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Leute, seid froh, dass ihr nur das jetzt hier hört und nicht die letzten Tage bei der Vorbereitung
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oder bei der Recherche dabei wart. Es gibt nämlich so Fälle, die lassen uns nicht mehr
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los und machen uns wahnsinnig. Und was soll ich sagen, die letzten Tage haben wir uns bestimmt
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dreimal täglich angerufen, um ganz aufgeregt, sehr abstrakt über Dinge aus den Fällen zu reden,
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die wir heute erzählen, weil der andere ja nicht wissen darf, was passiert ist. Und es war keine
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schöne Zeit. Es war immer so, ich würde dir das jetzt so gerne erzählen, wenigstens die eine Sache,
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aber es geht nicht, oder? Nein. Wir sind uns wahnsinnig auf den Senkel gegangen damit. Wahnsinnig.
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Ja, und deswegen freuen wir uns jetzt auch sehr auf den Fall des jeweils anderen, aber auch den eigenen
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zu erzählen, um die Reaktionen der anderen Personen zu bekommen.
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Ja, ja. Also die Folge muss jetzt raus, sie muss jetzt aufgenommen werden. Da steckt unfassbar viel
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Arbeit drin und wir sind ganz wild darauf, unsere Erkenntnisse jetzt hier mit euch zu teilen.
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Und deswegen herzlich willkommen bei Mordlust, dem True Crime Podcast von Funk, von ARD und ZDF.
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Wir reden hier über wahre Verbrechen und ihre Hintergründe. Mein Name ist Paulina Kraser.
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Und ich bin Laura Wohlers. In jeder Folge haben wir ein Oberthema, zu dem wir zwei wahre
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Kriminalfälle nacherzählen, darüber diskutieren und auch mit Expertinnen darüber sprechen.
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Wir reden hier zwischendurch auch manchmal ein bisschen lockerer miteinander. Das hat aber
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nichts mit einer fehlenden Ernsthaftigkeit zu tun, sondern das ist für uns einfach so eine
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Art Comic Relief, damit wir zwischendurch auch mal aufatmen können. Das ist aber natürlich
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nie despektierlich gemeint.
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Heute geht's bei uns um den Tod im Wasser.
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Und das ist der erste Teil unserer Reihe, die sich um die Rechtsmedizin dreht. Also heißt,
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da kommen noch mehrere Folgen dazu, aber immer mal so eingestreut.
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Ich hab in Vorbereitung zu dieser Folge einiges an Bildmaterial gesehen. Und da waren auch Dinge
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dabei, die ich lieber nicht angeschaut hätte. Und mir ist ein Foto einer jungen Frau auf verschiedenen
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Seiten begegnet. Ich weiß nicht, ob du die auch gesehen hast.
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Ich glaube nicht. Ich glaube, wenn du es gesehen hättest, dann würdest du dich noch
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daran erinnern, weil das war so gar nicht das, was meiner Vorstellung einer Wasserleiche
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entsprach. Und deswegen habe ich geguckt, wer das ist. Also auf diesem Bild, da sieht man
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das Gesicht einer jungen Frau, die die Augen geschlossen hat und total friedlich aussieht.
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Die Legende besagt, dass man die junge Frau um 1900 aus der Seine bag. Und sie soll um die
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16 Jahre alt gewesen sein. Und weil man offenbar keine Anzeichen für ein Gewaltverbrechen
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fand, glaubte man an einen Suizid. Und damals konnte man die Frau nicht identifizieren und
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deswegen brachte man sie in eine Leichenhalle. Und dort stellte man sie dann mit anderen Leichen,
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also es war damit gang und gäbe, öffentlich aus und hoffte dann halt so Hinweise zu bekommen.
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Und keine Leiche hat jemals so viel Aufmerksamkeit auf sich gezogen wie die der Frau.
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Angeblich, so die Erzählung, war ein Mitarbeiter der Leichenhalle sogar so fasziniert von ihrer
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Schönheit, dass er einen Gipsabdruck von ihrem Gesicht an fertigte. Und von dieser Totenmaske
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entstanden dann ganz viele Kopien und die hing man sich dann in den Wohnungen auf. Also diese Maske
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der Totenfrau. Und die wurde dann tatsächlich so eine Art kulturelle Ikone. Und einige schrieben
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dann in Gedichten über sie oder malten ihr Gesicht in Bildern.
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Und wie hieß die jetzt? Also wie hat man sie genannt?
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La Conue de la Seine. Und das heißt die Unbekannte aus der Seine.
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Über 40 Jahre später ertrank der Sohn eines norwegischen Spieleherstellers beinahe. Sein
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Vater konnte ihn gerade so noch retten. Und bei dem Vater rannte man offene Türen ein, als
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man ihn fragte, ob er nicht eine Puppe herstellen könnte, an der man neue Rettungstechniken lernen
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konnte. Und der Spielehersteller stellte also eine lebensgroße Puppe her und nannte sie
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Anne, weil er schon mal eine Puppe aus Plastik, das war damals noch das neue Material, gefertigt
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hatte. Und ihm fehlte aber dann ein Gesicht, an dem man Mund-zu-Mund-Beatmung üben konnte.
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Und da erinnerte er sich an ein Kunstwerk, das er mal bei seinen Großeltern gesehen hatte.
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Und so rettete der Legende nach die Unbekannte aus der Seine, die ihr Leben verlor, Jahre später
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vielen anderen Menschen das Leben.
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Also gab es quasi ein Happy End.
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Ihr Gesicht wurde auf jeden Fall ziemlich oft geküsst.
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Du kennst ja Michael Jackson, Smooth Criminal.
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Und da singt er doch, Annie, are you okay? Annie, are you okay? Are you okay, Annie?
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Und das singt er, weil man heute in diesen Übungen, bei diesen Rettungsübungen, die Plastikpuppe
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Anne ansprechen soll, wenn sie bewusstlos ist.
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Da hat man dann wieder was richtig Unnützes gelernt.
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Ja, finde ich gut.
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Denke ich auch, ich wäre eine super Autorin für Unnützes wissen gewesen.
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Das ist ja cool.
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Kommen wir zu meiner Geschichte für heute.
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Mein Fall zeigt, wie Wasser die Suche nach der Schuld verwaschen kann.
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Die Geschichte spielt an einem idyllischen Ort.
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Einem Ort, wo solch grausame Tat, wie ich sie gleich schildern werde, nicht vermutet wird.
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Sie spielt in der kleinen Gemeinde Rottach-Egern am Südufer des Tegernsees.
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Einem Urlaubsörtchen, an dem gut betuchte MünchnerInnen ihren Zweitwohnsitz anmelden
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und das im Winter gefühlt halb so viele Menschen beherbergt wie im Sommer.
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Eine von denen, die Rottach-Egern ihr Zuhause nennen, ist Lieselotte Kortüm.
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Die 87-Jährige wohnt schon lange in dem Haus in der Steinfeldstraße, das so typisch für die Gegend ist.
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Ein altes, weißes, bayerisches Landhaus mit einem Dachstuhl aus dunkelbraunem Holz.
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In der ersten Etage lebt sie allein in einer Drei-Zimmer-Wohnung.
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Seitdem ihr Mann letztes Jahr gestorben ist, hat es die alte Dame nicht leicht.
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Sie ist gesundheitlich angeschlagen, hat Arthrose, Bluthochdruck und eine chronische Darmerkrankung.
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Geistig ist Lieselotte zwar noch fit, aber körperlich schafft sie vieles einfach nicht mehr alleine.
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Dazu kommt, dass sie häufig einsam ist.
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Kinder hat sie keine und Freundinnen mittlerweile auch nicht mehr.
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Die wichtigste Bezugsperson für sie ist Manfred, der Hausmeister.
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Ihn kennt Lieselotte schon mehr als 13 Jahre.
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Manfred Gendinski ist Ende 40 und ein hilfsbereiter Mann, ein sogenannter Kümmerer.
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Seitdem Herr Kortüm nicht mehr da ist, kümmert er sich intensiv um Lieselotte.
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Das musste er Herrn Kortüm am Sterbebett versprechen.
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Und so frühstückt Manfred morgens mit Lieselotte, kocht ihr Kaffee, macht ihre Wäsche, fährt sie zum Einkaufen, zu Arztterminen und zum Friseursalon.
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Er holt auch ihr Geld von der Bank und er ist der Einzige, der einen zweiten Wohnungsschlüssel haben darf.
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Nicht mal ihre Pflegerin hat einen.
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Für seine Hilfe wird Manfred von Lieselotte mit monatlich 100 Euro entlohnt.
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Immer wieder steckt sie ihm aber zusätzlich Trinkgeld zu, schenkt ihm und seiner Frau Schmuck, den sie nicht mehr trägt oder alte Pelzmäntel.
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Lieselotte mag Manfred und vertraut ihm.
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Es ist daher nicht nur ein Angestelltenverhältnis, sondern fast eine familiäre Beziehung.
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Manchmal vielleicht auch etwas zu familiär.
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Dann zum Beispiel, wenn Lieselotte eifersüchtig auf Manfreds Mutter ist oder ihn viele Male am Tag zu sich beordert.
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Das scheint aber eine sehr einnehmende Dame zu sein dann.
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Ja, das ist sie definitiv.
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Aber Manfred ist für sie die einzige Person und deswegen nimmt sie ihn wirklich in Beschlag.
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So auch am frühen Morgen des 23. Oktober 2008.
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Genauer um 5.30 Uhr.
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Lieselotte geht es schlecht.
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Fast die ganze Nacht war sie auf den Beinen.
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Ihre Darmerkrankung macht ihr zu schaffen.
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Als ihre Pflegerin wie jeden Morgen vorbeikommt, muss sie Lieselotte erst einmal umziehen.
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Die alte Dame hatte sich in die Hose gemacht.
