanke Wut.
00:30:15
Niemand, erst recht nicht ihr Vater, kommt ungeschoren davon, wenn man ihrem Liebsten etwas antut.
00:30:20
Rola geht auf Fadil los und schlägt immer wieder auf ihn ein.
00:30:24
So, wie sie es als Kind von ihm gelernt hat.
00:30:27
Doch er wehrt sich nicht, sondern wimmert, ich will doch nur das Beste für dich, du bist meine Tochter, ich will dich nur beschützen.
00:30:33
Auf diese Art von Schutz kann Rola verzichten.
00:30:36
Zwischen all dem Geschrei und Tumult im Wohnzimmer erscheint Rolas kleiner Bruder im Türrahmen.
00:30:41
Der mittlerweile zehnjährige Nadim weint und ihre Mutter eilt herbei, um Rola und Fadil auseinanderzubringen.
00:30:46
Fadil wird aus der Wohnung geschmissen und Rola ruft Kosta an.
00:30:50
Sie muss wissen, wie es ihm geht.
00:30:52
Dann Entwarnung.
00:30:53
Er ist zu Hause und hat nur eine Platzwunde an der Lippe, die relativ stark geblutet hat.
00:30:58
Fadil und er sind sich in der Stadt über den Weg gelaufen.
00:31:01
Nach einem kurzen Gespräch hat Fadil ihm ins Gesicht geschlagen und es abgehauen.
00:31:05
Bislang hatte Rola noch die winzige Hoffnung, dass sie und ihr Vater sich bald wieder zusammenraufen würden und wieder ganz normal zusammenarbeiten können.
00:31:12
Aber damit ist jetzt Schluss.
00:31:14
Fadil hat mit seinem aggressiven Verhalten ihr und Kosta gegenüber Grenzen überschritten, die die 25-Jährige nicht mehr tolerieren kann.
00:31:22
Rola entscheidet sich, sich von ihrem Vater als Manager zu trennen, sollte er sich nicht wieder in den Griff kriegen.
00:31:28
Dabei ist Rola bewusst, dass dadurch seine Welt endgültig zusammenbrechen würde.
00:31:32
Rola, das Boxen und ihre Karriere waren bis jetzt sein Leben.
00:31:36
Sie trifft sich also mit ihrem Vater und konfrontiert ihn mit seinem Verhalten.
00:31:40
Noch ein letztes Mal macht sie ihm klipp und klar, entweder du hörst mit den Drohungen auf oder wir lassen es.
00:31:46
Rola hofft, dass sie durch diese deutlichen Worte zu ihrem Vater durchdringen kann.
00:31:51
Sie will, dass er zur Vernunft kommt und dass sie und er wieder zueinander finden und weiter arbeiten können.
00:31:56
Aber nein, Fadil behauptet, er würde ihr gar nicht drohen.
00:32:00
Rola wird wütend und wirft ihm an den Kopf, dass er ihr aber auch in der ganzen Stadt rum erzählt hat,
00:32:05
dass er ihr und Kosta etwas antun würde oder sie töten würde, sollte er sie zusammen irgendwo sehen.
00:32:11
Daraufhin streitet Fadil die Drohung auf einmal doch nicht mehr ab,
00:32:14
sagt aber, dass das halt seine Art wäre, mit der Sache umzugehen.
00:32:18
Rola ist fassungslos.
00:32:20
Sie weiß nicht mehr weiter, rät ihrem Vater, dass er sich psychologische Hilfe suchen soll.
00:32:24
Fadil entgegnet darauf hin, dass es Ansichtssache sei, ob er das brauche oder nicht.
00:32:30
Rola kann nicht mehr. Wütend und resigniert, sagt sie zum Abschluss des Gesprächs.
00:32:34
Wenn das Ansichtssache ist, dann sehe ich es jetzt so, dass sich das Thema erledigt hat.
00:32:39
Wir arbeiten nicht mehr zusammen.
00:32:41
Nach ein paar Tagen bliebt die 25-Jährige mit gemischten Gefühlen auf ihre Entscheidung.
00:32:46
Einerseits ist sie den Tyrannen und seine Macht über sie los, andererseits ahnt sie, dass Fadil die Trennung von ihr als Manager nicht einfach so hinnehmen wird.
00:32:54
Er wird ihr das Leben auch aus der Ferne zur Hölle machen, das spürt sie.
00:32:58
Und tatsächlich erfährt sie nur wenig später, dass Fadil versucht hat, Rolas größten Sponsoring-Vertrag auf sein privates Konto umschreiben zu lassen.
00:33:07
Auf ihrer Homepage, zu der er noch Zugang hat, schreibt er außerdem, dass Rola ihre Karriere beenden und nie wieder in den Ring steigen wird.
00:33:13
Rola überraschen diese Schikanen nicht.
00:33:16
Dennoch ist sie enttäuscht und wütend, dass ihr Vater ihren Ruf derart schädigen will.
00:33:21
In solchen Momenten ist nun zum Glück Kosta für sie da.
00:33:24
Er redet Rola gut zu, macht ihr Mut.
00:33:27
Und er motiviert sie dazu, sich statt auf Fadil auf den bevorstehenden WM-Kampf gegen Irma Maliadjik-Ada zu konzentrieren, der am 1. April 2011 in Berlin stattfindet.
00:33:38
Doch Rola will sich vor dem Kampf noch einmal mit Fadil treffen.
00:33:41
Reinen Tisch machen, bevor sie in den Ring geht.
00:33:44
Es belastet sie einfach zu sehr, wie alles auseinandergegangen ist und wie sich Fadil verhält.
00:33:49
Schließlich ist er immer noch ihr Papa.
00:33:52
Rola hofft, dass tief in Fadils Innerem irgendwo doch noch ein Mann steckt, der sie bedingungslos liebt und sich für sie freuen kann.
00:33:59
In ihm müssen doch noch Gefühle für seine Tochter sein, denkt sie sich, als sie die Eisdiele betritt, in der ihr Vater bereits auf sie wartet.
00:34:06
Fadil sieht schlecht aus.
00:34:08
Er starrt seine Tochter mit flackerndem Blick an.
00:34:11
Nur wenige Minuten, nachdem sich Rola zu ihm gesetzt hat, sagt Fadil schließlich,
00:34:15
Meinst du wirklich, dass du, nachdem du mir alles genommen hast, einfach so davon kommen wirst?
00:34:21
Glaubst du, du kommst in Berlin heil im Ring an, ohne dass dir etwas passiert?
00:34:24
Fadil grinst dabei und Rola denkt sich, er sieht aus wie ein Psychopath.
00:34:29
Sie versteht nicht so recht, was er damit sagen will und fragt nach.
00:34:33
Aber Fadil grinst wieder nur und Rola meint blanken Wahn in seinem Blick zu erkennen,
00:34:38
als er in einem sehr ruhigen, aber bedrohlichen Ton sagt,
00:34:41
Ach nichts, ich wünsche dir alles Gute in Berlin.
00:34:45
Rola steht auf, schaut ihrem Vater ins Gesicht und sagt, ich will dich nie wiedersehen.
00:34:50
Rola ist bitter enttäuscht.
00:34:53
Dieses Treffen ist schon wieder nicht so gelaufen, wie sie es sich gewünscht hatte.
