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#5 Kronzucker-entführung fako fritz

Hallo und herzlich willkommen zu der fünften Folge von Mordlust.
Mein Name ist Paulina Kraser.
Und ich bin Laura Wohlers und herzlich willkommen zu Genial daneben das Mordlust Spezial.
Und die Frage an Paulina lautet, was besagt der Refrigerator Safety Act, also das Kühlschrank-Sicherheitsgesetz?
Wofür steht das wohl?
Dass du, okay, dass wenn du in einem Kühlschrank eingesperrt bist, auch wieder rauskommen musst,
dass sich der Kühlschrank von innen öffnen lassen muss.
Richtig, wusste du das?
Weißt du warum?
Weil ich neulich so gruselige Geschichten über Waschmaschinen gehört habe.
Also in den USA wurde jetzt, glaube ich, eingeführt, dass du Waschmaschinen von innen öffnen können musst.
Damit, wenn da ein Kind eingesperrt ist oder sowas wieder rauskommen, woher hast du das?
Das ist sehr gut.
So was lernt man, wenn man lange bei Wikipedia rumstreunert und eigentlich für einen Fall was recherchiert.
Aber ich kann jetzt nochmal genau erklären.
Das ist ein richtiges Gesetz?
Ja, und es wurde nicht jetzt eingeführt und auch nicht das mit den, also das mit den Waschmaschinen ist auch schon lange so.
Aber es war halt so, dass in den 30er und 40er Jahren Kühlschränke häufig einfach in der freien Natur entsorgt wurden.
Also wie auch heute noch manchmal.
Und Kinder, die dann draußen gespielt haben und diese Kühlschränke eben entdeckt haben, haben sich darin versteckt.
Und da die Kühlschränke aber nicht von innen geöffnet werden konnten, sind die Kinder daran erstickt.
Und insgesamt starben mehrere hundert Kinder durch Kühlschränke.
Und als Reaktion darauf wurden dann erstmal alle Bürger aufgerufen, ihre Kühlschränke bei der Entsorgung zu verkleben und auch eben sie nicht einfach in der Natur abzustellen.
Doch es starben noch immer Kinder da drin.
Und deshalb erließ der Kongress der Vereinigten Staaten den Refrigerator Safety Act.
Und seit Oktober 1958 müssen deshalb alle Hersteller von Kühlschränken, aber auch, wie du gerade gesagt hast, von Waschmaschinen, ihre Produkte so konstruieren, dass sie halt auch eben von innen geöffnet werden können.
Und seit diesem Gesetz ist auch die Zahl dieser Unfälle halt drastisch zurückgegangen.
Und somit gilt der Refrigerator Safety Act als eines der ältesten und auch erfolgreichsten amerikanischen Verbraucherschutzgesetzen.
Stell dir mal vor, auf deinem Totenschein steht Todesursache?
Kühlschrank.
Aber es gibt auf jeden Fall YouTube-Material, ganz absurd, von Eltern, die versuchen, ihr Kind da wieder rauszuholen, während es schon in Gang ist.
Oh Gott.
Habe ich mir neulich angeguckt, ja.
Ja, ich glaube, heute fängst du an, oder?
Mhm.
Okay.
Ich habe mir den Fall ausgesucht, weil du den Fall nie machen würdest.
Denn er passt nicht so richtig zu den Fällen, die wir bisher erzählt haben.
Und eigentlich liegt das total auf der Hand, dass ich mich mit dem beschäftige.
Denn ich kenne eine der geschädigten Personen und wir beide würden hier heute nicht zusammensitzen, wenn mir diese Person nicht schon ganz früh in meinem beruflichen Werdegang über den Weg gelaufen wäre und mich an die Hand genommen hätte.
Und zwar geht es um Dieter Kronzucker.
Viele in unserem Alter kennen den ja eher von Kronzuckers Kosmos auf N24, weißt du?
Ja.
Und der hat natürlich auch noch etliche andere Dinge gemacht.
Und er war drei Jahre mein Dozent an meiner Uni und einer der nettesten Menschen, die mir in dieser Branche jemals über den Weg gelaufen ist.
Seine berufliche Hochzeit liegt ja jetzt schon etwas zurück, muss man dazu sagen.
Mittlerweile ist er schon 82.
Dieter Kronzucker ist einer der bekanntesten deutschen Fernsehjournalisten in den 70er und 80er Jahren.
In der Zeit ist er vor allem als ARD-Korrespondent tätig, gründet und moderiert zeitweise das Heute-Journal und erhält für seine Arbeit mehrere Auszeichnungen.
Er ist also ein sehr bekanntes Gesicht.
Zusammen mit seiner Frau Renate hat er zwei Töchter, Susanne und Sabine, die 15 und 13 Jahre alt sind, zu der Zeit, von der ich jetzt erzähle.
1980 werden die Kronzuckers auf ein Inserat in der Londoner Sunday Times auf eine Villa mit Pool in der Toskana aufmerksam.
Die Villa gehört einem Fürsten in Italien.
Und gemeinsam mit dem Ehepaar Wächler, die gehören zur Familie und deren Kindern Martin und Petra, die ebenfalls 15 und 13 Jahre alt sind, mieten sie die Villa im Juli.
Und wer schon mal im Juli in der Toskana war, der weiß, dass es teilweise unerträglich heiß ist.
Also verbringen die Kinder die meiste Zeit an und im Pool.
Den hatte der Fürst gerade erst ein Jahr vorher anlegen lassen, damit er den Wert des Grundstücks steigern kann.
Und der liegt nicht direkt am Haus, sondern an einem Hang und der ist ein paar hundert Meter weit vom Haus entfernt.
Und dort hat man einen phänomenalen Blick auf die Landschaft.
Gegen Mittag am 25. Juli reden Renate Kronzucker und die Wächlers miteinander in der Nähe der Kinder,
während Dieter Kronzucker im Garten beim Haus sich beschäftigt.
Er ist also weiter weg von den anderen.
Es ist 13 Uhr, als die Idylle des schönen Familienurlaubs zerbricht.
Drei vermummte und mit Schrotflinten bewaffnete Männer stürmen aus den Gebüschen,
greifen sich die kleine Petra und die drei Erwachsenen.
Sie sprechen nicht, zwingen Petra, ihre Eltern und Renate Kronzucker aber sich hinzulegen und fesseln die Arme und Beine.
Dann sperren sie sie in ein kleines Gartenhäuschen, in dem man sich eigentlich vor dem Schwimmen gehen umgezogen hat.
Die Männer packen Sabine, Susanne und Martin, zerren sie gewaltsam zum Ausgang.
Dort wartet schon ein Fluchtwagen auf die Entführer und die Kinder.
Nach kurzer Zeit können sich die Eltern und Petra selbst befreien.
Die Fesseln waren nämlich nicht sehr sorgfältig gemacht.
Mittlerweile hat auch Dieter Kronzucker mitbekommen, was passiert ist.
Am Tor, das zum Garten führt, finden die Erwachsenen ein Stück Karton,
auf dem etwas in italienisch und in schwer entzifferbarer Handschrift steht.
Mithilfe des britischen Nachbarn wird ihnen bald klar, dass dort steht,
bis 17 Uhr nicht die Polizei benachrichtigen, sonst richten wir die Geiseln hin.
Sie entscheiden sich, die Polizei aber doch zu informieren
und bitten dann darum, bis 17 Uhr nicht zu unternehmen.
Um Punkt 5 beginnt die Großfahndung nach den Kindern.
Hubschrauber, Spürhunde, Polizeihundertschaften, Schirm aus und durchkämmen Wälder und Felder in der Toskana.
Ab jetzt beginnt eine politisch geprägte Menschenjagd und natürlich die schrecklichste Zeit für die Kronzuckers.
Der deutsche Botschafter in Rom spricht beim italienischen Innen- und Außenminister vor
und die senden den Kripo-Chef aus Rom in die Toskana.
Außerdem kommen zwei deutsche BKA-Beamte zur Unterstützung und zur Übermittlung nach Rom.
Falls sich die Entführer melden, soll alles vorbereitet sein.
Aber es meldet sich keiner.
Die Mutter, also Renate Kronzucker, wendet sich an das italienische Staatsfernsehen und fleht,
Ich gebe euch mein letztes Hemd, aber bringt mir meine Kinder wieder.
Selbst Papst Johannes Paul spricht über das Fernsehen an die Entführer.