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Als Manfred kurze Zeit später eintrifft, wird sie sofort ins Krankenhaus gefahren.
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Auf dem Weg dorthin passiert es Lieselotte noch einmal.
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Ihre Kleidung ist so verdreckt, als sie im Krankenhaus ankommt, dass sie gleich ein zweites Mal umgezogen werden muss.
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Die nächsten Tage kommt Manfred Lieselotte besuchen.
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Auch mal mit Frau und Kind.
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Nach fünf Tagen ist sie dann wieder einigermaßen fit, sodass er sie an diesem Dienstag um halb zwei abholen und in ihre Wohnung bringen kann.
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Gegen 15 Uhr fährt Manfred dann wieder los.
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Dreieinhalb Stunden später kommt Lieselottes Pflegerin und wundert sich, dass der Schlüssel von außen an der Tür steckt.
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Sie öffnet sie und findet eine stille Wohnung vor.
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Sie ruft nach Frau Kortüm, doch keine Antwort.
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Alle Rollos sind heruntergelassen, aber überall brennt Licht.
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Im Wohnzimmer steht eine offene Geldkassette auf dem Tisch, in der Küche zwei Kaffeetassen in der Spüle.
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Doch von Lieselotte keine Spur.
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Dann geht die Pflegerin den engen Flur entlang ins Badezimmer und findet die alte Frau.
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In der Badewanne, mit dem Kopf nach unten.
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Lieselotte ist tot.
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Als die Polizei eintrifft, findet die erste Leichenschau statt.
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Dabei werden Fotos von Lieselotte gemacht.
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Und eins davon habe ich gerade Paulina geschickt und ich möchte, dass du das jetzt mal beschreibst.
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Das setzt voraus, dass ich es mir angucken muss.
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Auf dem Bild zu sehen ist ein blau gekacheltes Badezimmer.
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Eine Badewanne, auf deren Rand einige Shampoos und Duschgels stehen.
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Die Badewanne ist voll mit Wasser gelaufen und da drin liegt eine Frau, halb verdreht.
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Ihr linkes Bein guckt aus der Wanne.
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Also es hängt quasi über den Badewannenrand rüber.
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Und der rechte Fuß von ihr, der guckt auch aus dem Wasser.
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Aber es sieht irgendwie verdreht aus.
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Und die Frau trägt eine graue Jogginghose und ein dunkles Oberteil.
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Man sieht nichts vom Kopf, der ist geblurrt.
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Und sie hat irgendwas vorm Bauch, was ein Duschschwamm sein könnte.
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Nee, das sind ihre Klamotten sozusagen.
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Weil das Oberteil ist so eine Strickjacke und darunter hat sie noch was an.
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Das hat sich, glaube ich, so ein bisschen aufgebläht.
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Ja, aber die Hose ist gar keine Jogginghose.
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Aber da komme ich später nochmal drauf zu sprechen.
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Was auf dem Foto, das ich Paulina geschickt habe, nicht zu sehen ist, ist, dass vor der Badewanne noch Lieselottes Gehstock, ihre Hausschuhe und eine rosafarbene Schüssel stehen.
00:10:35
Noch am Abend kommt Lieselott in die Gerichtsmedizin nach München.
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Bei der Obduktion stellt der Rechtsmediziner fest, dass die Frau ertrunken ist.
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Außerdem findet er überall am Körper der alten Dame kleinere und größere, ältere und neuere Blutergüsse.
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Insgesamt mehr als 20 Stück.
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Zwei entdeckt er auch am Hinterkopf.
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Die sind allerdings mit bloßem Auge nicht zu erkennen.
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Also es gibt keine Verfärbung der Haut, wie wir das kennen, wenn wir uns stoßen.
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Der entdeckt die nämlich erst unter der Kopfhaut.
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Den genauen Todeszeitpunkt kann er nicht angeben, denn dafür wäre die exakte Umgebungstemperatur wichtig gewesen.
00:11:10
Als die Pflegerin Lieselotte fand, lief das warme Wasser zwar noch, also so leicht, dass es durch den Abfluss oben wieder abfloss, aber sie stellte das Wasser ab.
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Und als dann erst viel später die Temperatur gemessen wurde, war das Wasser natürlich schon kälter, weshalb der Rechtsmediziner nur ein grobes Zeitfenster angeben kann.
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Nach diesem war Lieselotte ca. zwischen 15 und 18 Uhr gestorben.
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In seinem Obduktionsbericht stellt er fest, Frau Lieselotte Kortüm ist infolge von Ertrinken verstorben.
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Nach den vorgelegten Bildern könnte es sich möglicherweise um ein Sturzgeschehen in die gefüllte Badewanne handeln.
00:11:45
Aus rechtsmedizinischer Sicht seien keine zwingenden Anhaltspunkte für eine Fremdeinwirkung vorhanden.
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Alles deutet auf einen tragischen Unfall hin.
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Lieselotte wird eingeäschert und beerdigt.
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Doch vier Monate später wird Manfred verhaftet.
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Er soll Lieselotte ermordet haben.
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Von Manfred hört die Polizei erstmals an dem Abend, an dem Lieselotte gefunden wird.
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Dem Mann, der Lieselotte als letztes gesehen hat.
00:12:12
Er wird zum Haus der alten Dame gebeten, wo er vor den BeamtInnen in einen regelrechten Redeschwall verfällt.
00:12:17
Seine Rätseligkeit finden die PolizistInnen merkwürdig.
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Machen mit ihm aber erstmal aus, dass er später zu einer richtigen Zeugenaussage wiederkommen soll.
00:12:26
Zu diesem zweiten Treffen bringt Manfred mehrere Schmuckstücke mit, die Lieselotte ihm und seiner Frau geschenkt haben soll.
00:12:33
Zwei Zettel von ihr und einen Kassenbon, der zeigt, dass er heute um 15.30 Uhr im Supermarkt war.
00:12:40
Manfred erklärt, dass er den Schmuck mitgenommen habe, damit die Polizei ihn nicht für einen Erbschleicher hält.
00:12:45
Auf die Frage, was der Hausmeister gemacht habe, nachdem er Lieselotte vom Krankenhaus abgeholt hat,
00:12:50
erzählt er, dass es der alten Frau nicht besonders gut ging und er ihr deshalb erst einmal einen Kaffee gekocht hat.
00:12:57
Danach haben die beiden noch Abrechnungen gemacht und Manfred hat versucht, den Hausarzt von Lieselotte zu erreichen,
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um von ihm die Nummer für den Pflegedienst zu bekommen, denn die Pflegerin hatte ja an dem Abend wiederkommen sollen.
00:13:07
Doch beim Hausarzt war nur der Anrufbeantworter angesprungen, erklärt Manfred.
00:13:12
Bevor er sich verabschiedete, hatte Lieselotte ihm noch gesagt, dass sie sich jetzt ein Fußbad machen und dann ins Bett legen wolle.
00:13:19
Auf dem Weg zum Supermarkt, in dem Manfred Besorgungen für Lieselotte machen sollte,
00:13:23
hat er dann die Auskunft angerufen, um sich mit dem Pflegedienst verbinden zu lassen.
00:13:27
Auf die Frage, warum der Wohnungsschlüssel von außen gesteckt habe, als der Pflegedienst kam,
00:13:31
antwortet Manfred, dass das Teil einer Abmachung zwischen ihm und Lieselotte gewesen war.
00:13:36
Sie wollte sich ja noch zum Mittagsschlaf hinlegen und weil sie Angst hatte, das Klingeln der Pflegerin zu überhören,
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sollte er ihren Schlüssel von draußen anstecken.
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Das hätten sie ja immer so gemacht, wenn er nicht in der Nähe war.
00:13:48
Und er war ja noch für Lieselotte einkaufen.
00:13:50
Das belegt der mitgebrachte Kassenbon.
00:13:52
Doch die ErmittlerInnen trauen dem Mann nicht, der eine halbe Stunde ohne Punkt und Komma redet.
00:13:58
Und so schnell wie sich die Polizei sicher scheint, dass es sich nicht um einen Unfall gehandelt hat, ist es auch die Presse.
00:14:05
Der Badewannenmord von Rottach Egern, wie er fortan genannt wird, überrollt das kleine Örtchen und sorgt für schieren Horror.
00:14:12
Einige Tage später gibt es eine Tatortbegehung.
00:14:17
Mit dabei ist der Rechtsmediziner, der zum gegensätzlichen Schluss gekommen war.
00:14:21
Nachdem er das hellblaue gefließte Badezimmer live gesehen hat, ändert er allerdings seine Meinung.
00:14:26
Nun heißt es, so habe sie nicht liegen bleiben können, wenn sie gestürzt wäre.
00:14:31
Und auch die Hämatome am Hinterkopf könnten nicht durch solch einen Sturz entstanden sein.
00:14:35
Die Nachfrage der Staatsanwaltschaft ein paar Wochen später, ob die Hämatome durch stumpfe Gewalteinwirkungen entstanden sein könnten, beantwortet er mit Ja.
00:14:45
Und somit gibt es einen Hinweis auf ein Gewaltdelikt.
00:14:48
In der Zwischenzeit wird Manfred intensiv in Augenschein genommen.
00:14:52
Dabei erfährt die Polizei, dass er am Tag, an dem er Lieselotte ins Krankenhaus brachte, einem Freund 8000 Euro Schulden zurückbezahlt hatte.
00:15:00
Womit sich ein Motiv für den Tod der alten Dame herauskristallisiert.
00:15:04
Dazu würde sein merkwürdiges Verhalten nach der Tat passen.
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Wie er ununterbrochen geredet und noch am Abend versucht hatte, mit dem Kassenbau ein Alibi bereitzustellen.
00:15:13
Auch in den Tagen nach dem Tod der alten Dame hatte er sich laut Polizei verdächtig verhalten.
