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Hi, herzlich willkommen zu einer neuen Folge von Mordlust, unserem True-Crime-Podcast, in dem wir wahre Verbrechen nacherzählen.
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Mein Name ist Paulina Kraser.
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Und ich bin Laura Wohlers.
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Wir erzählen uns hier gegenseitig jeweils einen Fall, von dem die andere in der Regel nichts weiß.
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Und deswegen bekommt ihr auch unsere ungefilterten und spontanen Reaktionen mit.
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Wir kommentieren die Fälle auch.
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Warte, was? Wir kommentieren die Fälle auch.
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Manchmal auch sarkastisch.
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Außerdem lachen wir ja auch mal, aber das ist nie despektierlich gemeint.
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In unserer heutigen Folge geht es um Agenten.
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Ist das Mission Impossible oder 007?
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Nee, das war irgendwie, glaube ich, Mission Impossible.
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Ich kann dir jetzt endlich mal eine Story erzählen, die ich schon seit Ewigkeiten im Sinn habe, aber es hat nie so richtig gepasst.
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Aber zum heutigen Thema passt sie.
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Und zwar spielt die Geschichte in Schottland.
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Mary lernt einen tollen Mann kennen.
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Sie ist alleinerziehend mit einem neun Monate alten Baby.
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Also relativ froh, jemanden gefunden zu haben.
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Er ist charmant und nett, aber auch CIA-Agent.
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Also er ist Amerikaner.
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Und die beiden gründen eine Familie und bekommen zwei Kinder und heiraten.
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Und sie nimmt seinen Nachnamen Jordan an.
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Aber sie weiß, dass er CIA-Agent ist?
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Genau, er sagt es ihr, ja.
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Und er ist nämlich halt oft weg, weil seine Einsätze das halt von ihm verlangen.
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In sechs Jahren ist ihr Mann Will nur einmal sieben Tage am Stück bei ihr.
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Weil er, ja, weil er so viel unterwegs ist.
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Und dann kommt Will eines Tages nach Hause und sagt, dass Spione von einer anderen Seite seine Familie überwacht haben und ihn nun bedrohen.
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Und er muss 200.000 Dollar an sie zahlen.
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Ansonsten würden sie die Kinder entführen und sie umbringen.
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Also zahlen Will und Mary diese 200.000 Dollar.
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Und etwas später klingelt das Telefon bei Mary Jordan, als Will mal wieder auf seinen Einsätzen ist.
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Und da ist eine Frau am anderen Ende des Telefons.
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Und die sagt, dass da die andere Mrs. Jordan ist.
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Stellt sich heraus, Will ist gar kein Geheimagent.
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Und sie erzählt Mary, dass sie mit ihrem Ehemann, mit dem sie ja zwei Kinder hat,
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also dass sie mit ihm seit 14 Jahren verheiratet ist und sie fünf Kinder haben.
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Und außerdem hat er auch noch zwei Kinder mit der Nanny von der anderen Mrs. Jordan.
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Und insgesamt hat er 13 Kinder mit sechs verschiedenen Frauen.
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TSI-Agent ist halt auch ein ziemlich gutes Alibi, würde ich mal sagen.
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Aber es ist halt, es ist so krass, ja.
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Und Will wird dann wegen Bigami, weil er halt zweimal verheiratet war und betrugsverurteilt und saß dann zweieinhalb Jahre in Schottland im Gefängnis und wurde dann in die USA ausgewiesen.
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Ja, und vor allen Dingen, ich frage mich immer, also ob es das wert ist, diese ganze Geheimnistuerei und so weiter.
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Also was ist denn mit so Menschen, ja, die so Doppelleben führen, das finde ich immer so, also das kann ich nicht nachvollziehen.
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Ich finde das schon viel zu anstrengend eigentlich auch.
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Also wer will denn, der hat ja auch tausend Identitäten gehabt, ne, damit der überhaupt dann auch zweimal heiraten kann und so.
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Weiß man denn, was sein eigentlicher Beruf war?
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Nee, ich frage mich auch, was der gemacht hat.
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Naja, wahrscheinlich hat er das irgendwie mit mehreren Frauen so abgezogen mit der Kohle, ja.
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Ach so, ja stimmt.
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In Deutschland ist es übrigens so, dass man für Bigami auch bis zu drei Jahre Freiheitsstrafe bekommt.
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Das finde ich aber schon ein bisschen hoch, weil wenn wir jetzt mal davon ausgehen, dass es manche Fälle gibt, in denen alle Involvierten damit einverstanden sind, warum sollte man dann jemanden bestrafen?
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Das tut ja jetzt nicht direkt irgendwem weh.
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Ja, also finde ich auch, kann mir ja auch egal sein, soll ja jeder so machen, wie er mag.
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Aber dazu braucht man dann ja vielleicht auch nicht unbedingt die Ehe, wobei das für mich jetzt auch nur ein unterschriebenes Blatt Papier ist.
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Der zweite Ehepartner macht sich übrigens auch strafbar, alleine schon, wenn er von der ersten Ehe weiß.
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Ich finde aber schon okay, dass wir das in der westlichen Welt halt nicht so leben.
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Wozu braucht man denn halt mehrere Frauen?
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Es gibt ja diese Polyandrie, so heißt das, wenn Frauen mehrere Männer haben, in Teilen von Indien und Afrika zum Beispiel.
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Es kommt natürlich viel seltener vor als die Vielweiberei.
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Ja, stimmt. Und das zeigt ja eigentlich, dass dieses Modell von mehreren Ehen total sexistisch ist, weil es eben meistens Männer sind, die mehrere Ehepartner haben.
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Drei Jahre finde ich aber irgendwie trotzdem zu viel, wenn alle damit fein waren.
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Hast du eigentlich einen Agentenfall für uns mitgebracht?
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Oder wollten wir noch ein bisschen über Hochzeiten reden?
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Laura findet es okay, mit mehreren verheiratet zu sein.
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Ich muss dazu sagen, dass ich mein Fall, mein Agentenfall, dreht sich eher um die persönliche Entwicklung eines Agenten und um seine Laufbahn.
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Alle Signale, alle Warnungen und Befehle hatte er die letzten Tage und Wochen ignoriert, so gut er konnte.
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Als Jack auf dem Bahnsteig einer New Yorker U-Bahn steht, tritt plötzlich ein Mann an ihn heran.
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Er flüstert, du musst nach Hause kommen oder du bist tot.
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Jack ist bestürzt, bekommt es aber hin, nicht in Panik zu verfallen.
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Nachdem er sich umgesehen hat, ob auch niemand außer ihm diese Worte gehört hat, steigt er in den Zug und fährt zur Arbeit.
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Jetzt muss er sich entscheiden.
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Seine Leute wissen nun, dass er die Nachricht erhalten hat.
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Als Albrecht Dittrich 1968 Chemie an der Uni Jena, also der damaligen DDR, studiert,
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denkt er noch, dass er später Professor für Chemie werden wird.
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Die Chancen dafür stehen auch gut.
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Albert ist ein schlauer Kopf und sieht es als Sport an, den Dozenten eins auszuwischen,
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indem er ihre besonders schwierigen Fragen beantworten kann.
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Er ist immer gut vorbereitet auf die Vorlesung, weil er weiß, dass er immer gefragt wird,
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wenn die anderen Studenten mal nicht weiterwisten.
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Das schmeichelt ihm und damit hat er sich mittlerweile einen Ruf an der Uni erarbeitet.
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Herausragen aus der Masse, das treibt ihn an.
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Auch im Basketballteam bekommt er viel Anerkennung.
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Er liebt den gemeinsamen Erfolg und fühlt sich dort zugehörig.
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Ein Gefühl, das er zu Hause nie hatte.
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Seine Mutter war nicht sehr fürsorglich in seiner Kindheit.
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Einmal hatte Albrechts starke Bauchweh.
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Seine Mutter schickte ihn mit dem Bus zum Krankenhaus, obwohl er gar nicht mehr laufen konnte.
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Küsse oder Umarmung war nie Teil seiner Kindheit.
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Das Basketballteam ist für ihn wie eine Familie.
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Es ist das erste Mal, dass er erkennt, dass es wertvoll ist, sich für eine Sache einzusetzen,
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die größer ist als er selbst.
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Und Albrecht ist mit 1,90 Uhr ziemlich groß.
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Während seines Studiums treten immer wieder Kommilitonen oder Dozenten an ihn heran,
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die ihn vorschlagen, doch in die SED, also der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands, einzutreten.
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Die SED ist die damals führende Partei und strebt nach maximistisch-leninistischen Werten.
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Albrecht gefällt die Philosophie der Partei.
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Digitalismus ist das Feindbild und ein sozialer Staat die Lösung, um eine klassenlose Gesellschaft zu erreichen.
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Westdeutschland ist der Nachfolger von Hitler-Deutschland
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und wird vom größten Feind den Vereinigten Staaten von Amerika regiert.
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Albrecht wird Mitglied in der FDJ, also der Jugendorganisation der SED,
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und der Kommunismus-Gedanke geht ganz in ihn über.
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Durch seine Staatstreue stehen ihm jetzt auch Türen für eine politische Laufbahn offen.
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Im September 1970 klopft es an Albrechts Zimmertür.
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Als er die Person hereinbittet, steht vor ihm ein kleiner Mann, den er noch nie an der Uni gesehen hat.
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Seinen Namen nennt er nicht.
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Ich will mit Ihnen über Ihre berufliche Zukunft sprechen.
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Können Sie sich vorstellen, für die Regierung zu arbeiten?
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Albrecht kann sich denken, wohin das hier führen soll, und antwortet, ja, aber nicht als Chemiker.
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Diesem Treffen folgen weitere, mit wichtigen Personen, die, wie Albrecht irgendwann erfährt,
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ihn für den KGB anwerben wollen und nicht, wie er zuerst vermutete, für die Stasi.
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Der KGB ist der sowjetische Innen- und Auslandsgeheimdienst und dient als Vorbild der Stasi.
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Nach vielen Vorgesprächen, die dazu dienen, sich gegenseitig zu beschnüffeln,
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erfährt Albrecht von seinem Kontaktmann, dass alles, worüber sie sprechen und was sie tun, streng geheim bleiben muss.
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Dass es um Staatsgeheimnisse geht, nicht um sein eigenes Geheimnis,
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und dass er jetzt die Aufgabe hat, diese zu hüten.
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Jetzt wird ein sehr langer Prozess beginnen, der ihn auf eine mögliche Karriere im Geheimdienst auf feindlichem Gebiet vorbereiten soll.
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Albrecht Platz vor Stolz.
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Das Gefühl, hier für eine größere Sache zu dienen, die noch viel größer ist, als für die Basketballmannschaft zu spielen, ist überwältigend.
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Sein Deckname ist ab jetzt Dieter.
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In seinem ersten Teil der Ausbildung soll Albrecht Profile von Kommilitonen erstellen, einfach nur zur Übung.
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Außerdem soll er über bestimmte Personen Informationen sammeln und dann Berichte schreiben.
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Als sein Studium abgeschlossen ist, verbringt er viel Zeit mit einem KGB-Mitglied, das ihm sagt, wie das Leben als Agent so läuft.
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Er muss sich mit den Feinden anfreunden, er muss lernen, zu sprechen wie sie, zu denken wie sie,
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muss tun, als wäre er einer von ihnen und niemals, niemals darf er verraten, wer er wirklich ist.
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Sein Leben, wie es bisher war, muss er hinter sich lassen und zu niemandem darf er sagen, was er tut.
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Und er gibt ihnen eine Warnung mit.
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Viele Agenten fliegen auf und landen dann im Gefängnis.
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Er soll sich jetzt überlegen, ob er die Konsequenzen dafür tragen könnte.
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Danach gibt es kein Zurück mehr.
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Albrecht wollte jahrelang Uniprofessor werden, aber wenn man das Angebot bekommt, Teil einer Elitegruppe zu werden,
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überlegt man nicht lange, so Albrecht.
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Seiner Mutter und seinem Bruder erzählt er an Weihnachten 1972, dass er als Diplomat arbeiten und nach Berlin gehen wird.
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Zumindest das mit Berlin ist nicht gelogen.
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Für Albrecht läuft in dieser Zeit alles gut.
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Er hat das Gefühl, seinem Leben einen Sinn zu geben, indem er für eine bestimmte Sache arbeitet.
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Aber dann passiert etwas, das Albrecht gerade nicht gebrauchen kann.
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Eine Kommilitonin wird unverhofft von ihm schwanger.
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Er kümmert sich nicht und lässt sie mit dem Kind allein.
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In seiner Ausbildung in Berlin lernt er, wie man über Kurzwellenfunk Nachrichten verschickt und entschlüsselt und Morsezeichen zu lesen.
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Er lernt, Negative von Fotografien herzustellen, die so klein sind, dass sie unter eine Briefmarke passen.
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Außerdem, wie man Geld, Gegenstände oder Dokumente über sogenannte tote Briefkästen weitergibt.
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Im Grunde ist das wie Agenten-Geocaching.
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An einem Ort liegt also eine bestimmte Box und in der hinterlässt man dann einen Gegenstand oder Papiere und dann holt ein anderer Agent diesen Gegenstand ab.
