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Willkommen bei Mordlust, einem Podcast der Partner in Crime.
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Hier geht's um wahre Verbrechen und ihre Hintergründe.
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Mein Name ist Paulina Kraser und normalerweise sitzt hier mit mir meine Kollegin und Freundin Laura Wohlers,
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mit der ich immer einen bedeutsamen, wahren Kriminalfall nacherzähle.
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Gemeinsam ordnen wir den dann ein, erörtern oder diskutieren die juristischen,
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psychologischen oder gesellschaftlichen Aspekte und sprechen mit Menschen mit Expertise.
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Heute aber führe ich euch alleine durch diese Folge.
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Hier geht's um True Crime, also auch um die Schicksale von echten Menschen.
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Bitte behaltet das immer im Hinterkopf.
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Das machen wir auch, selbst dann, wenn wir zwischendurch mal etwas abschweifen.
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Das ist für uns so eine Art Comic Relief, aber natürlich nicht despektierlich gemeint.
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Bevor ich mit der heutigen Erzählung starte, in der es um ein sehr sensibles Thema geht,
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das sich viele von uns schon lange gewünscht haben, will ich euch noch kurz erzählen,
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dass es Neuigkeiten im Fall von Hannah aus Aschau gibt.
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Hannahs Geschichte haben wir euch in Folge 200 erzählt.
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Die Medizinstudentin wollte an einem Abend im Oktober 2022 vom Club aus den kurzen Heimweg nach Hause laufen.
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Zu Hause kam sie aber nie an.
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Nachdem sie rund zwölf Kilometer lang durch den Baerbach trieb,
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wurde ihr Körper am nächsten Tag mit massiven Kopfverletzungen in der Prien gefunden.
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Im März 2024 wurde Sebastian T. wegen Mordes an Hannah verurteilt.
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Er soll sie von hinten angegriffen haben.
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Das Urteil wurde allerdings wegen eines Verfahrenfehlers vom Bundesgerichtshof aufgehoben.
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Vielleicht erinnert ihr euch, im Prozess gab es da einen heftigen Schlagabtausch
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zwischen der vorsitzenden Richterin und Sebastians Verteidigerin Regina Rigg.
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Mitte September soll der Prozess nun also vor einer anderen Kammer des Landgerichts Traunstein neu aufgerollt werden.
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Und Regina Rigg und ihr Verteidigerkollege wollen da drei Gutachten einbringen,
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die ihre Unfalltheorie stützen sollen.
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Und diese Gutachten hat die Verteidigung dem Gericht jetzt schon vorgelegt.
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Im ersten Verfahren wurde das verwehrt.
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Und zwei dieser Gutachten sollen sich mit Hannas Kopfverletzungen beschäftigen.
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Auffällig an den Verletzungen war, dass alle fünf Rissquetschwunden am Kopf in Tiefe und Form sehr gleich waren.
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Und der vom Gericht beauftragte Hydromechaniker hatte damals gesagt,
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ja, also wenn Hannah sich die Verletzungen erst im Fluss zugezogen hätte,
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etwa weil sie stark alkoholisiert hineingefallen wäre,
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dann müssten sie vom selben Hindernis im Wasser stammen.
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Und das hielt der Experte aber für ausgeschlossen.
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Eine treibende Person könne sich kaum fünfmal an derselben Stelle,
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beispielsweise an einem Stein, auf so ähnliche Weise verletzen.
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Das Gericht kam dann unter anderem auch deswegen zu dem Schluss,
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dass jemand, also Sebastian, mit einem stumpfen Gegenstand auf Hannas Kopf eingeschlagen habe.
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Wie gesagt, die ganze Geschichte könnt ihr nochmal in Folge 200 nachhören.
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Jedenfalls sollen zwei der neuen Gutachten nun belegen,
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dass die Verletzungen von einer metallenen Stauklappe stammen könnten, einem sogenannten Schütz.
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Damit wird der Wasserfluss reguliert und ein solches Bauteil befindet sich in der Prien.
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Und laut Verteidigung soll dieser Schütz Sechskantschrauben-Muttern haben,
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die genau zu den Abmessungen von Hannas Kopfverletzung passen.
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Die Gutachten hat Sebastians Verteidigung jetzt eingereicht und gleichzeitig eine Haftprüfung beantragt.
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Und bis Mitte Juni soll jetzt entschieden werden, ob das ausreicht, um Sebastian vorerst aus der Haft zu entlassen.
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Also vielleicht können wir euch in der nächsten Folge ein weiteres Update zu dem Fall geben.
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So, jetzt geht's aber los mit unserem heutigen Fall,
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in dem eine Frau in den verletzlichsten Stunden ihres Lebens zum Opfer wird
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und sich ein Ort, der eigentlich Schutz bieten sollte, als Tatort entpuppt.
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Alle Namen, auch die der Klinik, haben wir geändert
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und die entsprechende Triggerwarnung findet ihr wie immer in der Folgenbeschreibung.
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Unsere heutige Geschichte beginnt am 5. November 2021 und führt uns an einen Ort,
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den die meisten von uns nicht so gerne mögen, und zwar in ein Krankenhaus.
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Die Nordparkklinik, eine Klinik irgendwo in NRW, ist ein Ort voller Gegensätze.
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Die geschwungene Glasüberdachung am Eingang bietet einen modernen Kontrast zu dem tristen, farblosen Backsteinbau.
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Und während in Schockräumen und Operationssälen Leben ab und zu enden,
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gibt es auch solche Räumlichkeiten, in denen neues Leben beginnt.
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In einer davon findet sich an diesem Freitag die hochschwangere Luisa wieder.
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Die 28-Jährige liegt auf einer gepolsterten Liege eines Behandlungsraums der Geburtsstation.
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Zwei breite Gurte, die einen Sensor fixieren, sind über ihren runden, straffen Bauch gespannt,
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um ein sogenanntes CTG zu schreiben.
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Eine Untersuchung, mit der sich sowohl die Herzfrequenz des Babys als auch die Wehentätigkeit kontrollieren lässt.
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Luisa richtet ihren Blick auf die diensthabende Hebamme,
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die wenige Minuten später ein Blatt Papier mit kurvenartigen Untersuchungsergebnissen in den Händen hält.
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Ihrem Kind geht es gut, verkündet die Geburtshelferin.
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Der Herzschlag ist regelmäßig und kräftig.
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Luisa kennt dennoch das Aber, bevor die Hebamme es ausgesprochen hat.
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Die Wehen lassen nach wie vor auf sich warten.
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Das ist für Luisa wenig überraschend, denn genau aus diesem Grund ist sie hier.
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Luisa blickt auf eine bisher komplikationslose Schwangerschaft zurück.
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Seit sie und Partner André wissen, dass sie zum ersten Mal Eltern werden, hat sie gut auf sich und ihr Ungeborenes geachtet.
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Vorbildlich ist sie in den vergangenen Monaten zu den Vorsorgeuntersuchungen in ihrer gynäkologischen Praxis gegangen,
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wo ihr stets versichert wurde, dass ihr Kind sich gut entwickelt.
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Für Luisa waren diese Termine nicht nur vormütterliches Pflichtprogramm,
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sondern auch eine Möglichkeit, ein paar Minuten Babykino zu genießen.
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Jedes Mal freute sie sich, wenn während dieser Untersuchung zum Ultraschallgerät gegriffen wurde
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und sie auf dem Bildschirm ihr kleines Minimi sehen konnte.
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Luisa kann es kaum erwarten, bald endlich ihr Kind im Arm zu halten.
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Vor allem, weil sie und André schon so viel Geduld aufbringen mussten.
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Luisa ist nämlich überfällig.
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Vor neun Tagen wäre der errechnete Geburtstermin ihres Kindes gewesen,
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den die 28-Jährige jetzt großzügig überschritten hat.
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In den vergangenen Tagen waren sie und André zu Hause in einer richtigen lauer Stellung gewesen,
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mit der Erwartung, dass es jeden Augenblick losgehen könnte.
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Doch da das nicht passiert ist und das kleine Wesen in Luisas Bauch keine Anstalten macht,
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rauskommen zu wollen, wurde in ihrem Fall entschieden, medizinisch nachzuhelfen.
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Die Geburt von Luisas und André's Kind soll eingeleitet werden.
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Dafür ist das Paar heute gemeinsam auf die Geburtsstation der Nordparkklinik gekommen.
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Für die beiden ist es eine aufregende Situation.
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Schließlich ist damit klar, das nächste Mal, wenn sie durch die Kliniktür gehen, werden sie zu dritt sein.
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Um die Geburt endlich in Gang zu bringen und die Willentätigkeit zu fördern,
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werden Luisa verschiedene Medikamente verabreicht.
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Nach und nach greift sie zu den Tabletten, die ihr die Hebamme reicht, und schluckt sie runter.
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Wie lange es am Ende aber dauern wird, bis die Medikation ihre Wirkung entfaltet,
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kann niemand so richtig sagen.
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Denn so eine Geburtseinleitung fällt zeitlich total unterschiedlich aus.
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Manchmal geht es bereits wenige Stunden nach Medikamenteneinnahme los.
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In anderen Fällen aber sprechen wir nicht von Stunden, sondern von Tagen bis zur ersten Wehe.
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Und auch bei Luisa.
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Erst drei Tage später, am Abend des 8. November, tut sich endlich was.
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Luisa bekommt Wehen.
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Kräftig und intensiv.
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Die krampfartigen Schmerzen, die vom Bauch in den Rücken ausstrahlen, überkommen sie in Wellen.
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Und mit jedem Intervall werden sie ein bisschen heftiger.
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Während Partner André in den kommenden Stunden nicht von ihrer Seite weicht,
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tritt immer wieder die Hebamme an Luisas Bettende heran und untersucht sie vaginal,
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um den Fortschritt der Geburt zu verfolgen.
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Wenn auch sehr langsam.
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Am nächsten Morgen, nach mittlerweile fast zwölf Stunden Wehen,
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wird Luisa in den Kreißsaal verlegt.
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Jenen Raum, in dem schon zahlreiche Frauen ihre Kinder ins Leben drückten und zu Müttern wurden.
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Doch bevor auch sie diese Erfahrung machen wird, wird es wohl noch ein bisschen dauern.
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Denn eilig scheint es ihr Baby angesichts der nur langsam fortschreitenden Geburt nicht zu haben.
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Um die Wehentätigkeit zu fördern, bekommt Luisa von der Hebamme per Infusion den Wirkstoff Oxytocin.
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Einen gängigen Wehentropf.
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Kurz darauf werden die Kontraktionen regelmäßiger und deutlich schmerzhafter.