00:34:58
Statt einer vernünftigen Aussprache oder gar Versöhnung kamen wieder nur Drohungen von ihrem Vater,
00:35:03
der für sie wie aus einem Psychothriller-Einsprung wirkte.
00:35:08
Und noch beim Rausgehen merkt sie, dass sie zum ersten Mal wirklich Angst vor ihrem Vater hat.
00:35:13
Am 1. April 2011 ist es dann soweit.
00:35:17
Auf dem Gelände der Trabrennbahn in Berlin-Karlshorst findet Rolas nächster Weltmeisterschaftskampf statt.
00:35:23
Draußen ist es bereits dunkel, drinnen ist die Arena mit Schaulicht und aufgeheizter Stimmung geflutet.
00:35:28
Rund 3000 ZuschauerInnen füllen die Ränge, darunter auch Rolas Mutter Nala,
00:35:33
ihre Geschwister Cosima und Nadim und natürlich ihr Freund Costa.
00:35:36
Sie alle sind extra zusammen mit Freundinnen und Fans mit einem Bus aus Ulm angereist,
00:35:41
um Rola heute Abend zu unterstützen.
00:35:43
Rola freut sich riesig, dass ihre Liebsten heute Abend hier sind.
00:35:47
Während alle auf ihren Auftritt warten, sitzt sie noch im VIP-Bereich in der Kabine.
00:35:51
Mit der mittlerweile 26-Jährigen sind in dem kleinen Raum noch ihr aktueller Trainer,
00:35:56
ihr Ringarzt und ihr Physiotherapeut.
00:35:58
Ein neuer Manager, der ihre Nerven beruhigt und ihr die organisatorischen Aufgaben abnehmen könnte,
00:36:03
hat sie bisher nicht gefunden.
00:36:05
Vor der Tür der Kabine haben sich wie üblich ihre zwei Sicherheitsmänner positioniert.
00:36:10
Rola schnürt ihre weißen Boxerstiefel und lässt sich die Hände tapen.
00:36:14
Fertig angezogen mit den Boxhandschuhen an ihren Händen und den eng geflochtenen Zöpfen an ihrem Kopf
00:36:19
geht Rola nochmal alles Wichtige für den Kampf im Kopf durch, der in knapp 10 Minuten beginnt.
00:36:25
Sie ist nicht nur nervös, sondern hat auch Angst.
00:36:27
Wovor kann sie gar nicht so richtig sagen.
00:36:29
Deshalb versucht Rola dieses Gefühl beiseite zu schieben und sich voll und ganz auf das Wesentliche zu konzentrieren.
00:36:35
Sie schließt die Augen und atmet einige Male tief ein und aus.
00:36:39
Dann wird die Stille plötzlich durch ein lautes Geräusch durchbrochen.
00:36:43
Ein Knall vor der Tür, gefolgt von einer hitzigen Diskussion.
00:36:48
Direkt im Anschluss knallt es weitere drei Mal.
00:36:51
Rola denkt zunächst an Türen, die jemand wütend zustößt, doch es ertönt auch ein lautes Geschrei.
00:36:56
Rola und die drei Männer in der Kabine bleiben wie versteinert stehen und lauschen.
00:37:00
Dann fliegt die Tür zu ihrer Umkleide auf.
00:37:03
Vor ihnen steht Fadil mit einer Waffe in der Hand.
00:37:06
Rola schaut an ihm vorbei und sieht, dass ihre zwei Sicherheitsmänner vor der Kabine am Boden liegen.
00:37:12
Alle raus, herrscht Fadil Rolas Trainer, den Arzt und den Physiotherapeuten an.
00:37:16
Die drei flüchten aus dem Raum.
00:37:18
Hinter ihnen schließt Fadil die Tür.
00:37:20
Jetzt ist Rola alleine mit ihm.
00:37:22
Ihre Gedanken rasen, doch sie bekommt keinen zu fassen.
00:37:25
Ihr ist heiß und kalt zugleich.
00:37:27
Dann geht alles ganz schnell.
00:37:29
Fadil steht ungefähr vier Meter vor ihr, hebt seine Pistole an, zielt, schießt auf die rechte Hand seiner Tochter und trifft.
00:37:37
Doch ihre Schlaghand und damit ihre Karriere zu zerstören reicht ihm nicht.
00:37:41
Fadil zählt erneut und rückt wieder ab, lädt die Waffe nach, zählt und rückt nochmal ab und nochmal.
00:37:47
Rola spürt, wie die Schüsse ihren Körper durchlöchern, wie ihre Wunden sich anfühlen, als würden sie brennen und wie alles in ihr schmerzhaft beginnt zu pochen.
00:37:56
Rola hat das Gefühl, dass ihre rechte Hand wie in einem Zeichentrickfilm auf das Zehnfache anschwillt.
00:38:02
Sie senkt den Blick und sieht, wie das Blut durch die Einschusslöcher im Boxhandschub quillt.
00:38:07
Der Boden, auf dem sie kaum noch stehen kann, ist rot gefärbt.
00:38:11
Rola stützt sich auf einen Tisch in der Kabine.
00:38:14
Ihr Vater ist immer noch mit ihr im Raum, beobachtet seine taumelnde Tochter, die ihm, anders als bei einem fairen Kampf, ohne Deckung, hilflos ausgeliefert ist.
00:38:25
Rola hat keine Zeit, um irgendwas zu sagen oder einen klaren Gedanken zu fassen, als Fadil auf sie zukommt, sie an den Schultern packt und zu Boden wirft.
00:38:33
Ein heftiger Schmerz durchzuckt ihren ganzen Körper, aber Rola setzt sich auf.
00:38:38
Ihr Vater steht über ihr, doch er sagt nichts, sondern schaltet nur das Licht in der Kabine aus, setzt sich auf einen Stuhl in der Ecke und fängt jämmerlich an zu weinen.
00:38:50
Zu Rola sagt er schließlich, sieh nur, was du angestellt hast.
00:38:53
Ich wollte das doch gar nicht, aber du hast dich für einen anderen Mann entschieden.
00:38:57
Rola hört sich an, was ihr Vater zu ihr sagt.
00:39:00
Dann bringt ihr Instinkt sie dazu, Fadil zu beschwichtigen.
00:39:05
Roller weiß, wenn sie ihn nicht beruhigt, wenn er wütend wird, wird er nochmal schießen.
00:39:19
Zwischen Rollers heftigen Schmerzen und den überwältigenden Emotionen dringt kurze Zeit später plötzlich Stimmengewirr und lautes Poltern von draußen in die Kabine.
00:39:29
Jemand fordert Fadil auf, seine Waffe aus der Tür zu schieben.
00:39:33
Nach kurzem Zögern tut er, was von ihm verlangt wird.
00:39:36
Daraufhin stürmen SEK-Beamtinnen in den kleinen Raum, überwältigen Fadil und bringen ihn nach draußen.
00:39:42
Eine Polizistin und ein Notarzt eilen auf Rola zu und heben sie auf eine Trage.
00:39:47
Ihr selbst ist es unmöglich aufzustehen.
00:39:50
Rola liegt wie nach einem K.O. auf dem Boden.
00:39:52
Draußen im Gang sitzt ihr Vater, als sie auf der Trage an ihm vorbeigeschoben wird.
