00:00:08
Wie lange trauert man?
00:00:15
Also ich bin mir sicher, dass das für jeden ganz unterschiedlich ist und es auf deine Persönlichkeit ankommt.
00:00:23
Aber es kommt natürlich auch darauf an, wie wichtig der Mensch für dich war und wie du ihn verloren hast.
00:00:29
Also ob jemand an einer Krankheit gestorben ist oder eine Altersschwäche oder durch ein Verbrechen dir genommen wurde.
00:00:37
Ich denke, wenn man sich von jemandem verabschieden kann, hilft einem das in der Verarbeitung.
00:00:44
Was glaubst du, ist denn gesellschaftlich akzeptabel von der Zeit her?
00:00:49
Meinst du jetzt bezogen auf egal welche Trauer oder meinst du bei einem Verbrechen zum Beispiel?
00:00:55
Wäre mir jetzt erstmal egal.
00:00:59
Also erstmal ist mir persönlich das egal, wie lange jemand trauert.
00:01:02
Aber ich könnte mir vorstellen, wenn Leuten das irgendwie wichtig ist, dann haben sie vielleicht das Gefühl, es reicht, wenn jemand ein halbes Jahr trauert.
00:01:13
Früher gab es ja das sogenannte Trauerjahr, aber auch das ist eigentlich heute ja schon viel zu lang, weil man muss ja wieder funktionieren.
00:01:22
Das sagen zumindest einige und da können auch die Eltern und die Schwester von Lisa Marie ein Lied von singen.
00:01:28
Ich hatte über Lisa Maria in der letzten Folge gesprochen und danach Kontakt mit Lea, also der Schwester und mit ihrer Mutter gehabt.
00:01:36
Und sie haben mir erzählt, dass schon recht früh von ihnen erwartet wurde, dass man die Trauer jetzt auch mal sein lässt, was ich eine Abart finde.
00:01:46
Wie kann man der Familie sagen und vorschreiben wollen, wie sie damit umzugehen hat?
00:01:51
Das geht gar nicht.
00:01:52
Weil man den Angehörigen ja auch noch damit das Gefühl gibt, dass sie irgendwas nicht richtig machen.
00:01:59
Und Lisas Mutter und ihr bester Freund Simon, die pflegen ja auch noch diese Facebook-Seite und die Instagram-Gedenkseite für sie.
00:02:05
Und da kamen dann auch so Sprüche wie, man solle sie jetzt auch mal ruhen lassen.
00:02:09
Was an sich schon eine Unverschämtheit sprachlich ist, weil man damit ja zum Ausdruck bringt, dass man die verstorbene Person nicht in Ruhe lässt.
00:02:18
Trauernden da so Druck zu machen, ist natürlich geleitet von einem ganz niedrigen Wunsch.
00:02:23
Und zwar, dass die Person wieder so sein soll, wie vor dem Schicksalsschlag.
00:02:29
Wird nicht passieren.
00:02:30
Und deswegen habe ich auch mit Simon so mitgefühlt, also mit ihrem besten Freund, weil der hat sich ja das Tattoo auf den Unterarm stechen lassen.
00:02:38
Weil der Verlust ihn ja eh immer begleiten wird.
00:02:42
Und er kann das halt auch zeigen.
00:02:44
Es gibt übrigens aber auch den umgekehrten Fall.
00:02:46
Also eine Frau verliert ihren Ehemann bei einer gemeinsamen Radtour, weil ihr Mann von einem Auto angefahren wird.
00:02:53
Und nach drei Wochen ging sie wieder arbeiten und empfindet auch schon wieder einige Glücksmomente.
00:02:59
Und sie fragt sich, ob sie das überhaupt darf und hat ein bisschen so ein schlechtes Gewissen dabei.
00:03:04
Woran das liegt, dass einige kaum trauern und andere ihr Leben lang.
00:03:09
Das weiß man noch nicht so wirklich, weil unsere Trauerforschung noch recht jung ist.
00:03:14
Aber sie verläuft ganz sicher nicht strukturiert oder in festen Phasen und schon gar nicht für jeden Menschen gleich.
00:03:20
Und deswegen würde ich es wirklich toll finden, wenn niemand anderen Personen sagen würde, wie lange er oder sie zu trauern hat.
00:03:27
Auch nicht, wenn eine Trauer das ganze Leben dauert, weil Trauer immer abhängig ist von der Person, die sie durchlebt.
00:03:34
Und weil es einfach nur egoistisch ist, sowas zu sagen.
00:03:37
Weil wie du sagst, machen sie es nur, damit die andere Person ihnen gegenüber wieder dieselbe ist.
00:03:43
Ja, weil sie vielleicht selbst nicht wissen, wie sie damit umgehen sollen.
00:03:46
Und damit herzlich willkommen zu einer neuen Folge von Mordlust.
00:03:50
Einem Podcast von Funk, in dem es um wahre Verbrechen und ihre Hintergründe geht.
00:03:54
Mein Name ist Paulina Kraser.
00:03:55
Und ich bin Laura Wohlers.
00:03:57
In jeder Folge beleuchten wir ein spezielles Thema.
00:03:59
Dazu erzählen wir zwei wahre Kriminalfälle nach, diskutieren die und sprechen mit ExpertInnen.
00:04:05
Wenn wir dabei mal etwas lockerer reden, dann hat das nichts mit fehlender Ernsthaftigkeit zu tun.
00:04:10
Das ist unser Comic Relief, damit wir alle mal durchatmen können zwischendurch.
00:04:14
Das ist aber natürlich nie despektierlich gemeint.
00:04:17
Heute geht es bei uns um den Tod im weißen Kittel.
00:04:20
Also es geht um Menschen, deren einzige Aufgabe es ist, zu helfen und denen man vertrauen muss, weil man selbst keine Ahnung hat.
00:04:28
Wie groß ist denn dein Vertrauen in ÄrztInnen und Pflegekräfte so generell?
00:04:35
An sich groß, wobei ich natürlich auch ein paar Horrorgeschichten kenne oder selbst erlebt habe.
00:04:41
Der Mann einer Freundin meiner Mutter, der ist gestorben, weil er durch eine Spritze Luft in die Vene bekommen hat.
00:04:50
Und als meine Oma letztes Jahr im Krankenhaus war, war sie ganz grün und blau an den Armen, weil eine Schwester sie so grob angefasst hat.
00:04:58
Und ich wollte natürlich wissen, wer das ist.
00:05:01
Und die anderen Schwestern haben sie auch sofort verpelzt, weil sie dafür auch bekannt ist und auch relativ unbeliebt.
00:05:06
Und das sind natürlich jetzt nur einige Erlebnisse gewesen.
00:05:10
Und trotzdem weiß ich natürlich, dass es in jeder Branche Menschen gibt, die ihren Beruf einfach schlecht machen und da nicht hingehören.
00:05:20
Ich habe eigentlich in Pflegekräfte sehr großes Vertrauen.
00:05:26
Das hat den Grund, weil ich nur gute Erfahrungen bisher gemacht habe.
00:05:29
Allerdings brauchte ich auch immer nur jemanden, der mir irgendwie die Angst nimmt.
00:05:32
Und das haben die Pflegekräfte, mit denen ich zu tun hatte, halt immer sehr gut gemacht.
00:05:36
Und dafür bin ich auch sehr dankbar.
00:05:38
Bei ÄrztInnen ist es ein bisschen anders.
00:05:41
Auch meiner Erfahrung geschuldet, weil ich schon ein paar Mal den Fall hatte, dass mir Ärzte ganz unterschiedliche Diagnosen gegeben haben.
00:05:48
So war es zum Beispiel mal bei einem Zahnarzt.
00:05:51
Und der war in einer Praxis, die halt aussah wie so ein Wellness-Tempel.
00:05:56
Und dort wurde mir gesagt, dass ich eine Wurzelbehandlung brauche.
00:05:59
Das hatte ich vorher noch nie gehabt.
00:06:01
Und bei dem Arzt, wo ich vorher war, hatte ich auch fast nie Löcher.
00:06:04
Deswegen habe ich mich gewundert und habe erst mal gesagt, nein, danke.
00:06:07
Und habe dieses Röntgenbild dann an einen Bekannten geschickt, der halt Kieferorthopäde ist.
00:06:12
Der meinte, auf keinen Fall Wurzelbehandlung.
00:06:15
Erst mal probieren, ob man das nicht irgendwie anders retten kann.
00:06:18
Ja, und so war es dann auch, halt dann eben bei einem anderen Arzt in einer normalen Praxis.
00:06:24
Na, irgendwie muss dieser Tempel ja finanziert werden.
00:06:27
Ja, das habe ich mir auch gedacht.
00:06:29
Aber insgesamt war mein Vertrauen in ÄrztInnen, als ich jünger war, auf jeden Fall größer.
00:06:34
Und das geht offenbar nicht nur mir so, sondern vielen Deutschen.
00:06:38
Zumindest laut des Instituts für Geschichte der Medizin der Robert-Boch-Stiftung.
00:06:42
Die 2013 eine Tagung zum Thema Arzt-Patienten-Verhältnis durchgeführt hat.
00:06:46
Was auch dafür sprechen könnte, ist die große Nachfrage nach alternativen Heilmethoden.
00:06:51
Und da werden ja auch heute schon ganz viele von der Krankenkasse bezahlt.
00:06:55
Wenn es jetzt hier in unserer Folge darum gehen würde, Vertrauen aufbauen zu wollen,
00:07:00
dann wären die zwei Fälle, die wir jetzt erzählen, nicht ganz so das Richtige.
00:07:06
Mein Fall diese Woche zeigt, dass es manchen Opfern immer noch viel zu schwer gemacht wird,
00:07:15
das Verbrechen, was ihnen widerfahren ist, aufzudecken.
00:07:18
In meinem Fall sind alle Namen geändert.
00:07:21
Schritt, Schritt, vor, Tab.
00:07:24
Schritt, Schritt, zurück, Tab.
00:07:27
Zwei Schritt, vor, Tab.
00:07:28
Zwei Schritt, zurück, Tab.
00:07:30
Das ist der Discofox-Basic-Schritt.
00:07:33
Eigentlich ganz leicht.
00:07:35
Aber heute, heute will irgendwie nichts so richtig funktionieren.
00:07:39
Sie verfehlt den Takt.
00:07:41
Warum war sie nochmal zu spät zum Tanzunterricht?
00:07:44
Alles ist so, verschwommen.
00:07:47
Anfang Juli 2014 im Klinikum Bamberg.
00:07:51
Rebecca ist 26 Jahre alt, dunkelhaarig und hat eine zarte, filigrane Figur.
00:07:56
Auffallend schlank.
00:07:58
Sie macht gerade ihr praktisches Jahr im Klinikum Bamberg.
00:08:01
Zwei Monate Chirurgie hat sie schon hinter sich.
00:08:04
Und jetzt wird sie in die Gefäßchirurgie bei Chefarzt Dr. Reib eingesetzt.
00:08:08
Hier soll sie weitere zwei Monate in der Abteilung helfen, ihm bei seinen OPs assistieren.
00:08:13
Das ist keine schlechte Aufgabe, denn Dr. Reib gilt als Koryphäe des Fachgebiets.
00:08:19
Der Fokus Gesundheit hatte ihn gerade erst in die Liste der Top-Ärzte der Gefäßchirurgie aufgenommen.
00:08:24
Er ist ein preisgekrönter Chirurg, der schon vielen PatientInnen geholfen hat.
00:08:29
Und noch dazu ist er nett und empathisch.
00:08:31
Nicht so einer von denen, die einen so hohen Posten besetzen und an die man nicht herankommt.
00:08:36
Er ist irgendwie nahbar.
00:08:38
Einmal hat Rebecca ihn sogar im OP-Saal zum Musik tanzen gesehen.
00:08:42
Er hat zwei Kinder, seine Ehefrau ist selbst Ärztin und er engagiert sich in seiner katholischen Gemeinde.
00:08:49
Insgesamt ist der Chefarzt bei den Kollegen sehr beliebt.
00:08:52
Rebecca ist gerade eine Woche auf der Station von Dr. Reib, als sie mit ihm morgens im Ärztezimmer sitzt.
00:08:58
Er erzählt ihr von einer Studie, die er gerade durchführt.
00:09:01
Dabei geht es um die Bildung eines sogenannten Beckenvenensporns bei jungen Frauen mit geringem BMI.
00:09:06
Ein Beckenvenensporn ist eine Einengung der linken Beckenvene, weil die rechte Beckenarterie davor liegt
00:09:14
und die Beckenvene deswegen von der Arterie und der Wirbelsäule eingeengt werden kann.
00:09:18
Und das kann dann gefährlich werden, weil das zu einer Thrombose und die wiederum zu einer Lungenembolie und die wiederum zum Tod führen kann.
00:09:24
Das ist jetzt der mickrige Versuch von Dr. Graser gewesen, einen auf mich kompliziert wirkenden medizinischen Sachverhalt zu erklären.
00:09:32
Rebecca signalisiert Dr. Reib, dass sie Interesse an der Teilnahme hat.
00:09:37
Durch ihre Figur passt sie perfekt in die Studie.
00:09:40
Es vergehen zwei, drei Wochen, bis er sie an einem Montag Ende Juli fragt, ob sie heute Nachmittag kurz Zeit hätte.
00:09:46
Das passt, Rebecca.
00:09:47
Als sie in der Ambulanz ankommt, sind die anderen Kollegen schon in den Feierabend gegangen.
00:09:51
Außer in einem Behandlungszimmer ist überall das Licht schon aus.
00:09:54
Dr. Reib erklärt Rebecca noch einmal genau an einer Tafel, was er vorhat.
00:09:58
In dem kleinen Behandlungszimmer liegt Rebecca in Unterhose und T-Shirt auf der Liege,
00:10:02
während Dr. Reib mit dem Ultraschall ihren Körper entlangfährt und die Untersuchung beginnt.
00:10:07
Dann erklärt er ihr, dass er ihr nun ein Kontrastmittel über einen Venenzugang spritzen werde.
00:10:11
Er legt ihn in der Ellenbeuge und spritzt dann die Injektion, um zum nächsten Teil der Untersuchung zu kommen.
00:10:16
Schritt, Schritt vor Tapp, Schritt, Schritt zurück Tapp.
00:10:21
Zwei Schritte vor Tapp, zwei Schritt zurück Tapp.
00:10:25
Rebecca hat Probleme mit Schrittfolgen.
00:10:27
Sie ist orientierungslos und verwirrt.
00:10:29
Ihr Freund Patrick ärgert sich über sie.
00:10:32
Rebecca ist so unkonzentriert und außerdem musste er beim Tanzunterricht auf sie warten.
00:10:36
Total untypisch für sie.
00:10:37
Um 19 Uhr waren sie hier verabredet.
00:10:40
Sie kam zu spät.
