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Willkommen bei Mordlust, einem Podcast der Partner in Crime. Wir reden hier über wahre Verbrechen
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und ihre Hintergründe. Mein Name ist Paulina Kraser und ich bin Laura Wohlers. In jeder Folge
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erzählen wir einen bedeutsamen, wahren Kriminalfall nach, ordnen den für euch ein, erörtern und
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diskutieren die juristischen, psychologischen oder gesellschaftlichen Aspekte und sprechen mit
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Menschen mit Expertise. Hier geht es um True Crime, also auch um die Schicksale von echten Menschen.
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Bitte behaltet das immer im Hinterkopf. Das machen wir auch, selbst dann werden wir zwischendurch mal
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etwas abschweifen. Das ist für uns eine Art Comic Relief, aber natürlich nicht despektierlich gemeint.
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Der Fall, den wir heute erzählen, der handelt von einer Suche, die gleich mehrere Rätsel aufwirft und
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von einer Familie, die nie die Hoffnung verliert. Bevor wir dazu kommen, möchte ich mit dir aber
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nochmal über ein Thema sprechen, das wir in der vorletzten gemeinsamen Folge angesprochen haben,
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als es um den Fall Hannah ging, der jetzt nochmal neu verhandelt werden soll. Und zwar über
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Vergewaltigungspornos. Weil irgendwie musste ich da im Anschluss noch länger drüber nachdenken.
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Darüber, was du gesagt hast in Bezug auf die Pornolandschaft. Also, dass die eben voll von
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Vergewaltigungspornos ist. Weil, call me naiv, aber ich war jetzt schon irgendwie ein bisschen
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davon schockiert.
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Ja, ich weiß auch nicht. Vielleicht bin ich in einem anderen Umfeld groß geworden. Also,
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ist jetzt was anderes. Aber hast du früher auch dieses Two Girls One Cup gesehen?
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Ja, mit 16 oder 15.
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Ja, genau. Und ich weiß auch nicht. Ich habe das Gefühl, ich bin sozusagen schon relativ früh
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durch mein Umfeld im Spaß, in Anführungszeichen, an solche Videos herangeführt worden. Und ich
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meine, Vergewaltigungspornos ist ja nicht das Einzige, was man da so findet. Deswegen, also
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für mich war es jetzt nicht überraschend, auch weil wir schon so viele Fälle gehabt haben,
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wo das eine Rolle spielt.
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Übrigens kann man ja auch mal dazu sagen, die Verbreitung von solchen Rape-Porns, auch wenn das
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alles gespielt ist und im Einvernehmen, setze ich jetzt mal in Anführungszeichen, weil Frauen auch
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sehr oft in dieser Branche ausgebeutet werden, ja, ist in Deutschland verboten. Also nicht das
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Anschauen, aber zum Beispiel das Verbreiten, das Herstellen und das Zugänglichmachen, so heißt es im
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Gesetz. Und das hat unter anderem den Grund, weil es eine Gefahr der Nachahmung gibt, weil es die
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Hemmschwelle für Gewalt gegen Frauen senken kann.
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Genau, und ich habe auf meiner kleinen Recherchereise zu diesem Thema dann noch was
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gefunden, was mich fast noch mehr schockiert als Vergewaltigungspornos.
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Ich habe ja schon diese Kategorien auf den Seiten mit diesen kleinen Anzeigebildern so in
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meinem Kopf. Welche davon ist es?
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Nee, es geht in eine andere Richtung.
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Und zwar wurde vor kurzem ein Vergewaltigungsspiel auf der Plattform Steam veröffentlicht mit dem
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Namen No Mercy. Und da bist du quasi der männliche Proter der Frauen, einschließlich
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seiner eigenen Mutter erpresst, missbraucht und vergewaltigt und dafür eben Punkte
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Warte mal ganz kurz. Wie? Also ein Vergewaltigungsspiel, das heißt ein Computerspiel?
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Ja, ein PC-Spiel, genau.
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Und du spielst es aus Sicht des Broters.
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Genau. Und kriegst halt Punkte dafür, dass du Frauen wie deine Mama vergewaltigst.
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Ja, und das war im März dieses Jahres. Und kurz danach hat sich die breite Öffentlichkeit,
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die das mitbekommen hat, darüber aufgeregt. Und das spielte eben als ethisch inakzeptabel
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verurteilt. Die Spiele-Macher haben sich daraufhin auch geäußert und gesagt, es handelte sich
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um eine, Zitat, erwachsenen Visual Novel und um, Zitat, populäre Fetische. Und sie forderten
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mehr Offenheit gegenüber solchen Inhalten.
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Ich weiß nicht. Also gerade was so Porno-Konsum angeht und so gibt es ja eh sehr viele Bedenken
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in Bezug auf VR-Brillen und so. Dass das alles sozusagen dann wie eine Art echtes Erlebnis
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wird. Und ich kann mir auf jeden Fall vorstellen, dass das die Hemmschwelle noch mehr senkt.
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Also ich weiß nicht, ich war jetzt nie eine exzessive Gamerin, obwohl ich früher auch
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so Oblivion und Far Cry und so gespielt habe. Aber ich weiß noch, als ich die Sims, die
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habe ich wirklich sehr viel gespielt. Und ich habe irgendwann im richtigen Leben, wenn
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sich meine Eltern gestritten haben und so, habe ich die ganze Zeit sozusagen nach dem doppelte
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Geschwindigkeit-Button gesucht. Weißt du, also mein Hirn war schon so programmiert. Und das
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ist jetzt natürlich überhaupt nicht zu vergleichen. Aber weil wir ja auch in Folge 200 darüber
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geredet haben, dass man immer neue Reize braucht, um überhaupt wieder auf das Level
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an Erektion und Befriedigung zu kommen. Ich finde es wirklich sehr problematisch.
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Ja, ich auch. Und kurze Zeit wurde dann glücklicherweise das Spiel auch in mehreren
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Ländern verboten, zum Beispiel auch in Großbritannien. Und im April wurde das Spiel dann auch weltweit
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aus diesem Steam-Store entfernt. Und das Ganze hat jetzt eben eine Debatte ausgelöst zum
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Thema, ob es in dem Bereich Computerspiele strengere Regeln geben sollte.
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Ja, finde ich auf jeden Fall. Ja. Gerade wenn du da selber noch interaktiv eine Rolle
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spielen kannst. Ja. Und wie du sagst, mit den Virtual-Reality-Brillen und so. Ja, das
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wird ja fast noch wichtiger. Ja. Und weil es in Zukunft auch bestimmt noch Sachen geben
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wird, die wir uns jetzt gar nicht vorstellen können, die das noch alles realer machen.
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Ja, genau. Gruselig.
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Hoffen wir, dass es da bald Änderungen geben wird. Ja.
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Jetzt widmen wir uns aber unserem Fall, der uns an eine verlassene Haltestelle in einem dunklen
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Ort führt. Eine Haltestelle, an der sich eine Spur verliert und an der Jahre später eine
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mysteriöse Nachricht auftaucht. Einige Namen haben wir geändert. Es ist der Neujahrstag 2001,
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ein Montag. Dampfende Töpfe und Pfannen stehen zur Mittagszeit auf dem gedeckten Esstisch der Familie
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Konert in Großgadau, einem Ortsteil der niedersächsischen Gemeinde Waddeweiz. Drumherum acht Stühle,
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auf denen die Familienmitglieder sitzen. Die Eltern Marion und Ralf, die vier Schwestern Melanie,
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Sabrina, Jana und Katrin und die Brüder Luca und Pascal, die Nachzügler der Familie. Luca ist vier
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Jahre alt und Pascal erst eins. Ihre Schwestern sind dagegen längst im Teenageralter angekommen.
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Katrin ist mit ihren 15 Jahren die jüngste von ihnen. Aber nie die, die Klein bei gibt. Sie hat
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gelernt, was es bedeutet, sich gegen drei ältere Schwestern durchzusetzen und sie weiß genau, was sie will
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und wie sie das kriegt. Heute zum Beispiel will sie nach dem Mittagessen noch zu ihrer besten
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Freundin Lena in die 13 Kilometer entfernte Gemeinde bergen, sagt sie. Und das, obwohl das
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Wetter draußen schmuddelig ist und niemand von ihrer Familie sie fahren kann. Katrins Eltern und
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ihren Schwestern steckt nämlich noch die Silvesterfeier vom Vortag in den Knochen. Sie
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hatten mit über 30 Personen einen Raum gemietet, um das neue Jahr willkommen zu heißen. Die Party ging
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dementsprechend lang und Katrins Eltern wollen nach dem Essen lieber einen Mittagsschlaf machen. Für
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Katrin ist das fein. Zur Not kommt sie auch mit dem Bus nach Bergen. Während sich ihre Eltern also
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aufs Sofa legen, steht Katrin kurz nach dem Mittagessen in der Tür von ihren Schwestern Sabrina und
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Jana, die sich ein Zimmer teilen. Sie hat ein Anliegen. Katrin will Sabrinas weißen Rollkragenpulli
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ausleihen, der ihr so gut gefällt. Die Schwestern tauschen oft ihre Klamotten, sie haben alle etwa
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dieselbe Größe. Aber heute sagt Sabrina nein. Nur ist das Katrin ganz egal. Sie schnappt sich den weißen
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Pulli trotzdem und streift ihn sich über den Kopf. Ihre schwarz gefärbten Haare, die sie aktuell
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kinnlang trägt, fallen jetzt locker über den Rollkragen. Nur die vorderen Strähnen hängen ihr als
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frecher Pony ins Gesicht. Damit ist es entschieden. Zumindest heute gehört der Pulli Katrin. Dazu
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kombiniert sie ihre schwarze Korthose und schwarze Stiefel. Dann schlüpft sie in ihre ebenfalls schwarze
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Bomberjacke und um kurz nach 15 Uhr ist sie auch schon aus der Tür hinaus. Und im Haus der Konats kehrt Ruhe ein.
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Drei Stunden später, gegen 18 Uhr, vibriert Janas Handy. Eine Nachricht von Katrin.
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Bin zwischen 18.30 Uhr und 19 Uhr zu Hause. Sag Mama und Papa Bescheid, schreibt sie. Kein Smiley, nur diese
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nüchternen Worte. Jana liest die Zeile im Display. Dann tippt sie routiniert auf Löschen. Der Speicher ihres
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Handys ist ständig voll. Jede SMS weniger zählt. Anschließend denkt Jana nicht weiter über Katrins
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Nachricht nach, bis gegen kurz nach 19 Uhr plötzlich ihre Mutter im Türrahmen steht. Ist Katrin schon da?
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Will Marion wissen. Jana schüttelt den Kopf. Sie wollte bis sieben zurück sein, sagt sie und schaut
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erneut auf ihr Handy. Keine neue Nachricht. Mutter Marion sieht besorgt aus. Die Temperaturen liegen an
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diesem ersten Tag des Jahres nur knapp über dem Gefrierpunkt und draußen ist es inzwischen
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stockdunkel. So dunkel, dass man die Felder hinter dem Haus der Familie Konat durch die Fenster kaum mehr
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erkennen kann. Die Straße vor dem Haus wird noch von einzelnen Lichtkegeln der Laternen erhellt. In ihnen kann
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Marion auch sehen, dass inzwischen ein ungemütlicher Nieselregen eingesetzt hat, der die Straße benetzt und
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wegen der Kälte eine dünne Eisschicht auf ihr hinterlässt. Blitzeeis. Jede Autofahrt und jeder
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Schritt auf dem Gehweg kann zur Gefahr werden. Da stimmt was nicht, sagt Marion schließlich an Jana
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gewandt und sagt ihrem Mann Ralf Bescheid. Der bleibt gelassen. Katrin kommt bestimmt gleich, meint er.
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Denn es ist zu Ralfs Unmut nicht das erste Mal, dass seine Tochter unabgesprochen ihrem Zuhause
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fern bleibt. Diesmal hat sie sich bestimmt nur verspätet, glaubt Ralf. Und so vergehen die Minuten.
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Die Zeiger der Uhr schieben sich unaufhaltsam Richtung halb acht. Keine Katrin. Kein Anruf.