00:39:57
Sie hört noch, wie er fleht.
00:39:59
Bitte verzeih mir.
00:40:01
Vor der Arena nimmt Rola noch die Stimmen von einer Schar JournalistInnen und das Klicken von Kameras wahr, als sie in den Rettungswagen verfrachtet wird.
00:40:09
Was danach passiert, bekommt sie nicht mehr mit.
00:40:12
Um Rola herum wird langsam alles ganz schwarz.
00:40:17
Erst Stunden später wacht sie auf der Intensivstation auf.
00:40:20
Um sie herum ist ein Meer aus roten Rosen.
00:40:23
Kosta hat sie ins Krankenhaus gebracht.
00:40:25
Sie hat überlebt.
00:40:27
Weil sie in dem Moment in der Kabine geschaltet hat, ist sie mit ihrem Leben davongekommen.
00:40:32
Was sich in ihrem Kopf abgespielt hat, als ihr eigener Vater sie angriff, hat Rola uns selbst im Interview erzählt.
00:40:38
Dann wusste ich, okay scheiße, heute kämpfst du nicht mehr im Boxing, heute kämpfst du hier ums Überleben und du hast keine andere Aufgabe.
00:40:44
Das ist das Einzige.
00:40:45
Alles ist jetzt nur noch auf Überlebensmodus geschaltet.
00:40:48
Dieser Modus hat sie dorthin gebracht, wo sie jetzt ist.
00:40:51
Ins Krankenhaus, wo sie vom Personal nun erfährt, dass sie eine Not-OP hinter sich hat.
00:40:55
Bei dieser Operation wurden ihre Wunden versorgt, aber auch überprüft, wie schlimm die Verletzungen sind.
00:41:01
Viermal hatte ihr Vater auf sie geschossen.
00:41:03
Die erste Kugel war ein glatter Durchschuss durch Rolas rechte Hand.
00:41:06
Der zweite Schuss traf ihren linken Knöchel, der dritte ihr linkes Knie und der vierte Schuss durchschlug ihren rechten Fuß.
00:41:13
Er hat nicht nur Knochen und Haut verletzt, sondern auch wichtige Nerven und Sehnen.
00:41:18
Die Ärztinnen sagen ihr, dass sie nicht sicher sind, ob Rola jemals wieder richtig laufen oder ihre rechte Hand nutzen, geschweige denn, richtig boxen können wird.
00:41:25
Ein Schock für Rola, die uns erzählt hat, wie sie diese Information damals aufgenommen hat.
00:41:30
Schrecklich, schrecklich.
00:41:32
Und das ist halt so, egal wie sehr du anfängst dagegen zu wirken.
00:41:36
Nein, kriegen wir doch hin und und und.
00:41:39
Wenn du aber alle paar Tage damit konfrontiert wirst, von Menschen, die schon jegliche Schussverletzungen und jegliche Knochenbrüche repariert haben,
00:41:47
fängst du halt auch an, das zu glauben.
00:41:49
Ich habe auch angefangen, irgendwie dann das zu glauben.
00:41:52
So, okay, dann ist das halt so.
00:41:53
Dann ist das mein Schicksal.
00:41:56
Die ersten Wochen im Krankenhaus sind für Rola extrem hart.
00:41:59
körperlich und mental.
00:42:00
Sie muss nicht nur damit umgehen, dass sich ihr Leben von einem auf den anderen Tag für immer verändert hat und sie wahrscheinlich nie wieder in den Ring steigen kann.
00:42:09
Für sie ist es auch sehr schwer, mit dem Wissen umzugehen, dass nicht nur sie, sondern auch ihre beiden Security-Männer von Fadil schwer verletzt wurden.
00:42:16
Die Frage nach dem Warum spukt Rola in dieser Zeit ständig im Kopf herum.
00:42:21
Ist es aufgrund der Vergangenheit ihres Vaters, seiner Herkunft, alles nur wegen Koster oder weil ihr Vater es nicht ertragen konnte, nicht mehr Teil ihres Lebens und ihrer erfolgreichen Boxkarriere zu sein?
00:42:33
Eine Antwort findet sie nicht, aber aus ihrem Innersten brodelt dafür etwas anderes an die Oberfläche.
00:42:38
Da habe ich schon, ja, Hass empfunden, Wut empfunden, ich habe ihm den Tod gewünscht, ich habe ihm alles Schlechte gewünscht.
00:42:47
Rola entwickelt in ihrer Zeit im Krankenhaus aufgrund all der negativen Emotionen eine Depression.
00:42:52
Das äußert sich darin, dass sie am liebsten nie mehr aufstehen und in ihrem schwarzen, traurigen Dasein versinken würde.
00:42:59
Ihr Vater hat ihr so viel genommen. Die Chance auf den zweiten Weltmeisterinnen-Titel, die Möglichkeit, ihre noch so frische Beziehung mit Koster in vollen Zügen zu genießen,
00:43:08
die Fähigkeit, den Sport, den sie so sehr liebt, auszuüben und voller Tatendrang an ihre nächsten Kämpfe zu denken.
00:43:14
All das hat er ihr mit vier fatalen Schüssen genommen.
00:43:18
Und die Art, wie er es getan hat, gleicht für Rola einem unverzeihlichen, gefährlichen Tiefschlag.
00:43:24
Nicht mal im Ring hätte sie von ihren Gegnerinnen so eine unfaire und feige Aktion erwartet.
00:43:29
Und jetzt liegt sie hier, schwer verletzt und alleine mit ihren dunklen Gedanken und ihrer in ihren Augen aussichtslosen Situation.
00:43:37
Erst als nach all den OPs im Krankenhaus eine Physiotherapeutin sich weigert, Rolas Nein zu akzeptieren
00:43:44
und sie vehement dazu überredet, aufzustehen und endlich mal ein paar Schritte zu gehen,
00:43:48
flackert wieder eine kleine Flamme in Rolas Innerem auf.
00:43:51
Es ist ihr Kampfgeist, den sie zart spürt.
00:43:54
Die ersten Gehversuche geben Rola Motivation, den langen Kampf der Reha durchzustehen und wieder fit zu werden.
00:44:01
Und so nimmt sie sich nach einigen Wochen voller Physiotherapie und damit zusammenhängenden kleinen Genesungsfortschritten
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fest vor, irgendwann wieder in den Ring zu steigen.
00:44:10
Sie will Fadi und der Welt, aber vor allem sich selbst zeigen, dass sie es schaffen kann.
00:44:16
Doch momentan ist das nur Wunschdenken.
00:44:18
Körperlich ist Rola am Boden und mental kämpft sie nach wie vor gegen dunkle Gedanken an.
00:44:23
Sechs Wochen nach dem Attentat wird Rola schließlich aus dem Krankenhaus entlassen
00:44:28
und zieht mit Costa in eine kleine Wohnung in der Ulmer Innenstadt.
00:44:31
Er kümmert sich liebevoll um die 26-Jährige, die er in den nächsten Wochen im Rollstuhl durch die eigenen vier Wände schiebt.
00:44:37
Trotz Costas Hingabe und Liebe gibt es eine Sache, die Rola weiterhin stark belastet
00:44:43
und für immer wiederkehrende Albträume sorgt.
