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#51 Armchair detectives

Wir kriegen wahnsinnig viel Feedback zu unseren Folgen.
Das ist manchmal Segen und manchmal Fluch.
Neulich habe ich einen Kommentar gelesen, da hieß es original.
Ich finde es nicht überraschend, dass euch mehr Frauen als Männer hören.
Ich denke, dass es vielen Männern einfach zu flach ist.
Genau sowas will man morgens als erstes lesen, wenn man Instagram öffnet.
Der Kommentar kam von einem Dirk und geliked wurde er auch von Dirk.
Von Dirk selber? Ja.
Nettes Schätzchen. Andere Nachrichten sind da ein bisschen gehaltvoller.
Anne hat uns nämlich geschrieben, zu dem Angebot, das ich bekommen habe.
Ich habe ja in unserer Vergebungsfolge 47 von jemandem erzählt, dem ich jetzt nie vergeben könnte.
Und von einem fragwürdigen Angebot eines Freundes.
Der meinte nämlich, er würde meinen Widersacher in einen Teppich einrollen und dann mit dem Kochlöffel draufhauen, weil das weniger Spuren hinterlassen würde.
Nur fürs Protokoll, das kommt überhaupt nicht in Frage.
So und Anne arbeitet in der Rechtsmedizin und meint, dass das mit den Spuren so nicht ganz stimmt.
Zunächst mal würden schon Hämatome zurückbleiben, es sei denn, der Schlag wird so doll abgedämpft, dass halt keine entstehen.
Aber dann tut es halt ja auch nicht weh.
Und an der Person bleiben noch andere Spuren zurück.
Und zwar die des Teppichs.
Und in der Rechtsmedizin haben sie nämlich häufig diese Textilabdrücke oder Textilabdruckstellen.
Ähnlich wie wenn man gegen den Kopf getreten wird und auch dann ein Muster von der Schuhsohle zurückbleiben kann.
Und dadurch könnte man dann nämlich eben auch eventuell TäterInnen ausfindig machen.
Okay.
Und was empfiehlt sie dann?
Ich glaube, Anne wollte einfach nur sagen, dass man das mit dem Teppich irgendwie schon merken würde.
Herzlich willkommen zu Mordlos, dem True Crime Podcast von Funk, von ARD und ZDF.
Wir reden hier über wahre Verbrechen und ihre Hintergründe.
Mein Name ist Paulina Kraser.
Und ich bin Laura Wohlers.
In jeder Folge haben wir ein Oberthema, zu dem wir zwei wahre Kriminalfälle nacherzählen,
darüber diskutieren und auch mit ExpertInnen sprechen.
Wir reden hier manchmal auch ein bisschen lockerer miteinander.
Das hat aber nichts mit einer fehlenden Ernsthaftigkeit dem Thema gegenüber zu tun,
sondern das ist für uns einfach so eine Art Comic Relief, damit wir zwischendurch auch mal aufatmen können.
Das ist aber natürlich nie despektierlich gemeint.
Heute geht es bei uns um Personen, die dabei helfen, Verbrechen aufzuklären und nicht bei der Polizei arbeiten.
Also Verbrechen aufklären.
War das für dich auch so ein Kindheitstraum?
Nee, ich glaub nicht.
Bei dir?
Ja, also neben Dienerin wollte ich definitiv auch mal Detektivin werden.
Ich hab auch alles, was es da so zu gab, gebinged.
Also die drei Fragezeichen, TKKG, Tom und Locke, Kalle Blomquist.
Also durch die Reihe weg.
Tom und Locke?
Das war ziemlich gut und komischerweise nicht so bekannt.
Aber das kann ich empfehlen.
Ich war ein großer Detektiv-Kornen-Fan und die Pfefferkörner hab ich über alles geliebt.
Aber du dachtest nicht, du willst es auch machen.
Ich glaub, das war mir zu anstrengend.
Ich hab sogar mit meiner Freundin Leonie einen Detektiv-Club gegründet.
Der hieß, die Spürnasen.
Aber ich kann mich jetzt an keinen Fall erinnern, den wir irgendwie angegangen sind oder geschweige
denn gelöst haben.
Aber ich weiß, dass wir auf jeden Fall schon mal Visitenkarten hatten.
Also die haben wir uns auf jeden Fall davor schon mal gebastelt gehabt.
Super cool.
Ich war aber einmal dann Detektivin mit 18.
Da stand mein damaliger Freund nämlich unter dringendem Tatverdacht, mich belogen zu haben.
Und als er Frühstück holen war, hab ich dann mit meinen Ermittlungen begonnen und mich
in seinen ICQ eingeloggt.
Was nicht cool ist, ich weiß, aber ich war 18 und...
Detektivin.
Ja.
Und immerhin haben meine Ermittlungen ergeben, dass ich recht hatte.
Ist eigentlich ein bisschen irre, aber ich verbuche das jetzt mal.
unter journalistische Fähigkeiten oder so.
Ja, die sind wichtig.
Und die spielen in unserer Folge heute ja übrigens auch eine große Rolle.
In meinem Fall für diese Woche habe ich einige Namen geändert und ich habe auch mit meiner
Hauptfigur gesprochen und die werdet ihr diesmal auch immer mal wieder während des Falls hören.
Mein Fall zeigt, dass es nicht viel braucht, um das Leben von mehreren Menschen komplett auf
den Kopf zu stellen.
Ein kleiner Zufall, wie zum Beispiel ein fehlgeleiteter Brief.
Reicht aus.
Wolfgang Käse ist irritiert, als im Dezember 2011 eine offizielle Bekanntmachung des Amtsgerichts
Rheinbach bei ihm auf dem Tisch landet.
Eigentlich gehören solche Texte in die Anzeigenabteilung des Bonner Generalanzeigers und nichts in die
Redaktion, wo Käse arbeitet.
Offenbar ein Fehler bei der Postverteilung.
Der Mitte 50-Jährige schaut sich den Text genauer an.
Dort steht, dass sich eine Frau Gertrud Gabriele Ulmen, geboren in Main, bis zum 28.02.2012 im
ersten Stock des Gerichts im Zimmer 207 melden soll.
Ansonsten werde sie für tot erklärt.
Es sind mehrere Dinge, die Käse stutzig machen, erzählt er mir.
Einmal dieses bizarre Juristendeutsch.
Das zweite war, dass ihr genannter Geburtsort, Main, eine Kleinstadt in der Eifel, auch mein Geburtsort
ist.
Und das hat einfach meine Neugierde geweckt.
Und drittens dann die Frage, gibt's das, dass jemand einfach so aus seinem Leben verschwindet
und nie mehr auftaucht?
Also fragt Käse seine KollegInnen.
Auch die haben noch nie was von der Frau gehört, die seit 16 Jahren verschwunden sein soll.
Nicht mal das Zeitungsarchiv spuckt irgendetwas aus.
Was seltsam ist, denn darüber hätte man doch auf jeden Fall berichtet.
Käses Interesse ist geweckt.
Wolfgang Käse arbeitet als leitender Redakteur beim Generalanzeiger.
Nach der Schule hatte er überlegt, ob er Polizist oder Journalist werden soll.
Immerhin war auch sein Onkelchef bei der Kripo.
Sein Cousin arbeitet beim LKA.
Käse entscheidet sich für den Journalismus, hat beruflich als Polizeireporter aber einige
Schnittstellen.
Er kontaktiert die Polizei, das BKA und sogar Interpol und fragt nach der Vermissten und muss
feststellen, eine Akte zu dem Fall gibt es nicht.
Was seltsam ist, denn eigentlich müssen die bei unaufgeklärten Fällen 30 Jahre aufgehoben
werden.
Die Polizei kann ihm also nicht sagen, ob damals überhaupt ermittelt wurde.
Auf diesem Weg kommt er nicht weiter, also guckt er sich an, wer den Antrag auf Todeserklärung
aufgegeben hat.
Offenbar der Bruder der Vermissten und ihr damaliger Ehemann.
Käse versucht über das Amtsgericht Kontakt zu dem Bruder aufzunehmen und hat zu seinem
überraschenden Erfolg.
Denn Thomas Lenartz freut sich über den Anruf von Wolfgang Käse.
Endlich interessiert sich mal jemand für Trudel, wie sie liebevoll von ihrer Familie genannt
wird.
Damit hat Thomas schon gar nicht mehr gerechnet.
Die beiden verabreden sich zu einem Gespräch.
Frühmorgens um 8 Uhr bei einem McDonald's, weil der Bruder danach in der Nähe einen Termin
hat.
Thomas Lenartz hat ein Bild von seiner Schwester dabei.
Darauf zu sehen ist eine lebensfrohe junge Frau mit blondem gelockten Haar und einer zählichen
Figur.
Der Mann, der Wolfgang Käse gegenüber sitzt, ist angefasst.
Man sieht, dass ihm das Verschwinden seiner Schwester nie wirklich losgelassen hat.
Und dann beginnt er zu erzählen.
Thomas Lenartz ist mit seiner ältesten Schwester Lore und Trudel in geordneten Verhältnissen
groß geworden.
Die Eltern sind sehr religiös.
Gleich nach der Schule macht Trudel eine Ausbildung zur Arzthelferin, lernt einen jungen, netten
Mann kennen.
Bernd heißt er.
Die beiden heiraten, ziehen gemeinsam in ein Haus, sammeln Antiquitäten, spielen im Tennisclub.
Eine ordentliche, junge Familie, wie man zu der Zeit sagen würde.
Kinder bekommen die beiden nicht.
Trudel war im Jahr 95 zwar schwanger, verliert das Kind aber wieder.
Sie wäre gerne Mutter geworden.
1996 ist Trudel 41 Jahre alt.
Sie und Thomas telefonieren regelmäßig miteinander.
Die beiden haben ein gutes Verhältnis.
Auch am Mittwochnachmittag, des 20. März, quatschen sie wieder am Telefon.
Trudel klingt eigentlich wie immer, als wäre sie gut drauf und unbeschwert.
Daran erinnert sich Thomas Lenerts heute noch genau.
Alles war normal.
Keine Anzeichen für die große Tragödie, die sie bald überrollen sollte.
Dann, an dem Freitag danach, klingelt Thomas' Telefon auf seine Arbeit.
Es ist sein Schwager Bernd.
Die Trudel ist gestern Abend nicht nach Hause gekommen.
Thomas fragt, was soll das denn heißen?
Wie sie ist nicht nach Hause gekommen.
Bernd erklärt, dass Trudel am Vortag wie immer ihre Handtasche genommen hat und dann zur Arbeit aufgebrochen ist.
Aber sie wäre nicht wieder nach Hause gekommen.
Bernd habe schon die Strecke zum Krankenhaus, in dem Trudel arbeitet, abgefahren und ihr Auto ganz in der Nähe von dort stehen sehen.
Trudel' Chefin habe aber gesagt, dass sie am Donnerstag gar nicht mehr auf Arbeit erschienen ist und sich auch nicht abgemeldet hat.
Thomas ist direkt alarmiert.
Sicher ist etwas passiert, denkt er.
Einfach wegbleiben, das passt so gar nicht zu seiner bodenständigen, zuverlässigen Schwester.
Trudel wird als vermisst gemeldet.
Bernd und Trudels Familie hören sich bei Freundinnen um.
Aber niemand hat etwas von ihr gehört oder gesehen.
Furchtbare Tage der Ungewissheit brechen an.
Dann, am Sonntag, meldet sich Bernd plötzlich und sagt, dass Trudel bei ihm angerufen habe.
Es gehe ihr gut.
Sie sei weggegangen und werde nicht wiederkommen.
Thomas kann nicht fassen, was Bernd ihm da gerade erzählt.
Weiter erklärt er, Trudel habe einen portugiesischen Geschäftsmann kennengelernt und sich mit ihm ins Ausland abgesetzt.
Ich soll euch einen schönen Gruß sagen, sagt Bernd.
Dann erzählt er noch, dass sich Trudel für die letzten Ehejahre bedankt hat und um Verzeihung bittet, weil sich jetzt alle so viele Sorgen gemacht haben.
Thomas denkt sich, was macht denn Trudel hier mit uns?
Wie kann sie sich ohne persönlichen Abschied einfach absetzen, noch dazu während ihr Vater gerade schwer erkrankt ist?
Das geht nicht in Thomas' Kopf.
Die Ehe von Trudel und Bernd war für Thomas außerdem immer so eine Art Vorzeigebeziehung.
Im Traum hätte er sich nicht vorstellen können, dass seine Schwester eine Affäre hat.
Sie schien immer so verliebt mit Bernd.
Das ist ein Schock für die ganze Familie.
Thomas' Mutter sagt, wenn es Papa besser gehen würde, dann würde er nicht aufhören, nach ihr zu suchen, bis er sie gefunden hat.
Aber sie müssen versuchen, die Lage so zu nehmen, wie sie jetzt ist.
Irgendwann wird sie sich ja sicher mal bei der Familie melden und selbst berichten.
Aber ein Anruf von Trudel bleibt aus.
Dafür klingelt Lore jeden Montag bei der Polizei durch, um zu horchen, ob es irgendeinen Hinweis auf Trudel gibt.
Aber nie gibt es eine positive Antwort.
Bernd kümmert sich derweil um die kleine Tochter von Thomas.
Trudel hatte sich als Tante und Patentante liebevoll um das Mädchen bemüht.
Den Platz seiner Frau nimmt Bernd jetzt ein.
Die Wochen und Monate vergehen, ohne dass irgendjemand was von Trudel hört.
Thomas kann das so einfach nicht akzeptieren.
Er will mehr über die Hintergründe wissen, fängt an, Bernd irgendwann richtig zu löchern.
Der lässt irgendwann fallen, dass Trudel offenbar beim Karneval von irgendjemandem gesehen wurde.
Und bei einer Freundin sei sie auch für kurze Zeit aufgetaucht.
Thomas fällt aus allen Wolken.
Dann soll Bernd doch bitte sagen, bei welcher Freundin Trudel war und wer sie gesehen hat.
Aber Bernd winkt ab.
Er wisse das auch nur vom Hörensagen und weiß sonst nichts weiter.
Danach besucht er die Lenats immer weniger.
Lässt das ein oder andere mal Geschichten fallen, dass Trudel nicht nur mit den Portugiesen eine Liebschaft hatte.
Aber er würde empfehlen, da nicht weiter zu buddeln.
Sowas passt immerhin nicht zu einer strenggläubigen Familie.
Kurze Zeit später gibt es Gerede in der Nachbarschaft.
Trudel sei depressiv gewesen und hätte ein Doppelleben geführt.
Die Gerüchte breiten sich aus wie ein Feuer.
Wer der Brandstifter ist, kann die Familie nie ausmachen.
Als wäre die Familie durch das Verschwinden von Trudel nicht schon genug bestraft.