00:10:41
Warum nochmal, weiß sie gar nicht.
00:10:44
Was ist passiert?
00:10:45
Nach dem Feierabend war die Untersuchung.
00:10:50
Sie würde es Patrick gerne erklären, aber es geht nicht.
00:10:54
Dr. Reib hat ihr noch das Kontrastmittel gespritzt und dann gibt es keine Erinnerung mehr.
00:11:00
Irgendwas stimmt nicht.
00:11:02
War das Kontrastmittel?
00:11:04
Wozu eigentlich?
00:11:05
Ergibt das Sinn bei so einer Art Untersuchung?
00:11:08
Vielleicht war es ja was anderes?
00:11:10
Rebecca will diese Gedanken eigentlich gar nicht haben.
00:11:13
Sie erscheinen ihr grotesk.
00:11:15
Ihren Blackout kann sie sich aber auch nicht erklären.
00:11:17
Sie will sich Blut abnehmen lassen.
00:11:19
Sicher ist sicher.
00:11:20
Dann weiß sie, dass nichts Seltsames vorgefallen ist.
00:11:23
Irgendeine logische Erklärung dafür wird es ja schon geben.
00:11:26
Gegen kurz vor neun fährt Patrick mit Rebecca in ein anderes Krankenhaus, um ihr Blut abnehmen zu lassen.
00:11:31
Die Ärztin dort teilt den beiden aber mit, dass sie kein Blut abnehmen kann.
00:11:35
Wenn sie an einer Studie teilgenommen hat, dann müsse sie sich bei der dafür vorgesehene Notfallnummer wenden.
00:11:40
Auch das Angebot, dass sie die Kosten der Blutuntersuchung selbst übernehmen, lehnt die Ärztin ab.
00:11:45
Stattdessen besorgt sie sich vom Klinikum Bamberg die Privatnummer von Dr. Reib und ruft ihn an.
00:11:50
Die Ärztin erzählt ihm, dass Rebecca den Verdacht hat, dass er ihr K.O.-Tropfen gespritzt hat.
00:11:55
Als Rebecca das hört, ist sie unangenehm berührt.
00:11:57
So was hat sie doch gar nicht gesagt.
00:11:59
Und wenn ihr Körper jetzt einfach seltsam auf irgendein Mittel reagiert hat,
00:12:03
dann denkt ihr Chef jetzt, dass sie ihm wahrscheinlich zu Unrecht irgendetwas unterstellen will.
00:12:07
Dann reicht die Ärztin Rebecca das Telefon.
00:12:10
Rebecca erklärt Dr. Reib, dass sie sich an die Untersuchung nicht mehr erinnern kann
00:12:14
und einfach versucht herauszufinden, warum das so ist.
00:12:16
Dr. Reib erklärt ihr, dass er ihr neben dem Kontrastmittel auch noch ein Antihistaminikum injiziert habe.
00:12:23
Also ein Antiallergikum, was die Wirkung von Histamin aufhebt.
00:12:26
Das hätte bei ihr eine krasse allergische Reaktion ausgelöst.
00:12:30
So was hätte er selbst noch nicht gesehen.
00:12:31
Am nächsten Tag würde er ihr einen Allergiepass dafür geben.
00:12:35
Die beiden verabschieden sich telefonisch.
00:12:37
Für die Ärztin ist es damit erledigt.
00:12:39
Für eine Blutuntersuchung müssten die beiden erstens eine Anzeige bei der Polizei erstatten.
00:12:44
Und zweitens würde sie aber auch gar keinen Anlass dafür sehen, warum ein Chefarzt K.O.-Tropfen spritzen sollte.
00:12:49
Patrick und Rebecca geben auf und fahren nach Hause.
00:12:52
Daheim telefoniert Rebecca mit ihrem Vater.
00:12:55
Er ist Internist.
00:12:56
Zusammen überlegen die beiden, welche Erklärung es denn für diesen Blackout geben könnte.
00:13:01
Aber sie finden keine.
00:13:03
Die Zeit rennt gegen sie.
00:13:05
Denn was auch immer in ihrem Blut ist, es wird sich nach und nach abbauen, bis nichts mehr davon vorhanden und nachweisbar ist.
00:13:12
Also verabreden sie sich, noch heute.
00:13:14
Rebeccas Vater besorgt noch aus seiner Praxis die Utensilien zur Blutabnahme,
00:13:18
während Rebecca und Patrick sich wieder ins Auto setzen.
00:13:21
Sie wollen sich in der Mitte auf einem Rastplatz bei der Autobahn treffen.
00:13:24
Rebecca und ihr Vater wohnen 80 Kilometer voneinander entfernt.
00:13:28
Um halb zwölf nachts nimmt ihr Vater ihr dann endlich Blut in seinem Auto ab.
00:13:32
Rebecca ist da schon völlig erschöpft.
00:13:34
Als sie und Patrick später ins Bett fallen, hoffen sie einfach, dass sich herausstellt, dass es eine allergische Reaktion oder so war.
00:13:40
Gleich am nächsten Morgen schickt Rebeccas Vater das Blut ins Labor und lässt es auf Benzodiazepine prüfen.
00:13:46
Also das sind Wirkstoffe, die Angst und krampflösend wirken, beruhigen oder schläfrig machen.
00:13:51
Rebecca geht an diesem Tag schon wieder ins Klinikum zum Arbeiten.
00:13:55
Auch Dr. Reib ist dort.
00:13:57
Er händigt ihr einen Amazon-Gutschein im Wert von 30 Euro aus.
00:14:01
Das kriegen alle seine Probandinnen, sagt er.
00:14:03
Später am Tag sprechen sie noch einmal über den Vorfall vom gestrigen Abend.
00:14:06
Er sagt, dass er nochmal auf dem Beipackzettel von dem Sonovist, also von dem Kontrastmittel, was er gespritzt hatte, schauen wollte, aber dass die Putzkräfte den schon entsorgt hätten.
00:14:16
Warum guckt er es nicht im Internet nach?
00:14:21
Danach bekommt sie von ihm noch den Leiter der Studie genannt.
00:14:24
Wieder zu Hause recherchiert Rebecca zu Sonovist.
00:14:26
Das ist in Deutschland nicht mal zugelassen.
00:14:29
Patrick wiederum versucht über den Namen an mehr Informationen zur Studie zu gelangen.
00:14:33
Von einem Leiter einer Universität erfährt er, dass es eine solche Studie bei ihm nicht geben würde.
00:14:39
Am nächsten Tag, zwei Tage nach Rebeccas Blackout, sitzt sie wieder mit Dr. Reib im Chefarztzimmer.
00:14:45
Während sie Kaffee trinken, hört sie sich seine weiteren Erklärungsversuche von ihm an.
00:14:49
Vermutlich habe er ihr ein altes Kontrastmittel gespritzt, das noch ein Sedativum enthalten habe.
00:14:55
Rebecca hört zu, glaubt ihm aber nichts mehr von dem, was er erzählt.
00:15:00
Am gleichen Tag, gegen 11 Uhr, klingelt ihr Telefon.
00:15:04
Die Ergebnisse der Blutuntersuchung sind da.
00:15:07
Sie hatte an dem Abend wieder zu lahm im Blut, ein Betäubungsmittel.
00:15:11
Rebecca ist schockiert.
00:15:13
Das, was nicht hätte sein dürfen, ist jetzt doch Realität.
00:15:16
Ihr Chefarzt hat sie betäubt, warum auch immer.
00:15:20
Sie sagt Dr. Reib, dass sie jetzt nach Hause gehen und nicht wiederkommen wird.
00:15:24
Dr. Reib wirkt auf sie überrascht.
00:15:27
Als Rebecca das Krankenhaus verlässt, beginnt sie zu weinen.
00:15:30
Patrick ruft nochmal an.
00:15:32
Er will, dass sie zur Polizei gehen.
00:15:35
Am nächsten Tag zeigen die beiden Dr. Reib wegen Körperverletzung an.
00:15:38
Danach versucht ihr Chef Rebecca noch ein paar Mal auf dem Handy zu erreichen.
00:15:42
Aber nur Patrick redet noch ein paar Mal mit ihm.
00:15:44
Er versucht sich nichts anmerken zu lassen.
00:15:47
Anfang August, da schickt Dr. Reib Rebecca noch ein Gedächtnisprotokoll per E-Mail zu.
00:15:51
Von dem Studienprotokoll, das es angeblich geben soll, hat sie immer noch nichts gehört.
00:15:56
Im Anhang der Mail befindet sich neben dem Gedächtnisprotokoll noch eine Datei.
00:16:00
Es ist ein Foto von seinem Urlaub auf Sylt.
00:16:03
Dann, Mitte August, erfährt Rebecca aus der Zeitung, dass gegen Dr. Reib Haftbefehl erlassen wurde.
00:16:09
Kurz nach seinem Sylturlaub hatte man ihn im Krankenhaus festgenommen.
00:16:12
Eigentlich ja wegen Körperverletzung.
00:16:15
Allerdings finden die ErmittlerInnen bei ihrer Arbeit auf den Computern von Dr. Reib, zu Hause und in der Klinik,
00:16:21
Material, das den sexuellen Missbrauch an bewusstlosen Frauen dokumentiert.
00:16:25
Es sind mehrere Frauen, nicht nur Rebecca.
00:16:28
Man kann aber noch nicht von allen die Identität ausmachen.
00:16:32
Auf manchen Bildern sind die Frauen zu erkennen und wiederum andere zeigen nur die Geschlechtsorgane.
00:16:39
Die BeamtInnen fragen Rebecca, ob sie das Video und die Fotos, die sie von ihr auf den Rechnern gefunden haben, sehen möchte.
00:16:45
Rebecca will nicht.
00:16:46
Sie will nicht im Detail wissen, was passiert ist.
00:16:48
Man kann es sich ja ungefähr ausmalen.
00:16:50
Trotzdem kommt sie nicht umhin, es zu erfahren.
00:16:53
Denn zu aller Überraschung leugnet Dr. Reib, dass es sich bei den Szenen um sexuelle Handlungen handeln würde.
00:16:59
Und um was handelt sich das dann?
00:17:00
Er hält immer noch an der Geschichte seiner Studie fest.
00:17:04
Mittlerweile haben die ErmittlerInnen mehrere Frauen, auf denen über eine Million Fotos ausmachen können.
00:17:11
Einige der Frauen hat er vergewaltigt, indem er ihnen Sexspielzeug oder Finger einführte.
00:17:17
Und darunter ist auch Rebecca.
00:17:19
Zwar sieht sie das Video nicht, die Polizei konfrontiert sie aber wegen Reibs Leugnung mit allem, was darin zu sehen ist.
00:17:27
Die meisten von den Frauen auf den Bildern waren PatientInnen und alle waren sie auffallend dünn.
00:17:33
Teils hat er sie betäubt, als sie noch im Rollstuhl saßen, unfähig zu laufen nach Operation.
00:17:37
An einer der Frauen, so ergeben die Ermittlungen, hat er sich dreimal vergangen.
00:17:41
2008, 2009 und 2011.
00:17:44
Seit Jahren, also missbraucht er seinen Beruf, indem Menschen ihm vertrauen und sich nichts ahnen von ihm irgendetwas injizieren lassen.
00:17:53
Obwohl alle betroffenen Frauen über ähnliche Symptome, wie halt Gedächtnislücken, klagten, erfuhren sie erst durch die Polizei oder durch die Medien davon.
00:18:01
Keine hatte danach Verdacht geschöpft.
00:18:04
Im Bamberger Klinikum ist man geschockt.
00:18:06
Niemand hätte gedacht, dass jemand mit so einer Reputation, so ein netter und sozialer Kollege zu so etwas fähig ist.
00:18:13
Er war nicht die Art von Mann, der anzügliche Späßchen oder sowas machte.
00:18:17
In seiner Gegenwart fühlte man sich nicht unwohl.
00:18:19
Als das Ganze öffentlich wird, werden Briefe von ehemaligen PatientInnen ins Krankenhaus geschickt.
00:18:24
Sie beschreiben, was für ein toller Arzt Dr. Reib doch ist und dass er ihnen geholfen hat, wieder gesund zu werden.
00:18:30
Ein Retter in weiß, mit der nicht ganz so weißen Weste.
00:18:34
Und auch Dr. Reib schreibt Briefe aus der Untersuchungshaft.
00:18:37
Darin erklärt er seinen Kollegen, dass er Opfer eines fatalen Justizirrtums sei.
00:18:42
Das Krankenhaus kündigt ihm dennoch außerordentlich zwei Tage nach seiner Festnahme und bestellt einen Coach, der sich um das Personal auf der Station kümmern soll.
00:18:50
Am 7. April 2015 beginnt der Prozess gegen den Doktor, der laut Anklageschrift 13 Frauen im Alter zwischen 17 und 28 Jahren missbraucht und vergewaltigt haben soll.
00:19:02
Zehn der Frauen waren PatientInnen von Reib, zwei MitarbeiterInnen des Krankenhauses.
00:19:06
Also das heißt, neben Rebecca gab es noch eine weitere Kollegin von ihm.
00:19:10
Und an einer der Frauen hat er sich außerhalb des Klinikbetriebs vergriffen.
00:19:14
Es war die Patentochter seiner Frau.
00:19:17
Er hatte ihr zum 18. Geburtstag einen Musicalbesuch in Bochum mit anschließender Hotelübernachtung geschenkt.
00:19:22
Der jungen Frau war aber offenbar nicht klar, dass sie sich ein Zimmer mit Dr. Reib teilen sollte.
00:19:27
Vom Zubettgehen füllte er sie mit Alkohol ab.
00:19:31
Als sie schon nicht mehr Herrin in ihrer Sinne war, zog er sie im Zimmer aus, legte sie aufs Bett und filmte sich dabei, wie er mit einem stabförmigen Gegenstand ihren Körper entlang fuhr.
00:19:40
Man nimmt nachher an, dass es sich dabei um ein Dildo handelte.
00:19:44
Denn Dr. Reib gab später noch mal zu, ihr eine ganze Kiste davon geschenkt zu haben.
00:19:48
Den objektiven Verlauf der Nacht gibt er zu.
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Und deswegen muss die Patentochter seiner Frau nicht vor Gericht aussagen.
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Das Geständnis und diese Tat außerhalb des Krankenhauses sind wichtig.
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Denn für das Gericht lässt der Fall der Patentochter auf seine Tatmotive der Fälle schließen,
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die sich innerhalb des Krankenhauses abgespielt haben.
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Von denen behaupten Reib und seine Anwälte, es hätte sich dabei ausschließlich um wissenschaftliche Untersuchungen gehandelt.
00:20:14
Nach bestem Wissen und Gewissen habe er als Mediziner gehandelt, versucht er dem Gericht weis zu machen.
00:20:20
Auch die Videos und Fotos hätte er nur für wissenschaftliche Zwecke angefertigt.