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Luisa ist überfordert.
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Dass eine Geburt schmerzhaft ist, wusste sie,
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aber mit dieser Intensität an Schmerzen hatte sie nicht gerechnet.
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Zusammengekrümmt und stöhnt, liegt sie da und versucht die Venen zu veratmen.
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Doch Erleichterung bringt ihr das nicht.
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Um 10.30 Uhr kapituliert Luisa schließlich vor den Schmerzen und bittet um eine PDA.
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Ich gehe mal davon aus, dass die meisten von euch wissen, was das ist.
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Kurz zur Einordnung.
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Eine PDA steht für Periduralanästhesie und ist eine Methode, bei der Schwangere über eine Nadel und einen Katheter ein Lokalanästhetikum ins Rückenmark verabreicht wird.
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Das Ganze soll natürlich die Geburtsschmerzen lindern.
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Und dabei sollen die werdenden Mütter trotzdem wach und ansprechbar bleiben.
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Luisa ist erleichtert, als kurze Zeit später ein Anästhesist reinkommt und ihr das gewünschte Mittel verabreicht.
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Um 13 Uhr ist auf der Geburtsstation Schichtwechsel.
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Eine neue Hebamme ist von nun an für Luisa zuständig und macht jetzt, da sie ihre Kollegin abgelöst hat, eine erneute vaginale Untersuchung.
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Luisa erfährt, dass ihr Muttermund bereits sieben Zentimeter geöffnet ist und sich der Kopf ihres Babys am Eingang ihres Beckens befindet.
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Anders ausgedrückt, lange wird's vermutlich nicht mehr dauern, bis sie ihr Kind im Arm halten darf.
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Eine Einschätzung, die wie Musik in Luisas Ohren klingt.
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Doch lange hält die Begeisterung nicht an.
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Denn nach diesem Fortschritt, den sie sich in den vergangenen Stunden mühsam und geduldig erkämpft hat, ist Schluss.
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Luisas Kind bleibt in seiner Position.
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Es wandert nicht weiter durch den Geburtskanal, rutscht nicht weiter runter.
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Die Geburt steht still.
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Das ist eine Komplikation, die nicht selten vorkommt.
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Doch heute, hier in der Nordklinik, wird dieser Umstand folgenschwere Konsequenzen nach sich ziehen und den Beginn einer medizinischen Katastrophe markieren.
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Luisa ist frustriert über die Nachricht, dass es nicht weiter vorangeht.
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Außerdem ist sie erschöpft.
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Die Wehen machen ihr noch immer schwer zu schaffen.
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Weil die PDA nicht so gewirkt hat, wie erhofft, hat Luisa weiterhin große Schmerzen.
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Das Einzige, was sie in diesem Moment tröstet, ist, dass es ihrem Kind offenbar gut geht.
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Darauf lassen die Vitalwerte schließen, die von der Hebamme immer wieder kontrolliert werden.
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Am Nachmittag zieht Luisas Geburtshelferin eine Assistenzärztin hinzu, um sich mit ihr zu beraten.
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Luisa soll nun regelmäßig die Liegeposition wechseln, damit ihr Baby weiter nach unten rutscht.
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Die 28-Jährige stimmt zu.
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Alles, was sie will, ist, dass ihr Kind so schnell wie möglich bei ihr ist.
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Doch wann das sein wird, kann ihr nach wie vor niemand sagen.
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Und genau diese Ungewissheit lässt sie schließlich eine Entscheidung treffen.
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Luisa möchte einen Kaiserschnitt.
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So teilt sie es der Hebamme mit.
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Eigentlich hatte sie eine natürliche Geburt bevorzugt.
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Aber Fakt ist, Luisa hält diese Schmerzen nicht länger aus.
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Sie ist am Ende ihrer Kräfte und kann einfach nicht mehr.
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Einmal kurz dazu, weil das wird später wichtig werden.
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Also Luisa entscheidet sich jetzt spontan für eine Entbindungsmethode, die ganz weit verbreitet ist.
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In Deutschland kommt tatsächlich mittlerweile etwa jedes dritte Kind per Kaiserschnitt zur Welt.
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Wir reden hier also von einem medizinischen Mainstream.
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Und trotzdem wird diese Art der Geburt noch immer von einigen kritisch gesehen.
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Da muss man nur mal in die Kommentarspalten unter Instagram-Posts zu dem Thema schauen, was da so los ist.
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Aber auch ÄrztInnen weisen immer wieder auf mögliche Nachteile hin und argumentieren zum Beispiel, eine vaginale Geburt sei besser für die Mutter-Kind-Bindung.
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Dahinter steckt dann die Vorstellung, dass der Geburtsprozess hormonelle und körperliche Prozesse anstößt, die das Bonding fördern.
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Aber diese These ist absolut spekulativ.
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Eine gute Bindung hängt von ganz vielen Faktoren ab und ist eher ein langfristiger Prozess.
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Und was in dem Zusammenhang auch immer genannt wird, ist die sogenannte Bakterientaufe.
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Bei der vaginalen Geburt kommt das Baby nämlich mit den Mikroben der Mutter in Kontakt.
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Und die sollen angeblich das Immunsystem des Kindes stärken.
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Kaiserschnittkinder, so heißt es, würden ein höheres Risiko für Allergien oder Asthma haben, weil ihnen dieser Kontakt fehlt.
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Aber auch das ist wissenschaftlich nicht eindeutig nachgewiesen.
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Es gibt Hinweise aus Beobachtungsstudien, dass Kinder, die per Kaiserschnitt geboren werden, etwas häufiger an bestimmten Erkrankungen wie Asthma, Allergien oder Diabetes leiden.
00:12:13
Und eine Theorie ist, dass der Grund diese fehlende Bakterientaufe ist.
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Das ganze Thema ist aber etwas komplexer.
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Man muss da zum Beispiel auch mitdenken, dass übergewichtige Frauen häufiger Kaiserschnitte bekommen und Diabetes in Familien mit starkem Übergewicht häufiger auftreten.
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Und das hat nicht nur genetische Gründe, sondern da geht es oft auch um gemeinsame Lebensgewohnheiten.
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Es ist so, dass Kinder, die vaginal geboren werden, ein anderes Mikrobiom als Kaiserschnittkinder haben, das sich positiv auf das Immunsystem auswirken soll.
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Aber weil andere Faktoren eine viel größere Rolle spielen sollen, wie Stillen, Hautkontakt, Ernährung oder Lebensstil, die der Unterschiede auch ausgleichen können, ist der Langzeiteffekt auf die Gesundheit bisher auch nicht nachgewiesen.
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Und trotzdem haftet dem Kaiserschnitt gesellschaftlich halt immer irgendwie so ein Stigma an.
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Und im Zuge der Recherche bin ich auf das Wort Feiglingsschnitt gestoßen.
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Und da bin ich wirklich fassungslos.
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Also das soll darauf hindeuten, dass man sich vor den echten, in Anführungszeichen, Geburtsschmerzen drücken will.
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Manche unterstellen da auch, dass da kosmetische Gründe eine Rolle spielen.
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Und da würde ich sagen, ey, selbst wenn.
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Und ich finde das so absurd, eine Bauch-OP, bei der die Bauchdecke und die Gebärmutter chirurgisch geöffnet werden, als Feige zu betiteln.
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Das ist ja kein Reißverschluss, den man eben mal auf und zu macht, sondern da gibt es auch ernstzunehmende Risiken bei.
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Also was Luisa hier tut, ist jedenfalls alles andere als Feige.
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Sie erkennt hier ihre Belastungsgrenze, wirft dann den ursprünglichen Plan über Bord und kommuniziert ganz klar, dass sie einen Kaiserschnitt will.
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Die Uhr zeigt etwa 17.15 Uhr, als sich die Kreißsaaltür öffnet und ein Mann mit dunklem Haar und schmaler Brille zum Geschehen dazu stößt.
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Es ist Dr. Philipp Nowak, ein erfahrener Gynäkologe und Geburtsmediziner, der heute als Oberarzt im Dienst ist.
00:14:06
Die Assistenzärztin hat ihn vor wenigen Minuten telefonisch verständigt und ihn angesichts von Luisas Geburtsstillstand um Unterstützung gebeten.
00:14:14
Das kann nämlich gefährlich werden, weil der Stillstand die Sauerstoffversorgung des Babys beeinträchtigen und zu ernsthaften Komplikationen für Mutter und Kind führen kann.
00:14:22
Dr. Nowak beginnt seinen Einsatz ebenfalls mit einer Untersuchung und verkündet daraufhin sein Ergebnis.
00:14:28
Der Muttermund sei jetzt vollständig geöffnet und das Kind kurz davor durch den Geburtskanal zu treten.
00:14:34
Luisa soll daher noch mehr von dem wehenfördernden Medikament bekommen.
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Dr. Nowak bittet die Hebamme, die Dosis zu erhöhen.
00:14:42
Doch die wirkt von dieser Anweisung nicht sonderlich begeistert.
00:14:46
Als Luisas Fürsprecherin macht die Hebamme klar, dass sie das für keine gute Idee hält.
00:14:51
Der Wirkstoff habe Luisa in den vergangenen Stunden noch größere Schmerzen bereitet, als sie ohnehin schon hat, sodass sie die Infusion mittlerweile sogar gestoppt hat.
00:14:59
Außerdem sei Luisa erschöpft und habe gesagt, dass sie sich einen Kaiserschnitt wünscht.
00:15:04
Doch das Wort Kaiserschnitt scheint in den Ohren von Dr. Nowak zu verpuffen.
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Er äußert sich dazu nicht. Stattdessen präsentiert er allen Anwesenden im Raum einschließlich Luisa einen anderen Vorschlag.
00:15:15
Sie soll erst mal wieder an den Venentropf angeschlossen werden.
00:15:19
Nach 15 Minuten werde er dann noch einmal überprüfen, was sich getan hat.
00:15:23
Luisa ist verzweifelt.
00:15:24
Hat der Arzt nicht zugehört?
00:15:26
Sie will das Medikament auf keinen Fall.
00:15:28
Sie möchte einen Kaiserschnitt.
00:15:30
Das hat ihre Hebamme ihm doch gerade erklärt.
00:15:32
Am liebsten würde Luisa protestieren.
00:15:35
Dr. Nowak eine geföfferte Ansage machen.
00:15:37
Doch dafür fehlt ihr angesichts der Venen die Kraft.
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Also sagt Luisa gar nichts.
00:15:43
Kurze Zeit später bahnt sich das Oxytocin erneut seinen Weg durch Luisas Körper, während Dr. Nowak den Raum kommentarlos verlässt.