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Fährt man zu so einem toten Briefkasten, muss man drei Stunden vorher durch die Stadt fahren, um sicherzugehen, nicht beschattet zu werden.
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Und dazu gibt es verschiedene Trainingsläufe und Albrecht kann sich nämlich sehr gut Gesichter merken und das wird hier zu seiner Stärke, weil wenn er ein Gesicht zweimal an einer Stelle sieht, dann weiß er, dass er beschattet wird.
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Aber das ist alles immer noch die Übung in Berlin.
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Und er lernt Englisch, teilweise hundert neue Wörter an einem Tag.
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Aber so spannend es sich auch zunächst anhört, also ein Leben für den KGB geht halt eben auch mit Einsamkeit einher.
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Albrecht kann seine Erlebnisse mit niemandem teilen und deswegen fällt es ihm schwer, sich auf Menschen einzulassen.
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Bis er eines Abends diese wunderschöne Frau in einem Tanzlokal kennenlernt.
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Christine heißt sie und Albrecht findet, dass sie aussieht wie ein Filmstar.
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Er erzählt ihr, dass er Mitarbeiter im Außenministerium ist und sie stellt keine weiteren Fragen.
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Sie gehen eine Beziehung ein und für einige Monate, bis der KGB weitere Pläne für Albrecht offenbart, sind sie sehr glücklich.
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Jetzt soll er aber Amerikaner werden und soll dort Kontakt zu Entscheidungsträgern aufnehmen,
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Informationen beschaffen und lernen zu verstehen, wie sie denken.
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Der KGB denkt, dass Situationen wie die Kubakrise sich dann besser abwenden ließen.
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Dazu soll er zunächst zwei Jahre nach Moskau gehen, um dort den amerikanischen Akzent von echten Amerikanern zu lernen
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und dann da alle Weichen für eine Integration in der amerikanischen Gesellschaft stellen.
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Voll aufwendig, oder?
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Zwei Jahre lang den Akzent zu lernen.
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Ja, und dann hat er ja schon zwei Jahre in Berlin eine Ausbildung gemacht.
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Es gibt zwei Arten von Agenten, die, die legal im Land sind und diplomatische Immunität genießen,
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aber eher als Vermittler dienen und deswegen nicht wirklich Informationen beschaffen können,
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und die Undercover-Agenten, die das komplette Risiko tragen, wenn sie auffliegen.
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Albrecht hat da so eine Idee, welche Art von Agent er werden soll.
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Nur wenige werden nach Amerika geschickt.
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Albrecht sieht das als Anerkennung seiner Leistung an.
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Nur heißt das, dass er Christiane Lebewohl sagen muss.
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Es schmerzt ihn, aber ein normales Leben kommt für ihn nicht mehr in Frage.
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Er ist zu Größerem bestimmt, denkt er.
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Christiane weint bitterlich, als er sich trennt.
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Mit seiner Familie, vor allem mit seiner Mutter, steht er im Briefkontakt.
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Aber viele der Briefe muss er vorschreiben und dem KGB übergeben,
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obwohl er gar nicht weiß, was seine Mutter ihm in ihren Briefen mitteilen wird.
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Nach seiner zweijährigen Ausbildung in Moskau schickt ihn der Geheimdienst erst mal zur Übung nach Kanada.
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Eine gute Entscheidung, wie Albrecht feststellen muss,
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als ihn der Anblick eines Schraubverschlusses fast aus der Bahn wirft.
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So was hat er noch nie vorher gesehen.
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Dort besteht seine Arbeit hauptsächlich daraus, im Diner essen zu gehen
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und amerikanische Fernsehsendungen anzusehen.
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The Price is Right ist für ihn die Spitze des Kapitalismus.
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Bevor es endgültig aufs feindliche Gebiet geht, verbringt er noch ein paar Tage in Berlin.
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Wieder ist es ein Klopfen an der Tür, dass sein Leben einen neuen Wendepunkt gibt.
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Es ist Christiane.
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Liebst du mich noch?
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fragt sie zwei Jahre, nachdem er sie verlassen hat.
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Ja, antwortet Albrecht.
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Er weiß, dass er jetzt eine Lösung finden muss, Christiane in seine Geheimnisse einzuweihen.
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Ohne sie würde er depressiv werden.
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Immerhin ist er mittlerweile 28 und hat noch nichts wirklich erreicht.
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Nach einem Hintergrundcheck erlaubt der KGB die Beziehung zu Christiane.
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Der Plan ist, dass sie nach einigen Jahren in den Westen nachkommt.
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Aber bis sich die beiden wiedersehen, werden wieder zwei Jahre vergehen.
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In Amerika angekommen, muss er die Identität von Jack Barschke annehmen.
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Jack Barschke war ein elfjähriger Junge.
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Ein anderer KGB-Agent hatte seinen Namen auf einem Grabstein gesehen und mit einem Trick seine Geburtsurkunde erhalten.
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Sich in den USA Papiere zu beschaffen, die für jeden anderen selbstverständlich sind, bestimmt jetzt dort sein Arbeitsalltag.
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Elf Monate verstreichen, ohne wirklichen Auftrag.
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Weshalb er sich einen Job als Kurierfahrer sucht.
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Von dort heraus kann er aber wirklich schlecht Kontakte zu Entscheidungsträgern knüpfen.
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Aber er hat einmal Dustin Hoffman was ins Krankenhaus geliefert und er hat ihm kein Trinkgeld gegeben.
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Abends, wenn er ins Bett fällt, wird ihm bewusst, dass Agent sein Nichts mit 007 und Glamour zu tun hat.
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Trotzdem gilt seine Integration als Erfolg beim KGB.
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Als er nach zwei Jahren das erste Mal heimkehrt, kauft er mehrere Geschenke für Christiane.
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Eheringe, Kleider, Schmuck.
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All das, was ihm nach seiner Philosophie eigentlich zuwider ist.
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Die Wiedersehensfreude bei ihm und Christiane ist überwältigend.
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Zwei Wochen verbringen sie in einem Ferienanwesens und heiraten noch während seines Aufenthalts.
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Christiane ist bewusst, dass sie nicht wissen, wie viel Zeit vergehen wird, bis sie sich das nächste Mal wiedersehen.
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Aber diesmal will sie etwas von Jack behalten.
00:15:35
Sie will ein Kind von ihm.
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Jack ist einverstanden.
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Später erfährt er über den Kurzwellenfunk, dass Christiane tatsächlich in dieser Zeit schwanger geworden ist.
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Als sie sich diesmal trennen, tun sie das in der Hoffnung, sich irgendwann nicht mehr verabschieden zu müssen.
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In seiner Zeit in den USA studiert Jack noch einmal Wirtschaft und Informatik und macht seinen Abschluss, um Kontakte zu Intellektuellen zu knüpfen.
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Er schließt als Jahrgangsbester ab und arbeitet danach als Programmierer.
00:16:00
Eines Tages entschlüsselt er abends die Nachricht, wieder über das Kurzwellenradio, dass sein Sohn Matthias geboren wurde.
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Mutter und Kind sind wohl auf.
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Aber als er alle zwei Jahre wieder zurück nach Berlin kommt, merkt er, dass er zu seinem Sohn keine richtige Beziehung aufbauen kann.
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Matthias nennt ihn Onkel und die Ehe zu Christiane erkaltet nach und nach.
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Generell ist jetzt vieles anders, als er sich das damals gedacht hat.
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Seine neue Stelle als Programmierer bei einer Versicherungsfirma stellt sein ganzes Wertesystem auf den Kopf.
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Im Kommunismus wurde ihm immer eingetrichtert, dass Versicherungsunternehmen die größten Ausbeuter sind.
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Aber er fühlt sich gar nicht ausgebeutet.
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Und er mag seine Arbeit.
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Überhaupt ist es mittlerweile so, dass er nicht mehr das Gefühl hat, dass ihn seine Arbeit, die eigentlich ja als Tarnung dient, von seiner Arbeit als Spion abhält,
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sondern dass eher die Spionagetätigkeiten ihn davon abhalten, ein normales Leben als Amerikaner zu führen.
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Die ständigen Berichte über die Lage und die Stimmung im Land erfordern viel Zeit.
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Acht Jahre nach seiner Einreise in die USA lernt er über eine Kontaktanzeige Penelope kennen.
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Sie ist illegal aus Guana eingewandert.
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Jack hatte schon immer eine Schwäche für Frauen, die hilfsbedürftig sind.
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Deswegen heiratet er sie, damit sie eine Green Card bekommt.
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So führt er jetzt eine Ehe in Deutschland mit Christiane und eine in den USA mit Penelope.
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In dieser Zeit überlegt der KGB, Jacks Einsatz abzubrechen, weil sie nicht die gewünschten Resultate bekommen.
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Und obwohl ihm der Job mittlerweile fast lästig ist, will er erstens nicht ohne richtige Ergebnisse heimkehren.
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Und ich persönlich glaube auch, dass er da schon zu der Zeit eher Amerikaner ist als ein deutscher Spion.
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Also bringt er den KGB dazu, ihm noch weitere zwei Jahre dort zu lassen.
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Als er bei seinem nächsten Aufenthalt Christiane die Nachricht überbringt, schreit sie und bekommt einen Anfall.
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1996 ist Jack das letzte Mal in Berlin.
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Obwohl er Christiane verspricht, zurückzukommen, kommt er nie wieder.
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Auch seiner Mutter schreibt dann noch einen Brief, das in zwei Jahren endlich Schluss mit allem ist.
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Für sie arbeitet er als Wissenschaftler der Raumfahrt irgendwo in Russland.
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Christiane weiß ja, was er macht.
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Dass er nicht wiederkehren wird, hat damit zu tun, dass Penelope von Jack schwanger ist und sie will das Kind behalten.
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Jack sagt ihr, dass er sie zwar nicht liebt, aber er versichert, für sie da zu sein und für das Kind Unterhalt zu zahlen.
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Und stößt damit jetzt auch seine zweite Frau vor den Kopf.
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In dieser Zeit bekommt er den Orden am Roten Band.
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Das ist die zweithöchste Auszeichnung der Sowjetunion gewesen.
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Und er weiß gar nicht, warum.
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Nein, niemand weiß das.
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Er weiß es ja auch nicht, weil das Ding ist, er muss, selbst wenn er irgendwelche Leute beschattet, dann macht er das.
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Und er erfährt nicht, was mit diesen Informationen passiert.
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Aber anscheinend hat er ein paar gute Informationen rausgefunden, sonst wird er ja nicht diese Abzeichen bekommen.
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Ja, aber es ist auch irgendwie seltsam, für etwas ausgezeichnet zu werden.
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Du weißt gar nicht, für was.
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Als Penelope entbindet, ist Jack diesmal dabei.
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Als seine Tochter Chelsea geboren wird, das Kind, das er nicht wollte, von der Frau, die er nicht liebt, überwältigen ihn seine Gefühle.
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Und in den Tagen nach der Geburt wächst seine Liebe zu dem kleinen Mädchen noch mehr.
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Wenn sie ihn ansieht, strahlt sie und Jack erkennt, dass das bedingungslose Liebe ist.
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Er ist so stolz auf seine Tochter und seine neue Rolle als Vater.
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Sein Leben in Amerika könnte man als Außenstehender, jetzt als heile Welt ansehen.
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Bis er im Dezember 1988 die Nachricht entschlüsselt, die ihn aus seiner mittlerweile gutbürgerlichen Situation rausreißen wird.
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Auf eilige Abreise vorbereiten.
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Wir haben Grund zu der Annahme, dass ihre Tarnung aufgeflogen ist.
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Sie sind in ernster Gefahr.
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Hören Sie diese Frequenz jeden Tag ab und warten Sie auf weitere Anweisungen.
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Bestätigen Sie den Empfang dieser Nachricht durch Signal am üblichen Signalort.
00:19:49
Dies ist ein Befehl.
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Jack weiß nicht, was er jetzt tun soll.
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Denn wenn er ehrlich zu sich selbst ist, weiß er, dass er noch nicht zurück nach Deutschland will.
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Zwar hatte er die Anfangsjahre darauf hingearbeitet, sich zu integrieren, um dann als gefeierter Held nach Deutschland zurückzukehren.
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Aber jetzt fühlt sich dieser Schritt halt nicht mehr richtig an.
00:20:06
Also ignoriert er die Nachrichten, die er bekommt, obwohl er weiß, dass ihm darauf möglicherweise Hinrichtung droht.
00:20:12
Und versucht verzweifelt, einen Ausweg zu finden.
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Währenddessen versucht der KGB, ihm auf immer wieder neuen Wegen Botschaften zukommen zu lassen.
00:20:21
Bis der unbekannte Mann auf dem Bahnsteig an ihn herantritt und ihm, du musst nach Hause kommen oder du bist tot, ins Ohr flüstert.
00:20:28
Jetzt weiß der KGB, dass Jack die Nachricht erhalten hat.
00:20:32
Das heißt, jetzt muss er handeln.
00:20:34
Soll Albrecht Dittrich zurück nach Deutschland gehen oder soll Jack Barsky in Amerika bleiben?