00:44:45
Der Gerichtsprozess gegen ihren Vater, der schon ein halbes Jahr nach dem Angriff auf sie stattfinden soll.
00:44:51
Dafür will Rola gewappnet sein, deshalb hat sie die Nebenklage angetreten.
00:44:55
Sie erhofft sich dadurch, mehr Druck auszuüben und vielleicht eine höhere Strafe für ihren Vater herauszuholen.
00:45:02
Doch je näher die Verhandlung rückt, desto größer wird die Angst, den Mann wiederzusehen, der sie körperlich und seelisch zerstört hat.
00:45:08
Aber Rola will sich ihm stellen, persönlich. Nur so kann sie mit dem Kapitel abschließen.
00:45:13
Außerdem möchte sie selbst erzählen, was er widerfahren ist.
00:45:17
Denn sie ist außer Fadi die Einzige, die weiß, was sich wirklich in der Kabine abgespäht hat und wie es überhaupt so weit kommen konnte.
00:45:23
Und ihr Vater soll bei ihrer Aussage zuhören.
00:45:26
Hören, was er ihr angetan hat und wie es ihr seitdem geht.
00:45:30
Also fährt Rola am 27. September 2011 zusammen mit Costa zum Landgericht Berlin 1.
00:45:37
Hand in Hand laufen die beiden zum Gerichtsgebäude.
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In den letzten Monaten hat ihr der 28-Jährige bewiesen, dass es sich gelohnt hat, für die Liebe zu kämpfen.
00:45:45
Die Liebe, wegen der ihr Vater sie in den Rollstuhl geschossen hat.
00:45:49
Laufen fällt Rola immer noch nicht leicht und auf ihrem rechten Handrücken erstreckt sich eine längliche, wulstige Narbe.
00:45:55
Es sind Zeugen des grausamen Abends des 1. April, dessen Ausgang heute im Saal mit der Nummer 700 verhandelt werden soll.
00:46:02
Rola tritt mit einem schwarzen Bläser und rot lackierten Nägeln in den Raum.
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Unter ihren wachenbraunen Augen liegen dunkle Augenringe.
00:46:10
Die Albträume haben sie nachts schlecht schlafen lassen und der Grund dafür schreitet in diesem Moment durch die Saaltür.
00:46:16
Fadil wird hereingeführt.
00:46:18
Die letzten Monate saß er in Untersuchungshaft.
00:46:21
Rola verfolgt jeden seiner Schritte mit ihrem Blick.
00:46:24
Doch von ihm kommt nichts.
00:46:26
Ich habe die ganze Zeit versucht, ihn anzuschauen, so zu gucken, wie er reagiert, ob er meine Blicke erwidert oder so.
00:46:33
Aber da habe ich mir einfach gemerkt, er ist so schwach.
00:46:36
Er ist einfach so schwach.
00:46:39
Er ist so ein Schwächling.
00:46:41
Ich hatte am Anfang Angst vor dieser Begegnung, aber irgendwann habe ich gemerkt, wie stark ich eigentlich bin.
00:46:46
Und dann eröffnet der vorsitzende Richter endlich die Verhandlung.
00:46:50
Die Anklageschrift, die als nächstes verlesen wird, lässt dank der Überlebenden des Angriffs keinen Zweifel am Tathergang.
00:46:56
So hat Fadil sich am 1. April gegen 14.30 Uhr in Stuttgart ein Auto gemietet,
00:47:01
mit dem er knapp sieben Stunden nach Berlin zur Trabrennbahn gefahren ist.
00:47:05
Dabei hatte er die Waffe, für die er keine Erlaubnis besitzt, sowie ein Taschenmesser und Reizgas.
00:47:10
In der Hauptstadt angekommen, wollte er sich Zutritt zum VIP-Bereich der Arena verschaffen und wurde von Rolas zwei Sicherheitsmännern aufgehalten.
00:47:17
Fadil wurde aggressiv und gab zunächst einen Schuss in die Decke ab.
00:47:21
Zwischen den drei Männern entstand daraufhin ein Gerangel.
00:47:23
Fadil drückte noch mindestens vier weitere Male den Abzug seiner Waffe und traf dabei einen der Securities.
00:47:29
Ein Durchschuss durch beide Oberschenkel zwang den Mann zu Boden, sodass sein Kollege auf Fadil losging.
00:47:35
Rolas Vater zählte auf das Bein des zweiten Sicherheitsmannes und schoss auch ihm in den Oberschenkel.
00:47:40
Dann verschaffte er sich Zugang zu Rolas Kabine und schoss dort viermal auf seine Tochter.
00:47:45
Aus Sicht der Anklage wollte der mittlerweile 44-Jährige damit erreichen, dass Rola nie wieder boxen kann.
00:47:51
Daher auch die gezielten Schüsse in ihre Schlaghand und die Beine.
00:47:55
Den Auslöser für die Tat sieht der Staatsanwalt darin, dass sich Rola von Fadil als Manager getrennt hatte.
00:48:00
Das habe Fadil als Demütigung empfunden, die er nicht auf sich sitzen lassen wollte.
00:48:05
Als der Richter Fadil schließlich um seine Aussage bittet, steht Rola auf und verlässt den Gerichtssaal.
00:48:10
Sie interessiert es nicht, was ihr Vater zu sagen hat.
00:48:13
Sie weiß, dass er irgendetwas erzählen wird, um sich rauszureden und ihr die Schuld zuzuschreiben.
00:48:18
So, wie er es auch damals in der Kabine gemacht hat.
00:48:21
Während Rola außerhalb des Gerichtssais versucht, den Kopf frei zu bekommen, setzt ihr Vater zu seiner Version an.
00:48:28
Fadil, durch dessen schwarze Haare sich mittlerweile viele Graue ziehen, gibt an, dass er am 1. April eigentlich nur nach Berlin gefahren sei, um seinen 10-jährigen Sohn Nadim abzuholen.
00:48:37
Grund dafür sei gewesen, dass einer von Rolas Sicherheitsmännern Kontakte ins Rotlichtmilieu gepflegt haben soll und Fadil nicht gewollt habe, dass sein minderjähriger Sohn mit so einer Person verkehrt.
00:48:48
Und das hat Fadil so auch tatsächlich seiner jüngeren Tochter Cosima gegenüber geäußert, die er während der Fahrt angerufen hat.
00:48:54
Der Bus, in dem alle anderen Familienmitglieder und Freundinnen saßen, hat aber nicht angehalten.
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Bei der Trabrennbahn angekommen, so erzählt Fadil weiter, sei er dann zufällig auf einen Bekannten gestoßen, der ihm gesagt habe, wie toll er es finde, dass Fadil hier sei und seine Tochter trotz der Konflikte unterstützen wolle.
00:49:11
Erst in diesem Moment habe sich Fadil dazu entschieden, seinen Sohn nicht weiterzusuchen, sondern stattdessen mit Rola zu sprechen.
00:49:17
Nachdem ihm der Zugang zu ihrer Kabine verwehrt worden sei, habe er sich erniedrigt und gedemütigt gefühlt.
00:49:23
Dann habe ihm einer der Sicherheitsleute eine Waffe gezeigt und daher sei es seinerseits zum Schuss in die Decke gekommen.