00:15:51
Und so sollte es nicht ablaufen.
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Luisa kann sich für einen Kaiserschnitt entscheiden, auch wenn sie vorher etwas anderes wollte und sich dann während der Geburt umentscheiden.
00:16:00
Dazu hat sie jedes Recht, hat uns Geburtsmedizinerin und Gynäkologin Professorin Mandy Mangler im Interview erklärt.
00:16:07
Die Schwangere, die Gebärende, ist Chefin der Situation und sollte über ihren Körper auch selbstbestimmt zu jedem Zeitpunkt.
00:16:13
Und das ist leider in der Geburtshilfe so, dass es Grenzsituationen gibt.
00:16:18
Zum Beispiel, wenn klar ist, das Baby kommt jetzt in zwei Minuten und bei einem Kaiserschnitt würde schon allein die Vorbereitung zehn oder 15 Minuten dauern.
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Dann würde man davon abraten.
00:16:30
Also das ist auf jeden Fall etwas, wo man sehr stark im Dialog sein sollte.
00:16:35
Und in unserem Fall geht es mit der Geburt ja nun mal gerade nicht voran.
00:16:39
Und wenn die Schwangere dann sagt, der Kaiserschnitt soll es sein, dann, sagt Mandy Mangler, würde man ihrem Wunsch auch entsprechen und den Eingriff durchführen.
00:16:46
So sollte es zumindest sein.
00:16:49
Als Dr. Nowak, wie angekündigt, eine Viertelstunde später erneut den Kreißsaal betritt, ist Luisa am Limit.
00:16:56
Wie zu erwarten, hat die Wiederaufnahme des Venentropfes dafür gesorgt, dass ihre Schmerzen noch heftiger geworden sind.
00:17:04
Stöhnt und wimmernd liegt sie da.
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Unter Anleitung der Hebamme unternimmt die 28-Jährige zwei Pressversuche.
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Mit aller Kraft, die sie noch mobilisieren kann, versucht sie, ihr Baby ins Leben zu drücken.
00:17:14
Doch ihr Kind rutscht einfach nicht weiter runter.
00:17:18
Erneut tritt Dr. Nowak nun an Luisa heran, um sie vaginal zu untersuchen.
00:17:22
Das verleiht Luisas Schmerzen einen neuen Peak.
00:17:26
Zugleich hat sie Hoffnung, dass der Arzt jetzt endlich den Kaiserschnitt in Betracht zieht, um den sie gebeten hat.
00:17:31
Aber nein. Der Mediziner hat offensichtlich einen anderen Plan und weist die Hebamme an, ihm ein ganz bestimmtes Instrument zu reichen.
00:17:39
Er will Luisas Kind hier und jetzt auf die Welt holen, und zwar mithilfe einer Geburtszange.
00:17:45
Das ist ein Werkzeug, das in der Geburtsmedizin bei Komplikationen wie eben einem Geburtsstillstand zum Einsatz kommen kann.
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Unsere Expertin, Professorin Mandy Mangler, hat uns erzählt, dass man sich das so vorstellen muss, dass das wie eine Metallzange ist, die man um das Köpfchen platziert, um dann das Kind am Kopf herauszuziehen.
00:18:03
Heutzutage werden Geburtszangen, aber eigentlich kaum noch verwendet, weil das Verletzungsrisiko zu hoch ist, hat uns Mandy Mangler erzählt.
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Für die Frauen ist es so, dass bei diesem Geburtsprozess relativ schnell ein Kind durch den Beckenboden gezogen wird und dabei eben auch Schäden und Nervenverletzungen an diesem Beckenboden entstehen können.
00:18:23
Oder auch Einrisse oder ja, also Veränderungen an diesem Beckenboden.
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Und dann gibt es noch Nebenwirkungen für das Baby.
00:18:31
Wenn Nebenwirkungen austreten, dann sind die auch gelegentlich schwerer.
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Zum Beispiel Hirnblutungen oder Nervenverletzungen im Gesicht oder an den Armen des Babys.
00:18:42
Also, dass das Baby dann zum Beispiel die Arme nicht mehr so gut bewegen kann.
00:18:48
Über diese Dinge spricht mit Luisa aber niemand.
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Nach langen, kräftezehrenden Stunden, die sich für sie wie eine Ewigkeit anfühlen, geht plötzlich alles ganz schnell.
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Hektisch richtet die Hebamme noch ein paar Sätze an sie, erklärt ihr, dass die Geburtszange auch eine Möglichkeit sei, ihr Kind auf die Welt zu holen und dass Dr. Nowak das schon oft gemacht habe.
00:19:07
Der Oberarzt nimmt nun die Geburtszange und führt sie ohne Ankündigung und Erklärung in Luisa ein.
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Luisa schreit und weint.
00:19:16
Die Schmerzen, die ihren Körper durchströmen, sind unbeschreiblich und werden verstärkt von Emotionen wie Hilflosigkeit und Panik.
00:19:22
Die 28-Jährige fühlt sich schlichtweg ausgeliefert.
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Mit gespreizten Beinen liegt sie hier auf der Liege, umgeben von Menschen, die ihr mit Ignoranz begegnen und sich über ihre Wünsche hinwegsetzen.
00:19:32
Allen voran Dr. Nowak.
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Luisa versteht das alles nicht.
00:19:35
Warum kriegt sie nicht den Kaiserschnitt, um den sie gebeten hat?
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Warum mutet man ihr diese Qualen zu?
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Während diese Fragen in ihr ein Gefühl der Ohnmacht auslösen, ist der Oberarzt auf die Geburtszange in seinen Händen konzentriert.
00:19:48
Mit den löffelförmigen Armen des Instruments umfasst er das Köpfchen des Kindes an Luisas Unterleib.
00:19:53
Doch als er beginnt zu ziehen, passiert etwas, womit er selbst wohl nicht gerechnet hat.
00:20:00
Ohne Ankündigung greift Dr. Nowak daraufhin zum Skalpell und nimmt bei Luisa einen Dammschnitt vor.
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Also da wird der Damm, also das Gewebe zwischen Vagina und After, eingeschnitten, um den Geburtskanal zu erweitern.
00:20:11
Mit ein bisschen mehr Platz, so die Auffassung des Arztes, wird es schon klappen.
00:20:16
Doch er irrt sich.
00:20:17
Dreimal sitzt Dr. Nowak neu an, dreht und zieht.
00:20:21
Doch jedes Mal rutscht die Zange ab.
00:20:23
Erst dann gibt er auf.
00:20:24
Er legt die Geburtszange beiseite und lässt ein OP vorbereiten.
00:20:30
Etwa 20 Minuten später liegt Luisa inmitten eines sterilen Raums auf einem Operationstisch.
00:20:35
Ein großes Tuch versperrt ihr und André, der nach wie vor an ihrer Seite ist,
00:20:39
den Blick auf das operative Geschehen auf Höhe ihrer Körpermitte.
00:20:43
Endlich wird der Kaiserschnitt durchgeführt, um den Luisa schon vor einer Stunde gebeten hat.
00:20:47
Da der Bereich rund um ihren Bauch jetzt betäubt wurde, ist sie endlich schmerzfrei.
00:20:52
Sehnsüchtig warten Luisa und André auf das erste Schreien ihres Babys.
00:20:56
Ein Geräusch, das Luisa zeigen soll, dass sich all die Anstrengungen und Qualen der vergangenen Stunden gelohnt haben.
00:21:02
Doch das Schreien kommt nicht.
00:21:04
Als Dr. Nowak schließlich das Baby in den Händen hält, wird es hektisch im bis dahin ruhigen Operationssaal.
00:21:11
Das Kind ist nicht nur auffallend blass, es hat auch einen stark geschwollenen Kopf und ist ohne sogenannte Spontanmotorik.
00:21:17
Also heißt, kein Zappeln, kein Strampeln.
00:21:20
Luisa, die nach wie vor auf dem OP-Tisch liegt, kriegt diese Dinge nicht mit.
00:21:25
Für sie geht das alles zu schnell.
00:21:26
Viel zu schnell.
00:21:28
Die 28-Jährige bekommt ihr Baby nicht auf die Brust gelegt, wird nicht zu ihrer neuen Rolle als frischgebackene Mama eines Jungen beglückwünscht.
00:21:35
Stattdessen dürfen sie und André nur einen kurzen Blick auf ihren Sohn werfen, ehe er weitergereicht und aus dem Raum gebracht wird.
00:21:42
Luisa macht sich Sorgen.
00:21:44
Sie versteht nicht, was los ist.
00:21:46
Und auch wenn sie in diesem Moment ahnt, dass hier etwas ganz und gar nicht stimmt, ist ihr keineswegs klar, wie ernst die Lage ist und dass das Leben ihres Kindes bereits jetzt am seidenen Faden hängt.
00:21:58
Etwa 20 Minuten nach dem Kaiserschnitt liegt Luisa in einem Zimmer auf der Geburtsstation.
00:22:04
Während sie sich von den Anstrengungen der Geburt erholt und zugleich mit Partner André auf Antworten wartet, wird ihr Baby in der Kinderklinik, der Nordparkklinik, versorgt, wo es bereits jetzt, unmittelbar nach der Geburt, ums Überleben kämpft.
00:22:16
Der kleine Junge ist in einem schlechten Allgemeinzustand.
00:22:19
Seine sonografische Untersuchung hat ergeben, dass er wahrscheinlich eine Hirnglutung hat.
00:22:23
Außerdem gelingt es ihm nicht, seine kleine Lunge eigenständig mit Sauerstoff zu füllen, sodass er künstlich beatmet werden muss.
00:22:30
Es ist ein herzzerreißendes Bild.
00:22:32
Statt in den Armen von Mutter Luisa zu liegen, liegt er in einem Bettchen auf der Intensivstation der Kinderklinik,
00:22:38
angeschlossen an medizinischen Geräten und umgeben von Schläuchen, die seinen kleinen Körper bedecken.
00:22:43
Das Kind wird streng überwacht.
00:22:46
Immer wieder stehen mehrere Ärztinnen vor dem Bettchen, werfen hektische Blicke auf die Monitore und setzen alles daran, ihn zu retten.
00:22:52
Doch es ist ein medizinischer Kampf gegen Windmühlen.
00:22:56
Seine Vital- und Blutwerte verschlechtern sich in den kommenden Stunden immer weiter.
00:23:00
Und kurz nach Mitternacht muss das medizinische Personal der traurigen Tatsache ins Auge blicken.
00:23:05
Das Baby hat es nicht geschafft.