00:20:40
In Deutschland könnte er gut von dem Geld des KGBs leben und ihm stünde mittlerweile ein Reihenhaus zu.
00:20:45
Bliebe er hingegen in Amerika, ginge er ein doppeltes Risiko ein.
00:20:49
Entweder landet er im Gefängnis, wenn seine Tarnung auffliegt, oder aber der KGB findet und tötet ihn, weil er sich seinen Anweisungen widersetzt hat.
00:20:57
Es ist nur eine kleine Sache, die auf der Pro-für-bleiben-Liste steht.
00:21:01
Seine Tochter Chelsea.
00:21:02
Aber die wiegt mehr als alle Risiken oder Pro-Argumente fürs Weggehen.
00:21:07
Aber wie den KGB überzeugen? Unter welchem Vorwand könnte er bleiben, ohne Befürchtung haben zu müssen, dass sie ihn ausschalten?
00:21:14
Und da kommt es ihm in den Sinn.
00:21:17
Hättest du eine Idee?
00:21:18
Ja, wahrscheinlich. Also wenn ich er wäre, würde ich mich an die NSA oder CIA wenden und quasi Agent für die werden.
00:21:29
Du würdest Verrat begehen?
00:21:31
Ja, wenn er da bleiben will, ist das ja die einzige Möglichkeit, oder?
00:21:34
Oder, ich habe noch eine andere Idee.
00:21:37
Ist die auch so gut?
00:21:40
Die ist noch viel besser.
00:21:41
Der geht zum Schönheitschirurg und lässt sich umoperieren und dann sieht er nicht mehr aus wie er und dann kann er so weiterleben.
00:21:48
War es eins von den beiden?
00:21:49
Und wo kriegt er eine neue Identität her?
00:21:52
Ja, kann man sich doch bestimmt auf dem Schwarzmarkt sorgen.
00:21:56
Naja, so einfach ist das bei ihm, also mit den Identitäten ist es nicht so einfach, weil tatsächlich auch bis zu diesem Zeitpunkt hat er immer noch keinen amerikanischen Pass.
00:22:05
Also das hat nie richtig geklappt mit dem Pass.
00:22:08
Deswegen ist das eine Ziel, ja, dass er als richtiger Amerikaner ist.
00:22:12
Das ist zwar fast geglückt, aber diesen Pass hat er nicht.
00:22:15
Und Penelope ist ja auch nur auf, also wegen der Hochzeit mit einem richtigen Amerikaner eigentlich da.
00:22:23
Das heißt, sie werden dann eigentlich beide illegale Einwanderer, ja.
00:22:26
Sind sie ja jetzt im Grunde auch, ja.
00:22:29
Also nein, es ist eine andere Lösung und zwar Aids.
00:22:32
Ah, nee, darauf wäre ich jetzt nicht gekommen.
00:22:38
Aids ist die Lösung, ja.
00:22:42
Weil er hat bei einem Treffen in Moskau erfahren, dass mal KGB-Mitglieder darüber geredet haben, dass sie die Krankheit als Zeichen des Verfalls der kapitalistischen Gesellschaft werten.
00:22:53
Und sie haben Angst davor gehabt damals, dass die Krankheit in ihr Land kommt.
00:22:58
Und zu der Zeit galt Aids halt ja noch als Todesurteil.
00:23:02
Also teilt Jack dem KGB mit, dass er an Aids erkrankt ist und dass er nichts verraten wird und dass er aber da auf Behandlung hofft.
00:23:12
Und als er das getan hat, verstummen dann plötzlich die Nachrichten über das Kurzweilen-Radio.
00:23:20
Als Jack weiß, dass er bei Chelsea bleiben kann, fällt ihm ein Stein vom Herzen.
00:23:24
Aber der Preis dafür ist hoch.
00:23:26
Wenn er vortäuschen will, verstorben zu sein, dann darf er nie wieder Kontakt nach Deutschland aufnehmen.
00:23:32
Im November 1989 sieht er im Fernsehen, wie die Mauer fällt und damit auch das System, dem er gedient hat.
00:23:39
Für ihn ist das nicht mehr sonderlich relevant.
00:23:41
Sein Leben hat er jetzt seiner Familie zugeschrieben.
00:23:44
An Konsequenzen oder seine Beziehung aus Deutschland denkt er immer seltener.
00:23:48
Seine Mutter hat, nachdem sie nichts mehr von ihm gehört hat, nach ihm suchen lassen und sogar bei einer vermissten Sendung im russischen Fernsehen teilgenommen.
00:23:54
In ihrer Verzweiflung hatte sie sogar Gorbatschow geschrieben.
00:23:57
Nach Krankheit an Parkinson stirbt sie, ohne ihr herauszufinden, was mit ihrem Sohn passiert ist.
00:24:04
Auch Christiane hat mit Jacks Verschwinden zu kämpfen und lässt ihn als Verschollen erklären und sich irgendwann scheiden.
00:24:09
Jacks Erinnerungen an seine deutsche Familie verblassen.
00:24:12
Er bekommt noch ein Kind mit Penelope, zieht mit seiner Familie gemeinsam durch das Land immer dem besseren Jobangebot hinterher.
00:24:20
Mittlerweile verdient er viel Geld.
00:24:21
Seine Ehe rettet das aber nicht.
00:24:23
Penelope hat ihm nie verziehen, dass er den beiden damals keine Chance gegeben hat.
00:24:27
In einem Streit, bei dem er verzweifelt versucht, seine Ehe zu retten, schreit Jack sie an und offenbart ihr, was er alles für sie aufgegeben hat und tischt ihr damit die ganze Wahrheit auf.
00:24:36
Und das ist in zweierlei Hinsicht ein Fehler gewesen.
00:24:40
Denn erstens wird Penelope so bewusst, dass sie keine gültige Aufenthaltsgenehmigung hat.
00:24:44
Und zweitens ist Jacks Haus verwandt.
00:24:48
Ein ehemaliger KGB-Archiver hatte nämlich Unterlagen gesammelt und sie dem FBI übergeben.
00:24:52
Auf einer der Listen stand Jacks Name.
00:24:55
Er steht schon länger unter Beobachtung.
00:24:57
Als das FBI ihn bei einer als Straßenkontrolle getarnte Aktion mitnimmt, fragt er die Beamten, warum sie so lange gebraucht haben.
00:25:05
Jack kooperiert mit ihnen, legt KGB-Geheimnisse offen und darf im Gegenzug dafür im Land bleiben.
00:25:11
Er ist so gut in die amerikanische Gesellschaft integriert, dass die Behörden ihm sogar dabei helfen, einen echten Pass zu bekommen.
00:25:17
Also er ist jetzt richtiger Amerikaner und er hat den Namen des kleinen toten Jungen behalten.
00:25:22
Viele Jahre später sieht er sogar seine Kinder, die mittlerweile erwachsen sind, in Deutschland wieder.
00:25:28
Nur Christiane darf er nicht mehr kontaktieren.
00:25:30
Darum haben ihn später Matthias und seine Frau gebeten.
00:25:34
Auch wenn das erstmal wie ein Happy End klingt, ist es so, dass Jack immer noch eine bittere Leere fühlt, die ihn dann jahrelang zur Flasche greifen lässt.
00:25:41
Offenbar fehlt ihm halt jetzt der übergeordnete Sinn, dem es er ja immer hinterher gestrebt hat.
00:25:47
Seine Laufbahn begann als Wissenschaftler und wirklichen Frieden findet Jack aber nur in Gott.
00:25:53
Seine letzte Frau hat ihn nämlich dahin geführt, die ist 24 Jahre jünger als er und schenkt ihm noch ein Kind.
00:26:00
Der ist auch so ein Fähnchen im Wind, ne?
00:26:03
Also erst sind seine Werte, ja, also Kapitalismus geht gar nicht.
00:26:09
Dann geht er nach Amerika und sagt, ach ja doch, Kapitalismus ist eigentlich ganz gut.
00:26:13
Dann, weißt du, was ich meine?
00:26:15
So, ja, aber das Ding ist, der ist als ganz junger Mensch da eingetreten und der kannte ja nichts anderes, ja.
00:26:24
Und wenn man dann irgendwann erkennt, so, oh, die Werte, an die ich glaube, die sind nicht das Richtige und es gibt noch viel mehr andere Möglichkeiten, dann verstehe ich das schon, ja.
00:26:35
Du musst ja sehen, das ist ja alles über einen Zeitraum von, weiß ich nicht, 30, 40 Jahren passiert, ja.
00:26:42
Ja, aber trotzdem, also, weiß ich nicht, ich kann das nie so richtig verstehen.
00:26:47
Also klar, wenn man so jung ist und dann kommt diese Organisation auf einen zu und schenkt einem so viel Aufmerksamkeit und haben irgendwie Vertrauen in einen oder man denkt es zumindest, obwohl man eigentlich ein Agent ist, der das Risiko komplett selber trägt, dann verstehe ich das schon.
00:27:02
Aber trotzdem hat er sich ja einiges erlaubt, sage ich jetzt mal irgendwie, oder?
00:27:07
Ja, also, dass er erstens mal, dass mit der Mutter, dass er sich da nie wieder gemeldet hat.
00:27:13
Ja, aber das ist vielleicht auch gewesen, um sie zu schützen, ja.
00:27:16
Das kann ich ja in einer gewissen Weise noch nachvollziehen.
00:27:18
Was ich nicht nachvollziehen kann, ist, dass er die Frau mit dem Kind da zu Hause so lange hat sitzen lassen, obwohl er schon die nächste kennengelernt hat.
00:27:26
Europäer auch angelogen hat, was ihren Aufenthaltsstatus angeht, ne?
00:27:32
Und dann irgendwie so, ja, also ich liebe dich nicht, aber wir machen das jetzt mit dem Kind und dann kriegen wir auch noch ein zweites Kind und dann am Ende.
00:27:40
Also gut, naja, also und jetzt hat er seine christliche Frau und jetzt ist es ein Happy End.
00:27:46
Das ist wirklich ein Happy End, weil er ist ja jetzt auch schon sehr alt. Ich glaube, da kommt nicht mehr so viel.
00:27:53
Was man ihm aber ja lassen muss, ist, die Idee mit dem Aids war ja wirklich ziemlich gut, oder?
00:27:58
Der war halt schon schlau, aber das sagt auch hauptsächlich er.
00:28:02
Also hast du ein Buch von ihm gelesen, oder wie?
00:28:06
Und das ist auch am Ende die Begründung, warum ich diesen Fall hier heute erzähle.
00:28:10
Ich hatte ihn mal bei Lanz gesehen und fand das ganz spannend und dachte mir, ach, wenn ich das Buch jetzt lese für den Podcast, dann erfahre ich ein bisschen was über seine Agententätigkeiten.
00:28:23
Und das war tatsächlich fast gar nicht so. Also er ist halt immer zu diesen toten Briefkästen, hat da irgendwelche Unterlagen reingelegt, aber was da drin steht, das erfährt man quasi nicht.
00:28:33
Und ich glaube, ich weiß aber auch warum, ja. In einem Interview wurde er nämlich mal gefragt, ob er heute noch Angst hat. Und dann sagte er, darauf möchte er eigentlich nicht antworten.
00:28:42
Es gibt den KGB ja so nicht mehr.
00:28:44
Aber dadurch, dass er jetzt eh schon so eine öffentliche Person geworden ist, ist das, also im Prinzip wäre er ein leichtes Ziel jetzt für alle Nachkommen des KGB.
00:28:57
Ja, also kann ja sein, dass da immer noch jemand eine offene Rechnung mit ihm hat, ja.
00:29:01
Er hat zwar nie andere verraten, aber trotzdem ist er ja damals quasi den Befehlen nicht gefolgt, ja.
00:29:09
Und das Ding ist, ich bin tatsächlich so ein bisschen naiv an diese Folge rangegangen, weil ich dachte, da wird's knallen im Buch und so.
00:29:16
Und hab dann halt, das Buch heißt Der falsche Amerikaner von Jack Barsky und hab dann halt diese 400 Seiten gelesen.
00:29:24
Es war ganz schön viel jetzt, so als Vorbereitung für eine Podcast-Folge, aber ich dachte, ich möchte den Fall trotzdem machen, weil es zeigt, wie Agenten eigentlich wirklich, also was die eigentlich wirklich zu tun haben, was deren Job ist, ja.
00:29:38
Die werten Sachen aus und schreiben Berichte.
00:29:40
Es ist nämlich nicht James Bond 007.
00:29:43
Nee, eben gar nicht, ja. Und er sagt auch, er kann sich so Agentenfilme oder Spionageserien gar nicht angucken.
00:29:49
Weil sie gar nichts mit der Realität tun.
00:29:54
Und deswegen wollte ich das, weil ich wusste, ich fange heute an, dachte ich, ist das eigentlich ein ganz guter Fall, um mal zu zeigen, so läuft das.
00:30:01
Und er wurde ja sogar von den Sowjets nach Amerika geschickt.
00:30:04
Also er ist ja nicht so ein kleiner Fisch gewesen, sondern war ja schon ein Agent, in den die halt richtig viel gesteckt haben.
00:30:10
Man weiß ja als normaler Mensch fast gar nichts über Agenten.