00:49:30
Wieso er die Pistole dabei hatte, klärt er in seiner Aussage nicht auf.
00:49:34
In der darauffolgenden Rangelei hätten sich Schüsse gelöst, er habe aber nicht gezielt auf die Männer geschossen.
00:49:40
Er sei sich nicht mal sicher, ob er selbst geschossen habe.
00:49:43
An die Schüsse in Rolas Kabine kann sich Fadil vor Gericht zwar schon erinnern, aber nur an insgesamt zwei.
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Die seien aber in Notwehr gefallen, denn laut Fadil habe Rola ihre Hand nach ihm ausgestreckt.
00:49:54
Dadurch habe er sich von ihr bedroht gefühlt und nur deshalb geschossen.
00:49:58
Vom Staatsanwalt darauf angesprochen, dass er Rola in den Wochen vor der Tat mehrmals gedroht habe, ihr und Menschen, die ihr nahestehen, zu schaden bzw. sie sogar umzubringen, entgegnet der Angeklagte, so etwas nie gesagt zu haben.
00:50:13
Nach Falies Einlassung wird Rola zurück in den Gerichtssaal geholt.
00:50:17
Jetzt soll sie aussagen.
00:50:19
Für die 26-Jährige ist es eine Überwindung, den schlimmsten Tag ihres Lebens noch einmal durchleben zu müssen.
00:50:25
Die ersten Sätze kommen ihr nur schwer über die Lippen.
00:50:29
Es geht um private Einzelheiten aus ihrer Kindheit und Pubertät und um die Familienverhältnisse, die sie nun mit etlichen fremden Menschen teilen muss.
00:50:37
Doch irgendwann schafft sie es, sich nur auf den Richter zu konzentrieren und alle anderen im Saal auszublenden.
00:50:43
Nach knapp zwei Stunden ist sie fertig mit ihrer Aussage und Fadil bekommt die Möglichkeit, Worte an Rola zu richten.
00:50:50
Weinend sagt er, dass sie ihm alles leidtue und dass er das alles nicht gewollt habe.
00:50:55
Das sei nicht er selbst gewesen und am liebsten würde er jetzt seine kleine Tochter in den Arm nehmen.
00:51:00
Rola dreht sich bei diesen Worten von ihrem Vater weg und schüttelt den Kopf.
00:51:05
Sie will sich seine Entschuldigung nicht länger anhören und doch treffen sie die Worte härter als gedacht.
00:51:10
Obwohl sie sich schon vorher darauf eingestellt hat, dass ihr Vater Dinge sagen wird, die sie mitten ins Herz treffen,
00:51:15
kann sie jetzt nicht so tun, als ließe sie all das kalt.
00:51:18
Rola merkt, wie ihr die Tränen heiß über die Wangen laufen.
00:51:22
Über 20 Jahre war Fadi der Mann, der mit ihr Freude und Leid geteilt hat, der sie bis an die Spitze des Erfolgs getrieben hat und immer der Erste war, der sie nach den Siegen in den Arm genommen hat.
00:51:32
Es tut weh, dass genau dieser Mensch ihr derart schaden wollte und nun hier sitzt und sagt, dass er sie gerne umarmen würde.
00:51:40
Als Rola an diesem ersten Prozestag das Gerichtsgebäude verlässt, hat sie gemischte Gefühle.
00:51:45
Sie ist einerseits froh, dass sie die Aussage hinter sich gebracht hat, aber andererseits auch sehr traurig.
00:51:51
Traurig darüber, dass alles überhaupt so weit kommen musste.
00:51:54
Rola entscheidet sich erst wieder zur Urteilsverkündung nach Berlin zu fahren.
00:52:00
Am 14. November, sieben Wochen später, steht Rola wieder mit Costa vor dem imposanten Justizgebäude in der Berliner Turmstraße.
00:52:07
Heute will Rola mit eigenen Ohren hören, welche Strafe ihr Vater zu erwarten hat und mit eigenen Augen sehen, wie er auf diese reagiert.
00:52:15
An diesem spätherzlichen Montag geht das Paar wortlos an den etlichen Kameras und Mikrofonen der JournalistInnen vorbei, direkt in den Saal.
00:52:22
Rola hat keinen Kopf für Fotos oder Interviews, sie kann nur an das bevorstehende Urteil denken.
00:52:27
Ein Urteil, das nicht nur auf Grundlage ihrer und Fadils Aussage getroffen wird,
00:52:32
sondern auch durch Äußerungen mehrerer ZeugInnen und Sachverständiger geprägt sein wird,
00:52:36
die in den letzten sechs Verhandlungstagen in ihrer Abwesenheit gehört wurden.
00:52:41
Rola weiß über ihren Anwalt, dass in einem der vergangenen Tage unter anderem ein psychiatrischer Gutachter ausgesagt hat.
00:52:47
Dieser ist der Auffassung, dass es Fadil bei der Tat um Ehre ging, um seine eigene und um die seiner Familie.
00:52:53
Laut Gutachter sei Fadil der Ansicht gewesen, dass Rola dadurch, dass sie eigenständige Entscheidung getroffen
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und sich für Costa entschieden hatte, zur Gefahr für die Familie in Ehre wurde.
00:53:03
Fadil hatte in seiner Aussage vor Gericht zum Beispiel auch angegeben, Rola habe alles kaputt gemacht.
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Für den Sachverständigen, der im Vorfeld mit Fadil gesprochen, ihn aber auch vor Gericht beobachtet hatte,
00:53:14
habe Fadil die Bedürfnisse seiner Tochter aufgrund seiner Ich-Bezogenheit nicht wahrnehmen oder zulassen wollen.
00:53:20
Ihre Selbstbestimmung habe in seinen Augen seine Bestimmungsgewalt in der Familie,
00:53:25
aber auch die Rolle als alles entscheidende Person im Box-Team ausgehebelt.
00:53:29
Dadurch habe Fadil Einfluss verloren, was für ihn ein völlig neues Gefühl gewesen sei,
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mit dem er sich nicht habe abfinden können.
00:53:36
Fadil weise eine narzisstische Prägung der Persönlichkeit auf, die sich darin zeige,
00:53:40
dass er seine Tochter weniger als eigenständiges Subjekt, sondern eher als narzisstischen Besitz ansah,
00:53:46
über den er verfügen konnte, so der psychiatrische Sachverständige.
00:53:49
Als Rola sich Fadils patriarchalem Lebensstil entzog, wurde er also so wütend,
00:53:56
dass er eine Waffe auf seine eigene Tochter richtete.
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Rola wünscht sich, dass ihr Vater dafür zehn Jahre ins Gefängnis geht.
00:54:02
Für sie war Fadils Handeln schlimmer als jeder Schlag unter die Gürtellinie.
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Sie will, dass ihr Vater dafür lange hinter Gitter sitzen muss.
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Doch im Gegensatz zu Rola fordert die Staatsanwaltschaft für die angeklagten Verbrechen
00:54:13
der gefährlichen Körperverletzung im Fall der zwei Security-Männer
00:54:16
und der versuchten absichtlichen schweren Körperverletzung im Fall von Rola
00:54:20
in ihrem Plädoyer nur sechs Jahre und zehn Monate.
00:54:24
Und dann ist es soweit.
