00:00:00
Laura, ich war eben bei diesem Spinning-Kurs, da hält die Trainerin immer zwischendurch so ein Licht nach oben und dann wird so rotes Licht auch von der Decke auf sie gestrahlt und dann schreien immer alle.
00:00:28
Und ich habe währenddessen mich wie in einer Sekte gefühlt.
00:00:32
Was schreien die denn?
00:00:36
Und am Ende haben wir dann auch bei den Dehnübungen so alle so die Arme nach oben gemacht und es fühlte sich dann auch so wie Beten an.
00:00:47
Und dieser Raum ist ja ganz voll mit ganz vielen Leuten und als wir rausgegangen sind, habe ich mich auf die Nase gelegt und dann haben sich so alle über mich rübergebeugt.
00:00:57
Und dann dachte ich, jetzt passiert, jetzt wird das Opfer gegeben und das Opfer bin ich.
00:01:03
Die Neue, die muss das Opfer sein.
00:01:06
Und ich hatte die ganze Zeit diese Sekten-Assoziation und ich finde, wir sollten mal was über Sekten machen.
00:01:13
Das hatten sich eh schon einige Zuhörer in letzter Zeit gewünscht.
00:01:16
Ja, auf jeden Fall. Ich war ja gestern in dem neuen Film von Quentin Tarantino und der spielt ja auch mit der Geschichte von Charles Manson und da habe ich mir auch gedacht, dass es sehr gut wäre, wenn wir mal dazu was erzählen können.
00:01:30
Dann können wir nämlich auch da drüber reden.
00:01:31
Das machen wir demnächst. Und ich überlege mir, ob ich nochmal in diesen Kurs gehe.
00:01:35
Hallo und herzlich willkommen damit zu einer neuen Folge von Mordlust, unserem True Crime Podcast, in dem wir wahre Verbrechen nacherzählen.
00:01:42
Mein Name ist Paulina Krazer.
00:01:43
Und ich bin Laura Wohlers. Wir stellen uns hier gegenseitig einen Kriminalfall aus Deutschland vor, von dem die anderen nichts weiß.
00:01:49
Und so gibt es auch unsere echten Reaktionen für euch.
00:01:53
Und wir kommentieren die Fälle auch. Bei uns wird auch gelacht, ist aber nie respektierlich gemeint.
00:01:58
In der heutigen Folge geht es um die Berichterstattung, also darum, wie die Presse während und nach einer Straftat darüber berichtet.
00:02:06
Laura, verursachen Videospiele Amokläufe?
00:02:11
Nein, darüber haben wir ja schon in Folge 6 gesprochen.
00:02:14
Ja, und darüber hat die YouTuberin MyLab jetzt auch vor kurzem ein Video gemacht und hat das aber nochmal mehr wissenschaftlich betrachtet.
00:02:24
Gerade weil dieses Thema ja durch diese Mass-Shootings in den USA jetzt wieder präsenter ist.
00:02:29
Ob Videospiele wirklich Amokläufe verursachen können oder nicht, ist medial schon sehr oft geklärt worden.
00:02:35
Ja, das tun sie. Oder nein, das wurde nie nachgewiesen.
00:02:40
Je nachdem, welches Format man liest oder man sich anschaut.
00:02:43
Und MyLab erklärt in dem Video, warum die Berichterstattung über den Zusammenhang zwischen Amokläufen und Videospielen so verwirrend ist.
00:02:50
Weil die Studien nämlich ja immer verkürzt dargestellt werden, um es einfacher zu machen und dann aber eben auch nicht richtig interpretiert werden.
00:02:58
Da wird dann zum Beispiel aus einer Studie, die zu dem Ergebnis kommt, dass häufige Spielen von gewaltvollen Videospielen zu aggressiveren Gedanken führt, plötzlich ein Zusammenhang zwischen den Shootings und Videospielen.
00:03:12
Obwohl gar kein Zusammenhang zwischen den Spielen und realer Gewalt gemessen wurde.
00:03:17
Und gerade wenn Journalisten versuchen, diese Studien zu interpretieren, dann wird halt häufig übersehen, wie diese Studien überhaupt zustande gekommen sind und welche Methoden dabei angewandt wurden.
00:03:27
Und das führt dann eben zu einer schlechten medialen Aufbereitung und sorgt für Hysterie und dafür, dass sich selbst Politiker dazu äußern und da eine Korrelation herstellen.
00:03:36
Und das ist nur ein Beispiel dafür, wie gefährlich mediale Aufarbeitung sein kann.
00:03:42
Wir gehen ja hier heute noch auf andere Beispiele ein.
00:03:44
Das Video von MyLab, das verlinke ich euch mal in die Shownotes, fand ich sehr gut, weil sie auch erklärt, was für verschiedene Studien es gibt und was sie auch sagen können.
00:03:54
Und bei uns haben wir auch gemerkt, nach der Folge 6 haben wir ganz viele Nachrichten auch von Leuten bekommen, die selber diese Spiele spielen, diese Ego-Shooter-Spiele spielen und sich auch nochmal darüber aufgeregt haben, wie sie dargestellt wurden, als halt die beiden Fälle, die wir besprochen hatten, in den Medien waren.
00:04:11
Gut, dass wir heute mal über die Rolle der Medien sprechen.
00:04:14
Meine Geschichte dokumentiert den Sündenfall des deutschen Journalismus.
00:04:19
Es ist der Mittwochabend des 17. August 1988 an einer Raststätte in der Nähe von Bremen.
00:04:26
Ein Reporter stellt der 18-jährigen Silke Bischof vor laufenden Kameras und Blitzlichtgewitter eine Frage.
00:04:32
Wie geht es Ihnen mit der Pistole am Hals?
00:04:38
Es ist Dienstagmorgen im nordrhein-westfälischen Gladbeck, einer kleinen Stadt im Ruhrgebiet.
00:04:42
Um kurz vor acht schließen Andrea Blecker und Reinhold Alles die Filiale einer deutschen Bank auf.
00:04:47
Als sie eintreten, stürmen plötzlich zwei Gestalten mit schwarzen Sturmhauben und Pistolen hinter ihnen ins Gebäude.
00:04:54
Die Männer sind laut und hektisch, aber routiniert. Es ist nicht ihr erster Banküberfall.
00:04:59
Hans-Jürgen Rösner und Dieter Degowski sind Berufsverbrecher. Beide sind Anfang 30 und kennen sich bereits seit der Förderschule.
00:05:07
Der Kopf des Verbrecherduos ist Rösner. Der sollte an diesem Tag eigentlich im Gefängnis sitzen, doch nachdem er zwei Jahre zuvor von einem Hafturlaub nicht wiederkam, ist er auf der Flucht.
00:05:16
Sein Komplize Degowski hat einen IQ von 79, weshalb Rösner jetzt das Reden übernimmt.
00:05:22
Während er den Bankmitarbeitern erklärt, wie dieser Raubchen nun vonstatten geht, kommt ein Arzt an der Eingangstür der Filiale vorbei und ruft sofort die Polizei.
00:05:29
Währenddessen erbeuten Degowski und Rösner 120.000 D-Mark und machen sich zur Flucht bereit.
00:05:36
Doch dann sehen sie ein Polizeifahrzeug vor der Bank.
00:05:38
Panik macht sich breit und anstatt zu fliehen, entscheiden Rösner und Degowski die beiden Bankmitarbeiter als Geiseln zu nehmen.
00:05:45
Der 31-jährige Reinhold hat Herzprobleme und eine schwangere Frau zu Hause. Andrea ist erst 23 Jahre alt.
00:05:52
Während die Geiseln zusammen mit den bewaffneten Tätern in der Bank festsitzen, prüft das SEK, ob ein Zugriff möglich ist und entscheidet sich schließlich dagegen.
00:06:00
Die Gefahr für die Geiseln sei zu groß.
00:06:03
Stattdessen ist der Plan, die Geiselnehmer hinzuhalten, Mürbe zu machen und schließlich zum Aufgeben zu zwingen.
00:06:09
Und zwar mithilfe einer Verhandlungsgruppe, also Menschen, die genau für solche Situationen psychologisch ausgebildet sind.
00:06:15
Es wird also immer wieder mit Rösner telefoniert.
00:06:18
Der fordert 300.000 Mark in kleinen Scheinen, einen dunklen BMW, zwei Paar Handschellen und freien Abzug.
00:06:24
Rösner sagt, er werde die Geiseln mitnehmen und wenn er sicher ist, dass ihnen niemand folgt, werde er sie freilassen.
00:06:29
Die Verhandlungen ziehen sich.
00:06:31
Und mit jeder Stunde, die verstreicht, werden die Täter unruhiger.
00:06:34
Um ihren Forderungen Nachdruck zu verleihen, schießen sie mehrfach durch die Gegend.
00:06:39
Außerdem lassen sie Reinhold einen lokalen Radiosender anrufen.
00:06:43
Und an dieser Stelle beginnt die Einmischung der Medien in dieses Verbrechen.
00:06:47
Denn durch dieses Interview werden andere Pressevertreter auf die freie Leitung hinein in die Bank aufmerksam.
00:06:52
Und ab dem Zeitpunkt bleibt das Telefon nicht mehr still.
00:06:55
Unter den Reportern ist auch Hans Meiser von RTL.
00:06:58
Als er hört, dass der Hörer abgenommen wurde, aber niemand sich meldet, fragt er, wer denn am anderen Ende sei.
00:07:03
Ja, hier ist der Bankräuber, wird dem Journalisten entgegengeschrien.
00:07:07
Völlig ungläubig antwortet der.
00:07:09
Sie sind der Bankräuber?
00:07:10
Können Sie mir sagen, welche Forderungen Sie über die 300.000 Mark hinausstellen?
00:07:15
Was für einen Fluchtwagen wollen Sie denn haben?
00:07:17
Auch vor der Bankfiliale haben sich Dutzende Journalisten, Fotografen und Kameramänner versammelt.
00:07:22
Irgendwann hat sich Rösner mit der Verhandlungsgruppe auf 300.000 D-Mark und ein Fluchtfahrzeug geeinigt.
00:07:29
Das Geld wird von einem Polizisten, wie abgesprochen nur in Badehose bekleidet, vor der Tür der Filiale abgelegt.
00:07:35
Sekunden später sieht man den Kassierer Reinhold auf dem Boden robbend und mit einem Elektrokabel um den Hals gefesselt,
00:07:42
die Tür öffnen und das Geld in die Bank ziehen.
00:07:45
Diese Szene wird von etlichen Kameras festgehalten und mit ihr beginnt der Tatort in echt.
00:07:50
Also der Tatort, den man sonst nur aus dem Fernsehen kennt.
00:07:54
So bezeichnet es später einer der Fotografen.
00:07:56
Als dann gegen 10 Uhr abends das Fluchtfahrzeug bereitsteht,
00:08:00
wird der langsame Abzug der Täter und ihren Geiseln live im Heute-Journal übertragen.
00:08:04
Daraufhin irren die Täter erstmal ziellos durch die Stadt.
00:08:08
Die Polizei kann ihnen unauffällig folgen, denn der Fluchtwagen ist mit einem Peilsender und Wanzen ausgestattet.
00:08:13
Weniger unauffällig sind die Pressevertreter.
00:08:16
Sie fahren immer wieder dicht auf und machen Fotos.
00:08:19
Um kurz nach Mitternacht holen die Täter Rösners Freundin Marion Löblich ab.
00:08:23
Und so hat es die Polizei plötzlich mit drei Tätern zu tun.
00:08:26
Das Trio macht sich auf den Weg nach Bremen.
00:08:29
Marion hat dort Verwandte.
00:08:31
Während ihrer Fahrt pumpen sie sich immer wieder mit Alkohol und Aufputschmitteln zu.
00:08:34
In Bremen kommen sie am nächsten Morgen an.
00:08:37
Rösner fühlt sich nicht mehr verfolgt und so parkt er den Wagen schließlich in einer Seitenstraße einer kleinen Einkaufsstraße.
00:08:44
Marion und er machen sich dann auf den Weg in ein nahegeliegendes Geschäft, um dort andere Klamotten zu kaufen.
00:08:48
Peter Degowski bleibt mit Andrea und Reinhold zurück im Auto.
00:08:52
Nach kurzer Zeit verlässt auch er den Wagen, um auszutreten.
00:08:56
Reinhold und Andrea sitzen dann alleine im Auto.
00:08:59
Und Reinhold ist kurz davor, auf den Fahrersitz zu springen und einfach loszufahren.
00:09:03
Doch er traut sich nicht.
00:09:05
Mittlerweile sind Andrea und er mehr als 24 Stunden in der Gewalt der zu gedröhnten Täter
00:09:10
und einfach nicht mehr in der Lage, rational zu handeln.
00:09:12
Doch diese Situation stellt ja auch die perfekte Gelegenheit für die Polizei dar, einzugreifen und die Geiselnahme zu beenden.
00:09:19
Doch die Chance wird vertan, weil nicht genügend Einsatzkräfte vor Ort sind
00:09:24
und die Zusammenarbeit bzw. die Übergabe an die Bremer Polizei nicht richtig anläuft.
00:09:28
Und so geht die Odyssee weiter.
00:09:31
An diesem Morgen gibt der Einsatzleiter in Gladbeck eine Pressekonferenz,
00:09:35
in der er die Medien darum bittet, nicht mehr zu berichten.
00:09:38
Mein eindringlicher Appell an sie, bis zur Freilassung der Geiseln bzw. Festnahme der Täter
00:09:43
über diese Dinge nicht zu berichten.
00:09:45
Es liegt jetzt an ihnen, das Leben der Geisel nicht zu gefährden.
00:09:48
Doch daran wird sich nicht gehalten.
00:09:51
Während Rösner, Degowski und Löblich durch Bremen irren, hängt die Presse quasi an ihrem Auspuff.
00:09:56
Auch als sie in ein anderes Auto steigen, können sie die Journalisten nicht abwimmeln.
00:09:59
Doch die Polizei verliert das neue Auto immer wieder aus den Augen, weil sie sich in Bremen nicht auskennen.
00:10:04
Und dann unterläuft einem Beamten ein großer Fehler.
00:10:07
Er fährt zu nah auf und wird von Rösner entdeckt.
00:10:11
Der wird stinksauer.
00:10:13
Dann hält er vor einem Gemüseladen, steigt aus mit erhobener Pistole.
00:10:17
Er stürmt in den Laden und ruft von da die 110.
00:10:20
Die Bremer Polizei geht zwar ran, doch niemand will mit dem Geiselnehmer sprechen.
00:10:24
Keiner weiß so richtig, was zu tun ist und will Verantwortung übernehmen.
00:10:30
Rösner knallt den Hörer auf.
00:10:31
Er fühlt sich provoziert, in seiner Ehre gekränkt.
00:10:34
Schließlich sind sie es, die die Republik gerade in Angst und Schrecken versetzen und nonstop im Fernsehen zu sehen sind.