00:30:13
Und das ist jetzt bei mir, bei der Recherche ist mir das ja genauso aufgefallen und mir so gegangen.
00:30:18
Und das hat ja aber auch einen Grund, weil es halt eben Geheimagenten sind.
00:30:22
Und deswegen man nicht einfach überall über die lesen kann und auch nicht über deren Tätigkeiten.
00:30:28
Und es ist super spannend, aber auch ein bisschen fruchtlos, sage ich jetzt mal, weil man eben nicht so viel erfahren kann.
00:30:35
Über ein paar Agenten weiß man aber seit kurzem doch einiges.
00:30:39
Und das führt mich direkt zu meinem Aha.
00:30:42
Denn den KGB, den gibt es zwar seit 1991 nicht mehr, aber er hat noch bis heute Ausläufer.
00:30:48
Und die sorgten erst vor kurzem in Russland für großes Aufsehen.
00:30:54
Gute Geschichte, richtig gut durchdacht.
00:30:57
Und zwar haben Absolventen der Moskauer Geheimdienstakademie mit so einer Kolonne von riesigen Protzautos von so einem Mercedes Geländewagen, sind die halt durch Moskau gefahren, weil sie abgeschlossen haben.
00:31:12
Die Ausbildung da dauert so vier bis fünf Jahre.
00:31:14
Und dazu haben die dann ein Video auf YouTube veröffentlicht.
00:31:18
Und so im ganz großen Stil.
00:31:20
Es sind halt einfach so prollige Jungs, die so einen auf amerikanischen Gangstar-Rap-Video-Produzenten machen.
00:31:32
Die fahren dann da halt alle im gleichen Wagen diese großen Straßen entlang und posieren dann da und so.
00:31:39
Naja, also sehr schlau, ja.
00:31:42
Ja, also weil jetzt überall die Gesichter zu sehen sind und jeder weiß, das ist wie so überall in den sozialen Netzwerken und so.
00:31:51
Ja, das ist halt richtig dumm.
00:31:53
Einer von der Akademie hat dann auch gesagt, es gibt bei uns eine unerschütterliche Regel, keine Spuren hinterlassen.
00:32:00
Und auf gar keinen Fall in sozialen Netzwerken.
00:32:03
Aber irgendjemand muss das ja quasi abgesegnet haben.
00:32:07
Nein, das haben einfach die Absolventen gemacht.
00:32:10
So wie Abschlussfeier, haben die sich gedacht.
00:32:12
Abschlussvideo, ja.
00:32:14
Was in dieser Szene, also man kann das auch in Deutschland noch sehen, weil einige Nachrichtensender das natürlich auch gespeichert haben.
00:32:21
Also es schwingt halt so mit, ja, die fühlen sich natürlich als was Besseres.
00:32:25
Und sie leben ja auch nicht nach den Regeln, nach denen die anderen leben.
00:32:29
Das hat Jack Barsky halt auch gesagt.
00:32:30
Für den hat halt alles nicht gegolten, was für andere Deutsche gegolten hat.
00:32:34
Er hatte halt auch diese ganzen westlichen Privilegien, obwohl er sie ja eigentlich gar nicht haben sollte.
00:32:40
Früher nannte man die Agenten des sowjetischen Geheimdienstes auch Tschechisten.
00:32:44
Und der bekannteste von ihnen ist Wladimir Putin.
00:32:47
Putin war ja von 85 bis 90 als KGB-Agent in Dresden tätig.
00:32:53
Und was genau er hier in seiner Zeit gemacht hat, das ist weitestgehend unbekannt.
00:32:57
Aber ein ehemaliger Agentenkollege, der mit Putin quasi zusammen in einem Büro gearbeitet hat, der hat ein Buch über die gemeinsame Zeit mit ihm geschrieben.
00:33:06
Und er sagt, Putins Job bestand vor allem darin, ausländische Studenten aufzuspüren, die möglicherweise für den KGB arbeiten hätten können.
00:33:13
Aber er sagt auch, dass Putin an der Geheimoperation Lutsch gearbeitet hat.
00:33:18
Und die Arbeit für diese Aktion bestand im Wesentlichen darin, die Führung der DDR auszuspionieren.
00:33:23
Und manche behaupten auch, dass die Aktion dazu dienen sollte, Honecker zu stürzen.
00:33:27
Auch die Washington Post hat sich intensiv mit Putins Aufgaben in der DDR auseinandergesetzt.
00:33:32
Und fand heraus, dass er unter dem Vorwand der Geschäftsreisen russische Agenten besuchte, die in Westdeutschland stationiert waren.
00:33:40
Und die waren halt scharf auf Informationen über die Rüstungstechniken der Amerikaner.
00:33:44
Und haben dann halt die Informationen rüber geschafft.
00:33:48
Also nach meiner Recherche ist mir klar geworden, dass Russland halt immer eigentlich die krassesten Geheimdienstaktionen gemacht hat.
00:33:57
Und immer eigentlich am meisten spioniert hat.
00:34:00
Ja, und das sieht man ja auch heute noch.
00:34:04
Aber da können wir ja in der Diskussion nochmal genauer drauf eingehen.
00:34:07
Mein Fall, diese Folge soll stellvertretend sein für die Unrechtsjustiz, die eine Diktatur mit sich bringt.
00:34:16
Und soll uns daran erinnern, dass wir uns sehr glücklich schätzen können, in Deutschland heute einen Rechtsstaat zu haben.
00:34:21
Der Fall heißt, das Hotel zur ewigen Lampe.
00:34:26
Es ist Freitag, der 1. April 1955 in West-Berlin.
00:34:30
Karl klingelt an der Tür seines Bekannten Kurt Maurer.
00:34:33
Karl, sein voller Name ist Karl Wilhelm Fricke, ist 25 Jahre alt und Journalist.
00:34:39
Kurt besorgt für Karl immer mal wieder Dokumente und Informationen.
00:34:43
Und deshalb steht Karl auch heute bei ihm auf der Matte.
00:34:46
Von ihm soll er ein Buch bekommen, das er dringend für seine Arbeit braucht.
00:34:49
Kurt und seine Frau, Anne-Maria, öffnen die Tür.
00:34:53
Die drei setzen sich an den Esstisch und unterhalten sich.
00:34:56
Dann gibt's Schnaps.
00:34:57
Erst ein, dann ein zweites Gläschen für alle.
00:35:00
Dann spricht Karl Kurt auf das Buch an.
00:35:03
Er hat nämlich nicht ewig Zeit.
00:35:04
Am frühen Abend ist er mit seiner Verlobten Friede Lind in seiner Wohnung verabredet.
00:35:08
Karl folgt Kurt zum Schreibtisch, um das Buch zu begutachten.
00:35:13
Danach setzen sich die zwei Männer wieder zu Anne-Maria an den Tisch und trinken noch einen Schnaps.
00:35:17
Doch nach dem dritten Shot fühlt Karl einen bitteren Nachgeschmack auf der Zunge.
00:35:21
Er wundert sich.
00:35:23
Den hatte er bei den zwei anderen Gläschen nicht geschmeckt.
00:35:25
Karl wird plötzlich ganz übel und kalter Schweiß tritt ihm auf die Stirn.
00:35:30
Er glaubt, sich übergeben zu müssen und eilt zur Toilette.
00:35:33
Dort wäscht er sich das Gesicht mit kaltem Wasser ab, atmet kurz durch.
00:35:37
Als der Brechreiz nachlässt, entschuldigt sich Karl bei seinen Gastgebern und bittet Kurt, ein Taxi für ihn zu rufen.
00:35:43
Dann lässt er sich in einen Sessel fallen und alles um ihn herum wird schwarz.
00:35:47
Irgendwann wacht Karl wieder auf.
00:35:49
Wie lange war er bewusst los?
00:35:51
Karl schätzt die Uhrzeit auf ca. 23 Uhr.
00:35:54
Er befindet sich in einem großen, hell erleuchteten Zimmer.
00:35:57
Er sitzt auf einem Stuhl vor einem runden Tisch, an dem mehrere Männer sitzen und stehen, einige davon in Uniform.
00:36:03
Sie brüllen ihn an, beschimpfen ihn als Drecksack.
00:36:06
Karl versteht nicht, was die Männer von ihm wollen.
00:36:08
Er kann seine Gedanken nicht ordnen.
00:36:10
Er fühlt sich immer noch benommen.
00:36:12
Dann schlägt einer der Männer Karl mit der flachen Hand ins Gesicht.
00:36:15
Karl kriegt Panik, springt auf, rennt zur Tür.
00:36:18
Doch die Männer stoppen ihn.
00:36:19
Karl schlägt um sich und schreit um Hilfe.
00:36:21
Dann wird alles um ihn herum schwarz.
00:36:24
Karl wacht wieder auf.
00:36:26
Jetzt liegt er nackt auf einem hölzernen Lattenrost unter einer eiskalten Dusche.
00:36:30
Und alles wird wieder schwarz.
00:36:32
Als er zum dritten Mal zu sich kommt, liegt er immer noch nackt, aber in einer Wolldecke eingehüllt,
00:36:37
auf einer Holzpritsche in einer Zelle ohne Fenster.
00:36:40
Diesmal ist Karl aufgewacht, weil jemand ihn wachgerüttelt und ihm befohlen hat, dass er sich anziehen soll.
00:36:45
Die Kleidung, die er in die Hand gedrückt bekommt, besteht aus Unterwäsche, Strümpfen, Turnschuhen,
00:36:50
einem kragenlosen Hemd, einer Hose und einer Jacke einer alten Polizeiuniform.
00:36:55
Dann wird er in eine Art Vernehmungsraum geführt.
00:36:58
Und hier realisiert der junge Journalist, was mit ihm geschehen sein muss und wo er ist.
00:37:03
Karl wurde entführt und ins zentrale Untersuchungsgefängnis der Staatssicherheit in Berlin-Hohenschönhausen gebracht.
00:37:09
Was war passiert?
00:37:11
An dem Tag, dem 1. April, war Karl in seiner Wohnung gewesen, als Kurt Maurer ihn anrief.
00:37:17
Er meinte zu ihm, dass er das Buch Politische Ökonomie von der Moskauer Akademie der Wissenschaften für Karl besorgt hatte.
00:37:22
Ein Buch, über das Karl für das Deutschlandarchiv eine Rezension schreiben soll.
00:37:26
Ein Buch, das man nur schwer bekommt, wenn man in Westberlin wohnt.
00:37:30
Und an das man noch schwerer kommt, wenn man als Journalist kritisch über die DDR berichtet.
00:37:35
Eigentlich bringt Kurt Dokumente, die er für Karl besorgt, immer direkt zu Karl nach Hause.
00:37:38
Doch an diesem Tag meinte er zu ihm, dass er aus Zeitgründen nicht schaffe, ihm das Buch vorbeizubringen.
00:37:44
Karl solle es stattdessen holen kommen.
00:37:46
Dafür gibt Kurt ihm seine Adresse am Telefon durch und Karl notiert sich Name, Uhrzeit und Adresse auf einem Zettel.
00:37:52
Doch die Wohnung, in die Karl eingeladen wurde, ist nicht die von Kurt Maurer.
00:37:56
Es ist eine sogenannte KW, eine konspirative Wohnung der Staatssicherheit.
00:38:00
Und Kurt Maurer heißt auch nicht Kurt Maurer, sondern Kurt Rittwagen.
00:38:05
Ein Stasi-Agent, der sich in den letzten Monaten langsam aber sicher Karls Vertrauen erschlichen hat.
00:38:10
Sein Agentenname lautet Fritz. Und der seiner Frau? Peter.
00:38:15
Als Kurt und Karl zum Schreibtisch gegangen waren, um das Buch zu holen, hatte Anne-Maria die Zeit genutzt und ein Betäubungsmittel in Karls Schnapsglas gekippt.
00:38:26
Als Karl dann das Bewusstsein verlor, wurde er von Kurt und Anne-Maria, Aka, Fritz und Peter in einen Schlafsack gesteckt,
00:38:32
in den Kofferraum eines Autos gepackt und über die Grenze nach Ost-Berlin gefahren.
00:38:36
In Karls Stasi-Akte wird danach vermerkt, das sogenannte Paket Fricke wurde ordnungsgemäß dem Ministerium für Staatssicherheit übergeben.
00:38:48
Am Samstagmorgen um 7 Uhr wird Karl also zum ersten Mal verhört.
00:38:51
Hinter einem hellen Schreibtisch sitzt ein Mann in Uniform. Karl soll sich auf einen Holzschimmel setzen.
00:38:56
Hände flach auf die Oberschenkel, befiehlt der Mann Ohnenwirsch.
00:39:00
Dann beginnt die Vernehmung.
00:39:01
Welche Tätigkeiten übten Sie in Westdeutschland aus?
00:39:04
Für welche Presse-Dienste sind Sie als Journalist tätig gewesen?
00:39:07
Von wem haben Sie die Informationen zur Abfassung dieser Artikel und Aufsätze erhalten?
00:39:12
Darauf antwortet Karl wahrheitsgemäß.