00:54:25
Als der vorsitzende Richter, die zwei beisitzenden Richterinnen und zwei Chefin in den Saal betreten,
00:54:30
ist Rola nervös.
00:54:31
Zusammen mit allen Anwesenden erhebt sie sich und schaut gespannt auf die fünf Personen auf der Richterbank.
00:54:37
Ihre Erwartungen an ein gerechtes Urteil sind hoch.
00:54:40
Rache wünscht sie sich nicht.
00:54:42
Alles, was sie will, ist, dass ihr Vater verbüßen muss,
00:54:45
was er ihr und den Männern angetan hat, die für ihre Sicherheit zuständig waren.
00:54:49
Im Saal 700 ist es still, als der vorsitzende Richter zu seinem Urteil ansetzt.
00:54:54
Fadil wird wegen mehrfacher gefährlicher, schwerer und vorsätzlicher Körperverletzung
00:54:59
sowie dem unerlaubten Führen einer Waffe zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren verurteilt.
00:55:04
Als der Vorsitzende im Anschluss die Tat noch einmal Revue passieren lässt,
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muss sich Rola zusammenreißen.
00:55:10
Nicht nur die, in ihren Augen zu milde Strafe macht ihr zu schaffen.
00:55:14
Auch noch einmal zurückgeworfen zu werden,
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in die Situation, in der sie um ihr Leben gekämpft hat, schmerzt.
00:55:20
Die meiste Zeit während der Urteilsverkündung hält sie daher ihren Kopf gesenkt,
00:55:24
und weint still vor sich hin.
00:55:25
Fadil hingegen scheint mit dem Strafmaß zufrieden zu sein.
00:55:29
Er grinst und winkt Bekannten im Saal zu, während Rola sich ihren Tränen hingibt.
00:55:34
Als es um die Begründung des Urteils geht, erklärt der Mann in der schwarzen Robe,
00:55:38
dass es in diesem Prozess um die Frage ging, warum ein Vater mehrfach auf seine Tochter schießt
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und damit ganz bewusst ihre Karriere beendet.
00:55:45
Die Antwort darauf habe das Gericht mithilfe des psychiatrischen Sachverständigen
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in Fadils narzisstischer und egoistischer Persönlichkeit gefunden.
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Doch ein dissozialer, schwerkrimineller Täter sei Fadil nicht, sagt der Richter.
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Und seine Tat sei nicht eiskalt geplant gewesen, sondern eine spontane Tat
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vor dem Hintergrund eines massiven Beziehungskonflikts.
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Die Kammer glaubt Fadil also, dass er nicht mit dem Vorsatz nach Berlin gereist ist,
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Rola kampfunfähig zu machen, sondern sich diese Entscheidung erst in der Situation entwickelte,
00:56:15
Als absurd und völlig unglaubhaft wertet der Richter hingegen die Version von Fadil,
00:56:23
er habe sich durch Rolas ausgestreckte Schlaghand bedroht gefühlt.
00:56:27
Dabei bezieht er sich auch auf die Aussage eines Sachverständigen,
00:56:30
der vor Gericht erklärt hat, dass allein das Verletzungsbild zeige,
00:56:33
dass Rolas Arm nicht ausgestreckt war, als der erste Schuss durch ihre Hand ging.
00:56:37
Der Richter resümiert, der Angeklagte gab auf Rola vier Schüsse ab und es gab vier Treffer.
00:56:42
Ja, es war eine ganz gezielte Schussabgabe.
00:56:45
Trotzdem sind es sechs statt der zehn von Rola erhofften Jahre.
00:56:49
Doch das ist für sie in dem Moment gar nicht das Schlimmste an der Entscheidung der Kammer, hat sie uns erzählt.
00:56:55
Die Rechtfertigung des Richters zu dem Urteil, das fand ich lächerlich.
00:57:00
Das fand ich absolut lächerlich zu sagen, wir konnten ihm keine geplante Tat vorweisen.
00:57:05
Also bei aller Liebe, wenn du 700 Kilometer im Auto sitzt, in einem Mietwagen, voll bewaffnet,
00:57:11
er hatte ja Munition dabei, Magazine, Waffe, Messer.
00:57:15
Ich weiß nicht, was die alles gefunden haben.
00:57:17
Und dann sagen, es war nicht geplant.
00:57:19
Er hat draußen auf zwei Leute geschossen.
00:57:21
Da hätte er doch wenigstens sagen, oh Gott, im Affekt, was habe ich da gerade gemacht?
00:57:26
Nein, er ist jeden Step weitergegangen.
00:57:29
Jeden Schritt weiter auf seine Tochter zu, die er mit vier Kugeln zur Boden zwang.
00:57:34
Für Rola reicht es jetzt.
00:57:35
Der Gerichtsprozess hat sie ausgelaugt.
00:57:37
Erschöpft von der emotionalen Belastung verlässt sie gemeinsam mit Costa Berlin und fährt zurück nach Ulm.
00:57:43
Es war die letzte Runde im härtesten Kampf ihres Lebens.
00:57:46
Der Kampf ums Überleben in der Kabine, das Aufraffen im Krankenhaus, die Depression und die Zeit im Rollstuhl waren extrem schwer.
00:57:54
Beim Prozess ist nochmal alles hochgekommen.
00:57:57
Seelische Wunden wurden aufgerissen.
00:57:58
Mental wurde Rola wieder zurück an den Ort des Geschehens katapultiert, an dem die Ohren betäubenden Schüsse ihr ganzes Leben auf den Kopf gestellt haben.
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Zum Glück musste sie nicht alleine durch die zwei Prozesstage, sondern wusste, dass die Liebe ihres Lebens bei ihr ist und ihr den Rücken stärkt.
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Jetzt hofft Rola, dass sie mit dem Kapitel abschließen und nach vorne blicken kann.
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Auch wenn sich andere gewünscht hätten, dass sie noch weitere juristische Schritte geht.
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Und dann sind sie alle aufgesprungen.
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Geh in Berufung und bla bla bla.
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Und ich so, hey Leute, lasst mich in Ruhe damit.
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Mein Anwalt wollte das und voll viele andere und der Staatsanwalt hat mit uns geredet und ich so, ich will das nicht.
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Mir ist es egal, ob da jetzt sechs Jahre oder acht Jahre hinter Gittern sitzt.
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Es ändert für mich nichts, außer dass ich ein bisschen mehr Ruhe habe, aber ich will damit abhaken.
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Und in den Wochen nach dem Urteilsspruch schafft es Rola auch langsam, aber sicher, ein neues Leben zu starten.
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Mit jedem Tag geht es ihr seelisch und körperlich ein bisschen besser.
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Sie ist bereit für frischen Wind und so eröffnen sie und Costa vier Monate später ein kleines Café in der Ulmer Altstadt.
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Rola tut der Tapetenwechsel gut.
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Sie mag die Arbeit mit den Menschen und stellt sich gerne Tag für Tag hinter den Tresen.
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Doch irgendwann regt sich etwas in ihr. Immer wieder huscht ein Gedanke durch ihren Kopf.
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Ein Gedanke, dessen Samen sie im Krankenhaus selbst gesät hatte.
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Das kann es mit ihrer sportlichen Karriere noch nicht gewesen sein.
