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Hallo und herzlich willkommen zur 26. Folge von Mordlust, unserem True Crime Podcast, in dem wir wahre Verbrechen nacherzählen und über ihre Hintergründe reden.
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Mein Name ist Paulina Kraser.
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Und ich bin Laura Wohlers. Wir erzählen uns hier gegenseitig jeweils einen Kriminalfall, von dem die andere nichts weiß und deswegen bekommt ihr auch unsere ungefilterten Reaktionen mit.
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Und wir kommentieren die Fälle auch. Manchmal auch sarkastisch und ihr wird auch mal gelacht, das ist aber nie despektierlich gemeint.
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Heute geht's bei uns um Cold Cases, also um unaufgeklärte Fälle, die ich ja gar nicht so gern behandle.
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Du eigentlich schon, oder? Dir macht das nichts aus.
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Wie kommst du darauf? Ist derbe unbefriedigend.
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Ja, weil du hast schon ein paar gemacht hier bei uns im Podcast.
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Ja, weil ich die Fälle halt spannend finde, weil natürlich auch sehr viele Theorien immer darum gesponnen werden.
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Ja, das stimmt. Die Theorien sind schon spannend. Aber ich will halt immer unbedingt wissen, was genau passiert ist, weil ich auch immer hoffe, dass, ja, keine Ahnung, dass die Opfer nicht gelitten haben und irgendwie sofort tot waren.
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Aber das weißt du ja manchmal.
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Ja, wenn ich das weiß, dann ist es schon mal ein bisschen besser für mich. Aber ich will ganz, ganz genau wissen, was passiert ist und wer es war.
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Aber man darf ja auch die Hoffnung haben, dass Cold Cases noch aufgeklärt werden.
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Zum Beispiel durch DNA, wie bei uns in Folge 22 erzählt.
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Oder zum Beispiel durch Zeugen, die sich an ein wichtiges Detail erinnern.
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Oder wenn der Mörder selbst gesteht und zwar auf seinem Sterbebett.
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Diese sogenannten Deathbed Confessions kommen nämlich immer mal wieder vor.
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So wie zum Beispiel in dem Fall Joanne Harrison.
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Die 26-Jährige wird 1975 in der Nähe von Manchester ermordet aufgefunden.
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Und erst glauben die Ermittler, sie wäre ein Opfer des Serienmörders The Yorkshire Ripper.
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Doch als diese Spur ins Leere führt, wird der Fall zum Cold Case.
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Erst 2008 gibt es eine neue Spur.
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Als der 60-Jährige Christopher Smith wegen Krebs im Sterben liegt, schreibt der nämlich ein dreiseitiges Geständnis.
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Darin steht unter anderem, ich möchte etwas klarstellen, denn ich kann nicht weiter mit dieser Schuld leben.
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Es tut mir ehrlich leid, dass ich so viel Schmerz über so viele Menschen gebracht habe.
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Glauben Sie mir bitte, wenn ich sage, dass es mir leid tut.
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Bitte, lieber Gott, hilf meiner Familie.
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2011 kann dann durch DNA bewiesen werden, dass Christopher Smith auf seinem Sterbebett wirklich die Wahrheit gesagt hat.
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Ja, und man fragt sich doch, warum das nicht viel häufiger passiert.
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Weil schließlich haben die Täter oder Täterinnen auf dem Sterbebett ja nicht mehr wirklich was zu verlieren.
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Ja, und sowas erhoffe ich mir auch eben für die Angehörigen all dieser anderen schrecklichen, ungeklärten Mordfälle.
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Weißt du, wie man das auch rausfinden kann?
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Und zwar hatte vor ein paar Jahren die Sendung Aktenzeichen XY ungelöst.
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Über einen Fall berichtet, der 30 Jahre zurück lag und der als Code Case galt.
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Und die Polizei hat während der Ausstrahlung der Sendung die Telefone von den Verdächtigen angezapft.
00:03:16
Und einer der Verdächtigen hat dann tatsächlich sich mit einem Telefonanruf quasi geoutet.
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Wie genau, das wurde medial nicht berichtet.
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Aber wegen dieser Sendung konnten sie dann im Endeffekt den Täter nachher ausfindig machen.
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Voll der gute Move eigentlich.
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Das war auch nicht der Täter, sondern das war dann einer, der ihm dabei geholfen hatte, die Leiche wegzubringen.
00:03:46
Nur einmal ganz kurz zur Einordnung.
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Ein Code Case wird übrigens zu einem Code Case, wenn die Ermittlungen nach circa zwölf Monaten ins Leere führen.
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Mein Code Cates-Fall handelt von einer Reise in den Tod.
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Noch einmal frei sein, sich einfach treiben lassen, nur machen, was man will, bevor der Ernst des Lebens beginnt und irgendwann die Möglichkeit dafür verstreicht.
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Das denken sich Simone und Sebastian, als sie 2004 für ein Jahr Work and Travel nach Australien aufbrechen.
00:04:15
Simone Strobel ist 25 Jahre alt, hat dunkelblondes Haar und bisher als Erzieherin in einem Kindergarten in Würzburg gearbeitet.
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Sebastian Albrecht ist ein Jahr jünger als sie, Sportstudent und ein Surfertyp mit heller Mähne.
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Und er hat so eine Halskette, wo so ein Zahn an so einem Lederband hängt.
00:04:35
Die beiden sind schon sechs Jahre lang ein Paar.
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In Australien haben sie sich einen Van genommen und fahren die Küsten ab.
00:04:42
In ihrem Tagebuch schreibt Simone, es ähnelt dem Paradies auf Erden.
00:04:46
Es ist hier einfach unbeschreiblich schön.
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Kurz vor ihrer Abreise hat Simone einer Freundin noch eine Notiz geschrieben, worin steht,
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dass es die große Aufgabe im Leben ist, sein eigenes Wesen zu finden und dem dann treu zu bleiben.
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Simone hofft auf dieser Reise auch, sich selbst zu finden.
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Nachdem die beiden sechs Monate gemeinsam unterwegs waren, stößt auch Sebastians Schwester Babette und ein gemeinsamer Freund dazu.
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Jan heißt er und er ist auch mit Sebastian befreundet.
00:05:13
Drei Wochen sind die vier zusammen unterwegs, bis sie ihr Weg nach Lismore führt.
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Keine süße Surferstadt.
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Sie liegt eher im Inland, ca. eine Stunde von Byron Bay entfernt.
00:05:23
Aber es gibt dort immerhin einen Campingplatz.
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Simone und Sebastian wollen im Van schlafen, Babette und Jan im Zelt daneben.
00:05:30
Seit Tagen regnet es.
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Nichts mit Sonne und Urlaubsfeeling.
00:05:34
Das trübt die Stimmung der vier.
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Abends gehen sie noch in einen Eckpub.
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Gegen 23 Uhr zieht es die Gruppe zurück zum Campingplatz.
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Bei Babette und Sebastian bahnt sich ein Streit an.
00:05:45
Die beiden diskutieren über eine Familienangelegenheit.
00:05:48
Fast 17.000 Kilometer entfernt von zu Hause will Simone jetzt nicht über die Dinge aus Deutschland streiten.
00:05:54
Hey Leute, wir sind im Urlaub, sagt sie leicht genervt zu den anderen.
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Dann verlässt sie den Van.
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Am nächsten Morgen, es ist der 12. Februar 2005, stehen Sebastian, Babette und Jan vor der Polizeiwache in Lismore.
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Die drei wirken besorgt.
00:06:08
Sie erzählen das, was ich gerade erzählt habe und dass Simone gestern Abend den Van verlassen hätte und nicht zurückgekommen wäre.
00:06:14
Nach einer Viertelstunde hätten sie nach ihr gesucht, weil sie barfuß unterwegs war und kein Geld bei sich hatte.
00:06:20
Die Polizisten befragen die drei und beginnen dann mit der Suche auf dem Gebiet rund um den Campingplatz.
00:06:25
Von Simone aber keine Spur.
00:06:28
Abends wird Sebastian noch einmal befragt.
00:06:30
Gab es vielleicht einen Streit?
00:06:32
Nein, nicht zwischen Simone und ihm.
00:06:34
Sie haben eine tolle Beziehung, versichert er.
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Da gibt es nichts zu streiten.
00:06:38
Daran kann es nicht liegen.
00:06:40
Ob sie Alkohol getrunken haben?
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Nein, haben sie nicht.
00:06:43
Nachdem die Suche über ein paar Stunden erfolglos bleibt, entschließt sich Sebastian, Simons Eltern zu informieren.
00:06:50
Er versteht sich gut mit den beiden.
00:06:51
Im Wohnzimmer haben Gustav und Gabi Strubel Fotos von ihrer Tochter mit Freund aufgestellt.
00:06:56
Als sie zur Reise aufgebrochen sind, musste Sebastian ihnen noch versichern, ihre Tochter wieder heil nach Hause zu bringen.
00:07:03
Als das Telefon in Deutschland klingelt, nimmt Simones Vater den Hörer verschlafen ab.
00:07:07
Gustel, es ist etwas ganz, ganz Schlimmes passiert.
00:07:11
Die Simone ist weg.
00:07:13
Einige würden jetzt vielleicht davon ausgehen, dass Simone einfach nur die Nase voll hatte wegen des Streits und doch noch wieder auftaucht.
00:07:19
Aber die Menschen, die Simone kennen, wissen, dass sie gewissenhaft ist und ihren Freund, den sie liebt, niemals in eine solche Situation bringen würde.
00:07:27
Einfach verschwinden und nicht wiederkommen ist gar nicht ihr Ding.
00:07:30
Außerdem spricht sie nicht sehr gut Englisch, weshalb es ihr ohnehin schwerfallen würde, auf sich allein gestellt zu sein.
00:07:37
Deswegen macht sich ihr Bruder zwei Tage nach dem Anruf von Sebastian auf den Weg nach Australien, um bei der Suche mitzuhelfen.
00:07:44
Sechs Tage, nachdem Simone den Van verlassen hatte, findet die Polizei, nicht mal 100 Meter vom Campingplatz entfernt, eine nackte Frauenleiche.
00:07:52
Sie ist bedeckt von abgerissenen Palmzweigen und durch die Hitze schon zersetzt.
00:07:57
In ihrem Blut werden Spuren von Cannabis und Alkohol gefunden.
00:08:01
Offenbar wurde sie mit einem Kissen oder einer Plastiktüte erstickt.
00:08:05
Ein Motiv kann anhand der Leiche nicht ausgemacht werden.
00:08:09
Es gibt keine Spuren für einen Kampf oder ein Sexualdelikt und ein Portemonnaie, das man bei einem Raubmord hätte stehen können, hatte sie ja nicht bei sich.
00:08:17
Sicher ist aber, dass der Fundort nicht der Tatort ist.
00:08:21
Kleine Kratzspuren auf der Wange deuten höchstwahrscheinlich darauf hin, dass sie durch ein Loch in einem Zaun getragen wurde, der den Platz abgrenzt, auf dem sie gefunden wurde.
00:08:29
An diesem Zaun wird außerdem ein blondes Haar gefunden.
00:08:34
Es könnte vom Mörder sein oder aber auch nicht.
00:08:38
Aber es wird in den späteren Ermittlungen noch eine Rolle spielen.
00:08:41
Die Presse stürzt sich schnell auf den brutalen Mord an der deutschen Rucksack-Touristin.
00:08:46
Wenn Sebastian Fernsehinterviews gibt, dann wirkt er völlig verzweifelt und spricht von einem Monster, das seine Freundin getötet hat und das jetzt gefunden werden muss.
00:08:54
Dort äußert er auch seinen Unmut gegenüber den Ermittlern.
00:08:58
Sie hätten viel zu spät Leichenschwürhunde eingesetzt.
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Immerhin haben sie sechs Tage gebraucht, um den Leichnam zu entdecken, der ja nur 100 Meter entfernt vom Campingplatz lag.
00:09:08
Er meinte, man hätte mehr tun können.
00:09:10
Vielleicht hätte man Simone dann noch lebend gefunden.
00:09:13
Vielleicht wurde sie ja in einem der Zelte auf dem Campingplatz versteckt gehalten.
00:09:18
Zur gleichen Zeit, als die vier aus Deutschland auf dem Campingplatz übernachteten, hatte sich dort nämlich auch ein Mann niedergelassen, der gerade auf der Flucht war, um seine Freiheitsstrafe wegen häuslicher Gewalt nicht antreten zu müssen.
00:09:29
Bei Befragung geben zwei Zeugen sogar an, dass er ihnen gestanden hat, Simone umgebracht zu haben.
00:09:34
Und auch den Kellnern des Eckpaps ist dieser Mann schon aufgefallen, weil er sich seltsam verhalten hatte.
00:09:40
Die Ermittlungen ergeben aber, dass eine Täterschaft seinerseits ausgeschlossen werden kann.
00:09:45
Schon allein, weil er zum Tatzeitraum ein Alimi hat.
00:09:48
Die Polizisten überprüfen auch Männer, die sich regelmäßig zum Trinken an dem Platz treffen, wo Simones Körper abgelegt wurde.
00:09:54
Zwei von ihnen sind polizeilich bekannt.
00:09:58
Insgesamt gestehen im Laufe der Ermittlungen vier Personen Simone getötet zu haben.
00:10:03
Aber die Fakten widersprechen allen Geständnissen.
00:10:06
Sie passen nicht zu dem, was nach der Rekonstruktion passiert sein muss.
00:10:10
Man kann sich ja auch irren bei der Rekonstruktion.
00:10:14
Da können ja auch Fehler passieren.
00:10:15
Wenn jemand dann da sitzt und sagt, ich habe sie auf jeden Fall umgebracht, finde ich irgendwie.
00:10:20
Ja, aber vier Leute gestehen das.
00:10:23
Also mindestens drei lügen sowieso.
00:10:25
Ja, ich verstehe.
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Nachdem bei den Ermittlungen zunächst keine Fortschritte gemacht werden können, will Sebastian nach Hause fliegen.
00:10:34
Das fehlende Geld für seinen Rückflug und für die Überführung von Simone bekommt er von der Gemeinde in Lismore durch Spenden finanziert.
00:10:40
Ein Boulevardblatt hatte ihm dabei geholfen.
00:10:43
Der Schmerz, den Simones Familie in Deutschland erleidet, ist nicht in Worte zu fassen.
00:10:48
Bei ihrer Beisetzung traut nicht nur ihre eigene Familie um sie.
00:10:52
Auch für Sebastians Familie ist es, als hätte sie ein Mitglied verloren.
00:10:55
Bei gemeinsamen Treffen stützen sich die Strobls und die Albrechts gegenseitig.
00:10:59
Sie sind sich ein Halt, wo gerade alles auseinanderzubrechen droht.
00:11:03
Nur Sebastian und Babette sind nicht so gern bei den Familienzusammenkünften dabei.
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Sie reden nicht gern über das, was in Australien passiert ist.
00:11:11
Einmal fragt Simones Schwester, Babette nach der Zeit vor Simones Tod, was passiert ist, was sie gemacht hat, worüber sie geredet haben.
00:11:19
Babette versucht ihr auch zu antworten, aber sie weint die meiste Zeit.
00:11:23
Auch Sebastian ist wie ausgewechselt, seitdem er wieder zu Hause ist.
00:11:27
Er redet kaum noch mit Simones Eltern, obwohl sie sich sehr darum bemühen, ihm nicht zu viel zuzumuten.
00:11:33
Sie können einfach nicht, versichern ihnen die Albrechts.