00:15:19
So soll er seiner Frau nicht vom Tod Wieselottes erzählt haben, nachdem er mit den Beamtinnen gesprochen hatte.
00:15:24
Der Hausmeister wird offiziell zum Hauptverdächtigen.
00:15:28
Im Januar ist der Druck so hoch, dass er versucht, sich das Leben zu nehmen.
00:15:31
In seinem Abschiedsbrief erklärt er seiner Frau, dass er mit dem Stress nicht umgehen kann.
00:15:36
Doch Manfred überlebt und kommt einen Monat später in U-Haft.
00:15:40
Im November steht Manfred vor dem Münchner Landgericht.
00:15:43
Die Anklage lautet auf Mord und die Theorie der Staatsanwaltschaft wie folgt.
00:15:49
Manfred stiehlt, während Lieselotte im Krankenhaus ist, Geld aus ihrer Wohnung.
00:15:52
Als die Frau am 28. Oktober nach Hause kommt, bemerkt sie, dass es fehlt.
00:15:56
Sie stellt Manfred zur Rede, es kommt zum Streit, bei dem der Angeklagte sie entweder mit einem unbekannten Gegenstand
00:16:03
zweimal auf den Hinterkopf schlägt oder schubst, sodass sie mit dem Kopf gegen irgendetwas fällt.
00:16:08
Weil Lieselotte daraufhin bewusstlos ist, will Manfred Hilfe rufen.
00:16:12
Deshalb wird er die Nummer von Lieselottes Hausarzt.
00:16:16
Zwei sehr kurze Anrufe sind nachweislich von ihrem Apparat dorthin gegangen.
00:16:20
Doch während er anruft, fällt ihm ein, dass wenn herauskommt, er habe eine ältere Dame geschlagen, er seinen Job los wäre.
00:16:27
Daher legt er wieder auf.
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Dann ruft er allerdings nochmal an, denn es sind ja zwei Anrufe.
00:16:32
Wieder soll ihm einfallen, dass dies eine blöde Idee sei.
00:16:37
Daraufhin überlegt Manfred laut Staatsanwaltschaft, seine Tat zu vertuschen, Lieselotte also zu töten und es wie ein Unfall aussehen zu lassen.
00:16:44
Dazu trägt er die mehr als 70 Kilogramm schwere, bewusstlose alte Dame vom Wohnzimmer über den engen Flur ins Badezimmer und legt sie in die Wanne.
00:16:53
Die lässt er voller Wasser laufen und drückt Lieselotte dann unter, bis sie stirbt.
00:16:57
Danach positioniert er den Gehstock vor der Wanne, lässt das Wasser laufen und platziert ihre Hausschuhe so, dass es nach einem Unfall aussieht.
00:17:05
Die Verteidigung zieht diese Theorie in Zweifel.
00:17:08
Denn danach soll der Entschluss zum Mord und die Tat selbst in weniger als zwölf Minuten geschehen sein.
00:17:14
Manfred hatte nämlich um 14.57 Uhr den Arzt letztmalig angerufen und um 15.09 Uhr vom Auto aus eine Nachricht auf dem Anrufbeantworter des Pflegedienstes hinterlassen.
00:17:23
In diesen zwölf Minuten soll Manfred laut Staatsanwaltschaft der Plan eingefallen sein, Lieselotte zu töten, um die Schläge gegen ihren Hinterkopf zu vertuschen,
00:17:33
die Tötung als Unfall aussehen zu lassen, die tatsächliche Tat begangen, alles so platziert haben, dass es nach einem Unfall aussieht,
00:17:40
das Haus verlassen, sich ins Auto gesetzt, die Auskunft angerufen und sich verbinden lassen haben.
00:17:46
Wobei zu bedenken ist, dass es mindestens drei Minuten braucht, bis ein Mensch ertrinkt.
00:17:51
Die Verteidigung hingegen hält an der Theorie des Unfalls fest.
00:17:54
Lieselotte wollte an dem Nachmittag ihre verdreckte Wäsche aus dem Krankenhaus in der Badewanne einweichen.
00:18:00
Solch dreckige Kleidung hatte sie immer vorgewaschen, bevor sie sie Manfred gab.
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Beim Wasserhahn aufdrehen ist sie ohnmächtig geworden oder gestürzt und daraufhin ertrunken.
00:18:10
Die beiden Hämatome am Kopf hatte sich durch den Sturz zugezogen, so die Verteidigung.
00:18:14
Was gegen ein Tötungsdelikt spricht, ist, dass Manfreds Anwalt lückenlos aufklären kann,
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woher die 8.000 Euro kommen, die Manfred angeblich gestohlen haben soll.
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Er hatte nämlich gerade eine höhere Summe für seine Renovierungsarbeiten bekommen und für sein verkauftes Motorrad.
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Außerdem kann der Anwalt nachweisen, dass aus der Wohnung von Lieselotte gar nichts fehlt.
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Damit wird der Anklage das Motiv entzogen.
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Doch das scheint die Staatsanwaltschaft nicht davon zu überzeugen, dass Manfred nicht doch ein Mörder ist.
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Denn nach ihrem Rechtsmediziner ist ein Sturz, bei dem die Dame genau so liegen geblieben ist,
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so gut wie unwahrscheinlich und auszuschließen, dass sie sich dabei auch noch diese Hämatome zugezogen hat.
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Außerdem habe sie laut Staatsanwalt gar keinen Grund gehabt, die Badewanne zu benutzen.
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Sie hat nicht gebadet und Wäsche hätte sie genauso gut in einer Schüssel oder im Waschbecken einweichen können.
00:19:01
Außerdem war dreckige Wäsche in der Wohnung gar nicht gefunden worden.
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Daher gibt es im Plädoyer plötzlich einen anderen Grund für den Streit.
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Die Theorie jetzt?
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Lieselotte lädt Manfred und seine Familie zum Kaffeetrinken für den Nachmittag ein.
00:19:14
Manfred sagt ab, weil er nach dem Einkauf für Lieselotte seine eigene Mutter im Krankenhaus besuchen möchte.
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Das hat er auch tatsächlich nachweislich gemacht.
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Dass wir diese Lotte aber nicht so hinnehmen.
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Wir erinnern uns, sie ist eifersüchtig.
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Also macht sie ihm Vorhaltung, woraufhin Manfred ausrastet.
00:19:32
Da dieses neue Motiv für einen Streit ganz ohne Vorwarnung und erst im Plädoyer geäußert wird,
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kann Manfreds Verteidiger nicht reagieren.
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Genauso geschockt wie über diesen Motivwechsel ist er dann auch über das Urteil.
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Denn das Gericht ist davon überzeugt, dass der Tod der alten Dame kein Unfall war, sondern Mord.
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Manfred wird also am 12. Mai 2010 zu lebenslanger Haft verurteilt.
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Nach dem Prozess übernimmt der bekannte Anwalt Gunter Wiedmeier Manfreds Verteidigung und er bringt die Revision durch.
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Der BGH verweist das Urteil zurück, weil es den Regeln eines fairen Verfahrens widerspricht,
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wenn während des Prozesses plötzlich ein anderes Motiv präsentiert wird,
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ohne dem Angeklagten vorher klarzumachen, dass auch das Gericht dieses für möglich hält.
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Im November 2011 kommt es also zu einem zweiten Verfahren.
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Wieder vor demselben Landgericht, wieder mit demselben Staatsanwalt, allerdings vor einer anderen Kammer.
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Gunter Wiedmeier ist guter Dinge, denn er hat einiges gefunden, das seinem Mandanten im ersten Verfahren geholfen hätte,
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das er jetzt und hier präsentieren will.
00:20:31
Dazu zeigt er erstmal auf, dass nichts auf einen Streit hinweist.
00:20:35
Er fragt provozierend, wie hat man sich denn diesen ominösen Streit vorzustellen,
00:20:40
der Manfred zum Zuschlagen veranlasst haben soll.
00:20:42
Soll die feine, 87 Jahre alte Dame ihn etwa so unflätig provoziert haben,
00:20:47
dass er sich nicht anders als mit Gewalt gegen sie wehren konnte?
00:20:50
Nein, für Wiedmeier ist ein Unfall viel wahrscheinlicher.
00:20:54
Ein Unfall, während diese Lotte Wäsche einweichen wollte.
00:20:57
Denn der Verteidiger hat ein Foto in den Akten gefunden, auf das im ersten Verfahren nicht eingegangen wurde.
00:21:02
Auf diesem Bild ist eine graue Tüte zu sehen,
00:21:05
so eine, die das Krankenhaus ihren PatientInnen mit nach Hause gibt,
00:21:09
um ihre dreckige Wäsche zu transportieren.
00:21:11
Leider wurde die Tüte von der Polizei damals nicht geöffnet, sondern entsorgt.
00:21:15
Doch mit dieser Tüte war höchstwahrscheinlich doch sehr dreckige Wäsche in der Wohnung.
00:21:19
Und ZeugInnen hatten ausgesagt, dass Lieselotte ihre Wäsche regelmäßig vor der Abgabe an Manfred einweichte.
00:21:25
Weiter spricht laut Wiedmeier dafür, dass Lieselotte alleine war, als sie starb, das Foto ihrer Leiche.
00:21:31
Denn das zeigt, dass Lieselotte ihre Schlafanzugshose
00:21:35
und nicht wie im ersten Prozess fälschlicherweise festgestellt die Jogginghose anhatte,
00:21:39
die sie noch im Krankenhaus trug.
00:21:41
Das bedeutet, sie muss sich umgezogen haben.
00:21:44
Und Wiedmeier glaubt nicht, dass sie das vor ihrem Hausmeister tat.
00:21:47
Dann will der Verteidiger die Anwesenden davon überzeugen,
00:21:50
dass Lieselotte ohnmächtig geworden ist, während sie das Wasser hat einlaufen lassen.