00:20:24
Also die Sachen, die Sexspielzeuge, den Frauen einzuführen, das waren wissenschaftliche Untersuchungen.
00:20:31
Das sagt er offen vor Gericht.
00:20:33
Das behauptet er weiterhin vor Gericht. Es wäre wissenschaftlich notwendig gewesen.
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Und was man auf dem Beweismaterial noch sieht, ist, dass einige der Frauen ansprechbar waren,
00:20:43
aber halt trotzdem widerstandslos.
00:20:45
Und denen hat Dr. Reib dann erklärt, dass er jetzt mit einer Bluetooth-Gegensonde arbeiten wird.
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In Wirklichkeit war das aber ein Analplug.
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Alle Opfer sagen aus, dass ihnen nicht gesagt wurde, dass die Untersuchungen auf Video aufgezeichnet wurden.
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Dafür entschuldigt sich Dr. Reib.
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Er hätte sie besser informieren müssen.
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Aber ansonsten sei ihm nun wirklich nichts vorzuwerfen.
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Immerhin litten einige von ihnen, so sagt er, wirklich unter Beckenvenenthrombosen.
00:21:12
Und seine Untersuchungen wären überlebenswichtig gewesen.
00:21:14
Das Bildmaterial diene Dokumentationszwecken.
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Auch die Nahaufnahmen des Schambereichs würden ja in der Natur der Sache liegen.
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Immerhin ginge es ja um diese Gegend.
00:21:25
Seine Verteidiger wetten die Aufnahmen sogar noch als Stütze von Dr. Reibs Aussagen.
00:21:30
Immerhin sei er auf keinem der Bilder erregt gewesen.
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Ihrer Meinung nach dürfe man in dem Film mit der Patentochter nichts reininterpretieren.
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Das seien ja immerhin Privataufnahmen gewesen.
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Und dass man ein Sexualleben hat, das könne man ja nun wirklich niemandem vorwerfen.
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Die Verteidigung behauptet, Dr. Reib sei ein Kämpfer für innovative Untersuchungsmethoden.
00:21:51
Die Zahlen der PatientInnen, die an Beckenvenenthrombosen versterben, konnte er einfach nicht mehr hinnehmen.
00:21:56
Nachdem er einmal einem dreijährigen Mädchen vom Tod seiner Mutter berichten musste, die auf altbewährte Art behandelt wurde, hätte er dagegen eine Abneigung entwickelt.
00:22:05
Vor Gericht schwadroniert Dr. Reib in stundenlangen Monologen über seinen Werdegang und wo er alles schon geholfen hat und welche Erfahrungen er gesammelt hat.
00:22:13
Wenn er über medizinische Sachverhalte spricht, dann kann man ihm nicht so wirklich folgen.
00:22:17
Für Reib ist es kein Wunder, dass die Sachverständigen des Gerichts seine Methoden nicht nachvollziehen können.
00:22:23
Er hält sie für ungeeignet.
00:22:25
Der Doktor lässt keinen Versuch aus, seine Untersuchungen zu rechtfertigen und damit auch Rebecca in ein schlechtes Licht zu rücken.
00:22:32
Er und seine Verteidiger gehen sie mehrmals an, versuchen ihre Glaubwürdigkeit anzugreifen und sie als angehende Medizinerin darzustellen, die ein Abhängigkeitsproblem mit sedierenden Stoffen hat.
00:22:42
Rebecca hingegen bleibt ganz ruhig, macht ihre Aussage und versucht, dem Ganzen standzuhalten und dem Verfahren beizuwohnen, solange sie noch kann.
00:22:51
Denn sie weiß, dass ihr Auftreten wichtig ist.
00:22:54
Sie ist die einzige Betroffene, bei der das Mittel im Blut nachgewiesen wurde.
00:22:59
Sie lässt mit Geduld über sich ergehen, wie Reib versucht, sich als Opfer eines Justizskandals darzustellen, dessen Existenzvernichtung, Zitat, der übelsten Art in vollem Gange sei.
00:23:09
Trotz des Theaters glaubt ihm das Landgericht Bamberg seine Ausführungen über seine wissenschaftliche Arbeit nicht.
00:23:15
Der Vorsitzende Richter erklärt, dass das sexuelle Motiv nicht von der Hand zu weisen sei und es keinen Grund gegeben hätte, die Frauen zu betäuben.
00:23:36
Dr. Reib geht gegen das Urteil erfolglos in Revision.
00:23:39
Bei der Verkündung macht die Kammer übrigens nochmal deutlich, dass Rebecca und ihre Familie die Wahrheit gesagt haben, dass es gebe keinen Grund, an ihrer Aussage zu zweifeln.
00:23:48
Rebecca sagt, die Diffamierung war das Schlimmste.
00:23:52
Sie ist geschockt, was man als Vergewaltigungsopfer für eine Prozedur durchmachen muss, bis jemand für das, was er getan hat, zur Rechenschaft gezogen wird.
00:24:00
Was ist das für eine Unverschämtheit, wie die sich den Opfern gegenüber verhalten haben?
00:24:05
Was sind denn das für Anwälte? Ich weiß nicht, wen ich da schlimmer finde.
00:24:09
Diese Anwälte, die dann ihr unterstellen, sie hätte irgendeine Drogensucht, haben sie ihr quasi unterstellt, ne?
00:24:15
Ja, also dass sie ein Problem mit diesen Stoffen hat zumindest, ja.
00:24:19
Also ich kann das überhaupt nicht glauben. Und dass die Anwälte auch noch gedacht haben, dass sie damit durchkommen.
00:24:24
Naja, also als Anwalt ist ja deine Aufgabe, die bestmögliche Verteidigung für deinen Mandanten durchzukriegen.
00:24:31
Dass sie das jetzt gewählt haben als Verteidigungsstrategie, das verwundert mich jetzt ehrlich gesagt nicht.
00:24:38
Also mich verwundert das sehr, dass sie trotzdem weiterhin auf dieser Schiene gefahren sind, dass das alles wissenschaftliche Untersuchungen waren,
00:24:46
wenn man deutlich auf den Bildern gesehen hat, dass es nicht so war, weil es Sexspielzeuge waren, die eingeführt wurden.
00:24:53
Ansonsten natürlich geht man die Strategie, die am besten ist, aber man will trotzdem ja mal ethisch handeln.
00:24:59
Also ich finde das natürlich auch ganz furchtbar. Ich sage nur, natürlich kommt das vor.
00:25:03
Wenn du deinen Mandanten rausboxen möchtest oder deine Mandantin, dann wirst du dir irgendwelche Strategien überlegen,
00:25:10
wie du die ZeugInnen unglaubwürdig wirken lässt oder sonst was.
00:25:14
Ja, aber das kann man ja trotzdem verurteilen.
00:25:17
Das kann man verurteilen, aber Hauptsache ist, das Gericht hat es verurteilt.
00:25:21
Und zwar diese Tat.
00:25:23
Und zwar ja auch einigermaßen hoch die Strafe, oder?
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Denn man darf ja nicht vergessen, am Ende konnten sie ja nur einen Fall zumindest mit dem Blut nachweisen.
00:25:35
Dass es jetzt um eine schwere Vergewaltigung ging, das stand am Anfang noch nicht mal in der Anklageschrift.
00:25:41
Ich glaube, das ist auch ein Urteil, mit dem Rebecca ganz in Ordnung leben konnte.
00:25:45
Ihr ging es ja nie um Rache, sondern halt darum, dass er ihr und anderen Frauen das jetzt nicht mehr antun kann.
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Und es ist aber so, dass wir das jetzt nicht wissen können, ob das nicht nochmal passiert.
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Weil das Gericht hat ihm nämlich nur nach seiner Haftstrafe ein fünfjähriges Berufsverbot auferlegt.
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Das heißt, danach darf er natürlich wieder als Mediziner praktizieren.
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Und das bringt mich jetzt auch zu meinem Aha, dem Berufsverbot.
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Dadurch kann man nämlich verhindern, dass Menschen, die sich einer rechtswidrigen Tat schuldig gemacht haben,
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indem sie halt ihre beruflichen Pflichten grob verletzt oder den Beruf als Mittel zum Zweck ausgenutzt haben,
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weiterhin in ihrem Beruf tätig sind.
00:26:25
So, und das ist natürlich zum einen eine Art Strafe für Täter oder Täterinnen.
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Aber es soll natürlich auch andere Menschen davor schützen, wieder Opfer zu werden, also vor Wiederholungstaten zum Beispiel.
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Und das Berufsverbot, das kann je nachdem, wie schwerwiegend die Tat ist, für eine Dauer zwischen einem und fünf Jahren verhängt werden.
00:26:43
Das Verbot wird immer von einem Gericht angeordnet.
00:26:47
Und wenn dem Gericht diese fünf Jahre zu wenig erscheinen, dann kann es auch ein lebenslanges Berufsverbot aussprechen.
00:26:53
Meistens hören wir von Berufsverboten ja bei MedizinerInnen.
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Übrigens war das beim Bottropper Apotheker aus Folge 23 auch so.
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Der hat auch ein lebenslanges Berufsverbot bekommen.
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Oder LehrerInnen, wenn sie sich beispielsweise an Kindern vergehen.
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Oder JuristInnen, weil sie nicht im Interesse ihrer MandantInnen handeln.
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Oder sie, sagen wir jetzt mal, Gelder veruntreuen oder so.
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Generell kann aber jede Branche unter ein Berufsverbot fallen.
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Also ich finde, dass man das Berufsverbot an sich ja schon diskutieren kann.
00:27:25
Auch auf ÄrztInnen bezogen, die wie Herr Dr. Reib seinen Posten ausgenutzt hat.
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Weil, ich meine, es ist ja so, wenn eine Person ihre Strafe abgesessen hat und es auch keinen Hinweis oder so darauf gibt, dass diese Person wieder straffällig wird.
00:27:42
Ja, und halt dann aus dem Gefängnis kommt.
00:27:44
Dann sollte ihr ja eigentlich in einer perfekten Welt erlaubt werden, wieder zu arbeiten.
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Weil Arbeit ist ja auch ein großer Pfeiler oder eine große Stabilisation.
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Ja, das Ding ist aber, der Person wird ja nicht verboten zu arbeiten.
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Die Person kann ja weiter arbeiten.
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Nur nicht in dem Bereich, die die Person ausgenutzt hat, um sich daraus einen Vorteil zu erschaffen.
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Nee, das ist ja klar.
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Aber für Menschen, deren Beruf jetzt ihr Leben war, also zum Beispiel ein Anwalt, der wegen Betrugs ins Gefängnis musste, wenn der wieder rauskommt und dann nicht mehr seinem geliebten Beruf nachgehen darf und ja, dann auch erstmal was ganz anderes lernen müsste, um irgendwann wieder einen, ja, für ihn anspruchsvollen Beruf ausüben zu können.
00:28:32
Für den ist es natürlich schwer. Aber ich kann natürlich auch verstehen, wenn kein Mensch ihn mehr dann als Anwalt will oder dass man sich auch nicht von einem Arzt behandeln lassen will, der Patienten umgebracht hat.
00:28:44
Was ich schwierig finde, ist dann auch noch die Frage nach der Länge des Verbots. Also ab wann wird denn dann das lebenslange Berufsverbot verhängt?
00:28:54
Also hier zum Beispiel wundere ich mich jetzt tatsächlich auch darüber, dass er nach fünf Jahren wieder praktizieren kann. Wenn man das so hört, würde man ja schon davon ausgehen, dass Gericht sich hier auch hätte überlegen können, ein lebenslanges Berufsverbot auszusprechen.
00:29:07
Aber zum Beispiel auch beim Apotheker aus Bottrop ist mir ja ganz klar, dass der auf jeden Fall nie wieder Medikamente zusammenmischen darf. Das siehst du aber auch alleine schon an der Haftstrafe. Der hat ja 14 oder 13 Jahre bekommen.
00:29:24
Es gibt übrigens bei MedizinerInnen noch eine andere Möglichkeit, die von ihrem Berufszweig fernzuhalten. Das kann man zum Beispiel machen, indem man jemandem die Approbation entzieht.
00:29:33
Das ist übrigens die Zulassung, den Beruf selbstständig und eigenverantwortlich ausführen zu dürfen. Ein Berufsverbot muss immer vom Gericht ausgesprochen werden. Also da bedarf es eine Verurteilung für.
00:29:46
Und ein Approbationsentzug erfolgt durch die nach Landrecht zuständige Behörde des Landes, in dem der Betroffene oder die Betroffene zuletzt tätig war.
00:29:55
Und eine Approbation kann auch entweder ganz entzogen werden oder zeitweise rund gestellt werden, wenn ein Arzt oder eine Ärztin sich eines Verhaltens schuldig gemacht haben, aus dem sich seine oder ihre Unzuverlässigkeit oder Unwürdigkeit zur Ausübung des Arztberufes ergibt.
00:30:10
Also es ist hier ein bisschen was anderes, ja. Es verlor zum Beispiel mal ein Arzt aus Gießen seine Approbation, weil er mit seiner Ex gemeinsam bei einer Party zu viele Drogen nahm und seine Ex, die verstarb dann daraufhin in seiner Wohnung, während er vor der Haustür stand, nachdem er sich selbst ausgeschlossen hatte und auf den Schlüsseldienst wartete.
00:30:30
Und ihm hätte wohl klar sein müssen, dass es ihr nicht gut ging. Und wahrscheinlich hat das Gericht nicht genug Anhaltspunkte dafür gesehen, dass er seine beruflichen Pflichten verletzte, denn er war ja in dem Moment nicht als Arzt tätig.
00:30:43
Dass seine PatientInnen sich deswegen jetzt in Gefahr befinden, ja, wenn er sie behandelt hätte, das halten wir jetzt auch mal für relativ gering.
00:30:50
Aber dieser gravierende private Fehltritt, der reichte trotzdem, um ihm die Approbation zu entziehen. Das bestätigte der Verwaltungsgerichtshof Hessen auch später nochmal.
00:31:01
Weil durch sein Verhalten würde seine Unzuverlässigkeit oder Unwürdigkeit naheliegen.
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Beim Berufsverbot ist es halt was anderes. Das Gericht muss durch die Gesamtwürdigung des Täters oder der Täterin und der Tat zu dem Schluss kommen, dass bei weiterer Ausübung des Berufes oder des Berufszweiges, Gewerbes oder Gewerbezweig die Gefahr besteht, dass die Person Taten dieser Art nochmal begeht.
00:31:23
Und das muss das Gericht dann ausreichend begründen und tut es das nicht, kann das Berufsverbot auch unzulässig sein.
00:31:30
Anfang 2014 entschied der BGH, dass das ausgesprochene Berufsverbot eines Nachhilfelehrers vom Landgericht Düsseldorf für die Unterrichtung von Kindern unter 18 Jahren nicht zulässig war.
