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#25 Ohne schuld

Hallo, schön, dass ihr hier seid. Vielen Dank, dass ihr da seid. Herzlich willkommen zur 25. Folge
von Mordlust, Verbrechen und ihre Hintergründe, unserem True Crime Podcast. Diesmal live vom
PULS Podcast Picknick. Mein Name ist Paulina Kraser. Und ich bin Laura Wohlers. Wir erzählen
uns hier gegenseitig jeweils einen Fall, von dem die andere in der Regel nichts weiß. Und
deswegen kriegt ihr auch unsere ungefilterten Reaktionen mit. Wir kommentieren die Fälle
auch. Bei uns darf man auch lachen und ein bisschen sarkastisch sein. Das ist aber nie
despektierlich gemeint. Diese Folge dreht sich um die Frage der Schuldfähigkeit. Und zwischendurch
müsst ihr vielleicht auch ein paar Fragen beantworten. Laura ist heute ein bisschen erkältet.
Deswegen hört sich ihre Stimme nicht ganz so an, wie ihr sie gewohnt seid. Genau. Aber erstmal
habe ich eine Frage an dich. Hast du eigentlich keine Angst heute hier?
Doch. Ich mache mir in die Hose eigentlich gerade. Solltest du auch. Weißt du, wie viele
Künstler während ihrer Performance sterben? Nein. Sehr viele. Ich weiß es nämlich jetzt. Das ist ja
unser erster Auftritt und deswegen war ich vorher auch schon ein bisschen nervös. Hab dann recherchiert
und bin auf eine Liste gestoßen mit dem Titel
Liste von
Menschen, die während ihrer Performance
gestorben sind.
Und wir gehören ja jetzt auch
irgendwie zu den Entertainern. Aber ermordet?
Nee. Ach so.
Teilweise.
Genau. Auf jeden Fall zählt
diese Liste ist lang. 118 Leute
stehen da drauf, die zwischen
1673 und
2009-10
während ihrer Performance gestorben sind.
Darunter Sänger,
Schauspieler,
Magier
und auch ein Pantomime.
Ein paar wurden erschossen,
auch wirklich ermordet.
Wie zum Beispiel
der Gitarrist der Heavy-Metal-Band
Damage Plan
2004 in Ohio
und der Rapper
MC
der Liste 2013
während eines Konzerts in Sao Paulo
vor 4000 Zuschauern.
Aber es gibt auch andere
Todesursachen.
Zum Beispiel
Herzinfarkt oder Angst.
Würde ich mir vorstellen.
Aber auch
Elektroschock
durch
kaputtes Mikro
und
versehentliches
Erhängen.
Ja, aber auch wie du gesagt hast,
hast du schon richtig gesagt,
die meisten sterben tatsächlich an Herzinfarkt.
Wie zum Beispiel auch
der Comedian
Tommy Cooper
1984
im Live-Fernsehen.
Und
die Zuschauer,
die mit,
also
die dabei waren,
die haben alle gedacht,
das wäre
Teil der Show
und haben erstmal
eine Minute lang
noch gelacht.
Und das war auch
bei sehr vielen
dieser Herzinfarkt-
Tode so,
dass die Leute
das einfach nicht
gerafft haben,
dass das nicht dazu gehört.
Hab aber gecheckt,
kein Podcaster
ist bislang
gestorben
während der
Performance.
Sehr beruhigend.
Und du fühlst dich
auch noch gut?
Noch, ja.
Ich habe ein bisschen Angst
vor meinem Mikrofon jetzt,
aber egal.
Ja,
ich glaube,
ich halte es auch noch aus.
Danke für die Info.
Fühle mich gleich wohler.
Gut,
dann darfst du jetzt anfangen.
Okay,
also für alle,
die uns nicht kennen,
wir erzählen die Fälle
immer im Hörbuchstil.
Also währenddessen
reden wir nicht so wirklich
miteinander,
wie das
in normalen Podcasts
so ist.
Wenn man am Bahnhof
Berlin-Friedrichstraße
die Treppen runter
zur U6 geht,
dann weht einem
stickige Luft entgegen.
Es riecht nach diesem
typischen BVG-Geruch
und es ist warm.
Die Fliesen auf den Gängen,
die zur U6 führen,
sind gelb gekachelt
und von oben fällt
trübes Licht
auf den grauen Boden.
Ich bin zwischen 2009
und 2012
immer mit dieser
U-Bahn-Linie gefahren,
weil ich umsteigen musste
da bei der Friedrichstraße,
wenn ich zur Arbeit musste
oder zur Uni.
Also ich war wirklich
jeden Tag an dieser Haltestelle
und am Karsamstag,
den 23. April 2011
bin ich nicht mit dieser
U-Bahn-Linie gefahren
und das weiß ich noch so genau
wegen dieser Geschichte,
die ich jetzt erzähle.
Statt mir ist an diesem Abend
um 3.30 Uhr Björn
am Bahnhof
und will sich von der U6
nach Hause fahren lassen.
Er kommt gerade vom Dartspielen
mit seinen Freunden.
Björn ist 29 Jahre alt
und arbeitet als Installateur.
Er setzt sich auf den äußeren Platz
auf einen der Bänke
und lässt den Oberkörper
etwas nach vorne fallen.
Björn ist angetrunken.
Später heißt es,
dass er müde und friedlich aussah.
Auf dem Bahnsteig
halten sich außerdem
noch zwei junge Männer auf.
Einer von ihnen ist Martin.
Er ist fast zwei Meter groß
und schlagsig.
Er und sein Freund Anton
kommen gerade
von einer Geburtstagsparty
und haben an diesem Abend
einige Bier und Wodka-Cola
umarmischen getrunken.
Anton ist zwar etwas älter
als Martin,
macht aber einen jüngeren Eindruck.
Seit kurz nach drei
laufen die beiden
schon auf der Plattform
auf und ab.
Sie setzen sich
auf die Plätze neben Björn.
Anton spricht ihn zweimal an.
Björn ist aber so ein Typ,
der Stress immer
aus dem Weg geht
und vielleicht ist das der Grund,
warum er nicht wirklich
auf das eingeht,
was Anton sagt.
Aber die beiden Jugendlichen
sind an dem Abend
streitlustig.
Schon vorm Erreichen
der U-Bahn-Station
haben sie andere Leute
angepöbelt.
Es hätte also wahrscheinlich
jeder auf diesem Sitz sitzen
und etwas sagen können
oder nicht.
Hätte wahrscheinlich
keinen Unterschied gemacht.
Jetzt brüllt Martin Björn an.
Was er zu ihm sagt,
nehmen die Überwachungskameras
natürlich nicht mit auf.
Aber sie zeigen,
wie Björn irgendwann
von der Bank aufspringt.
Die Situation eskaliert.
Martin reißt an Björn herum.
Der versucht,
den Angriff abzuwehren.
Anton interessiert sich
für das Gerange
erst mal weniger.
Das Überwachungsvideo zeigt,
wie Martin weit ausholt
und Björn seine Colaflasche
aus hartem Plastik
mit voller Wucht
gegen den Kopf knallt.
Dabei bricht er ihm die Nase.
Björn fällt seitlich zu Boden,
landet aber auf dem Bauch.
Martin hüpft
mit ausgestreckten Armen
um ihn herum
und tritt dann viermal
mit voller Wucht
mit dem Fuß
gegen seinen Kopf.
Oh Gott.
Björn verliert
das Bewusstsein.
Dann tänzelt Martin
völlig irre
um den am Boden
liegenden herum.
Als er nochmal
das Bein hebt,
um wieder zuzutreten,
greift ein Mann ein.
Er ist so groß wie Martin,
aber etwas stämmiger
als er.
Selbst er schafft es aber nicht,
die Situation zu entschärfen.
Er kann Martin zwar
von Björn wegziehen,
der Versuch,
ihn aber in den Schwitzkasten
zu nehmen, scheitert.
Zwei Putzmännern ruft er zu,
dass sie doch helfen sollen.
Keiner unternimmt etwas.
Stattdessen bekommt er heftige Tritte
in den Rücken von Anton,
bis auch der Helfer
am Boden liegt.
Dann laufen die beiden
Jugendlichen weg.