00:39:14
Einen Teil dieser Informationen habe ich aus meinem eigenen Archiv, aus Pressemitteilungen,
00:39:18
Veröffentlichungen der demokratischen Presse und biografischem Material.
00:39:21
Außerdem zählt er verschiedene Organisationen auf, von denen er hin und wieder Informationen über die DDR bekommen hat.
00:39:27
Alle mit Sitz in der BRD.
00:39:29
Von welchen Personen aus dem Gebiet der Deutschen Demokratischen Republik und des demokratischen Sektors von Berlin
00:39:35
wurden Sie mit Informationen und Nachrichten beliefert, fragt der Vernehmungsführer.
00:39:39
Von Personen, die im Gebiet der DDR und dem demokratischen Sektor Berlins wohnhaft sind,
00:39:43
habe ich keinerlei Informationen erhalten, weder schriftlich noch mündlich, antwortet Karl.
00:39:48
Als sich diese letzte Frage immer wiederholt, erst in anderem Wortlaut, dann immer wieder genau gleich,
00:39:54
wird Karl bewusst, was das Ziel dieser Befragung ist.
00:39:57
Die Stasi will nur wissen, wer ihn aus der DDR mit Informationen versorgt.
00:40:01
Karl weiß nicht, was er tun soll.
00:40:03
Er hat keine Kontakte in die DDR.
00:40:05
Er antwortet also immer dasselbe.
00:40:07
Trotzdem geht es weiter.
00:40:10
Wenn Karl während des Verhörs unbewusst seine Sitzhaltung ändert, schreit ihn der Mann an.
00:40:14
Setzen Sie sich anständig hin.
00:40:16
Nach sechs Stunden und immer wieder derselben Frage muss Karl ein Vernehmungsprotokoll unterschreiben.
00:40:22
Ein richtiges Protokoll ist das allerdings nicht.
00:40:25
Denn der Interviewer hat die Antworten von Karl in seinen eigenen Wort niedergeschrieben und auch nur das, was er für wichtig hält.
00:40:31
Nach diesem ersten Verhör wird Karl noch etliche Male verhört.
00:40:34
Noch am selben Abend um 23 Uhr muss er wieder ins Vernehmungszimmer.
00:40:38
Siebeneinhalb Stunden wird er diesmal befragt.
00:40:41
Am nächsten Tag wieder ab 23 Uhr, dann sechseinhalb Stunden bis halb sieben am Montagmorgen.
00:40:47
Dann hat Karl knapp sechs Stunden Zeit, bis er wieder verhört wird.
00:40:50
Diesmal 19 Stunden.
00:40:54
Eine Dauervernehmung, die nur durch die kurze Einnahme von Essen und das Gehen auf die Toilette unterbrochen wird.
00:41:00
Karl sitzt also wieder bis sechs Uhr in der Früh im Verhörraum und muss dann fünf Stunden später wieder hin und sich wieder eine Dauervernehmung von mehr als 15 Stunden aussetzen.
00:41:10
Und so geht es die nächsten Tage weiter.
00:41:12
Immer Karl und immer derselbe Vernehmungsoffizier.
00:41:16
Immer dieselben Fragen und immer dieselben Antworten.
00:41:19
Das Ziel dieser Dauervernehmung ist Karl in einen Zustand totaler Übermüdung zu versetzen.
00:41:24
Damit er dann hoffentlich Aussagen macht, die er sonst nicht machen würde.
00:41:28
Psychische Folter nennt man das auch.
00:41:31
Bei diesen Vernehmungen hält sich Karl nur noch mühsam wach.
00:41:33
Er ist völlig apathisch, vollkommen fertig.
00:41:36
Der 25-Jährige kann sich nur schwer auf dem Holzschemel aufrechthalten.
00:41:40
Und so werden die Verhöre zu einer sinnlosen Brüllerei des Vernehmungsführer.
00:41:44
Schlafen Sie nicht ein.
00:41:45
Schlafen Sie nicht ein.
00:41:46
Nach einer dieser Nachtvernehmungen, die mehr als elf Stunden gedauert hat, schreibt der Stasi-Mitarbeiter in sein Protokoll folgende Zeilen.
00:41:53
Frage, zu welchen Personen im Osten haben Sie verbrecherische Verbindungen unterhalten?
00:41:58
Antwort, ich verbleibe nach wie vor bei meinen bisherigen Aussagen, dass keinerlei Verbindungen verbrecherischen Charakters von mir zu Personen im Gebiet der DDR und im demokratischen Sektor von Berlin unterhalten wurden.
00:42:09
Frage, Ihre Aussage entspricht nicht der Tatsache.
00:42:12
Sagen Sie wahrheitsgemäß über die von Ihnen in das Gebiet der DDR und des demokratischen Sektors von Berlin unterhaltenen Spionageverbindungen aus.
00:42:19
Antwort, ich bestreite jemals in das Gebiet der DDR und des demokratischen Sektors von Berlin, Spionageverbindungen unterhalten zu haben.
00:42:28
Dieses Protokoll lässt vermuten, was für eine Tortur diese elf Stunden für Karl gewesen sein müssen, wenn am Ende nur diese paar Zeilen niedergeschrieben werden.
00:42:35
Als Karl an dem Freitag nicht zum vereinbarten Zeitpunkt in seiner Wohnung eintrifft, macht sich seine Verlobte Friede Sorgen.
00:42:42
Als er die ganze Nacht nicht kommt, geht sie am Samstagmorgen zur Polizei und erstattet Vermisstenanzeige.
00:42:47
Die Kripo findet in Karls Wohnung daraufhin das Notizbuch mit dem Namen und der Adresse von Kurt Maurer bzw. Kurt Rittwagen.
00:42:54
Die Polizei findet heraus, wo Rittwagen und seine Frau wirklich wohnen und nehmen ihn schon am Sonntagmorgen wegen dringendem Verdachts auf Menschenraub vorläufig fest.
00:43:03
Doch Rittwagen gibt an, ein Alibi für Freitagnachmittag zu haben.
00:43:06
Dieses wird fälschlicherweise bestätigt und Rittwagen am Dienstag wieder auf freien Fuß gesetzt.
00:43:12
Das Agenten-Paar-Rittwagen flüchtet daraufhin sofort nach Ost-Berlin.
00:43:15
Als auch die Presse von der Entführung Karls Wind bekommt, erscheinen etliche Artikel über ihn im Westen und die BRD empört sich über die Methoden der DDR.
00:43:24
Die Stasi erklärt daraufhin auf einer Pressekonferenz, dass weder der Name Karl Wilhelm Fricke noch ein Fall Fricke bekannt sei.
00:43:31
Eine glatte Lüge. In den Stasi-Akten wird Karls Name nämlich aufgeführt und zwar im Rahmen der sogenannten Aktion Blitz,
00:43:37
durch die eine größere Anzahl Agenten liquidiert werden sollen.
00:43:42
Außerdem soll mithilfe der Aktion bewiesen werden, dass die SED-Opposition nicht besteht, sondern lediglich ein Machwerk der Agentenzentralen ist.
00:43:49
In den Augen der Stasi ist Karl also ein Agent, der sich als Journalist getarnt hatte und dessen Ziel es ist, die DDR zu denunzieren.
00:43:57
Das lässt die SED nicht mit sich machen und deshalb musste Karl überführt, so nennt die Stasi die Entführung, und verhört werden.
00:44:03
Doch Karl gesteht nicht, weil es für ihn nichts zu gestehen gibt.
00:44:08
Karl ist kein Spion, sondern ein Journalist, der es sich zur Lebensaufgabe gemacht hat, gegen das Regime der SED anzuschreiben.
00:44:13
Diese kritische Haltung hat Karl schon als Jugendlicher entwickelt, als sein Vater nach dem Krieg verhaftet wird,
00:44:19
obwohl das einstige NSDAP-Mitglied als entlastet galt.
00:44:24
Sein Vater hatte niemanden umgebracht und war auch kein hohes Tier in der NSDAP gewesen.
00:44:29
Er war Lehrer und Journalist und hatte in Karls Heimatstadt als stellvertretender Propagandaleiter gearbeitet.
00:44:34
Trotzdem wird Karls Vater in einem Schnellverfahren ohne Ermittlungen, ohne Zeugen, ohne Verteidiger zu 15 Jahren Zuchthaus verurteilt.
00:44:43
Er verbüßt seine Strafe im ehemaligen KZ Buchenwald, wo er an einer Grippe stirbt.
00:44:50
Diese Erfahrung prägt Karl nachhaltig.
00:44:52
Die Ungerechtigkeit dieser Verhaftung und dieses Prozesses stehen für ihn fortan stellvertretend für die DDR.
00:44:57
Er weigert sich deswegen, in die von der SED gesteuerten freien deutschen Jugend einzutreten
00:45:02
und hat deshalb nach dem Abi keine Chance auf ein Studium.
00:45:05
Karl fängt dann als Aushilfslehrer für Russisch an zu arbeiten,
00:45:08
an der Schule, an der auch schon sein Vater unterrichtet hatte.
00:45:11
Und genau dort macht auch Karl seine erste Bekanntschaft mit der DDR-Unrechtsjustiz.
00:45:16
In einer seiner Stunden stürmt ein Volkspolizist den Unterricht und nimmt den damals 20-Jährigen fest.
00:45:22
Begründung, eine flapsige Bemerkung gegenüber einer Kollegin.
00:45:26
Sie hatte ihn verfiffen und behauptet, Karl hätte SED-kritische Äußerungen getätigt.
00:45:30
Der Vorwurf lautet dann, Vorbereitung zum Hochverrat.
00:45:33
Als Karl in der Polizeistation dann auf seine erste Vernehmung wartet, darf er kurz auf die Toilette gehen.
00:45:38
Als er das Badezimmer wieder verlässt, bemerkt er, dass der Flur unbewacht ist und spaziert einfach aus dem Kommissariat.
00:45:44
Als hinter ihm niemand zu sehen ist, rennt er los.
00:45:47
Noch in der Nacht flieht Karl in den Westen.
00:45:49
Dort studiert er Politik und Wirtschaft und beginnt als Journalist zu arbeiten
00:45:53
und seine ersten DDR-kritischen Artikel zu veröffentlichen.
00:45:57
Zurück im Gefängnis.
00:45:59
Wenn Karl nicht gerade vernommen wird, sitzt er in seiner Einzelzelle im Kellergefängnis Berlin-Hohenschönhausen.
00:46:04
Einem Gefängnis, in dem nur die an die Außenwände grenzenden Zellen ein kleines Fenster haben.
00:46:09
Die Zellen ohne Fenster werden Tag und Nacht von einer Lampe erhält.
00:46:13
Karls Vernehmungsoffizier erklärt ihm, dass die Haftanstalt deshalb das Hotel zur ewigen Lampe genannt wird.
00:46:22
Karls Zelle ist ungefähr zwei bis drei Meter breit, drei Meter tief und zweieinhalb Meter hoch.
00:46:27
Ausgestattet ist sie mit einer hölzernen Pritsche, einem eisernen Notduftkübel und einem Holzbord, in dem Zahnputz und Waschzeug aufbewahrt wird.
00:46:34
Jeden Morgen nach dem Wecken darf Karl sich kurz waschen.
00:46:38
Dafür wird ihm eine Schüssel Waschwasser bereitgestellt.
00:46:39
Alle 14 Tage darf er unter Aufsicht duschen und sich rasieren.
00:46:44
Jede Zellentür hat einen Türspion.
00:46:46
Damit die Gefangenen aber nicht wissen, wann die Wachen kommen, um sie zu kontrollieren, tragen die übergroße Filzpantoffeln.
00:46:53
Tagsüber schaut alle zwei bis drei Minuten ein Offizier durch das Guckloch an Karls Tür.
00:46:59
Karl weiß das, weil es immer ein kleines Geräusch gibt, wenn einer vor seiner Tür steht.
00:47:04
Ein kleines metallisches Klicken, das entsteht, wenn der metallene Deckel vor dem Guckloch wieder nach unten fällt.
00:47:10
Sinn dieses Geräusch ist, dass den Gefangenen immer wieder klargemacht wird, dass sie ständig beobachtet werden.
00:47:16
Die einsamen Stunden in der Zelle sind für Karl fast nicht zu ertragen.
00:47:20
Immer alleine, immer nur mit seinen Gedanken.
00:47:22
Bücher und Zeitungen werden ihm verweigert.
00:47:24
Karl versucht nicht durchzudrehen und sich gedanklich zu beschäftigen.
00:47:28
Zum Beispiel mit auswendig gelernten Gedichten oder durch selbstgestellter, theoretischer Schach- oder Skat-Aufgaben.
00:47:35
In den ersten drei Monaten darf Karl seiner Verlobten und seiner Mutter nicht schreiben.
00:47:38
Auch keinem Anwalt.
00:47:40
Während Karl in Urhaft sitzt, wird auch seine Mutter verhaftet, die immer in der DDR geblieben ist.
00:47:45
Ihr wird vorgeworfen, für ihren Sohn als Kurier tätig gewesen zu sein.
00:47:48
Auch Edith Fricke wird von demselben Vernehmungsoffizier befragt wie Karl.
00:47:53
Doch davon bekommt ihr Sohn nichts mit.