00:31:41
Der Nachhilfelehrer hatte sich nämlich in 16 Fällen an Mädchen vergangen und das Landgericht Düsseldorf verurteilte ihn daraufhin zu einer Freiheitsstrafe von fünf Jahren und sprach zusätzlich ein Berufsverbot von fünf Jahren als Lehrer oder Nachhilfelehrer bei unter 18-Jährigen aus.
00:31:54
Und dies war aber nicht zulässig, weil das Landgericht nicht hinreichend festgestellt hatte, dass zukünftig von dem Nachhilfelehrer auch eine Gefahr für Jungen bestehen würde.
00:32:04
Dafür gab es nämlich keine Anhaltspunkte, immerhin habe er sich nur an Mädchen vergangen und der BGH beschränkte dann das Berufsverbot daraufhin, also nur für die Nachhilfe von Mädchen und Jungen durfte er dann weiterhin unterrichten.
00:32:17
Ihren Beruf ausgenutzt hat auch die Person, um die es in meinem Fall geht.
00:32:22
Er erzählt von einem Menschen, der sein eigenes Leiden mit dem von PatientInnen verwechselt und einer Umgebung, die bewusst wegschaut.
00:32:31
Einige Namen habe ich geändert.
00:32:33
Es ist der 19. September 2006.
00:32:36
Andrea L. liegt auf Station 104i der Berliner Charité, Deutschlands bekanntester und größter Uniklinik.
00:32:43
Seit Jahren leidet die 48-Jährige an einer schweren Herzmuskelschwäche.
00:32:47
Ihre Hausärztin in Wolfenbüttel hatte sie vor zwei Monaten an die Charité überwiesen.
00:32:52
Auf der kardiologischen Intensivstation der Uniklinik könne man ihr besser helfen.
00:32:56
Doch durch einen Sturz in Berlin hatte sich Andreas Zustand verschlechtert und die eigentlich vorgesehene Behandlung kommt nicht mehr in Frage.
00:33:03
Nachdem Andrea und ihr Ehemann Joachim von der Hiobsbotschaft erfahren hatten, entschied sich Andrea dafür,
00:33:09
nur noch eine medikamentöse Therapie zu machen, und zwar in ihrem Heimatkrankenhaus in Wolfenbüttel.
00:33:14
So kann sie ihrem Mann näher sein, der seit Ende Juli für jeden Besuch sechs Stunden mit dem Zug zurücklegt.
00:33:21
Heute soll Joachim die Strecke zum letzten Mal fahren, denn für morgen, den 20. September, ist die Verlegung organisiert.
00:33:28
Doch Andrea geht es nicht gut.
00:33:30
Ihr Zustand wechselt immer wieder von wach und da zu nicht ansprechbar.
00:33:34
Als Joachim sich dann am frühen Abend auf den Nachhauseweg machen will, kommt die diensthabende Krankenschwester ins Zimmer.
00:33:40
Sie legt ihm nahe angesichts von Andreas Zustand, einen späteren Zug zu nehmen.
00:33:45
Joachim stimmt zu und setzt sich wieder zu seiner Frau ans Bett.
00:33:48
Tränen steigen ihm in die Augen.
00:33:50
Die Krankenschwester verlässt den Raum und kommt kurze Zeit später zurück.
00:33:54
Sie setzt eine Spritze an den vorhandenen Venenkanal an Andreas' Arm und drückt ab.
00:33:59
Wenige Minuten später ist Joachims Frau tot.
00:34:02
Die Krankenschwester, die an diesem 19. September Dienst auf Station 104i hat, heißt Irene B.
00:34:08
Die Berlinerin ist 54 Jahre alt und eine sehr erfahrene Pflegerin.
00:34:13
Schon 35 Jahre arbeitet sie in dem Beruf.
00:34:16
Vor ihrer Zeit in der Charité hatte sie sogar als Oberschwester auf der Intensivstation im jüdischen Krankenhaus in Berlin gearbeitet.
00:34:23
Von ihren KollegInnen wird sie respektiert, aber nicht gemocht.
00:34:28
Im Schnitt ist sie 10 Jahre älter als alle anderen und etwas merkwürdig.
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So fällt sie unangenehm auf, weil sie ständig fröhlich pfeift, wenn sie über die Stationsgänge läuft,
00:34:38
Stimmungsschwankungen hat und einen extremen Sarkasmus an den Tag legt.
00:34:42
Irene B. scheint zudem oft arrogant.
00:34:45
So meint sie bei ihrer Expertise, jungen ÄrztInnen von oben herab begegnen zu können und über Therapien zu diskutieren.
00:34:52
Solche Szenen sind immer wieder zu beobachten, denn die Station 104i ist klein.
00:34:58
11 Betten in 8 Zimmern.
00:35:00
Im Jahr werden hier etwa 880 PatientInnen von ungefähr 30 PflegerInnen im Schichtwechsel betreut.
00:35:06
Dazu kommen noch etwa 10 ÄrztInnen und PhysiotherapeutInnen.
00:35:10
Sie behandeln Menschen mit Herz-, Herzkreislauf und Herz-Lungenkrankheiten.
00:35:16
Größtenteils handelt es sich dabei um akut oder chronisch Kranke.
00:35:20
Wie auf den meisten Intensivstationen ist die Arbeitsbelastung hoch.
00:35:23
Seit einiger Zeit kommt auf Station 104i hinzu, dass zunehmend Stellen gekürzt werden.
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Irene B. will vielleicht gerade deshalb zu dieser Zeit beweisen, wie belastbar sie ist.
00:35:34
Obwohl schwerstkranke PatientInnen viel mehr Aufmerksamkeit brauchen und Arbeit machen,
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meldet sie sich bei der morgendlichen Zuteilung immer genau bei diesen.
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So zum Beispiel am 28. Juni 2005, als Ulrich H. auf die Station kommt.
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Der 66-Jährige leidet an Harnblasenkrebs und einer Herzerkrankung.
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Vorher lag er in der Urologie, doch dort hatte sein Kreislauf versagt.
00:35:57
Ulrich H. muss reanimiert werden. Jetzt geht es um Leben und Tod.
00:36:01
Die zwei diensthabenden Ärzte versuchen, den Blutdruck des Mannes zu erhöhen und zu stabilisieren.
00:36:06
Dafür verordnen sie verschiedene Medikamente, die die Krankenschwester dem Patienten geben soll.
00:36:11
Irene B. setzt ihre Spritze an und drückt ab.
00:36:14
Die Rettung schlägt fehl und nur einige Minuten später ist Ulrich H. tot.
00:36:19
Auch am 16. August 2006 lässt sich Irene B. für die Behandlung eines schwerstkranken Patienten einteilen.
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Der herzkranke Herbert K. ist nicht mehr ansprechbar und bereits in der sogenannten Finalphase.
00:36:30
So wird der Zustand genannt, wenn der oder die Kranke nur noch einige Tage oder Stunden zu leben hat.
00:36:36
Die ÄrztInnen hatten sich einvernehmlich mit der Familie für eine Sedierung mithilfe von Morphin entschieden,
00:36:41
um dem 77-Jährigen die Möglichkeit zu geben, schmerzfrei zu sterben.
00:36:45
Gegen 18 Uhr an diesem Freitag kommt Irene B. ans Bett des Mannes und setzt ihre Spritze an.
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Zweimal innerhalb kurzer Zeit drückt sie ab.
00:36:54
Weniger als eine Stunde später ist Herbert K. tot.
00:36:58
Eineinhalb Monate später stirbt Andrea L. ebenfalls unter Aufsicht der Krankenschwester,
00:37:02
während ihr Mann Joachim neben ihr sitzt.
00:37:05
Ein paar Tage nach Andreas Tod meldet sich dann ein Pfleger der Station 104i bei seinem Vorgesetzten.
00:37:12
Er erzählt von einem Vorfall vom 16. August.
00:37:14
An diesem Abend hatte er zusammen mit Irene B. Dienst.
00:37:17
Beide kümmerten sich um Patienten im selben Behandlungszimmer.
00:37:21
Sie sollte sich um Herbert K. kümmern, der keine weiteren Medikamente erhalten sollte,
00:37:25
weil der Morphinperfusa bereits eingeschaltet war.
00:37:28
Der Pfleger war gerade mit dem anderen Patienten im Raum beschäftigt,
00:37:32
als er mitbekam, wie seine Kollegin dem Mann im Nebenbett eine Flüssigkeit spritzte,
00:37:36
obwohl dieser keine Medikamente mehr hätte bekommen sollen.
00:37:40
Als Irene B. das Zimmer dann verlassen hatte, fand der Pfleger im Mülleimer eine leere Ampulle.
00:37:44
Diese nahm er an sich.
00:37:46
Bei der Dienstübergabe erzählte er seinen Kolleginnen von seinem Verdacht,
00:37:49
bat sie aber nichts zu sagen, bis er sich nicht im Klaren über die Sache sei.
00:37:54
Der Vorfall ist nun mehr als sechs Wochen her.
00:37:57
Der Pfleger hatte nichts gesagt und war dann für drei Wochen in den Urlaub gefahren.
00:38:01
Am Ende dieses Gesprächs versichert sein Vorgesetzter, er werde dies bei nächster Gelegenheit melden.
00:38:07
In der Zwischenzeit kümmert sich Irene B. um einen Langzeitpatienten der Station 104i.
00:38:12
Peter W. hat bereits mehrere Reanimationsversuche hinter sich.
00:38:16
Einer davon hatte zu einem Hirnschaden geführt.
00:38:19
Seitdem liegt Peter W. im Koma.
00:38:22
In der Nacht vom 26. September 2006 wird der Zustand des 52-Jährigen erneut kritisch.
00:38:27
Sein Blutdruck sinkt.
00:38:29
Die diensthabende Ärztin gibt Irene B. die Anweisung, ein kreislaufbeschleunigendes Mittel zu spritzen.
00:38:34
Irene B. zieht ihre Spritze auf und drückt ab.
00:38:37
Eine Stunde später ist Peter W. tot.
00:38:39
Am selben Tag bietet sich die Gelegenheit für den Vorgesetzten des Pflegers, den Stationsarzt über den Vorfall mit der weggeschmissenen Ampulle zu informieren.
00:38:48
Auch der Oberarzt und die Stationsschwester werden konsultiert.
00:38:51
Einen Tag später entschließt man sich, die Klinikleitung darüber in Kenntnis zu setzen und bittet im Sekretariat um ein Gespräch mit dem Chef in wichtiger Angelegenheit.
00:39:00
Es kommt aber kein Gespräch zustande.
00:39:02
Und so kann sich Irene B. weiter um PatientInnen kümmern.
00:39:05
Auch um den 62-Jährigen Dieter U.
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Der Patient, der an fortgeschrittenem Lungenkrebs und schweren Herzrhythmusstörungen leidet, bekommt in der Nacht zum 2. Oktober plötzlich Schnappatmung.
00:39:15
Sein Blutdruck sinkt und seine Nieren versagen zwischenzeitlich.
00:39:19
Weil Dieter U. wenige Tage zuvor, als er noch ansprechbar war, den Wunsch geäußert hatte, keine lebensverlängernden Maßnahmen zu erhalten,
00:39:27
entscheiden sich die MedizinerInnen in dieser Nacht, ihm Morphin gegen die Schmerzen zu geben.
00:39:31
Gegen 7 Uhr morgens stellt sich Irene B. zu dem nun nicht mehr ansprechbaren Mann, setzt ihre Spritze an und drückt ab.
00:39:38
Der Blutdruck fällt und kurze Zeit später ist auch Dieter U. tot.
00:39:41
Als der diensthabende Arzt dazukommt und Irene B. traurig vor sich stehen sieht, fragt er
00:39:46
Irene, willst du etwas sagen?
00:39:49
Nein, antwortet die Krankenschwester.
00:39:52
Erst zwei Tage nach Dieter U.'s Tod wird die Klinikleitung über den Vorfall mit der weggeschmissenen Ampulle informiert.
00:39:59
Sechs Wochen nach dem Vorfall und drei weiteren Todesfällen im Zuständigkeitsbereich von Irene B.
00:40:05
Nach einigen weiteren Gesprächen wird endlich die Polizei benachrichtigt.
00:40:09
Irene B. wird noch am selben Tag in ihrer Wohnung in Berlin-Reineckendorf verhaftet und in Untersuchungshaft gebracht.
00:40:16
Ein halbes Jahr später beginnt der Prozess gegen die Krankenschwester am Berliner Landgericht im Scheinwäfferlicht der Presse.
00:40:21
Alle möchten wissen, wer Schwester tot ist, wie Irene B. von den Boulevardmedien getauft wird.
00:40:27
Nachdem die Angeklagte kurz nach der Verhaftung noch alle Taten leugnete, beginnt diese Verhandlung mit einem Geständnis von ihr.
00:40:33
Vier Menschen habe sie Medikamente gespritzt, die sie eigentlich nicht hätte spritzen dürfen und die zu deren Tod geführt haben.
00:40:40
Immer war es das stark blutdrucksenkende Mittel Niprus gewesen.
00:40:43
Für den Tod von Ulrich H., der im Sommer 2005 in der Klinik verstarb, will Irene B. aber nicht verantwortlich gewesen sein,
00:40:50
obwohl auch nach dessen Exhumierung eine deutlich erhöhte Konzentration von Wirkstoffen genau dieses Mittels nachgewiesen wurden.
00:40:57
Was alle Opfer von Irene B. gemeinsam hatten, war, dass sie schwerstkrank waren.
00:41:01
Die meisten von ihnen hatten nicht mehr lang zu leben, manche nur noch wenige Stunden.
00:41:05
Daher ist die Frage nach dem Motiv der Krankenschwester die, die alle Anwesenden am meisten interessiert.
00:41:11
Um die zu klären, wird zunächst der Gutachter in den Zeugenstand gerufen.
00:41:15
Ihm gegenüber hat Irene B. erklärt, dass sie bei ihren Taten davon ausgegangen sei,
00:41:19
dass sie im Willen der Patientinnen handelte und alles zu deren Wohl geschah.
00:41:24
Sie hat die Schmerzen der Menschen lindern wollen, sagt sie.
00:41:27
Zu Peter W., dem Opfer, der bereits im Koma lag, gab sie an, dass sie die Würde des Mannes,
00:41:32
die nach neuen Reanimationen, Zitat, nicht mehr da gewesen sei, wiederherstellen wollte.
00:41:37
Wenn der Mann ins Pflegeheim gekommen wäre, was geplant war, wäre sein Leben ohne Lebensqualität gewesen, so Irene B.
00:41:44
In ihren Gesprächen mit dem Sachverständigen hat die Krankenschwester ihre Taten außerdem als Eingebung vor Gott bezeichnet.
00:41:51
Ihr Handeln sieht sie nicht als Töten, sondern als Sterbehilfe an.