Ende des Jahres verkündet Bernd, dass die Polizei die Suche nach Trudel eingestellt hat.
Kurze Zeit später will er sich wegen böswilligem Verlassen scheiden lassen.
Geklärt wird das alles über einen Anwalt, sagt Bernd, den Trudel selbst beauftragt habe.
Der könne aber nichts zu Trudels Aufenthaltsort sagen.
Immerhin ist er an seine Schweigepflicht gebunden.
Bernd findet wenig später eine neue Frau, heiratet und gründet eine Familie.
Der Kontakt zu Trudels Familie bricht fast ganz ab.
Sieben Jahre, nachdem Trudel weggegangen ist, meldet er sich noch einmal mit einer Karte.
Eine Beileidsbekundung zum Tod des Vaters.
Er schreibt von jemandem, der euch nie vergessen wird, trotz all der Dinge, die vorgefallen sind.
Die bevorstehende Beerdigung ist zwar kein Grund zur Freude, aber bei Thomas weckt sie trotzdem etwas Hoffnung.
Wenigstens da müsste seine Schwester doch auftauchen.
Bei der Trauerfeier schaut er sich ständig über die Schulter, sucht nach Trudel in der Menge.
Aber er findet sie nicht.
Seitdem hat die Familie jede Hoffnung auf ein Zeichen von Trudel aufgegeben.
Noch heute zünde Thomas' Mutter jeden Tag eine Kerze an und stellt sie vor ein Foto von Trudel.
Sie haben keine Ahnung, wo sie sein könnte.
Nur nicht in Deutschland, da sind sie sich sicher.
Bekannte, die bei der Polizei arbeiten, haben mal für sie nachgesehen.
Trudel hat sich nie wieder in Deutschland irgendwo gemeldet.
Sie haben wirklich versucht zu akzeptieren, dass Trudel sie einfach so zurückgelassen hat und konnten es bisher doch nicht.
Man kann nicht mit etwas abschließen, wenn einem die Rituale zum Trauern verwehrt bleiben.
Wenn man ständig Post bekommt, weil der Staat so tut, als wäre die Person nie weggegangen.
Das ist nach all den Jahren einfach zu viel.
Die Familie will etwas Ruhe finden.
Deswegen haben sie sich dazu entschieden, Trudel für tot erklären zu lassen,
sollte sie sich nicht bis zum 28. Februar 2012 im Amtsgericht Rheinbach melden.
Als Thomas Lenartz fertig mit Erzählen ist, ist er aufgebracht.
Das Ganze wühlt noch in ihm.
Wolfgang Käse hat mir erzählt, was in dem Moment, als die beiden da bei McDonald's saßen, seine Neugierde geweckt hat.
Weil der Herr Lenartz, also der jüngere Bruder der Verschollenen, selber nicht zufrieden war damit,
dass er nicht wusste, was mit seiner geliebten Schwester passiert ist.
Und so kam eins zum anderen.
Käse sagt, dass er sich in drei Wochen wieder melden wird.
Eine der ersten Anlaufstationen ist natürlich die Person, mit der Trudel die meiste Zeit verbracht hat.
Ihr damaliger Ehemann.
Doch der sagt, so kurz vor Weihnachten möchte er sich nicht damit belasten.
Die beiden vereinbaren einen Termin für das neue Jahr.
Danach aber erzählt Bernd Ulm, er habe kein Interesse, mit dem Journalisten zu reden.
Ich habe das für mich psychisch verarbeitet.
Der Rest ist Sache der Kripo, erklärt er.
Mittlerweile ist er ein drittes Mal verheiratet.
Innerhalb der nächsten Wochen kontaktiert Käse alte Freundinnen, ArbeitskollegInnen, Trudels damaligen Arbeitgeber und Nachbarn.
Er spricht mit insgesamt 60 Personen, um sich erstmal ein Bild von Trudel zu machen.
Eine frühere Kollegin erinnert sich noch genau, wie es war an dem Tag, als Trudel nicht zur Arbeit erschienen ist.
Abends kam ihr Ehemann ins Krankenhaus und war völlig außer sich.
Er wollte, dass sie überall nach ihr suchen.
Auch im Keller, falls sie da unten umgefallen ist und sie dort alleine liegt.
Er schien sehr besorgt.
Niemand hat sich vorstellen können, dass Trudel den Mann einfach so mit einem Liebhaber betrügt.
Auf ihrem Schreibtisch im Büro stand immer ein Foto von Bernd.
Eine frühere Freundin erzählt Käse,
mein Mann und ich haben mit dem Ehepaar Ulm Silvesterabende und sogar Urlaube verbracht.
Wechselnde Liebhaber?
Ein Doppelleben?
Da müsste die Trudel schon zwei Gesichter gehabt haben, was ich mir beim besten Willen nicht vorstellen kann.
Und sie war auch nicht depressiv.
Nein, das passt alles gar nicht zu ihr.
Wolfgang Käse hat mir erzählt, dass ihm bei seinen Befragungen auch noch eine merkwürdige Beobachtung geschildert wurde.
Zum Beispiel hat mir eine Nachbarin erzählt,
dass Trudel Ulmen am Vortag ihres Verschwindens mit ihrem Auto aus einem Gartencenter zurückkehrte
und den Kofferraum ausleerte mit neuen Pflanzen, neuen Blumentöpfen und sowas alles und erzählte, dass sie also im Garten einiges ändern will.
Und das macht doch niemand, der am nächsten Tag ins Ausland verschwinden will.
Käse überlegt. Irgendwas passt da nicht zu dem Bild, was er aus den Erzählungen über Trudel Ulm bekommen hat.
Der Eindruck, der bei mir entstand, war, dass diese Frau sehr stolz darauf war, aus einfachsten Verhältnissen zu kommen und es geschafft zu haben im Leben.
Und dass sie stolz darauf war, in der Kleinstadt Rheinbach bei Bonn, in der sie lebte, angesehen zu sein, Mitglied im Tennisclub und all diese Dinge.
Und dass es mir deshalb der Eindruck aufdrängte, so jemand schmeißt doch nicht einfach alles hin und verschwindet von jetzt auf gleich.
Freundinnen beschreiben sie als sehr sicherheitsbedürftigen Menschen.
Käse will weiter forschen, versucht nun an den Mann zu kommen, mit dem Trudel durchgebrannt sein soll.
Ein Antiquitätenhändler aus der Nähe.
Aber niemand kann sich erinnern, dass ein Portugiese mit so einem Geschäft in der Stadt gewohnt hat.
Käse nimmt wieder Kontakt zur Polizei auf.
Er will wissen, wieso es überhaupt keine Aufzeichnung zu dem Fall gibt.
Der erste Kriminalhauptkommissar sagt ihm, dass er vermutet, dass es gar keine Vermisstenmeldung gab.
Aber nach so langer Zeit ist das alles sehr schwer nachzuvollziehen.
Käse schreibt seinen ersten Artikel für den Generalanzeiger.
Verschollen und beinahe vergessen, heißt es in der Überschrift.
Dort gibt es einen Abriss über das Verschwinden und er verkündet, dass die Polizei nun nach Antworten sucht.
Tatsächlich merkt Wolfgang Käse aber nach einiger Zeit, dass nicht alle von der Polizei so hinterher sind, aufzuklären, was damals passiert ist.
Ich glaube, die Polizei hatte einfach die Sorge, dass sie vorgeführt werden, dass sie vor 16 Jahren beim Verschwinden Fehler gemacht hätten.
Dabei war das gar nicht mein Interesse.
Ich wollte niemanden vorführen.
Viele handelnde Personen bei der Polizei sind ja längst nicht mehr bei der Polizei, sondern in Pension oder schon lange tot.
Durch Käse' Recherchen hat Familie Lenertz jetzt Hoffnung.
Dass jetzt endlich mal was in Gang kommt, ist für sie der Strohhalm, nachdem sie sich so lange gesehnt haben.
Manchmal telefoniert Käse mit Thomas bis spät in die Nacht.
Manchmal sitzt er auch mit ihm und seiner Mutter beisammen und hört sich Geschichten über Trudel an.
Thomas Lenertz hat die Hoffnung nie ganz aufgegeben, dass sie seine Schwester doch noch irgendwo finden.
Bei Trudels Mutter war das nicht ganz so, wie Käse mir erzählt hat.
Ein Moment, der mich emotional sehr bewegt hat, war, als ich die Mutter besuchte und der Sohn Thomas Lenertz für einen Moment das Zimmer verließ oder die Küche verließ.
Als wir saßen in der Küche und rausgingen, um ein altes Fotoalbum zu holen, die Mutter sich plötzlich zu mir vorbeugte, über den Tisch griff mit ihrer Hand, meine Hand packte, mir tief in die Augen sagte und sagte, die Trudel ist tot.
Und brach das aber sofort ab, als ihr Sohn wieder die Küche betrat.
Die Suche nach der Wahrheit wird ziemlich schnell von einer Recherche zu einer allumfassenden Aufgabe.
Es war dann sehr bald ein Fulltime-Job.
Ich habe noch nebenbei andere Dinge gemacht in meinem Job, aber es ging am Ende die komplette Freizeit und jedes Wochenende drauf.
Das hatte auch damit zu tun, dass viele Menschen nur abends oder am Wochenende zu einem ruhigen Gespräch erreichbar waren.
Und es war extrem belastend.
Also wenn Sie jetzt meine Frau fragen würden, wie diese Zeit war, dann würde sie Ihnen sagen,
Ich war zwar noch physisch, aber geistig nicht mehr anwesend.
Das hat komplett mein Leben bestimmt.
Einige Zeit später meldet sich die Polizei bei Kies.
Sie haben mittlerweile herausgefunden, dass es doch eine Vermisstenmeldung gab, aber nur vier Tage lang.
Danach hat der Ehemann sie wieder zurückgezogen.
Und deswegen existiert heute auch keine Akte mehr zu dem Fall.
Dann musste sie nämlich nur fünf Jahre aufbewahrt werden.
Und es ist neu für Trudels Familie.
Lore hatte nämlich doch jeden Montag auf dem Revier angerufen und nach Neuigkeiten gefragt.
Und nie hat ihr jemand da gesagt, dass sie schon längst nicht mehr nach Trudel suchen.
Die Polizei wiederum zeigt sich überrascht darüber, dass die Familie nie wieder was von Trudel gehört hat.
Und jetzt gibt es einen Wendepunkt.
Der Kriminaldirektor Hans Willi Kernenbach meldet sich bei Wolfgang Kies und zeigt großes Interesse an seiner Arbeit.
Die beiden treffen sich und reden mehrere Stunden über den Fall.
Kies stellt ihm seine Recherchen zur Verfügung.
Die Familie Lienert soll jetzt auch DNA-Proben abgeben.
Zwar wäre eine Probe von Trudel selbst besser, aber woher nehmen nach all der Zeit?
Kernenbach bedankt sich bei Kies und sagt, sie hören von mir.
Aber eine Rückmeldung in den nächsten Wochen bleibt aus.
Inzwischen ist der Februar und auch der März vergangen.
Und Trudel wird für tot erklärt.
Sie hat sich nicht gemeldet und die Familie hat keinen Einspruch gegen die Erklärung eingelegt.
Mittlerweile ist sich auch Thomas Lienert sicher, dass sie nicht mehr lebt und schon 1996 gestorben ist.
Ihr Todestag wird mittels des Verschollenen Gesetzes bestimmt.
Der letzte Tag des fünften Jahres nach dem letzten Lebenszeichen.
Also der 31. Dezember 2001.
Kies plagen Zweifel.
Jetzt hat er mit seinen Recherchen möglicherweise völlig umsonst eine Lawine der Hoffnung ausgelöst.
Nachts wird er wach und seine Gedanken fangen an zu kreisen.
Was aber, wenn ich mich dann etwas verrenne, fragt sich Kies.
Was, wenn am Ende nichts dabei rauskommt?
Sein ganzes Pulver ist jetzt verschossen.
Mehr kann er nicht tun.
Er hat alles abgeklappert.
Andere Wege kann er jetzt nicht mehr gehen.
Das belastet ihn.
Bis an einem Montag im April sein Telefon klingelt.
Es ist die Kripo.
Ob Kies bereit wäre, mit zur Familie Lenerts zu fahren.
Sie wissen, was mit Trudel-Ulm passiert ist.
Kies erfährt, dass die Ermittlungen in der Zeit, in der er nichts mehr gehört hatte, in vollem Gang waren.
Tatsächlich fand sich doch noch eine DNA-Probe von Trudel.
Und zwar in dem Krankenhaus, in dem sie wegen der Fehlgeburt waren.
Wow.
Das ist ja krass nach so vielen Jahren.
Und das war vor allem ein Zufall, weil sie die so lange gar nicht hätten aufbewahren müssen.
Und diese DNA, die jagen sie dann durch die bundesweite Datei von unbekannten Toten und hatten dann plötzlich einen Treffer.
Die Übereinstimmung gab es mit einer Frau, die nur wenige Monate nach Trudels Verschwinden in einem Waldstück in Bad Honneuf gefunden wurde.
Nur ca. 20 Kilometer von Rheinbach entfernt.
Die Leiche war zu dem Zeitpunkt allerdings schon stark verwest.
Damals wurde sogar mit großem Aufwand nach der Identität der Frau gesucht.
Bei Aktenzeichen XY zeigte man rekonstruierte Bilder vom Gesicht der Toten.
Aber die Ähnlichkeit war jetzt leider nicht so gravierend, weil die Frau auf den Bildern viel härtere Gesichtszüge hatte als Trudel.
Beschrieben wurde die Unbekannte als zwischen 20 und 40 Jahre alt, 1,60 groß, schlank und sie hatte auffallend schlechte Zähne gehabt.
Außerdem wurde in der Sendung der Schmuck gezeigt, den die Frau trug.
Hätte Thomas Lenartz damals die Sendung gesehen, hätte er den Schmuck sofort erkannt.
Er sah Aktenzeichen XY ungelöst aber nicht.
Allerdings ein Arbeitskollege von Trudel.
Der meldete sich damals sogar bei der Polizei und fragte, ob das nicht Trudel Ulm sein könnte.
Offenbar ging die Polizei dieser Spur auch nach und fragte den Ehemann nach den Zähnen seiner Frau.
Die wären aber einwandfrei gewesen.
Und auch die Konfektionsgröße, die man an den Klamotten der Frau ablesen konnte, hätte nicht übereingestimmt.
Tatsächlich gab es aber auch andere Hinweise darauf, dass es sich um Trudel handelte.
Die Unbekannte, von der man damals ausging, sie sei vielleicht eine polnische Prostituierte,
hatte eine besonders knallige orange-rote Jogginghose mit auffälligem Muster.
Und von dieser Hose gab es in Deutschland nur ganz wenige Exemplare, weil sie von einem italienischen Hersteller kam.