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Und so fokussiert sich die mittlerweile 27-Jährige auf ein Ziel, wieder zu boxen.
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Ab jetzt ohne Fahrdeal, dafür mit Costa.
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Ihr Partner unterstützt sie dabei, wo er nur kann und glaubt fest daran, dass Rola schon bald wieder fit genug ist, um zu kämpfen.
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Rola hat schon vor dem Urteilsspruch wieder angefangen, leichten Sport im Fitnessstudio zu treiben.
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Langsam, aber stetig hat sie es geschafft, ihre Muskulatur in den Beinen wieder aufzubauen und wieder richtig laufen zu lernen.
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Immer wieder muss sie sich selbst zu verstehen geben, dass sie ihre Füße und das Knie wieder belasten darf und muss.
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Dass sie trotz metallischer Platten in der Hand auch wieder zuschlagen kann.
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Die Blockaden im Kopf sind in dieser Zeit meist größer als die ihres Körpers.
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Um wieder wieder vorboxen zu können, setzt sich Rola selbst unter Druck.
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Sie braucht das einfach, dieses feste Ziel vor Augen, ohne Ausreden vorzuschieben.
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Rola geht all in.
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Und so verkündet sie in der Presse, dass sie wieder kämpfen wird.
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Und zwar schon in einem halben Jahr.
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Um das zu schaffen, geht sie an ihre Grenzen und darüber hinaus.
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Und entgegen der Prophezeiung der Ärztinnen und entgegen aller Wahrscheinlichkeit steigt Rola 21 Monate nach den Schüssen auf sie wieder in den Ring.
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Rola kämpft erbittert, aber ihre Gegnerin Lucia Morelli ist besser.
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Es ist ein knapper Sieg nach Punkten für Morelli und eine Enttäuschung für Rola.
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Aber Rola wäre nicht Rola, wenn sie nicht noch im Ring einen neuen Versuch ankündigen würde.
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Und ein halbes Jahr später gelingt es ihr tatsächlich.
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Rola gewinnt erneut den WM-Titel.
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Und wie sich das für sie angefühlt hat, hat sie uns erzählt.
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Das war krasser als mein erster WM-Titel, auch als meine Titelverteidigung.
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Weil da habe ich mir selber bewiesen, ich kann nicht nur einmal Weltmeisterin werden, ich könnte noch zehnmal Weltmeisterin werden.
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Ich kann es einfach, ist egal, was ich anpacke, ich schaffe alles.
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Das war für mich nochmal für mein Selbstvertrauen der größte Schub überhaupt, zu sagen, hey, ich habe es aus der dunkelsten Ecke zur Weltmeisterschaft geschafft.
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Das erste Mal, aber auch das zweite Mal jetzt.
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Das heißt, ich habe nichts mit Glück zu tun.
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Ich bin das Glück.
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Noch im selben Jahr heiraten Rola und Costa und zusammen mit einer Autorin schreibt die mittlerweile 28-Jährige ihre Autobiografie mit dem Titel Steh auf Mädchen.
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Im Mai 2014 tritt Rola ihren letzten WM-Kampf an und siegt erneut.
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Ein Jahr später gewinnt sie keinen Boxkampf mehr, dafür aber ein Zuwachs.
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Ihre Tochter erblickt das Licht der Welt und sie und Costa platzen vor Stolz.
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Danach legt Rola mit 31 Jahren ihre Boxhandschuhe weg und beendet ihre Karriere.
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Diesmal, weil sie es so will.
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Doch anstatt die freie Zeit mit Costa und dem Baby zu genießen, fällt Rola unversehens in ein tiefes Loch.
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Boxen war bisher ihr Anker, den sie nun für immer gelöst hat.
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Und es war ihre Ablenkung von all dem Schrecklichen, das ihr dank ihrem eigenen Vater widerfahren ist.
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Rola weiß nicht mehr, wer sie ist, wie sie mit den Gefühlen ihrem Vater gegenüber umgehen soll und sie fällt erneut in eine Depression.
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Erst zehn Jahre nach der Tat und damit fünf Jahre nach ihrem Karriereaus hat Rola einen entscheidenden Schlüsselmoment, weil sie sich eine ganz bestimmte Frage stellt.
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Was willst du überhaupt vom Leben?
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Und das hat mich natürlich sehr, sehr schnell in eine Richtung gezwungen und zwar Vergebung.
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Mir war ganz schnell klar, dass ich das loslassen muss in Form von Vergebung.
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Ansonsten nehme ich diesen Groll für immer mit und das wollte ich einfach nicht, weil ich gemerkt habe, ich habe meinem Umfeld auch nicht mehr gut getan.
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Ich hatte keine Lebensfreude, ich war depressiv, ich wusste nichts, ich hatte keine Ziele.
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Das war alles natürlich richtig scheiße.
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Und ja, dann zehn Jahre danach habe ich mich mit diesem Thema extrem auseinandergesetzt.
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Damals auch mit meinem Coach, der hat mir da geholfen.
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Und das war wirklich ein ganz, ganz großer Befreiungsschlag.
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Boxen war ihr erster Befreiungsschlag, zu dem ihr ihr Vater verholfen hat.
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Der zweite war die Vergebung.
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Doch vergessen hat Rola nicht, was er ihr angetan hat.
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Und das will sie auch nicht.
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Sie ist heute sogar froh, dass ihr all das passiert ist.
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Denn ihre Geschichte hat sie zu der Frau gemacht, die sie heute ist.
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Zu einem Menschen, der stark ist und andere stärkt.
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Denn Rola arbeitet heute als Motivationscoach und Speakerin, um andere Menschen zu inspirieren.
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Sie will anderen helfen, Risiken einzugehen und für sich einzustehen.
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So, wie sie es damals gemacht hat.
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Für Costa, für ihre große Liebe, mit dem sie heute zwei Töchter hat und der ihnen der beste Vater ist, den Rola sich jemals für sie hätte wünschen können.
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Einer, der im Gegenzug für seine Liebe und Unterstützung nichts verlangt und glücklich ist, wenn sie glücklich sind.
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Obwohl ihr eigener Vater mittlerweile wieder auf freiem Fuß ist und auch wieder in Ulm wohnen soll,
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hat Rola ihn seit dem Tag der Urteilsverkündung vor 14 Jahren nie wieder gesehen.
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Sie nennt es Schicksal, dass sie ihm seither nie wieder begegnen musste.
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Und doch trägt sie einen Teil von ihm immer bei sich.
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Die längliche Narbe auf ihrer Hand.
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Sie erinnert Rola aber nicht an ihn, sondern daran, wer sie ist.
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Und dass sie sich aus der dunkelsten Zeit ihres Lebens herausgeboxt hat.
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Boah, ich finde die so krass stark.
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Also heute werde ich aus dieser Folge rausgehen und mir wieder denken, von der habe ich jetzt was mitgenommen.
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Also wie kann man so einen starken Willen haben?
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Wie kann man bei dieser Geschichte so entschlossen sein, nicht aufzugeben?
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Ich finde das so bewundernswert, was die Rola für eine Resilienz da aufgebaut hat und dass sie auch so einen Mut hatte.
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Also wir haben das ja schon öfters bei Opfern oder Angehörigen von Straftaten gehört, dass sie nur mit Hilfe der Vergebung sozusagen weiterleben können und besser leben können.