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Jana und Marion haben inzwischen auch versucht, sie anzurufen, aber es kann keine Verbindung hergestellt
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werden. Katrins Telefon scheint aus zu sein. Das muss aber nichts heißen, versucht Jana, ihre Mutter
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zu beruhigen. Katrins Akku war schon fast leer, als sie aufgebrochen ist. Mittlerweile ist es schon
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20 Uhr. Katrin wollte vor einer Stunde spätestens daheim sein. Selbst Vater Ralf ist inzwischen
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unruhig. Er greift zum Telefon und wählt die Nummer von Katrins Freundin Lena. Vielleicht weiß die
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mehr. Vielleicht ist Katrin noch bei ihr. Aber der Anruf bei Lena ruft bei Katrins Eltern nur mehr
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Grund zur Sorge hervor. Lena sagt, dass Katrin heute gar nicht bei ihr war. Offenbar hatte Katrin
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Lena nur vorgeschoben. Denn eigentlich, sagt Lena, war Katrin bei Matze. Einem gemeinsamen Freund der
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beiden. Lena wollte zunächst noch nachkommen, hat sich dann aber doch dagegen entschieden. Katrin und
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Matze waren also alleine. Mehr weiß Lena nicht, sagt sie und hinterlässt damit bei Katrins Eltern ein
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ungutes Gefühl und viele Fragen. Wer ist dieser Matze und warum haben sie noch nie von ihm gehört? Warum hat
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Katrin sie angelogen? Katrins Vater Ralf sieht aktuell keine Möglichkeit, Antworten auf seine Fragen
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zu finden. Also geht er ins Zimmer seiner Tochter und schaut, ob er dort irgendeinen Hinweis auf ihren
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Verbleib findet. Zwischen Pferdebüchern und Postern der Band Pudis findet er ihren Geldbeutel. Warum hat sie
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dir nicht mitgenommen? Dann stößt er auf eine Notiz mit einer Nummer. Matzes Nummer, die er sofort wählt. Dieser
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Matze, bei dem Katrin offenbar den Nachmittag verbracht hat, muss ja wissen, wo sie ist. Vielleicht ist sie wegen des
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schlechten Wetters auch dort geblieben? Es klingelt, dann meldet sich jemand und Ralf fällt aus allen Wolken. Mit dem, was er jetzt hört, hatte er nicht gerechnet. Als Lena sagte, dass Matze ein gemeinsamer Freund sei, hatte Ralf an einen Jungen in ihrem Alter gedacht. Doch Ralf ist, das wird ihm gleich bei der Begrüßung klar, mit einem Mann verbunden.
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Ein Mann mit einer tiefen Stimme, der offenbar den ganzen Mittag mit einer 15-Jährigen alleine war. In Ralf steigt die Wut auf. Er hat 100 Fragen. Aber seine Sorge um Katrin ist größer, deshalb stellt er zuerst die wichtigste. Wo ist Katrin? fragt Vater Ralf. Ist sie noch bei ihm? Nein, sagt der Mann in der Leitung. Und er wisse nicht, wo Katrin ist. Sie sei um 18.45 Uhr bei ihm losgegangen. Seitdem habe er nichts mehr von ihr gehört.
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Ralfs Herz schlägt schneller. Er stellt noch einige Nachfragen, aber Matze ist ihm keine Hilfe. Deshalb legt Ralf schließlich auf. Über die Sache mit dieser Matze muss er später mit Katrin reden. Aber zuerst muss er sie finden. Also fängt der besorgte Vater an, die Krankenhäuser in der Umgebung abzutelefonieren. Vielleicht hatte Katrin bei dem Blitzeis einen Unfall?
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Während ihr Vater noch telefoniert, fassen Mutter Marion und die Schwestern Jana und Sabrina einen Entschluss. Sie wollen selbst nach Bergen fahren und nach Katrin suchen.
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Sabrinas Freund Carsten bietet an, bei der Suche zu helfen. Er erzählt, dass Katrin ihm noch gegen 18 Uhr eine SMS geschickt hat. Sie hatte ihn gebeten, sie aus Bergen abzuholen und nach Hause zu fahren.
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Gefühlt hundertmal hat Carsten die jüngere Schwester seiner Freundin schon irgendwo abgeholt und durch die Gegend gefahren. Nur diesmal hat er Nein gesagt. Wegen der Glätte.
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Was, wenn Katrin immer noch in Bergen ist und auf eine Mitfahrgelegenheit hofft.
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Gegen 21 Uhr, zwei Stunden nachdem Katrin zu Hause hätte sein sollen, machen sich die vier auf den Weg.
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Von Großgadau, wo sie wohnen, fahren sie 13 Kilometer über eine vereiste Landstraße nach Bergen an der Dumme.
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Ein kleines Dorf direkt an der Grenze zu Sachsen-Anhalt. Die Straßen sind rutschig, die Stimmung im Auto ist angespannt.
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Und sie bleibt es auch, als sie schließlich in Bergen ankommen und an Matzes Wohnungstür klingeln.
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Als sich die Tür öffnet, steht vor ihnen ein Mann mit Bartwuchs und feinen Fältchen im Gesicht.
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Er ist 30 Jahre alt, doppelt so alt wie Katrin.
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Die Vorstellung, dass ihre jüngste Tochter einen Nachmittag in der Wohnung dieses Typen verbracht hat, bereitet Mutter Marion Bauchschmerzen.
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Denn Matze wirkt schon auf den ersten Blick ein bisschen neben der Spur.
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So, als wäre er betrunken oder bekifft, findet Carsten.
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Monoton und langsam erzählt er, dass er Katrin am Nachmittag in ihrer Heimatstadt Großgadau mit einem Kumpel abgeholt habe.
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Sein Kumpel sei gefahren.
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Katrin habe an einer Bushaltestelle auf sie gewartet.
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Nicht die Bushaltestelle vor ihrer Haustür, sondern eine weiter, damit ihre Eltern sie nicht sehen.
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Zu dritt seien sie dann nach Bergen gefahren.
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Und der Kumpel habe sie bei Matze abgesetzt, erklärt der 30-Jährige.
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Zu zweit hätten sie einige Videos geguckt.
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Und um 17.30 Uhr habe Katrin versucht, sich eine Mitfahrgelegenheit nach Hause zu organisieren.
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Teils habe sie dafür sein Handy benutzt, sagt Matze.
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Und teils ihr eigenes, das aber fast kein Guthaben mehr hatte.
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Wen sie angerufen hat und was besprochen wurde, wisse er nicht.
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Wegen des Blitzeises auf der Straße sei er nämlich gar nicht die ganze Zeit bei ihr gewesen.
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Er habe draußen vor dem Haus Salz streuen müssen, erklärt er weiter.
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Gegen 18.45 Uhr sei sie dann bei ihm aufgebrochen, wiederholt er noch einmal.
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Warum er sie denn nicht nach Hause gefahren habe, will Marion wissen.
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Wie kann man denn ein 15-jähriges Mädchen am Abend in der Dunkelheit und bei dem Wetter vor die Tür setzen?
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Er habe kein Auto, erwidert Matze.
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Und er sei davon ausgegangen, dass sie sich bereits eine Mitfahrgelegenheit organisiert habe.
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Marion, Jana, Sabrina und Carsten können das nicht fassen.
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Wie unverantwortlich.
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Außerdem wirkt Matze in Anbetracht dessen, dass von Katrin jetzt seit Stunden niemand mehr etwas gehört hat, ziemlich unbeeindruckt.
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Er bietet nicht einmal an, ihnen bei der Suche nach ihr zu helfen.
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Deshalb ziehen sie im Anschluss allein los.
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Zu viert streifen sie durch Bergen.
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Der Himmel hängt schwer über den Dächern der 1500-Seelen-Gemeinde.
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Sie liegt still da, wortwörtlich, wie eingefroren.
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Der Ortskern zieht sich direkt an der Bundesstraße entlang, die mitten durch Bergen führt.
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Eine gerade Schneise durch Fachwerkhäuser, kleine Läden und alte Höfe.
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Jetzt ist die Straße nur noch schwach befahren.
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Ab und zu rauscht ein Auto an ihnen vorbei.
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Dann ist wieder Stille.
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Niemand ist mehr draußen.
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Nicht um diese Uhrzeit.
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Die wenigen Straßenlaternen werfen blasses Licht auf nasse Gehwege und tauchen den Ort in ein schummriges Halbdunkel.
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An einer der Kreuzungen zweigt eine kleine Straße ab, die nach Großgadau führt.
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Von dort ist Katrin heute gekommen.
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Und dort, fast unscheinbar, steht auch ein verlassenes Bushaltestellenhäuschen aus Holz.
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Von hier hätte Katrin den Bus nehmen können.
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Um 19.30 Uhr wäre noch einer gefahren, verrät der Busfahrplan an der Fassade.
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Hat sie den genommen?
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Marion, Jana, Sabrina und Carsten laufen die Straße rauf und runter,
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vorbei an weiteren Bushaltestellen, einer Kirche und einem Imbiss namens Bella Italia.
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Ihre Rufe hallen durch die nächtliche Leere.
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Katrin, Katrin, keine Antwort.
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Nur das Geräusch ihrer Schritte auf dem vereisten Boden.
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Nach etwa einer Stunde geben sie auf und machen sich auf den Heimweg.
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Vielleicht ist Katrin ja inzwischen zu Hause angekommen.
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Aber als sie die Haustür öffnen, ist da keine Erleichterung.
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Keine Schuhe von Katrin im Eingangsbereich.
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Keine Katrin, die in ihrem Zimmer liest.
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Vater Ralf hat all ihre Freundinnen und alle Krankenhäuser abtelefoniert.
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Auch dort ist sie nirgends.
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Ihr Handy ist weiterhin aus.
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Es ist, als wäre sie verschwunden.
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Statt Katrin ist jetzt die Sorge um sie im ganzen Haus anwesend.
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Doch der Name Konert löst im Polizeipräsidium der Kreisstadt Lüchow erstmal keinen Grund zur Eile aus.
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Die Beamtinnen bleiben zwar nicht untätig.
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Am Tag nach ihrem Verschwinden befragen sie Zeuginnen aus Katrins Umfeld.
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Aber in den ersten 24 Stunden wird nicht mit vollem Einsatz nach ihr gesucht.
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Denn die Beamtinnen haben Zweifel daran, dass Katrin wirklich verschwunden ist.
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Grund dafür ist ein ungewöhnlicher Vorfall, der erst zwei Wochen zurücklegt.
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Katrin hatte zu Hause im Badezimmer aus dem offenen Fenster geraucht und ihr Vater hat sie dabei erwischt.
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Daraufhin kam es zu einem heftigen Streit zwischen den beiden, so heftig, dass Katrin ihre Sachen packte und weglief.
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Weit ist sie nicht gekommen.
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Ihr Vater Ralf hat sie wenig später mit dem Auto eingeholt.
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Doch der Versuch wegzulaufen hat den Streit nur noch weiter eskalieren lassen.
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Am Ende sogar so sehr, dass die beiden gemeinsam zur Polizei fuhren.
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Dort sollte ein Polizeibeamter zwischen ihnen vermitteln.
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Jetzt, zwei Wochen später, erinnert sich der Polizist daran.
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Er weiß aus erster Hand, wie stur Vater Ralf und seine Tochter Katrin sind.
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Und er erinnert sich daran, was Ralf vor zwei Wochen auf dem Revier gesagt hatte.
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Wenn meine Tochter das nächste Mal abhaut, brauchen sie nicht nach ihr zu suchen, hat er damals im Eifer des Gefechts gesagt.
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Dass Katrin jetzt wohl wieder von zu Hause weg ist, passt da gut ins Bild.
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Wahrscheinlich hat sie einfach keine Lust mehr auf die Streitereien mit ihrem Vater gehabt, mutmaßt die Polizei.
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Wahrscheinlich versteckt sie sich einfach bei einer Freundin und taucht bald wieder auf.
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Das liegt für die Beamtinnen jedenfalls nahe.
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Schließlich haben sie es mit einem rebellischen Teenager zu tun.
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Und dass Katrin gerne mal rebelliert hat, bestätigen auch Zeuginnen aus ihrem Umfeld, die befragt werden.
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Allen voran ihre Freundinnen und Bekannte der Familie.
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Sie betonen, dass Katrin immer lieb und gut gelaunt ist, aber eben auch eigensinnig.
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Sie lässt sich von niemandem etwas sagen und will am liebsten mit dem Kopf durch die Wand.
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In der Gesamtschule wiederholt sie gerade die achte Klasse.
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Doch statt dem Unterricht zu folgen, quatscht sie lieber mit ihren Klassenkameradinnen.
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In den Pausen trifft man sie draußen beim Rauchen.
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An den Wochenenden geht sie mit ihrer besten Freundin Lena in den Saloon.
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Ein Dorfclub, in dem alle jungen Leute aus der Umgebung feiern.
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Wo sich Katrins Freundinnen aber einig sind, ist, dass Katrin nie wirklich von zu Hause abhauen wollte.
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Sie und ihr Vater haben sich zwar oft in die Haare bekommen, weil sie eben beide stur sind.
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Aber Katrin wollte nie ernsthaft weg.
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Schon deshalb, weil sie ihre Geschwister so lieb hat.
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Vor allem ihre beiden kleinen Brüder Luca und Pascal.
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Sie würde nicht weglaufen und ihre Geschwister zurücklassen.
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Dagegen spricht auch, dass sie nichts von zu Hause mitgenommen hat.
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Keine Klamotten und nicht einmal das Geld, das sie kürzlich zu Weihnachten bekommen hat.
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Und genau das ist es auch, was ihre Familie so sicher macht, dass Katrin etwas passiert sein muss.
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Sie wäre niemals einfach gegangen und hätte alles hinter sich gelassen.
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Auch wenn sie in den letzten Monaten mehr und mehr gegen ihre Eltern rebelliert hat,
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wenn ihr die Aufgaben zu Hause, kochen, Wäsche waschen, Zimmer aufräumen, lästig waren.
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Katrin ist ein Familienmensch.
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Gerade deshalb sind die ersten Tage nach ihrem Verschwinden für die Familie kaum auszuhalten.
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Zu Hause fehlt sie an allen Ecken.
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Ihr Platz am Esstisch bleibt leer.
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Ihr Fehlen reißt eine Lücke in das gewohnte Familienleben.
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Ihre Eltern wissen nicht, wo Katrin ist, was mit ihr passiert ist.
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Und dieses Nicht-Wissen ist das Schlimmste.