Und eine davon wurde ganz in der Nähe von Trudels Arbeitsstelle verkauft.
Jetzt, 16 Jahre nach ihrem Verschwinden, steht Wolfgang Käse fast neben sich.
Kann nicht glauben, was er hört.
Der Fall, den er vor über vier Monaten angefangen hat zu recherchieren, hat plötzlich eine vollkommene Wendung genommen.
Er hat zwar noch nie eine Todesnachricht überbracht, willigt aber trotzdem ein, dabei zu sein.
Irgendwie fühlt er sich jetzt verantwortlich.
Thomas Lenartz kämpft darum, nicht die Fassung zu verlieren.
Er sitzt neben seiner Frau auf der Couch und durchlebt innerhalb kürzester Zeit ein Wechselbad der Gefühle.
Erst ist da irgendwie eine Art Freude, weil die unerträgliche Ungewissheit endlich weg ist.
Andererseits ist da jetzt der Tod und der ist gewiss und endgültig.
Während Thomas Lenartz noch realisieren muss, dass seine Schwester schon lange tot ist,
fahren andere ErmittlerInnen zu Bernd Ulm und nehmen ihn mit aufs Revier.
Aus den Aufzeichnungen, die Käse der Polizei zur Verfügung gestellt hatte,
ließ sich zumindest schon mal ein kleiner, wenn auch vager Hinweis auf den Ehemann ableiten.
Ja, ich stellte fest, dass unterschiedliche soziale Milieus,
also die Menschen in der Herkunftsstadt Mayen in der Eifel,
dann die Menschen am Wohnort in Rheinbach bei Bonn,
die Arbeitskollegen und so weiter,
dass die alle unterschiedliche Versionen hatten, was mit Trudel geschehen sei.
Es gab auch einen Versicherungsmakler, dem der Ex-Ehemann erzählte,
die Trudel habe sich gemeldet aus dem Ausland und sie wolle,
dass eine Lebensversicherung auf ihn überschrieben werde.
Und so gab es also die unterschiedlichsten Versionen dessen,
was mit dieser Frau geschehen sei, aber die Quelle war immer ein und dieselbe.
Bernd Ulm hatte sich auch während der neuen Ermittlungen immer mehr in Widersprüche verstrickt.
Da waren zum einen die Zähne, die erst super gewesen sein sollen,
und später behauptete er aber wieder, seine Frau wäre nie zum Zahnarzt gegangen.
Dann wiederum sei ihm doch noch eingefallen, dass sie beim Zahnarzt war
und nennt der Polizei einen Namen eines Arztes, der Trudel aber nie behandelt hatte.
Auch zu den Dingen, die Trudel angeblich mitgenommen hatte,
machte er im Laufe der Jahre immer wieder verschiedene Angaben.
Zunächst behauptete er, sie sei nur mit der Handtasche weg.
Als die Familie aber nach Erinnerungsstücken fragte,
sagte Bernd, sie habe offenbar doch einen Hartschalenkoffer mitgenommen.
Einer fehlte nämlich im Schrank, genau wie einige Pelzmäntel.
Einer Freundin erklärte Bernd damals wiederum,
dass Trudel nicht mal Ausweispapiere mitgenommen hätte,
was ihr damals schon komisch vorkam,
weil sie ja angeblich mit ihrem Liebhaber ins Ausland abgehauen sei.
Mehrere Stunden windet sich Bernd bei der Vernehmung,
tischt immer wieder neue Geschichten auf.
Als die Polizei ihm irgendwann seine ganzen Widersprüche vor Augen führt,
kann er nicht mehr, bricht ein und gesteht.
Trudels Todestag ist jetzt keiner mehr, der vom Gesetz festgelegt wurde.
Auf dem Grabstein steht es.
20.03.1996
16 Jahre lang hatte sie in einem reinen Grab für namenslose Todesopfer gelegen.
Jetzt wurde sie exhumiert und verbrannt.
Die Familie will die Urne bei dem Vater beisetzen.
Auf dem Grabstein steht aber nicht Ulm.
Die Familie möchte nicht, dass sie mit dem Namen des Mannes beerdigt wird,
der sie getötet hat.
Lange haben wir nach dir gesucht.
Ruhe sanft in unserer Mitte.
Lassen Sie eingravieren.
Bei der Beerdigung ist nur die engste Familie anwesend.
und Wolfgang Käß.
Am 19. November 2012 beginnt der Prozess gegen Bernd Ulm wegen Totschlags.
Der Staatsanwalt wirft ihm vor, seine Frau getötet zu haben, weil die einer neuen Liebe im Weg stand und Bernd Ulm Angst hatte, dass seine Fassade des Ehemanns mit weißer Weste drohte aufzufliegen, wenn Trudel von der Affäre Wind bekommen hätte.
Thomas Lenartz will im Namen seiner Familie an der Verhandlung teilnehmen, auch wenn ihm das schwerfällt.
Aber seine Mutter und seine Schwester trauen sich es nicht zu.
Thomas will es trotz Bedenken tun.
Für Trudel.
Niemals hätte er damals gedacht, dass sein geliebter Schwager, sein Vorbild, ihm seine Schwester genommen hat.
Jetzt will er ihn wenigstens in die Augen sehen und zur Rede stellen.
Bernd Ulm wird mit Handschellen vorgeführt.
Er trägt einen braunen Pullover.
Der Kragen seines hellen Hemdes darunter guckt raus.
Bernd Ulm räumt ein, Trudel vor 16 Jahren mit einem Kissen erstickt und danach ihre Leiche im Wald versteckt zu haben.
An dem Tag, als es passierte, haben die beiden arg gestritten, sagt er, und sich gegenseitig Affären vorgeworfen.
Trudel hätte dabei laut geschrien und wäre völlig außer sich gewesen.
Da habe er die Kontrolle verloren und wollte nur noch, dass sie endlich aufhört zu schreien.
Bernd erzählt, dass ihn es all die Jahre schwer belastet habe.
Das war all die Jahre das Schlimmste, so lügen zu müssen.
Ich konnte die Last nicht mehr ertragen.
Och, der Arme.
Die Wahrheit habe jetzt auch rausgemusst, sagt er.
Für Thomas klingt das wie Hohn.
Er erinnert sich daran, was Bernd auf die Beileidsbekundung damals zum Tod des Vaters geschrieben hatte.
Von jemandem, der euch nie vergessen wird, trotz all der Dinge, die vorgefallen sind.
Auch der Richter merkt an, dass Bernd dafür, dass die Wahrheit jetzt raus musste,
aber ganz schön lange bei der Vernehmung noch versucht hatte, zu lügen.
Auch Wolfgang Käß muss am ersten Prozestag aussagen.
Muss schildern, wie der Ablauf seiner Recherche war.
Danach nimmt er für die weiteren Verhandlungstage auf der Zuschauerbank Platz
und beobachtet.
Durch den Prozess kommen Dinge ans Licht, die so gar nichts gemein haben mit dem netten
Schwager, den Thomas Lenartz all die Jahre so geschätzt hatte.
Plötzlich wird deutlich, dass Bernd seinen wahren Charakter all die Jahre gut verstecken konnte.
Menschen aus seinem Umfeld berichten davon, dass er vor allem auf seinen finanziellen Vorteil
bedacht war und Trudel oft schlecht gemacht hat.
Thomas Lenartz lässt den gesamten Prozess tapfer über sich ergehen.
Hört genau zu, was sein Schwager zu sagen hat.
Am dritten Verhandlungstag muss er aber selbst in den Zeugenstand und erzählen, wie seine
Schwester war.
Dabei bricht er in Tränen aus.
Der Richter muss die Befragung unterbrechen.
Für Thomas ist es furchtbar zu wissen, wie Trudel gestorben ist.
Dass Bernd ihr ein Kissen auf das Gesicht gedrückt hatte und sie sich noch gewehrt hat.
Deswegen rät seine Anwältin ihm bei der Anhörung des Gerichtsmediziners nicht anwesend zu sein.
Er hört nicht auf sie, will stark sein und bereut es später.
Der Gerichtsmediziner beschreibt Trudels langen, qualenvollen Tod, dass ihr Kampf mehrere Minuten
gedauert hat.
Er beschreibt genau, was mit einer Person passiert, wenn sie erstickt.
Er sagt, dass man zuerst ohnmächtig wird.
Und das heißt aber auch, dass Trudel schon ruhig gewesen sein muss, bevor sie starb.
Und offenbar hatte Bernd Ulm aber danach auch noch weiter gedrückt.
Was nicht so richtig zu seiner Aussage passt, dass er nur wollte, dass sie still ist.
Deswegen erzähle ich das hier.
Wolfgang Käß übernimmt in dieser Zeit übrigens nicht die Rolle des Gerichtsreporters, was
mich ein bisschen verwundert hat.
Deswegen habe ich ihn gefragt, wieso er die Geschichte, die er angefangen hat zu schreiben,
nicht zu Ende erzählen wollte.
Woraufhin er mir geantwortet hat, das habe ich doch getan.
Meine erste Veröffentlichung ging in die Richtung, was ist mit dieser Frau geschehen vor 16 Jahren.
Und meine letzte Veröffentlichung dazu erzählte, was mit ihr geschehen war.
Für mich war das abgeschlossen.
Wissen Sie, dadurch, dass ich das selber als Zeuge aussagen musste und auch zwischendurch noch
eine unliebsame Rolle spielte, als nämlich sich herausstellte, dass der Angeklagte seine aktuelle
Ehefrau animiert hatte, per Post in einem Brief.
Sie solle bitte schön zu mir Kontakt aufnehmen.
Er sei bereit, seine Lebensgeschichte zu verkaufen mir, wenn die Kohle stimme.
Was ich natürlich nicht getan habe, aber dieser Brief wurde da öffentlich verlesen.
Und das ist schon eine unbehagliche Rolle, die sie da spielen, wenn plötzlich alle Köpfe im Zuschauersaal
zu ihnen gedreht werden.
Ich fühlte mich da nicht geschützt und frei genug, über diesen Prozess zu schreiben.
Das war die richtige Entscheidung.
In den Briefen, die die Noch-Ehefrau dem Gericht mitgebracht hat, prahlt Bernd Ulm außerdem,
dass er mit der Gefängnisarbeit, der er nachgeht, Zitat, den Vogel abgeschossen hat.
Und er schwärmt von einer gemeinsamen Zukunft.
Er werde immerhin eh nicht so lange im Gefängnis sitzen müssen.
Sorge davor, wie scheiße Staatsanwaltschaft und Richter drauf sind, habe er aber schon.
Seine Noch-Ehefrau zeigt sich vor Gericht sichtlich betroffen über die Texte von Bernd.
Sie verbietet ihrem Mann jede weitere Kontaktaufnahme.
Und entschuldigt sich bei Thomas.
Vor dem Prozessende wird Thomas Lenartz noch etwas sagen.
Aber er schafft es nicht.
Seine Anwältin liest für ihn eine Erklärung vor.
Darin heißt es unter anderem,
Ich bin sehr dankbar dafür, mit welchem Engagement dieses Gericht sich immer wieder nach Kräften bemüht hat,
die Wahrheit ans Licht zu bringen.
Wohl wissend, wie schwer das nach 16 Jahren ist.
Deswegen werde ich voller Vertrauen in dieses Gericht jedes hier gesprochene Urteil auch innerlich akzeptieren.
Du hast mir nicht nur meine geliebte Schwester und Patentante meiner Tochter genommen.
Du hast durch dein schlechtes Reden und deine zahllosen Lügen dafür gesorgt,
dass wir unsere Trudel 16 Jahre lang nicht in allerbester Erinnerung behalten durften.
Jetzt, bei diesem Prozess, wäre es Zeit gewesen, endlich damit aufzuhören.
Aber du hast ihr stattdessen erneut den Respekt versagt.
Bernd Ulm bekommt 11 Jahre Haft.
Wir wissen, dass man Mord nach so langer Zeit so gut wie nicht nachweisen kann.
Wie versprochen nimmt Thomas Lenert das Urteil an.
Er ist froh, dass Bernd überhaupt verurteilt wurde.
Dreieinhalb Jahre später hätten sie das nämlich vergessen können.
Dann wäre der Totschlag nämlich verjährt gewesen.
Weil sein Gefühl ihn nicht getäuscht hat und weil die Polizei und Staatsanwaltschaft diesmal nicht locker gelassen haben,
kann die Familie jetzt endlich mit der Trauerbewältigung anfangen.
Für seine Recherchen wird Cass sogar mit dem Henry-Nannen-Preis für die beste investigative Leistung ausgezeichnet.
Jetzt landen wieder Dinge auf seinem Tisch, bitten von Familienangehörigen, ob er nicht helfen kann, ihren Fall zu lösen.
Aber Cass ist nicht Miss Marple, wie er sagt.
Dass der Falltrudel Ulm gelöst wurde, dazu gehörte auch eine Menge Glück, meint er.
Ach, der soll jetzt mal nicht so tief stapeln.
Also ohne ihn wäre es nicht dazu gekommen, ja.
Also da kann er sich schon mal selber auch auf die Schultern klopfen.
Ja, so ist er aber nicht.
Du wirst gleich noch hören, warum.
Aber was ich mir gar nicht vorstellen kann, ist, wie nervenaufreibend dieser Prozess für den Bruder gewesen sein muss.
Den Mann, der die eigene Schwester umgebracht hat und 16 Jahre lang den netten Schwager gespielt hat, da gegenüber zu sitzen.
Verstehst du die Entscheidung von dem Bruder, dass er nicht auf seine Anwältin gehört hat?
Dass er das anhören wollte, was der Rechtsmediziner gesagt hat?
Ja, das verstehe ich.
Würdest du auch machen?
Ja, ich würde das genau wissen wollen.
Ja, ich auch, weil ich mir immer vorstelle, jede Fantasie, die ich mir ausmale, ist wahrscheinlich schlimmer oder kann schlimmer sein, als das, was passiert ist.
Aber bei ihm war es ja nun leider nicht so.
Ja.
Er hat das ja am Ende sehr mitgenommen.
Ja.
Ich wollte für mein Aha mit Hank Case gerne nochmal darüber sprechen, wie er rückblickend auf diese Zeit jetzt schaut.
Und lasst euch bitte nicht von meiner Erzähweise täuschen.
Ich erzähle hier ja rückschauend und vor allem deswegen ja auch allwissend, in Anführungsstrichen.
Also es war zu der Zeit keinesfalls klar, dass der Ehemann der Täter war.
Thomas Lenartz wäre das im Traum nicht eingefallen.
Wir wissen ja, dass sich Erinnerungen nach 16 Jahren verschieben und deswegen ist es an sich auch gar nichts Ungewöhnliches, wenn Wolfgang Case unterschiedliche Versionen aus unterschiedlichen Kreisen zu den Geschehnissen bekommen hat.