00:41:55
Doch so richtig passt das nicht.
00:41:57
Denn keines der Opfer hatte Schmerzen gehabt.
00:41:59
Das hatte Irene B. selbst bei einem Verhör mit der Polizei angegeben.
00:42:03
Nie habe sie einen Patienten oder eine Patientin auf Station 104i leiden sehen.
00:42:08
Was war es also, dass Irene B. zur Mörderin machte?
00:42:11
Laut Gutachter ist sie psychisch gesund.
00:42:14
Sie habe aber eine Persönlichkeitsstörung mit narzisstischen, zwanghaften und schizotypischen Zügen.
00:42:20
Diese bestimme ihre Beziehungen und den Umgang mit anderen Menschen.
00:42:23
Der Gutachter erklärt weiter, Zitat,
00:42:26
Die Angeklagte ist im Auftreten gekennzeichnet von einer emotionalen Kühle, einer gewissen Verschrobenheit, Misstrauen und Introversion,
00:42:34
bei gleichzeitig sich immer wieder andeutender Grandiosität und Selbstbezogenheit.
00:42:39
Außerdem stellt er bei ihr eine histrionisch-zwanghafte Persönlichkeitskomponente fest.
00:42:43
Irene B. dramatisiere und übertreibe, wo sie kann.
00:42:47
Ihre Persönlichkeitsstörung beeinträchtigt aber ihre Einsichts- und Steuerungsfähigkeit nicht erheblich, so der Gutachter.
00:42:53
Die Angeklagte hatte nämlich bis zu den Taten auch ein relativ normales Leben geführt,
00:42:58
war lange Zeit verheiratet gewesen und immer berufstätig.
00:43:02
Als Motiv sieht er ihren starken Selbstbezug.
00:43:05
Möglich sei, dass Irene B. ihre eigene Angst vor Hilflosigkeit und Tod
00:43:09
auf die PatientInnen übertrug und mit ihren Taten versuchte, ihre eigenen Schwächen abzuwehren.
00:43:14
Ihre Idee von Mitleid und dem Beenden eines unwürdigen Lebens seien im Nachhinein gemachte Rationalisierungen,
00:43:21
nicht das wahre Motiv der Krankenschwester.
00:43:23
Weil sie dies nicht erkennen könne und sich zu sehr mit ihren Taten identifiziere,
00:43:27
ist die Zukunftsprognose für sie schlecht, so der Gutachter.
00:43:31
Bislang sei bei ihr nicht erkennbar, dass sie die Taten emotional wirklich bereue.
00:43:35
Nach dem Gutachter werden vor allem MitarbeiterInnen aus der Charité befragt und nach und nach wird deutlich,
00:43:41
wie groß die Schuld ist, die auch sie auf sich geladen haben.
00:43:44
Nicht nur kommt heraus, dass es mehr als sechs Wochen gedauert hat,
00:43:48
Verdacht auf Tötung eines Patienten die Klinikleitung erreicht,
00:43:51
sondern auch, dass schon viel früher hätte eingeschritten werden müssen.
00:43:54
Denn schon 2001 war Irene B. erstmals negativ aufgefallen.
00:43:58
Damals wollte sie ein Beatmungsgerät ausschalten und war nur durch den anwesenden Arzt davon abzuhalten.
00:44:03
Ein Jahr später hat Irene B. bei der Reinigung eines Venenkatheters
00:44:07
statt einer sterilen Spülung eine unsterile Kochsalzlösung verwendet.
00:44:11
Das wird nicht so schlimm sein, habe sie damals dazu gesagt.
00:44:15
Das müssen doch gerade Menschen in diesem Beruf wissen, dass das sehr wohl sehr schlimm sein kann.
00:44:21
2005 hat Irene B. laut einem anderen Zeugen vergessen, eine Sauerstoffflasche aufzudrehen
00:44:26
und im gleichen Jahr habe sie verweigert, einen Tubus richtig zu platzieren,
00:44:30
sodass der sich irgendwann gelöst hatte.
00:44:32
Ein Jahr später habe sie eine Ärztin gefragt,
00:44:34
ob sie nicht das Beatmungsgerät bei einem sterbenden Patienten ausstellen sollte.
00:44:38
Und nach all diesen Vorfällen wurde Irene B. zwar gemaßregelt,
00:44:42
nie aber wurde in größerer Runde darüber geredet oder Vorgesetzte informiert.
00:44:46
Viele ZeugInnen geben außerdem an, dass Irene B. in den letzten zwei Jahren
00:44:50
sehr grob und aggressiv mit PatientInnen umgegangen war.
00:44:53
Sie habe Menschen angebrüllt und ihnen auf die Finger geschlagen.
00:44:56
Doch nur zwei Übergriffe wurden offiziell gemeldet.
00:44:59
Im März 2006, als Irene B. einer geistig verwirrten Frau auf die flache Hand geschlagen hatte,
00:45:04
weil diese sich die Hände mit Kot beschmiert hatte.
00:45:07
Und drei Monate später, als sich ein Patient bei einer Krankenschwester über sie beschwerte.
00:45:11
Erst dann informierte die Stationsleiterin die Pflegedienstleiterin.
00:45:15
Die schlug vor, die beiden Vorfälle anonym zu protokollieren,
00:45:18
um danach ein Gespräch mit Irene B. zu führen.
00:45:20
Dieses fand bis zu ihrer Verhaftung nicht statt.
00:45:23
Am Ende des Prozesses plädiert Irene B.s Verteidiger auf Totschlag in den von ihr gestandenen vier Fällen.
00:45:28
Die Staatsanwaltschaft plädiert auf Mord in den fünf vorgestellten Fällen,
00:45:32
außerdem noch auf Mord in einem weiteren Fall, zwei Mordversuche und die besondere Schwere der Schuld.
00:45:37
Am 29. Juni 2007 spricht das Berliner Landgericht sein Urteil.
00:45:42
Die Angeklagte hat sich wegen Mordes in fünf Fällen strafbar gemacht,
00:45:45
wobei sie in allen Fällen aus niedrigen Beweggründen und in den Fällen von zwei Patientinnen außerdem heimtückisch gehandelt hatte.
00:45:52
Heimtückisch, weil sie die Arglosigkeit des Ehemanns von Andrea und die des reanimierenden Teams bei Ulrich H. ausgenutzt hatte.
00:46:00
Das Gericht hatte Irene B. nicht geglaubt, aus Mitleid gehandelt zu haben und nennt als niedrigen Beweggrund ihre Intoleranz gegenüber dem Tod.
00:46:09
Die Anmaßung, gottgleich über Leben und Tod mehr oder weniger Unbekannter entscheiden zu wollen,
00:46:14
steht nach allgemeiner sittlicher Wertung auf tiefster Stufe und ist deshalb verwerflich.
00:46:19
Bei den drei anderen Fällen, die die Staatsanwaltschaft angeklagt hatte, waren Zweifel geblieben,
00:46:24
weshalb Irene B. von diesen Tatvorwürfen freigesprochen wird und ich diese nicht ausgeführt habe.
00:46:30
Doch nicht nur Irene B. wird vom Vorsitzenden Richter für schuldig erklärt.
00:46:33
Auch die Charité kriegt ihr Fett weg.
00:46:35
Es habe ein problematisches System auf Station 104i geherrscht.
00:46:39
Mangelnde psychosoziale Betreuung der Pflegekräfte, mangelnde Struktur und mangelnde Kontrolle.
00:46:44
All dies habe dazu beigetragen, dass so viele Menschen sterben mussten.
00:46:50
Die Protagonisten und Beobachter sind ungeeignet für diese Arbeit und gehörten entfernt.
00:46:54
So die vernichtenden Worte des Vorsitzenden.
00:46:57
Insbesondere rügt er die Pfleger, die einen Verdacht hatten und dennoch schwiegen.
00:47:01
Nach dem Urteil gehen beide Seiten in Revision.
00:47:04
Irene B. ist mit dem Wort Mord nicht einverstanden und die Staatsanwaltschaft möchte die besondere Schwere der Schuld durchsetzen.
00:47:11
Doch der BGH bestätigt das Urteil des Berliner Landgerichts, ändert aber den Schuldspruch in dreifachen Mord und zweifachen Totschlag.
00:47:19
An dem Ergebnis der Lebenslanghaftstrafe ändert dies aber nichts.
00:47:22
Entschuldigung, was war das dann vorher im Vergleich?
00:47:24
Fünffacher Mord.
00:47:27
Ich habe da spezifisch nichts zu gefunden, aber ich gehe davon aus, dass es nun noch zweifacher Totschlag ist, weil der eine Patient ja im Koma lag und der andere Patient auch nicht mehr ansprechbar war und möglicherweise deshalb die Arglosigkeit gefehlt hat.
00:47:44
Aber wie gesagt, ich habe das nicht gefunden.
00:47:47
Irene B. wird nächstes Jahr aus dem Gefängnis entlassen.
00:47:51
In ihrer Zeit in der JVA hat sie mehrere Interviews gegeben, war auch im Fernsehen zu sehen.
00:47:56
Von, das ist für mich kein Mord, da stelle ich mir etwas anderes, etwas ganz Brutales vor, über, der Begriff töten klingt sehr hart, ich habe diesen Menschen die Lebenszeit verkürzt und ich hatte die Macht zu gestalten, war alles dabei.
00:48:10
In einem der Interviews spricht sie auch über Sterbehilfe und plädiert dafür, diese in Deutschland zu erlauben.
00:48:16
Irene B. sieht sich ganz offensichtlich als Märtyrerin eines humaneren Systems.
00:48:20
Was bei diesen Auftritten ganz deutlich wird, ist ihre histrionische Persönlichkeit.
00:48:25
Also man merkt richtig, wie sie diese Auftritte genießt und sie kommt wirklich ganz merkwürdig rüber.
00:48:32
Also wenn sie über die Taten spricht, ist sie super sachlich, also gar nicht emotional in keiner Weise und spricht auch total beherrscht und bedacht.
00:48:43
Also man hat immer das Gefühl, dass sie halt genau überlegt, was sie sagt, damit sie so rüberkommt, wie sie will, als würde sie sich so von außen beobachten.
00:48:52
Und vor laufender Kamera erklärt sie am Ende eines Fernsehbeitrags noch, ich bedauere, was ich den Angehörigen angetan habe.
00:48:59
Und ich bedauere auch sehr, dass ich den Berufsstand so in Missgunst gebracht habe.
00:49:03
Aber ich bereue nichts.
00:49:06
Das gibt es doch nicht.
00:49:08
Und das müssen sich die Angehörigen auch noch alles geben, ja.
00:49:11
Also vor allem, wenn sie draußen ist, dann hat sie bestimmt auch noch mal ordentlich Redebedarf.
00:49:18
Kann ich mir auch vorstellen.
00:49:19
Sie hat ja auch mehrere Teams in ihre Zelle gelassen.
00:49:22
Guckt, wie ich hier lebe.
00:49:24
Und hat auch halt gezeigt, wie toll sie in dem Beruf ist, den sie da ausübt, nämlich irgendwie Computer auseinander bauen.
00:49:32
Und sie ist da im Theater und im Chor und der Mann, für den sie dort arbeitet sozusagen, der hat auch gelobt, wie toll sie arbeitet und dass sie immer die ist, die am längsten da ist.
00:49:46
Und ja, hat sie gelobt.
00:49:50
Also ich bin sehr gespannt, wie das ist, wenn sie rauskommt.
00:49:55
Ich würde den Angehörigen der Opfer wünschen, dass sie nicht mehr diesen Öffentlichkeitsdrang hat, weil am Ende könnte sie jetzt theoretisch ja alles sagen, alles machen, was ihr bisher so auf der Seele lag.
00:50:10
Ich denke mal, dass es im Gefängnis da schon irgendwie Begrenzung für gegeben hat.
00:50:15
Aber wenn sie jetzt, nachdem sie ihre Strafe abgesessen hat, nochmal verbreiten möchte, warum das alles in Ordnung war, wie sie damals gehandelt hat, dann ist das natürlich auch für Opfer irgendwie total retraumatisierend, wieder damit konfrontiert zu werden.
00:50:32
Irene B. ist ein sogenannter Todesengel und damit komme ich zu meinem Aha.
00:50:37
Der Begriff Todesengel stammt eigentlich aus dem Religiösen und bezeichnet dort die Engel, die den Menschen den Tod bringen, Verstorbene ins Jenseits begleiten oder eben dort in Empfang nehmen.
00:50:47
Im Volksmund wird der Begriff aber für Menschen genutzt, die aus medizinischen Berufen stammen und Schutzbefohlene töten.
00:50:54
Dass es eine extra Bezeichnung dafür gibt, zeigt schon, Irene B. ist kein Einzelfall.
00:51:00
Seit 1970 gab es im deutschsprachigen Raum zwölf aufgedeckte Tötungsserien von Todesengeln in Krankenhäusern.
00:51:06
Die TäterInnen töteten nachweislich insgesamt 198 Menschen und darunter waren allein 87 Opfer des Pflegers Nils Högl.
00:51:15
In allen Fällen waren aber deutlich mehr Taten angeklagt, also die Dunkelziffer sehr hoch.
00:51:22
Der Psychiater Karl-Heinz Beine hat zu dem Thema Todesengel geforscht und das Buch Tatort Krankenhaus veröffentlicht.
00:51:29
Mithilfe seiner Untersuchungen konnte er ein Täterprofil für Todesengel erstellen.
00:51:32
Und so handelt es sich in der Regel um Menschen, die in der Pflege arbeiten, also nicht um Ärztepersonal.
00:51:38
Der typische Todesengel ist außerdem männlich, was interessant ist, wenn man bedenkt, dass die Frauenquote in Pflegeberufen bei etwa 86% liegt.
00:51:46
Und um die 35 Jahre alt.
00:51:49
Er ist emotional verschlossen, selbst unsicher und im Kollegenkreis oft ein Außenseiter.
00:51:54
Was bei allen untersuchten Fällen außerdem interessant war, ist, dass die TäterInnen eine auffallend verrohte Sprache an den Tag legten.
00:52:03
Also bei denen verstarben PatientInnen nicht, sondern sie kratzten oder kackten ab.
00:52:11
Und die PatientInnen wurden auch als Arschloch oder Drecksau bezeichnet.
00:52:16
Man sollte ja meinen, dass die gerade ja darauf bedacht sind, sich bedeckt zu halten, weil sie ja in ihrem beruflichen Umfeld agieren.
00:52:25
Und deswegen ja auch die Gefahr besteht, dass das auffällt, das Fehlverhalten.
00:52:29
Anscheinend haben sie sich darüber keine Gedanken gemacht, weil manche von ihnen auch vor den Morden dem Kollegenkreis erklärten, wann wer denn sterben würde.
00:52:40
Also so nach dem Motto, der hat noch so und so lang oder die stirbt sicher noch diese Nacht.