Eine Frau,
die das Geschehen beobachtet hat,
betätigt die Notrufsäule.
Björn kommt mit schweren
Kopfverletzung
ins Krankenhaus
und erleidet
ein Schädel-Hirntrauma
dritten Grades.
Neben der gebrochenen Nase
sind auch die Nasen
neben Höhlen gerissen.
Der Helfer kommt
mit einer Kopfverletzung
und Rückenschmerzen davon.
Die Polizei veröffentlicht
die Aufnahmen
der Überwachungskamera
und sie zeigen
halt bewusst
die Szene,
in der Martin
auf seinen Opfer eintritt.
Ich weiß noch,
damals als ich das gesehen habe,
es war für mich so surreal,
dass an einem Platz,
wo ich immer bin,
dass da sowas passiert.
Das war ganz schön erschreckend
damals.
Und sie zeigen
diese Szene eben so genau,
weil sich durch diese Brutalität,
die da stattfindet,
einen schnellen Fahndungserfolg
erhoffen.
Und der Plan geht auf.
Noch am Samstagabend
stellt sich Martin.
Zur Wache erscheint er
in Begleitung seines Vaters.
Gegen Martin wurde bereits
Haftbefehl
wegen versuchten Totschlags
erlassen.
Einen Tag später
stellt sich auch Anton.
Bei der Vernehmung
gibt Martin
an,
dass er in aggressiver
Stimmung war.
Und er erklärt,
dass er an dem Abend
sehr viel getrunken habe.
Der Jugendrichter
nimmt ihn daraufhin
erstmal nicht
in Untersuchungshaft.
Denn vor diesem Tag
ist er nie auffällig gewesen.
Er geht noch zur Schule
und lebt bei seinen Eltern.
Außerdem hat er sich
freiwillig gestellt
und damit bestünde
keine Flucht
oder Verdunklungsgefahr.
Martin muss zwar
vorerst nicht in Haft,
aber die Wirkung,
die das veröffentlichte
Video hat,
ist für seine Familie
trotzdem wie eine Strafe.
Das Haus der Eltern
wird belagert,
weil auf diesem Video
ist halt sein Gesicht
voll zu sehen.
Und er und seine Eltern,
die erhalten daraufhin
Morddrohungen.
Selbst der Hund.
Björn darf an dem
Ostermontag
das Krankenhaus
wieder verlassen.
An den Übergriff
kann er sich nicht mehr
erinnern.
Nach dem Dartspiel
mit seinen Freunden
ist alles schwarz.
Er würde aber gern wissen,
was passiert ist
und guckt sich wie so viele andere
in diesen Tagen
das Video an.
Als er sieht,
mit welcher Gewalt
er dort niedergeschlagen wird,
bricht er zusammen.
Ein zweites Mal
kann er sich das nicht ansehen.
Martins Vater
sagt gegenüber der Bild,
dass sich sein Sohn
gern persönlich
bei Björn entschuldigen würde
und dass es ihm
wahnsinnig leid tue.
Björn findet,
dass das,
was ihm widerfahren ist,
nicht zu entschuldigen ist.
Ein persönliches Treffen
kommt also nicht zustande,
aber dafür schickt
Martin Björn einen Brief.
Darin schreibt er,
Ich schäme mich sehr.
Mich quält dieser Vorfall
zutiefst.
Der Gedanke daran
lässt mich nicht los.
Und weiter
Die ganze Sache
ist für mich
nicht verarbeitet
und abgeschlossen.
Ich hoffe,
dass ihre seelische
und körperlichen Wunden
schnellstmöglich verheilen
und dadurch
ihre Lebensqualität
nicht auf Dauer
beeinträchtigt wird.
Dieser Brief
wird dann auch
im August
des selben Jahres
bei der Verhandlung
vorgelesen.
Björn wundert das nicht.
Er und seine Familie
hatten von Anfang an gedacht,
dass der Brief
eher so ein Versuch
ist,
eine Strafmilderung
zu erhalten.
Die könnte für Martin
auch wichtig sein.
Er ist wegen
versuchten Totschlagsangeklag
und könnte im Ernstfall
mehrere Jahre
Haftstrafe bekommen.
Auch seine Schuldfähigkeit
spielt hier eine große Rolle.
Bei 2,0 Promille
bis 2,9 Promille
könnte eine
verminderte
Schuldfähigkeit vorliegen.
Ab 3,0
im Zweifel
sogar eine Schuldunfähigkeit.
Beide könnten
das Strafmaß
mildern.
Auf der Anklagebank
sitzt ein schmächtiger
junge Mann,
ein angehender
Abiturient
im blauen Hemd
mit gut frisiertem Haar.
Hohes Gericht,
meine Damen und Herren,
ich kann und möchte
meine Taten
weder rechtfertigen
noch entschuldigen.
Das sagt er
da zu Prozessbeginn.
Martins Aussagen
sind wohl überlegt.
Wenn er redet,
dann ruhig.
Die Worte,
die er benutzt,
klingen gestellst.
Nicht so,
wie man es von einem
18-Jährigen erwarten würde,
der gegen den Kopf
eines wehrlosen Opfers
tritt.
Martin erzählt,
dass er seine Kindheit
als eigentlich
ganz normal
beschreiben würde.
Abgesehen davon,
dass seine Eltern
schon früh schwer
erkrankt sind.
Sein Vater hat Parkinson
und seine Mutter
unter anderem Depressionen.
Beide sind Frührentner.
Martin wird ein hohes Maß
an Selbstaggression
bescheinigt.
Schon als Teenager
ritzte er sich selbst.
Martin schildert dem Gericht,
dass er Björn
in einer Überreaktion
niedergeschlagen habe,
weil er selbst
Angst hatte
und sich in der Not
sah,
sich zu verteidigen.
Der lag am Boden.
Wovor hatten sie Angst?
fragt ihn der
Vorsitzende Richter.
Martin antwortet,
dass in seiner Vorstellung
die Rollen des Angreifers
und die des Opfers
vertauscht waren.
Wegen des Alkoholrauschs
hätte er aber auch
einige Erinnerungslücken.
Wie viel Martin
genau getrunken hatte,
das kann man nicht genau sagen
und wie viel Promille
er hatte auch nicht.
Als er sich der Polizei
gestellt hat,
da war er schon wieder
ausgenüchtert
und deswegen haben sie
halt keinen Bluttest
genommen.
Die Berechnungen
sind schwer,
denn die Gutachterin
muss sich quasi auf die
Angaben von Martin
und Anton verlassen
und sie kommt schließlich
zu dem Schluss,
dass Martin um die
3,1 bis 3,5 Promille
Intus hatte.
Ein weiterer Hinweis
für einen Zustand
nahe dem Vollrausch
ist die Szene
des Überwachungsvideos,
die sich vor
dem Angriff abgespielt hat.
Darauf zu sehen
ist erst Anton,
wie er ins Gleisbett
uriniert
und danach
Martin,
wie er ganz ruhig
ins Gleisbett steigt
und dann damit
Schotter um sich wirft
und er guckt nicht
nach einfahrenden Zügen
oder irgendwie sowas.
eben wegen
dieses Verhaltens
schließt die Gutachterin
eine erheblich
verminderte Steuerungsfähigkeit
nicht aus.
Allerdings war,
wie das Video
beweist,
ja jeder
tritt auf den Kopf
ein gezielter Treffer.
Also Koordinierungsschwierigkeiten
hatten die beiden
gar nicht
und deswegen ist jetzt die Frage,
wird er vermindert schuldfähig
gesprochen
oder nicht?
Was meint ihr?
Wer meint,
dass er vermindert schuldfähig
gesprochen wird?
Und wer meint nicht?
Es sind mehr.
Mehr nicht?
Okay.
Meine Tat ist eine Schweinerei
und sie ist auch mit dem vielen getrunkenen Alkohol
nicht zu entschuldigen,
gibt Martin vor Gericht zu.
Trotzdem macht der getrunkene Alkohol ja in den meisten Fällen einen großen Unterschied.
Die Urteilsverkündung dauert anderthalb Stunden.
Martins Blick ist währenddessen leer.
Als es um seine Tat geht,
schaut er nach unten
und pult an den Fingernägeln.