Ich habe ihn aber trotzdem gefragt, Herr Case, haben Sie irgendwann mal den Verdacht gehegt, dass es der Ehemann hätte sein können?
Ich habe mich nicht getraut, einen Verdacht zu hegen.
Ich habe immer wieder mich versucht zu beschränken darauf, ich will wissen, was mit der Frau passiert ist, wo sie ist, ob sie lebt, ob sie tot ist.
Ich habe mich das nicht getraut.
Ich glaube, dass man auch unterschätzt, was das alles mit einem selbst macht.
Also dieser ganze Apparat, der da dran hängt.
Und Herr Case hat mir erzählt, dass er an manche Dinge sogar gar keine Erinnerung mehr so richtig hat.
All die Tage und Wochen, die dann folgten, die habe ich nur noch wie in Watze gepackt in Erinnerung.
Da überschlugen sich ja auch Medienanfragen.
Ich habe mich natürlich auch weiter verantwortlich gefühlt für die Familie, sie zu schützen vor dem, was dann passierte.
Da tauchten ja Kamerateams auf von RCL, ungefragt, unangekündigt.
Die meisten dieser Interviewanfragen lehnen die Lenerts und Case ab.
Vier Jahre später aber, 2016, sitzen sie in der Runde bei Markus Lanz, wo ich das erste Mal von dem Fall gehört habe.
Und mir ist der damals besonders wegen der Schlussszene in Erinnerung geblieben.
Lenerts erzählt dann nämlich, dass er trotz 100 Therapieeinheiten immer noch nicht schlafen oder normal arbeiten kann.
Und er sagt, ja, diese furchtbare Ungewissheit, die ist zwar weg, aber stattdessen ist da halt jetzt das Wissen über den Todeskampf seiner Schwester.
Thomas Lenerts erklärt, dass kein Tag vergeht, an dem er nicht an sie denkt oder an Wolfgang Case.
Als Case das hört, sieht man, wie es in ihm arbeitet.
Er erzählt, dass er sich die Frage gestellt hat, ob das alles so richtig war, dem Ganzen so nachzugehen.
Lenerts winkt ab.
Jedes Verdienstkreuz würde er Case dafür geben.
Thomas Lenerts lässt keinen Zweifel daran, dass es richtig war und er Case sein Leben lang dankbar dafür sein wird.
Auf seine Reaktion habe ich Wolfgang Case nochmal angesprochen.
Bei der Sendung Markus Lanz, wo Sie dann vier Jahre später alle zusammen nochmal zusammengesessen haben,
da sagen Sie ganz am Ende, dass Sie nicht so sicher sind, ob das alles so richtig war, wenn man ansieht, was das alles zutage befördert hat.
Wie meinten Sie das?
Ja, das war ein gewisser Selbstzweifel.
Also ich leite nicht an zu viel Selbstbewusstsein.
Und ich habe mir danach, als das alles vorbei war und das Urteil gesprochen war, oft die Frage gestellt,
war es das alles wert für die Familie?
Nicht für mich, sondern für die Familie.
Auf der einen Seite konnten sie abschließen, sie konnten ihre geliebte Trudel nach Hause holen,
im Grab des Vaters mit beisetzen.
Auf der anderen Seite, Thomas Lenertz ist als Nebenkläger aufgetreten im Prozess
und da werden dann Fotos gezeigt, die die Frau im Wald zeigt, wo sie verkraben worden ist.
Zwei Monate später ist die Leiche dort ja gefunden worden.
Und das hat der arme Kerl nie wieder aus dem Kopf gekriegt, dieses Erlebnis an diesem Tag.
Und das wird er auch nie wieder aus dem Kopf kriegen.
Und das war wahrscheinlich der Grund, dass ich mir diese Frage gestellt habe.
Was das alles wert für die Familie?
Und wissen Sie darauf heute eine Antwort?
Nein, ich weiß keine Antwort.
Herr Lenertz kann das zum Glück für sich ja ganz eindeutig beantworten.
Er ist Ihnen unfassbar dankbar dafür.
Wie sieht der Kontakt zu der Familie denn heute aus?
Der ist nach wie vor da und der wird doch immer da sein.
Wir telefonieren regelmäßig heute noch.
Und ich war bei der Beisetzung von Trudel-Ulmen auf Wunsch der Familie dabei, im engsten Familienkreis.
Ich war aber auch anschließend in den Folgejahren bei der Beisetzung von der, zum Beispiel bei der älteren Schwester von Thomas Lenertz und Trudel-Ulmen.
Und das ist, ja, ich bin so eine Art assoziiertes Familienmitglied.
Das ist so.
Und würden Sie sowas heute nochmal machen?
Ich habe gehört, dass Sie sehr viele Anfragen bekommen, ob Sie nicht weitere Fälle klären können.
Ich bin damals auf Distanz gegangen, habe mir auch in der Redaktion einen kleinen Schutzwall gebaut, weil das nahm einfach Überhand.
Ich habe, glaube ich, bei 80 Anfragen aufgehört zu zählen aus der ganzen Bundesrepublik.
Und ich kann aber nicht, ich habe keine Netzwerke im Bayerischen Walde oder an der Nordseeküste.
Das kann ich nicht leisten.
Ich kann das nur da leisten, wo Menschen meinen Namen schon mal gehört haben und den Namen meiner Zeitung schon mal gehört haben, um diesen Vertrauensvorschuss zu kriegen.
Zum Zweiten halten Sie das emotional nicht durch.
Also ich bin nochmal einen Fall angegangen, wo mich die Eltern eines 19-Jährigen gebeten hatten, der nach dem Besuch einer Diskothek im Rheinland ums Leben kam und hat mich da nochmal ganz tief reingehängt und drum gekümmert.
Und das hält auch noch an.
Das geht seit Jahren so.
Ich bin überzeugt zu wissen, was da passiert ist.
Aber Sie können da nicht mehrere solcher Dinge parallel bewältigen.
Ich würde das emotional nicht aushalten.
Aber falls Herr Käß diesen anderen Fall doch noch löst, dann hört er ihn vielleicht ja hier oder beim Bonner Generalanzeiger.
Die Zeitung hat nämlich auch einen True Crime Podcast.
Der heißt Akte Rheinland, in dem genau solche Verbrechen aus Bonn und der Umgebung besprochen werden.
Und da erzählen unter anderem die GerichtsreporterInnen und KriminaljournalistInnen von ihren Recherchen zu den Fällen.
Hört da gern mal rein.
Die Familie Lenerts glaubt nicht an Zufälle.
Sie sind der festen Überzeugung, dass die Anzeige damals nicht einfach so bei Käß auf dem Tisch gelandet ist.
Während all dieser Zeit war Käß der einzige Strohhalm, den die Familie jemals hatte.
Und am Ende, sagt Lenerts, war Käß für sie der Strohhalm zum Himmel.
Und ich meine, was ist das bitte für eine Fügung, dass diese irrgeleitete Anzeige bei diesem Mann auf dem Tisch landet?
Ja, wie du am Anfang gesagt hast, nur ein fehlgeleiteter Brief kann das komplette Leben verändern.
Aber in dem Fall ja auch nur mithilfe des Journalisten, der halt so unermüdlich daran gearbeitet hat, herauszufinden, wo Trudel ist.
Und mein Fall, diese Folge, zeigt ebenfalls, dass sich Beharrlichkeit irgendwann auszahlt.
Die Namen einiger Beteiligter habe ich geändert.
Es ist Mitte Dezember 2006, als Rechtsanwalt Christoph Rühlmann aus dem berühmten Schwurgerichtssaal des Nürnberger Landgerichts tritt.
Er wird geblendet vom Licht der Fernsehkameras und sein Weg wird ihm von gezückten Mikros versperrt.
Da fällt sein Blick auf ein älteres Pärchen, das etwas abseits der Medienmeute auf einer Bank sitzt.
In der riesigen steinernen Halle mit den endlosen Gerichtsfluren wirken die beiden etwas verloren,
wie sie ihm dort ein selbstgebastertes Pappschild entgegenstrecken.
Mit der Aufschrift, was geschah mit Raven Vollrad.
Raven klingt aufgekratzt, als seine Eltern ihn kurz vor Weihnachten 2005 auf dem Handy anrufen.
Er ist gerade Snowboardfahren in Tirol.
Ein Kumpel von ihm hat ihm eine coole rote Jacke geliehen, erzählt er stolz.
Mutter Marion wundert sich, dass ihr Sohn nicht bei der Arbeit ist.
Ich habe heute frei, erklärt er ihr und legt auf.
Eigentlich wohnt Raven in Ilmenau bei seinen Eltern Marion und Günther Vollrad.
Vor ein paar Wochen erst ist der 25-Jährige nach Österreich gefahren, um dort während der Wintermonate zu arbeiten.
Sein Kumpel Max hatte ihn auf den Trichter gebracht.
Er und seine Mutter Christine haben schon die letzten zwei Winter an einem Skilift im Tiroler Zöbeln gearbeitet.
Das hatte sich Raven auch erträumt, doch der Liftbetreiber hatte für ihn keine Verwendung.
Stattdessen ist Raven jetzt in einem Hotel in Hochsölden als Hausmeister tätig.
Dort darf er umsonst wohnen und kann so den gesamten Lohn in Höhe von 1200 Euro sparen.
Marion und Günther sind stolz auf ihren Sohn, darauf, dass er so selbstständig ist und jetzt mal ein bisschen Geld zur Seite legen will.
Aber sie vermissen ihn auch.
Deshalb rufen sie fast jeden Tag an.
Wie an diesem 22. Dezember.
Auch einen Tag später wählen sie wieder seine Nummer, doch Raven geht nicht ran.
Fast 20 Mal versuchen es die Eltern und mit jedem Freizeichen, das nicht beantwortet wird, steigt die Sorge.
Vielleicht ist Raven beim Snowboarden gestürzt.
Irgendwann erreicht Marion die Chefin des Hotels, in dem Raven angestellt ist.
Sie fragt, ob er gestern heil von seinem Snowboardausflug zurückgekommen ist.
Daraufhin erklärt die Frau, dass es vor zwei Tagen eine Auseinandersetzung gab, weil Raven zu langsam Schnee gefräst hatte.
Davon war er offenbar so eingeschüchtert, dass er ohne etwas zu sagen auf sein Zimmer gegangen war und seine Sachen gepackt hatte.
Zehn Minuten später wäre er dann mit seinem Auto davon gefahren und bis jetzt nicht wiedergekommen.
Als die Feuerrats auch an Heiligabend und dem ersten Weihnachtstag nichts von ihrem Sohn hören, gehen sie zur nächsten Polizeistation.
Dort wird ihnen mitgeteilt, dass Raven 25 Jahre alt ist und deshalb seinen Aufenthaltsort selber wählen könne, ohne irgendwem Rechenschaft darüber ablegen zu müssen.
Nicht mal seinen eigenen Eltern.
Wenn eine Person drei Tage nicht zu erreichen ist, müsse man noch keine Vermisstenanzeige aufgeben, so der Beamte.
Doch Marion und Günther haben ein komisches Gefühl.
Und das lässt ihnen keine Ruhe und so rufen sie zwei Tage später bei der Polizei in Österreich an.
Sie fragen, ob Ravens Auto gefunden wurde.
Tatsächlich hatte eine Streife den blauen Corsa auf dem Parkplatz des Skilifts in Zöbeln gefunden.
Direkt neben dem Lifthaus, in dem Ravensfreund Max und seine Mutter Christine wohnen.
Der Wagen war unverschlossen, aber von seinem Besitzer keine Spur.
Als die Eltern das erfahren, machen sie sich sofort auf den Weg ins Nachbarland.
Ihr erster Halt ist eine deutsche Autowerkstatt in der Nähe der österreichischen Grenze.
Dorthin war Ravens Auto bereits überführt worden und zur Abholung bereit.
Als Marion und Günther den Wagen inspizieren, sind sie überrascht.
Es herrscht große Unordnung darin.
Eigentlich hält Raven das Auto immer sauber.
Für ihn ist es großer Luxus.
Doch nun liegen überall Klamotten und der Inhalt des Weihnachtspäckchens verstreut,
das Marion ihm noch mitgegeben hatte, als Raven Ilmenau am 2. Dezember verlassen hatte.
Auf dem Beifahrersitz finden sie noch eine Zeitung vom 23. Dezember und eine einzelne Socke.
Als sie dann auch noch Ravens Handy und sein Portemonnaie samt Personalausweis,
Führerschein und EC-Karte entdecken,
schwindet jede Hoffnung, ihr Sohn könnte mit Absicht verschwunden sein.
Als die Feuerrats am Abend bei der Polizeistation im verschneiten österreichischen Gran ankommen,
dort, wo man für das Verschwinden von Raven zuständig ist,
sind sie allerdings die einzigen mit solchen Bedenken.
Der Polizist vor Ort meint, Raven sei sicher irgendwo auf einer Hütte,
wo er über die Feiertage schwarz arbeite.
Aber ohne Kleidung, Schuhe und Portemonnaie, fragen die Feuerrats.
Sie können nicht verstehen, wieso die Bergrettung noch nicht eingeschaltet wurde.
Schließlich war Ravens Snowboardfahren, als die Eltern das letzte Mal von ihm hörten.
Doch der Polizist erklärt ihnen, dass man Raven schon gefunden hätte, wenn er verunglückt wäre.
Außerdem wäre es ja dann sowieso zu spät.
Es wäre dann ja sowieso zu spät.
Ja, das müssen sie sich da anhören.
Boah.
Die Hilfe, die sich Marion und Günther von den örtlichen Behörden erhofft hatten, bekommen sie nicht.
Also machen sie sich selbst auf, um nach ihrem Sohn zu suchen.
Sie fahren nach Zöbeln, den Ort, wo sie das letzte Mal mit Raven gesprochen haben.
Genauer zu dem Lifthaus, in dem Max und seine Mutter wohnen
und auf dessen Parkplatz Ravens Auto unverschlossen aufgefunden wurde.
Doch Max und seine Mutter sind nicht da.
Also probieren es die Feuerrats bei dem nächstgelegenen Gasthaus.
Dort zeigen sie dem Würzpaar ein Foto von Raven.
Der Mann erzählt ihnen, dass Raven kurz vor Weihnachten im Lifthaus bei Max und seiner Mutter übernachtet hat.
Das ist den Feuerrats neu.
Außerdem sagt der Mann, dass er am Morgen des 24. Lärm von dort gehört und kurz darauf ein Auto hat wegfahren sehen.
Auch seine Frau habe Stimmen gehört.
Von vier verschiedenen Personen.
Der Nächsten, den die Feuerrats befragen, ist der Chef des Skilifts.