00:11:36
Sie sind zu traumatisiert, zu mitgenommen, zu unwissend auch, als dass sie irgendetwas beitragen könnten, was jemanden weiterbringen würde.
00:11:43
Und Simones Eltern verstehen das.
00:11:45
Sie verstehen das, obwohl die Polizei mittlerweile viele Fragen zu der Beziehung von Simone und Sebastian stellt.
00:11:52
Gustav und Gabi aber stehen hinter ihrem einstigen Schwiegersohn in Spee.
00:11:56
Selbst nachdem die Würzburger Staatsanwaltschaft vier Monate nach Simones Tod Ermittlungen gegen Sebastian wegen Totschlags einleitet.
00:12:04
Es wird bekannt, dass Sebastian bei einigen seiner Aussagen nicht die Wahrheit gesagt haben soll.
00:12:09
Das macht ihn zum Verdächtigen.
00:12:11
Aber selbst da tun die Albrechts den Strohwels leid.
00:12:15
Sie sehen, wie ihnen die Fragen und das mediale Interesse zusetzen.
00:12:19
Sebastians Eltern brauchen psychische Unterstützung.
00:12:22
Sebastian geht in der Zeit nach Südafrika, um dort als Surflehrer zu arbeiten.
00:12:27
Die Öffentlichkeit nimmt das als Flucht von ihm wahr.
00:12:30
Einmal spricht ihn dort ein Journalist auf Simone an.
00:12:33
Sebastian antwortet, dass der Tag viel zu schön ist, um an Simone zu denken.
00:12:38
Seine Antwort macht daraufhin Schlagzeilen.
00:12:40
Langsam regt sich auch der Verdacht bei Simones Eltern, dass die drei doch mehr wissen, als sie zugeben.
00:12:46
Und dass sie mit ihrem Schweigen nicht ihre verwundete Seele, sondern sich selbst schützen wollen.
00:12:51
Die Beziehung zwischen den beiden Familien fängt an zu bröckeln.
00:12:54
Simones Angehörige wollen endlich antworten auf all die Fragen.
00:12:59
In den vergangenen Wochen haben sie Babette und Sebastian angefläht, ihnen mehr über die Zeit in Australien zu sagen.
00:13:04
Aber nachdem die Ermittlungen gegen sie eingeleitet wurden, haben sich Babette und Sebastian auf eins geeinigt.
00:13:12
Im Juni 2005 verweigern sie die Kooperation mit den Behörden beider Länder.
00:13:16
Sie sagen gar nichts mehr.
00:13:18
Nicht mal, als sie zu einer gerichtlichen Anhörung nach Lismore eingeladen werden.
00:13:23
Die Geschwister wollen nicht mal hinfliegen.
00:13:25
Sebastian sagt, er kann nicht zurück an den Ort, wo so schlampig ermittelt wurde und wo er seine Liebe verloren hat.
00:13:32
Nobabeths Freund Jan will sich den Fragen der Staatsanwaltschaft stellen.
00:13:35
Bei der einwöchigen Anhörung sind mehrere Zeugen geladen.
00:13:39
Und es geht auch um die Spuren, die am Fundort gesichert wurden, wie zum Beispiel das blonde Haar.
00:13:44
Zunächst weckte das Hoffnung, aber es gibt ein Problem damit.
00:13:48
Es wurde ohne Wurzel sichergestellt und dort befinden sich in der Regel die Körperzellen.
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Man könnte das Haar zwar trotzdem analysieren, aber fällt der DNA-Abgleich mit einem verdächtigen Negativ aus,
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dann ist die Spur verloren, weil es danach nicht mehr zu gebrauchen wäre.
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Also zumindest nicht mit der heutigen DNA-Analyse-Technik.
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Auch an den Palmenzweigen, die abgerissen wurden, finden sich minimale DNA-Spuren.
00:14:12
Sie sind zu gering, als dass aus ihnen ein vollständiges DNA-Profil gewonnen werden kann,
00:14:16
aber sie passen zu Sebastian oder Babette.
00:14:20
Könnten aber auch durch einen der Polizisten dorthin gelangt sein.
00:14:24
Bei der Anhörung wird klar, dass Sebastians Darstellung von dem liebenden Paar, das er mit Simone gewesen sein will,
00:14:29
nicht der Wahrheit entspricht.
00:14:31
Das Tagebuch von Simone als auch das von Sebastian bestätigen das.
00:14:35
Am Tag vor seinem Verschwinden schreibt Simone, dass zwischen ihnen die schlimmste Stimmung überhaupt herrscht
00:14:40
und sie kein Wort miteinander sprechen.
00:14:42
Sebastian schreibt, dass Simone ihm auf die Nerven geht und dass es so nicht weitergehen kann.
00:14:47
Grund dafür war offenbar, dass Sebastian den Van öfter für sich allein haben wollte.
00:14:51
Simone wollte aber nachts gerne mit Babette im Van schlafen, weil es so sehr geregnet hatte.
00:14:56
Daraufhin ist Sebastian wohl total ausgeflippt.
00:14:59
Auch im Pub sollen sie, das berichten andere Gäste, gestritten haben.
00:15:03
Danach wurde die Gruppe von dem Kellner aufgefordert zu gehen.
00:15:06
Sebastian soll ihn daraufhin beschimpft haben.
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Auch Bilder einer Überwachungskamera halten eine Auseinandersetzung der Gruppe fest.
00:15:13
Darauf ist zu sehen, wie Sebastian Simone anbrüllt.
00:15:17
Der Streit hielt an, bis die Gruppe wieder auf dem Campingplatz eintraf.
00:15:20
Dort weckten sie nämlich die anderen Urlauber mit ihrer Diskussion.
00:15:24
Zwar können die Camper keine Angaben darüber machen, worüber die vier stritten,
00:15:28
aber sie geben etwas anderes Merkwürdiges zu Protokoll.
00:15:32
Im Nachhinein wunderten sich einige über das Verhalten von Sebastian, Babette und Jan.
00:15:37
Ganz in Ruhe hätten die drei nämlich am nächsten Morgen ihren Platz abgeräumt
00:15:41
und nicht mal eine Nachricht für Simone hinterlassen,
00:15:43
die sich sicher gewundert hätte, wenn niemand mehr dort gewesen wäre.
00:15:47
Wenn sie zurückgekommen wäre.
00:15:48
Sebastian hatte damals gesagt, dass sie ihr Zeug zusammengesammelt haben,
00:15:52
damit sie nicht noch eine Campingplatzgebühr für einen weiteren Tag zahlen müssen.
00:15:56
Dann wird Jan vernommen.
00:15:58
Er erzählt, dass alle vier eine tolle Zeit in Australien hatten,
00:16:02
aber dass es irgendetwas gegeben haben muss,
00:16:04
was Sebastian und Simone wütend aufeinander gemacht hat.
00:16:08
Kurz vor Simons Verschwinden haben die beiden kaum ein Wort mehr miteinander gesprochen.
00:16:12
Und an dem Abend, als alle noch im Pub etwas getrunken haben, ist die Stimmung dann völlig eskaliert.
00:16:17
Sebastians Wut wurde immer haltloser.
00:16:21
So hatte Jan ihn vorher noch nie erlebt.
00:16:23
Ganz genau sagen, worum es in dem Streit ging, kann er oder will er nicht.
00:16:27
Er habe aber, als sie wieder am Campingplatz waren, draußen mit einem anderen Campingbewohner,
00:16:32
Ditteridoo, gespielt, während Sebastian im Van seine Freunde als Schlampe und blöde Kuh beschimpfte, sagt er.
00:16:40
Und dann widerlegt er die Geschichte, die Sebastian den Ermittlern erzählt hat.
00:16:43
Sebastian hatte ja behauptet, sie hätten an dem Abend kein Alkohol getrunken.
00:16:48
Und Jan erzählt, dass, nachdem Simone abgehauen war, hätten nur Babette und er nach ihr gesucht.
00:16:54
Erst rund um den Campingplatz und dann sogar noch in der Innenstadt von Lismore.
00:17:00
Sebastian hätte sich nichts daraus gemacht und gemeint, dass sie schon wieder zurückkommen würde.
00:17:04
Als Simone am nächsten Morgen noch nicht zurück war, habe Sebastian sich Sorgen gemacht
00:17:10
und wollte dann zur Polizei gehen.
00:17:11
Vorher aber hatte er die beiden dazu gedrängt, ihre Aussagen aufeinander abzustimmen.
00:17:16
Babette und Jan sollten nicht sagen, dass sie am Vorabend getrunken haben.
00:17:20
Und sie sollen erzählen, dass sich der Streit lediglich um Babette und Sebastian drehte.
00:17:25
Damit die Polizei sie nicht verdächtigt, wollte er den Familienstreit vorschieben.
00:17:29
Jan sagt auch, dass Sebastian etwas mit Simonus Tod zu tun haben könnte.
00:17:34
Er will sich aber nicht in diese Richtung hin äußern.
00:17:37
Er glaubt zwar nicht, dass Sebastian sowas tun würde, räumt aber auch ein, dass sein Freund an diesem Tag wie ausgewechselt war.
00:17:44
Generell hält er sich bei seinen Aussagen eher vage.
00:17:48
Die zwei australischen Detektive, die für den Fall eingesetzt wurden, erklären, dass sie annehmen,
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dass Sebastian, Babette und vielleicht auch Jan etwas mit Simonus Tod zu tun haben könnten.
00:17:58
Ein Fallanalyst und Ermittler aus Deutschland, die mit dem australischen Team zusammenarbeiten, sind der gleichen Ansicht.
00:18:05
Sie vermuten, dass Simone zurückgekommen sein könnte, als Babette und Jan schon auf der Suche waren und Sebastian sie dann umgebracht hat.
00:18:12
Er hatte genug Zeit gehabt, die Leiche allein zu verstecken.
00:18:15
Sie lassen aber auch offen, dass Babette ihm vielleicht bei der Beseitigung geholfen hätte.
00:18:20
Es gibt Indizien, die für eine Täterschaft sprechen, aber keine Beweise.
00:18:24
Und selbst die Indizien, die sie haben, reichen nicht für eine Anklage.
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Weder in Deutschland noch in Australien.
00:18:31
Nach der Vernehmung wird die Stimmung zwischen Simonus und Sebastians Eltern immer schwieriger.
00:18:36
Sebastian und Babette wenden sich nun vollkommen von den Strohwilts ab.
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Einmal begegnet Simonus Bruder Babette zufällig.
00:18:43
Babette reagiert mit Flucht in ihr Auto.
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Ein anderes Mal, als Simonus Vater mit ihr reden will, sagt sie unter Tränen, ich sag nichts.
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Und wenn ihr mich foltert, sag ich auch nichts.
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Die Strohwilts fragen jetzt mit Nachdruck.
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Sie haben lange genug Verständnis gezeigt, meinen sie.
00:18:59
Wann hat denn jemand mal für ihre Trauer und für ihren Verlust Verständnis?
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Haben sie nicht ein Recht darauf zu erfahren, was mit ihrer Tochter passiert ist?
00:19:06
In einer E-Mail schreibt Gabi Strohwil Sebastian, dass sie gerne Simonus Gitarre zurück hätte.
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Und sie schreibt dort nochmal alle Fragen nieder.
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Egal, was gesagt oder gefragt wird, Sebastian fühlt sich dabei immer angegriffen.
00:19:20
Er nennt Simone jetzt auch nicht mehr beim Namen oder Simi wie früher,
00:19:24
sondern schreibt deine Tochter, wenn er Gabi antwortet.
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Den Albrechts passt es gar nicht, dass die Strohwilts jetzt immer häufiger mit den Ermittlern reden.
00:19:33
Immerhin hat ihr Sohn doch nichts damit zu tun, meinen sie.
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So endet die Freundschaft zwischen den beiden Familien und leider auch weitestgehend die Ermittlung zu dem Fall.
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Eine australische Autorin hat den Fall und auch die Anhörung damals verfolgt,
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weil ihr Simonus Verschwinden einfach keine Ruhe gelassen hat und deswegen hat sie beschlossen, ein Buch darüber zu schreiben.
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Sie nimmt sogar Kontakt zu Sebastian auf und schafft es, ihn zum Reden zu bringen.
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Mittlerweile wohnt er in Australien und ist mit einer wohlhabenden Einheimischen verheiratet.
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Sebastian erhofft sich von der Arbeit der Autorin, dass er seinen Namen reinwaschen kann.
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Und angeblich hat ihn auch seine neue Frau ein bisschen dahin gedrängt.
00:20:11
Er erzählt der Autorin, dass der Streit nichts Bedeutendes gewesen sei.
00:20:15
Dass er Babette und Jan ermutigt habe, nichts über den Streit zu erzählen,
00:20:18
damit die Polizisten auch wirklich ermitteln und nicht davon ausgehen,
00:20:21
dass Simone einfach aus Trotz weggelaufen ist.
00:20:24
Bis heute beteuert Sebastian seine Unschuld.
00:20:27
In ihrem Buch schreibt die Autorin, dass nach allen Informationen, die sie bekommen hat,
00:20:32
sie zu demselben Schluss kommen muss wie die Ermittler.
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Weitestgehend weisen alle Indizien auf Sebastian.
00:20:38
Sebastian verklagt die Autorin daraufhin.
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Bis heute gelten Sebastian, Babette und Jan als Verdächtige in dem Fall.
00:20:45
war offenbar mindestens einer von ihnen etwas verschweigt.
00:20:48
Man hofft, dass es irgendwann möglich ist, das Haar nicht bei der Analyse zu zerstören
00:20:54
und dass man das dann mehrfach verwerten kann.
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Die Strohwilz haben mittlerweile die Fotos mit Sebastian entfernt
00:21:00
und nur noch welche, auf denen Simone allein zu sehen ist.
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Der Gedanke schmerzt zu sehr, dass jemand, der Simone ja eigentlich mal geliebt hat,
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schweigt und ihn nicht den Schmerz erleichtert, indem er einfach redet.
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Und die waren ja schon lange zusammen, oder?
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Wie lang? Fünf Jahre hast du gesagt, ne?
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Sechs Jahre, glaube ich.
00:21:18
Sechs Jahre, ja.
00:21:20
Was ich so merkwürdig finde, ist, dass dieser Typ, der noch dabei war,
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also nicht die Schwester, sondern der Freund, dass der nicht direkt alles gesagt hat.
00:21:32
Weil ich meine, der hat ja keine direkte Verpflichtung dem Sebastian gegenüber, wie die Schwester.
00:21:37
Weil bei der Schwester kann ich mir das ja noch besser, kann ich das besser nachvollziehen.
00:21:42
Aber das finde ich ein bisschen merkwürdig.
00:21:44
Und deswegen würde ich vielleicht denken, dass der sogar auch mit da unter der Decke steckt, sozusagen.
00:21:50
Aber was meinst du, was er nicht gesagt hat?
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Weil wenn es so ist, wie die Ermittler denken, dann hat Sebastian es ja gemacht, als Jan und Babette gerade nach ihr auf der Suche waren.
00:22:00
Und vielleicht hat es Sebastian danach Babette erzählt und sie hat ihm noch geholfen.
00:22:04
Aber nach deren Version oder nach einer Version von denen hat Jan ja gar nichts damit zu tun.
00:22:10
Ich dachte, ich meine jetzt auch das mit dem Alkohol und so.
00:22:13
Sebastian kam doch zu dem und meinte, hier, wir sagen das und das.
00:22:18
Das finde ich ja schon so komisch, ja.