Dann hört er,
wie der Richter sagt,
dass er während dieser entscheidenden Minuten
schrecklich entgleist ist.
Das Gericht erkennt zwar an,
dass Martin über sein eigenes Verhalten
schockiert ist.
Gleichzeitig heißt es aber,
dass Martin das Schicksal seines Opfers
egal gewesen sei
und er seine Tat auch beendet hätte,
wenn ich eben dieser mutige Helfer
eingegriffen hätte.
Die Erinnerungslücken,
von denen die Angeklagten sprechen,
glauben sie nicht.
Martin sei zwar wegen des hohen Alkoholeinflusses
erheblich vermindert schuldfähig gewesen.
Unter Vollrausch hätte er aber nicht gestanden.
Wegen versuchten Totschlags
bekommt Martin nach Jugendstrafrecht
eine Haftstrafe von zwei Jahren
und zehn Monaten,
die nicht zur Bewährung ausgesetzt wird.
Die Straße kann nach einem Drittel
zur Bewährung ausgesetzt werden.
Also heißt,
er müsste dann nur so elf Monate absitzen
und danach könnte er sein Abitur weitermachen.
Anton hatte vor Gericht
nicht so bedacht geredet wie Martin.
Ihm fehlten oft die Wörter.
Er wird wegen gemeinschaftlicher
gefährlicher Körperverletzung
Nötigung und unterlassener Hilfeleistung
zu einer Geldstrafe von 250 Euro verurteilt
und muss einen Erste-Hilfe-Kurs absolvieren.
Björn ist froh,
dass das Urteil nicht zur Bewährung ausgesetzt wurde.
Und nachdem ich dieses Video gesehen habe,
hatte ich tatsächlich richtig Angst davor,
in dieser U-Bahn nochmal zu fahren
und bin danach immer mit dem Fahrrad gefahren,
weil mir das irgendwie sicherer erschien in dem Moment.
Und Laura kennt mich,
wenn ich mich bewegen muss,
dann muss der Leidensdruck schon ziemlich hoch sein.
Ja, aber sonst ist auch so die Berliner U-Bahn nicht so eine Wohlfühl-Oase.
Generell nicht.
Nicht so.
Aber eine Frage noch.
Was heißt, er hat völlig irre um den herum getanzt?
Also er hat ja die Arme ausgebreitet.
Und wenn man das Video sieht,
dann denkt man nicht, dass es Alkohol war.
Es gibt verschiedene Szenen,
mit denen ich das vergleichen könnte,
möchte ich jetzt aber gar nicht machen.
Also es war wirklich,
wirklich sehr seltsame Bewegung.
Und gruselig auch.
Ja, genau.
Gruselig.
Wie findest du das Strafmaß?
Zwei Jahre und...
Zehn Monate?
Ja, ich hätte tatsächlich mit mehr Jahren gerechnet.
Und auch nicht unbedingt mit einer verminderten Schuldfähigkeit.
Also ja, jetzt erzählst du das, wie das aussah und so weiter.
Der war sicherlich betrunken oder vielleicht auch irgendwie mehr.
Aber ich meine, die haben ja gar keinen Test gemacht,
konnten sie ja auch nicht.
Ich kann mir das einfach nicht vorstellen,
so wirklich, dass man anhand von Video sehen kann,
wie viel Promille jetzt jemand Intus hatte
und das dann so stimmen kann.
Ja, es war ja nicht nur anhand dessen.
Sie hatte sich ja auf die Angaben von Martin und Ant umgezogen.
Aber laut deren Angaben
hätten sie eigentlich um die 12 Promille haben müssen.
Also irgendwas hat da schon nicht so richtig funktioniert.
Und deswegen hat sie offenbar
einen anderen Berechnungsspiegel genommen,
hat vielleicht dann gesagt,
naja, dann stimmt halt nur das und das und das.
Und dann halt eben auf das Videomaterial geguckt.
Und da kamen sie dann halt auf 3,1 bis 3,5.
Okay, genau.
Der Fall hat ja ein paar Parallelen zu Dominik Brunner.
In denen hatten wir in der...
23.
Genau, das war in der vorletzten Folge gesprochen.
Genau.
Die beiden waren ja auch alkoholisiert, oder?
Und es waren auch öffentliche Verkehrsmittel.
Ja, genau.
Die waren auch betrunken, aber da gab es ja keine verminderte Schuldfähigkeit.
Weil der Gutachter halt meinte, ja, die waren zwar betrunken,
aber die konnten sich irgendwie noch, waren noch voll orientiert und situiert,
dass sie es quasi überblicken konnten.
Und ja, und da hat der Haupttäter ja sogar fast 10 Jahre bekommen.
Wegen versuchten, äh, wegen Mordes.
Mordes auch, ja.
Ja, stimmt.
Gut, also hier hat man ja gesehen, dass die völlig enthemmt waren.
Alleine schon wegen dieser Szene im Gleisbett.
Ja, die ist schon wirklich skurril gewesen.
Ja, kann man denn sagen, wie viel oder wie sehr jetzt diese verminderte Schuldfähigkeit
das Strafmaß beeinflusst hat, also was er sonst bekommen hätte?
Nee, also das kannst du ja in der Regel gar nicht machen.
Die Staatsanwaltschaft hatte vier Jahre gefordert.
Und bei der Tat, die Dominik begangen hat, da ist das in der Regel so nach Jugendstrafrecht,
wäre möglich gewesen, sechs Monate bis zehn Jahre.
Aber er kam danach eh in den offenen Vollzug.
Also er hat auch nur ein paar Monate abgesessen im Endeffekt.
Es blieb also nicht so lange, ja.
Und das war aber nicht das Einzige, was sich auf das, auf das Strafmaß ausgewirkt hat.
Also du hast ja gerade gesagt, du hättest gedacht, dass er mehr bekommt, ja.
Und da haben aber noch andere Faktoren eingespielt, also nicht nur der Alkohol.
Und ich habe das eigentlich alles erzählt in dem Fall.
Hat einer von euch eine Ahnung, was da noch mit reingespielt hat?
Weshalb er nur, in Anführungsstrichen, zwei Jahre und zehn Monate bekommen hat?
Hat einer eine Ahnung?
Da hinten?
Ja, es wurde ja gesagt, dass da schon medial sehr stark berichtet wurde, dass die Familie sehr gelitten hat.
Und das wird wahrscheinlich eben die Urteilsbegründung auch beeinflusst haben, dass da das komplette Leben eben jetzt für Jahre beeinflusst ist.
Ja, ganz genau.
Also diese Prangerwirkung, das hatten wir ja auch im Fall Tutsche letztes Mal schon, dass sich das positiv auf das Strafmaß des Täters aufwirkt.
Genau, da war ja auch der Name genannt und die Bild hatte den umgepixelt gezeigt.
Ja, genau. Großartige Arbeit. Da findet dann quasi so ein Ausgleich statt.
Noch jemand?
Also Martin hatte Björn, also Martin hatte Björn mehrere Briefe geschrieben, mehrere Entschuldigungsbriefe, ja.
Noch was?
Jugendstrafrecht vielleicht. Also ich bin mir gerade nicht sicher, ob ihr gesagt hattet, wie alt die beiden waren.
Genau, also er war 18 und galt aber als Heranwachsender. Das kann man im Jugendstrafrecht quasi auch berücksichtigen.
Genau, also nach Jugendstrafrecht wurde er auch verurteilt.
Genau, und dann...
Hallo, wir haben hier noch...
Ah, Entschuldigung.
Es wurde ja auch gesagt, dass er gerade dabei war, sein Abitur zu machen und ich könnte mir vorstellen, dass man jemandem dann vielleicht die Chance auch nicht nehmen will, wenn er gerade in seiner Schullaufbahn drin ist.
Ja, richtig. Also er war nicht vorbestraft, hast du total recht. Der ist in seinem Abitur gewesen.
Und der wurde auch als überdurchschnittlich intelligent eingestuft und man hat sich gefragt, warum sollen wir jemand, also einen jungen Menschen quasi so aus dem Leben reißen, der vorher auch noch nicht auffällig war.
Also die hatten gesagt, diese Tat an sich war ihm eigentlich wesensfremd.
Voll die Experten hier.
Ja, voll.