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Immer wieder hoffen sie, dass sie jeden Moment zur Tür hereinkommt.
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Doch mit jedem Tag ohne ein Lebenszeichen wächst die Sorge.
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Und mit ihr das Gefühl, dass Katrin nicht freiwillig gegangen ist.
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Erst als von Katrin drei Tage lang jedes Lebenszeichen fehlt, verwirft schließlich auch die Polizei die Vermutung,
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dass die 15-Jährige nur von zu Hause abgehauen ist.
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Nun gilt es herauszufinden, wo Katrin als letztes gesehen wurde.
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Dass der Teenager die 13 Kilometer nach Hause laufen wollte, hält die Polizei für unrealistisch.
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Schon allein wegen des ungemütlichen Wetters und weil ja noch ein Bus gefahren wäre.
00:20:45
Am 4. Januar wird deshalb endlich eine Fahndungsmeldung mit der Personenbeschreibung von Katrin veröffentlicht.
00:20:51
Gesucht werde eine schlanke, etwa 1,60 Meter große Jugendliche mit schwarzem Kinnlangen Haar,
00:20:56
schwarzen Stiefeln, Korthose und Jacke.
00:20:59
Darunter ein weißer Rollkragenpullover.
00:21:01
Die Ermittlenden bitten nun die Bevölkerung um Mithilfe bei der Suche.
00:21:06
Bis die Polizei aber selbst mit Hundertschaften in der Umgebung nach Katrin sucht, vergehen weitere 8 Tage.
00:21:13
Erst am 12. Januar 2001, also mehr als 10 Tage nachdem Katrin verschwunden ist,
00:21:18
durchkämmen Ermittlende die Felder und die Wälder rund um Bergen an der Dumme und Groß Gardau.
00:21:23
Helikopter fliegen in der Luft und hoffen darauf,
00:21:26
dass sie Katrin anhand der gelb-roten Punkte auf ihren Wärmebildkameras lebend finden können.
00:21:31
Es sind aber auch Leichenspürhunde im Einsatz.
00:21:33
Denn jetzt, wo es so lange kein Lebenszeichen mehr von Katrin gab,
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kann die Polizei auch ein Kapitalverbrechen nicht ausschließen.
00:21:40
Ja, aber wer hat denn jetzt auch so lange gewartet, sie zu suchen?
00:21:45
Also die erst nach mehr als 10 Tagen wirklich zu suchen?
00:21:49
Eine 15-Jährige, das ist einfach so verantwortungslos.
00:21:54
Ich finde das ganz schrecklich auch für die Eltern, die dann einfach da sitzen und denken,
00:21:57
wir sind halt alleine mit der Suche nach unserer Tochter.
00:21:59
Ja, und ich kann mir ja auch nicht vorstellen, dass das jetzt nur daran lag,
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dass der Vater in diesem einen Gespräch gesagt hat,
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wenn die weg ist, dann müsste die nicht suchen.
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Also die dürfen das von einer random Person ja nicht einfach als Handlungsanweisung für ihre Arbeit nehmen.
00:22:13
Vor allem, weil er das ja auch in Wut gesagt hat.
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Ja, jedenfalls hätten sie die Leichenspürhunde wahrscheinlich erst mal zu Hause lassen können,
00:22:21
wenn die sofort nach der gesucht hätten, ja.
00:22:24
Auf jeden Fall sind es tatsächlich die Hunde, die auf einem Feld anschlagen.
00:22:28
Irgendwas riechen sie hier, irgendwas liegt in der Luft.
00:22:31
Deshalb fängt die Polizei an, in der Erde zu graben,
00:22:34
in der Hoffnung, dass sich die Hunde irren und hier kein Mensch verscharrt wurde.
00:22:38
Etwa zur selben Zeit wird in einem Waldstück unweit entfernt Unterwäsche gefunden.
00:22:42
Ob es sich um Kathrins Unterwäsche handelt, müssen die Laboruntersuchungen zeigen,
00:22:46
sagt der Kommissar André Rusche, der die Ermittlungen übernommen hat, Kathrins Eltern.
00:22:50
Nur keine vorschnellen Schlüsse ziehen.
00:22:52
Die Hoffnung stirbt zuletzt.
00:22:54
Und Rusche so recht behalten.
00:22:55
Nachdem ein ganzes Feld umgegraben wird, steht fest,
00:22:59
Die Leichenspürhunde haben falsch angeschlagen.
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Jedenfalls werden in der Erde keine menschlichen Überreste gefunden.
00:23:04
Kathrin liegt hier nicht begraben.
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Auch die Unterwäsche aus dem Wald kann ausgeschlossen werden.
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Laut Labor gehört sie nicht ihr.
00:23:11
Das sind gute Nachrichten für Kathrins Familie.
00:23:14
Und doch bleibt die drängendste Frage unbeantwortet.
00:23:17
Wo ist ihre Tochter, ihre Schwester dann?
00:23:19
Sie müssen weiter hoffen, wie Andreas Rusche es gesagt hat.
00:23:22
Es sind Worte, an denen sich Kathrins Familie im Januar 2001 festklammert.
00:23:28
Hoffnung, Zuversicht, positiv denken.
00:23:31
Sie helfen Kathrins Eltern dabei, morgens aufzustehen,
00:23:35
die schrecklichen Sorgen, um ihre jüngste Tochter irgendwie beiseite zu schieben und weiterzumachen.
00:23:39
Nicht nur für sich selbst, sondern auch für ihre anderen fünf Kinder.
00:23:43
Für Kathrins Geschwister, die die 15-Jährige genauso vermissen wie ihre Eltern.
00:23:47
Manchmal schauen sie sich alle gemeinsam die Videoaufnahmen aus dem Familienarchiv an,
00:23:52
auf denen Kathrin zu sehen ist.
00:23:53
Dann leben sie noch einmal die Momente von früher.
00:23:56
Die Momente, in denen noch keiner von ihnen fehlte.
00:23:59
Eine der Aufnahmen ist erst wenige Wochen alt.
00:24:02
Am Tag vor Weihnachten 2000 steht Kathrin in der Küche am Herd und kocht.
00:24:06
Als die 15-Jährige sieht, dass sie gefilmt wird, lacht sie und hält sich zum Spaß den Deckel des Kochtops vors Gesicht.
00:24:13
Einen Tag später, an Heiligabend, zeigt eine Videoaufnahme, wie die ganze Familie auf dem Sofa vor dem mit Lametta geschmückten Baum sitzt.
00:24:20
Ein Verwandter hat sich als Weihnachtsmann verkleidet, um Kathrins jüngere Brüder zu beeindrucken.
00:24:25
Er hält einen Sack mit Geschenken und eine Rute in den Händen.
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Als er Kathrins Namen sagt, steht sie vom Sofa auf und grinst, verschmitzt.
00:24:33
Sie trägt einen weißen Pullover und um den Hals eine schwarze Tattoo-Kette, wie sie gerade angesagt ist.
00:24:38
Der Weihnachtsmann fragt Kathrin, ob sie dieses Jahr böse war.
00:24:43
Nein, antwortet die Jugendliche und grinst wieder.
00:24:45
Dann sagt sie einen Reim auf.
00:24:47
Lieber guter Weihnachtsmann, ich bin klein, du bist groß, gib mir mein Geschenk, dann bist du's los.
00:24:52
Die ganze Familie lacht, während Kathrin ihr kleines Paket entgegennimmt.
00:24:57
Und eine letzte Aufnahme zeigt sie einen Tag vor ihrem Verschwinden, am Silvesterabend, wo sie mehrfach durchs Bild läuft.
00:25:03
Sie trägt eine schwarze Hose und einen schwarzen Blazer.
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Kathrin bewegt sich zur Musik, dann streicht sie sich ihr schwarzes, kinlanges Haar aus dem Gesicht.
00:25:13
Etwa 20 Stunden später ist sie verschwunden.
00:25:15
Seitdem wartet ihre Familie auf ein Lebenszeichen.
00:25:18
Keiner von ihnen weiß, wie lange noch.
00:25:20
Nur, dass die Fragen in ihren Köpfen von Tag zu Tag lauter werden.
00:25:27
Braucht sie Hilfe?
00:25:28
Und wer hat sie zuletzt gesehen?
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Es sind dieselben Fragen, die auch die Ermittlungen der Soko bestimmen.
00:25:35
Vor allem eine davon könnte entscheidend sein.
00:25:38
Wer hat Kathrin zuletzt gesehen?
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Um das herauszufinden, nimmt die Polizei zuerst Kontakt zu dem Mann auf, den Kathrin am Tag ihres Verschwindens besucht hat.
00:25:47
Ihr Kumpel Matze.
00:25:48
Kathrins Eltern war die ganze Sache von Anfang an suspekt.
00:25:52
Was hat ein 30-Jähriger von der Freundschaft mit einer 15-Jährigen?
00:25:55
Wieso gibt sich ein erwachsener Mann mit einem Teenager ab?
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Als Matze schließlich von der Polizei vernommen wird, bewahrheitet sich das ungute Gefühl,
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dass Kathrins Eltern plagt, seitdem Vater Ralf mit ihm am Telefon gesprochen hat.
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Matze war nicht nur ein Kumpel für Kathrin.
00:26:11
Die beiden waren ein Paar.
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Und als wäre die Info, dass Kathrin sich mit einem doppelt so alten Mann abgab, nicht schon schockierend genug,
00:26:18
erfährt die Polizei auch, dass die Beziehung der beiden schon mehrere Monate ging.
00:26:24
Mehrere Monate hatte Kathrin einen wichtigen Teil ihres Lebens vor ihrer Familie geheim gehalten.
00:26:30
Ein Teil, der jetzt wesentlicher Bestandteil der Ermittlungen ist.
00:26:34
Kennengelernt haben sich die beiden über Kathrins beste Freundin Lena mit deren älterer Schwester Matze früher einmal zusammen war.
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Er hat Lena und Kathrin öfter nach der Schule abgeholt.
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So ist der Kontakt entstanden.
00:26:45
Dass Kathrin erst 15 ist und damit halb so alt wie er, scheint ihn nicht zu stören.
00:26:50
Und auch Kathrin selbst habe kein Problem mit dem Altersunterschied gehabt, sagt Lena später bei ihrer Aussage.
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Sie sei Hals über Kopf in Matze verliebt gewesen.
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Nur ihre Familie sollte davon nichts erfahren.
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Deshalb hielt Kathrin die Beziehung geheim.
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Also ich kann verstehen, warum Kathrin diese Beziehung geheim hielt.
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Weil das hat Ärger gegeben und ich möchte sagen, zu Recht.
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Das kann ja wohl nicht sein.
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Also wenn ich mir denke, ein Freund von mir, der jetzt 30 ist, hat etwas mit einer 15-Jährigen.
00:27:20
Das ist eine Red Flag.
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Also das ist kriminell.
00:27:24
Und ich finde das irgendwie so schwierig, weil aus Sicht der 15-Jährigen ist das ja nicht so schlimm.
00:27:30
Weil die denkt ja, sie kann auf sich selbst aufpassen.
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Vielleicht ist es auch noch cool, mit Älteren abzuhängen und so.
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Und deswegen ist natürlich dann auch nur für eine Seite strafbar.
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Ich meine, ich war auch mal mit einem sehr viel älteren Mann liiert.
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Aber da war ich auch schon sehr viel älter als Kathrin.
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Also genau, das ist ja auch was anderes.
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Sag ich jetzt mal, eine 30-Jährige mit einem 45-Jährigen zum Beispiel ist ja auch wieder was ganz anderes als eine 15-Jährige mit einem 30-Jährigen.
00:27:55
Weil da dieses Machtverhältnis einfach ganz anderes ist.
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Ja genau, also je älter du selber bist, desto mehr kannst du wahrscheinlich auf dich selbst aufpassen.
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Oder ist zumindest in der Regel so.
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Und der prozentuale Altersunterschied wird ja auch immer geringer.
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Also 15 und 30, da bist du halt halb so alt.
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Bei 30 und 45 ist der Altersunterschied dann nur noch ein Drittel.
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Ja und generell finde ich es auch ein bisschen zass, wie er reagiert hat.
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Weißt du, also dass er da jetzt auch nicht mithelfen will, sie zu suchen und da so gar keine Anstalten macht.
00:28:24
Ja und offenbar, ich meine, das wissen wir natürlich nicht.
00:28:27
Aber wir haben zumindest keine Infos darüber, dass er sich da jetzt irgendwie groß die Sorgen darüber gemacht hat,
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dass das jetzt jemand erfahren hat, sondern eher fein mit dieser ganzen Situation war.
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Und das finde ich halt auch komisch.
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Und ich kriege da echt ein Eck.
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Also wenn ein 30-jähriger Mann, ich meine Fünfte, gut, haben wir jetzt gesagt, ist kriminell.
00:28:45
Sagen wir mal 18 und 33 würde ich auch schwierig finden.
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Ja, weil man sich einfach die Frage stellt, jetzt wo wir halt eben auch über 30 sind und eine Lebenserfahrung damit haben,
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fragt man sich, was möchte denn ein 33-Jähriger mit einer 18-Jährigen?
00:29:02
Ja, das kann ich aber ganz genau sagen.
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Abseits des Bettes, weil so wie ich das ja verstehe, hatten die eine Beziehung.