Also es ist ein wahnsinniges Medieninteresse daran.
Bei der Polizei und natürlich auch bei den Opfern tut sich eine Frage auf.
Warum?
Kronzucker ist zwar bekannt, aber er ist kein Millionär, wie Journalisten das selten sind.
Und normalerweise sind die Opfer natürlich zahlungskräftig.
Und er hatte damals angegeben, um die 12.000 Mark im Monat zu verdienen, was natürlich gut ist, aber lange nicht reich.
Also worum geht es den Entführern?
Und ich glaube, das ist das Schlimme daran, wenn du nicht weißt, welche Intentionen die Täter haben und du die ganze Zeit auf ein Zeichen warten musst und überhaupt keine Ahnung hast, was dahinter steckt.
Dann beginnen die ersten Spekulationen.
Ist die Tat vielleicht politisch motiviert?
Die Behörden fragen sich, ob das womöglich ein Start einer großen Terroraktion gegen Kanzler Schmidt ist.
Vier Tage nach der Entführung geht nämlich ein Anruf beim Mailänder Verlag Rusconi ein.
Dort sagt jemand, er sei von den Roten Brigaden.
Die Polizei von Florenz schenkt dem Anruf aber keine Beachtung, denn sie halten ihn für einen von vielen Trittbrettfahrern.
Könnte es sich womöglich um eine Verwechslung handeln?
Denn nur 10 Kilometer entfernt von den Kronzuckers machen die Kinder der holländischen Königin Beatrix Urlaub.
Allerdings werden die natürlich streng von Sicherheitspersonal bewacht
und das Gelände ist natürlich viel besser abgeschirmt.
Sollte die Entführung eigentlich ihnen gelten, würde das heißen, dass die Täter schlecht vorbereitet gewesen wären.
Was so ziemlich das Schlimmste ist, was dir passieren kann.
Wenn du also jemand entführt wirst, dann bete, dass die Täter gut vorbereitet sind und das nicht zum ersten Mal machen.
Ansonsten ist die Gefahr einer Kurzschlussreaktion sehr hoch.
Es gibt weitere wilde Spekulationen um die Gründe.
Eine davon ist, dass es sich wohlmöglich um eine sexuell motivierte Tat gehandelt haben könnte, weil die Kronzuckertöchter sich oben ohne am Pool gesonnt haben.
Wie furchtbar, wenn du sowas als Elternteil in Betracht ziehen musst.
Aber auch das hat ebenso wenig Halt wie die Verwechslungstheorie.
Eigentlich sind sich die Ermittler darüber einig, dass die Entführer irgendwann schon mit einer Lösegeldzahlung um die Ecke kommen werden.
Und sie gehen davon aus, dass die sich denken, wenn ein Deutscher eine Villa bei einem Fürsten mietet, dann muss er ordentlich Asche haben.
Die meisten Fälle von Menschenraub in der Toskana werden damals von sadischen Banden begangen.
Erst im Sommer zuvor wurden ein paar sadische Gruppen zu hohen Freiheitsstrafen verurteilt, weil sie 14 Menschen entführt und einige davon ermordet haben, obwohl die Verwandten den Lösegeldforderungen nachgekommen waren.
Die Banden, die in der Zeit häufig ihr Unwesen treiben, sind in der Regel arme Hürden, die in Menschenraub einfach ihre einzige Zukunft sehen.
Die sadische Spur wirkt vielversprechend, denn laut den Eltern trugen die Entführer Wollmasken, olivgrüne Parkers und auch die Schrotflinten sind sadische Entführungstraditionen.
Nicht weit vom Tatort entfernt und mit gutem Blick auf die Villa findet die Polizei Reste eines Lagerfeuers und eine Feldflasche mit Ziegenmilch.
Offenbar sind die Opfer von hier aus observiert worden.
Die Ermittler gehen davon aus, dass es sich bei den Entführern nicht nur um die drei Kidnapper handelt, die die Erwachsenen gesehen haben, denn meistens bestehen die Banden so aus 20 bis 25 Personen.
Es braucht nämlich welche, die die Opfer ausspionieren, die Geiseln bewachen, dann braucht es irgendwie einen Telefonisten, es braucht Strategen und meist auch Frauen, die den Schein nach außen wahren und Hausfrau spielen und Lebensmittel einkaufen gehen.
Der Verdacht fällt auf einen ganz bestimmten sadischen Gangster, und zwar Mario Sale.
Den Zusammenhang ziehen die Ermittler auch wegen der geografischen Nähe zu einem Verbrechen, das zwei Jahre vorher nur vier Kilometer entfernt von der Kronzucker Villa stattgefunden hat.
Sale war 1977 aus dem Gefängnis in Siena geflüchtet, übrigens nur vier Tage nach seiner Inhaftierung.
Und an einer Verschleppung eines Industriearbeiters beteiligt gewesen.
80 Tage lang hatte Salis-Team ihn in einem Zelt festgehalten, die Ohren mit Wachs zugestopft und die Augen mit Pflaster zugeklebt.
Das hatten sie wohl gemacht, weil sich mal ein Opfer in einem Entführungsfall an Kirchenglocken erinnert hat und die Polizei dadurch das Versteck aufdecken konnte.
Auch dieses Opfer war übrigens nicht besonders reich und auch seine Familie nicht.
Und die Täter fütterten den Gefangenen nur mit Milch und Brot und er durfte nur wenige Minuten am Tag aus dem Zelt kriechen, um sein Geschäft zu verrichten.
Stell dir mal vor, du darfst fast drei Monate lang die Augen nicht aufmachen und alles, was du hörst, ist dumpfe Stille.
Da bist du ja irre.
Wie viel Angst musst du haben?
Noch etwas weist auf Sale hin.
Renate Kronzucker schildert, dass sie bei einem der Männer gemerkt hat, dass er auffällig atmete und Mario Sale ist Asthmatiker.
Mittlerweile ist September und die Entführer haben sich immer noch nicht gemeldet.
Und inzwischen hat das neue Schuljahr in Deutschland angefangen, aber ohne Susanne, Sabine und Martin.
Dass die sardischen Gangster sich nicht sofort melden und mit einer Lösegeldforderung rausrücken, ist übrigens normal, weil sie erstmal abwarten, bis die polizeilichen Sofortaktionen abebben.
Die Presse ist mittlerweile übrigens angehalten, nicht mehr über den Fall zu berichten, weil die Behörden Sorge haben, dass das die Entführer davon abhalten könnte, zu den Kronzuckers Kontakt aufzunehmen.
Am 22. September, also fast zwei Monate nach dem Verschwinden, hört die Familie das erste Lebenszeichen.
Susanne schickt den Eltern eine Nachricht.
Die Kidnapper wollen knapp vier Millionen Mark.
Außerdem stellen sie eine Forderung.
Sie wollen, dass die Eltern 41.000 Mark an eine Häftlingszeitung spenden und über das Radio verkünden, dass das ein Geschenk von Chaka dem zweiten sei.
Das ist halt offenbar der Codename von Mario Saale, vermutet die Polizei zu dem Zeitpunkt.
Und es gibt ein Problem.
Die Kronzuckers und die Wächtlers haben das geforderte Geld nicht.
Also überlegen sie sich halt Strategien, wie sie doch noch irgendwie drankommen können.
Und sie verkaufen Grundstücke, nehmen Kredite auf und verkaufen Exklusivrechte der Story an eine Illustrierte.
In der Zwischenzeit übernimmt übrigens ein Kollege von Kronzucker, Franz Tatarotti, die Vermittlung mit den Entführern.
Und das ist wahrscheinlich der Gedanke dahinter, weil in Italien Lösegeldzahlungen an Entführer verboten sind, um Nachahmer eben nicht anzustacheln.
Und gerade in dieser Zeit, wo sanische Banden so viele Menschen entführen, um an Geld zu kommen, ist denen das besonders wichtig.
Würden die Behörden also mitbekommen, dass Lösegeld gezahlt werden soll, würden sie es einfach beschlagnahmen.
Krass, aber du möchtest halt unbedingt dein Kind wieder haben.
Eben, und das ist nämlich das andere.
Auch wenn die Behörden natürlich was anderes versichern, aber, und das ist auch in Deutschland so, die Ermittler wollen natürlich die Opfer freikriegen, aber nicht nur, sondern eben auch die Verbrecher fassen.
Und das ist natürlich, was dich eigentlich eher weniger interessiert in dem Moment.