00:47:55
Der eigentliche Sinn der Festnahme ist es natürlich, Informationen über Karl zu beschaffen.
00:47:59
Doch auch Edith Fricke weiß nichts von Spionage.
00:48:03
Trotzdem wird auch sie immer wieder verhört.
00:48:06
Ihr setzen die Verhöre mehr zu als Karl.
00:48:09
Irgendwann geht es Edith so schlecht, dass sie während einer Befragung einen Nervenzusammenbruch bekommt.
00:48:13
Dabei schreit sie und versucht, aus dem Vernehmungszimmer zu flüchten.
00:48:17
Nach dieser Aktion soll Edith in eine Psychiatrie eingeliefert werden.
00:48:21
Dort soll ein Arzt sie auf ihren Geisteszustand hin untersuchen, um herauszufinden, ob sie haftfähig ist oder nicht.
00:48:27
Die Untersuchung dauert 80 Tage.
00:48:30
In der Diagnose steht dann, dass Edith eine schwere Depression hat.
00:48:33
Aber, Zitat, bei der Angeklagten ließen sich nach Abklingen der Haftpsychose keinerlei im Sinne einer echten Psychose oder im Sinne einer organisch oder hirntraumatisch bedingten Wesensänderung sprechende Krankheitsanzeichen feststellen.
00:48:47
Also ist Edith haftfähig und kommt zurück nach Berlin-Hohenschönhausen, ganz in die Nähe ihres Sohnes, ohne es zu wissen.
00:48:53
Am 14. Februar 1956 wird sie dann zu zwei Jahren Zuchthaus verurteilt.
00:48:59
Der offizielle Grund, Staatsverleumdung und Ausfuhr von Geld aus der DDR.
00:49:04
Von alledem bekommt Karl nichts mit.
00:49:06
Auch ihm steht in diesen Tagen ein Prozess bevor.
00:49:08
Angeklagt ist er wegen Spionage und Kriegshetze.
00:49:12
Am 11. Juli 1956 um 9 Uhr soll die Verhandlung beginnen.
00:49:16
Karl bereitet sich vor.
00:49:18
Einen Verteidiger will er nicht.
00:49:20
Er will sich selbst verteidigen.
00:49:21
Dazu hat sich Karl entschieden, als ihr mitgeteilt wurde, dass er zwar einen Verteidiger haben könne,
00:49:25
dieser aber einer in der DDR zugelassene Rechtsanwalt sein müsse.
00:49:30
Ja, das hätte ich auch gemacht, als ob der wirklich seinen Rechtsbeistand im Sinn gehabt hätte.
00:49:35
Genau, sowas kommt für Karl nicht in Frage.
00:49:37
Er würde dem erstens misstrauen und, genau wie du sagst, für ihn sind Verteidiger in der DDR nur dazu da, den Staatsanwälten in die Karten zu spielen.
00:49:47
Doch vier Tage vor Prozessbeginn wird Karl in ein Besprechungszimmer geführt, in dem ein Mann sitzt.
00:49:52
Rechtsanwalt Friedrich Wolf ist ein kleinwüchsiger, kahlköpfiger Mann, der sich Karl als seinen Pflichtverteidiger vorstellt.
00:49:59
Karl rebelliert.
00:50:00
Ich will keinen Verteidiger.
00:50:01
Doch der Jurist sagt, nach der Strafprozessordnung der DDR besteht bei Verfahren vor dem obersten Gericht Verteidigungszwang.
00:50:07
Stimmt, so nicht, aber das weiß Karl nicht.
00:50:10
Und so wird Wolf zu seinem Verteidiger.
00:50:13
Bei ihrem ersten und letzten Gespräch über die bevorstehende Verhandlung erklärt Karl ihm, dass er aus West-Berlin entführt wurde.
00:50:19
Daraufhin sagt Wolf, dass dies keinen Einfluss auf die Verteidigung haben könne.
00:50:23
Abgesehen davon habe ich Verständnis dafür, wenn die Staatssicherheit der DDR auch mal über die Sektorengrenze langt, um den Agentensumpf in West-Berlin trocken zu legen, so Wolf.
00:50:32
Ich bin aber kein Agent, entgegnet Karl.
00:50:36
Darauf Wolf, wo gehobelt wird, fallen Späne.
00:50:40
Wie wollen Sie mich eigentlich verteidigen, wenn Sie so eine Einstellung haben, fragt Karl.
00:50:43
Ich werde Sie mit allen Mitteln verteidigen, aber auf der Basis der sozialistischen Gesetzlichkeit.
00:50:49
Zwei Tage nach dem Besuch seines Verteidigers bekommt Karl auch noch Besuch vom Staatsanwalt, einem Mann namens Friedrich Jahnke.
00:50:56
Einem knochenharten Kerl, dessen Unterschrift schon unter mehreren Vollstreckungsprotokollen von Hinrichtungen wegen politischer Gründe steht.
00:51:02
Auch er geht nicht auf Karls Aussage ein, dass er hierhin entführt wurde.
00:51:07
Kein Verfahrenshindernis ist seine Antwort.
00:51:10
Genau wie zuvor Wolf bittet Karl den Staatsanwalt darum, die Presse in West-Berlin über den bevorstehenden Prozess zu benachrichtigen.
00:51:16
Grinsend sagt der darauf, der Prozess wird selbstverständlich unter Ausschluss der Öffentlichkeit durchgeführt.
00:51:22
Dann beginnt die Verhandlung.
00:51:25
Karl wird in Handschellen in den Gerichtssaal geführt.
00:51:28
Die Anklage wird verlesen und die Beweisführung beginnt.
00:51:31
Der Staatsanwalt fängt an, Karl zu befragen, auch zum Schicksal seines Vaters.
00:51:35
Da wird Karl zum ersten Mal in seinem Leben von einem heftigen Weinkrampf geschüttelt.
00:51:40
Er kann nicht mehr.
00:51:42
Er ist psychisch so erschöpft.
00:51:44
Die lange Untersuchungshaft, die Isolation, die Kontaktsperre, die Ungerechtigkeit, die Verzweiflung, die Wut.
00:51:51
Die Verhandlung wird für eine Viertelstunde unterbrochen.
00:51:53
Gegen 14 Uhr sind dann die Plädoyers dran.
00:51:57
Ja, am selben Tag.
00:51:58
In seinem Abschlussplädoyer plädiert der Staatsanwalt auf vier Jahre Zuchthaus wegen Spionage und Kriegshetze.
00:52:04
Der Verteidiger argumentiert in seinem Schlusswort, dass Karl seine kritische Einstellung zur DDR aufgrund des Schicksals seines Vaters hat
00:52:11
und das Gericht daher ein mildes Urteil fällen soll.
00:52:14
Das ist ja einfach gar nicht verteidigt.
00:52:16
Das ist ja nur begründet, was Sie denken, was passiert ist.
00:52:20
Genau, es gibt ja auch keine Zeugen.
00:52:23
Es gibt überhaupt gar keine Beweise.
00:52:25
Naja, auf jeden Fall ist Karl dann dran und der hat sich sorgfältig auf sein letztes Wort vorbereitet.
00:52:31
Darin erklärt er seine politische Anschauung, spricht über seine Arbeit als Journalist, über seinen Vater und seine Entführung.
00:52:38
Die tatsächlich letzten Worte lauten dann
00:52:49
Mal abgesehen davon, dass die DDR in diesem Fall überhaupt keinen Strafanspruch hat.
00:53:09
Am 27. Juli kommt Karl also in die Strafvollzugsanstalt und seine Zeit als Strafgefangener beginnt.
00:53:23
Er kommt wieder in eine kleine Einzelzelle und auch hier gibt es Schikane.
00:53:28
So wird nachts zum Beispiel immer wieder das Licht angeknipst, sodass Karl nie so richtig durchschlafen kann.
00:53:32
Am 22. September erhält er den ersten Brief von seiner Mutter seit seiner Entführung.
00:53:39
In ihm erklärt sie, was sie in den letzten Monaten erleben musste.
00:53:42
Karl kann es nicht glauben.
00:53:44
Er ist geschockt und wütend.
00:53:45
Dass er in Gefangenschaft sitzt, damit kann er leben.
00:53:48
Doch seine Mutter?
00:53:49
Das bricht ihm das Herz.
00:53:50
Zwei Jahre später erst wird Edith Fricke entlassen.
00:53:53
Sie flieht in den Westen und zieht nach Leverkusen zu Karls Schwester.
00:53:57
Seelisch hat sie das ihr und ihrer Familie im Staat der SED zugefügte Leid bis an ihr Lebensende nicht bewältigt.
00:54:03
Den Fall der Mauer erlebt sie nicht mehr.
00:54:05
Edith Fricke stirbt am 18. Oktober 1972 an einem Gehirnschlag.
00:54:09
Am 31. März 1959 wird Karl entlassen.
00:54:14
Um 19 Uhr kommt er mit dem Zug in Berlin-Steglitz an.
00:54:17
Dort wartet seine Verlobte Friede auf ihn.
00:54:19
Karl macht sich nach seiner Entlassung sofort wieder ans Schreiben.
00:54:24
Bleibt die Frage, lohnt sich der politische Menschenraub für die Kommunisten eigentlich?
00:54:28
Ich bestreite das.
00:54:29
Hinter mir liegen vier Jahre Zuchthaus.
00:54:31
Sie sind vorbei, aber sie sind nicht vergessen.
00:54:34
Nie werde ich vergessen.
00:54:35
Und wo ich einmal nur lieben konnte, lernte ich glühend lieben.
00:54:38
Und glühend hassen, wo ich einmal nur hassen konnte, schreibt er.
00:54:41
Seine Erlebnisberichte sind die Rückkehr in seine berufliche Arbeit.
00:54:45
Zurück aus dem Gefängnis ist Karl noch entschlossener über die SED und die Diktatur zu berichten.
00:54:51
Statt ihn mundtot zu machen, verhalf die Stasi seiner Regimekritik zu größerer Resonanz.
00:54:55
Naja, das DDR-Regime will damit hauptsächlich natürlich auch Leute, die etwas Ähnliches vorhaben, warnen und abschrecken.
00:55:04
Nach dem Mauerfall erhält er Einsicht in seine Stasi-Akte.
00:55:07
Sie umfasst rund 3000 Blatt.
00:55:09
Jedes Einzelne hat Karl gelesen, kopiert und archiviert in fünf Leitsordnern.
00:55:14
In seinem Buch Akteneinsicht, das jetzt auch meine Primärquelle war, schreibt er später.
00:55:19
Gewiss war es ein hoher Preis, den ich mit vier Jahren meines Lebens hinter Eisengittern zahlen musste.
00:55:23
Aber am Resultat ändert das nichts.
00:55:25
Vielmehr bestätigt es die Erkenntnis, dass sich das Regime der SED seine entschiedensten Gegner selbst geschaffen hat.
00:55:32
Das Buch von Karl, das ist jetzt nicht so wie ein Roman geschrieben.
00:55:36
Der hat da sich mit seinen Gefühlen schon sehr zurückgehalten.
00:55:39
Und ich musste mir dann immer zwischendurch wieder vor Augen führen, dass der einfach jünger war als wir und unschuldig ins Gefängnis musste.
00:55:51
Und einfach wie schrecklich dieses Unrecht war, das ihm widerfahren ist.
00:55:56
Und was ich immer wieder so überraschend finde, ist ja, also deine Eltern jetzt nicht, aber meine Eltern haben ja daran gelebt.
00:56:04
Also ja, die sind ja in der DDR einfach groß geworden.
00:56:08
Ja, ich könnte mir das überhaupt nicht vorstellen, heute in so einer Welt zu leben.
00:56:12
Ich meine, die sind ja dann auch geflohen, aber wie absurd, ja, dass du nicht das sagen darfst, was du denkst.
00:56:19
Genau, da wurden Leute verknackt, die vielleicht einen Witz gemacht haben über die SED oder so.
00:56:26
Also das war ja schon, dass es keinen Anwalt gibt, keinen ordentlichen Anwalt, dass die Prozesse einfach ein Witz waren und einfach immer nur das gemacht wurde, was der Staatsanwalt gefordert hat.
00:56:36
Genau das passierte dann halt immer.
00:56:38
Und ich finde, das vergisst man oft, wenn man über die DDR nachdenkt oder darüber liest oder was weiß ich.
00:56:44
Ich muss auch ehrlich gesagt sagen, dass wir in der Schule das nicht so gelernt haben, was da eigentlich für eine Diktatur geherrscht hat.
00:56:51
Und dass es da keine Gewaltenteilung gab und dass es furchtbar, furchtbar war.
00:56:56
Ich hatte auch eben im Kopf, dass ich von der DDR irgendwie so einen romantisch verklärten Blick habe.
00:57:02
Und ich weiß gar nicht, warum das so ist.
00:57:05
Also wenn ich an die DDR denke, dann denke ich natürlich so an das kommunistische System und daran, dass alle früh Kinder bekommen haben, weil der Staat für die Obhut der Kinder gesorgt hat quasi.
00:57:16
Also damit die Frauen halt früh wieder arbeiten gehen konnten.
00:57:18
Also an sowas denke ich.