Ja, und wegen dieser Berichterstattung, Laura und ich machen da nochmal eine extra Folge zu, weil das tatsächlich so viel hergibt alles, dass wir da nochmal eine ganze Folge uns dem widmen wollen.
Genau.
Da mache ich jetzt weiter.
Meine Geschichte zeigt, dass das persönliche Schuldempfinden nicht von einem Gerichtsurteil abhängt.
Januar 2007.
Durch das Haus führt eine lange, rote Blutspur.
Die Treppe hoch und bis ins Schlafzimmer.
Und das erste Mal seit Monaten hört Matthias Stille.
Rückblick.
Oktober 2006.
Matthias ist 28 Jahre alt und kurz davor seine Doktorarbeit in Philosophie an der Uni Wien zu schreiben.
Sein Doktorvater soll kein geringerer sein als der Starphilosoph Peter Sloterdijk.
Jeden Dienstagabend hängt Matthias während der dreistündigen Vorlesung wie gebannt an den Lippen des Professors.
Der Vorlesungssaal fühlt sich so schnell, dass Matthias immer schon eine Stunde früher da ist, um die besten Plätze in der ersten Reihe zu ergattern.
Heute soll Matthias seinen Vortrag halten.
Er hofft, dass dieser seine Eintrittskarte in das begehrte Seminar für Doktoranden wird.
Und tatsächlich lädt Sloterdijk Matthias nach seinem Vortrag in den Inner Circle ein.
Matthias platzt vor Stolz, weil das bedeutet, dass er ab jetzt viel mehr Zeit hat, mit ihm über Philosophie zu diskutieren.
Und auch Sloterdijk scheint sehr interessiert an seinem neuen Spross.
Das meint Matthias daran zu merken, dass sein Dozent offenbar hinter seinem Rücken Informationen über ihn einholt.
Von einem auf den anderen Tag spricht er ihn nämlich immer wieder versteckt an.
Einmal zum Beispiel bezeichnet Sloterdijk Mönche als Athleten Christi und schaut Matthias dabei ganz tief in die Augen.
In dem Moment erinnert sich Matthias daran, dass sein Onkel ihn als Kind immer Superathlet genannt hat, weil er so gut schwimmen konnte.
Matthias fragt sich, warum Sloterdijk solche Informationen über ihn einholt und vermutet dahinter ein psychologisches Spiel.
Eine Art Herausforderung unter Philosophen.
Als Matthias ein paar Tage später durch den Park in der Nähe der Bibliothek schlendert, kommt ihm eine Gestalt auf einem Fahrrad entgegen.
Zielstrebig steuert sie auf ihn zu.
Es ist Sloterdijk.
Dem Professor ist er noch nie außerhalb der Abendstunden begegnet.
Matthias überkommt ein beunruhigendes Gefühl.
Irgendwas für dieser Mann im Schilde, denkt er.
Matthias ruft seine Freundin Lucia an.
Ihr will er von den merkwürdigen Vorkommnissen erzählen.
Die beiden treffen sich also ein paar Tage später zum Frühstücken.
Lucia rät ihm, sich von dem Professor fernzuhalten.
Er tut dir nicht gut, sagt sie.
Nach dem Frühstück spazieren die beiden noch über den Naschmarkt,
als plötzlich ein Mann mit einem Fotooperat vor ihnen auftaucht und immer wieder auf den Auslöser drückt.
Matthias ist wie paralysiert.
Das kann kein Zufall sein, denkt er.
Gerade an dem Tag, an dem er seiner Freundin von dem Komplott erzählt, taucht eine Art Paparazzi auf.
Sloterdijk muss Bescheid wissen.
Anders kann Matthias sich das nicht erklären.
In den Wochen nach dem Vorfall auf dem Naschmarkt steht Matthias komplett neben sich.
Er kann nicht essen, nicht richtig schlafen.
Überall entdeckt er Zeichen und fühlt sich verfolgt.
Dauernd stellt er sich die Frage, was das alles soll.
Was sollte dieses Spiel?
An Heiligabend steht Matthias in seiner Wohnung und schaut aus dem Fenster, als es ihm wie Schuppen von den Augen fällt.
Es geht nicht um Sloterdijk oder den Fotografen vom Naschmarkt.
Es geht um etwas viel Größeres.
Sie waren nur Figuren in einem bedrohlichen Endzeitszenario.
Und dann hört Matthias zum ersten Mal die Stimme.
Ich bin eine Bestimmung, eine göttliche Fügung.
Ich schenke dir telepathische Kräfte und außerordentliche Begabung.
Nutze sie, sobald du in Gefahr gerätst, flüstert sie.
Gott hatte ihn ausgewählt, diese Apokalypse zu stoppen.
Und heute, an dem Tag der Geburt Christi, hatte er die Stimme zu ihm sprechen lassen.
In den Tagen darauf spricht die Stimme immer wieder zu Matthias.
Sie erzählt ihm, dass er in einen Kampf ziehen wird.
Vor seinem geistigen Auge sieht er brennende Häuser, Armeen, die gegeneinander aufmarschieren.
Er hört Schreie und das Weinen von Kindern.
Matthias braucht Verbündete in dem bevorstehenden Kampf.
Deshalb ruft er Lucia an.
Die beiden treffen sich in einem Restaurant namens Oum, das Lucia rausgesucht hatte.
Als Matthias das asiatische Restaurant betritt, sieht er überall orange gekleidete Menschen.
Das lässt ihn darauf schließen, dass die Buddhisten sich auch in den kommenden Kampf einmischen werden.
Logisch.
Aber Lucia trägt einen orangefarbenen Wollmantel.
Sie ist Teil des Spiels, glaubt Matthias.
Sie kann nicht seine Verbündete werden.
Er muss das Spiel alleine durchziehen.
Als er ein paar Tage später in der Nähe seiner Wohnung spazieren geht, bleibt er wie angewurzelt auf dem Heldenplatz stehen.
Hier war Adolf Hitler das erste Mal vor das österreichische Volk getreten.
Und genau an diesem Ort hört Matthias auf einmal qualvolle Schreie und sieht große Pfützen aus Blut.
Als nächstes fällt sein Blick auf ein Wahlplakat des Rechtspopulisten Jörg Haider, das komplett in orange gehalten ist.
Er hört die Schreie der Juden, die durch die Nazis gequält wurden und er erinnert sich an das Lokal Oum, in dem alles orange gewesen war.
Die Buddhisten und die Nazis hatten sich zusammengetan, um den Glaubenskrieg für sich zu entscheiden.
Sie sind zu Satanisten geworden, die gegen Gott und die Christen antreten wollen, kombiniert Matthias.
Und sie sind ihm, dem Auserwählten, auf den Fersen.
Deshalb hängt Matthias bei sich in der Wohnung alle Spiegel und Zimmerecken ab.
Er vermutet dahinter Kameras.
An einem Morgen hört er ein zischendes Geräusch vor seiner Wohnung.
Er öffnet die Tür und schaut vorsichtig hinaus.
Der Flur ist leer.
Doch dann wieder das zischende Geräusch.
Hallo, ruft Matthias.
Ein Mann kommt um die Ecke.
Matthias erkennt seine Umrisse nur schemenhaft.
Guten Tag, sagt der Fremde.
Dann plötzlich entstellt sich das Gesicht des Mannes zu einer widerlichen Fratze.
Die Haut wird grau und faltig, die Augen zu tiefen Höhlen und der Mund gibt ein zischendes Geräusch von sich.
Matthias schreit auf und schlägt die Tür hinter sich zu.
In den Tagen darauf verwandeln sich immer mehr Gesichter in Dämonenfratzen.
Das Böse ist auf dem Vormarsch.
Das wird Matthias immer klarer.
Er braucht Hilfe.
Göttliche Hilfe.
Und zwar von dem Menschen, der Gott am nächsten ist.
Papst Benedikt.
Matthias macht sich also auf den Weg nach Ruh.
Vor den Toren der Vatikanstadt angekommen, spricht er einen der Schweizer Gardisten an.
Ich bitte um Einlass.
Ich werde vom Papst erwartet.
Ich habe einiges zu berichten.
Dinge, die für den Heiligen Vater und den Fortbestand der ganzen Welt von größter Bedeutung sind.