In einem späteren Entführungsfall vermittelt Tatarotti übrigens auch.
Und da geht eine Geldübergabe schief, was er der Polizei zuspricht, weil entgegen der Forderung Polizisten anwesend waren dabei.
So wird das Geld jetzt mithilfe von Tatarotti an den Behörden vorbei nach Italien geschmuggelt.
Es gibt unterschiedlichste Theorien darüber, wie sie es gemacht haben, aber die populärste ist, dass sie die Scheine in einer Schweinehälfte nach Italien geschmuggelt haben.
Ebenfalls an den Verhandlungen beteiligt sind ein italienischer und ein deutscher Geistlicher, die die Geldübergabe dann im Verborgenen organisieren.
Also es gab viel christlichen Beistand dazu in der Zeit, die halt eben auch mitgeholfen haben.
68 Tage nach der Entführung findet ein Jäger Susanne, Sabine und Martin auf einem verlassenen Grundstück.
Sie sind wohl auf und Sabine und Susanne winken beim ersten Medienrummel, auf den sie treffen, entspannt in die Kamera.
Die Mädchen erzählen später, dass sie abends mit ihrem Bewacher oft gemeinsam gebetet und getrennt von Martin in einem Zelt geschlafen haben.
Die Entführer werden fünf Jahre später zu Haftstrafen verurteilt.
Nur Mario Saale kann eine Schuld erstmal nicht nachgewiesen werden, weshalb er freigesprochen wird.
Das war für mich jetzt der bisher schwierigste Fall zu recherchieren, weil nach diesen Artikeln von 1980, die sehr anders geschrieben sind als heutige Artikel, findet man quasi kaum noch was über den Fall.
Und nur Martin Wächtler hat sich einmal dazu geäußert und in einem Interview gesagt, dass er zwar jetzt bewusster mit seinem Leben umgeht, aber im Grunde genommen nie Angstzustände oder sowas hatte.
Susanne Kronzucker hat danach eine Therapie angefangen, sie aber abgebrochen, weil das ihrer Meinung nach nicht das Richtige für sie war.
Und ich habe Dieter Kronzucker natürlich auch angeschrieben und gefragt und auch wenn es ein bisschen unangenehm ist, jemanden im Prinzip nach einem Interview zu der schwersten Zeit in seinem Leben zu fragen, wollte ich das gerne zumindest versuchen.
Und er hat auch geantwortet und meinte, dass sich seine Familie gemeinsam zur Verschwiegenheit verpflichtet hat, was ich total verstehen kann.
Das ist auch gut, weil gerade Susanne Kronzucker ist später Moderatorin geworden.
Und wenn so viele alles über dein Leben wissen, das ist nicht gut, wenn man in der Öffentlichkeit steht.
Mein Aha.
Entführung und Geiselnahmen sind übrigens etwas Unterschiedliches aus kriminaltechnischer Sicht.
Und zwar bei einer Entführung weiß man in der Regel nicht, wo sich das Opfer befindet.
Und das Opfer ist in der Regel bewusst gewählt worden.
Also das heißt, es sind sogenannte Opfer fixierte Taten.
Bei Geiselnahmen könntest du die Opfer quasi theoretisch austauschen.
Die sind halt meistens nur zufällig da, wie jetzt beispielsweise bei einem Banküberfall.
Und es gibt mehrere Gründe für Entführung.
Also stellen wir uns mal vor, ich entführe dich.
Welche Gründe könnte ich dafür haben, außer, dass ich geisteskrank bin?
Weil dich will man nicht.
Weil du auch Geld erpressen möchtest.
Von meinem Freund.
Und der sagt, nö, für die zahle ich nicht.
Genau, also einmal um Geld zu erpressen, das ist auch der häufigste Grund.
Denn von allen Fällen kommen nur 13 Prozent ohne eine Lösegeldzahlung aus.
Und dann könnte ein weiterer Grund sein, dass ich Inhaftierte als Gegenleistung frei bekommen möchte.
So wie zum Beispiel hier mit diesem RAF-Fake.
Dann gibt es sexuelle Motive.
Da geht es halt dann aber um die Opfer, um sich als Benutzungsobjekt.
Also du willst damit ja nicht irgendetwas anderes bewirken, sondern es geht dir dann persönlich um das Opfer.
Oder halt Rache.
Und hierbei musste ich bei den beiden Gründen übrigens an deinen Sorufers Mörder denken, weil der die Frauen ja so lange im Keller gefangen gehalten hat.
Und der hatte ja auch zwei Gründe.
Einmal wollte er sie wegen seiner sexuellen Motive da festhalten.
Und ja auch so ein bisschen wegen Rache, wegen seines Mitbewerbers.
Genau.
Es gibt circa 80 Entführungsfälle pro Jahr in Deutschland, was mich total wundert, weil medial bekommt man davon ja irgendwie gar nichts mit.
Und das ist seltsam eigentlich, weil sich Entführungsfälle ganz wunderbar medial ausschlachten lassen.
Und das liegt aber daran, dass in Deutschland die Fälle bewusst verschwiegen werden, um eben Nachahmungstäter nicht noch weiter anzustacheln.
Und natürlich auch zum Schutz des Opfers in dem Moment, wo die Entführung stattfindet.
Ich habe noch ein paar Zahlen aus dem Buch Entführt und Verloren von Stefan Ummenhofer.
Da war auch der Kronzuckerfall drin, aber der schreibt noch über viele andere deutsche Entführungsfälle.
Also, wenn ich dich jetzt entführe, dann hast du eine neunprozentige Chance, befreit zu werden.
Die Chance, dass ich dich abmurkse, liegt statistisch gesehen bei sieben Prozent.
Wärst du ein Kleinkind, wäre das Risiko deutlich niedriger, weil ich denn nicht die Angst haben müsste, dass du mich später verpfeifen kannst.
Und am Tag deiner Entführung ist dein Risiko, ermordet zu werden, am höchsten.
Und wenn du vier Tage lang überlebst, sinkt das Risiko ganz rapide.
Land, in dem am meisten entführt wird?
Italien?
No.
No?
Nee.
Ich dachte, das wäre vielleicht ein Hinweis.
Dann wäre es eher...
Hm, Russland vielleicht.
Nein.
Nein, Sachs.
Mexiko.
Oh.
Auch die Opfer sind übrigens nicht immer reich, sondern eher so Mitte...
Wie heißt das?
Mitte reich.
Bürgerlich, sag einfach.
Und auch die Opfer sind im Übrigen nicht immer reiche Leute, sondern einfach die zahlungskräftig in irgendeiner Art sind.
In Deutschland lohnt sich das eher weniger, weil 90 Prozent der Entführungsfälle aufgeklärt werden.
Und Mexiko hat aber einen Entführungstrend hierher nach Deutschland gebracht.
Und das heißt virtuelles Kidnapping.
Also, wenn dich jetzt jemand anrufen würde und ich bin im Urlaub und die Person würde sagen, wir haben Paulina.
Was wäre dann deine erste Handlung?
Dich anrufen natürlich als erstes und dann sagst du mir, du bist doch nicht gekidnappt.
Genau.
Das wird wahrscheinlich nicht klappen.
Aber versuch mich auf jeden Fall über alle möglichen Kanäle zu erreichen.
Nicht nur Anruf, sondern Facebook, E-Mail, schick mir eine Eule, wenn du kannst, irgendwas.
Denn beim virtuellen Kidnapping tun die Täter halt eben so, als hätten sie mich entführt.
Und das klappt nur unter vier Voraussetzungen.
Also, erstmal brauchen sie Infos zu mir, zum angeblichen Opfer.
Dann die Telefonnummer oder Kontakt zu den Angehörigen oder Freunden.
Sie müssen verhindern, dass diejenigen dann Kontakt zu mir aufnehmen können.
Und zwar zum Beispiel, indem ich entweder im Kino oder im Flugzeug bin.
Das weiß man ja mittlerweile übrigens durch Insta-Stories oder irgendwelche anderen Internet-Livestreams.
Und sie müssen glaubhaft vermitteln, dass sie mich haben.
Also, indem sie mich vorher beobachten und dir dann sagen, ja, Paulina hatte heute eine schwarze Hose an und blub.
Und oft passiert das mit Kindern.
Denn die rufen dann das Kind an und wollen unter einem Vorwand die Nummer der Eltern haben.