00:22:20
Ja, wobei ich das schon irgendwie verstehen kann, dass sie sagen, wir sagen jetzt nicht, dass wir uns gestritten haben,
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weil sie das sonst abtun, als sie sind halt weggelaufen.
00:22:30
Ich finde, dass man nicht so denkt, wenn man so verzweifelt ist, man denkt, wo ist meine Freundin, es ist was Schreckliches passiert.
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Ich glaube nicht, dass ich in diesem Moment so rational denken würde, aber ich bin ja auch ich, aber ich würde dann eher denken.
00:22:51
Ich würde dann eher emotional sein und gar nicht darüber nachdenken, was wäre, wenn die, wenn ich das jetzt sagen würde,
00:22:58
oh, dann denken sie vielleicht, ich bin schuld.
00:23:00
Auf diese Idee würde ich gar nicht kommen, weil ich will, weißt du, was ich meine?
00:23:04
Ich weiß, was du meinst, aber ich glaube, dass das sehr wohl eine Überlegung ist.
00:23:08
Wenn du zur Polizei gehst, dann würde ich auch nicht sagen, dass ein Streit vorangegangen wäre.
00:23:14
Also ich glaube schon, dass man so denken kann dann in der Zeit.
00:23:17
Wenn wir jetzt mal annehmen, sie haben nichts damit zu tun, dann glaube ich schon, dass, wenn sie sich trotzdem solche Sorgen gemacht haben,
00:23:24
ich meine, du weißt selber, Leute verschwinden und die Polizei macht erstmal nichts, weil sie immer denken, die kommen nochmal wieder.
00:23:30
Und da würde ich doch nicht noch extra sagen, ja, wir haben uns gestritten.
00:23:33
Dann denken die doch erst recht, sie ist weglaufen.
00:23:35
Nicht unbedingt das mit dem Gestritten, aber dieses vorher miteinander absprechen.
00:23:38
Schon dieser Gedanke, der ist für mich schon so eine negative, kriminelle Energie.
00:23:44
Aber noch eine Frage, also es war ja so, die ist weggegangen, die Simone, und dann nach einer Viertelstunde haben die angefangen zu suchen.
00:23:52
Aber die waren ja erst am nächsten Tag bei der Polizei, ne?
00:23:56
Die haben die ganze Nacht gewartet, bis sie zur Polizei gegangen sind.
00:24:00
Das, klar, wir wissen, dass die Polizei immer erstmal abwartet, ne?
00:24:06
Also vielleicht, wenn sie direkt hingefahren wären, hätten die vielleicht auch gesagt.
00:24:09
Aber ich wäre trotzdem direkt hingefahren.
00:24:13
Einfach, um nicht untätig zu sein, was, also, weiß ich nicht, keine Ahnung.
00:24:18
Irgendwie verdächtig, aber vielleicht auch jetzt nur durch deine Erzählung und auch das, was die Polizei vermutet,
00:24:24
dass ich jetzt so voll in diese Richtung geleitet werde, aber ja.
00:24:27
Also wenn wir uns jetzt streiten würden und wir haben beide was geraucht, was wir nicht tun,
00:24:31
würde ich wahrscheinlich auch nicht sofort nach dir suchen gehen.
00:24:34
Dann würde ich sagen, die Alte amüsiert sich irgendwo ohne mich.
00:24:42
Aber dann ist der Punkt auch gut mit dem, ja, die sind einfach von dem Campingplatz weg,
00:24:46
ohne dass sie da eine Nachricht hinterlassen haben.
00:24:49
Aber natürlich, man weiß nie, man weiß ja nie, wie man selber in dieser Situation reagiert.
00:24:54
Aber wenn man dann schon in der Situation ist, dass man sagt, man geht zur Polizei,
00:24:59
weil man sich Sorgen macht am nächsten Tag, wenn man ausgenüchtert ist und so,
00:25:02
dann finde ich das tatsächlich sehr komisch, dass keiner da geblieben ist.
00:25:06
Sie hätten ja auch gar nicht zu dritt hingehen müssen.
00:25:10
Also dann finde ich es schon komisch, wenn sie keine Nachricht hinterlassen, wobei sie den Campingwagen auch um die Ecke geparkt haben.
00:25:17
Also sie wollten einfach nur nicht mehr auf dem Campingplatz direkt bleiben, ja.
00:25:21
Das Geld bezahlen.
00:25:25
Und es gab dann auch im Nachhinein so ein paar merkwürdige Sachen.
00:25:29
Und zwar hatte sich angeblich Sebastian Albrecht, das ist übrigens nicht sein richtiger Name,
00:25:34
darüber aufgeregt, dass die Transportkosten so teuer sind.
00:25:38
Und deswegen hatten sie dann da zusammengeschmissen, weil er sich auch darüber beschwert hat.
00:25:45
Ja, das sind so ein paar Fragezeichen, wie immer in Cold Cases.
00:25:49
Diese ganze Szenerie da mit dem Campingplatz und nachts und in einem anderen Land und so,
00:25:55
das ist ja der absolute Albtraum.
00:25:57
Oh, ich fand's so gruselig.
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Ja, und es regnet und sie geht barfuß und kommt einfach nicht zurück.
00:26:05
Es ist so gruselig.
00:26:07
Alle Medien, die ich dazu gelesen habe, die schreiben immer unter der Überschrift Schweigen.
00:26:11
So hatte auch der Sterncrime seine Titelgeschichte in der Ausgabe 5 genannt.
00:26:16
Und darüber geht jetzt auch mein AHA.
00:26:18
Und zwar über das Aussageverweigerungsrecht.
00:26:21
Wenn ein Beschuldigter von der Polizei vernommen wird, dann muss er ja darüber informiert werden,
00:26:25
dass er als Verdächtiger gilt und was ihm vorgeworfen wird.
00:26:28
Das hatte uns schon Kriminalhauptkommissar Dieter Bindig in Folge 15 erzählt,
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als wir über falsche Geständnisse gesprochen haben.
00:26:34
Außerdem muss er darüber belehrt werden, dass es ihm nach dem Gesetz frei steht,
00:26:39
sich zu der Beschuldigung zu äußern oder nicht zur Sache auszusagen.
00:26:42
Insbesondere, wenn er sich durch eine wahrheitsgemäße Aussage selbst belasten würde.
00:26:47
So steht es in der Strafprozessordnung.
00:26:49
Und dem liegt der Grundsatz
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Nemo tenetur ser ipsum accusare zugrunde.
00:26:55
Niemand ist gehalten, sich selbst anzuklagen.
00:26:58
Das ist nicht nur bei Verdächtigen, sondern auch bei Zeugen der Fall,
00:27:04
wenn sie sich selbst oder beispielsweise Familienangehörige belasten würden.
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Ich beschäftige mich jetzt aber eher mit den Verdächtigen.
00:27:11
Und da gilt dieser Grundsatz auch nicht nur bei Strafverfolgungen, wo es um schwerwiegende Delikte geht,
00:27:16
sondern auch in Situationen, die wir alle kennen, wie zum Beispiel bei dem Pusten bei einer Polizeikontrolle.
00:27:21
Und eben wegen dieses Grundsatzes muss man nicht in das Röhrchen pusten.
00:27:27
Angenommen, man hat zwei weiß man schon getrunken und pustet dann, dann würde man aktiv an seiner eigenen Strafverfolgung mitwirken.
00:27:33
Deswegen steht es einem frei, das nicht zu machen.
00:27:36
Dann könnte die Polizei einen Bluttest anordnen.
00:27:39
Dabei wirkt man selbst nicht aktiv mit, weil man das quasi über sich ergehen lässt.
00:27:45
Also die entnehmen das Blut, da bist du nicht aktiv Teil von sozusagen.
00:27:51
Jetzt könnte man ja sagen, okay, aber wenn man Pusten verweigert,
00:27:55
dann erweckt man ja erst recht den Verdacht, dass man was getrunken hat.
00:27:58
Aber wenn man eh weiß, dass man was getrunken hat, dann kann man es ja immerhin so versuchen.
00:28:03
Ja, weil doch auch das alles ein bisschen länger dann dauert.
00:28:07
Also bis sie dann quasi auf der Polizeiwache sind und dann den Bluttest entnehmen,
00:28:11
dann kann ja, hofft man vielleicht, dass es noch ein bisschen abbaut.
00:28:14
Ja, oder dass sie halt keinen Bock haben, das alles zu machen.
00:28:18
Obwohl jeder weiß, wie es gemeint ist.
00:28:21
Das ist nur ein Beispiel und ihr trinkt gefälligst nicht, wenn ihr noch Auto fahren wollt.
00:28:25
Ich habe für die Recherche meines Ahas mit jemandem gesprochen,
00:28:28
der Richter oder Staatsanwalt ist oder war.
00:28:32
Ich lasse das hier mal alles offen und ich nenne auch seinen Namen nicht,
00:28:35
weil er das garantiert nie öffentlich sagen würde.
00:28:39
Aber er sagte mir, dass nach seiner langjährigen Berufserfahrung ein schweigender Verdächtiger
00:28:44
eigentlich immer schuldig ist.
00:28:45
Was eine Aussage ist, wo ich ganz schön schlucken musste.
00:28:49
Weil ich meine, könnte man ja jetzt auch sagen, okay, dann ist der vielleicht auch ein bisschen voreingenommen.
00:28:55
Auf der anderen Seite ist es ja auch verdächtig, wenn jemand schweigt.
00:29:00
Also sogar für uns, die jetzt nicht Anwälte sind, dass man dann denkt, ja, wieso schweigt der?
00:29:05
Der hat doch nichts zu verbergen, wenn er es nicht war.
00:29:08
Ja, und er meinte eben, wenn ihnen jetzt vorgeworfen wird, die Frau Wohlers, Zitat, erdolcht zu haben,
00:29:16
dann wollen sie doch unbedingt aussagen.
00:29:19
Und einen Anwalt, der ihnen dann rät zu schweigen, den würde ich sofort raustreten.
00:29:24
Und dann meinte ich aber, naja, aber wenn ich mich jetzt falsch äußere oder Sachen sage,
00:29:31
sie mich dann eventuell doch verdächtig machen lassen, also warum?
00:29:33
Sie haben doch dann nichts zu verbergen.
00:29:36
Und es gibt diese Justizirrtümer nicht so oft, wie man denkt.
00:29:42
Naja, aber darauf will ich ja nicht vertrauen.
00:29:44
Ich hätte einfach zu große Angst, dass mir jemand meine Worte im Mund rumdreht,
00:29:48
ich mich nicht richtig erinnere oder, ja, eben zu einer bestimmten Aussage gedrängt werde.
00:29:54
Ja, und wir haben auch mal mit einem Anwalt gesprochen, der hat gesagt,
00:29:57
er würde seine Mandanten am liebsten nie sprechen lassen.
00:30:01
Weil die sich erstens verfasern, dann sprichst du Sachen mit denen ab
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und dann erzählen sie trotzdem was ganz anderes, obwohl man vorher gesagt hat,
00:30:10
es wäre eventuell gut, man würde das nicht sagen und das dann aber schon zwinker, zwinker.
00:30:17
Und dann sitzen die nachher vor Gericht und sagen genau das, was man nicht von ihnen wollte.
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Ich habe dann nochmal Herr Anwalt gefragt, wie eigentlich immer, wenn ich nicht mehr weiter weiß.
00:30:28
Und er hat gesagt, dass es viele Gründe gibt, warum ein Beschuldigter schweigen sollte.
00:30:31
Mangelnde Intelligenz oder mangelnde Einschätzungsfähigkeit von der Situation,
00:30:36
in der ich mich gerade befinde, können halt dazu führen,
00:30:39
dass man seinem Mandanten rät zu schweigen.
00:30:42
Allein schon, weil sich viele Menschen der Bedeutung ihrer Äußerungen und Erklärungen gar nicht bewusst sind.
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Und er sagte, dass ein Strafverteidiger auch als Filter dient, der dann ganz genau weiß, wie er was zu formulieren hat.
00:30:54
Übrigens geht damit auch einher, dass ein Beschuldigter nicht die Wahrheit sagen muss und sogar lügen darf.
00:30:59
Er darf nur keine anderen zu Unrecht beschuldigen.
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Das mag jetzt erstmal unverklingen, aber wie viel wird wohl einem Beschuldigten geglaubt,
00:31:07
wenn er sowieso mit keiner Strafverfolgung rechnen muss, wenn er lügen würde?
00:31:11
Ich weiß, das Gericht soll da ja in der Regel nicht voreingenommen sein.
00:31:15
Und wenn der Beschuldigte lügt und das nachgewiesen wird,
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dann muss man vielleicht nicht mit einer Strafverfolgung rechnen.
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Sehr wohl aber damit, dass die Glaubwürdigkeit dann viel mehr bei der Gegenseite liegt.
00:31:26
Und deswegen sagen Verdächtige oder Beschuldigte oder Zeugen,
00:31:30
die im Zusammenhang mit der Tat selbstverdächtig sind, auch nie unter Eid aus,
00:31:34
weil sonst der Grundsatz ins Leere laufen würde.
00:31:41
Meine Geschichte, diese Folge zeigt, was ein nicht gelöster Fall
00:31:43
im Leben der Angehörigen des Opfers anrichten kann.
00:31:46
Es ist der 12. Mai 2010 im baden-württembergischen Heidenheim.
00:31:51
An diesem Mittwochmorgen verabschiedet sich der 55-jährige Thomas Böger von seiner Frau Maria.
00:31:57
Thomas ist Vorstandsvorsitzender der Kreissparkasse in Heidenheim
00:32:01
und muss an diesem Morgen zu einer Sitzung mit dem Bürgermeister.
00:32:04
Die 54-jährige Maria ist Sonderschullehrerin, hat heute aber frei und freut sich auf ihren Sohn
00:32:11
Christoph ist 24, studiert ganz in der Nähe und kommt oft zum Mittagessen bei seiner Mutter vorbei.
00:32:17
Um halb elf ruft er an diesem Mittwoch bei ihr an, um Bescheid zu geben, dass er auf dem Weg ist.
00:32:22
Um 20 nach elf kommt Christoph dann in Heidenheim an.
00:32:25
Doch seine Mutter ist nicht zu Hause.
00:32:28
Auch ihr Auto ist nicht da.
00:32:29
Wahrscheinlich ist sie noch beim Einkaufen, denkt er.
00:32:31
Ein paar Minuten später klingelt das Handy seines Vaters Thomas.
00:32:35
Der sitzt gerade mit dem Bürgermeister zusammen, als er sieht, dass seine Frau Maria anruft.
00:32:40
Er entschuldigt sich kurz und geht vor die Tür.
00:32:43
Am anderen Ende der Leitung ist aber nicht seine Frau, sondern ein Mann, der sich mit dem
00:32:47
Namen Schmidt vorstellt und mit schwäbischem Dialekt spricht.
00:32:50
Er sagt, ich habe ihre Frau entführt.
00:32:53
Wie bitte, fragt Thomas ungläubig.
00:32:55
Kurze Stille, dann ist Maria zu hören.
00:32:58
Mach, was er sagt, der hat ein Messer, schreit sie.
00:33:01
Dann ist wieder der Mann am Telefon, der Thomas jetzt genaue Anweisungen gibt.
00:33:05
Thomas soll 300.000 Euro besorgen und zwar gestückelt.
00:33:09
Die Stückelung ist so speziell, dass Thomas sofort realisiert, dass es nicht einfach wird,
00:33:13
das Geld zu beschaffen.
00:33:14
Auch nicht für ihn, den Sparkassenchef.