00:23:08
Eine Nachricht, die kurze Zeit später auch Luisa und André erreicht und sie in den wohl schlimmsten Albtraum reist, den Eltern sich vorstellen können.
00:23:17
Während André seinen Tränen direkt freien Lauf lässt und sein Körper vor Schluchzen bebt, braucht Luisa einen Moment, um die Katastrophe zu begreifen, die ihnen soeben mitgeteilt wurde.
00:23:26
Sie kann nicht glauben, was sie da hört.
00:23:28
Ihr Sohn ist tot?
00:23:29
Der kleine Mensch, der in den vergangenen neun Monaten in ihrem Bauch heranwuchs, ist nicht mehr am Leben?
00:23:36
Nein, das kann nicht sein.
00:23:37
Doch schließlich trifft auch Luisa die Erkenntnis wie ein Schlag und sorgt dafür, dass sie weinend zusammenbricht.
00:23:43
Luisa und André sind am Boden zerstört.
00:23:46
So viele schmerzhafte Erkenntnisse prasseln auf sie ein.
00:23:49
Sie werden ihren Sohn niemals in den Schlaf wiegen, ihn nie weinen oder lachen hören oder mit ihm seine ersten Worte oder Schritte erleben.
00:23:56
Alles, was Luisa und André bleibt, ist die Vorstellung, wie es hätte sein können und ein erster und zugleich letzter Moment mit ihrem Baby.
00:24:03
Nacheinander nehmen die beiden ihren leblosen Sohn auf den Arm, waschen ihn, ziehen ihn an und lassen ihn taufen.
00:24:10
Aaron lautet der Name, den sie ihm geben.
00:24:13
Dann müssen sie sich nur kurz nach ihrem Kennenlernen für immer von ihm verabschieden.
00:24:17
Voller Vorfreude waren Luisa und André in die Nordparkklinik gekommen.
00:24:22
So sehr hatten sie dem Moment entgegengefiebert, die Klinik zu dritt zu verlassen.
00:24:26
Doch statt mit dem kleinen Aaron kehren sie nun in Begleitung tiefer Trauer nach Hause.
00:24:31
Doch neben der Traurigkeit, die jetzt in ihren vier Wänden mit ihnen lebt, macht sich in ihren Herzen schon bald ein weiteres Gefühl breit.
00:24:38
Nämlich Verzweiflung.
00:24:40
Vielleicht sogar Wut.
00:24:41
Denn Luisa wird klar, dass das, was im Kreißsaal passiert ist, nicht in Ordnung war.
00:24:46
Sie hatte auf einen Kaiserschnitt bestanden.
00:24:48
So hatte sie es der Hebamme klar und deutlich gesagt, die es wiederum in ihrer Anwesenheit dem Arzt Dr. Nowak mitgeteilt hatte.
00:24:54
Vielleicht geht es euch jetzt wie mir.
00:24:56
Ich habe mich nämlich gefragt, was André in dieser ganzen Zeit gemacht hat.
00:25:00
Ob er seine Frau unterstützt hat und ob er nicht für die Wünsche seiner Partnerin hätte einstehen können.
00:25:05
Und tatsächlich wissen wir nur, dass André die ganze Zeit im Kreißsaal mit dabei war und sicherlich auch total überfordert war mit der Situation, dass Dr. Nowak sich einfach über die Wünsche von Luisa hinweggesetzt hat.
00:25:18
Und zwar nicht nur, indem er ihr den Kaiserschnitt verweigerte.
00:25:21
Er verpasste ihr auch noch einen Dampfschnitt und führte die Geburtszange ein, ohne mit ihr vorher darüber zu sprechen und sie danach zu fragen.
00:25:28
Und um das Ganze hier mal kurz einzuordnen.
00:25:31
Das, was Luisa erlebt hat, das fällt unter Gewalt in der Geburtshilfe.
00:25:35
Das ist ein Riesenthema, dem wir mit dieser Folge auch Aufmerksamkeit schenken wollen.
00:25:39
Denn laut einer deutschen Studie zu belastenden Geburtserfahrungen von 2023 haben um die 40 Prozent Erfahrungen mit Gewalt während der Geburt gemacht.
00:25:49
Jetzt muss man erst mal dazu sagen, Geburten sind ja super individuell und genauso sind es die Wünsche und Erwartungen der Gebärenden.
00:25:56
Was aber mit Sicherheit niemand will, ist, dass sich medizinisches Personal in dieser total verletzlichen Situation übergriffig verhält.
00:26:05
Und sich über die eigenen Wünsche hinweg setzt.
00:26:07
Und genau das ist aber der Kern von Gewalt in der Geburtshilfe.
00:26:11
Die umfasst verschiedene Formen, das hat uns Eva Platzeck erklärt.
00:26:14
Sie ist Hebamme und setzt sich seit Jahren öffentlich für bessere Bedingungen in der Geburtshilfe ein.
00:26:19
Also generell gibt es drei verschiedene Arten von Gewalt.
00:26:22
Es gibt die systemische, die psychische und die körperliche.
00:26:25
Die systemische, die ist, so hart es klingt, leider Alltag, weil da sind wir alle in einem System drin, was leider sehr kaputt ist und sehr viele Lücken hat.
00:26:33
Und da gehören so Dinge damit dann dazu, dass einfach sehr viele Klinikroutinen bestehen, die vielleicht gar nicht wissenschaftlich fundiert sind.
00:26:40
Zeitdruck, Personalmangel, all sowas.
00:26:43
Dadurch passieren schon wahnsinnig viele Fehler, die aber sehr gut vertuscht werden.
00:26:46
Systematische Gewalt meint nicht individuelles Fehlverhalten, sondern strukturelle Missstände, die dann zulasten der Mütter gehen.
00:26:54
Weshalb man sie halt eben auch oft nicht als Gewalt erkennt.
00:26:57
Durch Zeitdruck und Personalmangel hat uns Eva Platzeck erklärt, kann zum Beispiel passieren, dass Frauen selbst unter Wehen in der Klinik abgewiesen werden, zu einer PDA gedrängt werden, um sie quasi ruhigzustellen.
00:27:08
Oder dass Frauen über längere Zeit im Kreißsaal alleingelassen werden, weil das Personal total überlastet ist.
00:27:13
Etwa 30 Prozent der befragten Mütter gaben in der Studie zu belastenden Geburtserfahrungen an, dass sie sich unter der Geburt subjektiv vernachlässigt gefühlt haben.
00:27:23
Laut Platzeck geht es da um Demütigung, Drohung oder respektlose Sprache.
00:27:28
Erfahrungen, von denen etwa jede dritte bis vierte Frau berichtet.
00:27:30
Der Deutschlandfunk hat 2020 Erfahrungsberichte gesammelt mit Originalzitaten, die Frauen während der Geburt hören mussten.
00:27:38
Und da war sowas bei wie, wenn du jetzt schon Schmerzen hast, Mädchen, wie willst du dann die Geburt schaffen zu einer 40-jährigen werdenden Mutter?
00:27:45
Oder wenn sie jetzt schon so schreien, dann wird das hier nichts.
00:27:48
Und eine Frau hat im Kreißsaal gehört, da wo es reinkommt, muss es nun mal auch raus.
00:27:53
Und dann ist da natürlich auch noch die sichtbarste, die körperliche Gewalt, die Eva Platzeck uns folgendermaßen beschrieben hat.
00:27:59
Die körperliche Gewalt ist wohl das, was am dominantesten ist und was auch die meisten dann wirklich als Gewalt wahrnehmen.
00:28:06
Das sind so Klassiker Medikamentengabe ohne Einverständnis oder halt dazu gedrängt zu werden, in gewisse Positionen gedrängt zu werden, ohne halt mit der Frau richtig zu kommunizieren oder halt auch das Ganze zu erklären.
00:28:18
Oder ganz klar, die Frau lehnt es ab und macht es trotzdem.
00:28:20
Da gehört zum Beispiel vaginale Untersuchungen dazu oder jegliche andere Untersuchungen, invasive Eingriffe am Körper.
00:28:25
Oder aber auch das unangekündigte Anwenden vom Christella-Handgriff.
00:28:28
Das ist das manuelle Drücken auf den oberen Bereich des Bauches, um das Kind durch die Gebärmutter nach unten zu schieben, in Anführungszeichen.
00:28:36
Also in Richtung Geburtskanal.
00:28:38
Die Technik sehen eh viele als umstritten an.
00:28:40
Manchmal wird der Handgriff aber auch noch abgewandelt, hat uns Eva Platzeck erzählt.
00:28:44
Also, dass man mit dem kompletten Arm oder dem ganzen Oberkörper das Kind gewaltvoll regelrecht rauspressen möchte.
00:28:51
Auch das, was Luisa hier erlebt hat, fällt ganz klar in diese Kategorie.
00:28:55
Ein Dammschnitt ohne Einwilligung und die wiederholte schmerzhafte Anwendung der Geburtszange, obwohl sie längst um einen Kaiserschnitt gebeten hatte.
00:29:02
Das zählt alles zur körperlichen Gewalt in der Geburtshilfe.
00:29:05
Und die erlebt, laut der vorhin erwähnten Studie, fast jede Dritte.
00:29:09
Allerdings muss man dazu sagen, dass die Statistiken generell zu Gewalt in der Geburtshilfe auch stark schwanken.
00:29:14
Und das Dunkelfeld wird natürlich sehr hoch vermutet.
00:29:17
Klar ist auf jeden Fall, solche Erfahrungen können ganz tiefgreifende Spuren hinterlassen.
00:29:22
Es berichtet sogar fast jede fünfte Mutter, dass die Beziehung zum eigenen Kind nach der Geburt gestört war.
00:29:27
Und das ist ja ein Hinweis darauf, wie stark sich solche Erlebnisse auch langfristig auswirken können.
00:29:32
Was das im Inneren einer Betroffenen auslösen kann, weiß Diplom-Psychologin und Autorin Tanja Sahib.
00:29:37
Sie hat in ihrer Arbeit viele Frauen begleitet, die eine traumatische Geburt durchlebt haben.
00:29:41
Im schlimmsten Fall, sagt sie, entwickeln Betroffene ein Geburtstrauma, das sie im Alltag nicht mehr loslässt.
00:29:47
Das zeigt sich dann in Flashbacks, Schuldgefühlen oder der quälenden Frage, warum bin ich denn nicht für mich eingestanden?
00:29:53
Warum bin ich überhaupt in dieses Krankenhaus gegangen?
00:29:55
Warum habe ich den Arzt oder die Ärzte nicht einfach rausgeschickt?