00:21:53
Dazu spricht er über ihre Krankengeschichte,
00:21:55
darüber, dass sie zu diesen Mini-Schlaganfällen aufgrund ihrer Durchblutungsstörung neigte
00:22:00
und von darauf zurückzuführenden Stürzen.
00:22:03
Und er erklärt, dass die Hämatome am Kopf sehr wohl bei einem Sturz verursacht worden sein können
00:22:07
und nur deshalb so groß geworden seien, weil Lieselotte ein Medikament einnahm, das ihre Blutungsneigung erhöhte.
00:22:13
Um zu beweisen, dass sie bei einem Sturz genau so gelandet sein kann,
00:22:16
beantragt Wiedmeier eine Computersimulation durchführen zu lassen.
00:22:20
Doch das wird abgelehnt, weil der Rechtsmediziner der Staatsanwaltschaft bereits bejaht hatte,
00:22:24
dass es unter ganz bestimmten Umständen, die sehr unwahrscheinlich sind,
00:22:28
zu so einer Auffindesituation gekommen sein kann.
00:22:31
Wiedmeier betont noch, dass es keine DNA-Spuren von seinem Mandanten im Bad
00:22:35
und deshalb auch erhebliche Zweifel an seiner Täterschaft gibt.
00:22:39
Doch die Staatsanwaltschaft hält an ihrer Theorie fest.
00:22:42
Sie bringt ZeugInnen hervor, die erklären, dass Lieselotte Wäsche in der Regel in der rosafahnen Schüssel vorgewaschen hat,
00:22:48
die sie auch für ihre Fußbäder nutzte.
00:22:50
Und ZeugInnen aus dem Krankenhaus, die erklären, dass es Lieselotte an dem Entlassungstag gut ging.
00:22:55
Manfreds Glaubwürdigkeit wird auch im Hinblick auf sein Verhalten am Tattag in Zweifel gezogen.
00:23:00
Denn es mache keinen Sinn, dass er die Nummer vom Pflegedienst nicht hätte ausfindig machen können,
00:23:05
weil sie in einer Mappe im Wohnzimmer von Lieselotte lag.
00:23:08
Er hätte ja auch Lieselotte fragen können
00:23:10
und von der Vereinbarung einen Schlüssel an der Tür stecken zu lassen,
00:23:13
habe der Pflegedienst auch nicht gehört.
00:23:15
Nach 17 Verhandlungstagen ist sich auch diese Kammer sicher.
00:23:20
Es handelte sich nicht um einen Unfall.
00:23:22
Manfred wird erneut zur lebenslange Haft verurteilt.
00:23:26
Viele der anwesenden JournalistInnen sind schockiert.
00:23:29
Im Zweifel gegen den Angeklagten, heißt es aus der Presse.
00:23:34
Auch Gunther Wiedmeier hält das Urteil für falsch und macht sich direkt an den Revisionsantrag.
00:23:38
200 Seiten Begründung schickt er nach Karlsruhe.
00:23:40
Doch der Antrag wird zurückgewiesen.
00:23:42
Man könne nur rechtliche Fehler prüfen, sich nicht mit Beweisen beschäftigen.
00:23:47
Und so wird das Urteil rechtskräftig.
00:23:49
Ja, und welche Rechtsfehler hat er jetzt bemängelt?
00:23:52
So wie ich das verstanden habe, hatte der sich vor allem darüber beschwert,
00:23:56
dass sein Antrag auf ein Gutachten zum Sturzgeschehen nicht zugelassen wurde.
00:24:00
Weil er war der Meinung, dass so ein Gutachten hätte zeigen können,
00:24:05
dass Lieselotte doch so gefallen sein könnte.
00:24:08
Also seiner Meinung nach war die Gesamtwürdigung fehlerhaft.
00:24:11
Aber in der Begründung des BGH steht, sie haben keine Hinweise auf einen sogenannten
00:24:16
Verstoß gegen gesicherte wissenschaftliche Erkenntnisse,
00:24:19
Gesetze der Logik und Erfahrungssätze des täglichen Lebens gefunden.
00:24:23
Also mit diesen Worten haben sie die Revision abgelehnt.
00:24:28
2012 übernimmt die Münchner Anwältin Regina Rigg den Fall,
00:24:31
die mir am Telefon erzählt hat, wie sie zu Manfred Gendinski gekommen ist.
00:24:35
Herr Gendinski kam auf eine Empfehlung zu mir.
00:24:38
Und dann habe ich ihn in der JVA besucht und habe mir erst mal die Akten angefordert.
00:24:46
Und dann war ich sehr schnell der Überzeugung, dass da sehr viel schief gelaufen sein muss.
00:24:52
Mit der Zeit verfestigt sich diese Überzeugung,
00:24:56
denn bei ihrer Recherche stößt sie unter anderem auf ein Asservat,
00:24:59
das ihren Mandanten vor dem Gefängnis hätte bewahren können.
00:25:02
Die alte Dame hatte eine goldene Armbanduhr am linken Handgelenk,
00:25:08
von der feststeht, dass die nicht wasserdicht war
00:25:11
und somit stehen geblieben wäre, wenn sie ins Wasser gelangt ist.
00:25:16
Diese Uhr ist ihr auch abgenommen worden.
00:25:18
Es gibt einen Aktenvermerk darüber, wo diese Uhr dann abgelegt worden ist.
00:25:25
Aber diese Uhr ist dann nie wieder aufgetaucht.
00:25:27
Also ein immens wichtiges Asservat für die Verteidigung,
00:25:30
das ihren Mandanten entlasten könnte.
00:25:32
Denn laut dem Kassenbon war Manfred ja um 15.30 Uhr im Supermarkt
00:25:36
und danach hat er nachweislich seine eigene Mutter im Krankenhaus besucht.
00:25:41
Sollte die Uhr also funktioniert haben und eine Zeit nach 15.09 Uhr anzeigen,
00:25:46
könnte es Manfred in den Augen der Verteidigung gar nicht gewesen sein.
00:25:50
In den nächsten Jahren versucht Rick auf andere Weise den Todeszeitpunkt herauszufinden.
00:25:55
Dabei stößt sie auf eine neuartige Untersuchung,
00:25:58
die in der Rechtsmedizin Jena durchgeführt wird.
00:26:01
Sie beauftragt die dort ansässige Rechtsmedizinerin mit einem Gutachten
00:26:05
und diese kommt auf einen definitiven Todeszeitpunkt nach 15.45 Uhr.
00:26:09
Das Gutachten wird Teil eines Wiederaufnahmeantrags.
00:26:13
Und Rick sucht weiter.
00:26:14
Sie lässt eine Computersimulation anfertigen,
00:26:17
die schon ihr Kollege Wiedmeier vor Gericht beantragt hatte.
00:26:20
Unterstützt durch Spenden kann sie einen Experten von der Uni Stuttgart gewinnen.
00:26:24
Er erstellt eine neuartige Computersimulation,
00:26:27
die einen Sturz Lieselottes in die Wanne abbildet,
00:26:29
bei dem sie genauso liegen bleibt wie auf den Fotos
00:26:32
und bei dem die Hämatome am Hinterkopf entstehen.
00:26:35
Kurz bevor Rick den Wiederaufnahmeantrag einreichen will,
00:26:38
meldet sich noch eine Zeugin bei ihr.
00:26:39
Eine Frau, die früher mit Lieselotte befreundet war
00:26:42
und die sie aus den Augen verloren hatte.
00:26:44
Erst vor kurzem hatte sie von ihrem Fall gelesen
00:26:46
und der Annahme des Gerichts,
00:26:48
Lieselotte hätte Wäsche nicht in der Badewanne eingeweicht.
00:26:51
Das hatte sie verwundert, weshalb sie Frau Rick anruft.
00:26:55
Ihr erklärt sie, dass Lieselotte ihre Wäsche immer eingeweicht hat
00:26:58
und als sie sie kannte auch in der Badewanne.
00:27:00
Außerdem berichtet sie von Ohnmachtsanfällen
00:27:02
und dabei sei Lieselotte nicht einfach zusammengesackt,
00:27:05
sondern wie ein Brett umgefallen.
00:27:07
Einmal musste sie sie sogar aus der Wanne retten,
00:27:09
weil sie mit kompletter Montur reingefallen war.
00:27:12
Diese Zeugin und ein weiteres Gutachten zu Lieselottes Vorerkrankungen
00:27:16
runden den Wiederaufnahmeantrag ab,
00:27:18
der im Juni 2019 eingereicht wird.
00:27:21
Und dort liegt er jetzt seit mehr als einem Jahr.
00:27:24
Derweil sitzt Manfred seit über zehn Jahren in Haft.
00:27:27
Bis heute beteuert er seine Unschuld.
00:27:30
Seine Familie sieht Manfred circa zweimal im Monat.
00:27:33
Sein kleiner Sohn ist mittlerweile nicht mehr so klein.
00:27:36
Er ist zwölf Jahre alt,
00:27:38
seine Tochter zehn.
00:27:39
Mit ihr war seine Frau schwanger,
00:27:41
als Manfred damals in Urhaft kam.
00:27:43
Außerhalb der Gefängnismauern hat er sie noch nie gesehen.
00:27:46
Wir wissen, dass man beim Mord mindestens 15 Jahre sitzt.
00:27:50
Wenn man keine Reue zeigt oder Einsicht,
00:27:53
dann dauert es allerdings länger, bis man wieder in Freiheit ist.
00:27:56
Ich habe Raurik gefragt, wie Manfred damit umgeht.
00:27:59
Ihn hält einfach die Hoffnung aufrecht.
00:28:02
Er sagt immer, wenn die mich morgen rauslassen würden,
00:28:05
ich gebe nicht etwas zu, was ich nicht getan habe.