00:29:10
Und ich kann mir aber eben keine Beziehung auf Augenhöhe vorstellen,
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weil die sind in so unterschiedlichen Lebensabschnitten in ihrem Leben.
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Ja, ich meine, es ist natürlich nicht nur schwarz und weiß.
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Also ich meine, bei meinem Ex hätte man sich wahrscheinlich auch fragen können, was soll das denn jetzt?
00:29:25
Der war vom Altersunterschied ja noch mal weitaus älter als Sizil in diesem Fall.
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Aber, und ich will das auch gar nicht so von oben herab,
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so von wegen mit einer 18-Jährigen oder mit einer Anfang-20-Jährigen kann man nichts anfangen.
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Weil das ist natürlich nicht so.
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Gerade heutzutage irgendwie habe ich das Gefühl, dass diese Generation so aufgeklärt ist
00:29:42
und irgendwie so viel weiß und so eine Neugier teilweise auch fürs Leben hat.
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Also ich will das jetzt nicht ausschließen, dass das nicht auch matchen kann.
00:29:50
Und wir müssen jetzt auch aufpassen, hier in unserem Alter,
00:29:52
dass man jetzt nicht nachgesagt bekommt, dass da Neid eine Rolle spielen würde.
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Jedenfalls, worauf wir uns einigen können.
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Unter 18 geht sowieso gar nicht.
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Also gar nicht, gar nicht, gar nicht.
00:30:03
Und da bin ich jetzt hier beeindruckt, auch von der Marion,
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dass die dem nicht gleich an die Gurbe gesprungen ist.
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Das hätte ich nämlich wahrscheinlich gemacht.
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Gut, dass Matze in dem Moment, wo sie das erfahren hat, nicht direkt vor ihr stand.
00:30:12
Jedenfalls war es so, dass im Kreis der FreundInnen von Katrin
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ihre und Matzes Beziehung schon bekannt war.
00:30:19
Schon im September, also vier Monate vor Katrins Verschwinden,
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hat er sie als seine Freundin zu einem Geburtstag der sogenannten Nordmänner mitgenommen.
00:30:27
Einem Motorradclub, dem Matze angehört.
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Die Polizei kennt die Gruppe, die ein Clubhaus in der Region unterhält.
00:30:33
Einzelnen Mitgliedern werden Verbindungen ins Rotlichtmilieu nachgesagt.
00:30:37
Sie notieren sich, auch in diese Richtung zu ermitteln.
00:30:39
Vorerst wollen sie von Matze aber wissen, wie der Nachmittag des 1. Januar abgelaufen ist.
00:30:44
Aber Matze wiederholt nur das, was ja schon Katrins Familie gesagt hat.
00:30:48
Er habe Katrin mit einem Kumpel in Großgadau abgeholt.
00:30:51
Sie hätten Videos geschaut und gegen 18.45 Uhr sei sie gegangen.
00:30:55
Dass Katrin gegen 18.45 Uhr von Matze losgegangen ist, scheint aber zumindest zu stimmen.
00:31:00
Denn es gibt zwei Menschen, die sie direkt im Anschluss in Bergen gesehen haben.
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Uwe und Melanie.
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Die beiden Freunde sind etwas älter als Katrin und sie kennen sie aus der Schule.
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Am 1. Januar, als Katrin verschwand, seien sie gemeinsam in Bergen im Imbiss Bella Italia Pizza essen gewesen,
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sagen die der Polizei.
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Währenddessen habe Katrin mehrfach versucht, Uwe zu erreichen.
00:31:21
Sie habe gewollt, dass Uwe sie heimfahre, erzählt der.
00:31:24
Aber er habe abgelehnt, weil es draußen zu glatt gewesen sei.
00:31:27
Bei dem Wetter wollte er keine 30 Minuten nach Großgadau fahren.
00:31:31
Melanie und er seien bis kurz vor 19 Uhr im Restaurant geblieben.
00:31:34
Dann hätten sie gemeinsam die Pizzeria verlassen, erzählen sowohl Uwe als auch Melanie bei der Polizei.
00:31:40
Sie seien ins Auto gestiegen und über die Bundesstraße, die durch den Ort führt, ein paar hundert Meter zu Melanie nach Hause gefahren.
00:31:46
Auf Höhe der Pauluskirche, die direkt an der Bundesstraße steht, hätten sie Katrin dann in Richtung der Bushaltestelle,
00:31:53
an der noch ein letzter Bus gefahren wäre, laufen sehen.
00:31:55
Sie hätten aber nicht angehalten, sagen Uwe und Melanie.
00:31:58
Ob Katrin sie gesehen hat, wissen die beiden nicht.
00:32:01
Vor Melanies Haustür habe man zusammen noch eine Zigarette geraucht und dann sei Uwe mit dem Auto wieder umgedreht und losgefahren.
00:32:08
Und zwar in die entgegengesetzte Richtung, also wieder an der Kirche und an dem Imbiss vorbei, zu sich nach Hause.
00:32:13
Dabei habe er Katrin aber nicht noch einmal gesehen, gibt er bei der Polizei an.
00:32:18
Katrin müsste zu der Zeit aber noch immer in Bergen unterwegs gewesen sein.
00:32:23
Denn es gibt noch jemanden, der ihr laut eigener Aussage nach 19 Uhr begegnet ist.
00:32:27
Ein junger Mann namens Joris, der Katrin vom Feiern kennt.
00:32:31
Der Mitte-20-Jährige sagt der Polizei, dass er am Abend, als Katrin verschwunden ist, mit ihr gesprochen hat.
00:32:37
Und zwar an der Bushaltestelle, an der am Abend noch ein Bus nach Großgadau gefahren wäre.
00:32:41
Dieselbe Haltestelle, an der nur zwei Stunden später am selben Abend ihre Mutter und ihre Schwestern nach ihr gesucht haben.
00:32:48
Da war das hölzerne Häuschen aber verlassen.
00:32:51
Keine Spur von Katrin.
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Zwischen 19 und 19.30 Uhr habe Joris Katrin dort gesehen, sagt er.
00:32:57
Er sei von seiner Schwester gekommen, die gegenüber der Haltestelle wohnt und habe kurz mit dem Auto angehalten, um mit Katrin zu reden.
00:33:03
Sie habe ihn gefragt, ob er sie nach Hause fahren könne, aber Joris habe abgelehnt, weil er dringend zu seiner Freundin gemusst habe, die nur wenige Meter weiter wohnt.
00:33:12
Die habe nämlich schon mit dem Abendessen auf ihn gewartet.
00:33:15
Also habe er sich verabschiedet und sei losgefahren, sagt Joris.
00:33:18
Katrin ist in seinem Rückspiegel immer kleiner geworden.
00:33:22
Dann hat die Dunkelheit sie verschluckt, genau wie jede Spur von ihr.
00:33:26
Joris ist zum jetzigen Stand der Ermittlungen der letzte, der Katrin gesehen hat.
00:33:31
Schon allein deshalb prüfen die BeamtInnen seine Angaben, indem sie auch seine Freundin als Zeugin vorladen.
00:33:36
Die Frau, die mit dem Abendessen auf ihn gewartet hat.
00:33:39
Nur passt das, was sie sagt, nicht so wirklich zu Joris' Angaben.
00:33:43
Denn Joris' Freundin bestätigt zwar, dass sie an dem Abend mit dem Essen auf ihn gewartet habe,
00:33:48
nur weichen die Zeiten, die sie angibt, stark von denen ab, die Joris der Polizei genannt hat.
00:33:53
Joris' Freundin ist sich sicher, dass er erst nach 20.15 Uhr bei ihr angekommen ist.
00:33:58
Sie weiß noch, dass sie sich an dem Abend den Film Flabber im Fernsehen angesehen hat.
00:34:02
Eine Komödie mit Robin Williams, die zur Primetime lief, also um 20.15 Uhr.
00:34:07
Den Anfang des Films habe sie aber allein gesehen.
00:34:10
Da sei sie sich sicher, sagt sie der Polizei.
00:34:13
Joris sei erst später gekommen.
00:34:15
Dabei sind es von der Bushaltestelle, wo Joris Katrin gesehen hat,
00:34:19
bis zu seiner Freundin mit dem Auto nur etwa zwei Minuten.
00:34:22
Selbst auf den glatten Straßen hätte er, wenn seine Zeitangaben richtig sind,
00:34:27
früher dort ankommen müssen.
00:34:28
Wenn Joris, wie er sagt, spätestens um 19.30 Uhr von seiner Schwester losgefahren ist,
00:34:33
die gegenüber der Bushaltestelle wohnt und er nur kurz mit Katrin gesprochen hat,
00:34:38
dann hätte er spätestens zehn Minuten später, also um etwa 19.40 Uhr bei seiner Freundin sein müssen.
00:34:44
Dort war er laut seiner Freundin aber erst nach 20.15 Uhr.
00:34:48
Wann genau er ankam, daran erinnert sich seine Freundin nicht.
00:34:52
Fest steht aber, dass damit mindestens 40 Minuten bleiben, für die Joris kein Alibi hat,
00:34:58
was ihn für die Beamtinnen zum Tatverdächtigen macht.
00:35:01
Aber Joris ist nicht der Einzige, dessen Aussage bei der Polizei Fragen aufwirft.
00:35:06
Denn es gibt noch jemanden, der Katrin an dem Abend in Bergen gesehen haben könnte,
00:35:10
auch wenn der Zeuge selbst das dementiert.
00:35:13
Sein Name ist Igor.
00:35:14
Er ist ein Kumpel von Matze, Katrins Freund.
00:35:17
Und anhand von Matzes Handy konnte die Polizei zurückverfolgen,
00:35:21
dass Katrin ab 17.40 Uhr, also schon recht früh am Abend,
00:35:24
versucht hat, auch Igor dazu zu bewegen, sie nach Hause zu fahren.
00:35:28
Igor hat sogar Ja gesagt, aber nur unter der Bedingung, dass sie sofort losfahren.
00:35:33
Das war Katrin aber zu früh.
00:35:34
Sie hat ihm erst abgesagt, dann aber später wieder versucht, ihn telefonisch zu erreichen.
00:35:38
Um 18.40 Uhr, also eine Stunde später und kurz bevor sie von Matze losging,
00:35:43
hat sie Igor über Matzes Handy geschrieben,
00:35:45
wenn du mich mitnehmen willst, sei um 19 Uhr bei Matze vor der Tür.
00:35:49
Daraufhin habe sie noch mal kurz telefoniert, nur drei Sekunden lang.
00:35:54
Und dann ist Katrin von Matze losgelaufen.
00:35:56
Und da fragt man sich natürlich, was kann man in drei Sekunden schon Großes sagen?
00:36:01
Also entweder er sagt ihr ab oder sie machen einen anderen Treffpunkt aus
00:36:05
oder er ist halt gar nicht rangegangen, sondern nur seine Mailbox.
00:36:08
Fest steht, dass Igor am frühen Abend, das 1. Januar, bei Bekannten in Bergen war.
00:36:13
Das sagt Igor selbst und das bestätigen auch seine Bekannten bei der Polizei.
00:36:17
Dann gehen ihre Angaben aber auseinander.
00:36:19
Igor gibt nämlich an, dass er sich gegen 19 Uhr vom Festnetzanschluss seiner Bekannten
00:36:24
eine Pizza zum Abholen bestellt hat und zwar bei Bella Italia,
00:36:28
also demselben Pizzaladen in der Ortsmitte,
00:36:30
in der auch Katrins Schulfreundinnen Uwe und Melanie kurz zuvor noch gesessen haben.
00:36:34
Die müsste Igor knapp verpasst haben, denn seine Pizza habe er nach eigener Aussage
00:36:39
kurz nach 19 Uhr mit dem Auto dort abgeholt.
00:36:41
Da waren Uwe und Melanie schon weg.
00:36:44
Igor sei dann zurück zu seinen Bekannten gefahren und habe dort gegessen, sagt er.
00:36:48
Nur erinnert sich von seinen Freundinnen niemand daran.
00:36:51
Sie können bei der Polizei weder bestätigen, dass Igor eine Pizza bestellt hat,
00:36:55
noch dass er weg war und mit einer Pizza wiederkam.
00:36:58
Und auch das Telefonat mit der Pizzeria lässt sich anhand des Festnetzanschlusses,
00:37:02
den Igor benutzt haben will, nicht nachweisen.
00:37:05
Der letzte Anruf, der darüber getätigt wurde, war viel früher.
00:37:08
Damit konfrontiert bleibt Igor aber dabei.
00:37:11
Er habe die Pizza bei seinen Bekannten gegessen und sei anschließend,
00:37:15
irgendwann nach 19 Uhr, nach Hause gefahren.
00:37:17
Später am Abend, gegen 20.45 Uhr, sei er dann noch mit seiner Freundin in einer Kneipe eingekehrt.
00:37:23
Das kann sie bestätigen, aber für die Zeit zwischen 19 und 20.45 Uhr hat Igor kein Alibi.
00:37:29
Gleichzeitig wusste er, dass Katrin eine Mitfahrgelegenheit sucht und in Bergen unterwegs ist.
00:37:35
Katrin hatte ihm ja um 18.40 Uhr eine SMS geschickt, in der sie ihn aufgefordert hat,
00:37:40
sie um 19 Uhr bei Matze abzuholen.