00:10:41
Diekowski, Rösner und Löblich drängen ihre Geiseln darauf hin zu einem nahegelegenen Busbahnhof.
00:10:46
Dort steht die Linie 53.
00:10:48
In diesem Bus sitzen 32 Menschen.
00:10:51
Darunter der 14-jährige Emanuele Di Giorgi mit seiner 9-jährigen Schwester Tatjana auf dem Schoß, die gerade auf dem Weg nach Hause sind.
00:10:58
Ihr Vater war vor 11 Jahren wegen des Jobs von Italien nach Deutschland gekommen, um der Familie hier eine bessere Zukunft zu ermöglichen.
00:11:06
Die Freundin Silke Bischof und Ines Woidler sitzen einige Reihen vor Emanuele und Tatjana.
00:11:11
Die zwei 18-Jährigen wollen sich heute einen gemütlichen Videoabend machen.
00:11:15
Doch dazu kommt es nicht, denn Rösner zielt mit der Waffe auf den Busfahrer.
00:11:20
Um kurz nach 19 Uhr wird die Linie 53 gekapert.
00:11:24
Alles festgehalten von Fotografen und Kameramännern, die vor der Polizei vor Ort sind.
00:11:29
Einer der Fotografen ist Peter Mayer.
00:11:32
Er fotografiert den Bus, als Rösner ihn plötzlich zu sich winkt.
00:11:35
Der Geiselnehmer erklärt dem Fotografen, was er von der Polizei verlangt und setzt ihn als Vermittler ein.
00:11:40
Rösner will einen neuen Fluchtwagen und einen unbewaffneten, mit Handschellen gefesselten Polizisten.
00:11:46
Anstatt, dass der Fotograf direkt zu den Beamten geht, um ihn das mitzuteilen,
00:11:51
gibt er die Infos aber erstmal an die herumstehenden Journalisten.
00:11:54
Nachdem Mayer auch der Polizei von Rösners Forderungen berichtet hat,
00:11:57
betritt er den Bus und macht Fotos von den verängstigten Geiseln.
00:12:02
Auch andere Fotografen folgen seinem Beispiel.
00:12:04
Von außen halten Fernsehkameras die Angst der Menschen fest.
00:12:08
Zwischen den Geiseln sieht man auch immer wieder Degowski und Rösner mit ihren Pistolen fuchteln.
00:12:13
Doch die Bilder reichen der Presse nicht.
00:12:16
Rösner soll ein Interview geben.
00:12:17
Und dann entstehen die wohl meist geschauten Bilder dieses Geiseldramas.
00:12:21
Eine Art Pressekonferenz des Täters, bei der alle Kameras und Mikros an seinen Lippen hängen.
00:12:28
Ein ARD-Reporter fragt, wie lange wollen Sie die Geschichte denn noch fortsetzen?
00:12:32
Darauf Rösner, ja wir werden noch einige Forderungen stellen und wenn die nicht umgesetzt werden, dann knallt es.
00:12:38
Und vor allem mein Kumpel ist brandgefährlich, ne?
00:12:41
Und das letzte ist dann dieser hier.
00:12:43
An dieser Stelle schiebt sich Rösner die Waffe in den Mund und im Hintergrund hört man das Knipsen unzähliger Kameras.
00:12:50
Ja, ich hab elf Jahre Knast weg, ich hab 13 Jahre gehabt, ich war von Anfang an im Erziehungsheim und so ne Scheiße alles.
00:12:56
Und ich scheiß auf mein Leben und das meine ich ganz ernst.
00:12:59
Sprudelt es aus Rösner heraus, der die Aufmerksamkeit, die die Presse ihm schenkt, sichtlich genießt.
00:13:04
Darauf fragt der Reporter kleinlaut, aber die anderen, die Unschuldigen?
00:13:09
Dafür kann ich nichts, ist Rösners Antwort.
00:13:13
13 Millionen Menschen sehen dieses Interview kurze Zeit später in den Tagesthemen.
00:13:18
Die Rechtfertigung, diese Bilder zu zeigen, wird in der Anmoderation geliefert.
00:13:22
Die Entscheidung, dieses Interview auszustrahlen, ist uns nicht leicht gefallen, aber wir halten es für ein Dokument.
00:13:29
Als Rösner zurück im Bus ist, sind die Augen von mehreren Scharfschützen auf die Täter gerichtet.
00:13:34
Einige Male geben die Sniper durch, dass es jetzt möglich wäre, die drei Täter in Außergefecht zu setzen, ohne die Geiseln in Gefahr zu bringen.
00:13:42
Doch eine Freigabe zum Schuss bekommt niemand.
00:13:45
Im Bremer Polizeigesetz ist ein Freischuss nicht explizit geregelt und wieder will keiner die Verantwortung übernehmen.
00:13:51
Und so verstreicht eine weitere Chance, die Geiselnahme ohne Verletzte zu beenden.
00:13:55
Während der ganzen Zeit in Bremen besteht kein Kontakt zu der Verhandlungsgruppe.
00:13:59
Auch die Polizisten vor Ort sprechen nicht mit Rösner, obwohl der danach immer wieder verlangt.
00:14:05
Irgendwann ist es ihm zu viel.
00:14:07
Er reißt Emanuele seine kleine Schwester aus den Armen und zerrt sie vor den Bus.
00:14:10
Mit der Waffe am Kopf der Neunjährigen schreit er, wenn hier nicht gleich einer kommt, dann knall ich sie weg.
00:14:16
Doch die Polizisten trauen sich nicht.
00:14:18
Sie wollen nur via Telefon verhandeln.
00:14:20
Über das Autotelefon von Peter Mayer, dem Fotografen, versucht er für Rösner Kontakt zur Verhandlungsgruppe herzustellen.
00:14:28
Hier berichten verschiedene Quellen unterschiedlich.
00:14:31
Entweder war die Nummer falsch oder die Nummer war richtig, aber es hat nicht geklingelt.
00:14:36
Das Ergebnis ist dasselbe.
00:14:38
Gegen 22 Uhr befiehlt Rösner, den Busfahrer loszufahren.
00:14:41
Und so rollt der Bus einige Minuten nach der gescheiterten Kontaktaufnahme an.
00:14:45
Mit knapp 30 Geiseln an Bord, darunter mehreren Kindern.
00:14:49
Im Wettlauf mit der Polizei fährt die Presse hinter dem Bus her,
00:14:53
bis der eine halbe Stunde später an einer Tankstelle hält, weil Marion löblich auf Toilette muss.
00:14:58
Dort werden Reinhold Alles und Andrea Blecker, die zwei Bankangestellten,
00:15:01
gegen Peter Mayer und seinen Fotografenkollegen ausgetauscht.
00:15:05
Nach 39 Stunden kommen die beiden ersten Geiseln endlich frei.
00:15:08
Als sie den Bus verlassen, werden sie von einem Blitzlichtgewitter geblendet.
00:15:12
Auch Tegowski verlässt den Bus zusammen mit der 18-jährigen Silke Bischof.
00:15:16
Zum ersten Mal tritt nun er vor die Kamera, hat dabei die Waffe an Silkes Kehle gedrückt.
00:15:21
Ein Reporter fragt ihn, sind sie wirklich bereit, Leute umzubringen?
00:15:25
Ja, antwortete Gowski.
00:15:27
Ist eine super Idee, ihn so vielleicht auch noch halbwegs zu provozieren mit dieser Frage.
00:15:33
Oder herauszufordern.
00:15:35
Und an Silke gerichtet fragt er, wie geht es Ihnen mit der Pistole am Hals?
00:15:41
Sie antwortet, naja, ziemlich gut eigentlich dafür.
00:15:45
Mir ist das alles gar nicht so bewusst irgendwie.
00:15:48
Zu jung, antwortete Gowski als Erklärung.
00:15:52
Während dieses Interview geführt wird, entscheidet das SEK vor Ort eigenmächtig, Marion Löblich festzunehmen, die sich gerade auf Toilette befindet.
00:16:00
Rösner wundert sich dann nach einigen Minuten, warum seine Freundin nicht zurückkommt.
00:16:03
Als er mitbekommt, dass sie festgenommen wurde, rastet er aus und droht, wenn Marion nicht in fünf Minuten zurück ist, stirbt hier einer.
00:16:11
Doch die ist schon am anderen Ende der Raststätte und der verantwortliche Beamte, der mit ihrem Auto sitzt, hat sein Funkgerät ausgeschaltet.
00:16:19
Die Polizei fährt den Wagen also hinterher, um die Täterin wieder zurückzuholen.
00:16:23
Doch das alles dauert.
00:16:25
Im Bus wird die Situation immer brenzliger.
00:16:27
Wie lange kann das dauern?
00:16:29
Das ist doch auf einer Raststätte, oder nicht?
00:16:32
Ja, es ist auf einer Raststätte.
00:16:34
Aber es wird dann quasi immer wieder versucht, mit den Verantwortlichen sozusagen in der Zentrale zu kommunizieren.
00:16:43
Rösner sagt das und das.
00:16:45
Was sollen wir tun?
00:16:47
Manche sind dafür, sie freizulassen, andere dagegen.
00:16:51
Und das dauert dann alles.
00:16:53
Wir haben ja die Zeit.
00:16:54
Die Täter schreien wild durcheinander und Rösner hält die Waffe wieder gegen Tatjanas Kopf.
00:17:00
Emanuele versucht, seine Schwester zu beruhigen.
00:17:02
Die Minuten vergehen.
00:17:04
Und dann geht Degowski mit erhobener Waffe auf Emanuele zu und schießt ihm in den Kopf.
00:17:09
Der Junge sagt auf seinen Platz zusammen.
00:17:13
Einige Sekunden später ist Marion Löblich wieder da.
00:17:17
Maya und sein Kollege tragen den verletzten Jungen aus dem Bus und die Presse wirft sich auf ihn.
00:17:22
Heb den Kopf doch nochmal hoch, ruft einer, um ein möglichst gutes Bild von dem sterbenden Jungen zu bekommen.
00:17:28
Eine ganze Kolonne an Polizeiautos steht vor der Raststätte.
00:17:32
Doch an einen Rettungswagen hat niemand gedacht.
00:17:35
20 Minuten lang muss Emanuele in seinem Blut liegen, bis lokale Rettungssanitäter eintreffen.
00:17:41
Zwei Stunden später stirbt der 14-Jährige im Krankenhaus, weil ihn die Hilfe wahrscheinlich zu spät erreichte.
00:17:47
Eine Woche später wird er in Italien beerdigt werden.
00:17:50
Fast 25.000 Menschen werden ihm die letzte Ehre erweisen.
00:17:55
Auf dem Weg zur Raststätte verunglückt noch ein Polizist mit dem Namen Ingo H. durch einen Zusammenstoß mit einem Laster tödlich.
00:18:05
Das zweite Todesopfer an diesem Abend.
00:18:08
Von den anderen bekommt das aber keiner mit und um kurz nach elf fährt der Bus wieder auf die Autobahn.
00:18:14
Für die Täter und die Geiseln geht es weiter Richtung holländische Grenze.
00:18:18
Dort werden sie von der niederländischen Polizei bereits erwartet.
00:18:21
Die Presse wird nicht durchgelassen.
00:18:23
Das hindert sie aber nicht, über Schleichwege doch noch an ihre Bilder zu kommen.
00:18:27
Nach ein paar Stunden verständigt man sich, alle Geiseln bis auf zwei freizulassen und in ein Fluchtfahrzeug umzusteigen.
00:18:33
Dabei kommt auch Tatjana frei, die zu dem Zeitpunkt noch nicht weiß, dass ihr großer Bruder das alles nicht überlebt hat.
00:18:41
In den frühen Morgenstunden dieses Donnerstags setzen die Täter ihre Fahrt fort.
00:18:45
Mit ihnen im Auto sitzen die zwei 18-jährigen Freundinnen Silke und Ines.
00:18:50
Um kurz vor elf rollt der Wagen in die Kölner Fußgängerzone und es dauert nicht lange, bis das auch von Passanten und der Presse bemerkt wird.
00:18:57
Eine große Traube an Menschen versammelt sich um das Auto, sodass es nicht mehr weiterfahren kann.
00:19:01
Die schaulustigen Gaffen, die Fotografen schießen ihre Bilder und die Reporter stellen Fragen.
00:19:07
Halt doch dem Mädchen nochmal die Pistole an den Kopf, ruft einer der Reporter zu Degowski.
00:19:11
Boah, der sitzt hinten zwischen Ines und Silke und bedroht Silke immer wieder mit der Waffe.
00:19:16
Auf den zahllosen Aufnahmen, die an diesem Ort entstehen, sieht man, wie viel Angst Silke hat.
00:19:21
Ihre weit aufgerissenen Augen suchen flehend nach Hilfe.
00:19:24
Doch niemand hilft.
00:19:26
Ines sagt später, sie habe sich wie ein Tier im Zoo gefühlt.
00:19:29
Die zwei Mädchen sind gefangen, den Tätern und den Voyeuren ausgeliefert.
00:19:33
Für die Presse scheinen sie in dem Moment tatsächlich keine Menschen mehr zu sein.
00:19:37
Während die Reporter den Tätern sogar Kaffee aufs Haus anbieten und fragen, ob sie nicht noch irgendetwas für sie tun könnten, mischen sich Zivilfahnder unter die Menschenmenge.
00:19:46
Die Polizei Köln hat nun die Einsatzleitung übernommen.
00:19:49
Doch ein Zugriff wird nicht durchgeführt.
00:19:52
Die Gefahr für die Geiseln und die umstehende Menge sei zu groß.
00:19:55
Nach mehr als einer Stunde wird es Rösner zu bunt.
00:19:58
Er will aus der Stadt raus und zurück auf die Autobahn.
00:20:01
Udo Röbel vom Kölner Express kennt den Weg.
00:20:03
Rösner will, dass der Donnerlist einsteigt und sie aus der Stadt lotst.
00:20:06
Und so setzt sich also ein stellvertretender Chefredakteur zu den Tätern ins Auto.
00:20:11
Hinter ihnen Jagd, Polizei und Presse.
00:20:14
An der nächsten Autobahnraststätte wird Röbel rausgelassen.
00:20:17
Währenddessen bereitet die Kölner Polizei den Zugriff vor.
00:20:19
Auf der Autobahn versprechen die Täter ihren Geiseln, dass sie freigelassen werden, sobald es dunkel ist.
00:20:25
Eine kleine Hoffnung kehrt zurück für Ines und Silke.
00:20:28
Doch die Polizei will nicht länger warten.
00:20:30
Sie wollen das Theater, das von der ganzen Republik quasi live mitverfolgt wird, jetzt endlich beenden.
00:20:35
Also wird der Zugriff angeordnet.
00:20:37
Doch der SEK-Beamte Alfred Schürmann, der den Wagen der Täter rammen soll, weigert sich.
00:20:42
Schürmann sieht ein zu großes Risiko für die Geiseln.