Er berichtet davon, dass Raven am 22. Dezember zu ihm kam und erneut nach einem Job fragte.
Der Mann ließ sich darauf ein.
Rund um die Feiertage könne er schließlich jede Hand gebrauchen.
Am 24. sollte Raven anfangen.
Doch seine Schicht ist er nie angetreten.
Nach dem Gespräch mit dem Liftbetreiber treffen Marion und Günther dann doch noch auf Max.
Aber der wisse auch nicht, wo sein Freund ist.
Er erzählt, dass er zusammen mit Raven und seiner Mutter am 23. Abends noch was trinken war
und dass sie sich dann danach alle ins Bett gelegt haben.
Im Halbschlaf habe er dann noch mitbekommen, wie Raven ein paar Sachen gepackt und mit dem Auto weg sei.
Das sei so gegen 5 Uhr morgens an Heiligabend gewesen.
Mit dem Auto weg?
Aber das Auto stand doch hier auf dem Parkplatz, hakt Marion nach.
Daraufhin erklärt Max, dass Raven wahrscheinlich abgeholt wurde.
Von Helena.
Mit ihr habe sich Raven treffen wollen.
Eine junge Russin, die er in Hochselden im Hotel kennengelernt habe.
Max sagt, er weiß nicht, wohin die beiden wollten, aber nimmt an, dass sie irgendwo in der Nähe sind.
Nachdem die Feuerrats Max mit Fragen gelöchert haben, gehen sie noch mit ihm ins Lifthaus.
Max zeigt ihnen, wo Raven am Abend vor seinem Verschwinden geschlafen hat.
Es ist ein kleines Zimmer mit zwei Betten, einem Regal, einer Kommode und einer kleinen Koch-Ecke.
Raven hat auf einer Klappmatratze vor Max' Bett geschlafen, erzählt der 20-Jährige.
Seine Mutter in einem anderen Raum, von dem die Feuerrats aber nicht sehen.
Die Matratze, auf der Raven geschlafen hat, habe er wohl mitgenommen, die sei nämlich seitdem auch verschwunden.
Sein Waschzeug hat er allerdings dagelassen.
Was Marion wundert, da ihr Sohn ja mit einer Frau unterwegs sein soll.
Oh nein, das ist ja ganz schlimm.
Weil sie sich denkt, er muss sich ja waschen, wenn er mit einer Frau unterwegs ist.
Ja.
Nachdem sich die beiden von Max verabschiedet haben, fragt Günther noch bei der einzigen Werkstatt im Ort nach, ob vielleicht etwas mit Ravens Corsa kaputt war, dass er ihn vielleicht deshalb zurückgelassen hat.
Bevor sie zurück nach Thüringen aufbrechen, stellen sie Ravens Wagen noch auf dem Parkplatz vor der Polizeistation ab, damit er damit zurückfahren kann, sollte er wieder auftauchen.
Hinter die Windschutzscheibe liegt Marion einen Zettel, auf dem steht, wir suchen dich, wir sind stolz auf das, was du geschafft hast.
Mit einem schlechten Gefühl treten sie die Heimreise an.
Doch zu Hause bleiben sie nicht untätig, stellen weitere Ermittlungen an.
Sie lassen sich die Anrufliste von Ravens Mobilfunkanbieter schicken und telefonieren alle Nummern ab.
Sie besuchen Freunde von Raven und melden sich immer wieder beim LKA in Innsbruck.
Aber mit jedem Mal dauert es länger, bis der Polizist oder die Polizistin am anderen Ende die Akte vor sich liegen hat.
Die Feuerrats müssen feststellen, sie sind die einzigen, die nach Raven suchen.
Wenn bei ihnen in den nächsten Wochen das Telefon klingelt, hoffen sie immer, es könnte ihr Sohn sein.
Doch immer wieder klingelt es und niemand ist auf der anderen Seite.
Nur ein Atmen ist zu hören.
Fünfmal bekommen sie diesen komischen Anruf, dann hört es auf.
Es ist Ostern 2006, als Ravens Vater Günther es nicht mehr aushält, nicht zu wissen, was mit seinem Sohn passiert ist.
Deshalb setzt er sich ins Auto und fährt wieder nach Österreich.
Dort spricht er mit ehemaligen KollegInnen Ravens und hängt Zettel an Bäume und Laternen, auf denen er nach ZeugInnen sucht.
Die meisten dieser Zettel sind am selben Tag aber wieder verschwunden, abgerissen.
Warum kann sich Günther nur denken?
Verschwundene Personen sind schlecht fürs Tourismusgeschäft.
Von Zirbeln aus fährt Günther durch ganz Tirol.
Nach Wochen kehrt er zurück zu seiner Frau, ohne ihren Sohn.
Am 12. Juni klingelt dann ihr Telefon.
Es ist die österreichische Polizei.
Eine Leiche wurde gefunden und sie gehen davon aus, dass es sich um Raven handelt.
Um sicher zu gehen, bräuchte man aber eine DNA-Probe zum Vergleich.
Zwei Tage zuvor hat ein Ehepaar beim Wandern in der Nähe von Zirbeln eine mumifizierte Leiche gefunden.
Sie lag unter einer Brücke in einem ausgetrockneten Bachbett und war von hunderten Fliegen umgeben.
Außerdem fand man eine Klappmatratze und einige Kleidungsstücke.
Darunter ein T-Shirt, ein Unterhemd, eine lange Unterhose und einen einzelnen Socken.
Es dauert drei Wochen, bis die Feuerrats wieder einen Anruf bekommen.
Jetzt haben sie Gewissheit.
Raven ist tot.
Zwei Wochen später verabschieden sie sich von ihm.
Zusammen mit etlichen Trauergästen.
Bei der Obduktion kommt heraus, dass die Todesursache wegen der weit vorangeschrittenen Verwesung nicht mehr festgestellt werden kann.
Hinweise auf ein Fremdverschulden findet der Gerichtsmediziner Werner Verstel nicht.
Was er aber nachweisen kann, ist ein Blutalkohol von 0,8 Promille.
Die Polizei spricht nach dem Leichenfund mit Max.
Befragt ihn erstmals zum Verschwinden seines Freundes.
Dort sagt er dasselbe aus, was er auch schon Ravens Eltern erzählt hat.
Mit weiteren Zeuginnen, wie zum Beispiel Max Mutter oder den Würzleuten, spricht die Polizei nicht.
Die Theorie der ErmittlerInnen ist daher folgende.
Raven verließ in den frühen Morgenstunden des 24. Dezember angetrunken das Lifthaus in Zöbnen, um irgendwo anders zu schlafen.
Zu Fuß ging er mehr als zwei Kilometer mit seiner Klappmatratze unterm Arm bis zur Brücke im Wald.
Um sich vor Wind und Kälte zu schützen, legte er sich zum Schlafen unter die Brücke und er fror.
Und warum soll er das gemacht haben, wenn er ein Auto hatte?
Eine Antwort auf ein Warum gibt's nicht.
Aber sie sagen noch, weil Raven so kalt war, hat er sich davor ausgezogen.
Weil es gibt ja dieses Phänomen, dass kurz vor dem Erfrierungstod ein vermeintliches Hitzegefühl eintritt.
Marian und Günther sind entsetzt, können nicht glauben, dass ihr Sohn auf diese Art gestorben ist.
Sie möchten mit eigenen Augen sehen, wo Raben gefunden wurde.
Außerdem wollen sie an der Stelle ein Kreuz aufstellen, das an ihn erinnert.
Deshalb fahren die Feuerrats erneut nach Österreich.
Bei der zuständigen Polizeistelle fragen sie nach der Fundstelle.
Doch niemand möchte ihnen diese zeigen.
Man sollte doch froh sein, dass die Leiche überhaupt gefunden wurde, erklären ihnen die Beamtinnen.
Und da kann Günther nicht mehr.
Die ständige Ablehnung der Polizei, die absolute Ignoranz, kann er nicht mehr ertragen.
Deshalb droht er, wenn sie mir nicht sofort die Fundstelle zeigen, passiert ein Unglück.
Und so dürfen die Eltern dann doch noch an den Ort, an dem ihr eigener Sohn tot aufgefunden wurde.
Genau 2,4 Kilometer entfernt von dem Lifthaus, von dem Raben in der Nacht gestartet sein soll.
Dass ihr Sohn bei Minusgraden nur mit Unterwäsche bekleidet, bis hierher gegangen sein soll, können die Feuerrats nicht glauben.
Den Polizisten gegenüber spekuliert Günther, dass sein Sohn hier abgelegt worden sein muss.
Daraufhin begegnet der Beamte.
Sie schauen zu viele Krimis.
Doch Marian und Günther sind sich jetzt sicher.
Irgendwer hat etwas mit dem Tod ihres Sohnes zu tun und sie werden herausfinden, wer.
Dazu wollen sie sich in dem Gasthaus neben dem Skilift einmieten.
Doch die Würzleute reagieren feindselig auf die verzweifelten Eltern.
Wie viele in Zöblin.
Weshalb die Feuerrat schließlich in eine Pension in einem Nachbarort ziehen.
Von dort aus suchen sie zunächst den Gemeindeangestellten auf, der im Winter mit dem Schneeräumfahrzeug den Liftparkplatz frei hält.
Der Mann erinnert sich sogar noch daran, dass Ravens Auto am Morgen des 24. Dezember am Gasthaus gestanden hat und erst später auf dem Liftparkplatz.
Das bedeutet, irgendwer muss das Auto umgeparkt haben, nachdem Raven das Lifthaus in der Nacht verlassen hatte.
Oder theoretisch könnte ja auch sein, dass er nochmal wieder aufgetauscht ist.
Ja, aber nicht nach der Theorie der Polizei.
Nee.
Ja.
Marion und Günther glauben, dass irgendwer mehr wissen muss.
Und dieses Gefühl wird bestätigt, als sie erneut beim Gasthaus nachfragen.
Die Würzfrau sagt jetzt, solange Raven gelebt hat, stand das Auto vor dem Gasthaus.
Diese Formulierungen finden die Feuerrats merkwürdig, da man ja gar nicht weiß, wie lange Raven noch gelebt hat.
Als Marion sich ein paar Tage später nochmal die Akte vornimmt, erkennt sie auf einem Obduktionsfoto die Socke.
Die Socke, die bei Ravens Leiche gefunden wurde, ist das Gegenstück der Socke, die sie und Günther im Auto gefunden haben.
Außerdem entdeckt sie auf dem Foto von dem T-Shirt, das bei Raven gefunden wurde, zwei Schlitze, die aussehen, als könnten sie von einem Messer stammen.
Doch bei der Polizei will niemand etwas von ihren Vermutungen hören.
Die Akte bleibt zu.
Deshalb schreiben die Feuerrats schließlich eine Dienstaufsichtsbeschwerde an das Bundeskriminalamt.
Darin steht,
Angenommen, Raven hätte aus welchen Gründen auch immer die Unterkunft bei Max verlassen,
so geht er doch nicht mit einer Matratze unter dem Arm an seinem Auto vorbei
und läuft mit einer Matratze in den Wald und legt sich unter die Straßenbrücke, um dort zu übernachten.
Ja, und packt denn eine Socke ins Auto.
Oder ist er den ganzen Tag nur mit einer Socke rumgelaufen?
Ja, das fragen die sich auch.
Und sie schreiben noch,
wir haben alles verloren, was Eltern jemals verlieren können.
Und wir sind mit allen Mitteln, sei es über die Medien und mit anwaltlichen Beistand, bereit, eine Aufklärung herbeizuführen.
Doch nichts ändert sich.
Von der Polizei bekommen sie keine Hilfe.
Und so machen sich Marin und Günther im Dezember 2006 auf nach Nürnberg.
In der Zeitung haben sie von einem aufsehenerregenden Stalking-Prozess gelesen,
bei dem ein Anwalt unerlässlich für den Vater des Opfers kämpft.
Dieser Anwalt ist Christoph Rühlmann,
den die Feuerrats am 15. Dezember aus dem Schulgerichtssaal treten sehen.
Sie hoffen, dass der Jurist auf sie aufmerksam wird, mit ihrem Schild.
Vielleicht sogar mit ihnen spricht und ihnen letztendlich hilft, herauszufinden, was mit ihrem Sohn passiert ist.
Und dann kommt er auf sie zu.
Sie haben Rühlmann alle Informationen gegeben, die sie bis dato ermittelt und sorgsam zusammengetragen haben.
Ab jetzt wollen sie zusammenarbeiten.
Rühlmann beantragt bei den Ermittlungsbehörden, nach dem Gespräch mit den Eltern und der Sichtung der Akten weitere Ermittlungen vorzunehmen.
Dazu schreibt er
Die Umstände des Verschwindens von Ravenfeuerath muten insgesamt dubios an.
Und es ist schlechterdings nicht zu erklären, wieso Ravenfeuerath lediglich einen Socken trug und sich der andere im Auto befand,
wenn man von der Hypothese ausgeht, er sei in der Nacht vom 23. auf den 24.12.2005 alleine aufgebrochen
und bis zum späteren Auffindeort gelaufen und dort erfroren.
Kein rational denkender Mensch würde in einer kalten Winternacht lediglich mit einem Socken loslaufen.
Außerdem fordert Rühlmann die Behörden auf, Christine, die Mutter von Max, zu vernehmen.
Denn das ist bis heute nicht passiert, obwohl sie ebenfalls im Lifthaus war, als er verschwand.
Während Christoph Rühlmann vom Schreibtisch aus Ravens tot auf den Grund geht, fahren die Feueraths wieder einmal nach Österreich.
Um den möglichen Messerspuren im T-Shirt nachzugehen, sprechen die Feueraths mit dem Rechtsmediziner Werner Verstel.
Sie fragen ihn gerade heraus, ob die Löcher im Shirt nicht von einem Messer stammen könnten.
Davon können wir schon mal gar nicht ausgehen, sagt Verstel freundlich, aber bestimmt.
Maren und Günther werden wieder einmal nicht ernst genommen.
Ihnen wird klar, dass sie mehr Hilfe brauchen, um gehört zu werden.
Deshalb fängt Marion im Mai 2007 an, Redaktionen anzuschreiben,
in der Hoffnung, dass irgendwer auf den Fall und die Arbeitsverweigerung der Behörden aufmerksam macht.
Und tatsächlich meldet sich eine Person zurück.
Der Investigativjournalist Soran Dobric.
Vor seiner Kamera sprechen die Eltern erstmals zu einem größeren Publikum und es mutet an wie ein großer Hilfeschrei.
Marion sagt energisch, aber mit Tränen in den Augen,
Ich möchte, dass die Akte wieder geöffnet wird, dass wieder ermittelt wird.
Jeder Vater, jede Mutter möchte wissen, wie ihr Kind zu Tode kommt.
Es ist das Schlimmste, was man im Leben erleiden muss.