00:28:08
Und es ist ihm natürlich auch wichtig,
00:28:10
dass seine Kinder nicht aufwachsen mit einem verurteilten Mörder.
00:28:15
Und dafür ist er bereit zu kämpfen bis zum allerletzten Tag.
00:28:23
Heute sind sich in Rottach-Egern am Tegernsee viele Leute einig,
00:28:26
dass so eine grausame Tat, wie ich sie eben geschildert habe,
00:28:29
hier niemals stattgefunden hat.
00:28:31
Die Petition des ehemaligen Bürgermeisters
00:28:33
hatten mehr als tausend Menschen unterzeichnet,
00:28:35
mit der er sich direkt an Bayerns Justizminister gewandt
00:28:39
und ihn aufgefordert hat,
00:28:40
sich für ein Wiederaufnahmeverfahren einzusetzen.
00:28:42
So ein Badewannenmord,
00:28:44
der passt aber auch wirklich nicht in dieses idyllische kleine Örtchen.
00:28:48
Naja, du sagst das jetzt so sarkastisch,
00:28:52
aber vielleicht glauben sie auch einfach wirklich an seine Unschuld.
00:28:55
Ich war ja letztens erst in Rottach-Egern
00:28:58
und deswegen sage ich das auch so sarkastisch,
00:29:01
weil das da wirklich so traumhaft ist und idyllisch.
00:29:05
Aber ja, ich bin mir sicher, dass sie an seine Unschuld glauben
00:29:08
oder zumindest finden,
00:29:10
dass man ihn nicht hätte verurteilen sollen
00:29:12
aufgrund dieser Beweise oder aufgrund dieser Indizien.
00:29:17
Also ich meine, das finde ich ja eigentlich schon ein starkes Stück,
00:29:19
weil hätten sie am Anfang nicht von den 8.000 Euro Schulden gewusst,
00:29:24
ist ja fraglich, ob sie Manfred überhaupt vor Gericht hätten bringen können.
00:29:28
Weiß man denn eigentlich von diesen zwei Blutergüssen am Hinterkopf,
00:29:31
dass die frisch waren oder hätten die auch einfach alt sein können?
00:29:35
Also der Rechtsmediziner, der die Obduktion durchgeführt hatte
00:29:38
und es gab ja wirklich nur eine Obduktion, weil sie danach eingeäschert wurde,
00:29:43
der hatte die schon so eingeordnet, dass die an dem Tag entstanden sein müssen.
00:29:47
Andere ExpertInnen sagen, dass man das nicht sagen kann, wann genau die entstanden sind
00:29:54
und sind sich auch vor allen Dingen einig,
00:29:56
also wenn mit etwas Hartem oder mit einem Gegenstand gegen den Kopf so stark geschlagen wird,
00:30:01
dass man ohnmächtig wird, dass sie hätten gesehen werden müssen,
00:30:06
ohne dass man die erste Hautschicht abmacht sozusagen.
00:30:09
Und was auch so ein bisschen komisch ist,
00:30:13
ist, dass dieser erste Rechtsmediziner in seinem ersten Gutachten
00:30:18
auch nicht wirklich irgendwie beunruhigt war wegen dieser zwei Hämatome.
00:30:24
Die hatte er genauso wie die anderen 20 einfach aufgezählt
00:30:27
und war aber dann ja dann zu dem Schluss gekommen, keine Fremdeinwirkung.
00:30:31
Ich habe das bei meiner Oma das letzte Jahr gesehen, bevor sie gestorben ist.
00:30:36
Die ist ständig umgefallen.
00:30:38
Also dass das alten Menschen passiert, bei denen schwindelig wird oder sonst was,
00:30:43
das ist halt auch nicht gerade selten.
00:30:45
Gerade wenn man sich Kopf überbeugt.
00:30:48
Ja, und gerade wenn man fünf Tage im Krankenhaus war.
00:30:51
Und das ist auch anstrengend für eine 87-Jährige.
00:30:54
Es geht ja jetzt gar nicht unbedingt darum, um zu sagen,
00:30:57
Manfred Gendinski ist auf jeden Fall unschuldig oder so,
00:31:00
sondern ist die Möglichkeit, die die Verteidigung hier aufzeigt,
00:31:05
und zwar von einem Sturz,
00:31:06
ist die vielleicht genauso plausibel oder plausibler als das,
00:31:09
was die Staatsanwaltschaft hervorbringt,
00:31:11
dann gibt es eigentlich diesen Spruch, den wir alle kennen,
00:31:14
im Zweifel für den Angeklagten.
00:31:17
Und das hat man hier eben nicht.
00:31:21
Der Fall zeigt ja unter anderem ganz gut, wie wichtig der Todeszeitpunkt ist,
00:31:26
weil dadurch eben verdächtige Personen ausgeschlossen werden können
00:31:29
oder andere ausgemacht werden können.
00:31:31
Deswegen wäre diese Uhr auch so wichtig,
00:31:35
die als einziges Asservat leider aber fehlt.
00:31:38
In meinem Aha soll es jetzt darum gehen,
00:31:40
wie man das normalerweise macht.
00:31:42
Dazu ist erstmal wichtig, eine exakte Todeszeit festzustellen,
00:31:47
ist so gut wie unmöglich, außer man hat den Mord jetzt zum Beispiel auf Video.
00:31:51
Ja, oder man trägt dann tatsächlich so eine Smartwatch, die den Puls misst.
00:31:56
Daran kann man nämlich wirklich sehen, wann der ausgesetzt hat.
00:32:00
Und weil das eben fast nie der Fall ist,
00:32:03
ist der Begriff Todeszeitpunkt auch nicht gerade optimal,
00:32:05
weil eben nur eine Zeitspanne in der Regel angegeben werden kann.
00:32:09
Und dabei gilt logischerweise, je länger ein Mensch tot ist,
00:32:12
desto größer ist die Spanne.
00:32:13
Und bei Personen, die erst vor kurzem gestorben sind, wie jetzt Lieselotte,
00:32:17
ist es also leichter, den tatsächlichen Zeitpunkt zu treffen.
00:32:20
Und am besten geht das mit Hilfe von Temperaturmessungen.
00:32:23
Also wenn irgendwo eine Leiche gefunden wird,
00:32:26
sollte wenn möglich sofort die Körpertemperatur gemessen werden
00:32:29
und auch die Umgebungstemperatur,
00:32:31
Weil die Körpertemperatur sich nach dem Tod langsam aber sicher der der Umgebung annähert.
00:32:36
Erstmal bleibt sie zwar in der Regel zwei bis drei Stunden konstant,
00:32:40
danach kühlt sie aber um 0,5 bis 1,5 Grad pro Stunde ab.
00:32:44
Ja, wobei die Gesichtshaut zum Beispiel ganz schnell relativ kalt wird.
00:32:49
Deswegen ist es nicht so schön, Tote zu küssen.
00:32:53
Also Tote geküsst habe ich jetzt noch nicht.
00:32:55
Aber die Temperatur, um die es hier geht,
00:32:57
das ist die sogenannte Körperkerntemperatur.
00:33:01
Und die wird hintenrum gemessen.
00:33:03
Und mit einer mathematischen Formel wird dann errechnet,
00:33:06
wie lange die Person ungefähr schon tot ist.
00:33:08
Und zwar anhand von einer Tabelle.
00:33:11
Und tatsächlich sah das auf dem YouTube-Tutorial,
00:33:14
das ich angeschaut habe, ziemlich einfach aus.
00:33:17
Laura, normale Menschen gucken sich YouTube-Tutorials
00:33:21
über Schminken oder Kochen an.
00:33:22
Wieso machen wir sowas?
00:33:24
Ich wollte das nur mal wissen, für alle Fälle.
00:33:27
Aber wie schnell die Körpertemperatur tatsächlich sinkt,
00:33:31
das hängt natürlich von verschiedenen Faktoren ab.
00:33:33
Wie zum Beispiel, hatte die Person Kleidung an?
00:33:35
Worauf lag die Person?
00:33:38
Oder war sie dünn oder dick?
00:33:40
Aber diese Formel auf dieser Tabelle berücksichtigt nur drei Informationen.
00:33:44
und zwar Körpertemperatur,
00:33:46
Umgebungstemperatur und das Körpergewicht.
00:33:49
Dann hat man halt schnell, wenn man das da so verbindet,
00:33:52
die Punkte und da ein bisschen rumguckt,
00:33:54
hat man dann schnell die Todeszeit.
00:33:57
Aber die ist halt nicht besonders exakt,
00:33:58
weil das Modell für Standardbedingungen entwickelt wurde.
00:34:01
Das funktioniert dann eben auch nur,
00:34:03
wenn die Umgebungstemperatur immer dieselbe war.
00:34:06
Und bei Lieselotte war das ja nicht so.
00:34:09
Und das ist das Problem.
00:34:11
Weil bis 18.30 Uhr lief ja noch warmes Wasser stetig nach.
00:34:15
Und dann hat die Pflegerin das abgestellt.
00:34:17
Und erst mehr als drei Stunden später wurde die Wassertemperatur gemessen.
00:34:22
Also ab 18.30 Uhr hat sich das Wasser immer mehr abgekühlt
00:34:25
und somit hat sich die Umgebungstemperatur immer weiter verändert.
00:34:28
Es gibt aber seit kurzem ein anderes Modell,
00:34:31
das eingesetzt werden kann, um den Todeszeitpunkt zu ermitteln.
00:34:34
Und zwar ist das computergestützt und thermodynamisch.
00:34:38
Und dabei können viel mehr Infos berücksichtigt werden.
00:34:42
Und eben auch eine sich ändernde Umgebungstemperatur.
00:34:45
Und dann siehst du auf so einem Bildschirm,
00:34:47
diesem Modell, den Körper,
00:34:48
ganz viele kleine Einheiten eingeteilt,
00:34:50
die unterschiedlich schnell Wärme leiten können.