00:20:46
Von der Einsatzleitung kommt Zugriff trotz dem Wagen.
00:20:49
Also fährt er auf das Auto zu, doch trifft es an der falschen Stelle.
00:20:53
Sofort eröffnen die Täter das Feuer.
00:20:55
Die Beamten schießen zurück, 62 Mal.
00:20:58
Mitten im Kugelhagel zieht Rösner Silke nach vorne und bedroht sie mit der Waffe.
00:21:02
Silke schreit Ines an, dass sie aus dem Auto steigen soll.
00:21:06
Ines will ihre Freundin nicht zurücklassen, aber Silke schreit sie immer wieder an.
00:21:10
Dann springt Ines aus dem Wagen und in den Graben neben dem Standstreifen.
00:21:14
Und das SEK stürmt das Fluchtfahrzeug.
00:21:16
Rösner, Degowski, Löblich und Silke werden aus dem Auto gezogen.
00:21:20
Doch die 18-jährige Silke bewegt sich nicht.
00:21:23
Ein Schuss aus Rösners Waffe hatte sie getroffen.
00:21:26
Theo Reinewald vom SEK versucht sie wieder zu beleben, bis die Einsatzkräfte kommen.
00:21:30
Was sie zu ihm sagen, wird er nie vergessen.
00:21:33
Was habt ihr hier nur angerichtet?
00:21:35
Silke stirbt noch am Tatort.
00:21:37
Sie ist nach Emanuele und dem Polizisten Ingo H. das dritte Todesopfer dieser 54-stündigen Geiselnahme.
00:21:44
Alle drei wären nicht gestorben, wenn die Polizei besser vorbereitet gewesen wäre und nicht so viele Fehler gemacht hätte.
00:21:50
Doch in dieser Folge geht es nicht um Fehlentscheidungen der Behörden,
00:21:54
sondern um die Rolle der Medien und den Sündenfall des deutschen Journalismus, wie es im Nachhinein bezeichnet wurde.
00:22:00
Vielleicht sagst du erstmal, was du über die Berichterstattung in diesem Fall denkst.
00:22:07
Hast du irgendwelche Worte dafür?
00:22:08
Die haben das den Tätern ja regelrecht recht gemacht mit ihrem Verhalten.
00:22:14
Wie kann man so blind die Kamera auf ein Geschehen halten, ohne zu wissen, was man damit eigentlich auslöst?
00:22:20
Also jeder kennt ja irgendwie den Fall und die Bilder sind ja auch so im kollektiven Gedächtnis.
00:22:27
Aber bei der Recherche jetzt habe ich mir immer wieder gedacht, also das kann doch nicht so gewesen sein.
00:22:33
Also man kann es alles ja anschauen noch immer und man denkt sich, wie kann das sein?
00:22:40
Und ich habe mich dann auch gefragt, wie wäre es gewesen, wenn ich als Reporterin vor Ort gewesen wäre.
00:22:45
Und natürlich ist es einfach im Nachhinein zu sagen, wie man sich verhalten hätte.
00:22:51
Aber ich bin fest davon überzeugt, dass ich kein Interview mit den Tätern geführt hätte und mich wahrscheinlich tierisch über die Kollegen aufgeregt hätte.
00:23:00
Hast du total recht.
00:23:02
Ich weiß auch, dass ich das nicht tun würde.
00:23:03
Ich erzähle an späterer Stelle auch nochmal warum.
00:23:05
Denke, das liegt aber auch daran, dass dieser Fehler jetzt schon gemacht wurde.
00:23:12
Also den haben andere Journalisten jetzt schon gemacht.
00:23:14
Und damals steckte der Journalismus, wie wir ihn heute kennen, ja noch in den Babyschuhen und angemessenes Verhalten offenbar auch.
00:23:22
Und du siehst ja anhand dieses stellvertretenden Chefredakteurs, was Journalisten teilweise alles opfern für eine Story.
00:23:31
Der setzt sich zu den Tätern ins Auto, um darüber berichten zu können, um da noch dichter dran zu sein.
00:23:40
Ja, und bei mir war das schon so beim Anschauen von diesen Bildern, habe ich mich schon so eklig gefühlt.
00:23:45
Also man hat sich schon so wie ein Voyeur gefühlt und als würde man halt alle Grenzen der Privatsphäre halt von diesen Menschen überschreiten.
00:23:54
Und ich verstehe einfach wirklich nicht, wie es dazu kommen konnte, wie man so die Distanz verlieren konnte.
00:24:01
Ist mir ein Rätsel, ja.
00:24:04
Wie kann man zu den Tätern sagen, halt ihr nochmal die Waffe an den Kopf?
00:24:09
Sind das Menschen?
00:24:11
Und viele der Reporter und Fotografen haben ihr Verhalten danach auch bereut und auch erklärt, dass sie in einer Art Rausch waren.
00:24:21
Und ich wollte gerade sagen, das hört sich an, als wären die in so einem kollektiven Wahn gewesen, alle zusammen.
00:24:27
Ja, und wir, also man kennt das ja auch, wenn jetzt irgendwo was passiert, dann, ich glaube, sind wir auch vom Berufswegen her noch neugieriger, ja.
00:24:36
Und wir wollen wissen, was ist da passiert.
00:24:38
Aber da muss ja gerade bei Journalisten und Journalisten diese Bremse im Kopf angehen, dass man über sowas nicht berichtet und auch nicht draufhält, wenn jemand gerade stirbt.
00:24:51
Aber manche der beteiligten Journalisten reden sich auch ein bisschen raus und indem sie dann sagen, sie hätten es nicht besser gewusst und das war ja alles ganz neu.
00:25:00
Ja, und die geben den Polizisten die Schuld, manche von ihnen und sagen, die hätten uns gar nicht so nah dran gelassen, also dran lassen sollen.
00:25:07
Genderst du mit Absicht nicht oder waren das nur Männer?
00:25:10
Ja, da bin ich nämlich beim nochmal drüber gehen von meinem Fall auch drüber gestolpert, dass ich wirklich ja gar nicht gegendert habe, aber weil auch keine Frauen da waren.
00:25:21
Also von den Journalisten vor Ort, Kameramännern, Fotografen, es waren nur Männer immer zu sehen und alle, die jemals danach darüber geredet haben, waren Männer.
00:25:31
Aber ich finde, man kann ja nicht den Polizisten die Schuld geben, von wegen, die hätten uns gar nicht so nah dran lassen dürfen.
00:25:37
Entschuldige mal, hä?
00:25:38
Das sind die Irre, die haben doch ein eigenes Verständnis und einen eigenen moralischen Kompass dafür, was man darf oder was man nicht.
00:25:46
Das kann man. Zu sagen, die Polizisten hätten uns nicht so nah dran lassen dürfen, ist genauso wie wenn der Täter sagt, ich kann da nichts für.
00:25:56
Ja, mal abgesehen davon, dass die über jede Persönlichkeitsgrenze und Privatsphäre einfach drüber hinweggegangen sind und die Distanz verloren haben, haben die ja auch ganz offensichtlich den Einsatz von den Polizisten behindert.
00:26:14
Die waren immer hinter diesem Bus her, hinter diesem Auto her, haben sich da quasi sozusagen so Straßenrennen gegeben.
00:26:22
Dann nicht nur die Journalisten, sondern auch diese Menschenmenge, die um das Auto rumgestanden haben, haben einfach die Ermittlungen gefährdet.
00:26:30
Und dadurch, dass die ganze Zeit übertragen wurde, glaube ich, wurde auch ein großer, großer Druck auf die Ermittler ausgeübt.
00:26:38
Und man kann das heute natürlich nicht sagen, aber vielleicht wäre das Drama ja möglicherweise anders ausgegangen, wenn nicht in dieser Art und Weise darüber berichtet worden wäre.
00:26:47
Vielleicht, ja. Bei dem Attentat auf die Olympischen Spiele 72 in München war das doch auch so.
00:26:54
Da haben die Geisenehmer aus dem Fernsehen und aus dem Radio erfahren, dass Polizisten in Trainingsklamotten gerade eine Befreiungsaktion planen.
00:27:04
Und die musste dann deswegen abgebrochen werden.
00:27:06
Also hat die Presse den Tätern in dem Fall sogar geholfen?
00:27:10
Ja, nicht absichtlich, aber ja.
00:27:13
Für diese Folge habe ich mir ja quasi den Paradefall ausgesucht für das Worst-Case-Szenario.
00:27:19
Und einen Fall, der sich anbietet, um einmal über die Grenzen des Journalismus zu sprechen.
00:27:23
Dazu muss man sich mit der Berufsethik des Journalisten bzw. der Journalistin beschäftigen.
00:27:28
Und damit komme ich zu meinem Aha.
00:27:30
Ethisches Handeln im Journalismus ist für eine Demokratie nämlich unglaublich wichtig, weil dem Journalismus als sogenannter vierter Gewalt in unserem Rechtsstaat eine wichtige Rolle zukommt.
00:27:40
Die Ethik, für alle, die das nicht wissen, ist eine Teildisziplin der Philosophie und die beschäftigt sich mit moralischem Handeln.
00:27:47
Für die Ethik ist die goldene Regel besonders wichtig.
00:27:50
Die gibt es in vielen Kulturen und auch in verschiedenen Formulierungen.
00:27:54
Die Intellektuellen unter euch denken jetzt bestimmt direkt an den kategorischen Imperativ von Immanuel Kant, der besagt,
00:28:01
Und wenn man sich an diese goldenen Regel hält, handelt man in der Regel ethisch richtig, wenn man jetzt mal von ähnlichen Grundwerten ausgeht.
00:28:21
Aber der Journalist und die Journalistin sind da ja erstmal außen vor, denn die handeln grundsätzlich erstmal unter der Prämisse der Pressefreiheit,
00:28:28
also dem Recht auf unzensierte Veröffentlichung von Nachrichten und Meinungen.
00:28:32
Aber nur, wenn du von einem unmöglichen Szenario ausgehst, und zwar dem, dass Journalistinnen nur ihrer Funktion der Wahrheitsfindung nachgehen.
00:28:41
Und wir können ja leider niemandem absprechen, auch Mensch zu sein.
00:28:45
Und deswegen muss ein Mensch nach seinen Prinzipien handeln und nicht der Journalist oder die Journalistin nach dem,
00:28:51
wozu sie beruflich vermeintlich das Recht dazu haben.
00:28:54
Oder halt eben auch nicht.
00:28:55
Also in deinem Beispiel, im Fall Gladbeck, wären die Medienvertreter besser beraten gewesen,
00:29:00
wenn sie in sich gehorcht hätten und was getan hätten, was menschlich angemessen gewesen wäre
00:29:05
und nicht das, was ihnen die spektakulärsten Bilder eingebracht hat.
00:29:10
Genau, und das ist nämlich dieses Abwägen, auf das ich gleich nochmal zurückkomme.
00:29:15
Und da stellt sich dann auch die Frage, an welcher Stelle diese Freiheit endet und wann die Ethik einsetzt.
00:29:21
Schon im Artikel 5 des Grundgesetzes, wo die Pressefreiheit verankert ist, steht in Absatz 2,
00:29:26
diese Rechte finden ihre Schranken in den Vorschriften der allgemeinen Gesetze,
00:29:30
den gesetzlichen Bestimmungen zum Schutz der Jugend und in dem Recht der persönlichen Ehre.
00:29:34
Die Pressefreiheit gilt also nicht ganz ohne Einschränkungen.
00:29:37
Und die Journalisten und Journalistinnen schränken sich selbst noch weiter ein,
00:29:41
und zwar mit ihrem Pressekodex, der insgesamt 16 Grundsätze auflistet,
00:29:44
die ein Journalist und eine Journalistin zu beachten haben.
00:29:48
Also kurz und knapp, hier sind die 16 Grundsätze.
00:29:52
Wahrhaftigkeit und Achtung der Menschenwürde, Sorgfalt, Richtigstellung, Grenzen der Recherche,
00:29:58
damit ist gemeint, dass man nicht mit irgendwelchen krummen Methoden an seine Informationen kommt,
00:30:04
Ausgeheimnis, Trennung von Tätigkeiten, Trennung von Werbung und Redaktion,
00:30:07
Persönlichkeitsrechte einhalten, Schutz der Ehre, keine Verunglimpfung von Religion, Weltanschauung und Sitte,
00:30:14
Verzicht auf Sensationsberichterstattung, keine Diskriminierung, Unschuldsvermutung,
00:30:20
korrekte Medizinberichterstattung, keine Vergünstigung, also das heißt keinerlei Bestechung,
00:30:26
und Rügenveröffentlichung und die Rügen sind die des Presserates, wenn halt jemand gegen einen von diesen Grundsätzen verstoßen hat,
00:30:35
dann muss dieser Verlag oder dieser Fernsehsender diese Rüge veröffentlichen sozusagen.
00:30:41
Das finde ich gut.
00:30:43
Ja, machen aber auch nicht alle.
00:30:46
Und trotz dieser ganzen Grundsätze darf in Anführungsstrichen ein Journalist oder eine Journalistin auch mal unmoralisch in unserem Sinne handeln.
00:30:55
Denken wir nun mal an die Strache-Affäre oder auch Ibiza-Gate genannt.
00:31:01
Da haben ja Investigativ-Journalisten ein heimlich aufgenommenes Video veröffentlicht und damit haben die ja die Privatsphäre dieser österreichischen Politiker verletzt.
00:31:12
Aber weil die Journalisten mit der Veröffentlichung des Videos einen großen Politikskandal um Korruption und so weiter offenlegen konnten,
00:31:20
war das dann an dieser Stelle quasi okay.
00:31:22
Die Aufklärung der Öffentlichkeit war in diesem Fall wichtiger, als moralisch richtig gegenüber zwei Menschen zu handeln,
00:31:30
indem ihre Persönlichkeitsrechte eben geschützt werden.
00:31:33
Also bei solchen Geschichten muss der Journalist oder die Journalistin also abwägen.
00:31:37
Und die Grundsätze sind ja auch keine Gesetze, an die man irgendwie gebunden ist und wenn man die nicht einhält, dass man dann ins Gefängnis muss.
00:31:44
Es ist auch gar nicht so einfach, wie sich das jetzt für euch anhören mag.
00:31:48
Wir müssen halt auch jedes Mal neu abwägen, welche Namen lassen wir, wie sie sind und wo müssen wir vielleicht sogar Ortsangaben ändern,
00:31:55
um die Persönlichkeitsrechte der beteiligten Menschen zu schützen.
00:31:59
Genau. Und wir müssen natürlich auch immer abwägen, wie erzählen wir eigentlich einen Fall.
00:32:03
Weil auf der einen Seite wollen wir die Geschichte so erzählen, dass ihr sie alle gut nachvollziehen könnt.
00:32:08
Und auf der anderen Seite wollen wir aber auch nicht zu detailliert erzählen, wenn es quasi wieder mal zu brutal wird.