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Und ich habe mich jetzt gefragt bei diesem Fall, ob ich Fadiel vergeben würde.
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Wie ist es bei dir?
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Auf gar keinen Fall.
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Also ich würde natürlich sehr viel Therapie machen, um damit leben zu können und nicht diese Wut zu haben.
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Weil die Wut ist was, was mich selber ja total beeinträchtigen würde und einen bitter macht und auf den Magen schlägt und der anderen Person ja auch noch weiterhin die Macht gibt, über mein Leben zu herrschen.
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Indem ich der Person ein Gefühl schenke, was mich zumindest einen großen Teil begleiten würde.
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Also alles, was sich darum dreht, dass es mir besser geht, das würde ich auf jeden Fall versuchen natürlich.
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Wenn es einigen Leuten nur durch Vergebung besser gehen kann, dann finde ich das wahnsinnig beeindruckend, wenn die das können.
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Aber ich glaube, ich könnte das nicht.
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Also ich habe schon für kleinere Sachen nie Menschen vergeben.
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Allerdings haben die Sachen mich in der Regel natürlich auch nicht aufgefressen.
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Oder es war mir dann doch möglich, das irgendwann einfach zur Seite zu legen.
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Ja, ich weiß, was du meinst.
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Und auch wenn ich vergeben könnte, weißt du, in meinem Inneren würde ich das niemals sagen, damit der andere sich nicht darüber freuen kann oder so.
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Das wäre dann, glaube ich, eher so noch mein Ding.
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Ich hätte auch Angst, dass die andere Person dann noch Legitimation darin findet in ihrer Tat.
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Weil wenn ich der Person vergebe, dann vergibt die sich das am Ende ja auch noch.
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Und das will ich als äußerst nachtragende Person auf keinen Fall.
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Ich will, dass die andere Person noch bis zum Schluss an ihren Schuldgefühlen erstickt.
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Ja, das ist natürlich ein Risiko.
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Und ich finde auch besonders bei Fadil, der ja immer schon dazu geneigt hat, anderen die Schuld an seinen Ausrastern zu geben.
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Und auch vor allen Dingen Rola.
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Und es ist natürlich jetzt auch einfach irgendwie darüber theoretisch zu reden, wenn es der eigene Vater ist.
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Und für Rola war Fadil genauso wie ein leiblicher Vater, auch wenn es der Stiefvater war.
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Dann kennt man das ja vielleicht auch aus Sachen, die gar nicht so schlimm sind, dass man geneigter ist, was zu verzeihen, weil man eben einfach nur, weil es der Vater ist, man noch diese Liebe hat.
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Die dann auch in manchen Fällen dann gar nicht gut ist oder so, aber gegen die man dann auch nichts machen kann.
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Ich weiß, was du meinst. Ich weiß natürlich nicht, wie das bei Rola jetzt im Inneren aussieht, aber vielleicht kennen das viele und wir auf jeden Fall ja auch, dass man als erwachsene Person so schwer davon wegkommt, die Eltern als höhere Instanz anzusehen.
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Und das wahnsinnig lange braucht, bevor man merkt, die sind genauso lost im Leben wie ich, wenn nicht mehr.
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Und machen auch nicht alles richtig, aber das denkt man natürlich, wenn man ein Kind ist. Das soll ja auch so sein von der Natur, weil du das eben nochmal angesprochen hast, dass er sonst immer allen anderen im Leben die Schuld für seine Taten gegeben hat.
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Man kennt das ja auch aus so toxischen Beziehungen und da meine ich jetzt nicht das Toxisch mit, was mittlerweile alle im Sprachgebrauch verwenden, sondern wirklich halt das, wo man mit psychischen Schäden auch rausgeht.
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Oder beispielsweise, wenn der Partner missbräuchliches Verhalten an den Tag legt oder so, wenn die dann sagen, guck mal, ich verhalte mich nur so, weil du was falsch gemacht hast.
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Also da müssten eigentlich bei jedem die Alarmglocken schrillen, bei so zwischenmenschlichen Beziehungen.
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Und ich finde das in dieser Geschichte hier sehr beruhigend, dass ein Gericht ihm jetzt gezeigt hat, dass nicht Rola daran Schuld trägt, sondern dass die Schuld ganz allein bei ihm liegt.
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Und somit sein eigenes Weltbild gerade rücken muss, ob er das jetzt am Ende eingesehen hat oder nicht.
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Natürlich auch fraglich, aber bei solchen Menschen passiert das ja ansonsten eben nicht, dass sie mal auf dem Boden der Tatsachen ankommen, weil die meisten immer in ihrer eigenen Erzählung drin bleiben.
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Das, was ich empfinde, das ist richtig und weil ich es empfinde, ist es auch wahr.
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Ja, und was ich eben sehr beeindruckend an Rolas Geschichte finde, ist, es hat sich da ja nicht um eine, sag ich mal, toxische Liebesbeziehung gehandelt, sondern sie hat ihn, seitdem sie dreieinhalb Jahre alt war, als Vaterfigur gehabt.
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Und sie kannte quasi nichts anderes und hat aber trotzdem den Mut gehabt, sich für die Liebe zu entscheiden, für Costa zu entscheiden und am Ende auch sich von ihrem Vater als Manager zu trennen und eben ganz klar gezeigt, hier, ich mache meine eigenen Entscheidungen, obwohl du mich immer klein gehalten hast.
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Und dass sie eben jetzt diese Erfahrung weitergibt, indem sie zum Beispiel ein Buch schreibt oder als Motivationstrainerin arbeitet und so auch anderen Mädchen und jungen Frauen zeigt, dass es sich lohnt zu kämpfen.
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Was mich auch sehr bewegt, ist, dass in Rolas Leben diese grauenhafte Beziehung mit ihrem Vater, ich nenne es jetzt mal, ausgetauscht wurde, durch eine gesunde Beziehung, die für Selbstbestimmung und Freiheit steht.
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Und dass Rola durch Costa auch gelernt hat, dass Liebe, auch wenn es eine andere Art von Liebe ist, eben nicht durch Kontrolle und Zwang aufblüht, sondern durch Respekt und Ehrlichkeit und der Gewissheit, dass man sich nicht auf eine bestimmte Art verhalten muss, die gar nichts mit der eigenen Persönlichkeit zu tun hat, um geliebt zu werden.
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So, das war's. Nächste Woche geht's hier weiter mit einem Schicksal, das eine Frau erlebt, was viele, viele Frauen betrifft, die damit aber meist ganz unsichtbar bleiben.
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Es geht um ein Thema, das sich schon viele von uns gewünscht haben und nächste Woche widmen wir uns dem endlich.
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Und das ist auch ein Thema, auf das ich mich ganz besonders freue. Deswegen kann ich eigentlich gar nicht abwarten, die Folge zu hören.
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Ja, ich bin gespannt, was du sagst.
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Ja, schnell produzieren, Paulina. Los, los.
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Ja, ich tu, ich mach Fließband hier.
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Das war ein Podcast der Partner in Crime.
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Hosts und Produktion Paulina Kraser und Laura Wohlers.
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Redaktion Marisa Morell und wir.
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Schnitt Pauline Korb.
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Rechtliche Abnahme und Beratung Abel und Kollegen.