Wie ist Ihr Name?
fragt der Mann.
Matthias nennt ihm seinen vollen Namen.
Sie werden nicht erwartet,
entgegnet der Wärter.
Matthias versteht nicht, was dieses Theater soll.
Hören Sie, Sie müssen mir nichts vormachen.
Der Papst benötigt dringend meine Zeugenaussage.
Wir verlieren hier gerade wertvolle Zeit.
Es tut mir leid, ich kann Sie nicht durchlassen.
Alles um Matthias fängt an, sich zu drehen.
Ihm wird bewusst, dass er ohne die Hilfe des Papstes auskommen muss.
Auf dem Weg zurück in sein Hotel kriegt Matthias plötzlich Panik.
Ihm fällt auf, dass er gar nicht mehr genug Geld für den Zug zurück hat.
Er hatte ja angenommen, wenn er erstmal den Papst gewarnt hatte, dass er dann im Vatikan hätte bleiben können.
Da wäre er sicher gewesen.
Doch jetzt muss er Rom verlassen.
Matthias ruft seinen Vater an.
Eigentlich willigt er nie ein, wenn es um Geld geht.
Doch dieses Mal fragt er nur, wie viel brauchst du?
200 Euro, antwortet Matthias.
Und wundert sich.
Warum gibt er ihm Geld, ohne zu fragen wofür?
Irgendwann dämmert ihm, dass sein Vater Teil des Spiels sein musste.
Noch schlimmer, er war höchstwahrscheinlich einer der Strippenzieher.
Je mehr Matthias über seinen Vater und dessen Verwicklung in das Spiel nachdenkt, desto mehr glaubt er zu verstehen, was genau vor sich geht.
Das Spiel dauert schon sein ganzes Leben lang.
Die Satanisten hatten seinem Vater wohl Geld gegeben, damit er sich um den Auserwählten kümmert.
Ihn in Schach hält sozusagen.
Als dann Matthias' Mutter hinter den Plan der Satanisten kam, hatte sein Vater sie mit seinen dämonischen Gedanken mit Krebs verseucht und so getötet.
Und jetzt war Matthias dran.
Das muss er verhindern.
Er ruft also nochmal bei seinem Vater an.
Ich will dich besuchen, sagt Matthias.
Ich nehme gleich morgen den ersten Zug zu dir.
Das freut mich, antwortet sein Vater.
Am 23. Januar 2007 kommt Matthias am Bahnhof an und sieht seinen Vater am Bahnsteig stehen.
Er wirkt ganz und gar nicht böse.
Seine Gesichtszüge sind klar und menschlich.
Matthias lässt sich nichts anmerken.
Die beiden fahren ins Haus des Vaters und am Abend gibt es Käsespätzle mit gerösteten Zwiebeln.
Matthias sagt, ich habe keinen Hunger und geht in sein altes Zimmer.
Er hat Angst, dass sein Vater ihn vergiften will.
In dieser Nacht hört Matthias Schritte im Haus.
Das müssen die Satanisten sein, die mit seinem Vater das weitere Vorgehen besprechen wollen.
Matthias kann nicht länger warten.
Eine Spielentscheidung muss her.
Als er am Morgen aus seinem Zimmer kommt, steht sein Vater alleine auf dem Gang.
Matthias, fragt er.
Tu nicht so, schreit ihn Matthias an.
Schämst du dich nicht?
Matthias, fragt sein Vater nochmal.
Halt dein Verrätermaul.
Ich weiß, dass du mit den Satanisten unter einer Decke steckst.
Du musst dich nicht mehr verstellen.
Matthias, ich weiß nicht, wovon du sprichst.
Mein ganzes Leben war ein Spiel.
Du wusstest, dass ich der Auserwählte bin.
Doch für Geld hast du sowohl mich als auch meine Mutter geopfert.
Bist du vollkommen verrückt geworden?
Fragt ihn sein Vater.
Papa, es ist genug.
Matthias' Vater dreht sich um und geht wortlos die Treppe hoch.
Matthias weiß nicht, was er tun soll.
Mit so einer Reaktion hat er nicht gerechnet.
Er folgt seinem Vater ins Obergeschoss.
Im Schlafzimmer angekommen, sieht Matthias ihn auf dem Bett sitzen.
Du musst verstehen, dass ich dich nun töten muss.
Entweder du oder ich muss sterben.
Sein Vater schaut ihn an.
Auf dem Fensterbrett liegt ein Stein.
Matthias greift nach ihm und schlägt auf seinen Vater ein.
Der wehrt sich.
Dann bekommt Matthias das Bügeleisen zu greifen und schlägt ihm damit auf den Kopf.
Matthias' Vater sinkt zu Boden.
Um ihn herum, alles voller Blut.
Dann rappelt er sich wieder auf, schleppt sich die Treppe hinunter und bricht unten angekommen endgültig zusammen.
Matthias folgt ihm und erstickt seinen Vater.
Dann ist plötzlich alles ganz still.
Am nächsten Morgen ruft Matthias den Rettungswagen.
Er wartet auf die Verkündigung vom Ende des Spiels.
Doch stattdessen kommt die Kriminalpolizei und stellt das Haus auf den Kopf.
Sie nehmen Matthias mit auf die Wache und verhören ihn.
Ist das eine neue Etappe, fragt er sich.
Sind die Polizisten Satanisten?
War das alles nur eine Falle gewesen, um ihn einzusperren?
Der Amtsarzt ordnet an, dass Matthias in die Psychiatrie kommt und dort auf seinen Prozess wartet.
Drei Tage nach seiner Einweisung bekommt er Besuch von dem bekannten Gerichtspsychiater Reinhard Haller.
Ihm erzählt Matthias alles im Detail.
Von dem Philosophie-Professor, dem Nachschmack-Paparazzi, von der Überwachung, den dämonischen Fratzen und der Apokalypse.
Durch das Sprechen über seine Geschichte, die Einnahme von Psychopharmaka,
die Unterbringung in der Psychiatrie und die komplette Abschottung von der Realität geht es Matthias langsam besser.
Und anstelle der Stimme tritt ein beängstigender Gedanke.
Was war, wenn ich mir das alles nur eingebildet habe?
Das hatte er und die Diagnose von Professor Haller lautet Paranoide Schizophrenie.
Die habe sich bei Matthias geradezu lehrbuchartig entwickelt.
Zunächst die Wahrnehmungsstörung, die Matthias glauben ließen,
sein Professor würde ihm versteckte Nachrichten zukommen lassen.
Dann die Wahnvorstellung, durch die er überall religiöse Kämpfer und Dämonenbesessene zu sehen glaubte
und schließlich eine extreme Übersensibilität, durch die Matthias zum Beispiel Schritte hörte, wo keine waren.
Am 7. September 2007 beginnt der Prozess.
Einen Tag wird er dauern.
Die Staatsanwaltschaft plädiert auf Mord.
Matthias hatte seinen Vater mit einer Plastiktüte erstickt.
Matthias' Verteidiger hingegen versuchen, eine Verurteilung wegen schwerer Körperverletzung mit Todesfolge oder Totschlag zu erwirken.
Der Gutachter erklärt, dass Matthias wegen seiner paranoiden Schizophrenie schuldunfähig ist
und empfiehlt eine Einweisung in die forensische Psychiatrie.
Und schon am Nachmittag wird das Urteil verlesen.
Matthias wird nicht des Mordes verurteilt und auch nicht wegen Totschlags.
Er wird für schuldunfähig erklärt und die Einweisung in die geschlossene Psychiatrie angeordnet.
Matthias kommt also nicht ins Gefängnis.
Wie lange er in der forensischen Psychiatrie eingesperrt bleiben muss, weiß er nicht.
Bei uns zur Rechnungsfähigkeit geht es nicht um die Strafe,
sondern darum, die Bevölkerung zu schützen, bis die Krankheit quasi abgeheilt ist.
Und bei Matthias ist das am 1. September 2010.
Nach vier Jahren verlässt er die forensische Psychiatrie als freier Mann.
Also bei so einer Tat ist das schon ganz schön heftig.
Was davon war denn eigentlich real? War irgendwas real?
Ja, also die Uni und die Vorlesung, der war wirklich bei diesem Starphilosoph.