00:32:16
Also da geht es dann um die Sensationsberichterstattung, die wir nicht wollen und natürlich auch um den Jugendschutz.
00:32:22
Und im Fall von Gladbeck wurde aber eben an vielen Stellen nicht richtig abgewogen.
00:32:26
Und deshalb wurde der Pressekodex nach der Tat auch nochmal erweitert.
00:32:29
In der Richtlinie 11.2, die zur Sensationsberichterstattung gehört, steht seitdem.
00:32:35
Und man merkt hier so richtig, wie genau auf diesem Fall das alles funktioniert.
00:32:41
Und man merkt hier so richtig, wie genau auf diesem Fall das alles formuliert wurde.
00:33:06
Alles, was die falsch gemacht haben, wurde dann nochmal explizit aufgeschrieben.
00:33:10
Bei so einem krassen Fall muss man ja auch eigentlich mal die Frage stellen, ob die Journalisten nicht auch irgendwie für dieses Fehlverhalten belangt werden können.
00:33:19
Also ich weiß nur, dass sie nicht belangt wurden und dass es auch nicht unbedingt Konsequenzen gegeben hat von deren Arbeitgebern, sage ich jetzt mal.
00:33:29
Da haben sich natürlich viele entschuldigt und haben auch viel Hate abbekommen.
00:33:34
Aber wenn man jetzt zum Beispiel an Udo Röbel denkt, der sich damit in das Fahrzeug gesetzt hat, der wurde einige Zeit später Chefredakteur der Bild-Zeitung.
00:33:43
Also ihm hat es nicht geschadet seiner Karriere.
00:33:47
Nee, und ich meine, genauso wie die Polizisten agieren die ja auch nicht ganz alleine.
00:33:52
Die halten ja auch Rücksprache mit ihren Redaktionen und kriegen im Zweifel den Auftrag halt auch von denen.
00:33:57
Ja, manche haben auch gesagt, ja, meine Aufgabe, ich war da Reporter, ich habe dann da mitgemacht und es gibt ja dann noch andere, die entscheiden, ob das veröffentlicht wird.
00:34:08
Aber ich meine, das ist auch so ein bisschen Schuld hin und her schieben, ja, aber letztendlich.
00:34:12
Ach, die Verantwortung liegt bei allen.
00:34:13
Die Verantwortung liegt bei denen, die den Auftrag dazu geben.
00:34:16
Die Verantwortung liegt bei denen, die das ausführen und die Verantwortung liegt auch bei denen, die das veröffentlichen.
00:34:21
Aber ich finde, du kannst als Reporterin oder Reporter dich nicht darauf berufen, dass du erst mal der Redaktion mitbringst, was geht und dich dann darauf verlassen, dass die dann die richtige Entscheidung treffen.
00:34:32
Weil du hast die Bilder ja nachher besorgt.
00:34:35
Nur, um mal den Blick in die Gegenwart zu lenken, man hat daraus auch gelernt und Schlüsse gezogen.
00:34:40
Nicht nur was den Pressekodex angeht.
00:34:43
Ich meine, es war auch das Heute-Journal, wo über eine Hinrichtung von Geiseln des IS berichtet wurde.
00:34:49
Und es gab Videomaterial von der Hinrichtung und auch von den Momenten davor.
00:34:55
Und der Nachrichtensprecher sagte dann aber bei der Meldung, wir sehen hier keinen journalistischen Grund, auch noch ein Bild davon zu zeigen.
00:35:03
Also jetzt nicht von der Hinrichtung, sondern von der Szene generell.
00:35:07
Das ist ja auch vollkommen richtig, eine Enthauptung nicht zu zeigen.
00:35:11
Ich glaube aber, dass es für die Öffentlich-Rechtlichen auch oft einfacher ist, besonders brutale Bilder nicht zu zeigen.
00:35:18
Für die privaten Medien, die ja auf Aufmerksamkeit angewiesen sind, um überhaupt Geld zu verdienen, ist die Veröffentlichung von einem Foto mit einer Waffe am Kopf dann schon nachvollziehbarer.
00:35:32
Macht es aber nicht besser.
00:35:34
Aber zu Bildern an sich, manchmal stehen Bilder ja auch für ganze Katastrophen.
00:35:39
Wir hatten ja schon in Folge 20, wo wir über Mordlust gesprochen haben, das schon mal erwähnt.
00:35:42
Also der ertrunkene Junge, der da am Strand auf dem Bauch liegt mit dem roten Shirt.
00:35:48
Das will erst mal auch niemand sehen, weil es so, so schrecklich ist.
00:35:52
Aber das musste gezeigt werden, weil es stellvertretend für das ganze Flüchtlingsdrama und für alle auf dem Mittelmeer ertrunkenen Flüchtlinge steht.
00:36:01
Glaubst du denn, dass trotzdem noch mal sowas passieren kann, wie jetzt in Gladbeck?
00:36:07
Naja, klar, noch schlimmer.
00:36:08
Das ist ja ganz andere Möglichkeiten heute, Live-Übertragungen zu machen.
00:36:12
Eben, und das wird ja dann nicht von JournalistInnen hochgeladen, sondern von normalen Social-Media-Nutzern, die im Zweifel noch nie was vom Pressekodex gehört haben.
00:36:21
Und hier liegt ja das große Problem dieser Everyone-is-a-Journalist-Mentalität des Internets.
00:36:27
Der normale Nutzer oder die normale Nutzerin ist nämlich ja in der Regel nicht journalistisch ausgebildet.
00:36:33
Und es gibt ja auch keine Instanz, die die Informationen dann vor der Ausstrahlung oder dem Posten nochmal überprüft.
00:36:38
Aber so ist es ja heute bei den großen Medienereignissen, wie zum Beispiel bei einem Terroranschlag.
00:36:45
Da berichten ja jetzt nicht mehr die traditionellen Medien als erstes.
00:36:48
Bei den Pariser Terroranschlägen gab es ja die ersten Bilder auch zum Beispiel via Periscope.
00:36:53
Und wir erinnern uns ja auch noch alle an den Attentäter von Christchurch.
00:36:58
Der hat ja seine Taten live gestreamt und damit wurden Bilder veröffentlicht, die niemals hätten veröffentlicht werden dürfen.
00:37:06
Ja, und die Frage ist dann, wie kann man sowas eigentlich verhindern?
00:37:09
Und da muss man dann halt wieder auf die großen Player wie Facebook oder YouTube zeigen,
00:37:13
die von der Politik noch mehr in die Pflicht genommen werden müssen, was Persönlichkeitsrechte angeht,
00:37:19
aber auch den Umgang mit Falschinformationen.
00:37:21
Ja, damit sowas zumindest in diesem Ausmaß nicht nochmal passiert.
00:37:27
Mein Fall, diese Folge zeigt, dass schon eine einzige Journalistin mit ihrer Berichterstattung Menschen eine Stimme geben kann
00:37:34
und dass das auch dann wichtig ist, wenn es am Ende für niemanden ein Happy End gibt.
00:37:39
Kerstin Herrenkind ist da an einer Geschichte dran.
00:37:42
Bisher hat sie eine Absage nach der anderen kassiert.
00:37:46
Jetzt aber will jemand sprechen.
00:37:48
Die Kontaktperson erzählt ihr, dass es Anzeichen dafür gab, dass diese Katastrophe passieren würde.
00:37:54
Und trotzdem wurde sie nicht verhindert.
00:37:57
Heike sitzt im Lehrerzimmer des Gymnasiums, an dem sie angestellt ist, in einem Ort nicht unweit von Bremen.
00:38:04
Es ist Winter im Januar 2008.
00:38:08
Heike arbeitet seit fast zwei Jahren als Lehrerin an dieser Schule.
00:38:11
Das hier ist ihre erste richtige Anstellung.
00:38:15
Sie berichtet Biologie und Chemie und ist mit Anfang 30 voll motiviert.
00:38:19
Dieses Jahr soll sie auf Lebenszeit verbeamtet werden.
00:38:23
Heike freut sich darauf.
00:38:24
Da bekommt sie ein besseres Gehalt, muss sich keine Sorgen mehr um ihre Zukunft machen.
00:38:29
Eigentlich läuft alles gut für sie.
00:38:33
Aber Heike traut sich an diesem Tag nicht, das Lehrerzimmer zu verlassen.
00:38:36
Und das nicht zum ersten Mal in den letzten Monaten.
00:38:39
Sie weiß, dass vor der Tür Manu einer ihrer Schüler auf sie wartet.
00:38:43
Ihre Kollegin Martina hat es ihr gerade gesagt.
00:38:46
Und Heike will nicht mit Manu sprechen.
00:38:48
Er hat etwas Bedrohliches an sich und es vernaht an Heike.
00:38:52
Das erkennt auch Martina.
00:38:55
Beide ahnen, dass nicht viel mehr fehlt, bis die Situation mit Manu eskaliert.
00:38:59
Heike verlässt das Lehrerzimmer an diesem Tag nicht durch die Tür, sondern steigt aus dem Fenster.
00:39:04
Manchmal hat sie die letzten Wochen ein Kollege zu ihrem Auto begleitet, wenn sie sich gar nicht mehr aus dem Zimmer getraut hat.
00:39:11
Später an diesem Tag tippt Heike den Vorfall in ihren PC.
00:39:15
Ihr Vater hat ihr geraten, ein Protokoll mit allen Vorfällen anzufertigen.
00:39:19
Nur für den Fall der Fälle.
00:39:21
Heike wendet sich in letzter Zeit öfter an ihre Eltern.
00:39:24
Sie geben ihr Halt.
00:39:25
Allein weiß sie nicht so ganz, mit der Situation umzugehen.
00:39:29
Manu geht bei Heike in den Bioethikkurs in die Oberstufe.
00:39:32
Als Heike 2006 auf die Schule gekommen ist, ist sie dem jungen Mann gleich aufgefallen.
00:39:37
Sie hat langes braunes Haar und ein freundliches Gesicht.
00:39:40
Sie hat etwas, was andere Frauen nicht haben, findet Manu.
00:39:44
Er ist ein zurückgezogener Junge, der zwar überdurchschnittlich intelligent ist, aber kaum Freunde hat.
00:39:51
Seine Mutter arbeitet auch an der Schule in der Mediathek des Gymnasiums.
00:39:54
Die beiden haben kein gutes Verhältnis zueinander.
00:39:57
Sie hat ihm wiederholt gesagt, dass er kein gewolltes Kind ist.
00:40:00
Das hat Manu Heike einmal im Vertrauen erzählt.
00:40:05
Nachdem er in ihren Kurs gekommen ist, hat er öfter mal ihren Rat gesucht und ihr von seinen Problemen erzählt.
00:40:11
Heike nimmt ihren Beruf als Lehrerin sehr ernst und Manu tut ihr leid.
00:40:15
Sie ist behütet aufgewachsen.
00:40:18
Manus Kindheit hingegen sah ganz anders aus als ihre.
00:40:21
Irgendwann aber reichen Manu die einzelnen Gespräche und Ratschläge nicht mehr.
00:40:25
Er fängt an, Heike zu belagern und ihr auf den Schulgängen aufzulauern.
00:40:31
Im Dezember 2007 fängt er sie wieder einmal nach Unterrichtsschluss vor dem Lehrerzimmer ab.
00:40:35
Zwei Stunden lang hört sie sich an dem Tag seine Probleme an.
00:40:39
Manu leidet unter Depressionen.
00:40:41
Das hatte der Schulpsychologe schon festgestellt.
00:40:44
Er erzählt Heike sogar von seinen Selbstmordgedanken.
00:40:46
Nachdem Heike das hört, weiß sie, dass sie nicht mehr alleine weiterhelfen kann.
00:40:52
Sie holt sich Hilfe beim sozialpsychiatrischen Dienst.
00:40:55
Der rät ihr, Manu aus dem Weg zu gehen.
00:40:57
Sollte er erneut Selbstmordgedanken äußern, soll sie das der Polizei melden.
00:41:02
Heike ist im Zwiespalt.
00:41:04
Sie kann Manu in seiner Situation nicht einfach sich selbst überlassen,
00:41:08
findet sein Verhalten aber unangemessen und fühlt sich beengt.
00:41:12
Sie ist nicht die einzige Lehrerin, die das so sieht.
00:41:15
Ihrer Kollegin Martina hat Manu schon erzählt, dass er selbst an einer Waffe bastelt.
00:41:20
Martina sieht nicht nur die Gefahr für Manu selbst, sondern auch für andere.
00:41:24
Zwei Tage nachdem Heike über das Fenster aus dem Lehrerzimmer vor Manu geflohen ist,
00:41:28
fängt er sie wieder ab.
00:41:30
Diesmal droht er damit, sich umzubringen.
00:41:32
Heike hört auf den Rat des psychiatrischen Dienstes
00:41:35
und benachrichtigt zusammen mit ihrer Kollegin die Polizei.
00:41:38
Als die Beamten Manus Zimmer zu Hause durchsuchen,
00:41:41
finden sie einen Sprenggürtel mit Explosionsstoff.
00:41:44
Er sagt, er wollte ihn sich um den Hals legen.
00:41:48
Gegen Manu wird ein Ermittlungsverfahren eingeleitet.
00:41:51
Nach der Aktion willigt er ein, eine Therapie zu machen.
00:41:54
Aber seine Ansprechpartnerin Heike möchte er gerne dabei haben.
00:41:58
Sie lässt sich zu dem Deal breitschlagen.
00:42:01
Als sie mit Manu bei der Therapie sitzt,
00:42:04
offenbart sich erstmals das ganze Ausmaß der Situation.
00:42:06
Manu sagt, dass er sich in Heike verliebt hat und gerne eine Beziehung mit ihr hätte.
00:42:12
Als Heike das hört, steht sie auf und verlässt die Sitzung.
00:42:15
Am 17. Januar fasst Heike den Entschluss,
00:42:18
dass sie Manu nicht mehr unterrichten möchte.
00:42:20
Zwar fühlt sie sich auch für ihn verantwortlich,
00:42:23
aber vor diesem Hintergrund will sie ihn nicht mehr in ihrem Kurs haben.
00:42:27
Als Heike den Schulleiter Kunze,
00:42:29
seinen Namen und den von Manu habe ich übrigens geändert,
00:42:33
darüber informiert, reagiert der mit Unverständnis.
00:42:37
Er will zwar mit Manu reden, aber ihn aus ihrem Kurs nehmen,
00:42:40
das hält er nicht für angebracht.
00:42:42
Stattdessen hat er einen anderen Vorschlag.
00:42:44
Heike schreibt in ihr Protokoll,
00:42:46
Entscheidung von Herrn Kunze und Frau B.,
00:42:49
in Klammern Oberstufenkoordinatorin,
00:42:51
dass Manu in meinem Kurs verbleibt
00:42:54
und dass es besser für alle ist, wenn ich ihn einzeln betreue.
00:42:57
Meine Einwände dagegen wurden nicht ernst genommen.