00:57:20
Und wenn man sich seine Informationen nicht selber irgendwie im Laufe der Jahre angeeignet hätte, in der Schule habe ich es auf jeden Fall nicht so gelehrt bekommen.
00:57:28
Ja, und die entschiedensten Gegner der SED, darunter eben Karl Wilhelm Fricke, führen mich zu meinem Aha.
00:57:33
Denn er war ja nicht der Einzige, der in Berlin-Hohenschönhausen einsaß.
00:57:37
In der zentralen Untersuchungshaftanstalt der Stasi waren zwischen 1951 und 1989 mehr als 10.000 Häftlinge gefangen, verhört und gefoltert worden.
00:57:47
Die meisten aus politischen Gründen.
00:57:50
Während in den ersten Jahren auch körperliche Folter auf der Tagesordnung stand, ist die DDR, als sie international anerkannt werden wollte, dann auf rein psychologische Foltermethoden umgestiegen.
00:58:00
Die werden übrigens weiße Folter genannt, weil dabei keine offensichtlichen Spuren am Opfer verursacht werden und so die Folter nicht so leicht nachgewiesen werden kann.
00:58:08
Ziel der Folter war nicht nur das Erzwingen von Geständnissen, wie bei Karl, sondern auch den Willen der Gefangenen zu brechen.
00:58:15
Denn durch die Folter verlieren die Menschen oft die Fähigkeit zum Widerstand.
00:58:20
Um das zu realisieren, wurden die Gefangenen, wie auch Karl, in Isolationshaft gesteckt.
00:58:25
Außerdem Wärter und ihren Vernehmungsoffizier bekamen ein Gefangener in der Regel niemanden zu sehen.
00:58:31
Außerdem wurden den Inhaftierten im Stasi-Knast systematisch schlafentzogen, in dem eben beispielsweise mal das Licht angeknipst wurde.
00:58:38
Und eine weitere Foltermethode ist die Ungewissheit und Desorientierung.
00:58:42
So mussten die Gefangenen am Anfang über Stunden, ohne beachtet zu werden, auf den ihnen zugewiesenen Platz sitzen, ohne zu wissen, was weiterhin geschehen sollte.
00:58:51
Also die wurden nicht informiert, was jetzt passiert oder so.
00:58:53
Sie saßen da einfach über Stunden.
00:58:55
Keiner hat sich für die interessiert.
00:58:56
Während der Anwesenheit der Häftlinge wurden auch fingierte Telefonate mit falschem Inhalt geführt.
00:59:02
So wurde zum Beispiel so getan, als wäre einem Angehörigen des Häftlings etwas Furchtbares zugestoßen.
00:59:09
Und was diese weiße Folter mit den Menschen macht, habe ich den Neuropsychologen Thomas Elbert gefragt, der sich in seinen Forschungen mit den Konsequenzen von psychischer Folter beschäftigt.
00:59:20
Es kommt zu einer kompletten Veränderung des gesamten körperlichen Geschehens.
00:59:26
Das weiß jeder, der schon mal nahe an einem Verkehrsunfall dran war, dass der Körper sich dann auf diese Bedrohung hiebend sozusagen in Kampfflucht oder vielleicht auch sogar Ohnmachtsanfall vorbereitet.
00:59:40
In der Folter wird jetzt herausgezögert, dass die Personen dauerhaft aus diesem Gefühl der Bedrohung oder aus der tatsächlichen Bedrohung nicht mehr herauskommen.
00:59:51
Wie wirksam ist so eine Methode, denn um, wie jetzt in der DDR zum Beispiel, Geständnisse oder Informationen aus den Personen herauszubekommen?
00:59:59
Die Information, die man bekommt, ist eigentlich nichts wert, weil die Leute mit allen Mitteln irgendwas erzählen, nur um der Folter zu entfliehen.
01:00:09
Und deswegen ist es auch nicht so, dass Länder, es sind ja immer noch die Mehrzahl aner Länder, die systematisch Folter anwenden, um Informationen zu gewinnen.
01:00:21
Die wenden Folter an, um Bevölkerungskreise oder Schichten einzuschüchtern und dort Angst zu verbreiten, um sie besser kontrollieren zu können.
01:00:32
Ja, ich wollte gerade sagen, das muss denen, die foltern, ja auch bewusst sein, dass man da nicht die besten Informationen aus einem rauskriegt.
01:00:39
Meine Frage an Herr Elbert war dann noch, was passiert denn eigentlich nach der Folter?
01:00:44
Was passiert mit diesen Menschen, die stecken so nach wie vor in der Bedrohung ihrer Folter drin, da kommen die eigentlich nicht mehr so richtig raus aus eigener Kraft.
01:00:54
Die fühlen sich, die haben eben auch was wir als posttraumatische Belastungsstörung bezeichnen, ihre Albträume, ihre Wiedererleben.
01:01:03
Die Folter ist eigentlich immer da.
01:01:06
Um Menschen, die zumindest psychisch nicht mehr aus diesem Folterkeller kommen, zu helfen, hat Herr Elbert zusammen mit anderen Wissenschaftlern die sogenannte narrative Expositionstherapie entwickelt.
01:01:15
Bei der geht es darum, mit dem Patienten alle Bedrohungserinnerungen zu durchlaufen, also die durchzugehen mit dem und sie dann sozusagen zu vergeschichtlichen, so hat er das genannt, also sie zu verorten in Raum und Zeit.
01:01:29
Weil oft hat der Patient quasi das Gefühl oder ja der traumatisierte Mensch, dass es sich nicht um eine Erinnerung handelt, sondern um ein konkretes Erfahren in der Situation und diese Flashbacks und so weiter.
01:01:40
Und mithilfe der Therapie soll den Patienten dann klar gemacht werden, dass es sich um eine Erinnerung handelt und dadurch soll diese Erinnerung dann in einen Kontext gebracht werden und so verarbeitet werden.
01:01:51
Ein Teil der Therapie kann es auch sein, an die Orte des Schreckens zurückzukehren.
01:01:56
Genau, und das machen auch einige Ex-Gefangene heute im ehemaligen Untersuchungsgefängnis in Berlin-Hohenschönhausen.
01:02:03
Denn heute ist das eine Gedenkstätte. Dort kann man also Ausstellungen anschauen und Führungen mitmachen.
01:02:08
Und viele der Guides da, die da durchführen, sind ehemalige Gefangene.
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Wie cool ist das bitte?
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Ja genau, die führen dann halt durch die Gänge und zeigen die Zellen, die sind auch noch teilweise so wie früher und auch die Verhörräume.
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Ja, und erzählen dann von ihren eigenen Erlebnissen dort. Und jetzt kommt's. Wir machen da so eine Führung bei einem Ex-Gefangenen mit.
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Genau. Und das Interview mit dem Ex-Gefangenen und was wir da so erlebt haben, das stellen wir euch dann natürlich auch auf Instagram.
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Ach, das ist ja spannend.
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Wir beide hatten uns ja jetzt mit älteren Fällen beschäftigt, weil wir gerne Geschichten von deutschen Agenten erzählen wollten.
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Jetzt wollen wir aber erst mal über den aktuellsten Fall diskutieren, der auch für sehr viel Berichterstattung gesorgt hat.
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Genau. Es geht natürlich um Sergej Skripal und den Novichok-Anschlag.
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Und um alle auf einen Stand zu bringen, nochmal kurz, was ist eigentlich passiert.
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Der Ex-Spion Sergej Skripal und seine Tochter Julia werden am 4. März 2018 im britischen Salisbury bewusstlos auf einer Parkbank gefunden.
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Die beiden werden ins Krankenhaus gebracht, wo die Ärzte schnell den Verdacht haben, dass es sich um eine Vergiftung handeln könnte.
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Das stimmt auch, die beiden wurden vergiftet.
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Aber nicht mit irgendeinem Gift, sondern mit einem militärspezifischen Nervengift der Novichok-Reihe.
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Novichok wurde in der ehemaligen Sowjetunion als Reaktion auf das Chemiewaffenprogramm der USA entwickelt,
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was dann auch den Schluss nahe liegt, dass Russland hinter der Aktion stecken könnte.
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Deshalb erklärt Premierministerin Theresa May dann auch am 12. März öffentlich,
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dass höchstwahrscheinlich Russland für den Giftanschlag verantwortlich sei.
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Putin weist diese Vorwürfe dann aber entschieden zurück.
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doch immer mehr Indizien weisen in diese Richtung.
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So werden zum Beispiel Videos von Überwachungskameras gefunden, auf denen zu sehen ist,
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wie zwei russische Agenten am Tattag in Salisbury unterwegs sind.
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Außerdem wird eine Nachricht nach Russland abgefangen, auf der so etwas steht wie
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das Paket wurde abgegeben, was ja auch sehr an Karl erinnert, an meinen Fall.
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Naja, auf jeden Fall werden auch in dem Hotelzimmer der beiden russischen Agenten
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Hinweise auf Novichok gesichert.
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Also der Fall ist eigentlich klar.
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Trotzdem erklärt Putin weiterhin, Russland habe damit nichts zu tun.
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Woraufhin die beiden Verdächtigen überraschenderweise im September im russischen Staatsfernsehen auftreten
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und dort erklären, dass sie nur nach England gereist werden, um dort die Kathedrale von Salisbury
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und Stonehenge zu besichtigen.
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Also dass sie nur als Touristen da waren.
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Ja, das wollte ich auch schon immer mal machen.
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Genau, zusammen mit deinem Agentenfreund.
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Auf jeden Fall ist dieses Interview so merkwürdig, das kann man auch im Internet anschauen.
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Und auch gar nicht überzeugend, dass die meisten Leute und auch die, die nicht kritisch dem ganzen
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gegenüberstanden, danach gedacht haben, ja, das sind auf jeden Fall Spione.
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Und man hat sich irgendwie gefragt, wer auf die Idee kam, die beiden dort auftreten zu lassen.
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Aber es stellt sich ja eh die Frage, warum sollte sich eigentlich Russland die Mühe machen
01:05:12
und einen Ex-Spion, der in Rente ist, vergiften?
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Ja, und der Grund ist nämlich, dass Sergej Skripal Doppelagent war, der vom russischen Geheimdienst
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zum britischen übergewechselt war und dem britischen Geheimdienst nach und nach das gesamte
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Mitarbeiterverzeichnis des russischen Geheimdienstes übergab und damit quasi hunderte seiner
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ehemaligen Agentenkollegen enttarnte.
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2006 wird er als Doppelagent entlarvt und in Russland verhaftet und wegen Spionage
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dann zu 13 Jahren Arbeitslager verurteilt.
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Und 2010 wird er zusammen mit drei anderen westlichen Spionen gegen zehn vom FBI verhaftete
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russischen Spione ausgetauscht.
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Und zu dieser Aktion soll Putin damals gesagt haben, die Verräter werden ins Gras beißen,
01:05:53
vertrauen sie mir.
01:05:54
Diese Leute haben ihre Freunde betrogen.
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Ja, das habe ich auch gelesen.
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Und das finde ich ja so oll, weil Putin sich immer wieder dazu geäußert hat,
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dass Agenten, die irgendwie die Sache verraten, halt früher oder später sterben werden.
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Also öffentlich überlässt er quasi die Justiz auch den Geheimdiensten selbst.
01:06:15
Weil er sagt nämlich auch, Geheimdienste leben nach ihren eigenen Gesetzen.
01:06:18
Und jeder weiß, wie diese Gesetze aussehen.
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Also er sagt auch quasi, ja, für die Geheimdienste, da zählen unsere geltenden Gesetze gar nicht.
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Ja, und als würde der Staat da gar nichts zu sagen haben.
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Also als würde er nicht was ändern können, wenn er doch wollte.
01:06:35
Und auch hat er, habe ich auch gelesen, dass er gesagt hat, nachdem Skripa schon vergiftet war,
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dass er ihn nochmal beleidigt hat und so.
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Und dass auch danach, als die Julia wieder aus dem Krankenhaus, also wieder rausgekommen ist aus dem Krankenhaus
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und dann hat er sie ja so abgenommen und auch so einen großen Schnitt im Hals und so wegen der ganzen Operationen und so weiter.
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Und die sich da im Fernsehen darüber lustig gemacht haben.
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Das ist so absurd.
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Also nachdem er quasi dann ja getauscht wurde mit den anderen Spionen, wohnte er dann eben in Salisbury.
01:07:12
Und merkwürdig finde ich da auch, dass danach Skripa als Frau, sein Sohn und sein Bruder sterben.
01:07:20
Und seine Frau halt angeblich an Krebs, sein Bruder angeblich bei einem Autounfall in Russland
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und sein Sohn angeblich an akutem Leberversagen.
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Also das ist ja schon, ja, dann waren wohl 2013 Sergei und die Tochter halt dran.
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So wie ich das rausgelesen habe, war er sich bei der Frau, okay, Krebs leiden, ja,
01:07:42
aber die anderen Todesfälle gerade, weil sie ja in Russland waren, also zumindest der Bruder.
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Und vor allem, das ist halt auch so fies, dass gerade die Person, um die es geht,
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erst mal noch nicht ausgeschaltet wird, sondern alle erst mal in deinem Umfeld,
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damit du das auch noch miterlebst, ja.