Ein Kind verlieren.
Das ist die höchste Stufe des Schmerzes.
Wir können einfach noch nicht richtig mit der Trauer beginnen.
Wir wollen niemanden beschuldigen.
Wir wollen einfach nur wissen, was hier passiert ist.
Und Soran Dobric entpuppt sich als wahrer Glücksgriff für die Feuerhats.
Denn als er erkennt, was für ein Unrecht hier geschieht, wird er wütend und beißt sich fest.
Er ist bei allem mit der Kamera dabei.
Bei der österreichischen Staatsanwaltschaft, bei der Polizei.
Er nimmt die Ausreden der Pressesprecher und die falschen Behauptungen auf.
Wegen seiner Aufdringlichkeit wird ihm mit einer Zivilklage gedroht,
doch für Dobric kein Grund aufzuhören.
Am Telefon erklärt er dem Staatsanwalt, dass er gewaltige Ermittlungsfehler erkannt hat
und dass er diese auch in seinem Beitrag thematisieren wird,
wenn der Staatsanwalt ihm nicht verspricht, den Fall neu aufzurollen.
Und dann, endlich, mit der Hilfe von Dobric und Rühemann,
zahlt sich die Beharrlichkeit der Eltern im Februar 2008 aus.
Die Ermittlungen werden wieder aufgenommen und die Mutter von Max endlich vernommen.
Und bei dieser Vernehmung bricht es irgendwann plötzlich aus Christine heraus.
Max hat Raven erstochen.
Nein.
Mhm.
Ihr Sohn.
Mhm.
Sagt sie.
Ja.
Und am 25. September 2008 beginnt der Prozess gegen Max vor dem Landgericht Meiningen.
Anwalt Christoph Rühemann vertritt die Vollrats als Nebenkläger.
Vor ihnen steht ein eingerahmtes Foto von ihrem Sohn.
Der Prozess ist ein reiner Indizienprozess, denn Max macht von seinem Schweigerecht Gebrauch.
Und kurz nach Beginn der Verhandlung wird klar, dass auch Christine ihre Aussage nicht mehr wiederholen wird.
Ja, war klar.
Da sie die Mutter des Angeklagten ist, darf sie ebenfalls schweigen.
Und so setzt die Verteidigung alles daran, die Glaubwürdigkeit der Mutter im Zweifel zu ziehen.
Max' Anwälte erklären dem Gericht, dass sie eine Trinkerin ist und in der Vergangenheit bereits mehrfach in psychiatrischer Behandlung war.
Für die Vollrats ein herber Schlag, denn da der Tod von Raven bereits fast drei Jahre her ist,
Beweismittel vernichtet und nicht richtig ermittelt wurde, sind nicht mehr viele Indizien zu präsentieren.
Am fünften Verhandlungstag hört Rühemann, dass ein Freispruch aus Mangel an Beweisen nicht mehr unwahrscheinlich ist.
Jetzt gilt es, sich etwas zu überlegen, Beweise ausfindig machen.
Dazu meldet sich Rühemann bei Marc Benecke, der schon vor dem Prozess geholfen hatte,
in den Holzdielen des Lifthauses nach Spuren zu suchen.
Benecke schlägt vor, die Leiche exhumieren zu lassen.
Vielleicht seien ja doch noch Spuren an den Knochen zu finden, die bei der Obduktion 2006 übersehen wurden.
Es ist die letzte Chance für die Vollrats, und sie ergreifen sie.
Auch wenn das bedeutet, dass sie die Totenruhe ihres Sohnes stören müssen.
So stehen sie am 1. Oktober auf dem Friedhof und müssen mit ansehen, wie Ravens Sarg aus der Erde geholt wird.
In Jena wird seine Leiche dann gleich von mehreren GerichtsmedizinerInnen obduziert.
Sie finden,
Am Brustbein zwischen den Ansätzen der dritten und vierten Rippe eine ein Zentimeter lange geradlinig glattrandige Knochenverletzung,
in Klammern Stich-Schnittverletzung.
Aha.
Und weitere Verletzungen an der sechsten und siebten Rippe.
Das Indiz, dass die Vollrats mit ihrer Vermutung recht gehabt haben, dass Raven mit einem Messer getötet wurde.
Und das Indiz, dass Max schließlich am 18. Dezember 2008 ins Gefängnis bringt.
Acht Jahre Jugendhaft wegen Totschlags, lautet das Urteil.
Seine Mutter wird später eine Erklärung für die Tat äußern.
Max und Raven hatten sich gestritten, weil Max eifersüchtig war.
Der Liftbetreiber hatte Raven zugesichert, im neuen Jahr mit ihm zusammen in seinem Holzgroßhandel in der Schweiz arbeiten zu können.
Darüber hatte sich Raven riesig gefreut und natürlich auch gleich seinem Freund davon berichtet.
Doch der ist ausgerastet.
Er war neidisch, weil er schon zwei Jahre lang für den Chef gearbeitet hatte und ihm so ein Angebot bisher nicht gemacht wurde.
Den ganzen Tag hatte der Streit in der Luft gelegen.
Und in der Nacht, nachdem alle angetrunken nach Hause kamen, war er eskaliert.
Über den Ausgang des Urteils sind die Vollrats und ihre Mitstreiter erleichtert.
Sie liegen sich mit Christoph Rühmann in den Arm und erklären Soran Dobritsch vor laufender Kamera,
es hat sich gelohnt, nie aufzugeben.
Also das war ja gleich eine ganze Special Unit.
Das waren die Eltern, die nicht locker gelassen haben.
Es war der Glücksgriff von Anwalt, der da richtig nachgebohrt hat und Druck gemacht hat.
Und der Journalist, ja.
Ja.
Wahnsinn.
Ich hoffe, dass irgendwer von der Polizei sich mal bei denen entschuldigt hat.
Nein, es hat nie sich jemand entschuldigt und der Antrag auf Schadensersatzzahlungen wurde zurückgewiesen.
Also da frage ich mich doch, was ist denn das gewesen, was die so davon abgehalten hat?
Also im Gegensatz zu dem Fall von Trudel Ulm hätte das ja noch eine laufende Ermittlung sein können.
Ja, total.
Die haben einfach nicht ermittelt.
Also sie haben einfach Arbeitsverweigerungen betrieben.
Die haben ja nicht mal, als er verschwunden ist, die Leute befragt, die ihn als letztes gesehen haben.
Aber dazu passt auch so ein bisschen jetzt mein Aha, weil das war nicht das erste Mal, dass es passiert ist.
Sagen wir mal so.
Denn nur zwei Monate, nachdem Ravensleiche gefunden wurde, findet man den leblosen Körper der 28-jährigen Susi Greiner.
Ebenfalls deutsche Saisonarbeiterin, ebenfalls in Tirol.
Sie war zwei Wochen vorher als vermisst gemeldet und wird dann Ende August nackt auf 2000 Meter Höhe, fast am Gipfel eines Berges gefunden.
Im Tal findet man ihre Wanderschuhe und ihren Rucksack, darin ihren Laptop und ihr Handy, komplett auf Werkeinstellung zurückgesetzt.
Also beides komplett ohne Daten.
Ihr Auto findet man ebenfalls im Tal.
Ihre Sachen werden nicht auf Spuren untersucht, sondern direkt der Familie übergeben.
Bei der Obduktion, ebenfalls durchgeführt von Dr. Verstel, werden keine Hinweise auf Fremdeinwirkung gefunden.
Von dem Gerichtsmediziner, der auch gesagt hat, das kommt hier schon gar nicht in Frage?
Ja, genau der.
Aha.
Zwar entdeckt er eine Kopfverletzung, die könne er aber auch von einem Sturz herrühren.
Todesursache daher, Unterkühlung.
Case closed.
Die Theorie der Polizei, Susi Greiner lief nackt, barfuß den Berg hoch und erfror.
Machen die das da in Österreich öfter?
Einfach nackt, barfuß irgendwo langlaufen und sich dann hinlegen und da dann sterben?
Oder wie kommen die immer auf diese absurde Idee, dass Menschen das regelmäßig tun?
Ja, in dem Fall glauben sie, dass Susi Suizid in dieser Art begehen wollte.
Aber Susis Mutter Angela Greiner glaubt nicht an diese These.
Sie fragt Dr. Verstel, wie Susis Füße aussahen, wenn sie den ganzen Weg barfuß hochgewandert sein soll.
Er erklärt, er habe an den Füßen keine Verletzungen festgestellt.
Seitdem kämpft Susis Familie darum, die Akte wieder zu öffnen.
Auch mit der Hilfe des Investigativjournalisten Soran Dobric.
Obwohl nicht nur die Obduktion Fragen aufwirft, sondern auch ZeugInnen angeben, Susi mit einem fremden Mann im Auto kurz vor ihrem Verschwinden gesehen zu haben, wird nicht weiter ermittelt.
Und bei ihren eigenen Ermittlungen stößt Angela Greiner ebenfalls auf taube Ohren in der Bevölkerung.
Niemand scheint ihr wirklich helfen zu wollen.
Zwei Jahre nach dem Fund von Susis Leiche wird der nackte, leblose Körper der 29-jährigen slowakischen Pflegerin Denisa Soltisowa gefunden.
In einem Fluss in Oberösterreich.
Nach fünf Stunden steht für den Arzt vor Ort die Todesursache fest.
Suizid.
Deshalb wird die Leiche schon einen Tag später in die Heimat der Frau überstellt.
Ohne Obduktion.
Bei der Obduktion in der Slowakei kommen dann aber erhebliche Zweifel an der Suizidtheorie auf.
Da in Denisas Gewebe Medikamente gegen Krankheiten gefunden werden, an welchen sie gar nicht litt und die weder in Österreich noch in der Slowakei zugelassen sind,
und Spuren an ihren Oberschenkeln gefunden werden, von Gewalteinwirkungen, die auf ein sexuelles Motiv hinweisen könnten.
Um weitere Ermittlungen anzutreiben, wird der Obduktionsbericht nach Österreich geschickt.
Die Übersetzung dauert 14 Monate.
Ach Mann, mir tut das so leid für die Angehörigen, dass die sich mit sowas dann immer rumschlagen müssen.
Ja, voll.
Also ist ja schon schlimm genug, dass das Kind stirbt, aber dann noch gegen so ein Apparat anzukämpfen oder sich nicht ernst genommen zu fühlen, das ist dann einfach nochmal so ein Schlag.
Das ist fast Kafka-esk.
Mhm.
Dann gibt's ein neues Gutachten, das einen Suizid ebenfalls in Frage stellt und eine Fremdeinwirkung nicht ausschließt.
Am Ende landet der Fall auf Dr.
Verstels Tisch, der die finale Einschätzung geben soll.
Keine sicheren Anzeichen für eine Fremdeinwirkung, lautet sein Urteil und somit wird auch diese Akte geschlossen.
Das ist dann jetzt das dritte Mal, dass dieser Doktor das jetzt sagt.
Ja.
Den hab ich ja lieb.
2009 wird dann der US-amerikanische Schriftsteller John Leake von Lydia und Bob McPherson angeschrieben und um Hilfe gebeten.
Auch sie suchen nach dem Grund für den Tod ihres Sohnes Dunkons.
Der Kanadier war 1989 in Österreich nach dem Snowboardfahren verschwunden und 2003 als Leiche auf dem Stubaigletscher wieder aufgetaucht.
Auch in dem Fall hatten die österreichischen Behörden den Eltern damals nicht geholfen, nach ihrem Sohn zu suchen.
Obwohl ihnen erklärt wurde, dass Dunkons seinen Snowboard wieder abgegeben hatte und sein Auto ganze 42 Tage verlassen auf dem Parkplatz des Skilifts stand.
Als sich Dunkons im Sommer 1989 mehrere Wochen nicht gemeldet hatte, flogen die Eltern von Kanada nach Österreich, um auf eigene Faust nach ihm zu suchen.
2000 selbstgedruckte Steckbriefe im Koffer.
Weil die Eltern davon ausgingen, dass Dunkons vom Snowboardfahren zurückgekehrt war, weil ja laut Snowboardverleih kein Board fehlte, wollten sie die Hoffnung nicht aufgeben, ihn doch noch zu finden.
Als dann 2003 das Eis schmilzt und Dunkons ramponierte Leiche samt Snowboard gefunden wird, wissen sie, dass sie angelogen wurden.
Dunkin hatte sein Board nie zurückgegeben und seine Straßenschuhe und sein Führerschein mussten entsorgt worden sein.
Die österreichische Polizei und Dr. Verstel gehen von einem Unfall aus.
Aber Leake stellt eigene Ermittlungen für die Eltern an, fährt nach Österreich, schickt die Fotos des Leichnams an verschiedene GerichtsmedizinerInnen aus Kanada und den USA.
Alle sind der Meinung, Dunkons Verletzungen müssten schon vor seinem Tod passiert sein.
Ein Experte für Skiunfälle, der sich die Schäden an Dunkons Snowboard und seiner Kleidung anschaut, ist der Meinung, dass solche durch die Rotorblätter eines Schneeflugs verursacht worden sein könnten.
Leakes Theorie ist, dass Dunkin bei schlechter Sicht von einem Schneeflug erfasst und seine Leiche dann mit dem Gerät in eine Gletscherspalte geschoben wurde.
Das veröffentlicht er in seinem Buch Cold a Long Time An Alpine Mystery, in dem er auch auf die Fälle Raven, Susi und Denisa eingeht.
Obwohl in allen Fällen verdächtige Umstände vorherrschten, wurden sie vor allem mit der Begründung eingestellt, dass der Gerichtsmediziner keine Anhaltspunkte für Fremdeinwirkung gefunden hatte.
Das zeige laut Leake, wie unverhältnismäßig viel Gewicht den Ergebnissen der Rechtsmedizin zugesprochen wird, auch wenn andere Spuren auf anderes hindeuten.
Ein weiteres Problem in den Ermittlungen, vor allem die durch die Eltern, war die Ablehnung durch die EinwohnerInnen.
Leake vermutet, dass der Tourismus das Motiv sein könnte.
Denn in allen Fällen sind die AusländerInnen in beliebten Tourismusgebieten verschwunden und gestorben.
Ein tötiger Skiunfall sei nie gut für das Geschäft. Schlimmer noch, ein Tötungsdelikt.
Wenn da jemand etwas weiß, dann wolle man lieber nichts sagen, um nicht als Nestbeschmutzer oder Nestbeschmutzerin zu gelten und negative Schlagzeilen zu verursachen.
So Leake.
Wenn ich in ein Tourismusgebiet reise, dann wäre mir lieber, wenn ich höre, ja vor zwei Jahren ist hier jemand zu Tode gekommen und die Ermittlungen haben ergeben, es war Person XY und die sitzt jetzt in Haft.