00:42:59
So mache ich mit Manu Einzeltermine ab.
00:43:02
Heike hat nicht nur Angst vor Manu,
00:43:05
sondern auch davor, dass sie ihre Aussicht auf die Verbeamtung verliert.
00:43:08
Und das darf auf keinen Fall passieren.
00:43:11
Deswegen hält sie sich an die Vorgaben der Schulleitung.
00:43:14
Aber die Situation mit Manu entspannt sich nicht.
00:43:17
Der Schulleiter bittet ihn darum, den Kurs zu wechseln.
00:43:20
Der lehnt aber ab.
00:43:21
Erst nachdem Heike Ende Februar endlich verbeamtet ist,
00:43:24
traut sie sich, ihren Willen durchzusetzen,
00:43:26
Manu nicht mehr allein betreuen zu wollen.
00:43:28
Der muss jetzt also den Kurs wechseln.
00:43:31
Das bewirkt aber nur,
00:43:32
dass er seine Therapie nicht weitermachen will.
00:43:35
Den engen Kontakt zu Heike sucht er weiterhin.
00:43:37
Auch in den Sommerferien 2008
00:43:40
lässt er seine Lehrerin nicht in Frieden.
00:43:42
Immer wieder schickt er ihr seitenlange Mails,
00:43:45
in denen er ihr sagt, dass er sie zum Knuddeln findet,
00:43:48
auch wenn sie ihm manchmal kühl erscheint.
00:43:51
Wärst du nicht gewesen, könnte ich dir heute nicht mehr schreiben.
00:43:54
Vielleicht kann ich dir eines Tages dafür danken,
00:43:57
dass du mein Leben bewahrt hast,
00:43:59
steht in einem dieser Texte.
00:44:01
Was mir niemand bezahlen kann,
00:44:03
sind die Minuten und Stunden, die ich mit dir verbracht habe.
00:44:06
Waren sie auch noch so schmerzhaft?
00:44:08
Irgendwann aber verändert sich die Tonalität in seinen Texten
00:44:12
an die Frau, die seine obsessiven Annäherungsversuche
00:44:15
jetzt schon so lange abwehrt.
00:44:17
Heike zieht einen Anwalt zur Rate.
00:44:32
Der empfiehlt ihr, eine einstweilige Verfügung
00:44:34
gegen ihren ehemaligen Schüler zu erwirken.
00:44:36
In ihrem Protokoll findet sich ein Eintrag,
00:44:39
in dem sie schreibt, dass Schulleiter Kunze
00:44:41
auch dafür kein Verständnis hat.
00:44:43
Manu hätte es ja ohnehin schon nicht leicht.
00:44:46
Über Monate ziehen sich die Nachrichten,
00:44:48
die immer aggressiver werden.
00:44:50
Er schreibt von Wut gegen die Lehrer
00:44:52
und wie unverschämt diese immer über ihr anstrengendes Leben jammern würden.
00:44:55
Jeden Kontaktversuch notiert Heike sorgfällig im Protokoll.
00:45:00
Dann, im März 2009, passiert ein Drama,
00:45:03
von dem ich hier auch schon mal erzählt habe.
00:45:05
Der Amoklauf von Winden.
00:45:07
Der scheint in Manu etwas auszulösen.
00:45:09
In einer Hausarbeit schreibt er darüber,
00:45:12
dass er für Gerechtigkeit sorgen wird.
00:45:14
Außerdem tauchen in der Schule Zettel auf,
00:45:16
auf denen Beleidigungen gegen die Lehrer stehen.
00:45:18
Erst jetzt erkennt auch die Schulleitung,
00:45:21
dass Manu zum Problem wird.
00:45:23
Also erst, wenn nicht mehr nur die junge Lehrerin gestalkt wird,
00:45:27
dann greift die Schulleitung ein.
00:45:30
Herr Kunze informiert die Polizei
00:45:32
und reicht beim Amtsgericht den Antrag ein,
00:45:33
Manu zwangseinzuweisen.
00:45:35
Die Polizei erkennt die Gefahr, die von Manu ausgeht.
00:45:39
Bei dem Amtsgericht bewirkt das allerdings wenig.
00:45:41
Sie lehnen die Einweisung ab.
00:45:43
Manu fühlt sich verraten, von Heike und von dem Schulleiter.
00:45:48
Er verlässt das Gymnasium.
00:45:50
Zum Abitur wird er nicht zugelassen.
00:45:52
Im Sommer 2009 fängt Manu bei der Bundeswehr an.
00:45:56
Die erfährt übrigens nichts von dem Ermittlungsverfahren
00:46:00
oder, dass er als gefährdet gilt,
00:46:02
einen Amoklauf zu begehen.
00:46:05
Heike fühlt sich in der Zeit erleichtert,
00:46:06
Manu nicht mehr jeden Tag sehen zu müssen.
00:46:08
Was sie nicht weiß, ist,
00:46:10
dass Manu schon vor Monaten beschlossen hat,
00:46:12
was mit Heike passieren muss.
00:46:14
Dass er sie nicht mehr täglich in der Schule sieht,
00:46:17
ändert nichts an seiner Besessenheit.
00:46:19
Manu weiß schon längst, wo Heike wohnt.
00:46:22
An den Autobahnbrücken hatte er Videokameras installiert,
00:46:25
um herauszufinden, welche Wege sie nach Hause nimmt.
00:46:28
Das Material hat er dann ausgewertet.
00:46:30
Heike wohnt alleine.
00:46:32
Wenn sie zu Hause ist, vermeintlich sicher in ihren vier Wänden,
00:46:35
ahnt sie nicht, dass Manu sie von außen beobachtet
00:46:38
und er Fotos von ihr knipst.
00:46:40
Es ist der 18. Dezember, Freitag vor Weihnachten.
00:46:43
Heike steigt in ihren silbernen Wagen
00:46:46
und will nach der Arbeit nach Hause fahren.
00:46:48
Es ist nachmittags und sehr kalt.
00:46:50
Manu weiß ganz genau, wo Heike in diesem Moment ist.
00:46:53
Ein paar Stunden zuvor ist er mit dem Fahrer
00:46:55
zu seiner ehemaligen Schule gefahren,
00:46:56
hat einen Peilsender am Auto angebracht
00:46:59
und verfolgt seitdem in einem Versteck vor ihrer Wohnung
00:47:02
über sein Handy, wo Heike langfährt.
00:47:04
Heute will er seinen Plan umsetzen.
00:47:06
In seiner Tasche hat er alles mitgenommen, was er braucht.
00:47:09
Zwei Messer, eine Pistolenattrappe, Kabelbinder,
00:47:13
eine Kamera und einen USB-Stick.
00:47:16
Er will sie dazu zwingen, ihn mit in ihre Wohnung zu nehmen.
00:47:19
Dort soll sie sich dann seinen Fragen stellen.
00:47:22
Über 6.500 davon hat er aufgeschrieben.
00:47:25
Auf 260 Seiten gespeichert auf dem Stick.
00:47:29
Wer hat so viele Fragen?
00:47:31
Wir würden noch nicht mal 1.000...
00:47:33
Wie viele Fragen?
00:47:36
Das ist ja echt...
00:47:39
Du erkennst das Ausmaß seiner Besessenheit.
00:47:42
Er will von ihr wissen, wie viele Männer sie hatte,
00:47:44
welche sexuellen Erlebnisse und ob sie ein Poesiealbum hatte.
00:47:48
48 Stunden lang will er sie verhören und danach umbringen.
00:47:52
Heike kommt gegen halb 3 nachmittags bei sich zu Hause an.
00:47:55
Manu rennt ihr entgegen und widelt mit der Fake-Pistole vor ihr herum.
00:47:58
Aber Heike denkt nicht daran, seinen Forderungen nachzukommen.
00:48:02
Sie schlägt ihm die Waffe aus der Hand und schreit laut um Hilfe.
00:48:05
Jetzt zieht Manu eines der Messer und sticht mehrmals auf Heike ein.
00:48:09
Heike stirbt vor ihrer Haustür, bevor jemand helfen kann.
00:48:12
Manu ruft nach der Tat selbst die Polizei.
00:48:15
Er bittet sie, ihn abzuholen.
00:48:17
Die Beamte am Telefon fragt noch,
00:48:20
ob das Opfer seine Ehefrau oder seine Partnerin war.
00:48:23
Manu antwortet, meine Lehrerin.
00:48:26
Aber da war mehr zwischen uns.
00:48:28
Kerstin Hernkind schreibt unter anderem für den Stern,
00:48:31
als sie von dem Fall der getöteten Lehrerin erfährt.
00:48:33
Sie recherchiert zu den Hintergründen
00:48:36
und versucht, in Kontakt mit Heikes Eltern zu treten.
00:48:38
Aber die wollen nicht reden.
00:48:40
Genau wie fast alle von Manus ehemaligen Mitschülern.
00:48:44
Bis auf eine Person.
00:48:45
Die ist froh, dass endlich mal jemand nachfragt.
00:48:49
Die Kontaktperson erzählt der Journalistin,
00:48:51
dass es für diese Tat etliche Anzeichen gegeben hat.
00:48:54
Sowas lässt ReporterInnen aufhorchen.
00:48:58
Außerdem hatte Manu schon zweimal Mitschülerinnen belästigt und bedroht.
00:49:01
Mit diesem Wissen wendet sich Kerstin Hernkind an die Anwältin von Heikes Eltern.
00:49:07
Die sind jetzt offener für Kontakt
00:49:09
und übergeben der Journalistin daraufhin das detaillierte Protokoll ihrer Tochter.
00:49:13
Zu Prozessbeginn titelt der Stern
00:49:15
Behörde wusste von Stalker und tat nichts.
00:49:19
Vor einem Jahr wurde die Lehrerin Heike in Bremen von einem Ex-Schüler getötet.
00:49:23
Manu F. hatte sie vor der Tat gestalkt.
00:49:26
Jetzt kommt heraus
00:49:27
Die Schulbehörde wusste von dem Fall.
00:49:29
Der Druck der Öffentlichkeit wächst.
00:49:32
Manu betritt den Gerichtssaal.
00:49:34
Er trägt schwarze Kleidung, Springerstiefel und ein Lächeln im Gesicht,
00:49:38
das er in die Fotoapparate und Kameras hält.
00:49:41
Vor einer Haftstrafe hat der 21-Jährige keine Angst, wie er selbst sagt.
00:49:45
Heikes Eltern treten als Nebenkläger auf.
00:49:47
Sie möchten nicht nur, dass ich Manu für seine Taten verantworten muss,
00:49:51
sondern auch, dass die Schulleitung Rede und Antwort steht.
00:49:54
Vor Prozessbeginn haben die Eltern über die Presse die Schule angeprangert.
00:49:59
Sie hätte Heike ihrem Täter schutzlos ausgeliefert und ihre Fürsorgepflicht verletzt.
00:50:04
Deswegen haben sie auch schon eine Dienstaufsichtsbeschwerde gegen Herrn Kunze eingereicht.
00:50:08
Damit sind sie nicht alleine.
00:50:10
Zwei Lehrer der Schule haben das ebenfalls getan.
00:50:13
Diese wurde allerdings abgewiesen.
00:50:15
Als Reaktion lobte die Schule Schulleiter Kunze öffentlich für seine
00:50:20
besonnene und weitsichtige Handhabung der Problemlage.
00:50:25
Vor Gericht gibt Kunze an, die Gefahr für Heike nicht erkannt zu haben.
00:50:29
E-Mails von Manu, die Heike ihm laut Protokoll ausgehändigt hat, will er nie erhalten haben.
00:50:35
Auf die Frage des Richters, warum Heike in ihrem eigenen Protokoll falsche Angaben machen sollte,
00:50:40
bekommt er einen Schulterzucken.
00:50:42
Herr Kunze hätte Manu ermahnt, Heike nicht zu nahe kommen zu dürfen.
00:50:47
Manu widerspricht dem.
00:50:48
An so eine Warnung kann er sich nicht erinnern.
00:50:50
Liest man die Berichte über den Prozess, bekommt man den Eindruck, dass der Schulleiter
00:50:55
Manu das Leben nicht verbauen wollte.
00:50:58
Und dass sein Bestreben vielleicht sogar über das normale Maß hinausging.
00:51:02
Er hatte ihm nämlich sogar Arbeit in seinem Haus verrichten lassen, die gar nicht hätte
00:51:06
getan werden müssen, nur weil Manu so große Geldnöte hatte.
00:51:10
Es ehrt sie, was sie alles für diesen Schüler getan haben.
00:51:13
Aber was haben sie zum Schutz meiner Tochter getan, fragt Heikes Vater.
00:51:18
Auch Martina wird in den Zeugenstand gerufen.
00:51:20
Ihre Aussagen stützen Heikes Protokoll.
00:51:23
Am 11. Februar habe sie Kunze geschrieben.
00:51:27
Ich empfinde die Situation als besorgniserregend und auch bedrohlich.
00:51:31
Sowohl für Manu als auch für andere, vor allem für die betroffene Kollegin.
00:51:35
Ich mache dies hiermit aktenkundig.
00:51:37
An den Psychologen und an die Landesschulbehörde schrieb sie.
00:51:41
Ich finde die Situation unerträglich.
00:51:43
Der Knabe saß am Montag wieder in dem Kurs.
00:51:45
Die Kollegin hat den Schulleiter nochmals darauf angesprochen.
00:51:48
Er hat dem Schüler dann gesagt, er müsse, auf Wunsch der Kollegin, den Kurs wechseln.
00:51:52
Der Schüler hat sich geweigert, den Kurs zu wechseln und der Schulleiter wird ihn da wohl belassen.
00:51:57
Außerdem wird die Geschichte bekannt, die die Journalistin Kerstin Herrenkind schon kennt.
00:52:03
2002 und 2005 hatte Manu die beiden jungen Frauen verfolgt, ihnen Geschenke gemacht.
00:52:07
Und als sie seine Liebe nicht erwiderten, hatte er ihnen gedroht.
00:52:11
Eine der beiden ist jetzt zum Zeitpunkt der Verhandlung immer noch nicht darüber hinweg.
00:52:16
Natürlich hat es bis hierhin auch öffentlichen Druck auf die Schulleitungen und die Behörden gegeben.
00:52:21
Wie kann es sein, dass eine Tat, die, wenn man Beteiligte fragt, nahezu absehbar war, nicht verhindert werden konnte?
00:52:28
Ob diese Tat prognostizierbar war, ist nicht zu sagen und auch nicht Gegenstand dieser Verhandlung.
00:52:34
Das sagt der Richter.
00:52:36
Seine Aufgabe ist es, über Manu zu urteilen.
00:52:39
Der Richter will von Manu wissen, warum Heike sterben musste.
00:52:42
Warum hat sie dieses Leben verdient, das sie hatte, fragt Manu.
00:52:46
Anfangs hätte seine Tat ihm zwar leid getan, aber mittlerweile sieht er das anders.