Und halten das Kind in der Leitung, damit die Eltern es halt eben nicht erreichen können.
Und verlangen dann so viel Geld, dass die Eltern das noch innerhalb von einem bis zwei Stunden beschaffen können.
Und machen gleich die Übergabe.
Ich würde es ja zum Beispiel so machen.
Ich würde sagen, legen sie jetzt nicht auf, sonst ist das Gert tot.
Und dann würde ich halt einfach warten, bis ich die Cola habe.
Passiert in Deutschland ja, aber noch nicht so oft.
Und du wirst es auch nicht machen.
Na, mal sehen, ob dein Freund denn nicht doch irgendwann mal zahlungswillig ist.
Ich würde es ja nicht machen.
Krass.
Ich hatte das, also, es ist ja auch schon ein bisschen länger her, aber ich hatte nichts davon, wüsste nichts davon.
Wahrscheinlich auch, weil halt keiner gestorben ist und die danach dann auch nicht darüber reden wollten.
Ich würde so gerne mit ihm darüber reden und wissen, ob das Geld in dieser Schweinehälfte nach Italien gebracht wurde.
Das möchtest du wissen.
Ja.
Okay, dann bin ich jetzt dran.
Bist du bereit?
Ich bin sehr gespannt.
Für Fritz Honka, den Frauenmörder von St. Pauli.
Oh.
Gut, also, meine Geschichte beginnt im Dezember 1974 in einer Kneipe mit dem Namen Der goldene Handschuh auf dem Hamburger Berg.
Eine Straße, wo ich schon öfters feiern war, du auch, ne?
Hamburger Berg?
Ja.
Warst du schon mal im goldenen Handschuh oder im Elbschosskeller?
Nee.
Sei froh.
Warst du da schon mal?
Nein, aber ich weiß jetzt alles darüber.
Also sei froh, denn der goldene Handschuh hat 24 Stunden, 365 Tage im Jahr geöffnet und so ist er zu einem Zufluchtsort für die Gestrandeten in unserer Gesellschaft geworden.
Hier findet man im Dezember 1974 fast ausschließlich Alkoholiker, Obdachlose und Prostituierte.
Manche Leute sitzen 20, 30 Stunden da drin und kippen sich die Birne zu.
Ist auch alles ganz günstiger Fusel da.
Und ich habe auch gelesen, dass einmal einer zwei Tage regungslos auf einem Hocker saß und alle dachten ihm, er würde schlafen.
Als ihn dann zwei Tage später einer aus Versehen anrempelt, fällt er um und bleibt liegen.
Es hatte keiner gemerkt, dass der Mann tot war.
Oh mein Gott.
Erstens riecht es einfach mal super streng, wenn jemand stirbt.
Und zweitens, ja klar, ich schlafe auch immer zwei ganze Tage.
Nur damit du eine Idee von dem Milieu bekommst, in dem wir uns hier befinden, ja, so ist es da.
Und unter den anwesenden Gästen in dieser Dezembernacht im goldenen Handschuh ist Fritz Honka, der dort als Fiete bekannt ist.
Fiete trinkt am liebsten Facco.
Fanta mit Korn, ist das?
Und gerne auch mal zehn Stück an einem Abend.
Er ist 39 Jahre alt und arbeitet als Nachtwächter in einem Wasserwerk.
Er ist klein, nur 1,68 Meter und sein Gesicht ist nach einem Unfall deformiert und er schielt stark.
In dieser Nacht sitzt Fiete auf seinem Stammplatz in der Ecke, als Ruth Schuld den goldenen Handschuh betritt.
Ruth ist 52 Jahre alt und Prostituierte.
Für ein Getränk ist sie nett zu einem Mann, für fünf Mark geht sie auch mit ihm nach Hause.
Fiete bestellt einen Facco für Ruth, denn er weiß, dass sie alles für einen Drink und ein warmes Bett tun wird.
Es ist sehr kalt in diesem Winter und man sieht Ruth eben an, dass sie keinen festen Wohnsitz hat.
Ruth und Fiete fangen an, sich zu unterhalten und gehen dann schließlich auch zusammen nach Hause.
Und es ist nicht die erste Prostituierte, die Fiete mit zu sich nimmt.
Er lässt die Frauen dann bei sich wohnen, sie sollen putzen, aufräumen, kochen und vor allen Dingen sollen sie allzeit bereit sein für Sex.
Dafür lässt er sie dann ja auch umsonst bei sich wohnen.
Ruth ist schon drei Wochen bei ihm, als wieder mal ein Streit eskaliert.
Denn Fiete will Sex, Ruth aber nicht, wie so oft.
Sie schreit dann, dass sie ihn mit Syphilis angesteckt hat, obwohl das gar nicht stimmt.
Und daraufhin dreht Fiete komplett durch.
Schreit sie an, doch sie lacht ihn nur aus.
Und dann greift Fiete nach der Kornflasche und haut sie Ruth auf den Kopf.
Sie wird bewusstlos.
Fiete nimmt dann ihre Strumpfhose und erwürgt sie damit.
Und dann schläft er neben ihr ein.
Als er am nächsten Morgen aufwacht, geht er in die Küche und holt eine Säge.
Er schneidet Ruth die Beine, Brüste, Ohren, Nase und Zungenspitze ab und packt alles in Plastiktüten.
Wie Zungenspitze?
Die Nasen- und Zungenspitze.
Weil das ja auch total sperrig ist, wenn man das in einen Müllsack packen möchte.
Oder was?
Das alles passiert im Januar 1975.
Am 17.
Juli desselben Jahres geht nachts um 3.37 Uhr ein Notruf bei der Feuerwehr in Hamburg-Altona ein.
Im zweiten Obergeschoss eines Hauses in Ottensen in der Zeissstraße 74 Brenz.
Die Feuerwehrmänner fahren sofort an die Einsatzstelle, brechen die Tür zu der Wohnung auf und retten einen Mann.
Der Mieter der Wohnung ist ein norwegischer Matrose, der schon länger seine Stromrechnung nicht bezahlt hat.
Er hatte also Kerzen angehabt und ist dann eben eingeschlafen.
Und das Feuer ist schnell gelöscht, aber weil es sich auch durch die Decke gefressen hat, müssen die Feuerwehrmänner auch nach oben, in die Wohnung da drüber und auf dem Dachboden nachschauen.
Es brennt dort zwar nicht, aber es stinkt abartig.
Und zwar nach verwestem Fleisch.
Auf dem Dachboden finden die Feuerwehrmänner zwei Plastiksäcke mit menschlichen Körperteilen und rufen dann die Polizei.
Die kommen und durchsuchen auch die Wohnung neben dem Dachboden.
Die kleine Wohnung da ist mit Pornobildern tapeziert.
Also es gibt eigentlich keine weiße Stelle mehr an der Wand.
Alles voller Pornobilder.
Auf der Couch liegen Kuscheltiere und Puppen und überall liegen Bier und Schnapsflaschen rum.
Außerdem sind etliche Klo-Steine, die nach Fichte riechen, in der Einzimmerwohnung verteilt.
Also sie liegen einfach überall rum.
So eklige, die man eigentlich ins Klo tut.
Vor allem Fichte.
Versuch doch Verwesungen mit Orangenblüten zu überdecken.
Auch sonderbar für die Ermittler.
Die vielen Frauenkleider, alle in unterschiedlichen Größen.
Die Wohnung ist übrigens 18 Quadratmeter groß und rate mal, wie hoch die Miete 1975 in Ottensen dafür war.
Oh Gott, das ist so absurd.
100 Mark?
67 Mark im Monat.
Heute wären das für die gleiche Wohnung wahrscheinlich so 450 Euro.
Na egal.
Auch in der Wohnung finden die Polizisten weitere Leichen, also insgesamt Körperteile von vier Frauen.
Teilweise so verwest, dass sie schon mumifiziert sind.
Und während die Polizisten noch in der Wohnung sind, kommt gegen 7 Uhr morgens ein Mann die Treppe hoch.
Es ist Fritz Honka, der gerade von seiner Nachtschicht kommt und in seine Wohnung neben dem Dachboden möchte.
Die Polizisten sind sich zu dem Zeitpunkt sicher, einem Mörder gegenüber zu stehen.
Als sie ihn ganz belanglos fragen, ob ihm hier nie ein Verwesungsgeruch aufgefallen wäre, sagt er ganz ruhig, nö.