00:29:59
Was man dabei nicht unterschätzen darf, sagt Tanja Sahib, eine traumatische Geburt ist für viele Frauen der denkbar schlechteste Start in die Mutterschaft.
00:30:06
Wenn eine Frau ein winziges Baby hat und das Baby mit der traumatischen Erfahrung verknüpft war, das ist sehr fatal.
00:30:15
Weil eine Frau, die gerade so viele neue Lebensaufgaben hat, zum Beispiel das Stillen erlernen, ein sicheres Umfeld für ein hilfloses Wesen zu schaffen.
00:30:25
Also das ist ganz fatal, wenn die Frauen nicht richtig da sind, psychisch nicht richtig da sind.
00:30:30
Ich habe sehr, sehr viele Frauen getroffen, die haben mir erzählt, sie fühlen sich wie eine Babysitterin für ihr Kind oder wie ein Kindermädchen.
00:30:39
Also sie machen alles für das Kind, aber die Gefühle zu dem Kind sind so noch nicht richtig aufgebaut oder abgerissen oder wie die Frauen das so formulieren.
00:30:49
Wie stark so ein Erlebnis dann nachwirkt, hängt zwar von ganz individuellen Faktoren ab, also etwa der psychischen Stabilität, der Partnerschaft oder auch Vorerfahrung.
00:30:58
Aber selbst Frauen, die sich sonst als sehr stark erleben, kann sowas psychisch so sehr mitnehmen, dass sie sich danach völlig ohnmächtig fühlen.
00:31:07
Ich habe ja so viele Frauen getroffen, die haben mir dann später fassungslos gesagt, ich kann mich immer gut wehren.
00:31:13
Ich kann immer gut bei Wully bieten. Ich kann immer gut sagen, nein, das will ich so nicht.
00:31:18
Aber während der Geburt konnte ich das nicht.
00:31:21
Ich hatte keine Worte dafür. Ich war sprachlos bei dem, was mit passiert ist.
00:31:26
Und das passt eigentlich gar nicht zu meiner Persönlichkeit.
00:31:29
Ob Luisa jetzt ein Trauma von der Geburt erlitten hat, wissen wir nicht.
00:31:33
Allerdings wäre das zumindest nachvollziehbar, weil sie ja am Ende noch nicht einmal erleichtert ihr Kind im Arm halten konnte,
00:31:39
sondern erfahren musste, dass es nach dieser Tortur auch noch gestorben ist.
00:31:44
Und wie das passieren konnte, beschäftigt nicht nur Luisa und André, sondern auch die Nordparkklinik.
00:31:51
Nach dem Tod des kleinen Aaron wird der Leichnam in der Klinik obduziert und das mit erschreckendem Ergebnis.
00:31:57
Der verstorbene Säugling hat zahlreiche schwere Kopf- und Hirnverletzungen.
00:32:01
Neben großflächigen Hautabschürfungen und dunkelroten Einblutungen, die sein Köpfchen bedecken,
00:32:06
hat er offensichtlich ein schweres Schädel-Hirntrauma erlitten.
00:32:09
Außerdem sind mehrere Schädelknochen gebrochen und sein Hirn weist diverse Einblutungen auf.
00:32:14
Ein dramatisches Verletzungsbild, das klar macht, irgendwas muss gewaltig schiefgelaufen sein am 9. November,
00:32:21
dem Tag, an dem Luisa entbinden sollte.
00:32:23
Das Krankenhaus entscheidet sich, Konsequenzen zu ziehen und erstattet Anzeige.
00:32:28
Anzeige gegen jenen Mediziner, der an dem Tag im Kreißsaal den Ton angab.
00:32:33
Dr. Philipp Nowak.
00:32:36
Und das ist insofern besonders, weil Krankenhäuser eher selten gegen die eigenen Leute vorgehen.
00:32:40
In dem Fall war es jetzt so, dass Nowak nur hin und wieder als Leiharzt in der Klinik tätig war.
00:32:45
Medizinfachanwältin Sabrina Diehl hat uns erklärt, dass in nur seltenen Ausnahmefällen Strafanträge von Kliniken selbst gestellt werden.
00:32:53
Zum Beispiel, wenn PatientInnen vorsätzlich überdosiert wurden oder andersweitig vorsätzlich in eine lebensbedrohliche Situation gebracht wurden.
00:33:01
Dass die Klinik in unserem Fall jetzt diesen Schritt gegangen ist, wundert unsere Expertin.
00:33:06
Sabrina Diehl sagt, dass vermutlich viele Faktoren zu dieser Entscheidung der Klinik geführt haben.
00:33:10
Unter anderem auch die eigene zivilrechtliche Rolle.
00:33:13
Diese schließt mit der PatientInnen den Behandlungsvertrag und haftet somit auch für die Fehler, die sämtliche Mitarbeiter begehen.
00:33:22
Das heißt, sie muss jetzt Antischanz- und Schmerzensgeld zahlen.
00:33:26
Wenn dann aber die Möglichkeit, gerade bei einem Leiharzt, je nachdem welche Verträge sie geschlossen haben, aber die Rückgriffsmöglichkeit ist.
00:33:34
Das heißt, ich hafte zwar im Verhältnis zur PatientIn, aber in unserem Verhältnis haftet eben auch dann der eingesetzte Leiharzt, dass er ja ordnungsgemäß behandelt und keinen Schaden verursacht.
00:33:46
Dann kann es ein Grund sein, warum die auch Strafantrag gestellt haben.
00:33:50
Wir wollen dem Krankenhaus natürlich jetzt nicht unterstellen, dass sie Dr. Nowak jetzt nur aus finanziellen Absichten angezeigt haben.
00:33:56
Ich nehme mal stark an, dass die sich auch um ihre PatientInnen sorgen.
00:33:58
Und das, was da auf der Geburtsstation passiert ist, das war sicherlich auch ein Schock für viele.
00:34:02
Auf unsere Presseanfrage zu den Gründen der Anzeige wollten sie aber nichts weiter sagen.
00:34:07
Die Anzeige der Klinik sorgt jedenfalls dafür, dass der Tod des kleinen Aaron ein juristisches Nachspiel haben wird.
00:34:14
Luisa und André derweil hatten sich auf ihr erstes gemeinsames Kind gefreut.
00:34:18
Statt Schreie, die sie aus dem Schlaf reißen und kleine dünne Babyfinger, die sich um einen großen schützenden Daumen klammern,
00:34:24
bekamen Luisa und André eine unerträgliche Stille mit nach Hause, die nach Antworten verlangt.
00:34:29
Und nach einer Aufarbeitung. Und vielleicht auch nach Gerechtigkeit.
00:34:35
Am 26. Januar 2024 beginnt vor dem Landgericht Düsseldorf der Prozess gegen Dr. Philipp Nowak.
00:34:42
Da Luisa sich entschieden hat, gemeinsam mit Partner André die Nebenklage anzutreten,
00:34:46
ist auch sie heute in den geräumigen Saal mit der hohen Decke gekommen
00:34:49
und nimmt neben ihrem Anwalt vor einem der dunklen Holztische Platz, die dem Raum eine gewisse Schwere verleihen.
00:34:55
Für die mittlerweile 31-Jährige ist dieser erste Verhandlungstag besonders.
00:35:00
Nach über zwei Jahren trifft sie heute den Mann wieder, den sie zuletzt in den schmerzhaftesten Stunden ihres Lebens gesehen hat
00:35:07
und der Schuld am Tod ihres Sohnes haben soll.
00:35:09
Dr. Nowak muss sich ab heute für die Geburt mit dem dramatischen Ausgang verantworten.
00:35:14
Körperverletzung mit Todesfolge in Tateinheit mit Körperverletzung, lautet die Anklage, die die Staatsanwaltschaft erhebt.
00:35:20
Konkret geht es dabei um zwei Vorwürfe.
00:35:23
Zum einen soll Dr. Nowak Baby Aaron mit der Geburtszange tödliche Verletzungen zugefügt haben.
00:35:28
Zum anderen habe er mit dem Einsatz dieses Instruments gegen die wohl wichtigste Regel in der Medizin verstoßen.
00:35:34
Er habe über Luisas Kopf hinweg entschieden, ohne sie darüber aufzuklären und ohne ihr Einverständnis einzuholen.
00:35:41
Und warum das nicht nur moralisch, sondern auch juristisch problematisch ist, hat uns Sabrina Diehl, Fachanwältin für Medizinrecht, erklärt.
00:35:49
Also grundsätzlich ist es so, dass Patientinnen ein Mitspracherecht haben.
00:35:53
Es ist auch so, dass der Behandlungsvertrag, den ich ja letztendlich mit Mediziner und Medizinerinnen schließe, Pflichten voraussetzt.
00:36:00
Und dazu gehören auch Informationspflichten.
00:36:02
Das heißt, Ärztinnen dürfen heute nicht mehr entscheiden, was für Patienten das Beste ist, sondern es muss gemeinsam kommuniziert werden.
00:36:09
Spracherecht klingt jetzt erstmal so, als liege die Entscheidungsmacht doch eher bei den Ärztinnen.
00:36:14
Das ist aber nicht so.
00:36:15
Laut Patientenrechtegesetz müssen MedizinerInnen ihre PatientInnen umfassend und verständlich aufklären.
00:36:22
Auf dieser Grundlage entscheiden dann die PatientInnen selbst, ob sie einer Maßnahme zustimmen.
00:36:27
Bedeutet, ohne Einwilligung keine Behandlung.
00:36:30
Und wenn doch, dann wäre es juristisch gesehen eine rechtswidrige Körperverletzung.
00:36:34
So klar, im Klinikalltag gibt es auch oft Situationen, bei denen es schnell geben muss.
00:36:38
Da bleibt dann oft keine Zeit für ausführliche Gespräche.
00:36:41
In solchen Fällen reicht das dann auch, wenn man die wichtigsten Infos kurz vermittelt.
00:36:45
Aber auch dann gilt, die Entscheidung liegt immer bei der Patientin oder dem Patienten.
00:36:49
Jetzt mal davon ausgegangen, dass die ansprechbar sind.
00:36:52
Und selbst wenn das medizinische Personal anderer Meinung ist, darf es diesen Willen nicht übergehen.
00:36:57
So, wie es Dr. Nowak laut Anklage getan haben soll.
00:37:00
Der 59-jährige Mediziner, der sein Krankenhausgewand heute gegen weißes Hemd und schwarze Krawatte getauscht hat,
00:37:07
sitzt neben seinem Strafverteidiger auf der Anklagebank.