Und er ist auch sogar in dieses Dissertantenseminar reingekommen
und hatte dann dadurch mehr Kontakt zu ihm und hat mit ihm geredet
und hat sich dann diese Nachrichten vorgestellt, die es nicht gab.
Und er ist auch wirklich nach Rom. Also das war schon so.
Am geilsten finde ich die Szene, wie er da vor dem Schweizer Fachmann stand.
Ja, der hat sich wahrscheinlich auch nur gedacht, what the fuck.
Wird er wahrscheinlich nicht zum ersten Mal erlebt haben.
Aber bei Schuldunfähigkeit gibt es ja eigentlich keine Strafe und deswegen können wir eigentlich auch nicht vom Strafmaß reden.
Aber was sagst du denn generell zu vier Jahren, wo andere Täter jetzt bei so einem ähnlichen Delikt jetzt 15 Jahre nicht in Freiheit sein können normalerweise?
Ja, also wie du gesagt hast, das Gericht hat ja im Prinzip gesagt, dass er kein Mörder ist.
Und wenn das Gericht entscheidet, dass er schuldunfähig war, wo soll denn eine Strafe sein?
Ja, ohne Schuld keine Strafe.
Ja, bei Schuldunfähigkeit genau geht es nicht um Strafe.
Und ich finde auch persönlich das richtig, dass man jemand, der krank ist, nicht ins Gefängnis steckt und ihn auch behandelt.
Was für mich nur schwierig zu verstehen ist, ist, wann kann man den Patienten wieder freilassen sozusagen, weil psychische Krankheiten ja auch schwierig zu verstehen sind und auch für die Ärzte nicht unbedingt immer zweifelsfrei erkennbar.
Das haben wir auch schon im Podcast gehabt.
Und auch Gutachter können nicht zu 100 Prozent sagen, jetzt ist er für immer ungefährlich.
Ja, klar. Genau.
Kann ja immer mal wieder kommen.
Ja, und tatsächlich, also die Rückfallquote ist bei Patienten der forensischen Psychiatrie schon geringer als von den Insassen eines Gefängnisses.
Also zum Beispiel bei Menschen, die im Gefängnis saßen, und da beziehe ich mich jetzt nur auf Mörder, werden zu circa 34 Prozent wieder straffällig.
Das geht aus einer Studie hervor, die vom Bundesjustizministerium 2016 in Auftrag gegeben wurde.
Das muss ich dazu sagen.
Und bei den Entlassenen aus der forensischen Psychiatrie ist die Zahl bei ungefähr 5 Prozent, laut DGPPN, der Fachgesellschaft für psychiatrische Erkrankungen.
Und da bezieht sich das aber auf alle Entlassenen, also nicht nur die, die jemanden umgebracht haben.
Aber Rückfallquote für was? Also, dass die wieder straffällig werden oder dass sie wieder psychisch krank werden?
Nee, dass sie nochmal straffällig werden und dann nicht nochmal das machen, wofür sie eigentlich einsitzen, sondern einfach straffällig werden.
Okay.
Gut, will ich auch hoffen, weil wenn, also wenn die Zahl jetzt sehr viel höher wäre, dann wären die Gutachten ja in der Regel Käse.
Weil, ne, also du sagst, jemand ist jetzt irgendwie keine Gefahr mehr für die Öffentlichkeit und ist geheilt.
Und dann gehst du ja in der Regel davon aus, dass das Personen sind, die vielleicht gar nicht anfällig für Straftaten sind.
Ja, aber 5 Prozent sind ja trotzdem noch 5 Prozent und, also es kommt dann immer mal wieder zu solchen Fällen.
Zum Beispiel 1994 in Eickelborn, da steht eine der größten forensischen Psychiatrien in Deutschland und da war halt ein Patient auf Freigang,
also der war noch nicht mal entlassen, sondern der war einfach alleine unterwegs, hat dann ein kleines Mädchen ermordet.
Und danach war natürlich der Aufschrei groß und die Gutachter wurden natürlich an den Pranger gestellt.
Ja.
Okay.
Ja, es gibt halt ein Restrisiko.
Was besonders wichtig ist, ist halt, dass, also um dieses Risiko zu minimieren, ist die Nachsorge von den Patienten,
also die ambulante Therapie zum Beispiel.
Und bei Matthias ist das so, dass er noch 10 Jahre nach seiner Entlassung zur Therapie muss und Psychopharmaka einnehmen muss.
Wie lange?
10 Jahre.
10 Jahre Psychopharmaka.
Ja.
Das ist die eigentliche Strafe, ne?
Er kann die nicht absetzen, wenn er sich gesund fühlt oder wenn Ärzte sagen, er ist gesund.
Ne, das ist Pflicht, das ist so eine Art Bewährungsauflage, also es kommt mir auch komisch vor, ja, also 10 Jahre und dann einfach nicht mehr, dann ist er geheilt oder wie?
Geheilt ist er ja durch Psychopharmaka eh nicht, also die lindern ja nur die Symptome.
Aber 10 Jahre Alter ist ja, also man kann sich ja bei Schizophrenie, wenn das wahrscheinlich irgendwie Neuroleptika oder Antidepressiva sein und man kann sich ja vorstellen, wie die 10 Jahre lang, ja, bis 10 Jahre in Watte gepackt.
Ja, Mathias hat auch ein Buch geschrieben, das heißt Ich oder Ich und daran schreibt er auch darüber, dass er jetzt keine richtig extremen Emotionen mehr fühlen kann, was jetzt für einen Menschen wie mich, der noch nie solche Medikamente genommen hat, also super schwer.
Ich kann mir das gar nicht vorstellen, halt wie das ist, das mich nicht mehr zu fühlen.
Scheiße.
Das glaube ich.
Ja, und obwohl Matthias Schuld unfähig gesprochen wurde, quält ihn sein Schuldbewusstsein bis heute auch die Gewissheit, dass, wenn er nicht psychisch krank gewesen wäre, dass er seinen Vater höchstwahrscheinlich nicht umgebracht hätte, das hilft ihm nicht.
Also er sagt, er ist schuld.
Ja, also verstehe ich, weil im Prinzip hat die Krankheit ihn ja zu einem Menschen gemacht, der quasi gar nicht selber handeln kann, aber er ist trotzdem noch die ausführende Hand.
Ja, damit muss man dann halt auch erstmal leben, weil ohne die Krankheit wäre es dann gar nicht so weit gekommen.
Ja, und er sagt auch, dass er diese Tat nur aus der Täterperspektive sehen kann, auch wenn sein Umfeld, also zum Beispiel seine Geschwister haben ihm verziehen, ihm sozusagen die Opferperspektive auch anbieten.
Also er kann sie aber nicht übernehmen, obwohl er ja auch letztendlich ein Opfer seiner psychischen Krankheit war.
Ja, klar.
Wir möchten hier heute ein bisschen über Schuld reden auch und ich würde gerne mal über die Definition von Schuld reden.
Matthias muss ja mit der jetzt leben und so eine moralische Schuld aufzuarbeiten, kann ja in der Regel schwieriger sein, als eine strafrechtliche Schuld zu tilgen.
Ja, das sitzt man dann ab und danach ist es dann quasi auch vorbei.
Bei der strafrechtlichen Schuld ist es aber so, man muss erstmal gucken, kann der Täter überhaupt dafür verantwortlich gemacht werden?
Kann er persönlich haftbar für das gemacht werden, was er tut?
Also war er einsichts- und steuerungsfähig?
Das ist halt wichtig.
Und wie vorhin schon gesagt, wo keine Schuld, da halt keine Strafe.
Und dass Täter ihre, also das Unrecht nicht einschätzen können, das passiert gar nicht so häufig.
Also wie in deinem Fall, das wird jetzt einer der wenigen gewesen sein.
Weil Erwachsene werden ja in der Regel als schuldfähig immer eingestuft, ab 14, glaube ich.
Und ansonsten gibt es aber ein paar Ausnahmen, worunter jetzt auch dein Fall fallen würde.
Genau, also zum einen gibt es die krankhafte seelische Störung, das ist dann wirklich eine Erkrankung des Gehirns.