Die Polizisten nehmen Fritz Honka.
Die Fichte macht's.
Die riecht's doch lecker nach Fichte, hat er gesagt.
Genau.
So, die Polizisten nehmen Fritz Honka dann mit.
Und nach stundenlangen Verhören meint er dann endlich, ich hab wohl drei Frauen umgebracht.
An eine vierte will er sich nicht erinnern können.
Es stellt sich heraus, dass alle vier Opfer zumindest Gelegenheitsprostituierte waren,
die keine feste Wohnung und auch niemanden hatten, der sie vermisste.
Ihre Namen waren Gertraud Breuer, Anna Beuschel, Frieda Roblik und Ruth Schuld.
Alle waren um die 50 Jahre alt, hatten auch im goldenen Handschuh verkehrt
und waren alle auf eine ähnliche Art wie Ruth umgekommen.
Im November 1976 beginnt dann der Prozess gegen Fritz Honka,
der wegen vierfachen Mordes angeklagt ist.
Und drei Wochen vor dem Prozess will er plötzlich einen neuen Verteidiger haben.
Und er verpflichtet dann den damaligen Star-Anwalt Rolf Bossi,
der schon den Kindermörder Jürgen Bartsch verteidigt hatte.
Bossis Strategie ist es, Honka für unzurechnungsfähig zu erklären,
um das Strafmaß so gering wie möglich zu halten.
Seine Argumente?
Honka war während der Tat schwer alkoholisiert.
Und weiter seien die Morde im Affekt geschehen.
Honka hatte nämlich in seinen ersten Verhören ausgesagt,
dass die Frauen ihn als Penner und als Sau beschimpft und ausgelacht hätten.
Sie hatten ihn demnach provoziert.
Bossi stellt Honka zudem als Sexmonster dar und die Taten als Lustmorde.
Eine weitere Strategie von ihm ist es außerdem, die Taten als Milieutaten zu erklären.
Die stehen zwar nicht im Gesetzbuch,
aber das Milieu war Bossis Argumentation nach ausschlaggebend für die Tat.
Also wäre Honka nicht in den Suftkneipen St. Paulis unterwegs gewesen,
wäre es niemals so weit gekommen.
Er möchte also, dass Honka in einer Psychiatrie untergebracht wird.
Die Staatsanwaltschaft sieht das natürlich anders.
Deren Gutachter erkennt in Honkas Taten keine Lustmorde, sondern Mordlust.
Er meint, wenn Honka betrunken war, hat er seine Aggressionen freien Lauf gelassen.
Er hat die Opfer gezielt ausgesucht und zwar solche, die ihm wehrlos ausgesetzt waren.
Und am Ende geht Bossis Taktik auf.
Der Richter entscheidet am 20. Dezember 1976.
Honka wird in drei Fällen wegen Totschlags im Affekt und nur einmal wegen Mordes verurteilt.
Ihm wird verminderte Schuldfähigkeit zugesprochen,
da bei ihm in Anführungszeichen eine schwere seelische Abartigkeit mit Krankheitswert festgestellt wird.
Nach dem Urteil wird er in einer geschlossenen Psychiatrie untergebracht.
Warum wird er jetzt genau einmal wegen Mordes verurteilt und die anderen drei Male nicht?
Und ändert das jetzt was am Strafmaß?
Da komme ich nachher nochmal drauf zurück.
Ich habe noch eine ganz absurde Geschichte, die dann in dieser Psychiatrie stattfindet.
Und zwar, während er da ist, fängt eine Düsseldorferin namens Petra an, ihm zu schreiben.
Also so wie du, Eduard ungefähr.
Und kurz darauf schicken die beiden sich auch echte Liebesbriefe hin und her.
Und Petra ist aber nicht irgendeine Frau.
Petra ist 22 Jahre jünger als Honka und schläft in einem Sarg.
Halt sie vielleicht eigentlich Daniela Ruth?
Tagsüber macht sie den Deckel zu, legt eine Häkeldecke drüber und stellt eine Vase drauf.
Doch irgendwann hört Petra plötzlich aufzuschreiben.
Sie kann sich nicht mehr melden, weil sie selber in U-Haft sitzt.
Petra hatte nämlich ihren Ehemann mit einem Gürtel stranguliert und in ihren Schlafsarg gelegt.
Ja, das war nichts mit dem Fall zu schulen, aber ich fand es absurd, musst du es dir erzählen.
Aber nochmal zurück zu Honka und seinem Ende.
1993 wird er nämlich wegen einer Erkrankung begnadigt und aus der Psychiatrie entlassen.
Er bekommt einen neuen Namen.
Er lebt dann als Peter Jensen in einem Altenheim in Scharbeutz an der Ostsee.
Und zu dem Zeitpunkt ist er schon dement, wird aber immer verwirrter.
Außerdem fühlt er sich verfolgt und beklagt sich immer wieder über einen Verwesungsgeruch in seinem Zimmer.
Aber war das die Erkrankung, weshalb er begnadigt wurde, dass er dement war?
Nee.
Sondern? Weißt du warum?
Er hatte so eine Herzschwäche.
Und deswegen wurde...
Voll frech, dass man deswegen dann rausgelassen wurde.
Mhm.
Ja.
Aber er muss ja zurück in die Psychiatrie.
Und zwar 1998, weil er halt Gaga ist.
Und dort stirbt er dann am 19. Oktober an den Folgen eben dieser Herzschwäche und einer Asthmaerkrankung.
Er hat halt ein bisschen zu viel getrunken und geraucht in seinem Leben.
Und Fritz Honka wird nur 63 Jahre alt.
Bei meiner Recherche hat mir natürlich auch das Buch Der goldene Handschuh von Heinz Strunk geholfen.
Und hier muss ich mal kurz eine Mini-Empfehlung aussprechen.
Heinz Strunk beschreibt das Milieu, in welchem sich Honka in den 70er Jahren befindet, so realistisch,
dass man meint, man würde eben mit ihm zusammen im goldenen Handschuh sitzen.
Und er beschreibt auch die Gäste und deren Unterhaltung so detailliert, dass es einfach großartig ist.
Er hat sich dann da stundenlang reingesetzt und dazu gehört.
Und teilweise ist es auch ziemlich eklig, was da beschrieben wird und wie die Leute da reden.
Und ich habe gelesen, dass viele Leute das Buch immer wieder zur Seite legen mussten,
weil man es auch tatsächlich manchmal nicht ertragen kann.
Aber ich denke, das ist eben die einzige Möglichkeit, dem Leser auch nur eine Mini-Ahnung davon zu geben,
wie Leute wie Fritz Honka wirklich gelebt haben und mit welchen Menschen und Situationen sie es zu tun hatten.
Weil eben Menschen wie du und ich, wie wir auch schon gemerkt haben,
wir waren noch niemals im goldenen Handschuh und werden auch niemals in solchen Kneipen verkehren.
Und genau, haben eben keine Ahnung, wie solche Leute leben.
Also sehr empfehlenswert, der goldene Handschuh.
Mein Aha war, dass ich bei meiner Recherche ganz viele Parallelen entdeckt habe
zu dem Fall von vorletzter Folge, also zu Joachim Kroll.
So werden beide Männer in nur zwei Jahren Abstand im Osten Deutschlands geboren.
Kroll 1933 in Oberschlesien und Honka 1935 in Leipzig.
Beide haben viele Geschwister, Kroll neun und Honka sogar zehn.
Beide Mütter sind mit der Erziehung der Kinder überfordert.
Beide Männer müssen früh als Knechte auf Bauernhöfen arbeiten.
Beide haben einen verminderten IQ.
Beide sind sehr klein, Kroll 1,60 und Honka eben 1,68.
Beide haben ein ausgeprägtes Minderwertigkeitsgefühl.
Und beide arbeiten als Wärter.
Honka als Nachtwächter und Kroll als Toilettenwärter.
Und beide sind eben Triebtäter.
Zumindest hat bei beiden Sex eine große Rolle gespielt bei den Taten.
Honka wird im Juli 75 und Kroll im Juli 76 festgenommen.
Und in ihren Verhören sprechen beide ziemlich ähnlich über die Taten.
So sagt Honka, wenn er über die Tötung spricht, dann habe ich sie gemacht.
Also gemacht steht bei ihm für getötet.
Und Kroll sagt, dann habe ich sie kaputt gemacht.
Das sind ja schon irgendwie eine Menge Übereinstimmungen.