00:52:51
Der Staatsanwalt fordert 15 Jahre Haft wegen Mordes.
00:52:55
Manus Verteidiger plädiert auf Totschlag.
00:52:57
Manu hätte seine Beweggründe selbst gar nicht erkennen können.
00:53:00
Beide sind sich einig, dass die Unterbringung in einer forensischen Psychiatrie sinnvoll ist.
00:53:06
Die bestellten Gutachter hatten ausgesagt, dass Manu unter einer Persönlichkeitsstörung mit Schizoidenzügen leidet und vermindert schuldfähig gewesen wäre.
00:53:14
Er wäre aber nach wie vor eine große Gefahr, vor allem, weil er nicht therapierbar sei.
00:53:19
Der Staatsanwalt rügt vor Gericht sogar Schulleiter Kunze.
00:53:22
Dieser wäre unprofessionell und hätte sich stümperhaft verhalten.
00:53:26
Selten habe es im Vorfeld so viele Warnsignale für ein Verbrechen gegeben, wie hier, sagt er.
00:53:33
Nachdem die Plädoyers gehalten wurden, darf Manu noch etwas sagen.
00:53:36
Er hat etwas vorbereitet, das er vorlesen will.
00:53:41
Mit dem, was auf dem Zettel steht, verhöhnt er sein Opfer nochmal.
00:53:45
Vor allen Anwesenden.
00:53:47
Heikes Mutter schlägt erst die Hände vor ihr Gesicht und hält sich danach die Ohren zu.
00:53:52
Das kann sie nicht auch noch ertragen.
00:53:54
Damit wird, glaube ich, ganz gut klar, warum Manu in eine Einrichtung sollte.
00:54:00
Das Landgericht Bremen verurteilt Manu zu 15 Jahren Haft und ordnet die Unterbringung in einer Psychiatrie an.
00:54:05
In seiner Urteilsbegründung führt der Richter an, dass Liebe, Neid und Rache die Tatmotive waren.
00:54:12
Manu war in Heike verliebt und als sie diese nicht erwiderte, wurde aus seiner Liebe Hass.
00:54:19
Heikes Eltern sind zufrieden mit dem Urteil.
00:54:21
Aber wer sühnt, die verpassten Chancen, das zu verhindern?
00:54:26
Gab es die überhaupt?
00:54:28
Was sind die Konsequenzen aus diesem Fall?
00:54:30
Es gibt nicht wirklich welche.
00:54:33
Was die Schule falsch oder richtig gemacht hatte, konnte abschließend nicht geklärt werden.
00:54:39
Der Schulleiter ist im Amt geblieben.
00:54:41
Es gab keine Gesetzesänderung bei Stalking.
00:54:44
Einige Zeit nach dem Mord sitzt Heikes Vater bei Lanz.
00:54:47
Dort sagt er, dass er es seiner Tochter schuldig ist, über den Fall zu berichten.
00:54:51
Für ihn hat die Schulleitung versagt.
00:54:53
Dennoch finde ich, dass er sehr, sehr besonnen in dem Interview spricht.
00:54:58
Er erwartet einfach, dass sich die Schule darüber Gedanken macht, wie man junge Lehrerinnen schützen kann.
00:55:06
So was kann jederzeit wieder passieren.
00:55:09
Darauf muss man sich vorbereiten.
00:55:11
Und man kann sich nur vorbereiten, wenn man anerkennt, dass in der Vergangenheit Fehler gemacht wurden.
00:55:16
Und dann kann man aus ihnen lernen und sich weiterentwickeln.
00:55:19
Irgendwie, also so macht es auf mich den Eindruck, ist es so, als wäre die Öffentlichkeit damals das einzige Instrument gewesen,
00:55:29
um für die Eltern eine Art Gerechtigkeit herzustellen.
00:55:32
Also abgesehen von Manus Tat, für die jetzt ja das Gericht zuständig war,
00:55:35
weil die Presse damals in der Lage war, auf ein System zu zeigen, das versagt hatte.
00:55:42
Wenn diese Schule nicht aus dem Fall gelernt hat, und das wissen wir nicht,
00:55:46
dann hat es aber vielleicht eine andere Schule getan.
00:55:49
Und das ist der Familie wichtig.
00:55:52
Weil dann haben die Berichte von Kerstin Herrenkind und von anderen Journalistinnen dafür gesorgt,
00:55:58
dass jemand nicht ganz umsonst gestorben ist.
00:56:00
Irgendwie scheint das so, als wäre das der einzige Trost,
00:56:03
dass diese Vorkommnisse nicht totgeschwiegen werden.
00:56:07
Also in meinem Fall ist jetzt keiner wie der, den du in der letzten Folge bei den Sadisten hattest,
00:56:11
wo Journalisten selbst die Sache in die Hand nehmen und einen Fall lösen.
00:56:15
Sondern der ist eher so eine Art Paradebeispiel dafür, wie das System funktioniert.
00:56:19
Angefangen von, wie Informationen weitergegeben werden
00:56:23
und wie danach die Presse das öffentliche Interesse auf eine Angelegenheit richtet.
00:56:31
Weil eben diese Berichte schon so eine Art Genugtuung verschaffen können.
00:56:35
Und dass Dinge, die schief laufen, halt nicht unter den Tisch gekehrt werden.
00:56:40
Und dass die Öffentlichkeit dann darüber auch diskutieren kann.
00:56:43
Und man als Gesellschaft daraus lernen kann.
00:56:46
Genau, so wie der Vater das wollte.
00:56:48
Es gibt ja so viele Fälle, die gar nicht irgendwie an die Öffentlichkeit kommen,
00:56:52
weil sie in irgendeinem Dorf stattgefunden haben
00:56:56
oder irgendwo zu irgendeiner Zeit stattgefunden haben,
00:56:58
wo andere Sachen wichtiger waren zum Beispiel.
00:57:01
Und so Sachen niemals irgendwie die Aufmerksamkeit finden,
00:57:07
die sie eigentlich verdient haben.
00:57:09
Und deswegen finde ich es auch so wichtig,
00:57:10
dass Journalisten Geschichten auch nachgehen,
00:57:13
von denen sie glauben, dass sie wichtig sind zu erzählen.
00:57:16
Und da sollten sie dann auch von ihren Vorgesetzten unterstützt werden.
00:57:20
Und auch, dass sie den Eltern, wie jetzt zum Beispiel in diesem Fall,
00:57:24
auch noch anders haben helfen können.
00:57:26
Weil die Eltern hätten vielleicht nicht alle ehemaligen Klassenkameraden abtelefoniert,
00:57:30
um dann an diese Informationen zu kommen.
00:57:34
Ich bin auf den Fall aufmerksam geworden, weil ich einen Artikel von Kerstin Herrenkind,
00:57:38
also der Journalistin, die auch über den Fall berichtet hat, gelesen habe.
00:57:42
Und darin ging es darum, wie wichtig sie es empfindet,
00:57:46
mit Angehörigen von Opfern Kontakt aufzunehmen.
00:57:49
Sie erzählt von einem Fall im Bremer Gefängnis,
00:57:52
bei dem sich ein 28-jähriger Häftling in seiner Zelle erhängt.
00:57:55
Andere Gefangene berichten, dass er früher an diesem Tag
00:57:59
versuchte, sich die Pulsadern aufzuschneiden.
00:58:01
Und eigentlich hätten die Justizvollzugsbeamten
00:58:04
daraufhin den psychiatrischen Dienst alarmieren müssen.
00:58:06
Taten sie aber nicht.
00:58:08
Das Justizressort sagte,
00:58:11
es hätte keine Anzeichen für einen Selbstmordversuch gegeben.
00:58:13
Kerstin Herrenkind nahm Kontakt mit der Schwester des Toten auf.
00:58:17
Über sie kamen sie an Fotos der Leiche, die zeigen,
00:58:20
dass er offenbar schon vorher versucht hatte,
00:58:22
sich die Pulsadern aufzuschneiden.
00:58:23
Und dass der Justizrat offenbar versucht hat,
00:58:27
etwas unter den Tisch zu kehren.
00:58:28
Der Rat trat nach mehreren Vorfällen im Bremer Gefängnis irgendwann zurück.
00:58:33
Sie schreibt darüber in einem Artikel,
00:58:37
»Bekenntnisse einer Witwenschüttlerin« in Anführungsstrichen.
00:58:41
Witwenschütteln ist eine Methode bei Medienmachern,
00:58:45
die bedeutet, dass man rücksichtslos bei Verwandten beispielsweise
00:58:49
oder Bekannten der Opfer anklopft,
00:58:51
um die auszuhorchen oder Fotos der Betroffenen zu bekommen.
00:58:54
Kleine Randnotiz.
00:58:56
Das erste Mal davon erfahren habe ich aufgrund folgenden Videos.
00:59:00
Eine Journalistin versteckt sich vor ihrem Chef
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in einer riesigen Papiermülltonne.
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Erden von ihr, dass sie Witwen schütteln geht.
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Sie hebt mit ihrem Kopf vorsichtig den Deckel dieser Mülltonne an,
00:59:13
um durch einen kleinen Schlitz zu schauen und um zu gucken,
00:59:17
ob die Luft in der Redaktion rein ist, um ihrem Chef so zu entkommen.
00:59:21
Dieses Video habe ich im Rahmen eines Mobile Video Reporting Seminars konzipiert und gedreht.
00:59:28
Und die Journalistin, die sich vor ihrem Chef versteckt, ist Laura Wohlers.
00:59:33
Das ist ein super Video geworden.
00:59:36
Es wurde gelobt in dem Seminar.
00:59:41
Einmal zur Aufklärung.
00:59:42
Ich saß in dieser Tonne, weil ich kurz bevor wir dieses Seminar hatten,
00:59:47
zum Witwen schütteln rausgeschickt worden bin.
00:59:52
Zum ersten und letzten Mal in meinem Leben.
00:59:57
Und das war eine Situation, die mich stark beeinflusst hat
01:00:01
und die auch dazu geführt hat, dass ich danach meine Arbeit
01:00:05
komplett nochmal in Frage gestellt habe.
01:00:08
Und zwar ging es da um den Bus, der auf der A9 nach einem Unfall verbrannt ist
01:00:13
und bei dem 18 Menschen starben.
01:00:15
Und meine Aufgabe war es, eine Opferfamilie zu finden.
01:00:18
Und das wusste ich nun schon am Abend davor
01:00:20
und hatte dann dementsprechend Bauchschmerzen.
01:00:23
Ich wollte das nicht machen, aber ich war dann relativ neu in der Branche
01:00:28
und auch noch jung und unwissend.
01:00:30
Am Ende dieses Drehtages saß ich dann in einem Wohnzimmer einer Familie,
01:00:36
die, während ich da bin, erfährt, dass die Mutter der Frau das alles nicht überlebt hat.
01:00:43
Und ihr könnt euch vorstellen, wie das war.
01:00:46
Wir haben alle geheult.
01:00:47
Ich wusste nicht, was ich machen soll.
01:00:50
Ich kam mir als kompletter letzter Eindringling vor,
01:00:54
bei dieser Familie zu sitzen,
01:00:56
die gerade das Schlimmste überhaupt im Leben durchmacht.
01:01:00
und wusste danach, dass ich sowas nie wieder machen werde.
01:01:03
Und was ich auch heute weiß, ist, dass man sowas nicht machen muss.
01:01:07
Man kann immer Nein sagen.
01:01:11
Und zum Glück hat auch bis heute keiner mehr gefragt, ob ich so einen Dreh machen kann.
01:01:17
Und selbst wenn, dann ist es völlig in Ordnung, Nein zu sagen
01:01:20
und auf seiner eigenen Redaktion da mal den Spiegel vorzuhalten
01:01:25
und dann da vielleicht mal die moralische Instanz in dem Moment zu sein.
01:01:30
Und dann können sie immer noch wütend sein.
01:01:32
Aber du musst ja am Ende des Tages in den Spiegel gucken.
01:01:38
Ich bin auch kein guter Geier.
01:01:40
So nennt man charmanterweise die JournalistInnen,
01:01:44
die auch an Unfallorte fahren und dort dann Aufnahmen machen.
01:01:48
Ich wurde mal zu einem Flughafen geschickt,
01:01:50
weil dort eine Schulklasse angekommen ist,
01:01:52
die nicht mehr vollzählig nach Hause fliegen konnte,
01:01:55
weil ihnen auf der Klassenfahrt etwas ganz Schlimmes passiert ist.
01:01:58
Und verzeiht mir, ich sage jetzt nicht was,
01:02:00
weil ich will hier keine Rückschlüsse auf meinen damaligen Arbeitgeber zulassen.
01:02:03
Und ich hatte die Aufgabe, Familien zu suchen.
01:02:07
Und nun war die Schulklasse stark abgeschirmt
01:02:10
und überall waren Polizisten.
01:02:12
Und als eigentlich schon alle Kollegen von anderen Medien
01:02:15
wieder nach Hause gefahren sind,
01:02:17
habe ich auf einem Parkplatz in der letzten Ecke
01:02:20
eine Familie komplett aufgelöst und weinend
01:02:23
mit einem Beamten reden sehen.
01:02:25
Und dann bin ich hin, weil ich ja gar nicht wusste,
01:02:27
ob die Familie jetzt überhaupt dazugehört.
01:02:29
Und als ich vorbeiging, blickte dann die Frau davon auf
01:02:33
und du hast den ganzen Schmerz in ihrem Gesicht gesehen
01:02:36
und ich bin weitergegangen.
01:02:39
Ja, okay, das hätte ich auch gemacht.
01:02:42
Im Grunde war das Arbeitsverweigerung.
01:02:44
Aber ich konnte das nicht.
01:02:46
Also ich wollte die einfach in Ruhe lassen,
01:02:48
was immer der Grund für ihre Trauer war.
01:02:51
Da muss man auch aufpassen.
01:02:53
JournalistInnen können eh schon sekundär traumatisiert werden.
01:02:57
und wenn sie dann auch noch mit ihrer eigenen Berichterstattung
01:03:00
nicht klarkommen, ist die Gefahr ja noch mal größer,
01:03:02
diese Erfahrung schlecht verarbeiten zu können.
01:03:06
Der Artikel von Kerstin Herrenkind war eigentlich eine Art Antwort
01:03:10
auf eine Veröffentlichung von der Journalistin Sandra Schink.
01:03:13
Die schildert in einem Text ihr Erlebnis als Elfjährige,
01:03:17
als zwei Männer von der Wasserschutzpolizei bei ihren Eltern an der Tür klopften,
01:03:20
um ihnen mitzuteilen, dass ihr bester Freund mit seinen Eltern bei einem Segelausflug ums Leben kam.
01:03:27
Und mit der Identifizierung voranzukommen, fragten die beiden nach Fotos.
01:03:31
Drei Tage später wurden die dann in der Boulevardzeitung veröffentlicht.