Wenn ich weiß, das vierte Mal hier in der Gegend wird jetzt schon jemand tot aufgefunden und bei allen Fällen wurde nicht richtig geklärt, wie die Person zu Tode kam, dann mache ich mir vielleicht ein bisschen eher darüber Gedanken, ob ich da hinfahren möchte.
Ja, aber die Behörden haben wohl gedacht, da kommt jetzt auch keiner und schreibt darüber ein Buch.
Aber so war es.
Apropos Buch. Weißt du eigentlich, was der Unterschied zwischen einem Krimi und einem Thriller ist?
Hm. Also ich würde jetzt einfach mal raten, weil ich weiß den Unterschied nicht. Ist der Unterschied, dass in einem Krimi immer ein Ermittler oder eine Ermittlerin tätig ist?
Und ein Verbrechen aufklärt?
Genau, das ist meist so und die lösen dann einen Fall und es gilt herauszufinden, wer der Bösewicht ist und das ist dann auch meist der Höhepunkt, also diese Aufklärung.
Es gibt aber keine einheitliche Bezeichnung, die jetzt für alle Krimis oder Thriller gilt, ja.
Aber ein Thriller zeichnet sich meistens eher dadurch aus, dass die Hauptfigur, wer auch immer das sein mag, selbst richtig mit einbezogen wird in diese Geschichte und mit dem Gegner oder der Gegnerin dann auch in so eine Art Kampf gerät.
Was mich daran immer so ein bisschen genervt hat, ist, dass die Verbrechen, die in Thrillern passieren, dass die dann meistens von JournalistInnen gelöst werden.
Warum nervt dich das?
Ja, weil ich will mal, dass jemand anders das löst.
Also dann kann es auch gleich ein Kriminalbeamter oder eine Kriminalbeamtin sein, denke ich mir, weil es dann immer das Gleiche ist.
Aber ich muss jetzt nach dieser Folge dann sagen, das ist halt so, weil es in der Realität offenbar ja auch so ist, weil die Arbeit von JournalistInnen dient halt eben der Wahrheitsfindung und damit passiert es dann halt ja auch mal, dass sie dazu beitragen, dass ein Verbrechen gelöst werden kann, wie jetzt unsere beiden Fälle ja auch gezeigt haben.
Ja. Und das funktioniert bei ihnen natürlich besser als bei NormalbürgerInnen, weil sie, vor allem wenn sie zu großen Verlags- oder Fernsehhäusern gehören, gut vernetzt sind und Kontakte zur Polizei haben. Und die genießen natürlich auch eher das Vertrauen, weil sie bestimmte Arbeitsweisen gewohnt sind und halt eben auch eine bestimmte Reichweite haben, mit der sie überhaupt irgendwas bewirken können. Das ist ja jetzt nicht bei jeder Person so.
Im Grunde sind sie, was die Gründe für die Recherchen angeht, aber natürlich etwas freier als die Staatsanwaltschaft beispielsweise. Denn die darf ja nur ZeugInnen befragen und ermitteln, wenn sie einen Anfangsverdacht hat. Das hat zum einen natürlich mit dem Schutz der vermeintlich Verdächtigen zu tun, aber natürlich auch mit Ressourcen und Steuergeldern, die die ja nicht einfach so verschwenden dürfen.
JournalistInnen stehen aber im Gegensatz zur Polizei natürlich keine hoheitlichen Rechte zu. Das heißt, sie dürfen viel weniger. Ähnlich ist das zum Beispiel auch mit PrivatdetektivInnen. Die sind natürlich auch an Gesetze und Regelungen gebunden und werden deswegen vom Staat auch behandelt wie Privatpersonen.
Ja, ein Detektiv oder eine Detektivin darf jetzt genauso wenig wie du oder ich zum Beispiel in Häuser eindringen oder irgendwelche Wanzen oder GPS-Tracker unter anderer Leute Autos befestigen. Es darf sich auch jeder Privatdetektiv oder Detektivin nennen.
Na, dann kannst du dir ja nochmal so eine Visitenkarte machen und das einfach mal so anbieten als Leistung.
Die Spürnasen meinst du?
Ja.
Ja.
Kannst du mit Fussel zusammen dich draufdrucken. Eure beiden Nasen auf die Visitenkarte.
Ja, und wir lösen dann Fälle, über die du hier dann sprechen kannst. Und weil auch ich Detektivin sein kann, ist der Beruf hier in Deutschland auch nicht so angesehen und die Zusammenarbeit mit der Polizei auch nicht so gängig. Also natürlich in die eine Richtung nehmen die Behörden Informationen schon entgegen, aber dass die Polizei Detekteien jetzt unveröffentliche Informationen geben, das passiert eher selten.
Und Akteneinsicht bekommen sie auch nur dann, wenn sie beispielsweise für Angehörige oder Angeklagte arbeiten und dann kriegen die die meist über die AnwältInnen.
Was man aber auch sagen muss, ist, dass DetektivInnen eher selten Mord- und Totschlagfälle bearbeiten.
Aber auf genau sowas hat sich zum Beispiel in den USA ja eine andere Gruppe von PrivatermittlerInnen spezialisiert, die sogenannten Armchair Detectives.
Die heißen so, weil sie ihre Recherchen meist von zu Hause, vom Schreibtischstuhl aus angehen und eben nicht ZeugInnen befragen und Tatorte besuchen, sondern halt eher bei Google Maps gucken oder so.
Und die rekonstruieren dann hauptsächlich aus Erzählungen und Medienberichten.
Diese Armchair Detectives, die organisieren sich meist in Online-Foren und tauschen da dann Erkenntnisse oder Spekulationen auch aus.
Und tatsächlich hat das in einigen Fällen auch schon mal geholfen.
Beispielsweise wurde die Identität einer unbekannten Leiche geklärt, die von der Öffentlichkeit Carly Doe genannt wurde,
weil sie in einem Kornfeld in Caledonia, New York gefunden wurde.
Und ein Mann verglich in einem Forum Bilder von Carly Doe und einer jungen Frau namens Tammy Jo Alexander,
die vor 35 Jahren spurlos verschwand.
Und er stellte fest, dass das eigentlich dieselbe Person sein muss.
Und durch einen DNA-Abgleich bestätigte sich dann der Verdacht auch.
Von ihr dachte man halt auch immer, dass sie weggelaufen sei.
In Deutschland gibt es auch so eine ähnlichen Foren, die sich mit Theorien zu Verbrechen beschäftigen,
wo es beispielsweise zum Fall von der verschwundenen Rebecca Reusch aus Berlin mehr als 100.000 Einträge gibt.
Wir beide gucken da auch öfter mal rein.
Allerdings muss man schon aufpassen vor den vielen Spekulationen dort.
Also da wird halt dann auch mal irgendwer beschuldigt.
Aber wozu es super dient, ist, alte Artikel zu durchforsten.
Weil meist kopieren die User da die Texte von Online-Zeitungen oder fotografieren irgendwie Printartikel ab oder so.
Sodass man dann halt auch Jahre später noch darauf zugreifen kann,
auch wenn die online schon gar nicht mehr abrufbar sind.
Und ein Beispiel für seinen Armchair Detective ist Michelle McNamara,
die 2006 den Blog True Crime Diary ins Leben ruft,
in dem sie eben hobbymäßig über ungelöste Fälle schreibt.
Dort postet sie 2011 die Sätze, ich bin besessen und das ist nicht gesund
und bezieht sich damit auf einen relativ unbekannten Fall, auf den sie erst vor kurzem gestoßen ist.
Und zwar auf einen Serientäter, der verantwortlich ist für mehr als 50 Vergewaltigungen
und mindestens 13 Morde in Kalifornien in den 70er und 80er Jahren, der bis dato nicht gefasst wurde.
Nur um mal zu verdeutlichen, was das für ein Typ war.
Also der hat Jahre später seinen Opfern auch nochmal aufgelauert und hat sie angerufen
und solche Dinge gesagt wie, erinnerst du dich daran, als wir gespielt haben?
Also die nochmal extra in Furcht und Schrecken versetzt.
Ja, das war so sein Ding, so Terror verbreiten.
Und der hat zum Beispiel auch, wenn er bei Pärchen eingebrochen ist,
dann hat er der Frau befohlen, den Mann, also den eigenen Mann zu fesseln.
Und der musste sich dann auf den Boden legen und der Täter hat dann Geschirr auf ihm platziert
und ihm gesagt, wenn ich das Geschirr klirren höre, ist deine Frau tot.
Und dann hat die Frau im Nebenraum vergewaltigt.
Also ganz Horror.
Und als Michelle davon das erste Mal liest, kann sie irgendwie nicht glauben,
dass so wenig über ihn bekannt ist in der Öffentlichkeit.
Und das ändert sich aber dann, als sie 2013 einen Artikel über den Fall
für das Los Angeles Magazine schreibt,
in dem Michelle den Täter dann The Golden State Killer tauft
und ihm dann so die Aufmerksamkeit bringt, die er eigentlich verdient hat.
Also der Fall, nicht der Täter.
Und kurze Zeit später fängt Michelle an, ein Buch über den Fall zu schreiben
mit dem Titel I'll Be Gone in the Dark,
nach einem Zitat des Täters, das er seinen Opfern ins Ohr geflüstert hat.
Und für die Recherche liest sie mehr als 3000 Einträge
in solchen Crimeforen, die du da eben angesprochen hast.
Sie ist dann irgendwann auch kein Armchair-Detective mehr,
weil sie spricht mit Zeuginnen, ErmittlerInnen,
sie fährt zu Tatorten, sucht nach Beweismitteln
und beschafft sich auch Akten.
Michelle hat es sich eben zur Lebensaufgabe gemacht,
den Mann zu finden, der so viele Taten begangen hat.
Aber dieser Stress, das Buch fertig zu machen,
den Fall zu lösen
und auch gleichzeitig immer die ganze Zeit
sich nur mit diesen furchtbaren Taten zu beschäftigen.
Ich meine, das kennen wir jetzt auch.
Aber bei der war das wirklich obsessiv.
Das hat sie auch selber gesagt.
Und sie hatte ja auch die ganze Zeit Kontakt mit den Opfern.
Genau. Und es waren so viele Opfer.
Und das macht halt was mit ihr.
Und sie bekommt Albträume und kann nachts nicht mehr einschlafen,
hat Panik und Angst.
Und um sich selbst zu behandeln, greift sie dann irgendwann zu Medikamenten.
Solchen, die halt ihr helfen, sich zu konzentrieren.
Und solche, die ihr dann helfen, einzuschlafen.
Und am 21. April 2016 wacht sie wegen des Medikamenten-Mixes
schließlich morgens nicht mehr auf.
Das Buch hat sie nicht mehr fertig geschrieben,
aber ihr Mann und zwei Freunde von ihr bringen ihr Werk zu Ende
und veröffentlichen im Februar 2018 das Buch
I'll Be Gone in the Dark One Woman's Obsessive Search
for the Golden State Killer.
Und das Buch, das hast du mir ja geschenkt.
Und das ist hier gerade unter meinem Mikro.
Und darin, ganz am Ende, ist ein Brief abgedruckt,
den sie an den Täter geschrieben hat.
In einer dieser Nächte, in denen sie wieder mal nicht einschlafen konnte.
Und er heißt Brief an den alten Mann.
Und darin erklärt sie, dass seine Zeit bald gekommen ist
und er endlich aus der Dunkelheit ins Licht treten wird.
Und so ist es.
Zwei Jahre nach Michelles Tod
und nur zwei Monate nach der Veröffentlichung ihres Buchs
wird der Golden State Killer verhaftet.
Und auf seine Spur waren die ErmittlerInnen
durch so eine DNA-Datenbank gekommen,
wie du sie mal für diesen einen Beitrag getestet hast.
Um Gottes Willen.
Wo du jetzt Angst hast, deine DNA ist irgendwo,
vielleicht irgendwann bei irgendeinem Tatort.
Ja, das wird so sein.
Und es hatte sich halt irgendein Verwandter,
der so im Verwandtschaftsverhältnis dritter Cousin oder so,
tatsächlich da mal angemeldet.
Und darüber sind sie dann auf den gekommen.
Aber das hat vier Monate gedauert.
Ach so.
Das ist ja Wahnsinn.
Ja.
Weißt du, was schlau wäre,
wenn diese ganzen DNA-Kids,
um zu gucken, wo man herkommt,
wenn das eigentlich so ein Clou der Staatsanwaltschaft wäre?
Ja.
Da würde ich sagen Respekt.
Und dann würde ich auch meine DNA da guten Gewissens lassen.
Ja, und Michelle hatte auch das in ihrem Buch geschrieben,
wie wichtig diese Datenbanken bei der Suche nach dem Täter sein können.
Selbst hat sie jetzt nicht mehr miterleben dürfen,
wie ihr großer Wunsch in Erfüllung ging.
Aber sie hat definitiv dazu beigetragen,
diesen Mann ins Gefängnis zu bringen.
Weil sie hat diesen Fall überhaupt erst in die Öffentlichkeit gebracht.
Da vorher wusste keiner, was das ist.
Der hatte mehrere Namen in jedem Ort irgendwie anders
und hat dann halt mit ihren Recherchen Druck auf die Behörden ausgeübt.
So ein bisschen wie in deinem Fall.
Ja, das ist ein Positivbeispiel von Menschen,
die bei Ermittlungen geholfen haben.
Es gab aber auch einen Fall aus den USA beziehungsweise Kanada,
bei dem die Recherche am Ende alles wahrscheinlich eher schlimmer gemacht hat.
Viele von euch werden wissen, wovon ich spreche.
Und zwar von der Doku-Serie Don't Fuck With Cats.
Diana Thompson ist eines Abends auf Facebook unterwegs,
weil sie sich ablenken will.
Sie will den Kopf frei bekommen,
weil sie gerade durch eine richtig nervenaufreibende Trennung geht.
Und sie stößt beim Surfen auf einen Link zu einem Video,
das One Boy, Two Kittens heißt.
Und in diesem Video siehst du zwei Kätzchen und vermutlich damals noch einen jungen Mann,
der seine Kapuze aber ins Gesicht gezogen hat.
Und der steckt die beiden Katzen in einen Bakuumbeutel,
aus dem man die Luft so raussaugen kann.
Und dann tötet er die Katzen.
Und Diana und etliche andere sind total aufgebracht.
Vor allem auch, weil niemand weiß, was jetzt zu tun ist.
Weil für solche Fälle gibt es halt keine Online-Polizei,
an die man sich wenden kann oder die man anrufen kann.
Und Diana stößt dann auf eine Facebook-Gruppe,
die sich damit beschäftigen will, herauszufinden,
wer dieser Mann in dem Video ist.
Weil sie möchten das verhindern und alle sind super aufgebracht.
Denn es gibt eine Regel im Internet.
Don't fuck with cats.