Und dann habe ich mich eben gefragt, gibt es Merkmale, die alle oder zumindest die meisten Serienmörder gemeinsam haben.
Und gefunden habe ich dazu mal wieder was von Stefan Harbort.
Der hat auch das Buch zu Kroll geschrieben und ist sowieso Deutschlands bekanntester Serienmordexperte.
Der hat nämlich alle in Deutschland bekannten Fälle von Serienmördern zwischen 1945 und 2000 analysiert und dabei wirklich ein paar Merkmale herausgearbeitet.
So sind drei von vier Tätern Männer zwischen 18 und 39 Jahre alt, ledig oder geschieden, kinderlos und unterdurchschnittlich oder nur durchschnittlich intelligent.
Die meisten Serienmörder haben nur einen Sonder- oder Hauptschulabschluss, arbeiten als Handwerker oder sind arbeitslos.
Sie gelten als soziale Außenseiter und sind vorbestraft oder polizeibekannt.
Fast alle Serienmörder haben eine ausgeprägte Persönlichkeitsstörung.
Wer hätte das gedacht?
Außerdem sind sie emotional abil, verantwortungslos, egozentrisch und leiden unter Minderwertigkeitsgefühlen.
Check, check, check.
Viele waren als Kind selbst Opfer von emotionaler Kälte oder Gewalt, Missbrauch und so weiter und haben diese Erlebnisse eben nie verarbeitet.
Was noch wichtig ist, ist, dass die größte oder interessant ist, ist, dass die größte Gruppe der Serienmörder die Sexualmörder sind, wozu eben auch Kroll und Honka zählen.
75 Prozent der Serienmorde haben ein sexuelles Motiv.
Die Täter können sich nur Befriedigung verschaffen, wenn sie ihr Opfer vergewaltigen.
Genau, davon hatten wir jetzt ja auch schon ein paar.
Aber weißt du, was mir viel mehr Angst bereitet als die drei von vier, die ihre Opfer wegen einer sexuellen Motivation umbringen, ist eigentlich, wer ist der eine, der Serienmorde begeht und was hat der für Motive?
Das hört sich jetzt so an, als ob das das rechtfertigen würde, Frauen wegen einer sexuell motivierten Tat umzubringen, was es ja nicht tut.
Aber wer sind diese anderen, die wirklich nur aus Mordlust morden zum Beispiel und die sind ja eigentlich noch viel gruseliger, weil sie das Böse sind.
Vor denen habe ich Angst. Das sind nämlich diese Hannibal Lecter-Typen.
Ja, das könnten wir ja an anderer Stelle vielleicht mal herausfinden.
Ja, das machen wir.
Und genau, was ich so interessant an dem Fall Fritz Honka finde und worauf wir jetzt auch noch näher eingehen wollen, was du eben gefragt hast, war ja, dass er nur in einem Fall, und zwar bei Anna Beuschel, wegen Mordes verurteilt wurde.
Honka hatte nämlich bei seinen ersten Verhören angegeben, dass Anna Beuschel beim Sex einfach nur dargelegen habe, wie ein Brett.
Und das, das war der Grund, warum sie sterben musste.
Hat sie den sterbenden Seestern gemacht?
Sie hat einfach wie ein Brett dargelegen und hat ihn nicht beleidigt. Die anderen haben ihn ja beleidigt.
Und dieses wie ein Brett daliegen war dem Richter dann scheinbar nicht Grund genug, um diese Tat auch noch als Affekttat zu sehen.
Aber was meinst du? War es bei den anderen Taten wirklich Affekt? Tötet ein Mann dreimal im Affekt und dann bei einer, so zwischendurch, tötet er aus niedrigen Beweggründen?
Ach, natürlich nicht. Also der hatte einfach einen sehr schlauen Verteidiger.
Ja, der ist da Verteidiger.
Er wäre natürlich niemals auf die Idee gekommen, sonst hätte er gar nicht gesagt im Gericht, dass die andere einfach nur so da lag.
Ja, genau. Und ich glaube auch, dass heutzutage und mit dem heutigen Wissen über Serientäter man anders entscheiden würde.
Ich meine, der erste Mord an Gertraud Breuer, das war 1970, meine ich, der war wahrscheinlich nicht von langer Hand geplant oder gewollt.
Aber die drei Taten danach, die passierten alle so nach 1974 und in schneller Aufeinanderfolge.
Und alle mit dem gleichen Muster, das bei der Gertraud Breuer ja schon funktioniert hatte.
Da sieht es halt eben dann doch danach aus, als hätte Honka gezielt Situationen provoziert, die dann eben im Mord endeten.
Also wir sind uns einig, dass es Mord war in jedem Fall.
Genau.
Dann ist es doch irre, dass nur weil Honka in den Verhören gesagt hat, dass die Frauen ihn beleidigt hätten, dass die Tat dann als Totschlag gewertet wird und nicht als Mord.
Ja, aber Mord und Totschlag voneinander abzugrenzen, ist eh Auslegungssache.
Und weil das für uns so schwierig war, auch nachzuvollziehen, haben wir es jetzt nochmal aufbereitet.
Und zwar Mord ist, wenn unsere Mordmerkmale erfüllt sind, was wir in der ersten Folge besprochen haben.
Und dazu gehört ja zum Beispiel Habgier, Mordlust, niedrige Beweggründe oder halt die Art und Weise, wie zum Beispiel mit einem gemeingefährlichen Gegenstand.
Zum Beispiel, wenn der Täter eine Bombe zündet und das Ausmaß nicht unter Kontrolle hat.
In der Vorbereitung haben wir so ein bisschen darüber geredet und bei uns fiel immer, naja, das war ja geplant, deswegen ist es Mord und nicht Totschlag.
Aber das ist zu einfach, wie wir festgestellt haben.
Und es gibt noch einen verbreiteten Irrtum, nämlich, dass bei Mord vorsätzlich gehandelt wird und bei Totschlag nicht.
Das ist nämlich nicht so.
Mord und Totschlag sind immer vorsätzlich.
Also Wissen und Wollen heißt belegend in Kauf nehmen.
Jemand weiß, dass er eine Straftat begeht.
Man unterscheidet drei Arten von Vorsatz.
Bei Absicht ist die Straftat das Ziel des Handelns.
Dann den direkten Vorsatz.
Da reicht das, wenn jemand Kenntnis darüber hat, dass er einen Straftatbestand erfüllt.
Ob der Täter das will oder nicht, ist dann egal.
Und beim bedingten Vorsatz, da hält der Täter das Begehen einer Straftat für möglich, nimmt das aber billigend in Kauf.
Was keine Mordmerkmale erfüllt, aber vorsätzlich verübt wird, ist, sehr einfach gesprochen, Totschlag.
Bei Totschlag bekommt man mindestens fünf Jahre und für Mord ist es immer zwingend eine lebenslange Haftstrafe.
Da haben die Richter quasi keine Möglichkeit zu variieren.
Außer es greift das Jugendstrafrecht, wie übrigens ja beispielsweise gerade bei dem Kandelprozess im Mordfall Mia entschieden wurde.
Da bekam der Täter acht Jahre und sechs Monate.
Ihr Ex-Freund Abdul hatte sie ja ermordet.
Es gibt halt schon ganz lange Kritik an den Mordparagraphen, gerade in Abgrenzung zum Totschlag.
Und da wird immer ein Beispiel angeführt.
Ein über Jahre gewalttätiger Ehemann, der seine Frau schließlich irgendwann erschlägt, würde wahrscheinlich als Totschläger verurteilt werden.
Und hätte hingegen diese gepeinigte Ehefrau ihren Mann heimlich vergiftet, wäre sie wegen Heimtücke der Tat eine Mörderin.
Heißt, sie würde lebenslänglich kassieren und er vielleicht nur fünf Jahre.
Und unser ehemaliger Justizminister Heiko Maas wollte den Mordparagraphen ändern, hatte auch schon Gesetzesvorschläge vorgelegt.
Aber Katharina Barley, also unsere jetzige Ministerin, sieht da keinen Handlungsdrang.
Als Paulina und ich uns überlegt haben, ein bisschen was zu Mord und Totschlag zu machen, ist mir direkt der Fall der Kudammrase eingefallen.
Was hier interessant ist, ist, dass es nicht um Mord oder Totschlag geht, sondern um Mord oder fahrlässige Tötung.