00:37:42
Das habe er aber nicht getan, sagt Igor bei der Polizei.
00:37:46
Und worum es in dem drei Sekunden langen Telefonat ging,
00:37:49
dass er nach der SMS noch mit Katrin geführt hat, wenn er denn abgenommen hat,
00:37:53
weiß er nicht mehr, erklärt Igor.
00:37:55
Er erinnere sich nicht daran.
00:37:57
Also hier ist so ein bisschen das Problem,
00:37:59
wir wissen halt nicht, wann dieses drei sekündige Telefonat stattgefunden hat.
00:38:03
Ich meine, was man theoretisch sich vorstellen könnte, ist auch,
00:38:05
dass er gesagt hat, komm zur Bushaltestelle, ich hole dich da ab.
00:38:09
Das wäre ja eine Möglichkeit gewesen.
00:38:11
Oder was natürlich auch möglich wäre, wäre, dass er gesagt hat,
00:38:15
du, ich schaffe es heute nicht mehr, sorry.
00:38:17
Und daraufhin ist sie dann zur Bushaltestelle gelaufen, das könnte auch sein.
00:38:21
Ja, es ist nur komisch, dass sich Igor nicht daran erinnert, wenn es so gewesen wäre.
00:38:24
Das ist komisch, ja.
00:38:25
Ja, Igors Angaben bei der Polizei lassen auf jeden Fall Fragen offen.
00:38:29
Und zwar nicht nur bei uns, sondern auch bei den ErmittlerInnen.
00:38:31
Die glauben nämlich, dass Igor ihnen nicht die ganze Wahrheit erzählt.
00:38:35
Warum erinnern sich seine Bekannten nicht daran,
00:38:37
dass er noch einmal mit einer Pizza wiederkam?
00:38:40
Und worum ging es in dem kurzen Telefonat?
00:38:42
Weil Igor auf diese Fragen keine stichhaltigen Erklärungen liefern kann,
00:38:46
rückt auch er zunehmend in den Fokus der Ermittlungen
00:38:49
und schließlich in den Kreis der Tatverdächtigen.
00:38:52
Also hier liegt ja jetzt der Impuls, nahe anzunehmen,
00:38:55
dass diese ganze Pizzageschichte gelogen ist.
00:38:57
Es kann sich keiner daran erinnern, dass er die bestellt hat.
00:38:59
Es gibt keinen Nachweis dafür, dass er sich die überhaupt gekauft hat,
00:39:02
geschweige denn abgeholt hat und dass er danach wieder bei seinen FreundInnen
00:39:05
da mit in der Runde saß.
00:39:06
Jetzt frage ich mich aber natürlich, warum sollte er sich das ausdenken?
00:39:11
Denn diese Pizzastory lässt ihn ja nicht besser aussehen,
00:39:14
als wenn er sich die nicht ausgedacht hätte.
00:39:16
Also wenn er einfach gesagt hätte, ich war hier mit meinen Freunden,
00:39:19
das ist natürlich, wenn er davon ausgehen kann,
00:39:22
dass die auch alle befragt werden, ist so eine Pizzageschichte zu erfinden.
00:39:26
Natürlich sehr viel riskanter, als einfach zu sagen,
00:39:29
nö, ich saß doch die ganze Zeit mit denen bis XY Uhr.
00:39:34
Ja, das Einzige, was mir dann einfällt, ist, dass ich denke,
00:39:38
dass er Sorge hat, dass irgendjemand ihn in der Nähe
00:39:43
von dieser Bushaltestelle gesehen hat
00:39:45
und er dafür sozusagen so vorab eine Erklärung liefern wollte.
00:39:50
Weil sonst ergibt es ja gar keinen Sinn, sich diese Geschichte auszudenken.
00:39:54
Ach so, du meinst sozusagen, vielleicht war er zwischendurch weg,
00:39:56
das weiß halt niemand mehr und er sagt dann, er wäre wieder zurückgekommen,
00:40:00
um sozusagen den Verdacht auszuschließen,
00:40:03
dass er unendlich viel Zeit gehabt hätte.
00:40:05
Sondern zu sagen, ich bin dann wieder zurückgekommen
00:40:08
und ab da waren meine Freunde wieder bei mir.
00:40:10
Aber er muss doch eigentlich wissen, dass die das nicht bezeugen können.
00:40:13
Ja, das ist halt das Merkwürdige.
00:40:15
Also es ist sehr sketchy.
00:40:17
Aufgrund dieser ganzen Merkwürdigkeiten ist es jetzt so,
00:40:21
dass Igor, aber auch Joris, also der Typ, der Katrin nach eigener Aussage an der Bushaltestelle getroffen hat,
00:40:28
bevor er zu seiner Freundin gefahren ist und der für die Zeit zwischen 19.30 Uhr bis nach 20.15 Uhr kein Alibi hat,
00:40:35
jetzt unter polizeilicher Beobachtung stehen.
00:40:38
Zeitgleich entsteht im Polizeipräsidium in Lüchow eine riesige Tabelle.
00:40:42
Darin versuchen die Ermittelnden, die Bewegung von Katrin am Abend des 1. Januar zu rekonstruieren.
00:40:47
Wann und wo sie gesehen wurde und von wem.
00:40:50
Kommissar Andreas Ruschel rekapituliert.
00:40:52
Um 18.45 Uhr ist Katrin offenbar bei ihrem Freund Matze losgegangen.
00:40:56
Im eisigen Nieselregen lief sie die Bundesstraße in Bergen entlang,
00:41:00
vorbei am Pizzaladen, vorbei an der Pauluskirche,
00:41:03
wo sie kurz vor 19.00 Uhr von Uwe und Melanie auf deren Weg zu Melanie gesehen wird.
00:41:08
Kurz danach muss sie von der Bundesstraße in die neue Straße,
00:41:12
die nach Großgadau führt, eingebogen sein.
00:41:14
Dort ist die Bushaltestelle, wo sie zwischen 19.00 und 19.30 Uhr laut Joris von Joris gesehen wurde.
00:41:21
Hier wäre um 19.30 Uhr ein letzter Bus gefahren, der sie nach Hause hätte bringen können.
00:41:26
Ob sie tatsächlich mit dem Bus fahren wollte, ist unklar.
00:41:29
Schließlich hatte sie ihrer Familie angekündigt, spätestens um 19.00 Uhr zu Hause zu sein.
00:41:34
Der Bus hätte sie aber erst deutlich später zu Hause abgesetzt.
00:41:38
Oder hat sich Joris vielleicht in der Zeit geirrt?
00:41:41
Es sei womöglich viel später von seiner Schwester aufgebrochen
00:41:44
und hat er Kathrin vielleicht erst viel später an der Bushaltestelle stehen sehen,
00:41:48
als er bei der Polizei angegeben hat.
00:41:50
Das würde immerhin erklären, wieso sich seine Zeitangaben so sehr von denen seiner Freundin unterscheiden.
00:41:55
Aber wo wäre Kathrin dann in der Zwischenzeit zwischen 19.00 Uhr und 20.00 Uhr gewesen?
00:42:00
Und warum hat sie dann den Bus nicht genommen, der um 19.30 Uhr gefahren ist?
00:42:04
Die Polizei jedenfalls hält diese Möglichkeit für unwahrscheinlich.
00:42:08
Die BeamtInnen vermuten eher, dass Kathrin sich eine Mitfahrgelegenheit organisiert hat,
00:42:12
die schon vor dem Bus gefahren ist.
00:42:15
Glücklicherweise wollte sie mit Igor fahren.
00:42:17
Dafür spricht zumindest, dass sie kurz vorher mit ihm getextet und telefoniert hat.
00:42:22
Dagegen spricht allerdings, dass Kathrin nach 19.00 Uhr offenbar noch immer auf der Suche nach einer Fahrgelegenheit war.
00:42:28
Schließlich fragt sie irgendwann nach 19.00 Uhr auch Joris, den sie vom Feiern kennt
00:42:33
und der auf dem Weg zu seiner Freundin ist, ob er sie nach Hause fahren könne.
00:42:36
Wagen genau ist unklar, wie alle Zeitangaben in der Tabelle.
00:42:40
Denn alle Aussagen beruhen auf Schätzung, was die Ermittlungen ungemein erschwert.
00:42:45
Für die Polizei bedeutet das, aus dem zeitlichen Ablauf können nur vorsichtige Schlüsse gezogen werden.
00:42:51
Deshalb hofft man darauf, dass die ZeugInnen selbst nach und nach Licht ins Dunkel bringen.
00:42:57
Matze, Uwe, Joris und Igor werden mehrfach und teils stundenlang befragt.
00:43:02
Ohne neue Erkenntnisse.
00:43:03
Aber auch darüber hinaus ermittelt die Polizei.
00:43:06
Sie durchsucht die Wohnungen der Männer, hört Telefonate ab und verwandt sogar die Autos von Joris und Igor,
00:43:12
die unter Tatverdacht stehen.
00:43:13
Alles in der Hoffnung darauf, neue Spuren zu erschließen.
00:43:16
Spuren, die sie vielleicht zu Kathrin führen.
00:43:19
Aber es ergibt sich rein gar nichts.
00:43:21
Keine Klamotten von Kathrin in ihren Wohnungen.
00:43:23
Kein verdächtiger Telefonanruf, kein einziges Indiz dafür,
00:43:27
dass einer von ihnen etwas mit Kathrins Verschwinden zu tun haben könnte.
00:43:31
Ein herber Rückschlag für die Polizei, die jetzt nach mehrwöchigen Ermittlungen mit leeren Händen dasteht.
00:43:37
In ihrer Ratlosigkeit rückt deshalb wieder eine andere Spur in den Fokus der BeamtInnen.
00:43:42
Die Nordmänner, der Motorradclub, dem Matze angehört, werden jetzt eingehend untersucht.
00:43:47
Die Ermittlenden prüfen, ob es in dem Umfeld Hinweise auf kriminelle Strukturen gibt,
00:43:52
etwa Verbindungen ins Rotlichtmilieu oder Personen, die für Kathrins Verschwinden verantwortlich sein könnten.
00:43:58
Doch auch diese Spur verliert sich schnell.
00:44:00
Die Polizei findet nichts Belastbares.
00:44:03
Nicht einmal neue Ermittlungsansätze lassen sich jetzt noch ableiten.
00:44:06
Alle anderen Hinweise sind ebenfalls nicht vielversprechend.
00:44:10
Wie etwa der Hinweis einer Frau, die sich am Neujahrsabend verfahren hatte
00:44:14
und sich an ein Mädchen an einer Bushaltestelle erinnert,
00:44:17
dass sich mit dem Fahrer eines schwarzen BMW mit Berliner Kennzeichen unterhalten haben will.
00:44:21
Doch die Frau kann sich nur vage erinnern und weiß auch nicht,
00:44:25
ob das Mädchen, das sie gesehen haben will, Ähnlichkeit mit Kathrin hatte
00:44:28
oder an welcher Bushaltestelle es überhaupt stand.
00:44:30
Auch deswegen misst die Polizei dem nicht viel Bedeutung zu.
00:44:34
Es ist nur einer von vielen Hinweisen, die die Ermittlenden am Ende nicht weiterbringen.
00:44:39
Kathrin ist und bleibt auch Wochen nach ihrem Verschwinden,
00:44:42
wie vom Erdboden verschluckt.
00:44:44
Und an diesem Zustand ändert sich vor allem zum Leid von Kathrins Familie lange, lange Zeit nichts.
00:44:50
Das Jahr 2001 zieht an Vater Ralf, Mutter Marion und ihren fünf anderen Kindern vorüber.
00:44:56
Es wird Frühling, dann Sommer, dann Herbst und schließlich wieder Winter.
00:45:00
Weihnachten steht vor der Tür, aber die Feiertage sind nicht mehr so, wie sie einmal waren.
00:45:04
Letztes Jahr haben sich die Geschwister vor dem geschmückten Baum aufgestellt,
00:45:08
der vierjährige Luca ganz vorne und die vier Mädchen dahinter.
00:45:11
Kathrin stand ganz rechts und hatte den einjährigen Pascal auf dem Arm.
00:45:15
Sie hat gelächelt, als ihr Vater Ralf das Video eingeschaltet hat.
00:45:18
Dann haben die Geschwister im Chor gesagt, frohe Weihnachten 2000.
00:45:22
Eine Tradition, die sie jedes Jahr wiederholen.
00:45:26
Danke, Kinder, hat ihr Vater aus dem Off gerufen.
00:45:28
Bis zum nächsten Jahr.
00:45:30
Alle haben gelacht.
00:45:31
Niemand hat damals geahnt, dass im nächsten Jahr ein Kind weniger unter dem Baum Platz nimmt.
00:45:36
Dass heute weniger gelacht wird als früher, weil Kathrin fehlt.
00:45:39
Statt Kathrin gesellt sich an Weihnachten 2001 der zu ihnen, der nun seit knapp einem Jahr nach ihr sucht.
00:45:46
Chefermittler Andreas Rusche, der die Akte nie zugeklappt hat und Kathrins Eltern in regelmäßigen Abständen über den neuesten Stand informiert.
00:45:54
Doch der entscheidende Hinweis war bisher nicht dabei.
00:45:57
Dabei wünscht sich Kathrins Familie nichts sehnlicher, als dass sie wieder auftaucht.