00:37:10
Und auch wenn seine betroffene Mimik zeigt, dass ihn das Ganze hier alles andere als kalt lässt,
00:37:16
steht er zu seinen Entscheidungen, die er am 9. November 2021 als behandelnder Geburtsmediziner von Luisa getroffen hat.
00:37:23
Dr. Nowak ist überzeugt, medizinisch das Richtige getan zu haben.
00:37:27
So macht er es selbst am ersten Verhandlungstag klar.
00:37:31
Ich liebe meinen Beruf und nehme ihn sehr ernst, erklärt er mit ruhiger und sachlicher Stimme.
00:37:35
Dr. Nowak erklärt, dass er seit mittlerweile 34 Jahren als Geburtsmediziner tätig sei
00:37:41
und schon über 10.000 Entbindungen durchgeführt habe.
00:37:44
In etwa 2.000 davon habe er zur Geburtszange gegriffen und damit gute Erfahrungen gemacht.
00:37:49
Zu Schaden gekommen, sagt Nowak, sei ein Kind dabei nie.
00:37:53
Und dann sagt der angeklagte Arzt etwas, was mir persönlich die Schuhe auszieht.
00:37:58
Er sagt, ich bin ein Vertreter der klassischen Geburtshilfe.
00:38:03
Grundsätzlich halte er nicht viel von Kaiserschnitten, solange sie nicht medizinisch notwendig seien.
00:38:09
Zur Erinnerung, hier ist ein Kind gestorben, weil er den Kaiserschnitt für nicht medizinisch notwendig hielt.
00:38:16
Nowak erklärt weiter, er bevorzuge die vaginale Geburt.
00:38:20
Was ich zum Schreien finde, denn er muss die Kinder ja nicht gebären.
00:38:23
Ohnehin sei er der Meinung, dass sich viele Frauen vorschnell für einen Kaiserschnitt entscheiden würden.
00:38:29
Ich finde das so schlimm, was hier passiert.
00:38:33
Hier äußert sich ein Mann, der diese Erfahrungen selbst nie machen muss,
00:38:37
der Frauen hier pauschal die Fähigkeit abspricht, sich über eine Sache zu informieren, die ihren eigenen Körper betrifft
00:38:43
und auf Grundlage dieser Informationen eine eigenverantwortliche Entscheidung zu treffen.
00:38:47
Es geht mir jetzt hier auch nicht darum, ihm seine Expertise abzusprechen, nur weil er diese Erfahrung nicht gemacht hat.
00:38:52
Aber die Geburten, die passieren halt nun mal im Körper einer anderen Person.
00:38:57
Und dieser Körper ist nicht seiner.
00:39:00
Und das Problem ist ja auch gar nicht, dass er eine persönliche Meinung hat,
00:39:03
sondern das Problem ist die Machtposition, aus der er sie äußert.
00:39:07
Denn genau solche Haltungen verhindern, dass Frauen wirklich frei und selbstbestimmt über ihre Geburt entscheiden können.
00:39:14
Und um das nochmal klar zu machen, ist es nicht die Aufgabe von Ärztinnen,
00:39:18
ihre persönlichen Überzeugungen über andere zu stülpen,
00:39:21
sondern es ist ihre Pflicht, alle Optionen offen und verständlich zu erklären,
00:39:26
damit die gebärende Person am Ende selbst bestimmen kann.
00:39:31
Dr. Nowak scheint das aber anders zu sehen.
00:39:33
Der macht jetzt nämlich klar, warum er nicht viel von Kaiserschnitten hält.
00:39:36
Und zwar sagt er, dass es ja wohl offensichtlich sei,
00:39:39
dass ein vorschneller Kaiserschnitt nur Nachteile für Mutter und Kind habe.
00:39:42
Das stimmt so nicht, da bin ich ja vorhin schon drauf eingegangen.
00:39:46
Das ist eine Aussage, die ist nicht haltbar, weil undifferenziert, nicht evidenzbasiert.
00:39:50
Und diese ganze Aussage vermittelt ein veraltetes Bild,
00:39:53
als wäre ein Kaiserschnitt nicht so wertig wie eine vaginale Geburt.
00:39:58
Und diese Aussage ist nicht nur falsch, sie ist auch gefährlich.
00:40:00
Spontane Kaiserschnitte werden meist dann gemacht, wenn es medizinisch notwendig ist,
00:40:05
zum Beispiel um das Leben des Kindes zu retten.
00:40:07
Und sie sind auch nicht automatisch riskanter, nur weil sie spontan sind.
00:40:10
Oder sie werden gemacht, um Komplikationen zu vermeiden, etwa wenn die Geburt still steht.
00:40:15
Also sie pauschal als nachteilig abzutun ist ignorant.
00:40:18
Vor allem, weil eine Frau einen spontan gewollten Kaiserschnitt sicherlich besser verarbeitet,
00:40:24
als eine traumatisierende vaginale Geburt gegen ihren Willen.
00:40:28
In den kommenden Stunden versucht die Kammer, die Geschehnisse im Kreißsaal aus Sicht des Oberarztes nachzuzeichnen,
00:40:33
um herauszufinden, ob die Vorwürfe der Staatsanwaltschaft, er habe gegen die Einwilligungs- und Aufklärungspflicht verstoßen,
00:40:39
gerechtfertigt sind.
00:40:40
Eine große Hilfe ist der 59-Jährige dabei jedoch nicht.
00:40:44
Dr. Nowak macht zu den Geschehnissen im Kreißsaal nur vage Angaben.
00:40:48
Zwar bestreitet er nicht, Luisas Wünsche übergangen zu haben,
00:40:51
ein richtiges Geständnis legt er aber auch nicht ab.
00:40:54
Der Geburtsmediziner erklärt, dass er sich daran erinnern könne,
00:40:57
von einer Assistenzärztin zum Fall hinzugezogen worden zu sein.
00:41:00
Es sei gegebenenfalls richtig,
00:41:02
dass sie mit ihm über den Kaiserschnitt-Wunsch der Patientin gesprochen habe,
00:41:07
konkrete Erinnerungen habe er daran aber nicht.
00:41:09
Außerdem merkt er erneut an,
00:41:12
sei es ohnehin die falsche Variante gewesen.
00:41:14
Er habe Luisa, Zitat,
00:41:15
mit Sicherheit über den Einsatz der Geburtszange aufgeklärt.
00:41:19
Vielleicht habe er die Risiken nicht ausführlich erklärt,
00:41:21
aber angekündigt, dass er jetzt die Zange benutzen werde, habe er auf jeden Fall.
00:41:25
Und um das hier nochmal klarzuziehen,
00:41:28
Staatsanwaltschaft und Nebenklagespräch, Luisa und André,
00:41:31
sagen, der Arzt hat einfach losgelegt.
00:41:34
Also die Geburtszange genutzt ohne aufklärendes Gespräch
00:41:37
und ohne Luisa die Chance zu geben, sich dazu zu äußern,
00:41:41
ob sie das überhaupt will oder nicht.
00:41:42
Wir wissen auch nicht, ob Luisa in der Situation
00:41:45
irgendwann selbst überhaupt begriffen hat,
00:41:47
was der Arzt da gerade macht und benutzt,
00:41:49
oder ob sie das erst später erfahren hat
00:41:51
und in dem Moment nur diese absurden Schmerzen erlebt hat.
00:41:54
Dr. Nowak dagegen sagt,
00:41:55
er habe Luisa ganz sicher darüber informiert, was er vorhat.
00:41:59
Und außerdem sei er angesichts ihrer Reaktion davon ausgegangen,
00:42:02
dass sie einverstanden sei.
00:42:03
Der 59-Jährige erzählt nämlich,
00:42:06
dass sich Luisa nicht gewehrt habe.
00:42:08
Sie habe weder protestiert noch die Beine zusammengedrückt
00:42:11
oder sich von ihm weggedreht.
00:42:13
Ob das jetzt reicht, um das als Einverständnis zu sehen,
00:42:16
hat Medizinfachanwältin Sabrina Diehl für uns eingeordnet.
00:42:19
Sofern das so ist, dass in diesem Fall
00:42:21
nicht hinreichend über die Chancen und Risiken aufgeklärt worden ist,
00:42:25
dann reicht streng genommen noch nicht mal ein Ja.
00:42:28
Also wenn noch nicht mal diese Basics vorliegen,
00:42:30
dann würde das Ja auf einer Fehlinformation beruhen.
00:42:34
Das heißt, dann ist die Einwilligung ja nicht wirksam.
00:42:36
Und erst recht, wenn ich gar nichts sage,
00:42:39
ist das kein Eingeständnis.
00:42:41
Das ist aber ansonsten im Alltag auch.
00:42:43
Wenn ich beim Bäcker stehe und jemand hält mir die Tüte Brötchen hin
00:42:46
und ich mache nichts, ich gucke nur mit großen Augen,
00:42:48
dann ist auch kein Vertrag zustande gekommen.
00:42:50
Sollte ich jetzt natürlich greifen nach dem Brötchen,
00:42:52
dann zeige ich konkludent, also durch Handlung,
00:42:55
jo, ich bin damit einverstanden.
00:42:57
Ich muss mich aber nicht dagegen wehren,
00:42:59
dass man mir die Brötchen hinhält,
00:43:00
sondern einfach nichts tun reicht grundsätzlich nicht aus.
00:43:03
Und wenn man ganz ehrlich ist, Dr. Nowak,
00:43:06
der wird als erfahrener Arzt gewusst haben,
00:43:08
dass mangelnder Protest kein Ja ersetzt
00:43:10
und auch nicht das ist,
00:43:11
was unsere Expertin hier als konkludente Handlung bezeichnet hat.
00:43:15
Also darunter würde jetzt laut Sabrina Diel
00:43:17
zum Beispiel Nicken fallen oder einen Daumen hoch.
00:43:20
Einzugestehen, dass er sich über Luisa schlichtweg hinweggesetzt hat,
00:43:24
das kommt für Dr. Nowak trotzdem nicht in Frage.
00:43:27
Stattdessen zieht er eine weitere abstruse Rechtfertigung
00:43:31
für sein Verhalten aus dem Ärmel.
00:43:33
Und die zeigt, dass er selbst jetzt,
00:43:34
zwei Jahre nach der Tragödie in der Nordparkklinik,
00:43:36
noch immer nicht bereit ist,
00:43:38
Luisa auf Augenhöhe zu begegnen.
00:43:40
Dr. Nowak erklärt nun,
00:43:42
dass Luisa bei der Geburt ihres Kindes
00:43:44
vermutlich überhaupt nicht entscheidungsfähig gewesen sei.