00:33:17
Das Lösegeld soll er dann an der A7 an einer Unterführung ablegen.
00:33:21
Die Stelle sei mit einer Deutschlandflagge gekennzeichnet.
00:33:24
Bis 13 Uhr habe er Zeit.
00:33:26
Das schaffe ich auf keinen Fall, ruft Thomas.
00:33:29
Ich bin noch nicht einmal im Büro.
00:33:30
Dann 14 Uhr, aber keine Sekunde länger und keine Polizei, sonst sehen sie ihre Frau nie wieder.
00:33:36
Dann ist Stille am anderen Ende.
00:33:39
Thomas ist total geschockt, funktioniert jetzt aber wie ein Roboter.
00:33:43
Er geht zurück in den Sitzungsraum, erzählt von der Entführung seiner Frau und macht sich
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dann sofort auf den Weg zur Bank.
00:33:50
Von unterwegs meldet er sich bei der Polizei.
00:33:52
Sie vereinbaren, dass Thomas das Geld besorgen soll.
00:33:55
Doch er hat Angst, dass er die Summe nicht rechtzeitig beschaffen kann.
00:33:58
Aber keine Zeit für Zweifel.
00:34:00
Gegen halb eins ruft er seinen Sohn an.
00:34:03
Christoph, was ganz Schlimmes ist passiert, das darfst du niemandem sagen.
00:34:07
Die Mama ist entführt worden.
00:34:09
Ich muss jetzt das Lösegeld besorgen.
00:34:12
Außerdem erzählt er seinem Sohn, dass der Entführer gesagt hat, dass er sich melden würde, sobald das Geld abgelegt ist.
00:34:17
Dann ruft Christoph seine Schwester Carina an.
00:34:20
Die 27-Jährige kommt sofort und so versammeln sich die Kinder zusammen mit einigen Beamten und einem Betreuer im Haus der Bögers,
00:34:27
um auf den Anruf des Entführers zu warten und sofort zu reagieren, wenn Maria Böger freigelassen wird.
00:34:33
Um Viertel nach eins ruft Thomas nochmal bei der Polizei an und sagt, dass er es nicht schaffen wird, das Geld rechtzeitig abzuliefern.
00:34:41
Die Beamten beruhigen ihn und sagen, dass es dem Täter nur um das Geld ginge.
00:34:44
Ob er es ein paar Minuten früher oder später bekommt, sei nicht so wichtig.
00:34:48
Während Thomas alles dafür tut, die Summe so schnell wie möglich zu beschaffen, beginnt für die Kinder die Qual des Wartens.
00:34:54
Um halb fünf hört Christoph dann Schritte vor der Tür.
00:34:58
Oh Gott, das sind bestimmt Mama und Papa, denkt er.
00:35:02
Doch anstatt von seiner Mutter wird sein Vater von einem SEK-Mann begleitet.
00:35:06
Thomas ist völlig fertig.
00:35:08
Er erklärt, dass er es nicht geschafft hat, das Geld rechtzeitig abzulegen.
00:35:11
Er ist zu spät am Übergabeort angekommen.
00:35:14
Die Beamten versuchen ihn weiter zu beruhigen.
00:35:17
Der Entführer holt das Geld bestimmt trotzdem ab.
00:35:19
Und so geht die Warterei weiter.
00:35:21
Irgendwann am Abend beginnt die Spurensicherung, dann das Haus der Bögers zu untersuchen.
00:35:26
Dabei entdecken sie Kampfspuren.
00:35:28
Die Garage, in der das Auto von Maria stand, wird nicht untersucht.
00:35:33
Das wird erst vier Monate nach der Tat auf Drängen der Familie hingeschehen.
00:35:36
Es wird immer später an diesem Mittwoch im Mai.
00:35:39
Kein Anruf vom Täter, kein Lebenszeichen von Maria.
00:35:43
Irgendwann verabschieden sich die Polizisten und Polizistinnen.
00:35:46
Die verabschieden sich einfach?
00:35:49
Die Nacht wird für die Familie fast unerträglich.
00:35:52
Immer wieder rufen Christoph und Thomas auf dem Handy von Maria an.
00:35:57
Doch immer geht nur die blöde Mailbox ran.
00:35:59
Am nächsten Morgen um halb sieben klingelt der Betreuer der Familie an der Tür.
00:36:03
Er erzählt der Familie voller Hoffnung, dass das Geld abgeholt wurde.
00:36:08
Doch schon eine halbe Stunde später hat der gleiche Beamte eine schlechte Nachricht für die Bögers.
00:36:13
Die Autobahnmeisterei hat den Geldsack für Müll gehalten und versehentlich mitgenommen.
00:36:18
Hat denn da niemand gewartet?
00:36:22
Also, da sind einige Fehler am Anfang passiert.
00:36:27
Und die Familie traut ihren Ohren nicht.
00:36:30
Um 15 Uhr an diesem Donnerstag beginnt die Polizei dann mit der groß angelegten Suche nach Maria Bögerl.
00:36:35
Die Soko-Flagge wird gegründet und 80 Beamte und Beamtinnen arbeiten an dem Fall.
00:36:40
Eine Hundertschaft sucht die Wälder rund um Heidenheim ab.
00:36:43
Ein Gebiet von 200 Quadratkilometern wird erschlossen.
00:36:46
Mit Spürhunden und Helikoptern mit Wärmebildkameras.
00:36:49
Auch die Nachbarn und natürlich allen voran Familie Bögerl sind an der Suche beteiligt.
00:36:55
Einen Tag nach der Tat findet die Polizei dann das Handy von Maria.
00:36:58
In einem Wald ca. 12 Kilometer vom Wohnhaus entfernt.
00:37:02
Am Abend entdecken Passanten das Auto von ihr in einem Hof eines Klosters ganz in der Nähe.
00:37:07
In Marias Auto werden Blutspuren der 54-Jährigen gefunden und eine fremde DNA.
00:37:13
Die Polizei scheint nah dran am Entführer.
00:37:16
Sie vermuten einen verprellten Bankkunden oder einen Mann aus dem Umfeld der Bögerls,
00:37:19
der weiß, über wie viel Geld Thomas in kurzer Zeit verfügen kann.
00:37:22
Ein Mann aus der Nähe von Heidenheim, der sich in den Wäldern hier gut auskennt.
00:37:27
Vier Tage nach dem Verschwinden von Frau Bögerl wird ein Mann festgenommen.
00:37:31
Doch kurz darauf wieder auf freien Fuß gelassen.
00:37:33
Am selben Tag setzt die Familie eine Belohnung von 50.000 Euro für Hinweise zur Aufklärung des Falls aus.
00:37:40
Zwei Tage später erhöhen sie die Summe auf 100.000 Euro.
00:37:44
Die drei Familienmitglieder wollen helfen, irgendetwas tun.
00:37:48
Alles ist besser als untätig rumzusitzen.
00:37:50
Und so gehen sie in den Tagen nach der Tat so vielen Hinweisen nach wie möglich.
00:37:54
Klingeln Häuser ab, fragen Leute auf der Straße.
00:37:57
Zu Hause stellen sie ein Flipchart auf und verfolgen mögliche Spuren auf Google Maps.
00:38:01
Das lenkt sie ab vom ständigen Beten und Warten, das an ihren Nerven zerrt.
00:38:06
Denn eigentlich warten alle nur darauf, dass das Telefon endlich klingelt.
00:38:10
Doch wenn es klingelt, ist es oft nur irgendein Wahrsager oder Wichtigtuer,
00:38:14
der die verzweifelte Lage der Familie ausnutzen will.
00:38:17
Die Öffentlichkeit weiß von der Situation der Familie,
00:38:20
weil der Fall bereits am Tag der Entführung deutschlandweit bekannt wird.
00:38:23
Das Haus der Bögerls wird von Reportern belagert.
00:38:26
Die Geschichte von der Entführung der Bankiersgattin, die aus ihrer Villa entführt wurde,
00:38:31
schafft es in die nationalen Nachrichten.
00:38:33
Dass Maria Bögerl nicht nur eine Bankiersgattin ist, sondern auch Lehrerin
00:38:37
und dass die Familie in einem normalen Einfamilienhaus wohnt,
00:38:40
fällt bei der Berichterstattung unter den Tisch.
00:38:42
Als es eine Woche nach der Tat immer noch kein Lebenszeichen von Maria gibt,
00:38:45
wird die Lage kritisch.
00:38:47
Ein Polizeisprecher sagt gegenüber der Presse,
00:38:49
dass Maria, wenn sie noch lebt, in großer Lebensgefahr schweben könnte.
00:38:52
Wenn der Entführer sie aus Angst irgendwo zurückgelassen hat,
00:38:56
braucht sie wahrscheinlich dringend Wasser und Nahrung.
00:38:58
Ein Albtraum für die Familie.
00:39:00
Sie wollen mehr tun und so wenden sie sich am 19. Mai,
00:39:03
also neun Tage nach dem Verschwinden, mit einem Video an die Entführer.
00:39:07
Bei Aktenzeichen XY ungelöst wird das Video ausgestrahlt
00:39:11
und Millionen Zuschauer vor den Fernsehern verschlägt es die Sprache.
00:39:15
Der Clip ist kaum mit anzusehen.
00:39:17
Dort sitzen die drei.
00:39:18
Links Christoph, in der Mitte Thomas und rechts Tochter Carina.
00:39:22
Man sieht ihnen ihre Verzweiflung und ihr Leid an.
00:39:25
Christoph fängt an zu sprechen.
00:39:28
Wir, die Familie Bögerl, wenden uns hiermit offen an die Entführer unserer Mutter Maria Bögerl.
00:39:34
Wir flehen sie an, die für uns alle so qualvolle Situation positiv zu beenden.
00:39:39
Bitte lassen sie uns wissen, wo sich unsere Mama befindet.
00:39:42
Dann ist Carina dran.
00:39:44
Bitte geben sie uns auf irgendeinem Weg ein Zeichen.
00:39:47
Sie können auf vielen Wegen anonyme Hinweise geben.
00:39:50
Rufen sie beim vertraulichen Telefon an.
00:39:52
Es ist absolut vertraulich.
00:39:54
Das wird nicht überwacht.
00:39:56
Bitte, sie können sich darauf verlassen.
00:39:58
Oder melden sie sich bei einem Priester.
00:40:00
Der ist der Schweigepflicht verpflichtet.
00:40:02
Aber bitte, schreiben sie eine E-Mail, werfen sie einen Brief in einen Briefkasten.
00:40:07
Geben sie uns ein Zeichen, wo unsere Mutter ist.
00:40:09
Wir flehen sie an.
00:40:10
Bitte, bitte tun sie es.
00:40:13
Als letztes spricht Thomas.
00:40:15
Bitte helfen sie uns, unseren Kindern und mir als Mann.
00:40:18
Ich appelliere an ihre Menschlichkeit und unsere tiefe Verzweiflung.
00:40:22
Bitte helfen sie.
00:40:24
Lassen sie sie frei.
00:40:25
Bitte, bitte, bitte.
00:40:28
Ja, ich wollte auf jeden Fall hier erzählen, was genau in dem Video gesagt wird.
00:40:33
Aber das aufzuschreiben, das war, das war wirklich, das war schrecklich.
00:40:38
Also irgendwann konnte man, ich kann dann da gar nicht mehr, ich konnte gar nicht mehr hinschauen.
00:40:44
Die Familie, die tut einem so leid und man muss einfach nur mitheulen.
00:40:49
Nach dem TV-Auftritt gehen 71 Hinweise ein.
00:40:53
Zusätzlich zu den bereits fast 2000 Hinweisen, die die Polizei bereits erhalten hat.
00:40:58
Während die Ermittler den Spuren nachgehen, diskutiert Deutschland über das Video.
00:41:03
In Internetforen wird die Glaubwürdigkeit der Familienmitglieder diskutiert.
00:41:08
Und eigentlich, wir haben ja schon mal über solche Foren geredet, für so Hobbydetektive, ne, wo man über die Fälle diskutiert.
00:41:15
Finde ich ja eigentlich ganz cool.
00:41:17
Aber die Einträge zu diesem Fall, also die sind wirklich unter der Gürtellinie.
00:41:23
Also da wird über die Familie und das Video geurteilt, sich über die lustig gemacht.
00:41:30
Die Leute schreiben, dass Thomas ganz bestimmt was mit der Entführung zu tun hat.
00:41:34
Das würde man ja ansehen und der ist doch nicht mal verdächtig von der Polizei.
00:41:40
Ne, zu dem Zeitpunkt ist er nicht verdächtig.
00:41:43
All die Leute sind wirklich so unmöglich und sie verstehen einfach nicht, das sind Menschen, die gerade in der schlimmsten Situation ihres Lebens sind.
00:41:53
Niemand hat das Recht, die irgendwie zu verurteilen und schon gar nicht, wenn sie nicht mal verdächtig sind und einfach nur darum bangen, dass die Mutter und die Frau wieder heil nach Hause kommen.
00:42:03
Ja, die Carina hat danach auch in einem Interview gesagt, dass sie in der Zeit eigentlich nichts anderes gemacht haben, als morgens ihren Namen gegoogelt haben und die nächste Katastrophe auf sie zukommen haben sehen.
00:42:17
Und ich weiß auch noch, dass ich das Video damals gesehen habe, aber so richtig konnte ich mich nicht daran erinnern.
00:42:23
Und bei meiner Recherche jetzt zu dem Fall habe ich mich dann am Anfang echt da drum rum gedrückt.
00:42:28
Ja, also ich wollte das eigentlich erstmal nicht anschauen und habe erstmal Artikel gelesen und eben auch diese Einträge in den Foren.
00:42:35
Und dabei habe ich mich dann wirklich selbst dabei ertappt, Thomas zu verdächtigen.
00:42:40
Und nach dem Anschauen des Videos habe ich mich dafür dann verurteilt.
00:42:44
Aber was genau hat dich denn dazu gebracht, ihn zu verdächtigen? Also welche Anhaltspunkte hätten dafür gesprochen?
00:42:51
Also einige Zeitungen haben Falschmeldungen gebracht, das wusste man natürlich erst später.
00:42:56
Aber die haben dann zum Beispiel geschrieben, dass die Ehe der beiden kurz vor dem Aus stünde und Thomas eine Geliebte hätte, mit der er gerade Zwillinge bekommen hat.
00:43:05
Und ja, und noch andere Gerüchte. Auf die gehe ich aber gleich nochmal näher ein.
00:43:09
In der Nacht vom 3. auf den 4. Juni surft Christoph im Internet auf der Suche nach Hinweisen zum Verbleib seiner Mutter.
00:43:15
So wie jede Nacht.
00:43:16
Auf bild.de liest er dann, dass ein Spaziergänger in Heidenheim eine Frauenleiche gefunden hat und die Frage, ist es Maria Bögerl?
00:43:25
Christoph ist geschockt. Wie kann es sein, dass er so etwas aus der Zeitung erfährt? Wieso sagt ihm das nicht die Polizei?
00:43:31
Er ruft sofort den Betreuer von der Soko an. Doch der geht nicht ran.
00:43:35
Carina versucht es telefonisch bei der Polizeizentrale und kommt in die Warteschleife.
00:43:40
Schließlich soll ein Beamter zurückrufen. Doch einen Rückruf gibt es nicht.
00:43:45
Stattdessen steht der Soko-Chef zusammen mit dem Betreuer ein paar Stunden später vor der Tür, um der Familie die Nachricht vom Tod von Maria zu überbringen.
00:43:52
Maria Bögerl wurde mit Handschellen gefesselt und mit zahlreichen Messerstichen ermordet.