00:46:01
Auch in diesem Jahr bleibt dieser Wunsch unerfüllt.
00:46:04
Der Kommissar bringt keine Neuigkeiten, aber stattdessen kleine Geschenke mit.
00:46:08
Eine Spielzeugeisenbahn für die Jungs zum Beispiel.
00:46:11
Ein schwacher Trost, wenn das Einzige, was sie sich wirklich wünschen, weiter fehlt.
00:46:17
November 2002, ein knappes Jahr später.
00:46:20
Es war ein schweres Jahr, das zweite ohne Kathrin.
00:46:24
Wieder rückt Weihnachten näher und auch der Tag, an dem sich ihr Verschwinden jährt.
00:46:28
Pater Ralf will das nicht hinnehmen.
00:46:30
Er will, dass seine Kathrin am 24. Dezember 2002 wieder mit ihnen unterm Baum sitzt.
00:46:35
Dass sie Geschenke auspackt, lacht, da ist.
00:46:38
Und gleichzeitig machen in Bergen inzwischen Gerüchte die Runde, dass Kathrin entführt und nach Berlin verschleppt worden sei.
00:46:45
Auf den Straßenstrich.
00:46:48
Sogar bei der Polizei haben sich Menschen gemeldet, die Kathrin in Berlin gesehen haben wollen.
00:46:52
Irgendwo in der Anonymität der Hauptstadt.
00:46:55
Aber die Ermittlungen der Polizei bleiben ergebnislos.
00:46:58
Also entscheidet Ralf, selbst tätig zu werden.
00:47:02
Er will selbst hinfahren und suchen.
00:47:03
Wenn es auch nur den Hauch einer Möglichkeit gibt, dass Kathrin in Berlin lebt,
00:47:07
dann wird er nichts unversucht lassen, um sie zu finden.
00:47:10
Ende November 2002 fährt er also los.
00:47:13
Drei Stunden mit dem Auto nach Berlin.
00:47:16
Mit einer grauen Windjacke, schwarzen Handschuhen und mit einem Foto seiner jüngsten Tochter in der Hand.
00:47:21
Als er in Berlin ankommt, ist es bereits dunkel.
00:47:24
Die Lichter der Stadt spiegeln sich auf dem nassen Asphalt.
00:47:27
Es hat geregnet und der Wind pfeift Ralf ins Gesicht.
00:47:30
Aber als er in Berlin geht, ist Kathrins Vater voller Euphorie.
00:47:33
Er wird Kathrin finden und sie nach Hause bringen.
00:47:36
Da ist er sich sicher.
00:47:37
Ralf geht über einen der Weihnachtsmärkte, bleibt an dampfenden Buden stehen, sieht den Menschen in die Gesichter.
00:47:44
Weiter zum Bahnhof Zoo.
00:47:46
Er hält Kathrins Bild hoch, spricht Punks an, gibt Obdachlosen ein Bier aus, fragt Sexarbeiterinnen.
00:47:52
Haben sie dieses Mädchen gesehen?
00:47:53
Viele schütteln den Kopf.
00:47:55
Aber einige sagen auch, ja, vor ein paar Monaten vielleicht.
00:47:59
Oder sogar erst letztens.
00:48:01
Eine junge Frau meint, sie sei sich zu 90% sicher, dieselben schwarzen Haare, ein bisschen rundlicher im Gesicht.
00:48:07
Aber ja, das muss Kathrin gewesen sein.
00:48:09
Doch niemand weiß, wo sie jetzt ist.
00:48:12
Ralf läuft weiter.
00:48:14
Die Hoffnung brennt in seiner Brust, treibt ihn an.
00:48:17
Und dann, plötzlich, sieht er sie.
00:48:19
Vor einem Karstadt-Kaufhaus im Licht der Schaufenster.
00:48:22
Ein Mädchen, dasselbe Haar, ihr Profil, ihre Statur.
00:48:26
Er bleibt stehen.
00:48:27
Das Herz klopft ihm bis zum Hals.
00:48:31
Das muss Kathrin sein.
00:48:33
Entschieden läuft er auf sie zu.
00:48:35
Doch mit jedem Schritt verblasst die Gewissheit.
00:48:38
Je näher er kommt, desto klarer erkennt er.
00:48:40
Das Mädchen sieht seiner Kathrin nur ähnlich.
00:48:43
Und als er vor ihm steht, trifft ihm die Gewissheit mitten ins Herz.
00:48:47
Es ist nicht Kathrin.
00:48:50
Er hat sie nicht gefunden und er wird sie auch nicht heimbringen.
00:48:53
Er hat mehrere Stunden gesucht und von seiner anfänglichen Euphorie ist nichts mehr übrig.
00:48:59
Sie weicht einer tiefen Enttäuschung, die ihn zermürbt.
00:49:03
Das Gefühl hält auch noch an, als er wieder zu Hause ist und die Familie Konert wieder Weihnachten feiert.
00:49:09
Zum zweiten Mal nur zu siebt.
00:49:11
Zum zweiten Mal ohne Kathrin.
00:49:15
Ein Dreivierteljahr später, im September 2003, als Kathrin bereits mehr als zwei Jahre verschwunden ist, steht ihr 18. Geburtstag an.
00:49:22
Ein Tag, den sie groß mit ihrer Familie und ihren Freundinnen gefeiert hätte.
00:49:26
Da sind sich Kathrins Schwestern sicher.
00:49:29
Doch stattdessen feiern die Konerts heute im kleinen Kreis.
00:49:31
Sie sitzen zusammen, trinken Kaffee und essen Kuchen.
00:49:34
In der Mitte des Esstischs brennt eine Kerze für Kathrin.
00:49:38
Um sie herum stehen Bilder von ihr.
00:49:40
Aber statt des lebendigen Geplappers, das sonst an ihrem Esstisch herrschte, ist es heute still.
00:49:45
Jeder denkt an Kathrin, aber niemand weiß mehr, was er noch sagen soll.
00:49:48
Zu oft haben sie die Fragen, die sie begleiten, schon diskutiert.
00:49:52
Zu groß ist der Schmerz darüber, dass sie heute nicht mehr bei ihnen ist.
00:49:55
Die Worte fehlen.
00:49:57
Und trotzdem geben Kathrins Eltern und ihre Geschwister die Hoffnung nicht auf.
00:50:01
Solange es keine Gewissheit gibt, keine eindeutigen Beweise für ihren Tod, so lange kann Kathrin noch leben.
00:50:07
Ähnlich sieht das auch die Polizei, die Kathrins Geburtstag zum Anlass nimmt, um noch einmal eine große Suchaktion zu starten.
00:50:14
Eine, die einmal mehr alle Aufmerksamkeit auf den ungelösten Vermisstenfall lenken soll.
00:50:19
18 großflächige Plakate werden an den Straßen rund um Bergen angebracht.
00:50:24
Eines davon hängt direkt an der Bushaltestelle, an der Kathrin zuletzt gesehen wurde.
00:50:29
Hier verschwand am Neujahrstag 2001 die 15-jährige Kathrin Konert, steht in großen schwarzen Lettern darauf.
00:50:35
Und darunter in rot.
00:50:37
Ich wollte doch nur nach Hause gefahren werden.
00:50:39
Und wo ist dieses Lächeln jetzt?
00:50:42
Daneben prangt ein Bild von Kathrin.
00:50:44
Sie trägt ihre Tattoo-Kette.
00:50:46
Ihr schwarzes Haar hat sie hinter die Ohren gelegt.
00:50:48
Ihr Pony fällt ihr ins Gesicht.
00:50:50
Und sie lächelt so breit, dass sich tiefe Grübchen in ihren Wangen bilden.
00:50:53
Sogar ihre Augen strahlen.
00:50:55
Das Bild geht unter die Haut.
00:50:57
Und genau das ist der Zweck.
00:50:58
Die Ermittlerinnen hoffen, dass die Plakate den Puls des Täters oder der Täterin höher schlagen lassen.
00:51:03
Und dass sich derjenige oder diejenige doch noch bei ihnen meldet.
00:51:07
Tage vergehen, in denen tatsächlich neue Hinweise eingehen, denen die Beamtinnen nachgehen.
00:51:12
Ein ehemaliger Schulfreund ist sich sicher, Katrin nach ihrem Verschwinden auf dem Beifahrersitz eines Autos in Bergen gesehen zu haben.
00:51:18
Ein anderer Zeuge meint, sie sehe eine Animateurin in einem Ferienhotel in der Türkei zum Verwechseln ähnlich.
00:51:24
Aber beide Spuren verlaufen im Sand.
00:51:27
Ein dritter Hinweis scheint für die Polizei konkreter.
00:51:29
Er kommt von einer Zeugin, die sich erinnert, dass der Vermieter der Familie Konert,
00:51:33
ein älterer Herr, dem nachgesagt wird, dass er ein anderes Mädchen schon sexuell belästigt habe,
00:51:38
kurz nach Katrins Verschwinden ein blaues Auge hatte.
00:51:41
Was, wenn er Katrin am Neujahrsabend auf ihrem Nachhauseweg gesehen und belästigt hat,
00:51:46
könnte sie ihm das blaue Auge verpasst haben?
00:51:49
Und könnte er sie daraufhin bei einem handfesten Streit getötet haben?
00:51:53
Schließlich hat der Mann auch einen Bagger und betreibt mehrere Güllegruben, weiß die Polizei.
00:51:58
Für ihn wäre es also ein leichtes, eine Leiche verschwinden zu lassen.
00:52:01
Es ist nur eine Mutmaßung, aber die Polizei möchte dem nachgehen.
00:52:05
Also wird der Vermieter befragt und tatsächlich stellt sich heraus, dass er am Neujahrsabend alleine war.
00:52:11
Seine Frau war zu der Zeit in Kur.
00:52:12
Und er ist mit dem Auto unterwegs gewesen.
00:52:15
Wo genau daran erinnert er sich jetzt, zweieinhalb Jahre später, nicht mehr.
00:52:19
Katrin habe er aber nicht gesehen, gibt er zu Protokoll.
00:52:22
Und das blaue Auge habe er sich bei Gartenarbeiten auf seinem Hof zugezogen.
00:52:27
Wann genau, wisse er nicht mehr.
00:52:29
Er kann nur noch bezeugen, dass er am 13. Januar 2001, also knapp zwei Wochen nach Katrins Verschwinden,
00:52:35
deshalb beim Augenarzt war.
00:52:36
Zwei Wochen würde ich jetzt sagen, ja, keine Ahnung.
00:52:39
Also wenn es Komplikationen gab, aber ansonsten würde ich eigentlich sagen,
00:52:42
ist ein bisschen spät und spricht vielleicht eher dafür, dass er sich das später zugezogen hat.
00:52:46
Ja, das hört sich danach an.
00:52:47
Weil wenn, würde man doch schneller hingehen.
00:52:50
Also wenn man irgendwie Schiss hat, dass da was nicht mehr in Ordnung ist.
00:52:55
Ansonsten lassen sich seine Angaben nicht überprüfen, aber mögliche Zweifel auch nicht
00:53:00
Die Polizei schneidet sogar die Sitze seines Autos auf, um mögliche Spuren zu sichern.
00:53:04
Der Zeuge sieht dabei zu.
00:53:06
Er habe nichts zu verbergen, sagt er.
00:53:08
Und er scheint damit recht zu behalten.
00:53:10
Der anfängliche Tatverdacht bleibt wage und die Plakataktion zu Katrins 18. Geburtstag
00:53:15
letztendlich erfolglos.
00:53:16
Es wird weitere drei Jahre dauern, bis der nächste Hinweis eingeht.
00:53:20
Und zwar in Form eines mysteriösen Anrufs, der alles verändern könnte.
00:53:26
Herbst 2006, mehr als fünfeinhalb Jahre, nachdem Katrin Spolus verschwunden ist.
00:53:32
Ihre Familie ist mittlerweile umgezogen.
00:53:34
Sie lebt nicht mehr in Großgadau, sondern einige Kilometer weiter bei Lüchow.
00:53:39
Vom neuen Zuhause sind es 17 Kilometer bis zu der Bushaltestelle, an der Katrin zuletzt
00:53:45
Aber die Familie meidet diesen Ort.
00:53:47
Sie nehmen lieber einen Umweg, als den Platz sehen zu müssen, an dem Katrin verschwand.
00:53:51
Der Schmerz sitzt zu tief.
00:53:54
Zwischenzeitlich haben sie sogar darüber nachgedacht, ganz wegzuziehen.
00:53:57
An einen Ort, an dem sie niemand kennt.
00:54:00
An dem sie nicht die Familie mit der verschwundenen Tochter sind.
00:54:02
Aber sie sind geblieben.
00:54:04
Katrins kleine Brüder, die damals vier und eins waren, gehen inzwischen in der Gegend zur
00:54:09
Katrins ältere Schwester Sabrina ist derweil aus dem Elternhaus ausgezogen.
00:54:13
Sie ist die einzige von ihnen, die heute noch unter dem Namen Konat im Telefonbuch steht.
00:54:18
Und wahrscheinlich ist es deshalb Sabrinas Telefon, das an einem Abend im Herbst 2006 ganz unvermittelt
00:54:27
Die Leitung bleibt stumm.
00:54:29
Hallo, fragt Sabrina.