00:52:46
Und die meisten überführten Todesengel wählten ihren Beruf, um zu helfen.
00:52:52
Was aber immer auch eine große Rolle gespielt hat, war ihr mangelndes Selbstwert geführt.
00:52:56
Und als sie dann merkten, dass Dankbarkeit und Lob im Krankenhausalltag nicht wirklich auf der Tagesordnung stehen, entwickelte sich bei ihnen so eine Art Verstimmung.
00:53:07
Dazu kam dann die hohe Arbeitsbelastung und die tägliche Konfrontation mit Tod, Leid und Schmerz.
00:53:14
Und wenn dann noch im Privaten Probleme auftraten, klappte bei den TäterInnen quasi ein Schalter um.
00:53:21
Und bei Irene B. war das zum Beispiel 2005, als sie erst Opfer starb.
00:53:25
Zu dieser Zeit hatte ihr Mann nämlich eine Affäre mit einer jüngeren Frau.
00:53:29
Und 2006, in dem Jahr, wo sie für vier weitere Todesfälle verantwortlich war, lebte sie gerade in Scheidung.
00:53:35
Und bei dem Todesengel Wolfgang L., der insgesamt zehn Menschen das Leben nahm, war es die Mitteilung, dass er unfruchtbar ist, die ihn zum Töten brachte.
00:53:45
Es kam dann bei diesen TäterInnen dazu, dass die PatientInnen zur Projektionsfläche ihrer eigenen Probleme wurden.
00:53:54
Und für die Todesengel leiden die Menschen viel mehr, als sie das eigentlich tun.
00:53:59
Und so wird ihnen dann ihre eigene Hilflosigkeit quasi offenbart.
00:54:02
Und so kommt es zur sogenannten projektiven Identifikation.
00:54:06
Und das heißt, dass das eigene Leiden und das Leiden der PatientInnen quasi zu einem großen Ganzen so verschmelzen und der Todesengel auch das nicht mehr auseinanderhalten kann.
00:54:16
Also die denken wirklich, die PatientInnen leiden dann da in dem Moment und sie befreien die.
00:54:21
Ja, das denken sie.
00:54:22
Aber es ist halt so, dass sie selber leiden, weil sie ihnen nicht helfen können.
00:54:27
Also sie haben dann so eine große Ohnmacht sozusagen, die sie dann irgendwann nicht mehr ertragen können.
00:54:33
Und wenn sie dann töten, dann überwinden sie sozusagen diese Ohnmacht paradoxerweise und fühlen sich dann endlich wieder mächtig oder in Kontrolle.
00:54:45
Und deswegen ist es auch nicht so verwunderlich, dass dann die Tötungen sozusagen in Serien auftauchen, weil durch diese Tötung diese Macht ausgelebt wird.
00:54:54
Und so hatte das die Irene B. auch gesagt, dass es Macht war.
00:54:59
Und die meisten von ihnen wissen auch, dass sie Unrecht tun.
00:55:02
Und deswegen versuchen sie dann, ihre Taten im Nachhinein zu rationalisieren.
00:55:06
Und daher ist das offizielle Motiv der meisten TäterInnen Mitleid.
00:55:11
In Wirklichkeit stimmt das nicht.
00:55:13
Es geht nicht um Mitleid, sondern um verschobenes Selbstmitleid.
00:55:16
Und dass die TäterInnen das meist selbst nicht erkennen, das ist auch nicht ungewöhnlich.
00:55:22
So wie bei Irene B.
00:55:23
Das liegt an ihrer Persönlichkeit oder beziehungsweise an ihrer Persönlichkeitsstörung.
00:55:27
In der Regel sind Todesengel aber vor Gericht voll schuldfähig, weil ihre Einsicht und Steuerungsfähigkeit nicht beeinträchtigt sind.
00:55:35
Wir diskutieren jetzt noch ein bisschen weiter über ÄrztInnen und Pflegekräfte, die in ihrem Beruf töten oder ihn missbrauchen, um anderen Menschen Schaden zuzufügen.
00:55:45
Wenn MedizinerInnen oder Pflegekräfte entscheiden zu töten, dann haben sie es erstmal viel einfacher als normale Menschen, könnte man denken.
00:55:53
Kranke PatientInnen sind ihnen hilflos ausgeliefert, manchmal gesundheitlich, nicht in der Lage, sich zu wehren.
00:56:00
Und man misstraut ihnen ja in der Regel auch nicht.
00:56:02
Bei ÄrztInnen hat das vielleicht auch den Grund, dass sie sich ja ethisch am hypokratischen Eid orientieren.
00:56:08
Und der sagt, ich werde ärztliche Verordnung treffen zum Nutzen der Kranken nach meiner Fähigkeit und meinem Urteil.
00:56:15
Hüten aber werde ich mich davor, sie zum Schaden und in unrechter Weise anzuwenden.
00:56:21
Außerdem haben sie ja quasi uneingeschränkten Zugang zum Opfer.
00:56:25
Also beispielsweise in einem Vier-Augen-Gespräch von Ärztin zur Patientin.
00:56:28
Aber sie haben eben auch Zugang zum Körper.
00:56:31
Also wenn jetzt ein fremder Mensch mit einer Spritze auf uns zukommt, dann würden wir ja schnell das Weite suchen.
00:56:37
Aber wenn ein Arzt das tut, dann hat er ja meistens entsprechende Gründe dafür.
00:56:41
Oder auch wenn er sie nicht hat, dann werden wir das in der Regel glauben, so wie das jetzt bei meinem Fall von Dr. Reib war.
00:56:47
Immerhin hat er oder sie ja auch das medizinische Wissen und weiß, was zu tun ist, wenn man krank ist.
00:56:52
Das ist übrigens auch ein weiterer Vorteil für kriminelle MedizinerInnen.
00:56:56
Zum Beispiel, wenn es darum geht, welches Medikament oder welches angebliche Kontrastmittel sie verwenden, wie in meinem Fall, dann haben sie auch Zugang zu solchen Substanzen.
00:57:05
Und wie im Fall des ursprünglichen Dr. Death aus England, haben sie Einfluss auf das, was danach mit den Menschen und mit den Angehörigen passiert und was man ihnen glauben macht.
00:57:15
Dr. Death aka Harold Chipman tötete bis 1998 mindestens 218 Menschen, darunter meist ältere Frauen.
00:57:23
Und das fiel lange Zeit nicht auf, weil er eben auch den Totenschein für seine PatientInnen ausfüllte.
00:57:29
Also alles in allem kann die Versuchung in so einem Umfeld natürlich schon größer sein als in einem anderen beruflichen Umfeld.
00:57:37
Und dein Fall und die Fälle der Todesengel lassen ja auch vermuten, dass das Umfeld, in dem die TäterInnen agieren, die Taten zumindest nicht verhindert.
00:57:50
In dem Buch Tatort Krankenhaus waren Karl-Heinz Beinen und seine Co-Autorin Jeanne Toszynski, dass unser Gesundheitssystem diese TäterInnen sogar hervorbringt.
00:57:59
Diese These fand ich interessant.
00:58:01
Ja, da musste ich jetzt auch einmal kurz schlucken.
00:58:03
Ja, und deshalb habe ich mit der Medizinjournalistin Jeanne Toszynski gesprochen und sie gefragt, was denn so falsch ist an unserem System.
00:58:12
Also ich denke, das grundsätzliche Problem, das wir heute haben, ist, dass unser Gesundheitssystem auf Wirtschaftlichkeit ausgerichtet ist.
00:58:21
Also dass inzwischen im Gesundheitssystem Geld verdient werden muss.
00:58:26
Sehr stark ist das angestiegen seit den 2000er Jahren, seit 2003, als die sogenannten Fallpauschalen eingeführt wurden.
00:58:36
Also man wird für einen Fall bezahlt, honoriert als Klinik und eben zum Beispiel nicht mehr nach Liegezeiten.
00:58:44
Und das hat eben dazu geführt, dass bei vielen Krankheitsbildern Menschen eben sehr schnell entlassen werden.
00:58:52
Und wir haben eben einen ganzen Fallpauschalenkatalog, wo eben jeder Eingriff kategorisiert ist, katalogisiert ist und es wirklich darum geht, Geld zu verdienen.
00:59:03
Und so erklärt sich eben auch, dass wir in bestimmten Bereichen, in bestimmten Operationen zum Beispiel einfach auch besonders viele haben auch mehr als im europäischen Vergleich.
00:59:12
Die Wirbelsäulen-OPs werden da genannt oder eben künstliche Hüften, solche Dinge, die Geld bringen, die machen wir dann etwas mehr, einfach weil damit eben Geld verdient werden kann in dem System.
00:59:25
Und alles, was viel Zeit kostet, wie Gespräche mit Ärztinnen oder die Pflege, ist teuer.
00:59:31
Und so wurden im Rahmen dieser Ökonomisierungswelle dann hunderte Pflegestellen gekürzt, was dann dazu geführt hat, dass ein Pfleger oder eine Pflegerin in Deutschland heute für viel mehr PatientInnen verantwortlich ist als früher.
00:59:46
Auf 13 Kranke kommt nämlich eine Pflegekraft.
00:59:50
Zum Vergleich, in Schweden sind es nur fünf.
00:59:53
Und für ihr Buch hat die BR-Redakteurin mit Pflegekräften gesprochen.
00:59:57
Viele davon sind mit ihrem Job unzufrieden.
01:00:00
Also sie klagen über zu viel Arbeit und zu wenig Pausen.
01:00:03
Und außerdem gibt es häufig keine psychologischen Hilfsangebote, obwohl die Menschen dort täglich mit Leid und Tod konfrontiert sind.
01:00:11
Und das alles führt zu Fehlern, wie beispielsweise tödliche Medikamentenverwechslungen oder in manchen Fällen eben auch zu absichtlichen Fehlern, wie bei den Todesengeln.
01:00:21
Das Problem ist aber auch der Umgang mit den Fehlern, so Tuszynski.
01:00:25
Fehler zu machen ist menschlich.
01:00:28
Tatsächlich ist das System Krankenhaus aber nicht ausgestattet mit einer guten Fehlerkultur in Deutschland.
01:00:34
Also es ist ja hierarchisch aufgebaut.
01:00:37
Bei uns haben Ärzte immer noch einen besonderen Stellenwert.
01:00:39
Auch das ist in anderen Ländern anders, wo das also sehr viel weniger hierarchisch ist.
01:00:44
Es wird tatsächlich auch, das war zumindest mein Eindruck, weggeschaut.
01:00:50
Also niemand möchte Kollegen anschwärzen.
01:00:53
Das ist auch erst mal menschlich und verständlich.
01:00:57
Aber es führt eben auch dazu, dass Verantwortung so ein bisschen abgeschoben wird oder das man vielleicht auch manchmal an der falschen Stelle wegschaut.
01:01:02
Vermutungen, Hinweise, also das sogenannte Whistleblowing-System, das funktioniert nicht wirklich.
01:01:09
Also die Informationen, die enden im Nirgendwo, die bleiben irgendwo stecken.
01:01:14
Dann haben natürlich Chefs, Klinikleitungen große Sorge eben davor, einen Image-Schaden zu haben.
01:01:20
Ja, und im Fall von Irene B. war der Schaden für die Charité natürlich auch sehr groß.
01:01:25
Und die hatten auch sofort reagiert.
01:01:26
So wurde nach Bekanntwerden der Todesfälle die Stationsleitung von 104i suspendiert.
01:01:32
Und nach und nach wurde auch die ganze Station geschlossen, neu strukturiert und dann woanders angegliedert.
01:01:39
Und es wurde angekündigt, das Qualitätsmanagement der Klinik zu verbessern, häufiger zu obduzieren und die Kommunikation zu verbessern.
01:01:47
Auf meine Nachfrage, was denn von den ganzen Versprechungen wirklich umgesetzt wurde, hat mir die Mitarbeiterin der Pressestelle erklärt,
01:01:55
Dass es heute in der Charité unter anderem große sogenannte Mortalitätskonferenzen gibt,
01:02:00
in denen man unter anderem unerwartete Todesfälle analysiert.
01:02:03
Dann gibt es VertrauensanwältInnen, an die sich dann die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen wenden können.
01:02:09
Und das anonyme Fehlermeldesystem CIRS.
01:02:12
Und dieses System gab es aber zum Zeitpunkt der Tötung durch Irene B. auch auf Station 104i.
01:02:20
Allerdings war es damals noch nicht in Betrieb genommen worden.
01:02:23
Frau Tuschinski hat mir aber auch erklärt, dass dieses System nicht wirklich geeignet ist, um Fälle von Todesengeln zu verhindern.
01:02:29
Es ist eher gut dafür, technische Mängel festzuhalten.
01:02:33
Und das ist auch der Großteil dieser Eintragung dort.
01:02:36
Aber so zwischenmenschliche Schwierigkeiten oder Kommunikationsprobleme kann das nicht wirklich erkennen.
01:02:42
Und oft scheint es auch gar keine Rückmeldung zu geben.
01:02:45
Also wenn jemand dann dort einen Fehler oder einen Hinweis einträgt,
01:02:48
dann heißt das nicht, dass es da auch irgendwie einen Rücklauf gibt oder Konsequenzen gezogen werden.
01:02:54
Ich habe Frau Tuschinski dann noch gefragt, was denn passieren muss, um Fehler von vornherein zu vermeiden.
01:03:00
Also ich glaube, wir müssen tatsächlich schon mal ansetzen,
01:03:02
erst mal bei der Ausbildung der Pflegekräfte.
01:03:06
Das ist mal das Allererste.
01:03:07
Und auch bei der Ausbildung der Ärztinnen und Ärzte.
01:03:10
Die müssen sensibilisiert werden dafür, dass es so etwas gibt wie Tötungsserie, dass das vorkommen kann.
01:03:16
Also das muss auch Teil der Ausbildung sein, sich mit solchen Fällen schon mal beschäftigt zu haben,
01:03:22
dass man davon gehört hat und weiß, sowas ist prinzipiell vorstellbar.
01:03:26
Und man muss auch natürlich dazu wissen, ein Krankenhaus ist wirklich der ideale Tatort,
01:03:32
weil Patienten dort liegen, die schon Kanülen gelegt haben und man einfach dort Dinge machen kann,
01:03:38
die woanders auffallen würden, die dort aber nicht auffallen.
01:03:40
Dann glaube ich tatsächlich, ein großes Thema muss die Fehlerkultur im Krankenhaus sein.
01:03:44
Wir wissen aus den angelsächsischen Ländern, dass es große interdisziplinäre Konferenzen gibt,
01:03:49
Fallbesprechungen, wo viele verschiedene Disziplinen um den Tisch sitzen
01:03:52
und ihre Meinung auch zu einem Fall sagen können, wo einfach sich ausgetauscht wird,
01:03:56
wo nicht eine einzelne Person am Patienten, an der Patientin sozusagen unauffällig irgendwas machen kann.