Also zum Beispiel, wenn der Täter Alzheimer hat oder eben auch eine Schizophrenie wie Matthias jetzt,
dann können sie das Unrecht ihrer Tat nicht einsehen.
Dann gibt es aber noch den Punkt schwere seelische Abartigkeit.
Das gibt es zum Beispiel bei notorischen Vergewaltigern, ja.
Die haben dann eine extreme Triebstörung und können nicht anders sozusagen.
Und dann gibt es, man kann auch schuldunfähig gesprochen, wenn man schwachsinnig ist.
Da sind jetzt erstmal nicht nur speziell dumme Menschen gemeint,
sondern nur geistig behinderte Menschen.
Und genau, und dann gibt es die tiefgreifende Bewusstseinsstörung.
Und das ist jetzt keine chronische Krankheit,
sondern das bezieht sich auf das Bewusstsein während der Tat sozusagen.
Und das gibt es zum Beispiel, wenn der Täter extrem übermüdet war oder unter Schock stand
oder wenn er während der Tat schlief.
Das gibt es zum Beispiel ein Beispiel des Kanadiers Kenneth Park, genau.
Der hat seine Schwiegermutter umgebracht und wurde aber 1992 freigesprochen,
weil nachgewiesen sein, also nachgewiesen werden konnte,
dass er während der Tat geschlafen hat und dann halt eben eine Bewusstseinsstörung hatte.
Wie weist man sowas nach?
Mit einem Schlaflabor irgendwie haben die das gemacht.
Guter Anwalt, würde ich mal sagen.
Unter diese Bewusstseinsstörung gehört halt auch eben der Einfluss von Alkohol oder Drogen,
wie Alkohol jetzt in Paulinas Fall.
Also wenn man bei einem Tötungsdelikt 3,3 Promille hat,
dann kann man schuldunfähig gesprochen werden.
Aber muss man auch nicht.
Es kommt ja quasi darauf an, wer hat die 3,3 Promille.
Wenn jetzt ein Trinker 3,3 Promille hat, der jeden Tag einen krassen Pegel hat,
der kann anders denken als jetzt jemand, der nie Alkohol trinkt zum Beispiel.
Ja, auch von der körperlichen Konstitution.
Also bei uns würden 3,3 Promille Knockout bedeuten.
Ja, und jeder von uns hat ja auch schon mal so viel getrunken,
dass man sich nicht mehr so richtig erinnern kann an die Nacht.
Aber, also ich hatte jetzt auch noch nicht 3,3 Promille, bin ich mir eigentlich sicher.
Aber ich finde es trotzdem interessant, dass es irgendwann quasi shiftet von
ich kann doch zwischen Unrecht und Recht unterscheiden und irgendwann dann nicht mehr.
Weil ich persönlich würde jetzt davon ausgehen, egal wie viel ich gesoffen habe,
ich kann doch entscheiden, was Recht und Unrecht ist.
Ja, weiß ich nicht.
Also jetzt würde ich auch denken, ich weiß, dass man sich nicht zum Beispiel auf eine Hauptstraße legt,
nachts, wenn man besoffen ist, wo es dunkel ist, wo viele Autos fahren oder Straßenschilder klauen oder so.
Nicht, dass ich das jemals getan hätte.
Der macht so.
Aber, kannte niemand.
Aber in dem Moment denkt man sich dann ja wahrscheinlich auch,
also ist man sich dessen dann wahrscheinlich auch nicht bewusst oder ist es einem halt egal.
Ja, gut.
Aber damit gefährdest du jetzt ja nicht unbedingt direkt jemanden.
Also, okay, wenn du auf der Straße liegst und dann macht jemand einen Unfall wegen dir,
dann schon, wenn du theoretisch dann auf der Straße liegst.
Aber ich sehe jetzt einfach nicht, dass du, egal wie besoffen du bist,
dir ein Messer holst und jemanden abstichst, absichtlich.
Ja, sehe ich jetzt auch nicht.
Aber das sehen die Täter wahrscheinlich währenddessen dann oder vorher auch nicht, ja.
Also das sind ja meistens dann eher Situationen, die eskalieren, denke ich mir.
Ich habe, als ich mir, als ich mir über die Schuldfrage Gedanken gemacht habe,
da habe ich mich an ein Interview erinnert, das habe ich vor einem Jahr oder so mit einem ehemaligen Einbrecher gemacht.
Und der hat erzählt, dass die bei ihren Streifzügen, da haben die Jungs immer harten Alkohol mitgenommen,
damit sie, wenn irgendwas schief geht, also die haben große Einbrüche gemacht, ja.
Und wenn was schief ging, dann hatten sie halt hochprozentigen Alkohol dabei,
damit sie sich dann noch schnell einen reinknallen können.
damit sie im Zweifel dann halt eben eine mildere Strafe bekommen.
Ja, clever.
Clever, sehr klar.
Als ich darüber nachgedacht habe, da bin ich auf die Aktion Libera in Causa gestoßen.
Das heißt, in der Ursache freie Handlung und das ist so eine Art Ausnahmeregelung.
Und dabei versetzt sich der Täter oder die Täterin eben absichtlich in einen Zustand der Schuldunfähigkeit,
um dann halt eben eine mildere Strafmaß zu bekommen.
Und ich decke jetzt hier nur den Standardfall ab, also die vorsätzliche Alik, so heißt das.
Da ist das halt so, ich überlege mir vorher eine Straftat, die ich begehen will
und überlege mir genau, wie ich es anstellen will.
Und dann versetze ich mich halt vorher in den Zustand der Schuldunfähigkeit.
Trinkst du Alkohol oder?
Also ich denke mir, dass es eher Alkohol ist, weil wenn du unter Drogeneinfluss irgendwas machst,
dann machst du es wahrscheinlich auch nicht mehr richtig.
Bei 3,3 Promille vielleicht auch nicht.
Das passiert hier nicht so oft.
Und dabei gibt es dann halt eben Voraussetzungen, und zwar Vorsatz in Hinsicht auf die Herbeiführung der Schuldunfähigkeit,
also dass du dich halt eben volldröhnst, dann Vorsatz auf die Tat.
Und die Tat muss nachher auch so stattgefunden haben, wie du sie geplant hast.
Also wenn ich jetzt plane, dich zu erdrosseln im Vollrausch,
und dann eskaliert die Situation aber nachher, und ich erschlage dich dann mit einem Mikrofon oder so,
dann würde die Alik halt nicht mehr greifen.
Weil das muss schon genau so geplant worden sein, wie es dann halt nachher auch ausgeführt wird.
Und das ist quasi eine Ausratnahmeregelung, die wurde geschaffen, damit die Täter, die sowas,
weil es ist ja eigentlich perfide, ja, du weißt, es gibt da diese Regelung im Strafgesetzbuch,
und dann machst du das extra so, damit du im Zweifel schuldfrei rauskommst,
oder maximal fünf Jahre wegen Vollrausch bekommst.
Und deswegen wurde diese Ausnahmeregelung erschaffen, damit du halt einen Täter eventuell bestrafen kannst,
oder halt auch höher bestrafen kannst als die fünf Jahre.
Aber die Rechts, also so eine Rechtsfigur, die ist eigentlich verfassungswidrig,
und viele Juristen unterstützen die auch nicht und sind dagegen, dass es die gibt.
Wobei man als Laie halt im ersten Moment denkt, ja klar, es ist ja eigentlich gut, dass es sowas gibt.
Aber ich stelle mir jetzt auch schwer vor, nachzuweisen, was war jetzt genau geplant und was nicht.
Ja, also wie gesagt, sie kommt auch nicht so oft vor, aber es ist nun mal so,
wenn du eine Tat begehst und du bist im Vollrausch, dann kriegst du halt maximal fünf Jahre.
Bei der Frage nach der Schuldfähigkeit oder nach der Schuldunfähigkeit geht es ja um die seelische Störung.
Das war das, was ich eben, also alles, was ich eben aufgezählt habe, gehört zu der seelischen Störung sozusagen.
Und da kann man sich ja jetzt eigentlich fragen, ist nicht eigentlich jeder Mörder seelisch gestört?
Weil, ich würde jetzt mal behaupten, die meisten von uns hier können sich nicht vorstellen, einen Mord zu begehen
und sind wahrscheinlich auch der Meinung, also Mörder, die können ja nicht normal sein.