00:43:59
Gefunden wurde die Leiche nur wenige Kilometer vom Familienhaus. Dort, wo die Polizei eigentlich gesucht hatte.
00:44:05
Wie konnte die Polizei Maria übersehen? Eine Leiche, die nicht mal richtig versteckt war.
00:44:11
Ach, das war klar, dass die da schon eine Weile lag oder was?
00:44:14
Ja, genau. Das war klar, weil bei der Obduktion können die Gerichtsmediziner die Todesurzeit dann auch nicht mehr genau feststellen,
00:44:21
weil die Leiche eben durch die Witterung und die lange Liegezeit bereits in so schlechter Verfassung ist.
00:44:27
Auch welche Art von Messer der Täter benutzt hat, ist nicht mehr zu sagen.
00:44:31
Jetzt vermutet die Polizei, dass Maria Bögerl entweder versuchte zu fliehen und der Entführer deshalb die Kontrolle verlor,
00:44:37
oder dass Maria den Entführer erkannte und deshalb sterben musste.
00:44:41
Eine andere Theorie ist, dass es dem Täter gar nicht ums Geld ging und die Entführung nur die Tarnung für einen geplanten Mord war.
00:44:47
Dafür würde die niedrige Summe des Lösegelds sprechen und dass der Täter sich nur einmal gemeldet hatte.
00:44:53
Doch keine Theorie hat wirklich Bestand.
00:44:57
Langsam verliert Familie Bögerl ihr Vertrauen in die Polizei.
00:45:00
Erst der Geldsack, der als Müll abtransportiert wurde, dann die Spurensuche, die die Garage vergessen hat und jetzt noch die übersehene Leiche.
00:45:08
Ein fataler Fehler, der für die Familie ein 22-tägiges Martyrium der Hoffnung und Angst bedeutet hatte.
00:45:15
Eine Woche nach dem Fund der Leiche darf die Familie ihre Mutter und Frau beerdigen.
00:45:19
Die Kinder halten gemeinsam eine Abschiedsrede.
00:45:22
Am Ende dieser Rede sagt Carina, Mama, ich vermisse dich.
00:45:26
Du fehlst mir so.
00:45:27
Ich vermisse dich.
00:45:29
Dann weint die ganze Kirche.
00:45:32
Rund tausend Menschen nehmen in und vor der Kirche Abschied von Maria Bögerl.
00:45:37
Ende Juni fängt die Polizei dann an, im großen Stil DNA-Tests durchzuführen und die Proben mit der im Auto gefundenen Spur zu vergleichen.
00:45:46
Im Oktober geht bei der Polizei dann ein anonymes Schreiben ein.
00:45:49
Darin steht, dass die Lösegeldbeschaffung sehr viel schneller hätte gehen können.
00:45:53
Und je länger es keinen konkreten Verdächtigen gibt, desto mehr Theorien werden gesponnen.
00:45:58
Zumindest in der Öffentlichkeit.
00:45:59
Schon sechs Wochen nach der Entführung hatte die schwäbische Post im Internet das Gerücht verbreitet, Thomas Bögerl der SNU-Haft.
00:46:06
Solche Verleumdungen werden in den Monaten nach der Tat immer häufiger.
00:46:10
Als Thomas seiner Arbeit in der Bank wieder nachgehen will, gibt es eine anonyme Anzeige bei der Bankenaufsicht.
00:46:16
Er sei nicht geeignet, eine Bank zu führen.
00:46:19
Dann wird in der Presse geschrieben, dass Thomas statt einem Barscheck einen Verrechnungscheck für das Lösegeld ausgestellt hatte,
00:46:25
was zur Verzögerung der Auszahlung geführt hätte.
00:46:28
Carina, Christoph und Thomas wollen sich wehren gegen die Lügen.
00:46:32
Aber ihre Anwälte raten ihn davon ab.
00:46:34
Carina sagt darüber später,
00:46:37
Nicht nur die Öffentlichkeit, auch die Polizei nimmt Thomas in den Blick.
00:46:46
Ab Herbst wird diese Spur intensiv verfolgt.
00:46:49
Doch ein Verdacht erhärtet sich nicht.
00:46:51
Die Verleumdungen, die Schuldgefühle, das Leid und das große Vermissen machen Thomas trotzdem immer mehr zu schaffen.
00:46:57
Besonders Feiertage sind schlimm.
00:46:59
Diese vergleicht er mit den Tagen, wie sie früher einmal waren.
00:47:02
Eigentlich würden wir jetzt Tee trinken, spazieren gehen, ein bisschen fernsehen.
00:47:08
Im Dezember spürt Thomas dann, dass man ihm den Führungsjob bei der Bank nicht mehr zutraut.
00:47:13
Im Januar 2011 wird bei ihm eine Depression diagnostiziert, die sich immer mehr verschlimmert.
00:47:19
Thomas kommt in eine Klinik, soll sich dort erholen.
00:47:22
Stattdessen kommen sechs Wochen später drei Polizeibeamte in die Klinik und erklären Thomas,
00:47:27
dass sein Sohn Christoph und Carinas Partner jetzt unter Verdacht stehen, mit dem Entführer in Kontakt zu sein.
00:47:32
Deshalb müsse das Haus der Bögerls nochmal durchsucht werden.
00:47:35
Sie stellen ihn vor die Wahl.
00:47:37
Entweder er ist um fünf Uhr in Heidenheim oder sie bohren die Tür auf.
00:47:41
Der schwer depressive Mann fährt daraufhin 200 Kilometer nach Hause.
00:47:46
Der Verdacht fiel erneut auf die Familie, nachdem die Telefonanlage der Bögerls überprüft worden war.
00:47:51
Die Ermittler gehen davon aus, dass die Familienmitglieder vor der Entführung mit dem Täter in Kontakt waren.
00:47:56
Christoph wird sieben Stunden von der Polizei verhört und zu den Telefonaten befragt.
00:48:02
Der 24-Jährige fühlt sich in die Ecke gedrängt und entwürdigt.
00:48:05
Als sie mit Behauptungen kommen, Christoph hätte Schulden, reicht es ihm.
00:48:08
Er sagt, ihr könnt doch nicht einfach solche Sachen erfinden.
00:48:12
Wenn ihr mir nicht glaubt, will ich jetzt in Untersuchungshaft.
00:48:15
Doch die Polizei schickt ihn nach Hause.
00:48:17
Monatelang wird die Familie abgehört.
00:48:20
Auch die privaten Telefonate, in denen die Kinder mit ihrem psychisch kranken Vater sprechen.
00:48:25
Erst später stellt sich heraus, dass der Verdacht
00:48:27
auf fehlerhaft gespeicherten Uhrzeitdaten in der Telefonanlage beruht.
00:48:32
Die Staatsanwaltschaft stellt daraufhin klar,
00:48:34
dass die umfangreichen Ermittlungen keine Anhaltspunkte dafür ergeben haben,
00:48:38
dass der oder die Täter aus dem Kreis der Familie stand.
00:48:41
Das ist doch nicht deren Ernst, dass sie diese Familie terrorisieren,
00:48:45
nur alleine, weil jemand irgendwie eine Zeit falsch eingetragen hat.
00:48:49
Doch, scheinbar schon.
00:48:51
Obwohl er jetzt nicht mehr verdächtigt wird, geht es Thomas immer schlechter.
00:48:56
Im Juli und damit etwas mehr als ein Jahr nach dem Tod seiner Frau folgt er ihr
00:49:00
und lässt seine zwei erwachsenen Kinder zurück.
00:49:04
Auf der Beerdigung von Thomas hält ein Familienfreund eine Rede.
00:49:09
Zusammen waren Maria und Thomas eins.
00:49:11
Ohne sie war er nur noch halb.
00:49:14
Im Tod ist das Ehepaar wieder vereint.
00:49:16
Thomas wird neben seiner Frau beerdigt.
00:49:18
Nach dem Selbstmord des Vaters geben Carina und Christoph dem Stern ein Interview,
00:49:23
in dem sie die Polizeiarbeit im Mordfall ihrer Mutter kritisieren.
00:49:26
Am Ende dieses Interviews wird Christoph gefragt, wie die Ereignisse sein Leben verändert haben.
00:49:31
Er erzählt, dass er vor der Tat ein fröhlicher Mensch war, ein sorgenfreier Student
00:49:35
und vor allen Dingen ein Mama-Kind, worauf er heute sehr stolz ist.
00:49:40
Sie war für mich diese Urvertraute, die immer da war.
00:49:43
Doch sie zu verlieren und auch noch den eigenen Vater zugrunde gehen sehen,
00:49:47
das lässt einen fast kaputt gehen.
00:49:49
Der Entführer hat nicht nur den Mord an Maria auf dem Gewissen,
00:49:53
er hat eine ganze Familie zerstört
00:49:55
und ist trotzdem immer noch auf freiem Fuß.
00:49:58
Die Polizei sucht also weiter.
00:49:59
Nachdem der Fall im September 2012 wieder Thema bei Aktenzeichen XY ist,
00:50:04
gibt es auch eine vielversprechende Spur.
00:50:06
Ein Mann namens Giuseppe L. meldet sich bei der Polizei und erzählt,
00:50:10
dass er in einer Spielothek zwei Männer belauscht hat,
00:50:12
die sich über Maria Bögerl ausgetauscht haben.
00:50:14
Er übergibt den Ermittlern sogar einen Zigarettenstummel,
00:50:17
den er aus dem Aschenbecher der zwei Männer mitgenommen hat.
00:50:20
In den nächsten Monaten trifft sich der Soko-Chef etliche Male mit Giuseppe.
00:50:24
Jedes Mal bekommt der Mann ein Infohonorar.
00:50:27
Insgesamt sammeln sich so fast 5000 Euro an.
00:50:30
Doch irgendwann droht der Informant, Beweismittel zu vernichten,
00:50:34
wenn er nicht sofort mehrere tausend Euro erhält
00:50:36
und es kommt heraus, dass Giuseppe die Ermittler von Anfang an an der Nase herumgeführt hat.
00:50:41
Giuseppe wird daraufhin zu zwei Jahren auf Bewährung verurteilt.
00:50:45
In der Zeit danach gehen die Ermittler noch einigen vielversprechenden Spuren nach,
00:50:50
die dann aber alle ins Leere führen.
00:50:52
2017 gibt es sogar einen Mann zu, Maria Bögerl getötet zu haben.
00:50:56
Doch auch hier, der DNA-Abgleich ist negativ.
00:51:00
Wieder ein Rückschlag für Christoph und Carina.
00:51:03
Wieder ein Rückschlag für die Polizei.
00:51:05
Doch man gibt die Hoffnung nicht auf, den Mörder zu finden.
00:51:08
Heute arbeitet noch ein Ermittler, der damals 80-köpfigen Soko-Flagge, an dem Fall.
00:51:13
Er geht weiterhin Spuren nach, davon gibt es nämlich mehr als 10.000.
00:51:17
Außerdem gehen bis heute immer noch neue Hinweise ein.
00:51:20
Vielleicht gibt es also auch in diesem Fall irgendwann eine Lösung.
00:51:24
Denn wir wissen, die Gerechtigkeit hat einen langen Atem.
00:51:30
Ich hoffe das auch.
00:51:32
Diese arme Familie, das ist so furchtbar.
00:51:36
Ist alles kaputt.
00:51:39
Der arme Vater, also es ist so...
00:51:44
Und vor allem, weißt du, dieses Ergebnis, das haben sich auch die Medien und auch die Menschen im Internet und auch die Polizei irgendwie zuzuschreiben.
00:51:56
Also muss man einfach leider so sagen, dass das zumindest dein Blut auch an ihren Fingern klebt.
00:52:05
Wir wollen ja auch noch in einer anderen Folge mal auf die Berichterstattung so genauer eingehen.
00:52:10
Aber was man ja hier schon auch sieht, ist, es ist ja, wenn du in dieser Situation bist und deine geliebte Frau oder Mutter ist weg und tot und dann...
00:52:22
Also das ist sowieso schon die schlimmste Situation, in der man sich befinden kann.
00:52:25
Und dann wirst du auch noch verdächtigt.
00:52:27
Und es ist ja irgendwie klar, dass die Polizei das auch, dieser Spur auch nachgehen muss, weil auch ganz oft es so ist, dass ein Familienmitglied oder halt jemand aus dem Umfeld verantwortlich ist.
00:52:39
Aber es ist was anderes, wenn die Polizei dich verdächtigt, als wenn ganz Deutschland dich verdächtigt und diese ganzen Gerüchte verbreitet.
00:52:49
Natürlich. Und die Polizei, die kann den Verdacht dann auch irgendwie widerlegen und die hat halt viel mehr Informationen.
00:52:55
Aber die Leute da draußen, die nichts wissen, die sind einfach nur laut, weil sie laut sein wollen.
00:53:00
Und es gibt keinen Grund dafür.
00:53:02
Und sie haben auch nicht das Recht, sich dazu zu äußern.
00:53:06
Also das ist, das hat auch nichts mit Meinung zu tun, wenn man über einen unschuldigen Mann, der um seine Frau trauert, sagt, dass er sicherlich was damit zu tun hat, weil er sich komisch verhält oder so.
00:53:18
Das ist natürlich ein schmaler Grad zwischen der Berichterstattung über eine gesellschaftliche Tat, über die man auch informieren möchte und vorschnell irgendwelche Behauptungen in den Raum zu werfen.
00:53:32
Weil was wiegt der Schutz dieser Person oder das Recht auf Informationen der Gesellschaft.
00:53:37
Und in diesem Fall hat das halt eben ein ganz fatales Ende genommen, dass man offenbar vorschnell irgendwelche Verdächtigungen oder Informationen rausgegeben hat.
00:53:47
Ja, und ich verstehe ja auch, dass die Medien darüber berichten, vor allen Dingen, wenn noch ein Verdächtiger gesucht wird.
00:53:53
Dann ist es ja auch wichtig, dass man damit rausgeht und so auch nach Hinweisen oder die Bevölkerung darauf aufmerksam macht.
00:54:02
Aber das ist ja dann was ganz anderes, als wenn irgendeine schwäbische Post im Internet schreibt, Thomas Bürger sitzt in Untersuchungshaft, obwohl die überhaupt keine Beweise dafür haben oder so.
00:54:13
Ja, ich finde auch, ich hoffe, dass diese Medien dafür auch zur Verantwortung gezogen werden.
00:54:19
Auch wenn die Person nicht mehr da ist, die das betroffen hat.
00:54:23
Das geht einfach nicht.
00:54:25
Nee, die haben ja auch eine Verantwortung.
00:54:28
Und von dem einen Ermittler, der noch am Fall Maria Böger arbeitet, komme ich zu meinem Aha, den Cold Case Ermittlungen.
00:54:35
Seit der Fähigkeit zur DNA-Analyse werden in Deutschland ja immer mehr Cold Cases wieder aufgerollt und auch gelöst.
00:54:41
Zentral erfasst oder bearbeitet werden die alten Fälle nicht, aber immer mehr Bundesländer und auch einzelne Städte gründen Cold Case Einheiten.
00:54:49
Die haben dann so sexy Namen wie Soko Altfälle.
00:54:53
Und zur Bearbeitung werden auch immer mehr Datenbanken aufgebaut.
00:54:59
Und dafür müssen dann eben diese ganzen alten Ermittlungsakten von 1960 und so weiter aus den Archiven gekramt und digitalisiert werden.