01:04:01
Ich glaube, dass man Krankentötungen vermutlich nie ganz verhindern kann,
01:04:05
eben weil das Krankenhaus der ideale Tatort ist,
01:04:07
aber man kann eine Atmosphäre der Transparenz und der Offenheit und der Fehlerkultur auf jeden Fall schaffen.
01:04:15
Ja, es ist natürlich auch gerade deswegen der ideale Tatort,
01:04:18
weil es auch ganz normal ist, dass da Medikamente verabreicht werden
01:04:21
oder halt eben Menschen zu Tode kommen.
01:04:23
Das fällt da halt nicht so auf.
01:04:25
Ja, und diese ganzen Maßnahmen, die Frau Tuschinski eben angesprochen hat,
01:04:29
also Ausbildung und dass man diese interdisziplinären Konferenzen hat und so,
01:04:34
dazu braucht man natürlich Zeit und das kostet Geld und überhaupt Zeit auch für Patientinnen ist sehr wichtig.
01:04:42
Und um das durchzusetzen, muss man aber dann da ansetzen, wo es weh tut und das ist dann eben das Finanzielle.
01:04:47
Die AutorInnen des Buches schlagen vor, unrentable Krankenhäuser zu schließen
01:04:52
und dass sich halt Krankenhäuser auf Kernkompetenzen fokussieren,
01:04:55
weil es hier in Deutschland ungefähr dreimal so viele Krankenhäuser gibt wie in anderen europäischen Ländern.
01:05:01
Also wir haben eigentlich eine Überversorgung, was wahrscheinlich aus dieser Ökonomisierung entstanden ist, ja.
01:05:05
Und dieser Ruf nach Veränderungen, der ist auch schon in der Politik angekommen und da wird auch schon debattiert.
01:05:11
Es geht jetzt darum, dass Taten folgen.
01:05:14
Aber ja, die Ökonomisierung von Krankenhäusern zu überdenken wäre wahrscheinlich zu viel des Guten.
01:05:21
Also es gibt ja noch andere Lösungsansätze.
01:05:22
Man könnte ja auch einfach mehr Kontrollstellen einführen.
01:05:25
Das kann man ja in ganz verschiedenen medizinischen Bereichen, wie ja auch bei der Herstellung von Zytostatika,
01:05:31
also wie bei dem Bottroper Apotheker, dass man da einfach noch mehr Kontrolle verlangt.
01:05:37
Allerdings, auch wenn das an manchen Stellen sicherlich mehr als notwendig wäre, ist es ja einfach so,
01:05:42
hier dieses ganze System nochmal deutlich auf den Kopf zu stellen,
01:05:47
dafür passiert es dann auch einfach zu selten.
01:05:50
Also zu selten, dass es rauskommt.
01:05:52
Ja, es gibt kaum Zahlen.
01:05:54
Aber in Bayern beispielsweise gab das Justizministerium an, das 2016,
01:05:58
dass es da zu fünf Verurteilungen wegen sexuellen Missbrauch unter Ausnutzung des Behandlungsverhältnisses kam.
01:06:05
Ja, also das ist jetzt so eine Zahl, aber es ist unfassbar schwer, da verlässliche Zahlen zu finden,
01:06:10
wo man dann am Ende auch sagen kann, da müssen wir auf jeden Fall was ändern in unserem System.
01:06:16
Was man aber machen kann, ist zum Beispiel, was die Landesärztekammer in Hessen gemacht hat.
01:06:20
Die hat nämlich eine Ombudsstelle eingerichtet, an die sich Patientinnen und Patienten wenden können,
01:06:26
wenn sie den Verdacht haben, Opfer eines ärztlichen Missbrauchs geworden zu sein.
01:06:31
Das trifft jetzt natürlich nicht mehr zu auf Menschen, die schon Opfer geworden sind und verstorben sind.
01:06:35
Aber da können sich wohl auch Angehörige hinwenden, wenn sie den Verdacht hegen.
01:06:39
Ein großes Problem bei solchen Missbrauchsfällen ist ja auch einfach die Unkenntnis der Opfer.
01:06:46
Also gerade im Bereich des sexuellen Missbrauchs jetzt gibt es zum Beispiel einige Foren,
01:06:51
in denen sich vor allem Frauen Rat suchen, weil sie halt gar nicht wissen, ob es normal ist,
01:06:56
dass der Arzt sie jetzt bei der Untersuchung auch im Schambereich abgetastet hat.
01:07:01
Also ob das wirklich notwendig war für die Untersuchung.
01:07:04
Und deswegen kommt es halt so selten auch zu Anzeigen, weil sie erstens immer den Zweifel haben,
01:07:09
musste das jetzt eigentlich sein?
01:07:11
Und man hat sich ja in dieser Zeit auch in einem Abhängigkeitsverhältnis befunden.
01:07:16
Also da ist das Schamengefühl natürlich auch riesig dann am Ende.
01:07:19
Ja und man will ja auch nicht das schlechte Denken von den Menschen oder denkt es auch nicht im ersten Moment.
01:07:26
Und es gab sogar eine Zeit in Deutschland, in der MedizinerInnen für das Töten von Menschen nicht bestraft wurden.
01:07:34
Und zwar während der NS-Zeit.
01:07:36
Im Rahmen der sogenannten Rassenhygiene wurden nicht nur Kranke, sondern auch gesunde Menschen umgebracht.
01:07:43
So entschieden Ärzte bei der sogenannten Selektion über das Leben und den Tod von Millionen europäischer Juden.
01:07:50
Und auch ÄrztInnen waren es, die verantwortlich waren für die sogenannte Aktion T4,
01:07:55
bei der mehr als 70.000 Menschen mit körperlicher oder geistiger Behinderung oder psychischer Krankheit getötet wurden.
01:08:03
Und auch für die Kinder, die während des Euthanasie-Programms sterben mussten,
01:08:06
weil sie entweder geistig oder körperlich behindert waren oder sonst irgendwie auffällig.
01:08:11
Alles unter ärztlicher Aufsicht.
01:08:14
Viele Menschen wurden aber nicht einfach nur umgebracht.
01:08:17
Sie sind gestorben, weil sie zu Versuchskaninchen gemacht wurden.
01:08:21
In den KZs wurden nämlich zahlreiche medizinische Experimente von ÄrztInnen und WissenschaftlerInnen an Insassen durchgeführt,
01:08:28
natürlich ohne deren Zustimmung.
01:08:31
Und einer von diesen war Josef Mengele.
01:08:33
Er war KZ-Arzt in Auschwitz und gilt als größter Todesengel der NS-Zeit.
01:08:38
Seine Opfer nannte er Meerschweinchen.
01:08:42
Er spritzte seinen Opfern Injektionen mit Krankheitserregern oder Gift, um zu sehen, wie die Wirkung war.
01:08:48
Und es gab Experimente mit Bluttransfusionen, Medikamenten, es gab Sterilisation, Kastration und chirurgische Eingriffe ohne Narkose.
01:08:58
Nach dem Krieg flüchtete er und konnte nie gefunden werden.
01:09:02
Bei den Nürnberger Ärzteprozessen wurden seine Taten dann der Öffentlichkeit bekannt und die Verhandlungen führten letztendlich zum Nürnberger Kodex medizinischer Ethik.
01:09:11
Und der Inhalt dieses Kodex ist heute weitestgehend fester Bestandteil der medizinethischen Grundsätze in der Ausbildung von Ärzten und ÄrztInnen.
01:09:19
Der Kodex besagt, dass bei Versuchen an Menschen die freiwillige Zustimmung der Versuchsperson unbedingt erforderlich ist.
01:09:27
Das heißt, dass die betreffende Person im juristischen Sinne fähig sein muss, ihre Einwilligung zu geben.
01:09:32
Dass sie in der Lage sein muss, unbeeinflusst durch Gewalt, Betrug, List, Druck, Vortäuschung oder irgendeine andere Form der Überredung oder des Zwangs von ihrem Urteilsvermögen Gebrauch zu machen.
01:09:43
Dass sie das betreffende Gebiet in seinen Einzelheiten hinreichend kennen und verstehen muss, um eine verständige und informierte Entscheidung treffen zu können.
01:09:51
Ja, es ist schon erschreckend, dass es einfach mal eine Zeit gab, in der andere Menschen entschieden haben, welches Leben lebenswert ist und welches nicht.
01:10:00
Und erst vor kurzem sorgte ein Fall für Schlagzeilen, bei dem man davon ausgehen kann, dass das hier auf eine gewisse Art und Weise auch passiert ist.
01:10:10
Und zwar geht es um den Fall aus 2010 eigentlich, der letztes Jahr, also 2019, verhandelt wurde.
01:10:17
Folgendes ist passiert, eine 27-jährige Frau erwartete eineiige Zwillinge und während der Schwangerschaft zeichnete sich dann ab, dass eines der Mädchen eine schwere Hirnschädigung hatte.
01:10:27
Also es war kaum Gehirnmasse vorhanden und ihre Überlebenschancen, die waren auch sehr gering.
01:10:32
Und die Eltern, die entschieden sich dann daraufhin für einen selektiven Fetozid.
01:10:36
Also sie wollten das behinderte Kind abtreiben lassen.
01:10:39
Nur einmal zur Erinnerung, das darf man, also man kann ganz normal abtreiben, ja in der Regel bis vor der 12. Schwangerschaftswoche.
01:10:48
Und wenn eine medizinische Indikation vorliegt, dann geht das auch danach.
01:10:53
Das ist zum Beispiel der Fall, wenn ein Kind eine Behinderung hat.
01:10:55
Dann darf man das Kind, wenn schwerwiegende Gefahren für die körperliche oder seelische Gesundheit der Mutter bestehen, was auch hier der Fall war, dann darf man das bis kurz vor Einleitung der Geburt abtöten.
01:11:06
Und nun war es hier in diesem Fall aber so, dass die Tötung des behinderten Mädchens im Mutterleib eine Gefahr für das gesunde Mädchen dargestellt hätte.
01:11:14
Und außerdem ist es auch so, dass die Gefahr für den gesunden Zwilling abnimmt, je weiter die Schwangerschaft vorangeschritten ist.
01:11:20
Also je länger man wartet, desto weniger Gefahr besteht für das gesunde Mädchen.
01:11:24
Und dann haben aber die Eltern gemeinsam mit den ÄrztInnen entschieden, dass sie bis zur Geburt warten.
01:11:30
Und jetzt geht es eben juristisch um die Frage, wann wird man eigentlich zum Mensch?
01:11:34
Und da gibt es zwei verschiedene Ansätze, also einmal den strafrechtlichen und da bezieht man sich auf Paragraf 217 der alten Fassung.
01:11:42
Und demnach beginnt das Menschsein mit den Eröffnungswehen, also mit dem Beginn der Geburt.
01:11:47
Und dem gegenüber steht aber Paragraf 1 des BGB, worin steht, dass die Rechtsfähigkeit des Menschen mit der Vollendung der Geburt beginnt.
01:11:55
Und die behandelnde Oberärztin und ihr Chefarzt, die entschieden sich dann in diesem Fall für einen Kaiserschnitt und holten das gesunde Mädchen raus
01:12:03
und töteten dann das behinderte Mädchen mit einer Kaliumchlorid-Spritze im Mutterleib.
01:12:08
Aber mit dem Wissen, dass das behinderte Mädchen überlebensfähig gewesen wäre.
01:12:12
Und es war dann so, dass nach einer anonymen Anzeige eines Mitarbeiters des Krankenhauses,
01:12:16
der die, so die Unterstellung, sich häufenden Spätabtreibungen nicht mehr dulden wollte.
01:12:22
Und dann musste ein Gericht entscheiden, ob das noch eine zulässige Abtreibung war oder halt eben schon Totschlag.
01:12:28
Und das entschied, es war eindeutig Totschlag.
01:12:29
Sie hätten das behinderte Mädchen auch durch eine Spritze durch die Bauchnabeldecke vor Beginn der Geburt töten können.
01:12:35
Und danach hätten sie dann die Geburt einleiten können.
01:12:38
Aber das haben sie halt eben nicht gemacht.
01:12:39
Das wäre dann der Unterschied gewesen zwischen Totschlag und Nicht-Totschlag?
01:12:43
Oder hätte das Kind weniger gelitten? Weiß man dazu irgendwas?
01:12:46
Weil für mich ist das gerade so eine Haarspalterei.
01:12:49
Rechtlich musst du irgendwo einen Rahmen ziehen.
01:12:52
Und da das Menschenleben da schon begann, haben sie einen Menschen umgebracht.
01:12:57
Und fünf Minuten vorher wäre es halt nicht so, aber irgendwo müssen sie halt diese Trennlinie ziehen.
01:13:02
Also sie hätten die Geburt auch nicht abwarten können und es vorher abtöten können, dann wäre es rechtlich gesehen in Ordnung gewesen.
01:13:09
Aber das haben sie halt nicht gemacht.
01:13:11
Und deswegen war es zweifelsohne Totschlag.
01:13:14
Und die Ärztin und der mittlerweile pensionierte Chefarzt, die gaben vor Gericht an, dass sie davon ausgegangen sind, rechtmäßig gehandelt zu haben.
01:13:22
Und dazu sagte der Richter, das ist schlichtweg unglaubhaft.
01:13:25
Sie sind hochkarätige Ärzte, keine Kurfuscher, keine Feld-, Wald- und Wiesenärzte.
01:13:32
Also er sagt, die beiden hätten es wissen müssen.
01:13:34
Und es wäre ein Schlag ins Gesicht behinderter Menschen, wenn man so vorgehen dürfte.
01:13:39
Und die Ärztin, die noch aktiv arbeitet, die wurde zu einem Jahr und sechs Monaten verurteilt und er zu einem Jahr und neun Monaten.
01:13:47
Aber weil das Gericht dann von einem minderschweren Fall ausging, setzte es die Strafe zur Bewährung aus.
01:13:53
Und der Richter sagte noch, wir gehen davon aus, dass sie eine gute Ärztin sind, die ihren Job gut macht.
01:14:01
Und er sah jetzt auch keine Wiederholungsgefahr.
01:14:03
Also das heißt, er hat auch kein Berufsverbot ausgesprochen.
01:14:05
Allerdings werden die beiden wohl trotzdem in Revisionen gehen, weil sie natürlich, wie wir jetzt wissen, auch noch um ihre Approbation fürchten müssten, wenn das Urteil rechtskräftig wird.
01:14:17
Ich meine, das ist ja sowieso so eine Thematik für sich, auch alles, was jetzt in Zukunft Stammzellenforschung angehen wird und wo man dann die Grenzen setzt, was okay ist zu tun und was nicht okay ist zu tun.
01:14:33
Aber ja, wie wir dann eben schon gesagt haben, irgendwo muss ja eine Grenze gezogen werden.