01:03:35
Sandra Schink ist später Selbstjournalistin und schreibt an alle ihre Kollegen,
01:03:39
dass sie wüssten, dass veröffentlichte Fotos von gerade Verstorbenen nur dem Voyeurismus dienen.
01:03:45
Ihr müsst euren Mitarbeitern nicht diesen sinnlosen Job abbringen,
01:03:49
den keiner jemals gerne und aus Überzeugung gemacht hat.
01:03:55
Denn es gehört sich einfach nicht.
01:03:57
Und das wisst ihr.
01:04:00
Kerstin Herrenkind sagt,
01:04:02
das ist auch ihr Graut vor einigen Methoden unserer Kollegen,
01:04:07
und dass es natürlich besser wäre, vorsichtig anzuklopfen,
01:04:10
als direkt nach der Katastrophe mit der Tür ins Haus zu fallen.
01:04:13
Aber manchmal drängt eben die Aktualität.
01:04:15
Beim Absturz der Germanwings-Maschine starben neben dem Co-Piloten 149 Menschen.
01:04:21
Herrenkind fragt, ob man den Opfern gerecht wird,
01:04:24
wenn man sich nicht für sie interessiert und sie nicht mehr sein dürfen als eine abstrakte Zahl.
01:04:30
Wie man auch in meinem Fall sieht, schaffen Medien auch Öffentlichkeit für Themen,
01:04:35
die ansonsten gerne mal ad acta gelegt werden.
01:04:38
Das stimmt, aber es kommt halt auch immer auf die Art und Weise an, wie man die Betroffenen behandelt.
01:04:45
Darauf komme ich später auch nochmal zurück.
01:04:47
Paulina und ich haben jetzt zwei Fälle vorgestellt,
01:04:50
die zeigen, welche unterschiedlichen Konsequenzen Berichterstattung nach sich ziehen kann.
01:04:56
Und es gibt ja auch Beispiele,
01:04:58
in denen Berichterstattung sogar zur Aufklärung von Verbrechen beigetragen haben.
01:05:03
Die hat Paulina eben schon angesprochen, zum Beispiel mein Fall aus Folge 28.
01:05:07
Aber wenn man ein bisschen weiterdenkt und zum Beispiel an die Journalistin Sarah Koenig,
01:05:12
die durch ihren Podcast Serial geschafft hat,
01:05:15
dass der Fall von Adnan Zayed nochmal aufgenommen wurde
01:05:18
oder was Making a Murderer für Stephen Avery getan hat, das wissen wir ja alle.
01:05:23
Man sieht also, wie viel Macht die Medien haben
01:05:26
und dass sie sie in beide Richtungen nutzen bzw. ausnutzen können,
01:05:29
weshalb die Verantwortung der Journalisten und Journalistinnen so groß ist.
01:05:33
Und weil wir in unseren Folgen ja immer wieder auf das Thema Berichterstattung gekommen sind,
01:05:38
wollen wir jetzt mal diese Diskussion nutzen,
01:05:41
um nochmal eingehender auch über Gefahren, Grenzen und Möglichkeiten zu sprechen.
01:05:45
Und ich möchte, dass wir beide mal kurz eine Reise zurück machen in unsere vergangenen Folgen.
01:05:51
Kindermädchen, Herzfehler, Der Preis, Entgleist und Soko Flagge.
01:05:58
Das alles sind Fälle, die wir hier mal erzählt haben,
01:06:02
bei denen eine mediale Vorverurteilung stattgefunden hat.
01:06:06
Also Medien haben Menschen vor Prozessbeginn an den Pranger gestellt.
01:06:10
So wie im Mittelalter.
01:06:12
In Österreich heißt das übrigens Medienjustiz.
01:06:16
Und das finde ich klingt irgendwie ganz passend.
01:06:18
Wir haben hier bisher über zwei verschiedene Arten von Medienjustiz gesprochen.
01:06:23
Und das ist einmal die Verdächtigung eines Täters,
01:06:25
der, wie sich am Ende dann herausstellt, gar nicht der Täter ist.
01:06:29
Das war halt zum Beispiel bei Kindermädchen aus 19 so.
01:06:33
Die Bravo hatte ja zwei Seiten dem Mädchen gewidmet,
01:06:37
das angeblich von einem Freund ihres Vaters vergewaltigt wurde.
01:06:41
Und aus Soko Flagge, aus der 26, wissen wir jetzt auch, worin das enden kann.
01:06:47
Nämlich auch darin, dass sich jemand das Leben nimmt, im schlimmsten Fall.
01:06:51
Es gibt noch ein anderes Paradebeispiel für Vorverurteilung eines Verdächtigen,
01:06:55
der am Ende freigesprochen wurde.
01:06:57
Und das ist der Fall um Jörg Kachelmann.
01:06:59
Und in so einer Dimension hat es das vorher und danach auch eigentlich nicht gegeben.
01:07:06
Das gipfelte dann sogar in einem Kampf der Medien gegeneinander.
01:07:10
Auf der einen Seite die, die Kachelmann verurteilt sehen wollten
01:07:13
und seinen Ex-Freundinnen viel Geld bezahlt haben für Interviews,
01:07:17
die sie dann später drucken konnten.
01:07:19
Und auf der anderen Seite die, die vielleicht besser hingesehen
01:07:22
und besonderer berichtet haben, die ihr Urteil aber in manchen Fällen auch vor dem Gericht gefällt haben.
01:07:31
Und das darf in einem Rechtsstaat eigentlich nicht passieren.
01:07:34
In anderen Fällen hat sich die Medienjustiz zugunsten des Täters ausgewirkt.
01:07:39
Also was das Strafmaß angeht.
01:07:41
Wir beide haben ja in Folge 11 schon mal über das Abwägen von Persönlichkeitsrechten
01:07:45
gegen das berechtigte öffentliche Interesse beispielsweise einer Tat gesprochen.
01:07:50
Und die beiden Themen, die greifen hier so ein bisschen ineinander.
01:07:53
Und hier stellt sich eigentlich die Frage, ist die Berichterstattung über eine Tat
01:07:58
nicht auch eine logische Konsequenz des Fehlverhaltens des Täters oder der Täterin?
01:08:05
Könnte man sagen, eigentlich schon.
01:08:07
Wenn der Nachbar weiß, dass man ein Unrecht begangen hat, dann muss das auch hingenommen werden,
01:08:14
weil keiner ein Recht darauf hat, dass niemand von seinen Taten erfährt, die man begangen hat.
01:08:20
Und damit muss man rechnen.
01:08:22
Es sei denn, die Berichterstattung geht weit über das normale Maß hinaus.
01:08:28
Dann kann das Gericht das sehr wohl als strafmildernd berücksichtigen.
01:08:32
Wie zum Beispiel halt eben bei dem U-Bahn-Treter, aber auch bei dem Apotheker aus Bottrop.
01:08:38
Auch bei ihm hatte das Gericht zugestehen müssen, dass die Berichterstattung ihn vorverurteilt hat.
01:08:43
Pro des Apotheker wurde er da beispielsweise vorm Urteilsspruch genannt.
01:08:48
Und viele Medien haben die Vorwürfe so behandelt, als wären sie Tatsachen.
01:08:53
Und zwar ohne halt, dass ein Gericht das ja vorher klären konnte.
01:08:58
Nun haben sich in diesem Fall auch wieder andere Sachen strafverschärfend darauf ausgewirkt.
01:09:04
Und deswegen ist fraglich, ob man das denn nicht nachher am Ende gegeneinander abgewogen hat.
01:09:08
Ich will nur sagen, im Zweifel mit dieser Medienjustiz tut man dem Täter, was das Strafmaß angeht, halt vielleicht auch noch einen Gefallen.
01:09:18
Die Frage, die man sich ja hier dann auch stellen kann, ist, ist eine Vorverurteilung nicht vielleicht sogar schlimmer als das ein oder andere Jahr mehr im Gefängnis?
01:09:27
Weil wenn man vorher von der Presse an den Pranger gestellt wurde, dann ist ja auch die Möglichkeit größer,
01:09:32
dass man nach dem Verbüßen der Strafe auch noch auf der Straße erkannt und verpönt werden kann.
01:09:38
So war das nämlich jetzt vor kurzem bei Dieter Degowski aus meinem Fall.
01:09:42
Der ist aus dem Gefängnis gekommen und gleich hatte die BILD wieder über ihn berichtet und zwar identifizierend.
01:09:48
Also so, dass, obwohl der heute nicht mehr Degowski heißt, man trotzdem durch diesen Artikel Rückschlüsse auf sein Aussehen und auch seinen Wohnort ziehen konnte.
01:09:58
Und dann wurde dann dieser Artikel auch vom Presserat gerügt.
01:10:02
Und auch wenn das vielleicht einige als gerecht empfinden, dass er dann noch erkannt wird, ist es ja nicht die Presse, die sowas zu entscheiden hat.
01:10:09
Sollte man nicht eher mehr dafür tun, dass das nicht passiert?
01:10:13
Sollte man nicht eher Pressevertreter abstrafen, dafür, dass sie es tun?
01:10:18
Und dann würden sie vielleicht beim nächsten Mal besonnener berichten?
01:10:21
Ich erinnere mich nur an wenige Fälle, wo Medien halt nachher tatsächlich zur Kasse gebeten wurden.
01:10:26
Und wenn dann halt nur, weil die Verstöße so schwerwiegend waren, dass sie mit ihrer Berichterstattung Gesetze gebrochen haben.
01:10:33
Halt wie zum Beispiel Kachelmann, da musste die BILD über eine halbe Million Euro Schmerzensgeld zahlen, weil sie seine Persönlichkeitsrechte halt wirklich schwer verletzt hatten.
01:10:43
Ja und das ist ja auch nur möglich, wenn die Menschen, deren Persönlichkeitsrechte verletzt wurden, selbst dann dagegen vorgehen.
01:10:49
Also sich dann auch einen Anwalt nehmen und es dann mit einem Verlag wie Axel Springer aufnehmen, der ja sehr gute Anwälte hat.
01:10:57
Ich fände es besser, wenn der Pressekodex nicht nur als freiwillige Leitlinie fungiert, sondern verpflichtend wäre.
01:11:06
Ja, das umzusetzen ist wahrscheinlich auch nicht so einfach.
01:11:09
Ja, wir würden unserem Rechtssystem auf jeden Fall gerechter werden, finde ich.
01:11:14
Wenn einfach die mediale Vorverurteilung nicht mehr stattfinden könnte, sodass das Gericht dann sein Urteil fällen kann, ohne, dass es berücksichtigen muss, was vorher Medien schreiben.
01:11:24
Und das kann man am besten erreichen, wenn man halt da ansetzt, wo es weh tut.
01:11:29
Und das ist halt am Geldbeutel.
01:11:32
Ich habe ja eben erzählt, dass der Pressekodex nach dem Fall in Gladbeck überarbeitet wurde.
01:11:37
Und das passiert immer wieder.
01:11:38
Das letzte Mal am 22. März 2017.
01:11:41
Und zwar in Bezug auf die Berichterstattung über Straftaten.
01:11:44
Bei der Überarbeitung der Leitlinie 12.1, so heißt es, hat sich der Deutsche Presserat mit der Frage beschäftigt,
01:11:51
welche Angaben die Presse zur Herkunft von Straftätern und Verdächtigen machen soll.
01:11:56
Bis zum 22. März 2017 hieß es da, in der Berichterstattung über Straftaten wird die Zugehörigkeit der Verdächtigen oder Täter zu religiösen, ethnischen oder anderen Minderheiten nur dann erwähnt,
01:12:08
wenn für das Verständnis des berichteten Vorgangs ein begründbarer Sachbezug besteht.
01:12:12
Besonders ist zu beachten, dass die Erwähnung Vorurteile gegenüber Minderheiten schüren könnte.
01:12:18
Heute heißt es ein bisschen anders, und zwar so.
01:12:20
In der Berichterstattung über Straftaten ist darauf zu achten, dass die Erwähnung der Zugehörigkeit der Verdächtigen oder Täter zu ethnischen, religiösen oder anderen Minderheiten
01:12:29
nicht zu einer diskriminierenden Verallgemeinerung individuellen Fehlverhaltens führt.
01:12:33
Die Zugehörigkeit soll in der Regel nicht erwähnt werden, es sei denn, es besteht ein begründetes öffentliches Interesse.
01:12:40
Also aus dem begründbaren Sachbezug wurde das begründete öffentliche Interesse.
01:12:44
Wenn es also ein begründetes öffentliches Interesse gibt, ist es okay, wenn die Presse die Herkunft preisgibt.
01:12:52
Erstmal, wie finden wir das?
01:12:54
Ja, wie finden wir das?
01:12:56
Ach so, ich dachte, wie finden wir heraus, was das begründete öffentliche Interesse ist?
01:13:02
Genau, es ist relativ vage, weil wann ist denn ein begründetes öffentliches Interesse vorhanden?
01:13:08
Das haben sich die Journalisten und Journalistinnen dann nach der Einführung der Neuformulierung auch gefragt.
01:13:12
Und der Presserat hat daraufhin erklärt, ein begründetes Interesse kann sein, ein schwerwiegendes Verbrechen.
01:13:19
Das kann die Existenz eines Haftbefehls sein.
01:13:21
Dann wird polizeilich nach jemandem gesucht und dann kann die Presse darüber berichten.
01:13:25
Warum sollte denn jetzt ausgerechnet bei schwerwiegenden Verbrechen die Herkunft nun auf einmal rausgegeben werden?
01:13:31
Genau, da liegt das Problem, bei schwerwiegenden Verbrechen wird jetzt die Herkunft genannt, auch wenn sie nicht zum Verständnis des Vorfalls beiträgt.
01:13:39
Und es gibt tatsächlich schon immer Kritik an der Richtlinie, nicht erst seit der Neuformulierung.
01:13:44
So ist der Medienforscher Professor Horst Pöttger zum Beispiel für die Streichung.
01:13:49
Er hält die Richtlinie für eine Bevormundung des Publikums und für ein Schweigegebot.
01:13:53
Wenn wir überlegen, verträgt das Publikum diese oder jene Information, dann können wir uns nicht mehr darauf verlassen, dass die Journalisten die Welt so öffentlich machen, wie sie tatsächlich ist, sagt er.
01:14:04
Und er ist nicht der Einzige.
01:14:05
Mehrere Chefredakteure, darunter die ehemalige Bildchefin Tannit Koch, befürworten die Streichung der Richtlinie.
01:14:11
Der Chef der Sächsischen Zeitung aus Dresden hält sich zum Beispiel schon seit Juli 2016 nicht mehr dran, die Herkunft der Straftäter in der Regel nicht zu nennen.
01:14:22
Er sagt die immer, auch wenn es sich um Deutsche handelt.
01:14:26
Das wird damit begründet, dass viele Leser davon ausgingen, die Täter seien Asylbewerber, wenn keine Nationalität genannt würde.
01:14:33
Dort ist man also der Meinung, wir sagen lieber direkt die Herkunft, weil sonst eh alle meinen, es waren Asylbewerber.