00:43:46
Sie sei irgendwann in Panik verfallen,
00:43:49
von den langen Schmerzen erschöpft
00:43:50
und schlichtweg nicht mehr fähig gewesen,
00:43:52
rational zu denken.
00:43:54
Und das ist eine äußerst unverschämte Aussage,
00:43:57
finde nicht nur ich,
00:43:58
sondern auch Geburtsmedizinerin Prof. Mandy Mangler.
00:44:02
Das ist ein beliebtes Argument von patriarchalen Strukturen
00:44:05
und von patriarchal argumentierenden Menschen.
00:44:07
Die Frau war ja nicht ganz zurechnungsfähig.
00:44:11
Das ist ja das, was er sagt.
00:44:13
Ich finde das ganz despektierlich,
00:44:16
von einer Person über eine Schwangere oder Gebärende
00:44:21
so etwas zu sagen,
00:44:21
weil eine Geburt ist ein physiologischer Prozess,
00:44:24
durch den wir alle ins Leben gekommen sind.
00:44:27
Und die Frau ist dabei sicherlich nicht unzurechnungsfähig,
00:44:32
sondern zurechnungsfähig.
00:44:34
Und es ist selbstverständlich ganz, ganz wichtig,
00:44:36
dass sie gehört wird,
00:44:37
dass ihre eigene Stimme gehört wird
00:44:39
und dass sie über ihren Körper entscheiden darf.
00:44:43
Also es ist wirklich ungeheuerlich.
00:44:45
Ich habe hier schon einen Puls
00:44:46
und umso bemerkenswerter ist für mich Luisas Auftreten,
00:44:49
als sie schließlich gegen den Mann aussagen soll,
00:44:51
der ihr zur Mutterschaft verhelfen sollte
00:44:53
und der nun dafür verantwortlich sein soll,
00:44:55
dass ihr Kind tot ist.
00:44:57
Obwohl der mittlerweile 31-Jährigen anzusehen ist,
00:45:00
wie kräftezehrend und emotional
00:45:02
die vergangenen zwei Jahre für sie gewesen sein müssen,
00:45:04
bemüht sie sich, einen gefassten Eindruck zu machen.
00:45:07
Ruhig und konzentriert schildert sie der Kammer
00:45:10
ihre Erinnerungen an jene Stunden im Kreißsaal,
00:45:12
die für sie zum Albtraum wurden.
00:45:14
Immer wieder spricht Luisa dabei von der Geburt ihres Sohnes.
00:45:17
Ein rührendes Statement, mit dem sie klar macht,
00:45:20
dass sie sich auch jetzt, nach Aarons Tod,
00:45:22
weiterhin als seine Mama begreift.
00:45:25
Im Gegensatz zu Dr. Nowaks Wagen-Aussagen
00:45:27
findet Luisa klare Worte.
00:45:29
Der Mediziner habe ihre Bitte um einen Kaiserschnitt
00:45:32
schlichtweg ignoriert.
00:45:33
Er habe sie nicht gefragt,
00:45:35
ob sie mit dem Einsatz der Geburtszange einverstanden sei.
00:45:37
Da ist sie sich schon deshalb so sicher,
00:45:39
weil sie dem Eingriff nie zugestimmt hätte,
00:45:42
weil es in ihrem Freundeskreis ein Paar gibt,
00:45:44
deren Baby von der Geburtszange am Schädel verformt wurde.
00:45:47
Stattdessen habe er das klobige metallische Werkzeug
00:45:50
einfach so in sie eingeführt.
00:45:52
Die Schilderung deckt sich auch mit dem,
00:45:54
was die Assistenzärztin und die Hebamme
00:45:57
wenig später vor Gericht bekunden.
00:45:58
Also heißt, hier wird ganz klar,
00:46:02
Er hat Luisa nicht aufgeklärt.
00:46:04
Damit ist klar, Luisa wurde von einer Patientin zum Opfer.
00:46:08
Denn eine Aufklärung und Einwilligung
00:46:10
hat es in ihrem Fall nicht gegeben.
00:46:12
Dr. Nowaks Verhalten war ignorant und strafbar.
00:46:15
Doch war es auch tödlich?
00:46:17
Für die Kammer stellt sich nach wie vor die Frage,
00:46:20
ob dem Oberarzt bei dem Einsatz der Geburtszange Fehler unterlaufen sind
00:46:23
und ob das mehrfache Abrutschen ursächlich für die schweren Kopf- und Hirnverletzungen war,
00:46:28
an denen der kleine Aaron schließlich verstarb.
00:46:31
Um auf diese wichtigen Fragen eine Antwort zu finden,
00:46:33
zieht das Gericht mehrere medizinische Sachverständige hinzu,
00:46:37
die ein fachliches Urteil abgeben sollen.
00:46:39
Darunter ein Rechtsmediziner, ein Kinderarzt, aber auch ein Gynäkologe.
00:46:44
Die Einschätzungen sind größtenteils deckungsgleich.
00:46:46
Man ist sich einig, dass stumpfe Gewalt die Ursache für die tödlichen Verletzungen gewesen sein muss.
00:46:51
Eine Geburtszange komme dafür grundsätzlich in Frage.
00:46:54
Als alleinige Ursache darauf festlegen, möchte sich jedoch keiner der Gutachter.
00:46:59
Und auch wenn das jetzt hier erstmal sehr vage und zurückhaltend klingt,
00:47:02
hilft diese Einschätzung dem Gericht.
00:47:04
Denn abgesehen von der Geburtszange gibt es nichts,
00:47:07
was diese traumatischen Verletzungen hätte verursachen können.
00:47:10
Wir erinnern uns, die Vitalwerte von Aaron waren die ganze Zeit übergut,
00:47:13
bis der Arzt da mit seiner Zange ankam.
00:47:15
Einer der Sachverständigen merkt noch an,
00:47:17
dass womöglich auch beim Kaiserschnitt was schiefgelaufen sein könnte.
00:47:20
Diese Theorie verwirft die Kammer aber schnell,
00:47:23
weil es keine Beweise oder Insizien gibt, die da stützen.
00:47:25
Und zum Beispiel im Geburtsbericht, den Dr. Nowak im Anschluss angefertigt hat,
00:47:29
nichts drinsteht von irgendwelchen Schwierigkeiten oder Komplikationen während des Eingriffs.
00:47:34
Am 21. Februar 2024 fällt das Landgericht Düsseldorf schließlich sein Urteil.
00:47:40
Dr. Philipp Nowak wird wegen Körperverletzung mit Todesfolge
00:47:43
in Tateinheit mit Körperverletzung schuldig gesprochen.
00:47:46
Die Kammer hält es für erwiesen,
00:47:47
dass er den kleinen Aaron noch im Mutterleib tödliche Verletzungen mit der Geburtszange zuführte
00:47:52
und Luisa körperlich misshandelte,
00:47:54
indem er das medizinische Instrument gegen ihren Willen benutzte.
00:47:57
Ins Gefängnis muss der 59-Jährige deswegen jedoch nicht.
00:48:01
Die Kammer hält eine 10-monatige Freiheitsstrafe auf Bewährung für Tat und Schuld angemessen.
00:48:07
Ein mildes Urteil, das auf der Annahme beruht, dass es sich hier in Bezug auf die Körperverletzung
00:48:11
mit Todesfolge um einen minderschweren Fall handelt, wie in der Urteilsbegründung klar wird.
00:48:16
Für die Kammer steht außer Frage, dass Dr. Nowak Luisa schadete,
00:48:20
indem er ohne Erlaubnis die Geburtszange einführte.
00:48:23
Er habe sich mit ihrem Kaiserschnittwunsch schlichtweg nicht auseinandergesetzt
00:48:27
und auf Basis seiner persönlichen Überzeugungen und Präferenzen gehandelt.
00:48:31
Was für das Gericht jedoch auch klar ist, ihrem Baby böswillig schaden, wollte er nie.
00:48:36
Zwar habe der Arzt um die Risiken einer Zangengeburt gewusst,
00:48:39
eine feindselige Willensrichtung habe er aber nicht gehabt.
00:48:44
Der Einsatz der Zange sei Teil eines ärztlichen Heileingriffs gewesen.
00:48:48
Dr. Nowak habe zum Ziel gehabt, ein gesundes, lebendiges Kind zu entbinden.
00:48:52
Und auch wenn die Todesfolge seines Handelns für ihn vorhersehbar gewesen sei,
00:48:57
müsste man berücksichtigen, dass ich dieses Risiko selten einstelle
00:49:00
und die Tat somit Züge eines Unglücksfalls trage.
00:49:03
Und nicht nur in puncto Freiheitsstrafe lässt das Gericht milde walten.
00:49:08
Weil das Gericht der Ansicht ist, dass der Vorfall und auch der Prozess
00:49:12
eine so krasse Signalwirkung auf den Mediziner haben,
00:49:14
dass ihm sowas nicht wieder passiert
00:49:16
und er sich künftig nicht über die Wünsche und die Bedürfnisse seiner Patientinnen hinwegsetzen wird,
00:49:21
legt sie Dr. Nowaks Karriere nicht mal für eine Zeit lang durch ein Berufsverbot aufs Eis.
00:49:26
Kann natürlich trotzdem sein, dass die Ärztekammer da nochmal nachschaut,
00:49:30
ob sich Nowak hier berufsunwürdig oder grob pflichtwidrig verhalten hat.
00:49:34
Die könnten in so einem Fall nämlich die Approbation entziehen.
00:49:37
Jedenfalls hat Nowak selbst kurz vor der Urteilsverkündung im Prozess klargemacht,
00:49:42
dass er weiterhin als Arzt arbeiten will
00:49:44
und auch bis zur Rente in der Geburtsmedizin bleiben möchte.
00:49:47
Insofern kann man nur hoffen,
00:49:49
dass das Gericht mit seiner Einschätzung recht behält
00:49:51
und er das Ganze wirklich als
00:49:53
ich traue es mich kaum zu sagen, aber Warnung versteht.
00:49:56
Also eine Warnung, für die ein Menschenleben beendet wurde.
00:50:00
Und dass er das mit der Aufklärung und Einwilligung zukünftig ernst nimmt,
00:50:05
damit andere Frauen nicht die gleichen Erfahrungen wie Luisa machen müssen.
00:50:09
Doch selbst wenn Dr. Nowak es zukünftig besser machen sollte,
00:50:12
bringt ihr und André das nichts mehr.
00:50:15
Die beiden haben ihren Sohn verloren.
00:50:17
Der kleine Aaron starb an einem Ort, an dem Luisa auf Sicherheit und Wohlwollen hoffte.