01:14:39
Und wenn die Geburt schon eingeleitet ist und das eine Kind schon draußen ist, dann finde ich, macht es auch Sinn, das an dieser Stelle zu ziehen, ja.
01:14:48
Ja, klar. Also hier war einfach das Problem, sage ich jetzt mal in Anführungsstrichen, dass es Zwillinge waren und dass das andere Kind durch die Abtötung hätte gefährdet werden können.
01:14:59
Und dieses Risiko wollten sie halt einfach nicht eingehen, haben sich deswegen entschieden, einen Menschen zu töten, der aber überlebensfähig gewesen wäre.
01:15:08
Also am Ende, ob sie das Kind im Mutterleib töteten oder ob sie es rausgeholt hätten und dann getötet hätten, das hätte jetzt rechtlich gesehen tatsächlich keinen Unterschied gemacht.
01:15:20
Es war ein fertiger Mensch, der alleine überlebensfähig gewesen wäre, am Ende wie lange auch immer.
01:15:25
Das weiß man natürlich nicht bei so einer starken Behinderung. Aber ehrlich gesagt finde ich es richtig, dass so geurteilt wurde.
01:15:33
Ein weniger gerechtes Urteil wurde in einem Fall gesprochen, den ich in unserer Facebook-Gruppe Mordlos Stammtisch gefunden habe und der perfekt zu unserem heutigen Thema passt.
01:15:45
Und zwar geht es um den Fall von Lucia de Berg, einer Krankenschwester aus den Niederlanden.
01:15:49
Kennst du den Fall?
01:15:53
Am 4. September 2001 arbeitet die 39-jährige Lucia in einem Krankenhaus in Den Haag auf der Babystation.
01:15:59
Und in dieser Nacht stirbt eines der Kinder.
01:16:02
Und in den Monaten zuvor waren in dem Krankenhaus schon einige Babys und Patientinnen gestorben.
01:16:07
Nach dem Tod des Säuglings im September äußerte eine Kollegin von Lucia den Verdacht gegenüber einem Vorgesetzten, dass Lucia möglicherweise nachgeholfen haben könnte.
01:16:19
Ermittlungen beginnen und die Krankenschwester wird dann schließlich auch verhaftet.
01:16:23
Sie soll ein Todesengel sein.
01:16:25
Doch Lucia beteuert ihre Unschuld.
01:16:28
Und am Anfang der Ermittlungen werden ihr drei Morde vor Gericht dann 30 zur Last gelegt.
01:16:34
Und während des Prozesses stuft der Richter zwei der Mordvorwürfe als erwiesen ein.
01:16:39
Und dadurch wird bei den anderen Fällen eine schwächere Beweisführung akzeptiert.
01:16:45
Und sowas nennt sich Kettenreaktion Beweisführung.
01:16:49
Nicht besonders gerecht, wenn man mich fragt.
01:16:52
Naja, auf jeden Fall wird Lucia dann 2003 zur lebenslangen Haft verurteilt.
01:16:55
Sieben Morde und drei versuchte Morde hat sie begangen, so heißt es.
01:16:59
Lucia geht in Revision.
01:17:00
Der Grund ist Verfahrensfehler.
01:17:02
Und der Fall kommt dann auch noch zweimal vor Gericht.
01:17:05
Doch jedes Mal wird das vorherige Urteil bestätigt.
01:17:08
Lucia gibt aber nicht auf.
01:17:10
Und zusammen mit einer befreundeten Ärztin schafft sie es, den Fall vor das höchste niederländische Gericht zu bringen.
01:17:15
Dort wird entschieden, den Fall neu aufzurollen.
01:17:18
In dem neuen Prozess wird klar, welche eklatanten Fehler in den Ermittlungen und im ersten Prozess gemacht wurden.
01:17:24
Die Verurteilungen basierten in zwei Fällen auf fehlerhaften toxikologischen Gutachten.
01:17:30
Bei den anderen wurden fehlerhafte statistische Berechnungen zur Wahrscheinlichkeit einer zufälligen Anwesenheit der Beschuldigten bei allen Todesfällen angestellt.
01:17:40
Da sich der Richter bei diesen ersten beiden Morden damals so sicher war, hatten statistische Berechnungen gereicht, um Lucia auch der anderen Morde zu überführen.
01:17:53
Im neuen Urteil heißt es jetzt, es stehe nicht mal fest, dass die PatientInnen überhaupt durch menschliches Zutun starben.
01:18:00
Und Lucia wird dann 2010 von allen Anklagepunkten freigesprochen.
01:18:03
Sechseinhalb Jahre saß sie unschuldig im Gefängnis.
01:18:09
Nach dem Freispruch wird sie gefragt, ob sie wieder als Krankenschwester arbeiten wolle.
01:18:12
Auf keinen Fall.
01:18:14
Denn es könnte ja sein, dass in dem Krankenhaus zufällig jemand stirbt, während ich gerade über den Flur laufe.
01:18:21
Ja, also das ist ja verständlich, sarkastisch, ja.
01:18:26
Ja, ich finde, dieser Fall, er zeigt auch so ein bisschen, dass Behauptungen in diesem ganzen Bereich tatsächlich problematisch sein können und dass wir vielleicht auch durch die Fälle, durch die Medien, also die wir alle kennen, vielleicht teilweise zu sensibel sind.
01:18:44
Weil es war ja jetzt nicht nur die eine Kollegin, die sie angeschwärzt hatte, sondern auch die ganzen ErmittlerInnen, dann die Leute vor Gericht und die Medien und ja und so weiter.
01:18:56
Also mich wundert das so, dass nur so ein Verdacht so ein Verfahren in Gang setzen kann.
01:19:03
Es gab ja offenbar keine Spritzen, die irgendwo rumlagen oder oder sonstige Gegenstände oder Hinweise, irgendwas, was man anfassen kann, was darauf hindeutet.
01:19:13
Es gibt aber tatsächlich einen Bereich, wo das auch immer so ist, dass man im ersten Moment erst mal keine Spuren sieht.
01:19:20
Und da sprechen wir natürlich von dem Bereich der Psychotherapie.
01:19:24
Bei Schädigungen am Geist zeigen sich natürlich früher oder später auch, aber auf eine ganz andere Art natürlich.
01:19:31
Ein Therapeut fängt in den Sitzungen irgendwann an, seine verheiratete Patientin zu duzen, ruft privat bei ihr an und beginnt sie irgendwann in Sitzung zu küssen, weil das Teil seiner Therapie sei.
01:19:41
Sie müsse lockerer werden und sich öffnen.
01:19:44
Solche Fälle gibt es auch.
01:19:46
Und die TherapeutInnen nutzen das Machtgefälle aus, um sich selbst zu bereichern.
01:19:51
Sei es jetzt ein sexuelles Interesse oder ein finanzielles.
01:19:54
Bei der Recherche bin ich auch auf einen Fall gestoßen, wo ein Therapeut seinen Patienten dazu gebracht hat, seinen Garten zu pflegen.
01:20:03
Und das ist alleine in diesem Bereich natürlich deswegen schon so tragisch, weil die PatientInnen ja meist eh emotional sehr instabil sind, was Schicksalhaftes erlebt haben und sich von dieser Therapie ja Hilfe erhoffen.
01:20:17
Aber wenn halt so was passiert, dann kann so eine Therapie, in der sie missbraucht werden, sie natürlich retraumatisieren und noch viel schlimmere Schäden anrichten, dass sie ganz neue Traumata entwickeln.
01:20:28
Und das Schlimme ist, dass die TherapeutInnen ja das Vertrauen in die Therapie zerstören.
01:20:34
Also wenn einer Person sowas passiert, dann wird sie es ja viel schwerer haben, sich danach nochmal zu öffnen.
01:20:40
Ich weiß nicht, ob ich dir das schon mal erzählt habe, aber ich war vor vielen Jahren ja mal in Therapie und ich saß bei einem recht alten Mann und der hatte immer so einen weißen Ikea-Stuhl bei sich im Zimmer.
01:20:52
Und über der Kopflehne hatte er immer so ein Handtuch, weil das da schon so gelblich abgefärbt hatte von seiner Kopfhaut.
01:21:00
Also es gab so ein paar Hinweise schon, wo ich dachte, ich weiß nicht, ob dieser Mann hier richtig ist für den Job.
01:21:07
Es hängt jetzt nicht mit der Kopfhaut zusammen, die weiße Bezüge gelb verfärbt, aber er hatte zum Beispiel auch immer so ein Buch, was er mir empfohlen hat.
01:21:16
Und das hat er mir in jeder Sitzung empfohlen.
01:21:19
Und ich dachte immer, macht dieser Mann sich irgendwelche Notizen? Weiß er, was er mir hier sagt?
01:21:26
Und dieses Buch hieß Im Gefühlsdschungel und ich habe das jetzt auch noch rausgesucht für die Folge.
01:21:34
Und es gibt kein Buch, was ich wirklich mit mehr Ekel anfasse als dieses Buch, weil das mich mürbe gemacht hat, dass er mich jedes Mal danach gefragt hat, ob er mir davon schon erzählt hat.
01:21:44
Und in diesem Buch, da stehen dann so Sachen, so Fallbeispiele drin wie Herr Unbedingt oder Herr Schluck oder Herr Kuhl, Frau Kontrolletti und so.
01:21:58
Ist das ein Kinderbuch?
01:22:00
Nee, es ist kein Kinderbuch.
01:22:01
Es ist ein Buch, um emotionale Krisen zu verstehen und zu bewältigen.
01:22:06
Das sagt zumindest das Cover.
01:22:08
Bei mir hat es eher emotionale Krisen ausgelöst, was aber eher an meinem Psychologen lag, ehrlicherweise.
01:22:15
Naja, auf jeden Fall kommt man dann ja im Laufe dieser Gespräche in sehr private Bereiche.
01:22:21
Und sicherlich fällt darunter auch das ein oder andere Mal, zu welchen Personen man sich generell so hingezogen fühlt.
01:22:28
Und im Laufe des Gesprächs fragte mich, dieser ja doch sehr alte Mann, ob ich mich zu ihm hingezogen fühlen würde.
01:22:38
Nein, nein, nein.
01:22:39
Angesichts dessen, was man sich halt so vorher erzählt, fand ich das natürlich ganz furchtbar.
01:22:45
Aber halt auch erst im Nachhinein.
01:22:47
Weil du in dem Moment denkst, naja, das wird schon seine Berechtigung haben.
01:22:52
Wir waren ja hier irgendwie gerade beim Thema.
01:22:54
Ja, und bei mir ist das jetzt natürlich so, obwohl ich weiß, dass eine Psychotherapie super wichtig ist, wenn man Probleme hat, die einen irgendwie hindern, am Leben richtig teilhaben zu können.
01:23:06
Und ich hatte auch im Freundeskreis ja schon mehrere Menschen, die an Problemen fast zerbrochen sind und eine richtig gute Therapie gemacht haben und daraus wieder total viel Hoffnung gewinnen konnten und so.
01:23:18
Aber für mich ist das jetzt halt erst mal nichts.
01:23:21
Und das ist halt so traurig und auch eine Art, ja, ein totaler Missbrauch von diesem Typen, was mich super sauer macht.
01:23:29
Weil ja, wie du sagst, wenn man die richtige Person hat, dann ist das halt super und kann super helfen, ja.
01:23:36
Ja, eben. Ich habe für mich halt immer entschieden bisher so, nö, muss ich jetzt nicht nochmal haben.
01:23:43
Ich habe die Therapie auch nach der Sitzung abgebrochen, auch weil ich mich generell nach den Sitzungen immer viel schlechter gefühlt habe als vorher.
01:23:51
Naja, und dann dachte ich mir, wenn da jemand sitzt, der wirklich suizidale Gedanken hat oder sowas und dann kommt jemand mit sowas, der hat mir übrigens auch immer erzählt, dass sein Vater sich umgebracht hat.
01:24:03
Jedes Mal hat er von seinem Vater gesprochen.
01:24:08
Der Herr praktiziert nicht mehr, ich habe das irgendwann nochmal nachgeprüft.
01:24:11
Der ist ein paar Jahre danach in Ruhestand gegangen.
01:24:15
Na, dann können wir ja glücklich sein.
01:24:18
Wer übrigens noch mehr Schreckliches aus dem OP-Saal hören möchte, der kann sich Dr. Tod anhören oder Dr. Death.
01:24:24
Der behandelt aber nicht den ursprünglichen Dr. Death, den ich vorhin erwähnt habe, sondern den Wirbelsäulenarzt Dr. Dench.
01:24:32
Aber hier auch vielleicht ein Trigger, wer sensibel ist bei solchen Themen, was Krankenhaus angeht, OPs angeht.
01:24:40
Also ich habe es nur bis Folge 3 geschafft und 3000 Taschentücher verschlissen.
01:24:46
Und für alle anderen, ihr könnt das ja als Überbrückung für unsere nächste Folge hören.
01:24:51
Wir vergessen ja manchmal abzuschließen.
01:24:54
Wie ich bitterlich hören musste, schützt ein Abschließen nicht unbedingt vor Einbruch.
01:25:00
Denn Lauras Freundin ist das unfassbarste passiert.
01:25:05
Ja, bei meiner Freundin in London wurde eingebrochen und die Diebe sind aber nicht durchs Fenster oder die Tür reingekommen, sondern durch die Wand.
01:25:17
Das ist einfach die unfassbarste Geschichte, die ich je gehört habe.
01:25:23
Das ist jemand durch die Wand eingebrochen.
01:25:29
Und zwar war es so, dass die Mitbewohnerin meiner Freundin halt nach Hause gekommen ist und also ins Haus erstmal reingegangen ist, also ein Mehrfamilienhaus.
01:25:39
Und dann wollte sie zu ihrer Wohnungstür gehen und sah dann aber, dass die Wand halt ein riesiges Loch hatte und sie eigentlich so in ihrer Wohnung auch hätte spazieren können.
01:25:51
Also an der Tür war halt auch ein Sicherheitsschloss, ja.
01:25:55
Also das Sicherheitsschloss hat die Diebe davon abgehalten, diese Tür zu öffnen.
01:26:00
Wie dick sind deine Wände, Paulina?
01:26:03
Ich kann es einfach nicht fassen und wir werden euch die nächsten Tage das Bild von dieser Wand auf Instagram stellen.
01:26:11
Oder vielleicht seht ihr es ja auch jetzt, wenn ihr einen Podcast-Player habt, der die Bilder unterstützt.
01:26:16
Sie sind einfach durch die Wand gekommen.
01:26:19
Und was machen wir jetzt, um uns vor Dieben zu schützen?
01:26:23
Wir besorgen uns einen Aufpasser-Kampfköter, wie es Fussel ist und schließen trotzdem ab.
01:26:29
Das war ein Podcast von Funk.