00:34:53
Und dann kann man die Umgebung abkühlen lassen
00:34:55
und sieht dann, wann die Körpertemperatur erreicht wird,
00:34:58
die die Leiche halt bei der aufwänden Situation hatte.
00:35:01
Und die Methode ist natürlich viel aufwendiger und teurer,
00:35:04
als das jetzt einfach von einer Tabelle abzulesen.
00:35:07
Aber damit kann der Zeitpunkt viel exakter bestimmt werden,
00:35:10
was in manchen Fällen ausschlaggebend ist
00:35:13
für die Suche nach dem Täter oder der Täterin.
00:35:16
Und deshalb hat Regina die Rechtsmedizin Jena
00:35:18
auch damit beauftragt,
00:35:19
das für den Fall, diese Lotte zu machen.
00:35:21
Ja, und jetzt liegt das ja
00:35:23
beim Landgericht.
00:35:25
Und die müssen jetzt entscheiden,
00:35:27
ob das Gutachten als neuer Beweis
00:35:29
angesehen werden kann.
00:35:30
Hast du das mal an einer Beispielaufgabe
00:35:33
durchgerechnet, dein Modell?
00:35:34
Du meinst das Tabellenmodell?
00:35:37
Ja, das computergesteuerte Modell
00:35:40
hast du wahrscheinlich nicht im Kopf gerechnet.
00:35:41
Nee, ich habe mir ja nur dieses Tutorial angeguckt
00:35:45
und da war es echt ziemlich einfach.
00:35:47
Und da haben die so eine Beispielrechnung gemacht, ja.
00:35:49
Kannst du uns das auf Instagram die Tage mal vorführen,
00:35:54
Hast du dir mal diese Formel angeguckt?
00:35:58
Also was ich machen kann,
00:36:00
also es gibt ja diese Formel,
00:36:01
aber die ist ja nicht in der Tabelle.
00:36:03
Die Tabelle ist ja sozusagen schon vor,
00:36:05
die ist ja auf Grundlage dieser Formel entstanden.
00:36:07
Aber ich kann vielleicht diese Tabelle,
00:36:09
die kann ich vielleicht erklären,
00:36:13
Ich möchte von dir ein Tutorial dazu haben.
00:36:17
Okay, du kannst mir dann die drei Informationen geben
00:36:21
von der Leiche, ne?
00:36:22
Und ich errechne dir, wie lange die schon tot ist.
00:36:25
Ja, finde ich gut.
00:36:26
Okay, das könnt ihr dann die nächsten Tage
00:36:28
bei uns auf der Instagram-Seite
00:36:30
mordlos der Podcast sehen,
00:36:31
aber vorher erzähle ich dir erstmal meinen Fall.
00:36:34
Der zeigt, dass es nicht so leicht ist,
00:36:37
etwas aufzuklären,
00:36:38
wenn er von Anfang an unter einer bestimmten Überschrift läuft.
00:36:43
Einige Namen habe ich geändert.
00:36:44
2008 wird mein Jahr.
00:36:48
Dieser Spruch steht in goldenen Buchstaben gedruckt
00:36:51
auf einem blauen Papier.
00:36:52
Jenny hat es über ihr Bett gehängt.
00:36:54
Drumherum Poster von großen Segelschiffen
00:36:58
Alle angepinnt mit Reißzwecken
00:37:00
an einer Tapete mit Snoopy-Motiven drauf.
00:37:03
So ist Jenny ihrem großen Traum
00:37:05
auch in ihrem Kinderzimmer ganz nah,
00:37:07
wenn sie gerade mal nicht im Einsatz ist.
00:37:09
Die Begeisterung muss sie von ihrem Papa haben.
00:37:12
Der ist selbst Segler.
00:37:13
Aber nicht beruflich.
00:37:15
Uwe Böcken ist Vizeschulleiter einer Gesamtschule.
00:37:18
Jennys Mutter Marlies ist Lehrerin für Geschichte und Biologie.
00:37:21
Der Apfel fällt nicht weit vom Stamm,
00:37:24
sagt Marlies Böcken über ihre Tochter.
00:37:26
Sie und ihr Mann erziehen Jenny und ihre beiden Brüder
00:37:29
nicht zu Duckmäusern.
00:37:30
Sie sollen für ihre Rechte einstehen können,
00:37:32
hinterfragen und Widerworte geben,
00:37:34
wenn es notwendig ist.
00:37:35
Vielleicht ist es das, was einige meinen,
00:37:38
wenn sie sagen, dass Jenny ein wenig vorlaut ist.
00:37:42
Sie lässt sich halt wenig sagen,
00:37:43
ist selbstbewusst und unglaublich ehrgeizig.
00:37:46
In der Schule war die 18-Jährige eine der Besten,
00:37:48
hat ihr Abitur gerade mit 1,9 gemacht.
00:37:51
Jenny weiß ganz genau,
00:37:53
was sie mit ihrem Leben anfangen will.
00:37:55
Sie will unbedingt zur Marine
00:37:57
und dort Ärztin werden.
00:37:58
Ihr großer Traum ist es später einmal,
00:38:01
an Auslandseinsätzen humanitäre Hilfe zu leisten.
00:38:04
Also tritt sie gleich nach dem Abi 2008
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den Dienst bei der Bundesmarine als Sanitäts-Offiziersanwärterin an,
00:38:10
macht die Grundausbildung an der Marineschule in Flensburg
00:38:12
und wird am 15. August dort vereidigt.
00:38:14
Für 17 Jahre lässt sich Jenny verpflichten.
00:38:17
Marlies und Uwe sind unfassbar stolz.
00:38:20
Zwei Tage später geht es für die Marine-KadettInnen
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zur Seebasis-Ausbildung auf das Segelschulschiff,
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89 Meter lang, Masten mit einer Höhe von 45 Metern.
00:38:31
107 OffiziersanwärterInnen
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werden dieses Jahr von der Stammbesetzung ausgebildet.
00:38:35
Am 28. August beginnt die Ausbildungsfahrt im Kieler Hafen.
00:38:39
Über einen Zwischenstopp in Hamburg
00:38:41
soll sie dann in Dublin enden.
00:38:42
Ein Foto beim Auslaufen aus Kiel zeigt Jenny.
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Eine junge, sportlich aussehende Frau
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mit glatten, langen, blonden Haaren
00:38:49
und Sommersprossen im Gesicht,
00:38:51
die stolz ihre Marine-Uniform trägt.
00:38:53
Die erste Zeit an Bord ist gewöhnungsbedürftig.
00:38:56
Ganz anders, als Jenny es von zu Hause kennt.
00:38:59
Hier schreit man Anweisungen auch mal.
00:39:01
Der Ton auf der See ist überwiegend rau
00:39:03
und die Arbeit hart.
00:39:04
Putzen, Segel setzen und einholen,
00:39:07
alles körperlich anstrengende Arbeit.
00:39:08
Dazu Wachdienste in der Nacht.
00:39:10
Nebenbei auch noch Unterricht in Segel- und Wetterkunde
00:39:14
Jeden Tag muss Bordtagebuch geführt werden.
00:39:17
Dort muss Jenny festhalten, was sie lernt
00:39:20
und es ihren Vorgesetzten präsentieren.
00:39:22
Alle Auszubildenden schlafen in einem großen Raum
00:39:26
Rückzugsmöglichkeiten gibt es kaum.
00:39:28
Jennys Privatsphäre beschränkt sich auf ihren Spind.
00:39:31
In E-Mails an Uwe und Marley schreibt Jenny davon,
00:39:34
wie schwer ihr die Umgewöhnung fällt.
00:39:35
Ihre Zeit dort ist vor allem durch Druck geprägt.
00:39:38
Jenny ist zwar ehrgeizig,
00:39:40
aber hat enorme körperliche Defizite.
00:39:42
Die Beurteilung, die sie kurz vorm Antreten der Fahrt
00:39:45
von den AusbilderInnen bekommt,
00:39:46
fällt vernichtend aus.
00:39:48
Sie bescheinigen ihr,
00:39:49
dass Jenny im Grunde physisch nicht belastbar ist.
00:39:52
Den Frühsport hatte sie in den ersten drei Wochen
00:39:54
nahezu täglich abgebrochen.
00:39:55
Sie sagen, Jenny zeige zwar den Willen,
00:39:58
die erkannten Defizite aufzuarbeiten,
00:40:00
ihr Engagement würde aber dafür nicht wirklich reichen.
00:40:03
In der Vergleichsgruppe liegt Jenny im hinteren Drittel.
00:40:06
Zusammenfassend gesehen sei eine Eignung zum Offizier nicht erkennbar.
00:40:11
Für Jenny, die bisher in allem, was sie angegangen ist,
00:40:15
immer Erfolg hat, ist es schlimm,
00:40:17
die Erwartungen nicht erfüllen zu können.
00:40:18
Trotzdem will sie mit allen Mitteln zeigen,
00:40:21
dass sie es schaffen kann,
00:40:22
hängt sich richtig rein.
00:40:23
In einem Eintrag ihres Sporttagebuchs
00:40:26
vermerkt sie stolz,
00:40:27
dass sie in Knotenkunde langsam richtig geschickt wird.
00:40:30
Aber Jenny hat nicht nur Defizite,
00:40:32
was ihre sportlichen Leistungen angeht.
00:40:34
Die Vorgesetzten bemängeln ihre teilweise besserwisserischere Art
00:40:37
und dass sie sich häufig Anordnung widersetzt.
00:40:40
Und damit eckt sie an in der konservativen Marine,
00:40:43
in der ohne Widerworte Hierarchietreue gefordert wird.
00:40:46
Jenny hat es als Frau eh nicht leicht,
00:40:49
bekommt ständig den Machismo der Seemänner zu spüren.