Und sie und andere Mitglieder,
die schauen sich dann jedes Detail dieses Videos an
und erstellen Skizzen beispielsweise vom Zimmer,
schauen, woher der Mann seine Einrichtung haben könnte.
Und sie, also gerade Diana,
ist irgendwann ein totaler Pro da drin,
die Audiodateien zu analysieren.
Und die finden dann heraus,
dass im Hintergrund des Videos russisch gesprochen wird.
Und dann denken sie erst,
ah, okay, der Mann lebt in Russland
und kommen dann aber relativ bald auf den Trichter,
dass der Mann nur eine russische Sitcom eingeschaltet hat.
Und das zeigt ihnen, er will gejagt werden,
aber will sie offenbar auch hinter das Licht führen.
Das bestätigt sich auch kurze Zeit später,
nachdem ein gepixeltes Bild von diesem Kerl
mit den Katzen auftaucht,
das er offenbar selbst reingestellt hat.
Also er hat sich selbst in diese Facebook-Gruppe eingeschleust,
um immer mal wieder so Knochen hinzuwerfen
und aber natürlich auch, um den Ermittlungen zu folgen.
Die sind zu diesem Zeitpunkt dann schon ziemlich ausgeartet,
weil mittlerweile ist die Gruppe total explodiert.
Es gibt da ja dann mehrere hundert DetektivInnen,
die an dem Fall sozusagen arbeiten.
Und beispielsweise exportieren die jedes einzelne Frame des Videos,
um sich halt alle Details genau anzusehen.
Und darauf haben sie dann zum Beispiel auch
den Vakuumsauger genauer sich angesehen
und dann von dem Modell abgeleitet,
dass dieser Mann sich doch in den USA aufhalten muss.
Dann bekommen einige Gruppenmitglieder eine Privatnachricht
mit dem Hinweis, dass es sich bei der gesuchten Person
um Luca Magnotta handelt.
Von dieser Person hatte noch nie jemand gehört.
Und sie stoßen aber seltsamerweise im Netz
auf ganz viele Fotos, Fanseiten, Foren,
wo gemutmaßt wird,
dass dieser Luca was mit Madonna haben würde.
Und auf so selbstgebastelte Fotoslideshows auf YouTube,
so richtig Oldschool-mäßig auch.
Aber es war auch lächerlich,
wie viele Seiten und Videos und so weiter es gab.
Und dass auch die Fotos relativ schlecht zum Teil bearbeitet waren.
Und dass man deswegen auch irgendwie schnell dachte,
das hat er wahrscheinlich alles selbst ins Internet gestellt.
Was später auch Sinn macht,
denn dieser Typ ist einfach der ultimative Narzisst.
Eigentlich ist er das Paradebeispiel für unsere letzte Folge.
Ja.
Und dazu passt eben auch,
dass er selbst Gerüchte über sich in die Welt gesetzt hat,
um Aufmerksamkeit von Menschen zu bekommen.
Also beispielsweise,
dass er etwas mit einer Serienmörderin hatte.
Aber es ist so seltsam,
weil man denkt sich so,
okay, hier ist ein Typ,
der soll angeblich ganz berühmt sein.
Der gibt dann irgendwelche Interviews,
von wegen,
ich hatte nichts mit dieser Serienmörderin.
Also es ist so.
Und Diana denkt sich halt auch so,
warte mal,
dieser Typ soll was mit Madonna haben,
aber ich habe noch nie von dem gehört.
Also es ist alles sehr, sehr seltsam.
Ja.
Und Diana und John Green,
denen wird dann halt eben klar,
ja, okay, dieser Typ,
der tut einfach alles,
um Aufmerksamkeit zu bekommen,
setzt diese irren Gerüchte in die Welt.
Das passt zu jemandem,
der halt auch Katzen tötet,
um im Rampenlicht zu stehen.
Oder vielleicht auch noch mehr machen wird.
Denn die Mitglieder sind sich sicher,
dass Luca noch weitergehen wird.
Weil immer wieder tauchen auch neue Videos auf.
Eines Nachts wird John Green dann wach,
weil er eine Benachrichtigung bekommt.
Es gibt wieder ein neues Video,
aber diesmal handelt es sich nicht um Katzen,
sondern um einen Menschen,
der in dem Video getötet wird.
Die Gruppenmitglieder wissen aber nicht,
wer das Opfer ist
und geschweige denn natürlich,
wo sich Luca aufhält.
Bis die Gruppe die Nachricht erreicht,
dass sie in Montreal
ein Torso in einem Koffer gefunden haben.
Und das ist der 32-jährige chinesische Student Yun Lin.
Und jetzt sucht auch die Polizei endlich nach Luca.
Sie gehen mittlerweile davon aus,
dass er sehr gefährlich ist
und wieder töten könnte,
weil sein Drang nach Aufmerksamkeit
so krankhaft ist,
dass er das macht,
nur damit die ganze Welt
seinen Namen irgendwann kennt.
Nach Luca wird dann auch weltweit gefahndet.
Und als der Besitzer
eines Spätis und Internetcafés in Berlin
von einem jungen Mann angesprochen wird,
der für eine Stunde surfen will,
kann er das gar nicht glauben.
Denn das ist der junge Mann,
den er vor ein paar Tagen
in der Zeitung gesehen hat
und über den halt drin stand,
dass er seinen Liebhaber
zerstückelt haben soll.
Und der steht jetzt halt genau vor ihm
und er zeigt in den PC
und Luca setzt sich,
sucht nach seinen Fahndungsbildern.
Der Späti-Besitzer sieht das
und ist sich dann halt sicher,
ja, das ist der Typ,
ich muss jetzt hier die Polizei alarmieren.
Und so endet dann halt
eine eineinhalbjährige Internetsuche
nach einem Killer.
Also besser kann die Geschichte
eigentlich gar nicht enden.
Während er sich selbst googelt,
wurde er verhaftet.
Und das ist ja fast so schön
wie die Geschichte von Narzis,
der ertrinkt,
weil er sich selbst
im Wasser umarmen will.
Das ist doch genau das Sinnbild dafür.
Ja.
Aber wie wir aus der vergangenen Folge wissen,
was wollen narzisstische Menschen
um jeden Preis?
Aufmerksamkeit.
Und Diana fragt sich am Ende der Doku,
ob sie sich vielleicht alle
zu KomplizInnen gemacht haben,
weil sie dem Täter ja genau das gegeben haben.
Hätte er vielleicht aufgehört zu tun,
was er tut,
wenn sich niemand dafür interessiert hätte?
Das fragen die sich.
Weil all die Leute,
die ihm das gegeben haben,
was er wollte,
haben am Ende
seine Geschichte miterzählt.
Und auch wir beide tun das hier ja jetzt
gerade in diesem Moment.
Und das ist irgendwie der,
wie ich finde,
etwas zu kurz geratene Clou bei der Serie,
wie Diana sich am Ende zur Kamera wendet,
also die ZuschauerInnen direkt anspricht
und sagt,
machst du dich gerade auch mitschuldig,
immerhin guckst du dir gerade
eine dreiteilige Doku über den Typen an.
Diese Szene war irgendwie,
fand ich,
auch so ein bisschen heuchlerisch,
weil das halt noch so ganz kurz einzubauen,
aber nicht wirklich irgendwas Reflektiertes
darüber zu machen.
Und hätten sie es eigentlich
ja auch weglassen können.
Also hätten sie es weggelassen,
wäre ich sehr enttäuscht gewesen,
weil das ist so,
also das ist ja der Elefant im Raum.
Ich finde nur,
damit überlässt man das auf einmal
bei dem Zusehenden.
Ja.
Ich wusste ja vorher nicht,
was kommt.
Ja.
Stimmt.
Also hätte sie auf dem Kameramann gezeigt
und so,
du filmst das gerade,
was ich hier erzähle,
hätte ich es wahrscheinlich
noch eher verstanden.
Ja.
Aber ja,
an sich finde ich das schon wichtig,
dass sie das angesprochen haben.
ich finde das auch generell
überhaupt nicht schlecht,
dass sie die Doku gemacht haben.
Ich finde,
sie hätten viele Sachen anders machen können.
Ich finde,
dass sie sein gefilmtes Material
nicht hätten zeigen müssen.
Ich finde,
also richtig geärgert hätte er sich,
wenn sie dem total bescheuerten Namen
gegeben hätten.
Ich meine,
mir macht das nichts aus,
wenn ich,
mir ist das egal,
deswegen ändern wir unseren Namen
hier ja auch ständig,
weil es im Grunde genommen
nicht wichtig ist,
wie die Leute heißen.
wichtig ist die Geschichte dahinter.
Und ich finde das eigentlich ganz gut,
dass ich jetzt weiß,
was passieren kann,
wenn ich sowas nachgehe.
Wenn ich denke,
ich mache hier irgendwie
eine kleine Recherche im Internet
und auf einmal
richten sich alle Augen
auf eine Person.
Das kann so schnell gehen
und ich glaube,
viele Leute sind da gar nicht so aware,
was die damit auslösen können.
Aber das Problem war hier ja,
dass sie erst bei der Recherche
herausgefunden haben,
dass er diese Aufmerksamkeit will.
Und ich meine,
sie haben ja auch versucht,
die Polizei
auf ihn aufmerksam zu machen
beziehungsweise zu warnen.
Ja,
aber dadurch,
dass es halt im Internet passiert ist,
hat sich halt keine Behörde
verantwortlich gefühlt.
Leider.
Ja.
Ich habe jetzt aber gerade
die Tage von ähnlichen Fällen gehört,
denen jetzt anders nachgegangen wurde,
also wo Leute gleich richtig reagiert haben.
Ja,
und man muss aber auch aufpassen,
dass dann sowas nicht
in Selbstjustiz umschlägt,
wie bei einem Fall 2013 in Frankfurt.
Da hatte die Polizei
nämlich mithilfe eines Phantombilds
nach einem mutmaßlichen
Sexualstraftäter gefahndet.
Und dann hat die Bevölkerung
auch nach dem Täter gesucht
und zwar auf Facebook
und hat dann eine eigene
Facebook-Seite
mit dem Namen
Auf der Jagd
nach dem Vergewaltiger
ins Leben gerufen.
Aber da wurde nicht gesucht,
sondern da wurde offen
zu Selbstjustiz aufgerufen.
Und dann hat auch noch jemand
ein Foto gepostet
von einem Mann,
der ähnlich aussieht
wie dieses Phantombild.
Und daraufhin
hat sich ja die Polizei
eingeschaltet,
weil solche Verdächtigungen
in Deutschland
nach § 164
des Strafgesetzbuch
strafbar sind
und auch mit einer
Geldstrafe
oder einer
Freiheitsstrafe
von bis zu fünf Jahren
geahndet werden können.
Ja, und zu Recht.
Ja.
Also mir macht das
manchmal wirklich Bauchschmerzen,
wenn ich lese,
wie manche einfach so
Verurteilungen
in den Raum werfen.
Also wir achten bei unserer
Instagram-Seite
Mordlos der Podcast
ja auch immer sehr darauf,
dass das da nicht passiert.
Aber das sind manchmal
schon so kleine Sachen.
Das fängt halt an wie,
die konnten die Eltern
nicht merken,
dass das Kind abends
nicht nach Hause gekommen ist.
Und das hört dann
irgendwann auf bei,
ja, das war auf jeden Fall
der Schwager
des vermissten Mädchens.
so.
Und ich denke mir,
ja, aber du weißt einfach
absolut gar nichts
über den Fall
und stützt deine
Anschuldigung auf
Mutmaßung
und ein fucking
Bauchgefühl,
weil du irgendwas
in den Medien gehört hast
oder so.
Und wenn die Polizei
die Person
aber nicht festhält
oder
angezeigt hat,
hat das
vermuten wir mal
seine Gründe.
Was man halt
nicht machen kann,
ist den Finger
auf eine vermutlich
unschuldige Person
zu richten,
weil wir ja zum Beispiel
aus dem Fall
mit der Frau des Bankers
aus Folge 26
wissen,
wohin das führen kann.
Ja, und was ja viele
in diesen Foren vergessen,
ist, dass hinter den Verbrechen
echte Personen stecken
und richtige Schicksale.
Das ist halt leider
wie mit Hate im Netz
auch irgendwie.
Die Menschen
blenden
die AdressatInnen aus
und schreiben dann einfach
stumpf irgendwas
vor sich hin
und tun so einfach,
als hätten sie
keine Verantwortung.
Und deswegen ist es ja
so wichtig,
dass es richtige Regeln
in solchen Foren gibt.
Also, dass man zum Beispiel
kein Victim-Blaming
oder Bashing betreibt
und halt auch nicht einfach
Person XY verdächtigt.
Ja, wir hier
in unserem Podcast,
wir lösen ja
noch keine Fälle,
sondern erzählen sie nur nach.
Vielleicht ändert sich das
ja irgendwann mal.
Aber was wir
mit Mordlust
ja schon versuchen,
ist, auf Missstände
aufmerksam zu machen
und auch Fälle
nicht in Vergessenheit
geraten zu lassen.
Und dazu haben wir
erst gerade wieder
eine Nachricht bekommen
zum Fall
Anneliese Michel
aus Folge 4.
Hast du die Nachricht gelesen?
Nee,
aber jetzt bitte
keine Tonbandabspielung hier,
okay?
Nee,
und zwar
eine vom Opa,
einer unserer Hörerinnen.
Und er war nämlich
einfach mal
Staatsanwalt
in dem Fall.
Nein.
Doch,
und er wollte sich
bei uns dafür bedanken,
dass wir den Fall
behandelt haben
und ihn somit
nicht in Vergessenheit
geraten lassen.
Und
also dem
wollte er uns
auch noch sagen,
dass er mit dem
letztendlichen Urteil
nie zufrieden war
und es ihm
bis heute sehr nahe geht,
dass es
so lasch ausgefallen ist.
Es war ja so,
dass die Eltern
und diese zwei
Geistlichen
am Ende
nur drei Jahre
auf Bewährung bekommen haben
für fahrlässige Tötung
durch Unterlassen
und ihn das bis heute
beschäftigt.
Oh,
schöne Grüße.
Ja.
Und wir bekommen ja auch immer
viele Fragen von euch gestellt
und da haben wir jetzt
was für euch
und zwar
in der neuen Folge,
der vierten Folge
von dem Podcast
Tatwort
beantworten wir beide
dem Tobi,
dem Polizeikommissar,
den ihr aus Folge 41 kennt,
Fragen,
die wir auch immer wieder
von euch bekommen.
Also hört da gerne mal rein.
Wir sind übrigens
gerade zwei Jahre alt geworden.
Das nun mal so nebenbei.
Danke,
dass ihr uns so lange
begleitet habt
und bis zum nächsten Mal.
Das war ein Podcast
von Funk.