Für alle, die sich nicht mehr genau erinnern, in der Nacht vom 1. Februar 2016 treffen sich der 27-jährige Hamdi H.
Und der 26-jährige Marvin N., um ein illegales Autorennen durch die Berliner Innenstadt zu machen.
Beide sind in gepimpten Sportwagen unterwegs und fahren teilweise mit 170 kmh.
Auf dem Kudamm überfahren sie elf Ampeln, die meisten davon rot.
Und als sie sich dann der Kreuzung kurz vorm KDW nähern, rammt Hamdi H.
Ein Jeep, der gerade abbiegt, weil der eben grün hat.
Und der 69-jährige Fahrer Michael Waschitzki stirbt auf der Stelle.
Die beiden Fahrer werden des Mordes angeklagt und am 27. Februar 2017 vom Berliner Landgericht auch wegen Mordes verurteilt.
Und für Leute wie dich und mich auf den ersten Blick ein sinnvolles, nachvollziehbares Urteil.
Allerdings auch ein besonderes, denn nie zuvor wurden Fahrer eines tödlichen Autorennens wegen Mordes verurteilt.
In der Regel werden die wegen fahrlässiger Tötung verurteilt.
Also oft auch nur mit Bewährungsstrafen dann belegt.
Das war auch das, worauf die Verteidiger der zwei Männer plädiert hatten.
Und deshalb gingen sie eben nach dem Urteil in die Revision und bekamen vom Bundesgerichtshof recht.
Und jetzt warten die beiden Fahrer eben auf eine neue Verhandlung.
Aber warum?
Warum war es vielleicht doch kein Mord, sondern vielleicht Totschlag oder doch fahrlässige Tötung?
Hast du eine Idee?
Also was mich jetzt nur eben wundert ist, weil sie haben es ja auf jeden Fall billigend in Kauf genommen.
Also mindestens billigend in Kauf genommen.
Und deswegen wundert mich so, warum ging es denn hier jetzt nicht um Mord oder Totschlag?
Genau, das hatte ich ja auch direkt im Kopf.
Aber bei der Verhandlung ging es eigentlich nur um die Frage, ob die Männer fahrlässig oder mit Vorsatz gehandelt haben.
Da hast du ja eben erklärt, welche Vorsatzarten es gibt.
Und diesem Vorsatz steht eben die Fahrlässigkeit gegenüber.
Also wenn Vorsatz besteht, hast du gesagt Mord oder Totschlag.
Wenn aber Fahrlässigkeit besteht, dann ist es halt eben nur fahrlässige Tötung.
Und Fahrlässigkeit heißt, dass der Täter im Blick hat, dass eine Straftat passieren könnte.
Er vertraut aber darauf, dass dieser Fall nicht eintritt.
Es geht also in dem Fall der Kudammraser, wie so oft darum, was hat der Täter im Vorfeld gedacht?
Leider kann man dem ja nicht in den Kopf schauen.
Und die Verteidiger hatten in der Verhandlung eine Verkehrspsychologin in den Zeugenstand gerufen.
Die kamen zu dem Ergebnis, dass der Fahrer, der in den Jeep reingefahren ist, der Meinung war, dass er bei solchen Rennen alles unter Kontrolle hat.
Er hat ihr auch erzählt, dass nachts ja eh niemand auf der Straße unterwegs wäre und dass er auch meilenweit schauen kann.
Dass er das alles im Blick hat.
Das ist klar.
Laut der Verteidiger würde das einen Vorsatz verneinen, weil er meint, er hat alles unter Kontrolle.
Er hat es gar nicht in seinem Rahmen der Möglichkeiten, dass das passieren kann.
Das ist ja aber sehr leicht zu behaupten.
Genau, darum geht es ja.
Genau, die behaupten das und dann wäre es eben eine fahrlässige Tötung.
Die Staatsanwaltschaft war, wie gesagt, anderer Meinung.
Sie argumentierten nämlich, niemand, der mit der dreifach zulässigen Geschwindigkeit, also 170 kmh, mehrere rote Ampeln überfährt, könne ernsthaft davon ausgehen, dass nichts passieren wird.
Den beiden Fahrern sei sehr wohlbewusst gewesen, dass sie andere gefährden.
Zwar hätten sie nicht beabsichtigt, jemanden zu töten, das Risiko hätten sie aber in Kauf genommen.
Also eine Tötung hätten sie billigend in Kauf genommen.
Das entspricht ja dem, was du eben gesagt hast, dem bedingten Vorsatz.
Und der ist eben bei Mord und bei Totschlag gegeben.
Mord wurde es am Ende jetzt nur deswegen, weil das Auto als Mordwerkzeug eingestuft wurde.
Also die Art und Weise war mit einem gemeingefährlichen Mittel.
Ja, und warum gab es dann jetzt eine Revision?
Das war so, weil die Verteidiger, die haben halt gesagt, im Urteil sei ein Widerspruch drin.
Und zwar sagen die, dass das Urteil den Angeklagten zwei sich widersprechende Bewusstseinszustände unterstellt.
Damit meinen sie, dass sich die beiden Männer zum einen ja darüber im Klaren waren, einen tödlichen Unfall verursachen zu können.
Zum anderen hätten sie aber die Gefahr für sich selber ausgeblendet.
Da fragt die Verteidigung sich dann, wie kann man das Risiko für andere erkennen, aber für sich selber nicht.
Und natürlich hat die Staatsanwaltschaft darauf auch schnell eine Antwort.
Die sagen dann, ja, Fahrer in solch aufgemotzten Karren würden sich eh immer sicher fühlen und wie in einem Panzer fühlen sozusagen.
Aber das ließ der Bundesgerichtshof nicht gelten, weshalb der Fall dann im November jetzt neu verhandelt wird.
Und es ist jetzt nicht ausgeschlossen, dass nicht nochmal wegen Mordes verurteilt wird.
Also es kann wieder passieren.
Die Staatsanwaltschaft muss halt aufpassen, wie sie das argumentieren.
Sie müssen es besser und klarer begründen.
Ja, und ich bin auf jeden Fall gespannt.
Es wäre ein klares Signal an alle Raser, wenn sie wegen Mordes verurteilt würden.
Aber ob es wirklich juristisch fair ist, weiß ich eben nicht.
Es ist halt so kompliziert, wie wir auch gerade gesehen haben, diese einzelnen Abstufungen.
Wenn du mit 170 Sachen mit dieser Karre über den Kuhdamm rast, dann kannst du nicht kontrollieren, was dabei passiert.
Und deswegen bin ich sehr wohl der Meinung, dass sie wegen Mordes verurteilt werden sollten.
Ja, aber ich finde auch, man könnte sie wegen Totschlags verurteilen.
Ja, könnte man.
Es gibt halt immer wieder so Fälle, wo man alleine wegen des Strafmaßes möchte, dass sie wegen Mordes verurteilt werden.
Ja.
Weil alles andere einfach gefühlt viel zu gering ist.
Und dann gibt es noch andere Fälle.
Und ich habe ja eine kleine Kurzgeschichte für dich mitgebracht, die zum Nachdenken ist.
Ich habe mir nämlich neulich mal die Bücher von Ferdinand von Schirach vorgenommen.
Ich kannte halt den Namen und ich wusste auch, dass einige von seinen Erzählungen verfilmt wurden.
Aber ich habe nie was gelesen.
Großer Fehler.
Hast du schon mal was gelesen?
Brillanter Erzähler.
Ich bin hin und weg.
Und zwar bin ich gerade beim ersten Buch, Verbrechen.
Das ist sein erster Erzählband von so Kurzgeschichten.
Und es passt eben deswegen so wunderbar hier rein, weil Ferdinand von Schirach früher auch Strafverteidiger war und erzählt quasi von allen Fällen, die er selbst vertreten hat.
Ich erzähle jetzt vom Cello.
Es geht um Theresa und Leonard Tackler.
Ein gut situiertes Geschwisterpaar.
Und ihre Mutter stirbt, als sie noch sehr jung sind, weil sie aus dem 18. Stock bei einem Richtfest fällt, weil die Brüstung nicht abgesichert war.
Der Vater ist emotionslos in seiner Erziehung.
Und nach meiner Auffassung schikaniert er die Kinder sogar in jungen Jahren.
Beispiel, die beiden wollten ins Kino gehen und der Vater hat ihnen Geld mitgegeben.
Die beiden trauen sich ihm aber nicht zu sagen, dass das Geld nur für eine Karte reicht.