00:40:52
Obwohl sie darauf vorbereitet war.
00:40:54
Unsere Ausbilderinnen in Mürwig und Plön
00:40:57
hatten uns ja schon vor dem männlichen Teil
00:40:59
der Stammbesetzung gewarnt,
00:41:00
steht in Jennys Sporttagebuch.
00:41:02
Sie hat auch ein persönliches Tagebuch.
00:41:05
In einem Telefonat mit Mutter Marlies sagt Jenny einmal,
00:41:07
ihr werdet euch wundern,
00:41:09
was ich da noch alles drin aufgeschrieben habe.
00:41:11
Jenny findet wenig Anschluss,
00:41:14
auch unter Kameradinnen.
00:41:15
Zwei Matrosinnen haben es besonders auf sie abgesehen,
00:41:18
Sie glaubt, dass sie nur darauf warten,
00:41:20
bis sie einen Fehler macht.
00:41:21
Am 2. September kommt es wieder zu so einer typischen Situation,
00:41:25
in der sich Jenny wie eine Außenseiterin fühlt.
00:41:28
Jenny näht gerade am Seesack.
00:41:30
Ihre Augen brennen von der Anstrengung.
00:41:32
Also schließt sie sie für einen kurzen Moment.
00:41:34
Plötzlich hört sie ihre Kollegin Evelyn schreien,
00:41:37
hey Birken, nicht schlafen.
00:41:39
Jenny ist total sauer.
00:41:41
Wie kann Evelyn sie in so eine Situation bringen?
00:41:44
Jetzt denkt die Ausbilderin,
00:41:45
Jenny wäre eingeschlafen und dabei war das diesmal gar nicht der Fall.
00:41:50
Tatsächlich ist es aber in letzter Zeit öfter vorgekommen,
00:41:53
dass Jenny einfach während der Schicht eingenickt ist.
00:41:55
Dieser neue Rhythmus macht ihr total zu schaffen.
00:41:58
Vier Stunden Wache und dann vier Stunden Schlaf und wieder von vorne.
00:42:01
Das ist sie nicht gewohnt.
00:42:02
Einmal schläft Jenny sogar mitten in einer Schießübung ein.
00:42:06
Mit dem Gewehr in der Hand.
00:42:07
Ihre KollegInnen sprechen sogar von Narkolepsie.
00:42:10
Was ist denn das?
00:42:11
Na, wenn man immer einschläft.
00:42:13
Das ist das Donrösschen-Syndrom.
00:42:15
Es ist zwei Tage vor Jennys 19. Geburtstag.
00:42:18
Auf den freut sie sich schon sehr,
00:42:20
denn an diesem Tag werden sie in Hamburg zum Hafengeburtstag einlaufen
00:42:23
und Jenny darf sich Urlaub nehmen und den Tag mit ihren Eltern verbringen.
00:42:26
Am Nachmittag des 3. September hat Jenny frei.
00:42:29
Ihr Dienst beginnt erst gegen Abend.
00:42:31
Sie läuft an Bord herum, macht noch ein paar Fotos
00:42:34
und will endlich ihre Höhenangst überwinden.
00:42:36
Jenny hat nämlich auch Probleme beim Aufentern,
00:42:39
also dem ungesicherten Aufsteigen in die Takelage.
00:42:42
Das ist der Teil des Schiffs mit Mast und Seilen
00:42:45
und diesen Strickleitern, also alles sehr weit oben.
00:42:48
Und an diesem Tag will sie es aber gemeinsam mit einigen KameradInnen versuchen.
00:42:52
Jenny schafft es sogar bis fast nach ganz oben.
00:42:54
Im Mast wankt sie mit dem Rhythmus der See.
00:42:57
Es ist windig und die anderen sehen von dort aus ganz klein aus.
00:43:01
Sie knipst noch ein paar Fotos, dann muss sie runter.
00:43:04
Ihre Knie schlottern so doll, dass sie in Panik verfällt.
00:43:07
Um 20 Uhr tritt sie mit 30 anderen KameradInnen die Segelwache an.
00:43:13
Sie soll den Posten Ausguck auf der sogenannten Back beim vorderen Teil des Schiffs besetzen.
00:43:17
Von dort aus muss man nach Schiffen oder Treibgut Ausschau halten und das melden.
00:43:22
Alle 30 Minuten muss Jenny außerdem
00:43:24
»Auf der Back ist alles wohl, die Laternen brennen« in einem singenden Ton durch eine Flüstertüte an den Vorgesetzten durchgeben.
00:43:33
Die See ist rau an diesem Abend, Windstärke 7, die Wellen drei Meter hoch.
00:43:38
Um 23 Uhr ertönt die Meldung »Auf der Back ist alles wohl, die Laternen brennen« an Bord, gefolgt von einem »Ei« als Bestätigung des diensthabenden Offiziers.
00:43:50
Alles ist wie immer.
00:43:51
Um 23.30 Uhr, dann bleibt die Meldung von der Back aus.
00:43:56
Um 23.43 Uhr hört man über die Lautsprecher »Mann über Bord, Mann über Bord, das ist keine Übung«.
00:44:04
Plötzlich ist das ganze Schiff wach und in Aufruhr.
00:44:06
Alles muss sich bereit machen zum Durchzählen.
00:44:09
Eine Person fehlt.
00:44:11
Eine Rettungsinsel wird ins Wasser geworfen.
00:44:14
Die riesige Gorchfock bremst und kehrt im finsteren Schwarz der Nacht um.
00:44:18
Wenig später fliegen Hubschrauber und Flugzeuge über das Wasser.
00:44:21
Als an diesem Abend die KadettInnen zum Schlafen geschickt werden, macht kaum jemand ein Auge zu.
00:44:26
Jennys Hängematte ist leer.
00:44:30
In dieser Nacht passiert etwas Seltsames bei den Böckens zu Hause.
00:44:34
1 Uhr weckt Uwe seine Frau und sagt »Jenny will dich sprechen«.
00:44:38
Marlies ist verwirrt.
00:44:40
Das Telefon steckt gleich auf dem Nachttisch und sie hat's gar nicht gehört.
00:44:43
Sie nimmt den Hörer ab, aber niemand ist dran.
00:44:46
Sie dreht sich fragend zu ihrem Mann um.
00:44:49
Der schläft schon wieder tief und fest.
00:44:51
Offenbar ein Traum.
00:44:55
Als Marlies Birken am nächsten Tag vom Einkaufen nach Hause kommt, hat sie die 19 Rosen und andere Geburtstagsgeschenke für Jenny noch unterm Arm.
00:45:02
Jenny ist verschwunden, sagt ihr Mann.
00:45:05
Zwei Marine-Soldaten sind zu ihm in die Schule gekommen und haben es ihm gesagt.
00:45:09
Im Nachhinein wundert sich Marlies, wie banal die Situation wirkte, als das schwere Unglück begann.
00:45:16
Irgendwann hatte man gemerkt, dass der Postenausguck an der Back nicht mehr besetzt war und dann das Wendemanöver eingeleitet.
00:45:22
Danach hatte man mit Wärmebildkameras und Flugzeugen nach ihr gesucht.
00:45:27
Uwe und Marlies verfallen in einer Art Schockstarre.
00:45:30
Die beiden lassen sich krank schreiben.
00:45:32
Marlies weiß aber, dass sie Routine braucht, weil sie die am Leben halten kann.
00:45:36
Also kocht sie, macht den Haushalt.
00:45:38
Uwe hingegen wird depressiv, isst kaum noch.
00:45:41
Sein Arzt verschreibt ihm ein Antidepressivum.
00:45:44
Nehmen will er das nicht.
00:45:46
Marlies mischt es ihm daraufhin heimlich in seine Getränke.
00:45:49
Wenn Marlies an Jenny denkt, dann hat sie immer dieses eine Bild vor Augen.
00:45:53
Wie ihre Tochter da draußen alleine in der kalten See ums Überleben kämpft.
00:45:57
Es ist kaum zu ertragen.
00:45:58
Die beiden denken sich alle möglichen Szenarien aus, wie Jenny sich vielleicht doch noch gerettet hat.
00:46:04
Vielleicht wurde sie ja von einem Schiff aufgenommen und hat einfach keine Erinnerungen mehr.
00:46:09
Im 17 Grad kalten Wasser kann man immerhin fünf bis sieben Stunden überleben.
00:46:12
Als der Fregattenkapitän sie zu einer Gedenkfeier für Jenny einlädt, weil man davon ausgehen müsse, dass sie nicht mehr lebt, sind die Böckens empört.
00:46:21
Wie kann man ihre Tochter einfach so für tot halten?
00:46:23
Sie gehen nicht hin.
00:46:25
Dann erhalten die Böckens ein Paket von der Bundeswehr.
00:46:29
Darin sind Sachen aus Jenny Spind, unter anderem ihr Bordtagebuch.
00:46:32
Darin lesen die Eltern davon, was Jenny an ihrem letzten Tag an Bord gemacht hat.
00:46:37
Elf Tage später sieht die Besatzung eines Fischereiforschungsschiffs 120 Kilometer nordwestlich von Helgoland etwas Dunkles in der Nordsee treiben.
00:46:45
Sie ziehen eine Leiche an Bord.
00:46:48
117 Kilometer von der Stelle entfernt, an der sie über Bord gegangen sein muss.
00:46:53
Uwe hat den Arm um Marlies gelegt, als die beiden im Wohnzimmer auf dem Sofa sitzen.
00:46:58
Ihnen gegenüber ein Marinekapitän, ein Arzt und ein Pfarrer.
00:47:03
Frau Böcken, es tut uns so leid, wir haben Jenny gefunden. Sie ist tot.
00:47:07
Marlies schreit daraufhin so laut, dass selbst die PressevertreterInnen, die vor dem Haus der Böckens stehen, es hören.