00:50:21
Auf Menschen, die sich gut um sie und ihr Baby kümmern und ihr helfen würden,
00:50:25
es gesund auf die Welt zu bringen.
00:50:28
Doch stattdessen geriet sie an einen Arzt, der sich über sie hinweg setzte.
00:50:31
Hätte er doch nur auf die in seinen Augen völlig panische, schmerzverzerrte und wahrnehmungsgestörte,
00:50:38
alles in Anführungszeichen, Luisa gehört
00:50:40
und den offensichtlich nur nachteilbringenden Kaiserschnitt sofort durchgeführt,
00:50:45
dann wäre Luisa der wahrscheinlich größte Schmerz ihres Lebens erspart geblieben.
00:50:50
Also, ich habe mich hier während der Erzählung, glaube ich, ausgiebig genug über den Arzt aufgeregt
00:51:01
und darüber, dass seine persönliche Sicht auf einen Kaiserschnitt hier zu dem Tod eines Kindes geführt hat.
00:51:07
Abgesehen davon, dass seine Entscheidung hier wirklich zu einem ganz schrecklichen Ausgang geführt hat,
00:51:13
ist dieses Thema Kaiserschnitt wirklich sehr sensibel
00:51:16
und eines, was oft dafür benutzt wird, Müttern eine Mitschuld an einer möglichen,
00:51:20
nicht so gut verlaufenden gesundheitlichen Entwicklung des Kindes zu geben.
00:51:24
Und nochmal, weil ich weiß, dass es oft ein Argument ist von Leuten, die auf Instagram wütend,
00:51:30
es geht nicht darum, dass man nicht genügend aufklärt über mögliche Langzeitauswirkungen.
00:51:35
Übrigens kurz dazu, man sollte auch über die möglichen Schäden einer vaginalen Geburt ausreichend aufklären.
00:51:41
Sondern es geht darum, dass medizinisches Personal hier die eigene Einstellung
00:51:46
über die der werdenden Eltern bzw. natürlich über die der werdenden Mutter stellt,
00:51:50
um denen die Option auf einen Kaiserschnitt vorzuenthalten.
00:51:54
Das sollte in keinem Fall passieren.
00:51:56
Übrigens auch nicht andersrum.
00:51:58
Ich habe ja eingangs erklärt, dass mittlerweile jede dritte Geburt ein Kaiserschnitt ist.
00:52:02
Und das ist nicht allein auf steigende Komplikationen oder medizinische Notwendigkeit zurückzuführen,
00:52:07
sondern unter anderem auch darauf, dass Kaiserschnitte den Kliniken mehr Geld bringen als natürliche Geburten.
00:52:13
Das liegt am Abrechnungssystem.
00:52:15
Also operative Eingriffe werden höher vergütet als vaginale Geburten.
00:52:19
Und vaginale Geburten dauern halt oft viele Stunden und brauchen auch viel Personal.
00:52:26
Und die werden nur pauschal bezahlt, egal wie lange sie dauern.
00:52:28
Also heißt, strukturell begünstigt das System den Kaiserschnitt.
00:52:32
Und auch das kann in manchen Fällen dazu führen, dass die Gebärende nicht neutral informiert wird,
00:52:38
sondern dann in diesem Fall eher zu einem Kaiserschnitt geraten wird.
00:52:42
Ich will sagen, dieses Ungleichgewicht kann auf beiden Seiten entstehen.
00:52:45
Und das ist natürlich wirklich ein Problem, weil man macht so eine Geburt ja nicht allein und verlässt sich auf das Personal,
00:52:51
weil das natürlich eigentlich besser wissen soll, was zu tun ist, als man selbst.
00:52:56
Und wenn die dann mit Druck oder sogar noch mit Gewalt auf einen einwirken,
00:53:00
dann liegt es ja auch nahe zu sagen, okay, auch wenn das gegen alles geht, was ich möchte,
00:53:06
dann ergebe ich mich jetzt, um mein Kind nicht zu gefährden.
00:53:09
Das war jetzt in dem Fall nicht so, aber das machen natürlich genau viele Frauen.
00:53:12
Natürlich, weil die meisten Ärztinnen es auch wirklich besser wissen.
00:53:16
Aber für mich ist einfach so erdrückend, dass dieses Vertrauen in dem Moment so ausgenutzt und gebrochen wurde.
00:53:22
Wie gesagt, in den allermeisten Fällen weiß das Personal das natürlich besser.
00:53:25
Und dass wir uns mit dem Thema hier jetzt auseinandersetzen, soll auch nicht dazu führen,
00:53:29
dass jetzt ein grundsätzliches Misstrauen gegenüber den Menschen, die in der Geburtshilfe arbeiten, geschürt wird.
00:53:34
Natürlich haben die Menschen in der Regel ein Interesse daran,
00:53:37
dass es sowohl den Frauen als auch ihren Babys gut geht.
00:53:40
Und vor allem Hebammen leiden ja ebenso unter den ganzen Strukturen.
00:53:44
Also es ist jetzt ein anderes Thema.
00:53:45
Aber ich wollte es nur noch mal dazu sagen, ihr wisst, hier geht es immer nur um True-Crime-Fälle,
00:53:48
also um Kriminalfälle.
00:53:50
Das heißt, wir picken uns hier natürlich auch die Fälle raus, die besonders schlimm geendet sind.
00:53:55
Aber wir bekommen tatsächlich mittlerweile seit Jahren immer wieder dazu Nachrichten,
00:54:00
dass wir uns diesem Thema mal annehmen sollen, weil es eben sehr, sehr viele Frauen betrifft,
00:54:04
die natürlich alle Erfahrungen mit den unterschiedlichen Arten von Gewalt gemacht haben.
00:54:09
Aber es wurde sich sehr gewünscht, dass wir dem Thema eine Plattform geben.
00:54:12
Im Laufe der Jahre hat das Thema Gewalt in der Geburtshilfe auch sowieso schon ein bisschen mehr Sichtbarkeit bekommen.
00:54:18
Unter anderem war er am sogenannten Roses Revolution Day.
00:54:21
Der ist jährlich am 25. November.
00:54:23
Ist übrigens auch der Orange Day, also der internationale Tag gegen Gewalt gegen Frauen.
00:54:27
Auf jeden Fall wird er auch als Aktionstag genutzt,
00:54:30
an dem vor allem Frauen Rosen vor Kreissäle, Kliniken und so weiter liegen,
00:54:35
um auf ihre Gewalterfahrungen aufmerksam zu machen.
00:54:38
Und die Bilder davon teilen die dann halt auf Insta zum Beispiel.
00:54:41
Das Problem, wieso dieses Thema so riesig ist, aber trotzdem kaum Beachtung bekommt,
00:54:45
ist natürlich zum einen diese Unsichtbarkeit, von der ich vorhin auch gesprochen habe.
00:54:49
Also beispielsweise diese psychische Gewalt, die da auch ausgeübt wird.
00:54:53
Und zum Glück enden die allermeisten Fälle ja auch nicht wie der von Luisa.
00:54:57
Allerdings ist das natürlich auch der Grund, warum diese Fälle nicht vor Strafgerichten landen.
00:55:02
Unsere Expertin Sabrina Diehl hat uns noch erzählt,
00:55:04
dass es viele Fälle gibt, in denen Frauen Erfahrungen gemacht haben,
00:55:07
die sie als gewaltvoll erlebt haben und auch den gerichtlichen Weg gehen wollen.
00:55:11
Und ihnen dann aber davon abgeraten wird, weil es einfach keine Chance auf Erfolg gibt.
00:55:15
Zum einen, weil Krankenhäuser anwaltlich sehr gut aufgestellt sind.
00:55:19
Und dann, weil JuristInnen wie Sabrina Diehl aber auch teilweise die Hände gebunden sind, hat sie uns erzählt.
00:55:25
Also grundsätzlich müssen wir drei Punkte erfüllen,
00:55:28
um entweder, wir hatten strafrechtlich auch die Körperverletzung zu definieren
00:55:34
oder eben auch Behandlungsfehler festzustellen, der kausal zu einem Körperschaden geführt hat.
00:55:38
Das heißt, wir prüfen, liegt überhaupt ein Fehler vor,
00:55:42
also ein Abweichen vom Facharztstandard, liegt ein Schaden vor
00:55:47
und ist der Schaden ursächlich auf die fehlerhafte Behandlung zurückzuführen.
00:55:52
Das ist eine sogenannte Kausalitätsprüfung.
00:55:54
Die werden streng getrennt voneinander geprüft.
00:55:57
Das heißt, in vielen Fällen mögen auch wirklich Behandlungsfehler vorliegen.
00:56:01
Wenn ich aber keinen Schaden habe, wenn ich also Glück hatte, dass kein Schaden eingetreten ist,
00:56:05
interessiert sich weder ein Strafgericht noch ein Zivilgericht mit der Frage, ob ein Fehler passiert ist.
00:56:11
Es ist dann immer wieder auch die Frage, ja, aber was hätte alles passieren können?
00:56:15
Was alles hätte passieren können, ist für uns Juristen überhaupt nicht relevant.
00:56:20
Also heißt das Strafrecht greift bei solchen Fällen wirklich nur selten nicht,
00:56:24
weil nichts passiert ist, sondern weil unser Rechtssystem auf diese Fälle bezogen halt eben eher schwarz-weiß denken kennt.
00:56:30
Also Schaden oder kein Schadenschuld oder keine Schuld.
00:56:32
Und was dazwischen liegt, das kommt halt eben oft nicht an die Oberfläche.
00:56:36
Wenn ihr sowas erlebt habt und euch ein bisschen sichtbarer machen wollt,
00:56:39
wir posten die Tage auf Instagram bei Mordlust, der Podcast.
00:56:42
Dazu was, da könnt ihr euch über eure Erfahrungen austauschen, wenn ihr das mögt.
00:56:45
In der Folgenbeschreibung findet ihr aber auch nochmal Anlaufstellen,
00:56:48
falls euch sowas passiert ist und ihr Unterstützung braucht.
00:56:51
Nächste Woche besprechen Laura und ich einen sehr bekannten und aufsehenerringenden Vermisstenfall zusammen,
00:56:58
der uns auch schon sehr viele Jahre beschäftigt.
00:57:06
Das war ein Podcast der Partner in Crime.
00:57:08
Hosts und Produktion Paulina Kraser und Laura Wohlers.
00:57:12
Redaktion Jennifer Fahrenholz und wir.
00:57:16
Schnitt Pauline Korb.
00:57:18
Rechtliche Abnahme und Beratung Abel und Kollegen.