Und der Fahrer der Familie gibt den Kindern dann Geld dazu, damit sie zusammen ins Kino gehen können.
Theresa ist eine begnadete Cello-Spielerin mit großen Zukunftsaussichten.
Und in der Geschichte schreibt Ferdinand von Schirach, dass es angedeutete sexuelle Annäherung seitens des Vaters gegeben hat.
Theresa und Leonards Verbindung ist aufgrund dieser strengen Erziehung sehr, sehr stark.
Und mit ungefähr 20 Jahren beschließen die beiden dann, den Vater zu verlassen.
Und in der Nacht, als sie ihm das mitteilen, schreit Leonhard ihn an, du hast uns lange genug gequält.
Und Theresa sagt leise, wir wollen nie so werden wie du.
Und der Vater schreibt ihnen beiden einen Scheck über 250.000 Euro aus.
Und die beiden beschließen, drei Jahre gemeinsam durch die USA und Europa zu reisen.
Cool.
Und sie haben zwischenzeitlich zwar Affären, aber verbringen eigentlich jeden Tag miteinander.
Also es ist ganz, ganz eng.
In Sizilien nehmen sich die beiden dann eine alte Vespa und fahren Richtung Meer, obwohl Leonhard am Morgen mit Fieber aufgewacht ist.
In einem Wasser, das er sich an einer Tankstelle gekauft hat, befanden sich E.coli-Bakterien.
Das weiß aber zu diesem Zeitpunkt noch niemand.
Ein Apfel ist der Grund, weshalb an diesem Tag das Leben von Theresa und Leonhard zugrunde geht.
Theresa sagt auf dem Roller etwas und Leonhard dreht sich dann zu ihr um und das Vorderrad gleitet über den Apfel, stellt sich quer und Leonhard verliert die Kontrolle.
Theresa staucht sich eine Schulter und Leonhards Kopf wird zwischen Hinterrad und einem Stein eingequetscht und platzt auf.
Im Krankenhaus gelangt dann Gift aus den Nieren in die Blutbahn und seinem Blut untersucht halt zu diesem Zeitpunkt niemand, weil sie mit anderen offensichtlicheren Schäden zu kämpfen haben.
Und das Ende vom Lied ist, dass Leonhard als halber Krüppel zurückbleibt, weil sie ihm Teile seiner Füße abnehmen müssen und sein Hypokampus ist so stark verletzt, dass er sich Dinge nicht länger als vier Minuten merken kann.
Und Theresa opfert danach quasi ihr Leben und pflegt ihn, aber er sieht in ihr jetzt halt nur noch eine schöne Frau.
Er weiß weder wer sie ist, noch wer er ist.
Nach einigen Monaten, nachdem Theresa geistig und körperlich schon total abgebaut hat, also die verstumpft da quasi bei dieser Pflege und bei dieser neuen Aufgabe, holt sie abends das Cello raus, um zu spielen.
Leonhard schlägt die Bettdecke zurück und beginnt zu masturbieren.
Theresa wehrt sich halt gegen Küsse, zieht sich aber auf seinen Verlangen hinaus und spielt, bis er eingeschlafen ist.
Danach wischt sie seinen Sperma vom Bauch und übergibt sich im Badezimmer.
Im Gegensatz zu allen anderen Dingen kann er sich aber am nächsten Tag noch an das Cello erinnern.
Leonards Zustand verschlechtert sich dann und die Ärzte teilen Theresa mit, dass er bald seine Sprache verlieren würde und noch weiter Amputationen folgen würden.
Eines Abends besorgt Theresa eine Suppe, die Leonard früher gerne gegessen hat, und versetzt die Suppe und Wein mit Schlafmittel.
Damit er sich nicht erbricht, gibt sie das nur in kleinen Mengen und dann zieht sie sich aus und zieht ihn aus und hieft ihn in die Badewanne, legt sich dazu, wie die beiden das als Kind früher immer gemacht haben, legt den Kopf auf seine Schulter, küsst ihn in den Nacken und lässt ihn langsam unter Wasser gleiten.
Und Theresa wird das Mordes angeklagt.
Krass.
Jetzt stell diese Frau gegenüber zu diesen beiden Rasern.
Und man kann schon verstehen, warum es Kritik dran gibt, weil das hier ist meiner Meinung nach ein totaler Akt der Liebe und es ist aber Mord aus Heimtücke.
Er kann sich ja natürlich nicht wehren.
Krass.
Das ist wirklich absurd.
Aber ich habe zum Beispiel auch gelesen, dass ein, genau, in Hamburg war das, ein Mann hat seinen ehemaligen Schwager erschossen.
Der war auf dem Fahrrad, der Schwager, und der Typ stand vor ihm, hat ihn erschossen.
Und der hat nur Totschlag bekommen, weil er dem ehemaligen Schwager die Pistole vorher gezeigt hat und ihm angedroht hat, dass er ihn umbringt.
Und dann war die Tat nicht mehr, war das Opfer nicht mehr arglos und deswegen war es kein Mord.
Wo man sich auch so denkt, gut, wenn der einen guten Anwalt hat, dann findet der wahrscheinlich immer irgendwas, wo er irgendwie raus kann.
Oder so, weil es halt so viele kleine Abstufungen gibt, dass man denkt, irgendwie ist es nicht fair.
Ja, es ist halt immer Auslegungssache.
Und was sie ja auch hätte machen können, ist, einen Kerzenständer nehmen und ihn irgendwie ins Gesicht schlagen, in dem Moment, wo er sie berühren möchte oder so.
Dafür hätte sie ja wahrscheinlich ein mildereres Urteil bekommen.
Also ich muss dazu sagen, sie wurde gar nicht verurteilt, weil sie sich vorher im Gefängnis das Leben genommen hat.
Und ihr Vater hat sich dann auch umgebracht danach.
Krass.
Aber das meine ich mit Akt der Nächstenliebe, weil sie sie jetzt ganz respektvoll gemacht.
Ja.
Und ja, sie wollte ja anscheinend ihn eben nicht quälen und hat das dann so gemacht.
Und ja.
Jetzt weißt du übrigens auch, ich habe dir ja vorhin erzählt, dass ich einkaufen war und auf dem Roller mein Gurkenglas aus der Papiertüte rausgerutscht ist.
Und sich die Scherben über die ganze Straße verteilt haben.
Ich bin dann hoch und habe den Schaufler geholt und dann haben wir die Scherben weggemacht.
Und da haben halt alle zu mir gesagt, lass doch die Gurken da liegen, was willst du mit den Gurken?
Ich hatte die ganze Zeit diesen Apfel im Kopf und dachte, wenn jetzt ein Fahrradfahrer darauf ausrutscht und der Kopf platzt dann, damit kann ich nicht leben.
Also habe ich wie so eine bekloppte, jede einzelne dicke Gurkenscheibe von dieser Straße runtergekratzt und ich habe mich nicht getraut zu sagen, warum.
Und ich dachte, alle würden mich für verrückt erklären.
Nee, das war echt eine gute Tat, Paulina, von dir heute.
Für dich hätte ich noch ein Gurkchen liegen lassen.
Ja, und dann wollten wir uns nochmal ganz, ganz herzlich bedanken, weil wir haben nach der letzten Folge so wahnsinnig viel Feedback von euch auf Instagram bekommen.
Und wir freuen uns da echt total drüber, dann wissen wir, wer ihr seid und wir freuen uns über eure Storys mit Verlinkungen.
Wir freuen uns darüber, dass ihr euch mit unseren Fällen auseinandersetzt.
Und das ist ganz wunderbar, weil ihr schreibt so toll und ihr schreibt auch mit gutem Satzbau und korrekter Interpunktion, was im Internet ganz selten ist.
Aber das ist total schön zu merken, dass ihr Spaß an dem habt, was wir hier machen.
Ja, was uns ja auch viel Spaß macht.
Und was uns auch besonders freut, ist, wenn ihr Fälle vorschlagt, denn langsam sind so die, die wir eh im Kopf hatten, vielleicht auch schon alle durch.
Und deswegen freuen wir uns natürlich immer über Vorschläge von euch.
Auch wenn ihr jetzt nicht direkt merkt, dass wir die da nehmen.
Wir sehen sie alle und screenshotten sie auch alle.
Und das war es dann auch schon mit unserer fünften Folge.
Bis zur Folge 6.
Bis dann.