01:14:38
Und so würden sie dem Rassismus vorbeugen.
01:14:42
Also das ist ihre Begründung.
01:14:43
Also ich finde, es ist Schwachsinn, bei jedem Delikt, egal was es ist, die Herkunft zu nennen.
01:14:50
Das ist in meinem Verständnis nicht sinnig, weil das ist teilweise so eine random Information dann auch einfach, wenn es damit wirklich nichts zu tun hat.
01:15:01
Ich fand eigentlich vorher diese Idee, dass es einen Sachbezug dazu hat, nicht verkehrt, weil manchmal ist das wichtig, die Herkunft zu wissen, damit du verstehen kannst, aus was für einem Kulturkreis Täter oder Täterinnen kommen.
01:15:16
Beispielsweise bei einem Ehrenmord, da wäre das ja so ein Sachbezug.
01:15:21
Nun muss man ja sagen, wäre das mit der Neuerung jetzt auch mit drin, weil das dann eine schwerwiegende Tat ist.
01:15:26
Aber da ist dann natürlich halt eben die Gefahr, dass dann halt eben auch die Herkunft veröffentlicht wird, wenn sie nicht zur Sache beiträgt.
01:15:35
Wie zum Beispiel kürzlich geschehen mit dem Täter, der ein Kind vor einem Zug geworfen hat, dass da dann die Herkunft rausgegeben wurde und dass alle dann gleich wieder auf Asylbewerber aufmerksam wurden.
01:15:49
Und jetzt kam der auch noch aus der Schweiz.
01:15:51
Und dann war das eigentliche Thema, dass der psychisch krank war und dass da die Aufmerksamkeit drauf gehört hätte.
01:16:00
Und deswegen finde ich es eigentlich viel gefährlicher zu sagen, bei jeder schwerwiegenden Tat sagen wir das jetzt, weil das hat nun wirklich kulturell überhaupt keinen Hintergrund gehabt.
01:16:11
Gut, das weißt du natürlich auch erst später, wenn du dich ein bisschen damit befasst hast erst mal.
01:16:15
Aber dann gibst du die Information halt eben auch erst später raus.
01:16:19
Ja, bei dem Fall, den du gerade genannt hast, da habe ich mich richtig aufgeregt.
01:16:23
Das hat mir, weil man ja schon von Anfang an, weiß ich nicht, wenn man sowas hört, ja, und da gab es keinen Zusammenhang und die Leute kannten sich nicht,
01:16:33
dann denken wir doch direkt daran, das hat höchstwahrscheinlich mit psychologischen Problemen zu tun.
01:16:39
Und das kann jetzt nun wirklich jeder haben.
01:16:43
Und dann habe ich aber gekotzen müssen, als ich dann bei der Bild den Täter unverpixelt gesehen habe und mit seinem vollen Namen.
01:16:50
Also da habe ich wirklich wieder gedacht so, also anscheinend diese Neuformulierung des Pressekodex ist eigentlich noch viel schlimmer,
01:16:58
weil sie es halt noch viel vager hält, wann man das machen sollte und wann nicht.
01:17:02
Ich möchte noch mal kurz auf ein Thema eingehen, worüber wir vorhin schon bei dem Witwen-Schütteln gesprochen haben.
01:17:09
Frau Osthoff, wie geht es Ihnen?
01:17:13
fragt Marietta Slomka.
01:17:14
Schlecht, antwortet Susanne Osthoff.
01:17:17
Osthoff wurde erst ein paar Tage vorher von ihren Entführern im Irak freigelassen und antwortet nun völlig wirr und ziemlich durcheinander.
01:17:26
Die beiden sind einander zugeschaltet.
01:17:28
Osthoff sitzt in Katar und ist unter einem Schleier verborgen, obwohl sie sonst nie einträgt.
01:17:34
Das Interview hat stattgefunden 2005 im ZDF-Heute-Journal und danach medial für ziemlichen Unmut gesorgt, weil es eben auch nicht live war, sondern aufgezeichnet, geschnitten und einen Tag später erst auf Sendung ging.
01:17:47
ZDF-Chefredakteur Nikolaus Brenner gestand dann später ein, dass das Gespräch in der Form halt völlig unverständlich gewesen sei.
01:17:55
Marietta Slomka hatte selbst vor dem Interview gesagt, es war nicht leicht, Zugang zu Frau Osthoff zu finden.
01:18:00
Die FAZ hat das Vorgespräch, das zwischen Slomka und Osthoff stattgefunden hat, veröffentlicht.
01:18:05
Das verlinke ich euch auch in den Shownotes.
01:18:08
Und das ist halt wirklich so wirr.
01:18:09
Man kann die Kritik, dieses ganze Interview zu veröffentlichen, schon verstehen, weil Frau Osthoff in diesem Moment einfach gar keine geeignete Interviewpartnerin war.
01:18:20
Also es ist auch wirklich anstrengend, das zu lesen alleine, was sie da redet.
01:18:25
Und das bringt mich zu der Frage, wie man als Journalist oder Journalistin mit traumatisierten Menschen eigentlich umgeht.
01:18:30
Wie geht es dir, ist nicht unbedingt die beste Frage, die man einem Menschen stellt, der gerade ein Trauma erlebt hat.
01:18:37
Schon gar nicht, wenn das halt noch recht frisch ist.
01:18:39
Weil so Fragen wie, wie geht es dir oder wie war das als, sollen ja etwas Bestimmtes in jemandem auslösen.
01:18:47
Und das ist bei normalen Interviewpartnern auch völlig in Ordnung, aber nicht bei Menschen, die gerade ein Familienmitglied verloren haben, zum Beispiel.
01:18:55
Als Journalist oder Journalistin sollte man sich immer fragen, was macht das Interview mit meinem Gegenüber?
01:19:02
Wichtig ist da, dass man die Person nicht in eine unmachtartige Situation bringt, die sie dann retraumatisiert.
01:19:10
Also absprechen, ob die Person wirklich auch an den Unfallort zurück möchte, welcher Rahmen, welche Bedingungen und sich dann halt eben auch an diese Absprachen halten.
01:19:20
Also am besten alles so organisiert, dass man zusammen entscheidet und nicht drängt, damit nicht wieder so eine Art Kontrollverlust bei der Person stattfindet.
01:19:28
Also dem kann sich anbieten, dass man dem Interviewten ein Codewort gibt, falls der Interviewpartner oder die Interviewpartnerin dann abbrechen will.
01:19:37
Es ist auch so, dass sich manche zum Beispiel, die eine Tragödie erlebt haben, über den Begriff Opfer ärgern und halt keins sein wollen.
01:19:44
Dann nennen ihn oder sie halt eben nicht so.
01:19:46
Weinen ist übrigens nicht immer schlimm, nur wenn die Person halt nicht beim Weinen gesehen werden will.
01:19:52
Aber ansonsten ist das oft ein intimer Moment in einem Interview und oft möchte die Person auch einfach weitererzählen.
01:19:59
Ich finde es genau richtig, was du sagst und ich finde es schade, dass man das nicht als Journalist oder Journalistin schon in der Ausbildung immer lernt.
01:20:11
Ich meine, wir wissen, dass Volontariate auch überall anders aussehen und ich weiß, dass man sowas nicht in jedem Volontariat lernt.
01:20:20
Ja, schön, dass du das gerade sagst. Ich habe nämlich 20 Kollegen aus Lokalredaktionen, Fernseh- und Zeitungsredaktionen öffentlich-rechtlich und privat gefragt, ob sie in ihrer Volontärsausbildung solche Seminare belegt haben.
01:20:37
Halt eben, wie man mit Traumatisierten in Situationen umgeht. Von 20 Leuten hat keiner ein solches Seminar gehabt.
01:20:45
Was ein krasses Armutszeugnis ist für den Journalismus.
01:20:50
Ich finde das halt auch extrem gefährlich, wenn man jetzt als CVD oder als Chef seine jungen Reporter rausschickt, die überhaupt nicht geschult sind und auch nicht psychologisch geschult sind im Umgang mit solchen Menschen.
01:21:05
Und dann kann man es ja wirklich, wenn man nicht weiß, wie man reagiert und wenn man vielleicht auch nicht so ein einfühlsamer Mensch ist, dem Interviewpartner oder der Interviewpartnerin damit nochmal echt Leid zufügen.
01:21:21
Klar machst du es beim nächsten Mal dann vielleicht besser, aber für die Person, die dann gerade interviewt wird, ist es dann halt eben zu spät.
01:21:27
Wir bei Funk, wir haben da Ansprechpartner, auf die wir zurückgreifen können, die uns da weiterhelfen.
01:21:33
Aber diese Befragung und das Sprechen mit meinen Kollegen darüber, die hat mich halt echt schockiert und hat was mit mir gemacht.
01:21:41
Und weil wir beide beruflich ja jetzt eh öfter mit Menschen zu tun haben, die durch was gegangen sind und die man besonders sensibel anfassen muss, belegen wir beide bald ein entsprechendes Seminar an der Medienakademie.
01:21:56
Das finde ich gut.
01:21:57
Wir hören von euch manchmal noch, dass ihr uns immer noch nicht unterscheiden könnt.
01:22:03
Also welche Stimme jetzt zu wem gehört, zu welchem Gesicht?
01:22:06
Ja, nicht nur welche Stimme zu welchem Gesicht, sondern auch welche Persönlichkeit zu welcher Stimme und welche Stimme zu welchem Gesicht.
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Ihr wisst, was wir meinen.
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Ja, und andersrum.
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Und deshalb kommt hier jetzt die ultimative Beschreibung, damit ihr nie wieder vergesst, wer wer ist.
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Also Paulina ist die mit dem laut atmenden, aber zuckersüßen Hund namens Fussel.
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Je nachdem, wo sie sich gerade mit Fussel aufhält, wird der Name des Hundes übrigens anders ausgesprochen.
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Im Frankreichurlaub wird Fussel zu Fussel und in Italien ist er Fusselito.
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Paulina ist die, die Gewürzgurken von der Straße kratzt, damit niemand zu Schaden kommt und vielleicht mal von seiner Schwester getötet werden muss.
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Diejenige, die Weihnachten im Gegensatz zu mir hasst, sich aber einmal sehr über einen Playboy-Anhänger als Weihnachtsgeschenk gefreut hat.
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Paulina ist meine persönliche Fahrerin und Kaffeemacherin.
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Die, die gerne eine Waffe besitzen würde, aber nicht einsetzen wollen würde.
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Sie ist Paragraphen-Paulie, die gerne Jura studieren würde und meiner Meinung nach das Zeug zur krassesten Strafverteidigerin Deutschlands hätte.
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Paulina ist die, die Massengräber schön findet und Gespräche über den Tod zum Mainstream machen will.
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Die, die ein bisschen unordentlich ist, aber trotzdem einen riesen Hygienefimmel hat.
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Paulina ist diejenige, die oft bei uns hier sehr taff rüberkommt, aber tief im Inneren das größte Herz hat und alles für ihre Liebsten tun würde.
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Sie ist die, die kein Gingerbier mag und die, die besonders schlecht im Witze erzählen ist.
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Dafür aber im Gegensatz zu mir immer schlagkräftig ist und einen lustigen Spruch auf den Lippen hat, der aber nie despektierlich gemeint ist.
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Ich bin gespannt, was jetzt kommt.
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Dadurch, dass du zuerst gesagt hast, dass du halt die gemeinen Sachen sagst, ist meins jetzt auf einmal gemein geworden und deins nicht.
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Immer wenn ihr oder hört, wisst ihr, dass ich gerade die Person bin, die etwas erzählt.
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Das sind nämlich die zwei am häufigsten benutzten Wörter aus Lauras Reaktionsschatz.
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Und sehr viel mehr davon hat sie auch nicht.
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Laura ist die Blonde, die Liebe von uns, nach außen.
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Wer schon etwas länger hört, der weiß, dass sie eiskalt ihre Oma und ihren Freund belügt.
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Die Freundschaften schließt nur, weil die andere ein Auto mit Sitzheizung hat und die heilige morgendliche Privatsphäre mit Quaselein beschmutzt und dann abhaut, wenn man sich gerade daran gewöhnt hat.
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Sie macht sich jetzt auch schon Gedanken darüber, inwieweit sie in meinem Testament berücksichtigt wird.
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Und sie schreit völlig aus dem Nichts irgendwelche Typen an, die ganz harmlos hinter ihr herlaufen.
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Schreien kommt für Laura sonst nie in Frage.
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Das schätze ich übrigens sehr an ihr.
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Sie schreit wirklich nicht.
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Denn sie ist eine Verfechterin der Prävention.
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Dafür, dass es erst gar nicht zu solchen Eskalationen kommt.
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Sie muss soweit vorausschauend sein, denn in den Situationen selbst erkennt sie die Gefahr fast nie.
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Ich kann für sie das Geld überweisen, hier meine Kontodaten.
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Ach, dafür wollen sie auch noch was für mich tun?
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Toll, hier meine Adresse.
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Nicht nur das, und das hier ist neu für euch.
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Sie lässt auch zwei wildfremde Männer, wie sie mir neulich erzählt hat, einfach bei sich zu Hause rein,
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weil die sagen, können wir mal gucken, da muss irgendwo ein Leck sein, es tropft bei uns im Blumenladen.
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Strafverteidigerin kann sich Laura nicht vorstellen zu werden.
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Sowieso nicht, weil sie eigentlich born to be rich ist.
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Sie hat es halt nur noch nicht erreicht.
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Leider muss sie sich deswegen ihre Haare noch immer bei Verbrechern schneiden lassen, die dann die Strähnen zu hell machen.
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Alleine das ist schon ein Verbrechen, wenn ihr Laura fragt.
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Was sie völlig legitim findet, ist mir alle Süßigkeiten wegzuessen, obwohl sie weiß, dass ich harten Fresseneid habe.
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Aber Laura hat mich in der Zusammenarbeit jetzt auch schon einige Male überrascht, sodass ich dachte, Bro, bist du es?
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Und deswegen haben wir diese tolle Ehe, bei der man halt immer wieder etwas Neues entdecken kann.
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Wie viele Brüder hast du noch mal?
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Ernsthaft, ich kann es mir nicht merken.
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Aber du hast ja mal in Bangkok gewohnt.
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Laura schmiert sich übrigens total gerne Augensalbe auf die Lippen.
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Und weil ich euch das jetzt verrate, rollt sie die Augen nach oben, wie das Smiley, das sie überhaupt nicht mag.
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Jetzt wisst ihr Bescheid.
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An dieser Stelle wollen wir uns auch noch mal für eure ganzen Nachrichten bedanken, das tolle Feedback und die ganzen Fallvorschläge.
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Und dass ihr uns immer hört und dass ihr uns so treu seid.
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Dann jetzt abschließen.
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Dafür bin ja übrigens, wie ihr jetzt wisst, ich immer zuständig.
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Das war ein Podcast von Funk.