00:54:31
Daraufhin hört sie die leise, ruhige Stimme einer Frau, die sagt, ich rufe an wegen deiner
00:54:37
Schwester, die vermisst wird.
00:54:38
Eine kurze Pause.
00:54:40
Dann sagt die Anruferin nur noch drei Worte.
00:54:43
BMW, Schwarz, Hamburg.
00:54:46
Danach wird die Verbindung getrennt.
00:54:49
Sabrina bleibt perplex zurück.
00:54:51
Der Anruf erwischt sie eiskalt.
00:54:53
Sie hatte gar nicht die Möglichkeit, Nachfragen zu stellen.
00:54:56
BMW, Schwarz, Hamburg.
00:54:58
Was soll das heißen?
00:55:00
Wer war die Frau?
00:55:01
Sabrina meint in den wenigen Worten der Unbekannten einen osteuropäischen Akzent erkannt zu haben.
00:55:07
Aufgeregt ruft Sabrina den Kommissar Andreas Rusche an.
00:55:10
Das könnte er sein, der Hinweis, auf den sie jahrelang gewartet haben.
00:55:14
Die Anruferin könnte wirklich etwas über Katrins Verschwinden wissen.
00:55:18
Davon ist auch der Kommissar überzeugt, deshalb wird er sofort tätig.
00:55:22
Ein Team aus Ermittelnden untersucht die Nummer, von der der Anruf kam.
00:55:25
Das Ergebnis macht die ganze Sache noch rätselhafter.
00:55:28
Die Unbekannte hatte aus Nürnberg angerufen.
00:55:31
Die Handykarte wurde nach dem Gespräch nicht noch einmal verwendet und auch davor nur dreimal.
00:55:36
Unmittelbar vor dem Gespräch mit Sabrina.
00:55:39
Gewählt wurden die direkte Durchfall eines Mordermittlers aus Berlin, die Nummer eines Unternehmensberaters aus Hamburg und ein Handy in England.
00:55:47
Keines der Gespräche kam zustande.
00:55:49
Der Ermittler und der Berater nahmen nicht ab und die englische SIM-Karte war zu dem Zeitpunkt bereits dauerhaft deaktiviert.
00:55:56
Was die Polizei aber besonders stutzig macht, ist, dass die unbekannte Anruferin von einem schwarzen BMW spricht.
00:56:02
Von so einem Wagen sprach vor fünf Jahren auch die Frau, die am Neujahrsabend in Bergen mit dem Auto unterwegs gewesen sei und ein Mädchen an der Bushaltestelle gesehen haben will.
00:56:11
Damals hatte die Polizei dem nicht viel Bedeutung zugemessen, aber jetzt, wo die Ermittlerinnen ein zweites Mal von einem schwarzen BMW hören, sieht das anders aus.
00:56:20
Auch deshalb, weil die Zeugin von damals von einem Berliner Kennzeichen sprach und die Anruferin jetzt, fünf Jahre später, versucht hat, einen Ermittler der Berliner Mordkommission zu erreichen.
00:56:30
Kann das Zufall sein?
00:56:32
Also ich finde das ja schon sehr auffällig, dass zwei Personen von einem schwarzen BMW sprechen.
00:56:40
Und was das für mich auch realistisch macht, dass das ein Auto aus Hamburg oder Berlin war, ist, dass Katrin dann auf einmal nicht mehr gesehen wurde und auch bei den ganzen Suchmaßnahmen auch ihre Leiche oder so nirgendwo in der Nähe gefunden wurde und sie möglicherweise eben relativ schnell aus der Stadt gebracht wurde.
00:57:01
Ja, relativ schnell aus der Umgebung, ja.
00:57:04
Also ich finde es auch einen seltsamen Zufall, dass hier zweimal dieser schwarze BMW auftaucht.
00:57:09
Ich frage mich nur, ach weißt du, ich finde sowas immer, da könnte ich drüber zerbrechen, ne?
00:57:15
Wenn da eine Frau offenbar mehr weiß und sich dafür extra eine Prepaid-Karte kauft, ne?
00:57:21
Es ist doch klar, dass anhand dieser drei Wörter dieser Fall jetzt nicht gelöst wird.
00:57:27
Das ärgert mich einfach so.
00:57:29
Also entweder denkt die total verquer und denkt, ja, die kommen da schon drauf.
00:57:33
Oder es ist halt wirklich wieder irgendjemand, der eine falsche Fährte legt, weil die Person meint es zu wissen und weiß es aber eigentlich gar nicht.
00:57:43
Ich hasse solche Leute einfach abgrundtief.
00:57:46
Ja, ich habe auch direkt an einen Prank-Anruf gedacht, also wirklich an einen Prank-Anruf, aber durch diese anderen Telefonate, die sie da vorher versucht hat, zustande zu bringen, habe ich dann gedacht, nee, die will schon irgendwie helfen.
00:57:59
Eigentlich nur wegen diesem Anruf an den Ermittler der Berliner Mordkommission, aber ja.
00:58:05
Und dadurch, dass sie halt diese Prepaid-Karte nur kurze Zeit benutzt, das kann ja auch ein Hinweis darauf sein, dass sie halt Angst hat, ne?
00:58:12
Also ja, es ist alles sehr schwierig.
00:58:16
Letztendlich kann die Polizei halt keine Verbindung nachweisen, aus denen sich Spuren auf Katrins Verbleib ableiten lassen.
00:58:22
Die Ermittlungen ergeben nichts, was den Berliner Mordermittler, den Hamburger Unternehmensberater, einen schwarzen BMW und Katrin zusammenbringen würde.
00:58:29
Zumindest kommen sie an keinem Ende weiter.
00:58:32
Auch die unbekannte Anruferin meldet sich nach diesem Abend im Herbst 2006 nie wieder bei Sabrina.
00:58:37
Damit läuft die Spur, wie so viele vor ihr, ins Nichts.
00:58:42
Sie bringt höchstens eine Vermutung wieder auf, die auch kurz nach Katrins Verschwinden schon im Raum stand.
00:58:46
Könnte Katrin getrampt und zum Falschen ins Auto gestiegen sein?
00:58:50
Immerhin fährt über die Bundesstraße auch der Fernverkehr durch Bergen.
00:58:54
Das würde wiederum ein Auto mit Berliner Kennzeichen erklären.
00:58:57
Was, wenn ein Fremder Katrin gegen ihren Willen verschleppt hat?
00:59:01
Eine Zeit lang prüft die Polizei auch, ob Katrin Opfer eines verurteilten Doppelmörders geworden sein könnte,
00:59:06
der in den frühen 2000ern im Norden Deutschlands unterwegs war.
00:59:10
Der Sexualstraftäter fuhr wohl häufig ziellos mit dem Auto umher und hat später einem Mitgefangenen gesagt,
00:59:16
dass er unter anderem auch Tramperinnen mitgenommen und getötet habe.
00:59:21
Weitere Anhaltspunkte dafür lassen sich aber nicht feststellen und sein vermeintliches Geständnis dementiert der Verurteilte später wieder.
00:59:28
Und so vergehen weitere Jahre, Jahre ohne eine einzige konkrete Spur, die Aufschluss darüber geben könnte, wo Katrin ist.
00:59:35
Doch ihre Familie gibt die Hoffnung nicht auf.
00:59:38
Sie hält an dem Glauben fest, dass sie Katrin eines Tages wieder sieht.
00:59:43
Und die Mitglieder nutzen jede Möglichkeit, um ihr Verschwinden doch noch aufzuklären.
00:59:47
Katrins Schwester Jana, die inzwischen selbst längst erwachsen ist, nimmt neben Rudi Zerne im Studio von Aktenzeichen XY ungeklärt Platz,
00:59:55
das ist die Sendung, die wir später mal moderieren werden, um über den Fall, der ihr Leben bestimmt, zu sprechen.
01:00:00
Und auch Vater Ralf gibt mehrfach Interviews und spricht dabei stets im Präsens von seiner Tochter.
01:00:05
Katrin war nicht, sie ist.
01:00:07
Er korrigiert selbst die ReporterInnen, wenn sie in der Vergangenheitsform von Katrin sprechen.
01:00:12
Und schließlich erscheint im Jahr 2015 im NDR die Dokumentation eines Filmemachers, der die Familie Konert über zehn Jahre lang begleitet hat.
01:00:21
Der Titel der Doku lautet Blitzeis, das Warten auf Katrin Konert.
01:00:25
Und viele der Infos für die Folge haben wir auch aus dem Film.
01:00:28
Und wir verlinken euch den auch nochmal in der Folgenbeschreibung.
01:00:32
Doch trotz all dieser Versuche, Bewegungen in den Fall zu bringen, steht die Polizei auch im Jahr 2018, 17 Jahre nach Katrins Verschwinden,
01:00:40
praktisch an derselben Stelle wie damals, an der Bushaltestelle in Bergen, an der Katrin zuletzt gesehen wurde,
01:00:47
die sie verlassen hat und dann ins Nichts verschwunden ist.
01:00:51
Die Bushaltestelle sieht 2018 noch immer aus, wie im Jahr 2001, als Katrin hier saß.
01:00:57
Ein kleiner Holzverschlag, innen eine Bank zum Sitzen, außen hängt der Fahrplan.
01:01:02
Heute wirkt sie heruntergekommen.
01:01:04
Das Holz ist verwittert und von Kritzeleien übersät.
01:01:07
Fuck, Police steht in Großbuchstaben an der einen Wand.
01:01:10
Ein ausgestreckter Mittelfinger darunter.
01:01:13
Nichts, was Aufsehen erregt.
01:01:15
Anders als die Botschaft, die eines Tages an der Wand gegenüber auftaucht.
01:01:20
Katrin Konert wurde von Busse und Jäger missbraucht, steht dort plötzlich.
01:01:24
Konert ist falsch geschrieben, mit A-T statt mit E-R-T.
01:01:29
Ein schlechter Scherz oder ein wichtiger Hinweis?
01:01:32
Die Polizei ermittelt.
01:01:34
Natürlich leben in Bergen und in den Dörfern drumherum Menschen, die Jäger oder Busse im Nachnamen heißen.
01:01:40
Außerdem gab es 2001 eine Kneipe in Bergen, die Busses hieß.
01:01:44
Auch Menschen aus Katrins Umfeld sind dort eingekehrt.
01:01:47
Kommissar Andreas Rusche, der mittlerweile kurz vor der Rente steht, geht dem nach.
01:01:52
Aber handfeste Anhaltspunkte dafür, dass es sich nicht nur um eine geschmacklose Schmiererei handelt, findet er keine.
01:01:58
Und so wird schließlich auch diese Spur zu den Akten gelegt, die im Büro des Ermittlers mittlerweile einen ganzen Schrank füllen.
01:02:04
70 Ordner mit Unterlagen stapeln sich darin.
01:02:08
Katrins Fahndungsposter klebt noch immer an der Tür des Schranks, als Andreas Rusche 2018 in den Ruhestand geht.
01:02:15
Katrins Verschwinden bleibt der Fall, den er nie lösen konnte.
01:02:19
Der Fall, den er nun an seine Kollegin übergibt, Annegret Dau-Rödel, die ihn jetzt im Jahr 2018 noch einmal neu aufrollen will.
01:02:28
Mit einem Team aus sechs Personen und FallanalytikerInnen vom Landeskriminalamt werden alle Akten noch einmal durchgearbeitet.
01:02:35
ZeugInnen von damals werden, 17 Jahre später, wieder vorgeladen und befragt.
01:02:40
Zusätzlich gehen PolizistInnen in Bergen von Haus zu Haus, drücken den AnwohnerInnen Flyer in die Hand und fragen noch mal nach, ob sie sich nicht doch an diesen einen Neujahrsabend 2001, als hier im Ortskern ein Mädchenverschwand, erinnern.
01:02:51
Gleichzeitig wird die Belohnung auf sachdienliche Hinweise erhöht.
01:02:55
10.000 Euro bietet die Polizei jetzt für denjenigen, der ihnen weiterhelfen kann.
01:03:00
Und parallel dazu wendet sich Annegret Dau-Rödel auch wieder an die Presse.
01:03:04
In Absprache mit der Polizei veröffentlicht der NDR nämlich eine mehrteilige Podcast-Serie namens Täter Unbekannt, in der sowohl Andreas Rusche und Annegret Dau-Rödel als auch Kathrins Familie zu Wort kommen.
01:03:16
Der NDR versucht mit allen Beteiligten von damals zu sprechen.
01:03:19
Mit Lena zum Beispiel, Kathrins bester Freundin, die im Podcast darüber lachen muss, wie sie nachts manchmal zu zweit von der Dorfdisco nach Hause gelaufen sind.
01:03:27
Oder Melanie, die ja mit Uwe in Bergen Pizza essen war und sich noch heute erinnert, Kathrin auf der Heimfahrt an der Bundesstraße entlang gehen gesehen zu haben.
01:03:36
Wer allerdings nicht zum Interview bereit ist, sind die, deren Aussagen bis heute nicht zusammenpassen.
01:03:41
Kathrins Freund Matze, über den inzwischen in Bergen das Gerücht basiert, dass er und Kathrin sich am Tag ihres Verschwindens gestritten hätten.
01:03:48
Davon berichtet der NDR, die Polizei kann und will die Info aber nicht bestätigen.