00:55:06
Und auch schon bei dieser auf den ersten Blick vielleicht langweiligen Arbeit können Tatzusammenhänge erkannt werden.
00:55:11
Indem vielleicht einfach ein anderer Ermittler draufguckt mit neuem Blick, dem dann was auffällt, was vorher nicht aufgefallen ist.
00:55:18
Und durch die Digitalisierung können die Ermittler dann mithilfe von Fallanalysen Tatgeschehen rekonstruieren und Motive herleiten, um so zum Beispiel Mordmerkmale herauszuarbeiten.
00:55:27
Und dann werden unterschiedliche Kategorien ausgefüllt wie Tatzeit, Tatort, Opfer, Alter, Spuren und eben Motivlagen.
00:55:36
Und durch diese Schlagworte kann dann eben nach potenziellen Tatzusammenhängen gesucht werden.
00:55:40
Und für diese Cold Case Einheiten gibt es richtig viel zu tun in Deutschland.
00:55:44
Denn hier werden im Jahr circa 300 bis 400 Morde begangen.
00:55:50
Da die Aufklärungsquote, die ja, wie wir wissen, auch mit Vorsicht zu genießen ist, bei circa 95 Prozent liegt, bedeutet das, dass jährlich etwa 15 bis 20 Morde ungeklärt bleiben.
00:56:01
Also jedes Jahr kommen neue ungeklärte Fälle zu den eh schon vorhandenen dazu.
00:56:05
Allein in Hamburg gibt es rund 350 ungeklärte Mordfälle, in Berlin 270, in Bayern knapp 200 und in NRW um die 900.
00:56:15
Wobei man da natürlich aufpassen muss, weil wenn ein Fall nicht aufgeklärt ist, kann man auch zu dem Zeitpunkt noch nicht sicher sagen, ob es dann Mord war.
00:56:22
Es könnte ja nämlich auch sein, dass je nachdem, was passiert ist, und das weiß man zu dem Zeitpunkt ja noch nicht, dass es sich bei dem Tötungsdelikt nur in Anführungsstrichen um Totschlag handelt.
00:56:31
Und wenn dem so ist, dann kann es ja gut sein, dass die Tat dann auch schon verjährt ist.
00:56:37
Bei diesen Zahlen sprechen die Ermittler aber ausdrücklich von Mordfällen.
00:56:41
Ich gehe davon aus, dass wegen der vorhandenen Beweise darauf geschlossen wird, dass es in diesen Fällen Mord war.
00:56:47
Das kann man natürlich nicht mit hundertprozentiger Sicherheit sagen, aber oft ist es den Ermittlern ja schon irgendwie möglich, das Delikt aus den Tatumständen abzulesen.
00:56:57
Wie hoch die Zahl jeweils in den Bundesländern ist, liegt natürlich auch daran, ab welchem Zeitpunkt Cold Cases dort erfasst werden.
00:57:03
In Berlin ist das zum Beispiel ab 1968, in Hamburg aber schon 1956.
00:57:08
Da es zu viele Fälle gibt, muss streng ausgewählt werden, welchen Fall man sich nochmal vornimmt.
00:57:14
Und für die Ermittler sind dann zunächst die interessant, in denen der Täter noch leben könnte und vielleicht sogar andere Taten begangen hat.
00:57:21
Juristisch betrachtet ist es ja völlig egal, wann der Täter gefasst wird.
00:57:25
Wie wir wissen, verjährt Mord nie und deshalb kann ein Mörder auch Jahrzehnte später noch zur Rechenschaft gezogen werden.
00:57:31
Aber einige Juristen sehen diese Regelung heute skeptisch.
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Wie zum Beispiel Jürgen Möthrath, der Präsident des Deutschen Strafverteidigerverbands.
00:57:40
Er fragt, ob sowas heute noch nötig sei oder ob eine lange Verjährungsfrist, ähnlich wie beim Totschlag, nicht auch ausreichen würde.
00:57:47
Denn durch die neuen Möglichkeiten, zum Beispiel die DNA-Analyse, können heute sehr alte Fälle gelöst werden und so auch sehr alte Verdächtige vor Gericht landen.
00:57:57
Bei denen stellt sich dann oft die Frage nach der Haftfähigkeit.
00:58:00
Ja, so wie bei meinem Fall in Folge 22 von Heike.
00:58:03
Dadurch können halt auch wirklich alte Menschen vor Gericht landen, denen eigentlich kein Prozess mehr zuzumuten ist, wegen Altersschwäche oder auch wegen einer Krankheit zum Beispiel.
00:58:13
Aber in der Diskussion wird auch an die Opfer gedacht und gefragt, ob es sinnvoll sei, wenn Angehörige Jahrzehnte nach einer Tat ein Gerichtsverfahren durchstehen müssen.
00:58:22
Wie ist denn deine Meinung dazu?
00:58:24
Ja, also ich finde, das ist totaler Quatsch, weil frag mal Angehörige, für die ist das schlimmste Leid, dass sie nicht wissen, was passiert ist.
00:58:32
Und ich glaube sehr wohl, dass sie auch 30 Jahre später immer noch gerne den Aufwand auf sich nehmen und ins Gericht hingeln und es dann auch nochmal durchleben, wenn sie danach endlich Frieden finden.
00:58:42
Ich war ja einmal auf der Richterakademie in Wustrau und hatte mir da einen Vortrag angehört und da waren sich alle Staatsanwälte und Familienrichter einig, das Schlimmste ist immer die Ungewissheit.
00:58:53
Und wenn du die irgendwie beseitigen kannst, dann ist das jeden Aufwand wert und auch jedes Leid, das dann nochmal durchlebt wird.
00:59:00
Und es ist auch den Angehörigen zuzumuten, das sollten sie selber dann auch entscheiden können.
00:59:05
Sie müssen ja nicht dann nochmal vor Gericht, sie müssen es ja nicht unbedingt, wenn sie es für sich selbst wirklich ablehnen.
00:59:12
Aber man muss denen wirklich diese Entscheidung auf jeden Fall lassen.
00:59:17
Auch irgendwie für die Gesellschaft ist eine Lösung von jedem einzelnen Mordfall wichtig, finde ich, weil man doch irgendwie das Gefühl hat, dass erst dadurch irgendwie die Verhältnisse irgendwie geordnet werden und dass die Welt irgendwie wieder gerade gerückt wird.
00:59:33
Der Passauer Rechtswissenschaftler Martin Assoldt, der sagt zum Beispiel, das ist auch, finde ich, ein ganz interessanter Gedankengang.
00:59:40
Zitat, es kann ja auch sein, dass der Täter sich in den vergangenen Jahren gebessert oder zumindest geändert hat.
00:59:48
Die Frage, die er sich stellt, ist also, inwiefern muss ein 60-Jähriger noch für die Taten als 18-Jähriger strafrechtlich gerade stehen?
00:59:56
Sind 20, 30 Jahre Angst vor dem Aufliegen nicht bereits genug Strafe und ist nach einer so langen Zeit der Rechtsfrieden nicht bereits wieder hergestellt?
01:00:06
Was sagst du dazu?
01:00:07
Ja, ich finde, dass jahrelang und jahrzehntelang in Angst leben nicht genug Strafe ist, denn er hat es ja immerhin getan.
01:00:17
Das ist keine Strafe, wenn man dann trotzdem straffrei davongekommen ist.
01:00:22
Das ist doch einfach die logische Konsequenz daraus, mit der er dann leben muss, wenn er ein Menschenleben ausgemerzt hat.
01:00:29
Was ist denn mit den Angehörigen?
01:00:31
Du kannst doch denen nicht erzählen, ja, Entschuldigung, jetzt interessiert es sowieso keine Sau mehr.
01:00:36
Ich finde nur echt interessant, dass es diese Diskussion darüber gibt und dass es Menschen gibt, die da eine ganz andere Meinung haben als wir jetzt zum Beispiel,
01:00:44
die ja dafür sind, dass es solche Cold Case Einheiten gibt und dass auch alte Mordfälle wieder neu aufgerollt werden.
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Ja, und das würde dann eben bei sehr alten Cold Cases eben nicht mehr gehen.
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Da wir uns heute mit Cold Cases beschäftigen, möchten wir natürlich uns auch dem Fall widmen, der als einer der bekanntesten Cold Cases gilt.
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Und das ist der Fall von Maddie McKenn.
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Und viele von euch haben sich das gewünscht, weil auch erst vor kurzem eine Netflix-Dokumentation darüber erschienen ist.
01:01:15
Für alle, die die nicht gesehen haben oder für die der Fall zu lange her ist, dass sie sich nicht mehr richtig erinnern,
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erzähle ich einmal kurz, was passiert ist am Tattag.
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Kate und Jerry McKennan wollen ihren Urlaub gemeinsam mit anderen befreundeten Paaren und deren Kinder am Ferienort Praia de Luz an der portugiesischen Algarve verbringen.
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Die beiden kommen aus England, sind Ärzte und haben drei Kinder.
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Ihre älteste Tochter, Madeline, auch genannt Maddie, wird bald vier.
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Die Zwillinge Sean und Emily sind zwei Jahre alt.
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Die Urlaubsgemeinschaft hat sich im Ocean Club eingebietet, einer Ferienanlage, die bekannt dafür ist, dass sie familienfreundlich ist.
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Sie haben einen Kids Club, in dem die Kinder tagsüber betreut werden können, während die Erwachsenen Zeit für sich haben.
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Sie können Tennis spielen, Segeln gehen und sich mit anderen Erwachsenen treffen.
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Abends gehen die Paare aus England in das Tapas-Restaurant, das nur 50 Meter Luftlinie vom Ferienapartment der McKenns entfernt ist.
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Gefühlt ist es nicht anders, als würden sie im eigenen Garten essen.
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So beschreibt es zumindest jemand in der Doku.
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Sie bestellen dort immer einen Tisch, der nah an den Apartments gelegen ist,
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weil immer einer aus der Gruppe alle 20 bis 30 Minuten während des Essens aufsteht und nach den Kindern sieht.
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Der Ocean Club bietet zwar auch eine Kinderbetreuung für abends an,
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aber die Paare nehmen die nicht in Anspruch, weil die Kinder dann zu früh zu Bett müssten.
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Am Abend des 3. Mai 2007 liest Kate McKenn, Maddie und ihren Geschwistern im zweiten Schlafzimmer noch eine Geschichte vor.
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Während sie auf ihren Mann Jerry wartet, trinkt sie noch ein Glas Wein.
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Um 20.30 Uhr brechen die beiden von ihrem Apartment 5A, das im Erdgeschoss am Rande des Ferienkomplexes liegt, auf.
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Als ein Freund zum Abendessen um 9 Uhr dazustößt, sagt er, dass von außen alles ruhig aussah,
01:02:55
als er an der Ferienwohnung der McKenns vorbeigegangen ist.
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Fünf Minuten später macht Jerry den ersten Check bei den Kindern.
01:03:02
Er betritt die Wohnung durch die Verandatür.
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Am Anfang hatten sie noch die Haustür benutzt, aber festgestellt, dass die sehr laut ist, wenn sie sie schließen,
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und sie wollen die Kinder nicht aufwecken.
01:03:12
Deswegen lassen sie die Verandatür offen, die man lautlos zur Seite schieben kann.
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Er sieht, dass die Kinderzimmertür weiter offen steht, als sie sie offengelassen haben, als sie gegangen sind.
01:03:21
Weswegen er zuerst einen Blick ins Elternschlafzimmer wirft, um zu sehen, ob Maddie vielleicht aufgestanden ist und sich ins große Bett gelegt hat.
01:03:29
Hat sie aber nicht.
01:03:30
Als er ins Kinderzimmer schaut, liegen alle drei Kinder seelenruhig in ihren Betten und schlafen.
01:03:35
Auf dem Rückweg trifft Jerry noch einen Mann, der ebenfalls mit seiner Familie Urlaub im Ocean Club macht, und unterhält sich mit ihm.
01:03:42
Danach kehrt er zurück in die Tapas Bar.
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Um circa halb zehn will Kate ihre Runde drehen, aber Matthew Oldfield, einer der anderen, bietet an, das für sie zu übernehmen.
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Er geht in das Apartment und horcht, ob alles ruhig ist, und verlässt es dann wieder.
01:03:56
Später kann er sich nicht mehr genau daran erinnern, ob er in das Kinderzimmer geschaut hat oder nicht.
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Um zehn Uhr macht Kate dann ihren Rundgang.
01:04:05
Als sie Richtung Kinderzimmer geht, schlägt die Tür zum Zimmer zu.
01:04:08
Was ihr ein mulmiges Gefühl gibt, denn es sollte eigentlich keinen Zug geben.
01:04:12
Eigentlich ist keins der Fenster geöffnet.
01:04:15
Als sie die Tür aufmacht, sieht sie, dass das Fenster offen ist und die Rollläden hoch sind.
01:04:20
Die Zwillinge liegen in ihren Betten und schlafen, aber Maddys Bett ist leer.
01:04:25
Kate rennt in Panik zurück zum Tapas-Restaurant und alarmiert die anderen.
01:04:29
Die Polizei trifft wenig später ein und leitet die Suche nach Maddie ein.
01:04:34
Gefunden wird sie nicht.
01:04:35
Die Eltern starten eine weltweite Suchaktion nach Maddie, die große mediale Wellen schlägt.
01:04:41
Überall kennt man Maddie und weiß, wie sie aussieht.
01:04:44
Berühmte Personen wie Cristiano Ronaldo oder David Beckham unterstützen die Suche.
01:04:48
Zeitungen drücken Maddys Foto auf ihren Titelseiten.
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Das ist jetzt zwölf Jahre her.
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Seitdem ist Maddie verschwunden.
01:04:55
Nach 14 Monaten hatte die Polizei die Ermittlungen eingestellt, sie aber fünf Jahre später noch einmal wieder aufgenommen.
01:05:01
Leider ohne, dass sie zum Täter geführt haben.
01:05:04
Bis heute weiß man nicht, was mit Maddie geschehen ist.
01:05:08
Obwohl es im Laufe der Ermittlungen viele Theorien gab.
01:05:11
Und auch einige Verdächtige.
01:05:13
In dem Zeitraum von mittlerweile mehr als zwölf Jahren waren viele verschiedene Menschen an den Ermittlungen in dem Fall Maddie beteiligt.
01:05:20
Von der portugiesischen Polizei über Privatdetektive bis hin zu Scotland Yard, die ja gerade noch dran sind.
01:05:26
Und diese Ermittler sind etlichen Spuren nachgegangen.
01:05:29
Wir konzentrieren uns aber hier jetzt auf die Wesentlichen.
01:05:31
Der erste offizielle Verdächtige in Portugal nennt die Polizei das Aguido, ist schnell gefunden.
01:05:36
Sein Name ist Robert Murat, ein 34-Jähriger-Briete, der zum Zeitpunkt von Maddys Verschwinden in dem Haus seiner Mutter in Praia da Luz lebt,
01:05:44
das nur ca. 140 Meter von dem Apartment 5A entfernt liegt.
01:05:48
Murat wird verdächtigt, nachdem er auffällig oft in die Kameras der Journalisten spricht und Fragen zum Fall stellt.
01:05:56
Außerdem geben drei von der Gruppe der Mackens an, ihn vor dem Apartment 5A gesehen zu haben, kurz nachdem Maddie verschwand.
01:06:02
Murat und seine Mutter aber beharren darauf, dass er den ganzen Abend zu Hause war.
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Am 15. Mai wird dann Murats Haus durchsucht und er verhört.