Und es gibt auch einige Psychologen oder Gehirnforscher, die der Meinung sind, dass alle Mörder seelisch gestört sind.
Darunter gehören, also dazu gehört Robert James Blair und Wolf Singer.
Und die meinen halt eben, dass Mörder keine Empathie haben und normale Menschen eben schon.
Und dass das Fehlen dieser Empathie eine seelische Störung ist, die man aber therapieren könnte.
Und ich habe mir dann ein paar Gedanken dazu gemacht, weil, wenn wir uns jetzt unser Strafgesetzbuch mal genauer durchlesen,
in den Mordparagraphen zum Beispiel, dann finden wir da durchaus ein paar nachvollziehbare Gründe
oder menschliche Gründe, jemanden zu ermorden, wie zum Beispiel Eifersucht, Wut oder Rache.
Sachen, die man halt eher nachvollziehen kann als andere.
Mordlust.
Als Mordlust zum Beispiel, ja.
Finde ich aber totaler Quatsch, was die da erzählen, weil es gibt ja nicht den Mörder.
Also Mörder wird man ja aufgrund einer Handlung und weil ein Gericht einen nachher dazu verurteilt.
Also man ist ja nicht.
Man wird nicht geboren.
Ja, genau, richtig.
Und weil du gerade von diesen nachvollziehbaren Gründen erzählt hast, wir hatten mal in einer Folge über Marianne Bachmeier geredet.
Genau, die hatte den Mann im Gerichtssaal von hinten erschossen, der ihre Tochter umgebracht hat.
Also ein Delikt, was man vielleicht auch eher nachvollziehen kann.
Die wurde vom Gericht jetzt nicht als Mörderin verurteilt, obwohl viele Juristen sich eigentlich einig sind,
dass sie es hätten machen müssen, weil sie ihn halt eben heimtückisch von hinten erschossen hat.
Aber also ein Gerichtsurteil entscheidet ja nicht darüber, ob jemand Empathie empfinden hat oder nicht.
Und sie wurde jetzt eben nicht als Mörderin verurteilt, aber wäre sie das, man hätte ihr trotzdem, glaube ich, Empathie zugestanden als Mutter.
Ja, genau, weil sie Empathie schon alleine ihrer Tochter gegenüber empfunden hat, weil sonst hätte sie ja den Mörder ihrer Tochter nicht quasi aus Rache erschossen.
Ja, ja, ja.
Ja, und das ist, also deswegen ist es auch nicht so verwunderlich, dass das gar nicht so häufig vorkommt, dass ein Täter oder eine Täterin schuldunfähig gesprochen wird.
Weil wir gerade von Empathie reden. Es gibt bei Narzissten und bei Psychopathen ist es so, dass bestimmte Hirnareale nicht richtig durchblutet sind oder die nicht so richtig miteinander verknüpft sind.
Aber das gilt halt eher für Menschen, die diese Eigenschaften haben, also nicht wegen eines Urteils dann eben Mörder sind.
Und denen, bei denen das fehlt, denen ist es halt auch schwieriger, Schuld zu empfinden.
Also wenn ihr manchmal das Gefühl habt, dass ihr Schuld empfindet, dann ist die Chance relativ gering, dass ihr Psychopathen oder Narzissten seid.
Und Schuld ist eine Emotion, die hilft uns quasi im Zusammenleben miteinander umzugehen, weil eine Schuld sagt quasi immer was über deine moralischen Richtlinien aus.
Und wenn du gegen die verstößt, dann empfindest du halt eben Schuld.
Und es gibt Menschen, die fühlen öfter Schuld als andere.
Ich fühle mich sehr oft sehr schuldig, habe ich in letzter Zeit festgestellt.
Fühlt sich oft oder nicht oft?
Ich fühle mich oft schuldig, ja. Und das könnte entweder daran liegen, dass ich mich oft daneben benehme oder dass ich einen sehr hohen moralischen Wertekompass habe, den nicht mal ich erfüllen kann, habe ich mir gedacht.
Den hast du auch an mich, ne?
Weiß ich gar nicht, wie du darauf kommst. Ja, er wird übertragen auf alle anderen.
Wann hast du dich das letzte Mal schuldig gefühlt?
Ja, genau. Als ich den Geburtstag meiner Oma vergessen habe, das hast du, glaube ich, noch mitbekommen.
Eigentlich kann ich das nicht vergessen, weil ich eine Erinnerung im Handy habe.
Und das gilt für alle meine Freundinnen hier auch.
Nur leider ist sie meistens erst, diese Erinnerung kommt irgendwie erst nachmittags.
Und an diesem Tag, dieses Jahr, als meine Oma Geburtstag hatte, ich glaube, es ist der 27. März, habe ich sie aber schon in der Früh angerufen, weil ich irgendeine Frage hatte.
Ich wollte irgendwas von ihr wissen.
Und sie dann so, hallo, und hört dann meine Frage und meint dann so, ich habe heute Geburtstag, du Armleuchter.
Wie alt ist deine Oma nochmal?
93. Und ich, oh Gott, und dann hatte ich direkt richtig starke Schuldgefühle. Und ich wollte diese Schuldgefühle quasi austricksen. Und deswegen bin ich direkt zum PC und habe gegoogelt, Blumen liefern sofort jetzt an diesem Tag noch.
Das gibt es aber nicht in Deutschland. Auf jeden Fall, genau, das ging nicht, aber es ging eben nächster Tag.
Habe ich es natürlich schnell gemacht. Und dann habe ich meine Oma nochmal am Nachmittag angerufen und meinte so, sind eigentlich meine Blumen schon angekommen?
Um ihr quasi zu zeigen, dass ich eigentlich schon an ihren Geburtstag gedacht hatte. Also schon wahrscheinlich, weil Omas ja denken, also wenn was ankommt, dann ist es wahrscheinlich von vor drei Wochen bestellt worden.
Und genau, und die Blumen kamen dann nächsten Tag an und sie war auch glücklich und ich hatte so ein bisschen meine Schuldgefühle getilgt.
Aber du hast ihr ja eigentlich was vorgegaukelt dann in dem Moment.
Ja, damit habe ich dann auch mir was vorgegaukelt.
Hat funktioniert, offenbar.
Was war bei dir?
Ich hatte das letzte Mal mit dir neulich eine Situation gehabt und zwar haben Laura und ich, wir haben über ein Projekt gesprochen, was wir nächstes Jahr machen möchten.
und Laura war sich noch nicht so sicher, ob wir das zeitlich hinbekommen und dann habe ich die einzig rationale Reaktion hervorgebracht.
Mir doch egal, dann mache ich das halt eben alleine. Ich brauche dich dafür nicht.
Und Laura war danach sehr sauer auf mich.
Ja, wir saßen im Auto und haben erstmal nichts mehr gesehen.
Nachher dachte ich auch so, was bin ich für ein Arschloch? Das ist eigentlich voll unfair.
Naja, ich habe mich nicht entschuldigt, glaube ich.
Ich nehme deine Entschuldigung an.
Ja, musst du gar nicht, denn ich habe mir schon selbst verziehen, denn darüber rede ich jetzt nämlich.
Und zwar habe ich in einem Artikel der Zeit über Schuld gelesen, dass Schuld ein warmes Gefühl ist.
Und nur wer sich schuldig fühlt, der kann die Schuld auch wieder auflösen.
Und deswegen können wir dann nochmal darüber nachdenken bis zur nächsten Episode, was wir jemanden verzeihen möchten.
Oder vielleicht auch uns selbst.
Und deswegen habe ich mir jetzt verziehen.
Ich fühle mich warm.
Schön.
Mir ist auch warm.
Schön.
Ja, und in der nächsten Folge geht es übrigens um Cold Cases.
Und da sprechen wir unter anderem endlich über den Fall Madeleine McKenn und auch über die neue Doku zu dem Fall.
Und deswegen an alle unsere Hörer und vielleicht auch ihr, wenn ihr mitreden wollt oder checken wollt, was Paulina und ich labern, dann könnt ihr die Doku anschauen.
Vielen Dank, dass ihr hier wart und uns zugehört habt.
Dankeschön.
Das war ein Podcast von Funk.