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Ja, um dich noch mehr zu foltern, ja.
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Und was ich auch interessant war, ist, dass, ja, dass es halt kein Einzelfall ist,
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dass sich Russland an seinen Ex-Spionen recht, nämlich 2006 vergiftete der russische Geheimdienst
01:08:14
Alexander Litvinenko mit radioaktivem Polonium.
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Der war nämlich genau wie Skripal auch Geheimagent gewesen, der die Seiten gewechselt hat.
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Und es gab noch 14 weitere ominöse Todesfälle von russischen Immigranten in Großbritannien,
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hinter denen Geheimdienste aus den USA Russland sehen.
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Aber für die Briten waren das normale Todesfälle, also die sind dann nicht in Ermittlungen gegangen.
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Aber jetzt hatte irgendwie vor kurzem eine Politikerin den Antrag gestellt,
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dass man die 14 alle nochmal genau durchleuchtet.
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Skripal muss denen so ein Dorn im Auge gewesen sein,
01:08:51
weil der hat ja nicht nur für den britischen Geheimdienst gearbeitet,
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sondern auch für den in Estland und in Spanien.
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Also das Einzige, was der eigentlich gemacht hat,
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ist geheime Informationen über Russland an andere Länder zu verkaufen.
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Ja, da frage ich mich auch immer, wo wir sowieso bei Doppelagenten,
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ja, also klar, wenn man jetzt gefasst wird von dem einen Staat sozusagen,
01:09:15
ja, und dann zwingen die einen, für einen selber jetzt zu arbeiten, okay, ja.
01:09:20
Aber bei ihm kommt es einem ja auch so rüber, als wäre er so ein Opportunist, ja.
01:09:24
Da kann ich mal ein bisschen Geld verdienen und denen ein paar Informationen und da und so, ne.
01:09:29
Genau, das sind ja die Anreize.
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Also entweder wirst du als Agent in dem Land, in dem du tätig bist, enttarnt
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und der andere Geheimdienst bietet dir dann quasi ein Deal an, damit du nicht ins Gefängnis kommst
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oder du trittst von selber an den ausländischen Geheimdienst heran und sagst,
01:09:44
ich kann hier Informationen liefern, möchte dann aber dafür halt eben monetäre Belohnung haben oder irgendwie sowas.
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Diese monetären Anreize, die sind für viele halt sehr ausschlaggebend.
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Und es gibt einen Doppelspion, der quasi als der am besten bezahlte Doppelspion gilt.
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Das ist Aldrich Ames und der arbeitete schon 1962 für die CIA, also hier ist es quasi andersrum,
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und bot dann 1985 dem damaligen KGB die Informationen an, nachdem er Chef der CIA-Abteilung
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gegen Spionage UDSSR wurde.
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Also er wurde quasi Chef in der CIA für, also gegen Russland.
01:10:23
neun Jahre lang hatte er dann Unterlagen und Informationen verkauft und bekam dann Cash, angeblich zweieinhalb Millionen Dollar.
01:10:31
Und die Dokumente, die er dem russischen Geheimdienst übergab, führten zur Enttarnung und Hinrichtung von mindestens zehn CIA-Spionen
01:10:40
und halt zur Aufdeckung oder zum Scheitern von hundert CIA-Geheimdienst-Operationen.
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Und das Geilste ist, er flog auf, wegen des Geldes, weil er sich einfach mal fetten Jaguar vor das Haus gestellt hat,
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was auch eine halbe Million gekostet hat.
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Also er hat sich Sachen geleistet, die einfach weit über dem lagen, was er als normaler Agent verdient hätte.
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Und das wusste die CIA natürlich.
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Das geht doch gar nicht. Nur um noch mehr Geld zu verdienen, geht er dann über Leichen oder was?
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Übrigens bekam Audrey Ames dafür eine lebenslange Haftstrafe, die er immer noch absitzt.
01:11:15
Was droht eigentlich deutschen Doppelagenten? Dafür gibt es ein Paragrafen.
01:11:20
Mir ist übrigens aufgefallen, du bist Präventionslaura und ich bin Paragrafen, Pauli.
01:11:28
Und da steht im Grunde, dass wer für die andere Seite gegen Deutschland spioniert,
01:11:32
kann in besonders schweren Fällen bis zu zehn Jahren Haft verurteilt werden.
01:11:37
Finde ich auch gerecht. Also die können mal zehn Jahre sitzen, wenn sie ja was ausgeplaudert haben.
01:11:43
Ich schwöre dir, dass du mehr als zehn Jahre bekommen würdest, wenn du irgendetwas von meiner Welt ausplaudern würdest.
01:11:50
Da passieren viele kranke Dinge.
01:11:54
Aber zehn Jahre, was kriege ich dann?
01:11:56
Zehn Jahre Social-Media-Post beantworten.
01:12:04
Wir haben ja, wie du eben schon gesagt hast, Fälle älteren Jahrgangs gemacht.
01:12:08
Und da sah die Arbeit der Agenten ja auch noch ein bisschen anders aus als heute.
01:12:13
Zumindest gibt es heute andere Mittel zur Spionage.
01:12:16
Das Internet bietet da ja wunderschöne Möglichkeiten zum Abhören.
01:12:20
Und das hat die NSA ja eindrucksvoll bewiesen.
01:12:23
Und eigentlich ja nicht nur die NSA, sondern auch andere Geheimdienste überwachen heute die weltweite Kommunikation.
01:12:29
Und das wissen wir eigentlich nur dank einer Person, und zwar Edward Snowden, dem bekanntesten Missileblower unserer Zeit, der für die NSA gearbeitet hat.
01:12:38
Der davon wusste, dass weltweit überwacht wird und auch ein bisschen willkürlich voll.
01:12:45
Genau, ohne Grund, massenhaft.
01:12:47
Und der wollte nicht in solch einer Welt leben und hat dann alles aufgezeichnet und die Dokumente gesammelt und weitergegeben.
01:12:54
Und interessant in dem Zusammenhang fand ich, dass die Bundesregierung am Anfang ja noch bestritten hat, dass auch deutsche Bürger und Bürgerinnen und Behörden davon betroffen seien.
01:13:04
Tja, dann hat sich aber gezeigt, dass der BND auch in den Skandal verwickelt war und quasi für die NSA die Deutschen ausgespäht hat.
01:13:12
Und man auch jetzt im Nachhinein nicht wirklich weiß, was wussten die eigentlich, was wussten die nicht.
01:13:17
Es wurde auch nie richtig aufgeklärt.
01:13:19
Ne, finde ich auch fies eigentlich, dass man das einfach nicht weiß.
01:13:22
Ja, also genau. Und was wir aber eben wissen, es wurden von Deutschen auch Metadaten gesammelt und gespeichert.
01:13:30
Und das heißt Informationen darüber, wer mit wem in Kontakt ist, wie lange wer mit wem in Kontakt ist und auch wo sich wer befindet.
01:13:39
Das offizielle Ziel der NSA ist ja die Terrorabwehr.
01:13:43
Aber wir wissen ja, Wissen ist Macht und wer weiß, wozu sie ihre Informationen am Ende benutzen.
01:13:49
Und ich meine, sie haben ja auch Angela Merkels Handy angezapft, wissen alle möglichen Wirtschaftsinformationen.
01:13:57
Und was mich da halt beschäftigt ist, okay, wir haben jetzt diese Möglichkeit dieser massenhaften Spionage, wir haben dieses Tool, das zu machen.
01:14:06
Und wenn man jetzt mal nur an Terror denkt, ja, dann ist es natürlich gut, wenn man die Gefährder abhören kann und sozusagen scannen kann, wer über was redet und wer mit wem in Zusammenhang steht und wer wann wo sein könnte.
01:14:21
Aber wenn dann sozusagen dafür, um das zu erreichen, massenhaft auch unschuldige Leute abgehört werden, wo ist dann die Grenze?
01:14:32
Wann hört man auf und wo ist das noch Kontrolle und wo ist das Überwachung?
01:14:36
Ja, meine Oma hat ja auch immer gesagt, wenn wir am Telefon über Geld geredet haben, hat sie immer gesagt, sag das nicht, sag das nicht jetzt am Telefon.
01:14:44
Und ich immer so, Oma, komm schon, ja, wen interessiert das? Und sie immer so, nein, sag das einfach nicht.
01:14:47
Also es ist, und natürlich hat sie ja irgendwo recht, ja. Und jetzt stellen sich zu Hause alle so eine Alexa rein.
01:14:53
Ja, das ist doch das Dümmste, was ich je gehört habe, dass es jemand wirklich macht.
01:14:57
Und unter unseren Hörern werden auch welche sein. Aber vielleicht haben sie sich ja noch nicht so Gedanken darüber gemacht.
01:15:03
Und ich habe mir auch erst nicht so Gedanken darüber gemacht. Aber es muss ja so sein, sie hört ja die ganze Zeit mit, damit sie reagieren kann, wenn man sagt, Alexa.
01:15:11
Ja, du vergisst das natürlich auch irgendwann, dass da dieses Ding bei dir drin steht. Und du willst zu Hause ja auch nicht das Gefühl haben, abgehört zu werden.
01:15:19
Wenn man sich das mal, ich glaube, wenn man vor 50 Jahren das jemandem gesagt hätte, dass das mal passiert, dann das wäre eine Dystopie einfach. Das wäre, ja, nicht zu glauben.
01:15:31
Ja, aber mich wundert das, dass du nicht über deinen Abhörskandal redest, weil ich weiß, dass du nicht glaubst, dass es einer ist. Aber du warst auf jeden Fall Opfer eines Abhörskandals.
01:15:44
Erzähle bitte die Geschichte, wo einfach dieses Band nochmal von vorne abgespielt wurde bei deinem Freund.
01:15:49
Ja, wie war das denn nochmal?
01:15:52
Oh Gott, ich erzähle die Geschichte.
01:15:54
Ja, das war einfach so.
01:15:55
Laura hat mich vor zwei Jahren relativ panisch angerufen und meinte, dass sie mit ihrem Freund geredet hätte und dann war die Verbindung auf einmal weg.
01:16:08
So. Und dann hast du die ganze Zeit versucht, ihn wieder anzurufen und er ist aber nicht reingegangen, weil besetzt war.
01:16:16
Und irgendwann rief er dann zurück und sagte, er hätte das erst gar nicht verstanden, weil ihr habt ganz normal geredet.
01:16:22
Und auf einmal fingst du an, die Sachen wieder von vorne zu erzählen, was ich relativ lustig fand.
01:16:28
Und er dachte, ich wäre verrückt.
01:16:29
Ja, genau. Und er hat dann einfach aber erstmal mitgemacht und dachte, du hast gerade wieder irgendeinen Anfang.
01:16:35
Und anstatt zu sagen, kannst du mal aufhören, du hast mir das doch alles eben schon mal erzählt, hat er einfach so, ja.
01:16:43
Ist halt drauf eingegangen, bis er gemerkt hat, dass du wortwörtlich das gleiche sagst, wie vorher.
01:16:50
Und dann war es doch einfach irgendwann vorbei.
01:16:52
Also es wurde ein Band abgespielt.
01:16:55
Deine Stimme muss ja irgendwo drauf gespeichert, also das, was du gesagt hast, muss ja irgendwo drauf gespeichert gewesen sein.
01:17:03
Und wurde dann wiedergegeben.
01:17:05
Das hat mich so abgefreakt.
01:17:09
Ja, man hat heute schon so das Gefühl, wenn man darüber redet mit Leuten, so dann macht man immer, haha, ja, wir werden ja überwacht.
01:17:16
Aber es ist halt so.
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Und irgendwie sind alle damit, also fein.
01:17:20
Und das ist doch irgendwie, ja, das dürfte eigentlich nicht so sein.
01:17:25
Das Thema Agenten haben wir uns übrigens für diese Folge ausgesucht, weil wir nach unserer letzten Folge mal ein bisschen durchschnaufen und nicht gleich wieder so emotional werden wollten.
01:17:35
An dieser Stelle wollten wir uns auch noch mal für eure ganzen lieben Nachrichten bedanken.
01:17:39
Ja, das hat euch offenbar genauso mitgenommen wie uns.
01:17:43
So, und dann haben wir noch eine kleine Überraschung für euch.
01:17:46
Juli gibt es eine Zusatzfolge mit den Lästerschwestern, quasi als Wiedergutmachung für die längere Pause neulich.
01:17:52
Die wird aber nicht wie eine normale Folge sein, sondern da wird halt einfach mal gequatscht.
01:17:57
Also die Mordschwestern haben Lästerlust.
01:18:01
Und am Samstag sind wir ja auf dem Podcast-Picknick von PULS in Erlangen.
01:18:04
Und deshalb wird die nächste Folge unsere erste Live-Episode.
01:18:08
Wir freuen uns übrigens über jeden, der kommt und uns Hallo sagt.
01:18:12
Wir schließen jetzt ab.
01:18:13
Das haben wir beim letzten Mal nämlich vergessen.
01:18:15
Das ist negativ aufgefallen.
01:18:16
Das war ein Podcast von Funk.