01:06:10
Allerdings findet die Polizei nichts, das Murat mit dem Verschwinden von Maddie in Zusammenhang bringen könnte.
01:06:15
Anfang Juni werden dann die Mackens zum ersten Mal als mögliche Verdächtige genannt.
01:06:20
Die Verdächtigung ist auf Ungereimtheiten in den Aussagen der Gruppe zurückzuführen.
01:06:26
So gab es Widersprüche in Bezug auf die Haustür, also ob diese abgeschlossen war oder nicht und wie die Mackens eigentlich in das Apartment gekommen sind, um nach den Kindern zu schauen.
01:06:35
Die Polizei findet es außerdem verdächtig, dass Kate, nachdem sie entdeckt hat, dass Maddie nicht mehr im Bett liegt, zu den anderen gelaufen ist und sie nicht angerufen hat oder ihn von der Terrasse her aus zugerufen habe, da sie so ja ihre Zwillinge allein ließ.
01:06:49
Auch Kates Schrei, jemand hat sie genommen oder sie haben sie mitgenommen, sei verdächtig.
01:06:54
Die Ermittler unterstellen ihr, sie hätte so den Weg für eine Entführungsstory ebnen wollen.
01:06:58
Wegen dieser Verdachtsmomente werden zwei Spürhunde eingesetzt, die Blut und Leichengeruch riechen können.
01:07:03
Im Apartment 5a schlagen beide Hunde an und auch am Mietauto.
01:07:08
Daraufhin werden DNA-Proben aus dem Apartment und dem Mietwagen in ein Labor in Birmingham geschickt.
01:07:12
Dort wird dann ein sogenannter Low-Copy-Number-Test gemacht.
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Der Test ist extrem komplex, weil er aus ganz, ganz wenig DNA-Material ein DNA-Profil erstellen kann.
01:07:22
Die Ergebnisse dieser Tests sind aber mit Vorsicht zu genießen, da sie nicht allzu viel aussagen können und deshalb oft missinterpretiert werden.
01:07:29
In dem Ergebnis des Medi-Tests steht dann, dass die DNA-Spur, die im Auto gefunden wurde, eine Mischspur aus mindestens drei Personen ist und dass von der Spur acht Abschnitte analysiert werden konnten.
01:07:40
Das kennen wir ja noch aus Folge 22.
01:07:42
Acht Abschnitte, die überhaupt untersucht werden können und dann noch bei einer Mischspur, ist relativ wenig.
01:07:49
In der Interpretation der Ergebnisse schreibt das Labor aber, dass nicht beantwortet werden kann, ob diese Spur von Medi ist oder nicht,
01:07:56
weil sie einfach zu komplex ist und die Spuren auch von den anderen Familienmitgliedern sein könnten.
01:08:00
Die Ergebnisse werden dann ins Portugiesische übersetzt und die portugiesische Polizei sieht den Test als Bestätigung für die Theorie, die Mackenziellin involviert.
01:08:09
Und deshalb werden Jerry und Kate dann zu Aguidos, also offiziellen Verdächtigen.
01:08:14
Die Theorie der Polizei ist, dass Medi in Apartment 5a gestorben ist und zwar durch einen Unfall.
01:08:18
Möglicherweise, weil ihre Eltern ihr ein Schlafmittel gegeben und zu hoch dosiert haben.
01:08:22
Danach sollen die Eltern sie für einen Monat lang versteckt haben.
01:08:26
Möglicherweise in einem Gefrierschrank.
01:08:27
Um sie dann mit dem Mietwagen, den sie drei Wochen nach dem Verschwinden angemietet haben, an einen unbekannten Ort zu bringen.
01:08:34
Tut mir leid, aber es ist einfach so lächerlich.
01:08:37
Wenn man das so ausspricht, dann merkt man, wie lächerlich das ist.
01:08:41
Aber diese Erklärung, also diese Theorie zeigt quasi oder gibt die Erklärung für Medis angebliche DNA im Auto.
01:08:49
Im Oktober wird dann aber ein neuer Chefermittler auf den Fall angesetzt.
01:08:53
Der kann keine Indizien finden, die diese Theorie unterstützen, also abgesehen von den Hunden.
01:08:58
Und so wird im Juli 2008 der Aguidos-Status der Mackenz, genauso wie der von Robert Murat, aufgehoben.
01:09:05
Nachdem die drei als Verdächtige ausgeschlossen werden, gibt es noch einige andere Menschen, die im Laufe der vergangenen zwölf Jahre in Verdacht geraten, aber nie gefunden werden.
01:09:13
Es handelt sich bei diesen Menschen um Personen, die von Zeugen gesehen wurden, die das bei der Polizei angegeben haben.
01:09:18
So zum Beispiel ein Mann, der zwischen 2004 und 2006 viermal in Urlaubsapartments von britischen Familien in der Algarve eingebrochen war und fünf Mädchen in ihren Betten sexuell missbraucht hatte.
01:09:29
Zwei davon in Praia da Luz.
01:09:31
In der Nacht vom 3. auf den 4. Mai wurde außerdem ein verdächtiges Pärchen in der Nähe vom Hafen gesehen.
01:09:36
Sie trugen ein Kind auf dem Arm und liefen auffällig weg, als sie vom Scheinwerferlicht erfasst wurden.
01:09:42
Weiter verdächtig ist eine Frau in Barcelona, die nur wenige Stunden nach Medys Verschwinden einen britischen Geschäftsmann ansprach und ihn fragte, haben Sie meine neue Tochter dabei?
01:09:50
In der Nacht des Verschwindens hatten außerdem mehrere Zeugen einen Mann mit einem blonden Kind auf dem Arm gesehen, das Mehdi ähnelte.
01:09:57
Viele Zeugen hatten auch verdächtige Männer in den Tagen vor ihrem Verschwinden beobachtet.
01:10:02
Eine Gruppe von Männern zum Beispiel, die durch Praia da Luz gezogen sind, um Geld von britischen Touristen für ein Kinderheim zu sammeln, das es gar nicht gibt.
01:10:10
Neben den Männern, die für das nicht existierende Kinderheim sammelten, gab es noch andere, die vor dem Apartment 5a gesehen wurden.
01:10:16
Darunter zwei blonde Männer und ein Mann mit auffällig vielen Pockennarben, die schienen das Apartment auszukundschaften.
01:10:22
Anfang Mai dieses Jahres werden dann Berichtende zu einem neuen Verdächtigen laut.
01:10:26
Ein ausländischer Pädophiler, bei dem es sich übrigens nicht um den deutschen Martin Ney handeln soll.
01:10:32
Das hat ja die Presse erst geschrieben.
01:10:34
Aber die Polizei soll momentan mehrere Verdächtige im Blick haben.
01:10:38
Und deshalb hat Scotland Yard die Regierung auch nochmal um mehr Geld für die Ermittlungen gefragt.
01:10:43
Und das wurde ihnen nun auch Anfang Juni vom Staat zugesagt.
01:10:46
Und so ist der Polizei möglich, noch bis Frühjahr nächsten Jahres zu ermitteln.
01:10:50
Es gibt also noch Hoffnung.
01:10:52
Wie Paulina eben schon gesagt hat, gibt es in dem Fall ja einige Theorien.
01:10:56
Und als ich jetzt wieder dazu recherchiert habe, bin ich über die verrücktesten Theorien gestolpert, die ich vorher noch nicht kannte.
01:11:02
Es gibt tatsächlich Menschen, die glauben, Maddy hätte nie existiert.
01:11:05
Und das alles wäre nur ein Scam, durch den die britische Regierung Geld einnimmt.
01:11:10
Auch interessant fand ich die Theorie, dass Maddy schon längst gefunden wurde, aber jetzt noch so getan wird, als wäre sie verschwunden, damit sie ein normales Leben führen kann.
01:11:19
Ist Maddy vielleicht auch Avery Levine?
01:11:21
Ach so, das gab es auch mal.
01:11:24
Nicht mit Maddy, glaube ich.
01:11:25
Ach so, aber mit jemandem.
01:11:27
Es gibt ja auch so Verschwörungstheorien, dass Avery Levine gestorben ist und ausgetauscht wurde durch einen Zwilling.
01:11:32
Und dass Katy Perry auch irgendjemand ist.
01:11:35
Ja, Katy Perry ist auch Avery Levine.
01:11:38
Alle sind Avery Levine.
01:11:38
Aber wollen wir mal durch die wesentlichen Theorien gehen und dann zusammen überlegen, ob diese möglich sind?
01:11:49
Ich kann dir ja mal sagen, was ich für am wahrscheinlichsten halte.
01:11:54
Entweder hat jemand das Verhalten der McCanns ausspioniert, weil sie wussten, dass sie jeden Tag zu dem Tapas-Restaurant gehen.
01:12:03
Übrigens gab es da auch noch Aufschrei wegen eines Eintrags im Reservierungsbuch des Tapas-Restaurants.
01:12:11
Da hatte nämlich ein Kellner reingeschrieben, dass die McCanns immer an diesem Tisch sitzen wollen, weil sie ihre Kinder alleine lassen.
01:12:18
Und als das rauskam, waren die McCanns natürlich völlig fassungslos, wie so eine sensible Information in einem Buch steht, was für jeden Gast frei einsehbar war.
01:12:27
Von daher, also Routine macht ja angreifbar, gerade was Verbrechen angeht.
01:12:34
Deswegen glaube ich schon, dass es entweder eine Person war, die wusste, wie sich die McCanns verhalten, wann sie wohin gehen.
01:12:44
Die dann Maddie entführt hat, die auch genau wusste, dass sie die Türen nicht abschließen oder zumindest die Verandatür offen stehen lassen.
01:12:51
Es gibt ja Theorien darüber, ob es einer oder mehrere Täter waren.
01:12:56
Das finde ich aber gar nicht so wichtig, weil man dann immer noch nicht weiß, wie viele Leute vielleicht im Hintergrund agiert haben.
01:13:03
Für mich spricht aber für einen Täter, das eine Freundin beobachtet hat, wie ein Mann ein Mädchen weggetragen haben soll.
01:13:09
Wobei sich ihre Aussage im Laufe der Zeit auch immer mal wieder geändert hat.
01:13:13
Aber da habe ich jetzt zugelesen, dass das Scotland Yard diese Beobachtung sozusagen als unwichtig herausgestrichen hat.
01:13:22
Weil die eben ein britisches Paar ausfindig gemacht haben, wo der Mann angegeben hat, er hat zu dieser Zeit, also um Viertel nach neun, sein Kind nach Hause getragen.
01:13:31
Ich wollte noch sagen, warum ich denke, dass trotzdem mehrere darin involviert waren, aber vielleicht trotzdem nur einer gekommen ist.
01:13:41
Vielleicht ist es auch einfach, vielleicht ist einer gekommen, um das Kind zu holen.
01:13:44
Ich denke aber trotzdem, dass es eher so ein Menschenhändler-Entführungsfall ist.
01:13:52
Weil ich denke, dafür würde in dieser Auskundschaftungen von mehreren Männern sprechen, dass sie, dass immer mal wieder jemand anderes da war und sie sich vielleicht abgesprochen haben.
01:14:03
Dagegen spricht aber auch irgendwie, dass die meisten Kinder, die für so etwas entführt werden, nicht aus der oberen Mittelklasse stammen, wie Maddie jetzt.
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Weil bei den Menschen mit weniger Geld dann auch meist nicht so viel getan werden kann, um das Kind zu finden.
01:14:18
Einfach wegen der nicht vorhandenen finanziellen Mittel.
01:14:21
Das Argument, was für mich am meisten dagegen spricht, ist, Entschuldigung, aber warum haben sie denn die anderen Kinder nicht mitgenommen?
01:14:26
Da waren ja noch zwei süße Zwillinge.
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Warum haben sie denn die da gelassen?
01:14:31
Also wenn das ein organisierter Menschenhandelring war und die Gelegenheit war da, warum hätten sie denn nicht alle drei Kinder mitgenommen?
01:14:37
Das erschließt sich für mich gar nicht.
01:14:39
Ja, kann ich nicht richtig beantworten.
01:14:41
Aber vielleicht, weil sie noch zu jung waren.
01:14:44
Aber dieser Detektiv aus Barcelona, der meinte ja in der Doku, dass es sein könnte, dass sie das doch gezielt auf Maddie angelegt haben, weil ein Kind aus dieser sozialen Schicht mehr Geld einbringt bei sowas.
01:14:56
Und ich könnte mir vorstellen, dass sie dann halt eben deswegen entführt wurde, um eben weiterverkauft zu werden.
01:15:01
Und dass sie vielleicht in Marokko oder nach Marokko erst mal gebracht wurde, dass das der eigentliche Plan war.
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Aber dass dann durch die Berichterstattung dieser Plan durchkreuzt wurde, weil eben irgendwie relativ schnell fast die ganze Welt gefühlt wusste, wer Maddie ist.
01:15:16
Und sie so schlecht in solchen Videos im Internet auftauchen könnte, weil das Risiko dann einfach zu groß wäre, dass jemand sie erkennt und meldet und dass sie, ja, und dass sie deswegen vielleicht, deswegen sterben musste.
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So, das ist so meine Theorie.
01:15:31
Ja, wahrscheinlich ja auch wegen ihres Auges.
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Weil Maddie hat ja so einen Farbklecks gehabt in dem einen Auge und da wurde halt ein Logo für sie angefertigt, so nach dem Motto, halt jetzt ausschauen nach Maddie.
01:15:44
Und da waren dann zwei Augen in dem Logo und das eine Auge hatte diesen Farbklecks drin.
01:15:48
Und das war natürlich sehr auffällig, ja, das hätte natürlich jeder irgendwie erkannt dann in diesem Zusammenhang.
01:15:56
Es gibt ja auch noch die Theorie, dass die entführt worden ist, um dann in eine neue Familie gebracht zu werden.
01:16:03
Was sagst du dazu?
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Nee, doch nicht.
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Jemand hätte Maddie erkannt und vielleicht ist Maddie mittlerweile ja dann auch in dem Alter, wo sie das selber irgendwie erkannt hätte und wo sie selber mitbekommen hätte, wer sie ist.
01:16:16
Ja, und ich denke mir immer, Paare wollen ja auch lieber Babys haben und nicht schon fast Vierjährige.
01:16:23
Ich glaube, ehrlich gesagt, die Frau in Barcelona war eher einfach eine Verrückte.
01:16:27
Ich glaube das mit der Frau in Barcelona gar nicht.
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Warum sollte jemand, der wirklich ein Kind kauft, denn sagen, haben sie mal eine neue Tochter dabei?
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Das ist doch Quatsch.
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Okay, ein Unfall, den die McCanns vertuschen wollen.
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Auf keinen Fall.
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Finde ich auch ehrlich gesagt am unwahrscheinlichsten, weil ich frage mich dann, wer würde bis heute so offensiv nach ihr suchen?
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Wer würde immer wieder eine Ermittlung weiterführen lassen wollen?
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Wenn ich wirklich was damit zu tun hätte, dann hätte ich doch Angst, dass das irgendwann dann wirklich herausgefunden werden könnte.
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Ja, das würde nämlich auch bedeuten, dass diese ganze Tapas-Crew damit eingeweiht war.
01:17:07
In welchem Leben?
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Weil erst mal sind es viel zu viele Leute, als dass denn einer nicht dicht hält.
01:17:13
Und zweitens ist es doch ganz klar, dass wenn die Aussagen voneinander abweichen, weil es ging ja, im Grunde genommen war ja die große Kritik an dieser Gruppe, dass gesagt wurde, sie haben sich extra so hingesetzt, dass sie das Apartment sehen konnten, die McCanns.