01:03:54
Dann ist er noch Joris, der offenbar Letzte, der Kathrin gesehen hat und gerade von seiner Schwester kam und laut seiner Freundin viel später bei ihr eintraf, als er vor der Polizei angab.
01:04:02
Und zuletzt Igor, dem Kathrin erst für die Mitfahrgelegenheit abgesagt und sich dann doch lose mit ihm für die Heimfahrt verabredet hatte.
01:04:09
Der, der sich an dem Abend eine Pizza bestellt haben will, was niemand bezeugen kann.
01:04:14
Bis heute weiß man nicht, ob sich die beiden begegnet sind oder nicht.
01:04:18
Als der NDR ihn wegen eines Interviews anfragt, droht Igor direkt mit einem Anwalt.
01:04:23
Er hat offenbar kein Interesse daran, sich weiteren Fragen zu dem Abend zu stellen.
01:04:27
Dass man auch so ein bisschen verstehen kann, ich würde mir auch sofort einen Anwalt nehmen.
01:04:30
Also egal, ob ich das jetzt war oder nicht, aber gehen wir jetzt mal davon aus, dass er das natürlich nicht war, weil es gibt jetzt nicht wirklich Anhaltspunkte dafür.
01:04:37
Und er wird dann da natürlich immer so zum Thema gemacht, kann ich das auch verstehen, dass er sich einen Anwalt nimmt.
01:04:43
Also auch wenn das jetzt hier so ein bisschen mit einem Unterton irgendwie klang, verständlich ist es schon.
01:04:49
Neue Erkenntnisse können die JournalistInnen während ihrer Interviews nicht gewinnen.
01:04:54
Und trotzdem bringen der Podcast, der Deutschland bald gehört wird und die neuen Polizeimaßnahmen wieder Fahrt in die Ermittlungen.
01:05:00
Bis Anfang 2019 gehen über 100 neue Hinweise bei der Polizei ein, denen man nachgeht.
01:05:06
Und wieder verlaufen die meisten Spuren im Sand.
01:05:09
Übrig bleibt zum Schluss nur ein Tipp.
01:05:11
Der Anruf eines Mannes, der anonym bleiben will.
01:05:14
Er weist auf ein kleines Waldstück bei Bergen hin.
01:05:17
Kathrins Leiche könnte dort unbemerkt abgelegen worden sein, vermutet der Hinweisgeber.
01:05:21
Warum er das glaubt, sagt er nicht.
01:05:23
Aber die Polizei nimmt seinen Tipp ernst und beginnt mit umfangreichen Suchmaßnahmen.
01:05:28
Das Gelände, auf das sich der Hinweis bezieht, ist abgelegen.
01:05:31
Unübersichtlich.
01:05:32
Durchzogen von dichten Büschen und verwachsenen Bäumen.
01:05:35
Und genau dort schlagen am 23. Januar 2019 mehr als 40 Einsatzkräfte, unterstützt vom Technischen Hilfswerk auf.
01:05:42
Zwei Minibagger kommen zum Einsatz, um den gefrorenen Boden aufzubrechen.
01:05:47
Anschließend beginnt man vorsichtig Erdschicht um Erdschicht abzutragen.
01:05:51
Einerseits, um zu bestimmen, ob hier in den letzten Jahren gegraben wurde.
01:05:54
Und andererseits auf der Suche nach menschlichen Überresten.
01:05:58
Knochen zum Beispiel, die belegen könnten, dass Kathrin nicht mehr am Leben ist.
01:06:01
Kathrins Familie sitzt währenddessen zu Hause und bangt.
01:06:04
Es ist ein Gefühl zwischen Hoffnung und Angst.
01:06:07
Hoffnung, dass die Polizei vielleicht endlich eine Spur findet, dass sie nach all den Jahren Gewissheit bekommen.
01:06:13
Und gleichzeitig wünschen sie sich, dass nichts gefunden wird.
01:06:16
Weil das bedeuten würde, dass Kathrin vielleicht doch noch lebt.
01:06:18
Am Ende findet die Polizei in dem Waldstück keine Anhaltspunkte auf ein Grab.
01:06:23
Keine Überreste.
01:06:24
Keinen einzigen Beleg dafür, dass Kathrin jemals dort gewesen ist.
01:06:28
Auch dieser Hinweis führt ins Nichts.
01:06:30
Eine weitere Sackgasse.
01:06:32
Und daran hat sich leider bis heute nichts geändert.
01:06:38
Was am Neujahrsabend 2001 mit Kathrin Konert passiert ist, bleibt weiterhin ungeklärt.
01:06:43
Die Polizei geht laut Medienberichten von 2018 davon aus, dass Kathrin Opfer eines Totschlags geworden ist.
01:06:49
Laut der Ermittlung sei es am wahrscheinlichsten, dass jemand Kathrin von der Bushaltestelle aus im Auto mitgenommen hat.
01:06:55
Entweder jemand, den sie kannte, oder eine fremde Person, die sie per Anhalter mitnahm.
01:07:00
Ermittlerin Annegret Daurödel hält es für denkbar, dass es während der Fahrt zu einem Streit kam,
01:07:05
in dessen Verlauf Kathrin getötet und ihre Leiche anschließend an einem unbekannten Ort abgelegt wurde.
01:07:10
Doch ob diese Theorie tatsächlich der Wahrheit entspricht, weiß niemand.
01:07:14
Es sind Vermutungen, mögliche Szenarien, aber keine Gewissheiten.
01:07:18
Und genau diese Ungewissheit lässt auch das Loch offen, das ihr Verschwinden in ihrer Familie hinterlassen hat.
01:07:25
Jahrelang standen ihre Geschwister an Weihnachten vor dem geschmückten Christbaum im Wissen, dass eine von ihnen fehlt.
01:07:31
Dass sie nicht vollständig sind, dass Kathrin hier sein sollte.
01:07:34
Kathrins Eltern und ihre Schwestern sprechen manchmal mit ihr.
01:07:38
So, als wäre sie noch bei ihnen.
01:07:40
Wenn du wüsstest, dass dein kleiner Bruder inzwischen Fußball spielt, würde Vater Ralf ihr gerne sagen.
01:07:45
Wenn du wüsstest, dass du inzwischen Tante bist, will ihre Schwester Sabrina mit ihr teilen.
01:07:50
Wenn du wüsstest, wie schrecklich du uns noch immer fehlst, da sind sich alle einig.
01:07:55
Selbst Kathrins Brüder, die sich nicht mehr an ihre Schwester erinnern, fühlen sich ihr nach wie vor verbunden.
01:08:00
Sie wissen aus Erzählungen, wer sie war und haben ihr Lachen hunderte Male auf den Videos von früher gehört.
01:08:06
Luca, der Ältere der beiden, hat ihr Bild jahrelang neben seinen Fußballpostern in seinem Zimmer aufgehängt.
01:08:12
Er ist davon überzeugt, dass Kathrin ihn beschützt.
01:08:15
Wie ein Schutzengel.
01:08:17
Pascal, der bei Kathrins Verschwinden erst ein Jahr alt war, wollte lange Polizist werden und Kathrin selbst zurückbringen,
01:08:23
um seine Familie wieder ganz zu machen, wieder glücklich.
01:08:27
Das wünschen sie sich alle.
01:08:29
Und solange Kathrins Körper nicht gefunden wird, glauben sie auch daran.
01:08:33
Denn die Hoffnung stirbt zuletzt.
01:08:38
Die Hoffnung darauf, dass die verschwundene Tochter, die heute nicht mehr 15, sondern 38 Jahre alt ist, endlich heimkehrt.
01:08:49
Schlimm, also mich berührt es auch so doll mit dem Bruder, der die nie kennengelernt hat und sich die aufgehangen hat und irgendwie gedacht hat, er wird jetzt Polizist und bringt die wieder heim.
01:09:00
Man sieht einfach an diesem Fall, was so eine Geschichte mit einer Familie machen kann.
01:09:05
Und damit steht er ja auch stellvertretend für so viele Vermisstenfälle, bei denen die Familie jahrelang nicht weiß, was passiert ist und nicht abschließen kann, weil keine Leiche gefunden wird oder auch, weil kein Täter oder keine Täterin gefunden wird.
01:09:22
Ich habe jetzt kurz vor der Aufnahme mir auch vorgestellt, wie das ist, wenn jemand aus der Familie einfach so verschwindet.
01:09:29
Stell dir mal vor, du schnippst und eine Person aus dieser Familie, die ja nur ganz ist, wenn alle da sind, ist nicht mehr da.
01:09:36
Die ist einfach weg und du hast keine Ahnung, wo diese Person ist.
01:09:41
Die ist auf immer Spules verschwunden.
01:09:42
Ich finde, diese Vorstellung, die macht mich genauso wahnsinnig, wie ins Universum zu gucken, weil ich diese Größe nicht begreifen kann an Schmerz, den die Familie da erlebt.
01:09:53
Ja, und weil man sich auch fragt, wie kann das denn sein? Wie kann es denn sein, dass ein Mensch so spurlos verschwindet?
01:10:01
Es ist ja jetzt nicht so, dass die Polizei gar nichts gemacht hat. Sie hat zwar länger gebraucht, um wirklich nach ihr zu suchen, aber dann haben sie ja wirklich viel ermittelt.
01:10:09
Und man merkt ja auch hier, dass auch immer noch in den Jahren später wirklich an jedem Strohhalm sich geklammert wurde und auch schon alleine, dass sie diese Bagger da rausgeholt haben und mit so einem Riesenaufgebot nur aufgrund eines kleinen Hinweises, der nicht besonders stichhaltig klang, also sie zu finden.
01:10:27
Und dass es aber nicht erfolgreich ist. Ich kann ja, es macht mir einfach nur Angst dazu auch.
01:10:33
Also ich meine, man kann das ja jetzt auf jeden Fall hier kritisieren, dass die Polizei damals fast zwei Wochen lang nichts gemacht hat oder zumindest nicht nach ihr aktiv gesucht hat.
01:10:46
Ja, wir hätten gerne gewusst, warum das so ist. Also wir haben Chefermittlerin Annegret Dau-Rödel angeschrieben und wollten darüber sprechen, warum erst so spät nach Katrin gesucht wurde.
01:10:54
Und wir wollten auch ein bisschen was über diese Widersprüche in den Aussagen von Joris und Igor erfahren. Aber die Ermittlerin hat aus zeitlichen Gründen abgesagt und die Polizeiinspektion Lüchow hat uns auch leider unseren Fragekatalog nicht beantwortet.
01:11:08
Deswegen können wir jetzt an den Stellen halt einfach nicht mehr dazu sagen. Der NDR-Podcast, der wurde in Zusammenarbeit mit der Polizei damals produziert und da sagen die halt nichts dazu, warum das so war.
01:11:18
Das hätten wir hier gerne an der Stelle aufgeklärt. Also das ist für uns ja einfach so ein großes Fragezeichen jetzt gerade. Aber man muss ja sagen, dass die danach wirklich sehr viel getan haben und sehr vielen Hinweisen nachgegangen sind.
01:11:30
Ja, was ich oft bei solchen Fällen denke, aber auch bei Unfällen oder so, ist ja immer dieses, wäre eine kleine Sache anders gewesen, wäre jetzt alles anders, ja.
01:11:40
Wieso? Also man kann niemandem einen Vorwurf machen, aber man denkt sich so, hätte doch eine Person, die sie gefragt hat, sie dann nach Hause gefahren, weißt du.
01:11:52
Und ich kann mir gut vorstellen, dass sie sich das auch mal vorgeworfen haben oder vorwerfen, diese Menschen, weil sowas kann man ja wirklich nicht ahnen.
01:11:59
Ja, und ich meine, man hört auch so ein bisschen, wir wurden oft hier rumgefahren und da gab es viele Leute, die da öfter mal Chauffeur gespielt haben.
01:12:08
Und dann denkt man sich ja vielleicht auch, ey, heute bei dem Wetter echt kein Bock, nehm bitte den Bus, ja, der fährt ja noch.
01:12:14
Die Familie hat sich seit dem NDR-Podcast aus der Öffentlichkeit zurückgezogen.
01:12:19
Aber natürlich ist es für sie immer noch der sehnlichste Wunsch, dass Katrin zurückkommt und dass endlich aufgeklärt werden kann, was passiert ist.
01:12:27
Und deshalb bittet die Polizei auch immer noch um Hinweise. Und die Seite, wo man die abgeben kann, die verlinken wir euch auch nochmal in unserer Folgenbeschreibung.
01:12:37
Ja, weil irgendwer muss was wissen. Und wir kennen das hier aus anderen Fällen. Manchmal verstirbt ein Täter oder eine Täterin und die Leute aus dem Umfeld trauen sich plötzlich, was zu sagen.
01:12:47
Manche werden älter und sind weggezogen und haben vielleicht keine Angst mehr, den entscheidenden Hinweis zu geben.
01:12:53
Und manche wollen dann auch nicht sterben mit der Schuld, die auf ihn lastet. Und vielleicht wird der Fall dann so irgendwann doch noch gelöst.
01:13:01
Ja, das hoffe ich ganz, ganz doll für die Familie.
01:13:06
Das war's zu diesem Fall. Nächste Woche bespreche ich eine Geschichte, in der es um eine Person geht, die sich wie Bolle auf einen ganz besonderen Tag gefreut hat, den sie aber tragischerweise nicht überleben wird. Bis dahin.