01:17:28
So, und dann stellte sich ja nachher heraus, das konnten sie nicht sehen, weil die Bäume dazwischen waren, ja.
01:17:32
Da haben sich vier Paare dazu verabredet, dass die Kinder in den Apartments gelassen werden, ja.
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Und dann verschwindet eins.
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Natürlich relativierst du dein Verhalten nachher am Ende, ja.
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Es ist natürlich, weiß nicht, wie du das siehst, aber schon ein seltsames Verhalten, dass sie alleine in die Tapas-Bar rennt, während die Kinder denn da noch schlafen.
01:17:53
Ja, eben, wenn du, wenn gerade deine Tochter, du denkst, dass sie entführt wurde, weil das denkt sie ja, sie sagt ja, sie haben sie mitgenommen, dass du dann ja nicht Angst hast, dass dann die wiederkommen und noch die anderen Kinder mitnehmen, weil sie vielleicht erst mal nur Maddie getragen haben.
01:18:10
Genau. Und hätte sie gedacht, dass Maddie weggelaufen wäre und wäre sie in das Tapas-Restaurant gegangen und hätte gesagt, Maddie ist weggelaufen, dann hätte ich den Move ja verstanden.
01:18:20
Aber doch nicht, wenn du von vornherein schon davon ausgehst, dass sie entführt ist. Dann nimmst du dir doch deine beiden Kinder und lässt sie nicht mehr los.
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Ja, sehe ich ganz genau so.
01:18:28
Ja, und dann gibt es noch die Theorie, dass Maddie das Apartment alleine verließ und dann entweder einem Kidnapper in die Hände fiel oder, was es auch gibt, sich irgendwo verletzt hat und daran starb.
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Da müsste sie aber in einem sehr tiefen Gulli oder sowas gefallen sein.
01:18:46
Nee, aber dass sie allein rausgegangen ist, das finde ich gar nicht so abwegig.
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Ich bin als Kind nämlich auch einmal aufgewacht und war alleine und wollte am liebsten raus aus der Wohnung rennen, weil ich solche Angst hatte.
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Und wenn man da halt dann zufällig jemanden in die Hände läuft.
01:19:02
Oh Gott. Ja, aber dass das bei Maddie so war, das glaube ich nicht. Da spricht ja einiges dagegen.
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Kate sagt, als sie reingekommen ist, war ja noch alles normal.
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Diese Terrassentür war vorgeschoben, die Vorhänge waren vorgeschoben.
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Das heißt also, wenn Maddie allein rausgegangen wäre, hätte sie die Vorhänge und die Tür aufmachen können und die dann auch beides wieder zu.
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Dann gab es noch so eine Kindersicherungstür vor den Treppen nach unten.
01:19:31
Die hätte sie auf- und wieder zumachen müssen und dann runtergehen und dann noch dieses Tor nach draußen.
01:19:36
Klar, wenn ein Kind mega viel Angst hat, könnte es das vielleicht alles schaffen, ist aber doch eher unwahrscheinlich.
01:19:44
Was hat es mit diesem Fenster auf sich?
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Ist der durchs Fenster?
01:19:48
Nein, nee, nee, nein, das ging ja nicht, weil das Fenster nur von innen zu öffnen war.
01:19:54
Und es spricht ja einiges dafür, wenn eine Verandatür offen steht, dass die Person dann über die Verandatür reinkommt.
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Warum macht er denn dann das Fenster auf?
01:20:03
Also wollte er vielleicht eine Spur legen, aber dadurch hat er ja dann eventuell auch die Zwillinge geweckt.
01:20:11
Also dieses Fenster macht mich einfach fertig.
01:20:14
Das Fenster ist so unlogisch.
01:20:16
Oder es könnte natürlich auch sein, dass, wenn es zwei Täter waren, der eine Maddy durchs Fenster gejieft hat und dem anderen dann sozusagen übergeben hat, der noch draußen stand, damit das alles schneller ging.
01:20:27
Aber kommen wir mal zu einem anderen wichtigen Punkt.
01:20:31
Also was ja ein großes und kontroverses Thema im Fall Maddy ist, ist die Art und Weise, wie die McKenns den Fall publik gemacht haben.
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Die hatten ja relativ schnell ein PR-Team engagiert, das dann auch Events organisiert hat, um die Medien mit Informationen zu versorgen.
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Und in dem Zusammenhang sind die McKenns ja auch in andere Länder geflogen, um die Geschichte von ihrer Tochter zu verbreiten.
01:20:53
Viele fanden das komisch, dass es diese Europatour der Eltern gab, während die Zwillinge zum Beispiel in England blieben.
01:21:01
Was ist denn deine Meinung zu dieser Art?
01:21:04
Ich glaube, wenn man verzweifelt ist, möchte man alles tun, was in seinem Ermessen steht.
01:21:10
Und wenn da Leute sind, die sagen, es ist gut, dass das so publik wie möglich wird, damit alle Leute über den Fall Bescheid wissen.
01:21:19
Und wenn Maddy irgendwo ist und wenn sie noch lebt, dann wird sie so vielleicht wieder auftauchen.
01:21:24
Dann glaube ich, dass es für einige Leute eine sinnvolle Möglichkeit ist.
01:21:30
Ja, also ich habe eine ganz klare Meinung.
01:21:32
Ich bin der Meinung, das war das Beste von Jerry und Kate, das genau so zu machen.
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Weil nur durch diesen Ansatz kennt ja heute fast jeder Mensch gefühlt Maddy.
01:21:43
Und ich würde sagen, dass ich sie damals wahrscheinlich auch erkannt hätte, wenn ich sie gesehen hätte.
01:21:48
Ja, weil sie war ja überall.
01:21:50
Und nach der Tat, okay, es gibt zwei Seiten, aber nach der Tat kamen ja auch ganz viele Hinweise von Menschen, die dachten, sie hätten sie gesehen.
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Und da hätte man ja auch genauso gut mal Glück haben können, beziehungsweise hatte man ja vielleicht auch Glück, aber es wurde nicht allen Hinweisen nachgegangen.
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Auf der anderen Seite kann man natürlich auch sagen, indem die, die so publik gemacht haben, haben sie vielleicht auch den Entführer so erschreckt, dass er sie deswegen direkt umgebracht hat.
01:22:18
Und Jerry McKenns sagte auch 2008 in einem Interview mit dem Vanity Fair, dass er sich dazu entschied, seine Tochter zu vermarkten, damit sie nicht vergessen wird.
01:22:29
Und das Ziel hat er ja total offensichtlich erreicht.
01:22:33
Wollen wir noch mal ganz kurz über die Medien sprechen, weil ich finde, das passt heute ganz gut zu deinem Fall.
01:22:38
Da mussten die McKenns ja auch einiges einstecken.
01:22:41
So, was wurde da bitte alles über die geschrieben?
01:22:45
Ja, es ist schrecklich und Jerry ist nicht der Vater und sie sind Zwinger und man fragt sich nur so, was geht eigentlich bei euch ab bei den Reportern?
01:22:56
Ja, wobei gerade dieses Gerücht mit den Swingern, das hatte ja nachher ein Reporter aufgedeckt, dass das von einem Polizisten kam, der mit dem Fall gar nichts zu tun hatte und der das in einem Internetforum gelesen haben soll.
01:23:07
Ich meine, die Eltern haben ein Kind verloren.
01:23:10
So, wie respektlos kann man sein?
01:23:13
Ich weiß, nun ist es so, dass sie hier ja öffentlich auch als Verdächtige benannt wurden, aber ich verstehe, ich verstehe diese Leute nicht.
01:23:24
Also weißt du, wenn die Presse sich auf einen einschießt, okay, schlimm genug, ja, aber welche Privatleute haben irgendetwas davon, denen Kommentare zu schreiben, bei Twitter zu schreiben, ich hoffe, Kate McKenns stirbt.
01:23:38
Ja, und was ist das für eine Scheiße, was sie da geliefert haben, was diese Boulevardzeitungen gemacht haben, was ich da, weil die sind ja eigentlich diejenigen, die das Gerücht dann auch streuen, ja, und dann sind sich die ganzen Trolle sicher, bla bla bla, weil Daily Mail das geschrieben hat oder Die Sun oder was weiß ich.
01:23:57
Was ich dann cool fand, das hat man dann ja auch in der Doku gesehen, war diese Inquisition der Chefs dieser Boulevardblätter, als es da um den Schadensersatz für Murat und die McKenns ging.
01:24:08
Da wurden die halt befragt, wie die, warum die das gedruckt haben und so weiter und da hatte der eine irgendwie gesagt, ja, also wenn es wahr aussah, dann haben wir es gedruckt.
01:24:18
Also, das war dann quasi genauso peinlich wie dieser eine Typ von, bei Amanda Knox, dieser Daily Mail Reporter, ja.
01:24:24
Was ist denn das für eine journalistische Arbeit, ja.
01:24:29
Andererseits, das ist zwar nur ein kleiner Trost, ja, aber andererseits hat das natürlich auch weitergeholfen, mehr die Publik zu machen.
01:24:39
Es ist halt leider so. Leider spielt das auch in die Karten des Vorhabens der Eltern.
01:24:46
Ein bisschen zumindest. Natürlich ist das nicht das, was sie damit bewirken wollten, aber es ist leider das, was sie damit auch bekommen haben.
01:24:53
Ja, und wie fandest du die Doku jetzt so an sich als Doku?
01:25:01
Du musstest sie in zwei Tagen durchgucken.
01:25:03
Das war wirklich kein Vergnügen, ne. Ich fand, ich fand es einfach nicht gut.
01:25:07
Hat für mich zu viel Anlauf gebraucht am Anfang. Die reden eine halbe, eine halbe Folge über Praia de Luz. Ich habe mich kurzzeitig gefühlt, als wäre ich in irgendeinem Werbefilm der Tourismusinformationen von der Algarve.
01:25:22
Da reden mir viel zu viele Leute, auch generell, die mit dem Fall nicht wirklich was zu tun haben oder nichts Neues bringen, die einfach nur irgendwelche Randaspekte mit reinbringen.
01:25:31
Das fand ich wirklich oll. Das fand ich nicht schön. Das hat natürlich auch damit zu tun, dass die McCanns mit dieser Dokumentation nichts zu tun haben wollen.
01:25:41
Und das ist ja der Fall, weil sie gesagt haben, wir können hier nicht erkennen, wie diese Sendung bei der Suche nach Madeleine helfen könnte.
01:25:50
Was ein bisschen widersprüchlich ist, weil sie ja sonst alles wahrgenommen haben, könnte natürlich auch daran liegen, dass ein großer Teil darum geht, dass sie halt auch verdächtig waren.
01:26:00
Ich habe die ja schon vor längerer Zeit angefangen, die Doku. Und wollte dann eigentlich auch nicht mehr weitergucken nach der dritten, vierten Folge, weil es mich richtig sauer gemacht hat, wie lange auf diesem Verdächtigungsstatus der McCanns halt rumgehackt wurde.
01:26:20
Es ist natürlich wichtig, das zu zeigen, wenn man diesen Fall nacherzählt. Aber ich hatte irgendwie das Gefühl, es ist zu lange gebraucht, dass klargestellt wird, wie es wirklich war oder was dagegen auch spricht.
01:26:32
Was gegen die Involvierung der McCanns spricht. Das hat mich irgendwie genervt.
01:26:36
Die Leute, die da erzählt haben, die finde ich haben erstens schlecht erzählt, die haben oberflächlich erzählt, die haben auch durcheinander geredet.
01:26:43
Ich fand diese Erzählweise wirklich nicht gut. Wenn wir das mal im Vergleich mit Making a Murderer gerade die zweite Staffel sehen, da hatten sie ja jetzt auch sehr viel Glück mit Catherine Sellner, dass die so eine gute Rednerin ist, weil die hat einen ja durch die komplette Staffel geführt.
01:26:57
Hier hat mich niemand dadurch geführt. Ich wurde von Person zu Person geworfen und die haben mich alle nicht richtig aufgefangen.
01:27:03
Und das ist ein ganz, ganz schlimmes Durcheinander, was da passiert ist.
01:27:06
In einer Kritik habe ich übrigens gelesen, dass kritisiert wird, dass die Doku keinen eigenen Standpunkt hat.
01:27:13
Und das hat mich doch sehr gewundert, weil das doch eigentlich das ist, wo wir immer drüber reden, was man eigentlich von einer Doku erwartet.
01:27:20
Aber wahrscheinlich ist es heute einfach nicht mehr so, da wir jetzt durch die anderen Netflix-Dokus irgendwie dahin gedrückt werden, dass man anscheinend eine ganz bestimmte Meinung haben muss, ob jemand schuldig ist oder nicht.
01:27:34
Und das finde ich sehr schade.
01:27:35
Ja, ja, das stimmt schon. Also für mich muss diese Doku jetzt keinen Standpunkt vertreten, ja, um Gottes Willen.
01:27:42
Ich habe mir aber noch aufgeschrieben, ein gutes Ende, weil ich zumindest den Abstecher hin interessant fand zu den Kindern, die wieder zurückgekommen sind.
01:27:53
Ja, voll. Ich musste direkt googeln danach.
01:27:56
Und ich finde, das hatte man aber auch sehr nötig nach diesem ganzen Elend zuvor.
01:28:02
Kommen wir zu einem anderen Tötungsdelikt. Hast du eigentlich schon von dem Pinguin-Mord im Dresdner Zoo gehört?
01:28:10
Pass auf. Vier Pinguine sind dabei ums Leben gekommen.
01:28:14
Die Geschichte geht so. Es gibt drei Pinguin-Paare. Zwei davon haben erfolgreich Baby-Pinguine gemacht.
01:28:21
Und bei einem dritten Paar hat die Befruchtung des Eis nicht funktioniert. Und die Pfleger haben dann das Ei von diesem Paar dann irgendwann aus dem Nest genommen, damit es nicht schimmelt.
01:28:29
Und daraufhin hat das Pinguin-Paar, das eigentlich ja nie ein Baby hatte, zwei Pinguinküken von Paar eins, so nenne ich es jetzt mal, getötet.
01:28:39
Und die Eltern von Paar zwei haben sie auch attackiert. Und die sind dann offenbar an stressbedingtem Kreislaufversagen gestorben.
01:28:47
Nein. Also die Eltern und zwei Küken sind tot.
01:28:51
Ja, genau. Aber nicht eine Familie, sondern die Eltern von der einen Familie und die Küken von der anderen Familie.
01:28:57
Oh mein Gott. Wie aggressiv.
01:29:01
Pinguine sehen überhaupt nicht so aus.
01:29:03
Nein. Und ich weiß auch nicht, wie sie es gemacht haben. Es war keine Tatwaffe, wurde nicht kommuniziert. Und das Täterpaar muss jetzt als Strafe lebenslang im Zirkus auftreten.
01:29:18
Und ich habe mir noch gedacht, sollte das Drama jemals international als Investigativ-Podcast aufgearbeitet werden, dann wünsche ich mir, dass Benedict Cumberbatch das spricht.
01:29:30
Laura sagt uns jetzt einmal, wie man Pinguin auf Englisch richtig ausspricht.
01:29:35
Ja. Und Benedict Cumberbatch sagt Pengwanks.
01:29:43
Man sagt in der Dokumentation, die er vertont, immer Pengwanks.
01:29:50
Könnte ich mir auf jeden Fall sehr gut als Podcast vorstellen.
01:29:53
So, abschließen.
01:29:55
Das war ein Podcast von Funk.