00:47:13
Aber kurz darauf setzt bei ihr sowas wie Erleichterung ein.
00:47:17
Immerhin haben sie Jenny gefunden.
00:47:19
Elf Tage Ungewissheit, das war die Hölle.
00:47:21
Ein ganzes Leben hätte sie so nicht ertragen können.
00:47:25
Nachdem die Obduktion durch ist und Jenny endlich beerdigt werden kann, meldet sich die Bestatterin bei den Böckens.
00:47:30
Ob sie Jenny noch einmal sehen wollen, will sie wissen.
00:47:33
Gleich danach wirft sie aber ein, dass sie, die Marine und die Staatsanwaltschaft ausdrücklich davon abraten.
00:47:39
So wie Jenny jetzt nach elf Tagen im Wasser aussieht, ist die Gefahr groß,
00:47:43
dass die Eltern das Bild ihrer Tochter ihr Leben lang nicht mehr aus dem Kopf bekommen würden.
00:47:47
Marlies und Uwe sind einverstanden.
00:47:49
Aber eine Strähne von Jennys schönen, glatten, langen Haaren hätten sie noch gerne.
00:47:54
Die Bestatterin verneint. Das geht nicht.
00:47:56
Nach einigen Tagen im Wasser lassen sich die Haare ganz leicht lösen.
00:47:59
Dass Jennys Leichnam lange den Strömungen ausgesetzt war, hat den Vorgang wahrscheinlich noch unterstützt.
00:48:05
Später sieht sich Marlies trotzdem Bilder von Jenny an.
00:48:08
In dem Buch »Unser Kind ist tot« sagt Marlies der Autorin Dona Kujazzynski,
00:48:13
dass sie es sich viel schlimmer vorgestellt hatte.
00:48:16
Das, was man da gefunden hat, sieht nicht so aus wie unsere Jenny.
00:48:21
So was kann man nur beerdigen.
00:48:23
Was ist passiert?
00:48:25
War es ein Unfall?
00:48:26
Gab es ein Fremdverschulden?
00:48:27
Oder hat Jenny vielleicht Suizid begangen?
00:48:29
Um diese Fragen zu klären, leitet die Staatsanwaltschaft ein Todesermittlungsverfahren ein.
00:48:34
Für Suizid spricht wenig.
00:48:36
Obwohl Jennys Lebensfreude in der Zeit auf der Gorch Fock nachgelassen hatte, war sie nicht depressiv.
00:48:42
Sie hatte zu Hause einen Freund und Pläne, bald mit ihm zusammenzuziehen.
00:48:45
Nach der Ausbildungsfahrt wollten die beiden über die Wohnungseinrichtung entscheiden.
00:48:49
Mitte Januar 2009 verkündet die Staatsanwaltschaft, dass der Fall zu den Akten gelegt wird.
00:48:54
Es gäbe nicht genügend Anhaltspunkte für eine Straftat, um ein Ermittlungsverfahren durchzuführen, heißt es.
00:49:01
Der Oberstaatsanwalt Uwe Wick erklärt, dass die Ursache für den Todesfall nicht abschließend geklärt werden konnte.
00:49:06
Man gehe aber von einem Ertrinkungstod aus.
00:49:08
Es wäre einfach ein großes Unglück.
00:49:13
Uwe und Marlies Böcken haben die Ermittlungsakten etliche Male gelesen, hundertmal studiert und kommen jedes Mal zu der Erkenntnis, dass die Unterlagen voll mit Widersprüchen sind.
00:49:23
Dass man ihnen da eine Geschichte verkaufen will, die so gar nicht stimmen kann.
00:49:27
Die Eltern wollen antworten, ohne jemandem etwas zu unterstellen, so der Anwalt Rainer Diebs mit mir im Interview.
00:49:34
Ja, wir beteiligen uns grundsätzlich nicht an irgendwelchen Fikulationen.
00:49:39
Jetzt haben sich aber in den letzten Jahren die Medizin so verdichtet, dass wir die Befürchtung haben müssen, dass Jenny Böcken gewaltsam ums Leben gekommen ist.
00:49:49
Da ist vor allem, wie Jenny bekleidet gewesen sein soll.
00:49:53
Beim Dienst tragen die KadettInnen unter anderem schwere, knöchelhohe Bordschuhe.
00:49:58
Eine Uniform, bestehend unter anderem aus Hose und einem blauen Parka mit angebrachtem Namensschild.
00:50:04
Die Killerrechtsmedizin sagt, Jenny wäre nur in Hose, T-Shirt und Socken bekleidet gewesen.
00:50:09
Mal abgesehen davon, dass jemand, der bei so stürmischer See, wie es an dem Tag der Fall war, ins Wasser fällt,
00:50:16
eher damit beschäftigt ist, gegen die Wellen anzukämpfen, als sich Schnürstiefel auszuziehen, die man schon an Bord schwer an- oder ausbekommt,
00:50:24
lernen die Auszubildenden gleich vom Beginn an unbedingt bei so einem Fall die Klamotten im Wasser anzubehalten.
00:50:30
Die Schuhe geben nämlich Auftrieb und jede Schicht Kleidung wärmt im Wasser.
00:50:34
Außerdem sagte die Person vom Forschungsschiff, die Jenny gefunden hat, angeblich, dass Jenny bei der Auffindung den blauen Parka noch getragen habe.
00:50:43
Man hatte sie damals nämlich an dem Namensschild an der Jacke identifiziert.
00:50:47
Es gab auch eins in der Hose.
00:50:49
Das habe man allerdings erst später bei der Obduktion entdeckt.
00:50:53
Was die Familie erst recht irritiert, ist, dass das Forschungsschiff, das Jenny gefunden hat, zur Marine gehört.
00:50:59
Und das Schiff, das sie dann an Land gebracht hat, soll, so der Anwalt der Familie Rainer Dietz, ein Polizeischiff gewesen sein.
00:51:06
Ihm erklärt sich nicht, warum gerade dann nicht mal Ermittlungsstandards eingehalten wurden.
00:51:11
Mit Fotos hätte man jetzt verlässliche Informationen darüber, ob Jenny den Parka nun getragen hat oder nicht.
00:51:33
Bis heute sind weder Parka noch ihre Schuhe aufgetaucht.
00:51:36
Sie waren also auch nicht an Bord.
00:51:37
Abgesehen davon wurden die Klamotten, in denen sie aufgefunden wurde, also Shirt, Hose, Socken,
00:51:44
drei Tage nach dem Leichenfund verbrannt, ohne die Eltern vorher darüber zu informieren.
00:51:49
Und zwar mit der Begründung, die Kleidung hätte gestunken.
00:51:52
Übrigens, bevor die Staatsanwaltschaft dem zugestimmt hatte, die Bewilligung dafür traf erst danach ein.
00:52:01
Anstatt die Kleidung halt einfach luftig zu verpacken oder einzufrieren, das wären auch Möglichkeiten gewesen.
00:52:06
Folgt man der Theorie, dass Jenny also ins Wasser gefallen ist, sich dort, warum auch immer, ausgezogen hat und gegen die Wellen gekämpft hat und dann ertrunken ist,
00:52:18
dann hätte man bei der Obduktion Wasser in der Lunge feststellen müssen.
00:52:22
Jenny hatte aber kein Wasser in der Lunge, genauso wenig wie Schaumpilz um den Mund.
00:52:27
Und der entsteht durch ein Gemisch von Luft, Wasser und so Bronchialsekret und ist so ein typisches Hinweiszeichen für Ertrinken,
00:52:37
auch wenn der jetzt nicht bei jeder Leiche festgestellt wird.
00:52:39
Es gibt zwar noch den seltenen Fall des trockenen Ertrinkens.
00:52:44
Da wird dann durch einen schockartigen Reflex beim Eintauchen ins Wasser der sogenannte Stimmritzkrampf ausgelöst,
00:52:50
der den Rachenraum und damit auch die Atmung blockiert.
00:52:53
Und wenn sich dieser nicht rechtzeitig löst, dann erstickt man, ohne Wasser in der Lunge zu haben.
00:52:59
Das ist eigentlich das, was eher bei kleinen Kindern vorkommt, weil gerade die diesen Eintauchreflex eher ausgeprägt haben.
00:53:07
Wenn das der Fall gewesen wäre, dann hätte Jenny sich aber unmöglich noch die Schuhe und den Parka ausziehen können, während sie gerade erstickt.
00:53:15
Es deutet also einiges darauf hin, dass sie schon tot war, bevor sie im Wasser ankam.
00:53:21
Die nächste Ungereimtheit bringt das toxikologische Gutachten mit sich, das vor der Obduktion gemacht wurde.
00:53:27
Man muss sich vergegenwärtigen, da liegt eine Person in einem Netz eingewickelt auf dem Obduktionstisch.
00:53:36
Und es wird dann ein Drogenschnelltest durchgeführt, üblicherweise.
00:53:43
Und dieser Schnelltest, wo man dann auch die inneren Organe untersucht, schlägt positiv an auf zwei Drogen.
00:53:52
Welche sind das gewesen?
00:53:53
Amphetamin, unter anderem.
00:53:55
Und war denn bekannt, dass Jenny sowas genommen hat? Also haben die Eltern davon gewusst?
00:54:00
Die Eltern haben natürlich ihre eigene Anschauung von Jenny Böken und ihr eigenes Bild ihrer Tochter,
00:54:07
das mit einem Drogenkonsum überhaupt nicht in Einklang zu bringen ist.
00:54:12
Ich kannte Jenny Böken vorher nicht. Das, was ich über sie gelesen habe, wie andere über sie sprechen,
00:54:17
wie sie selbst sich an Bord verhalten hat, das alles ist mit einem Drogenkonsum nicht in Einklang zu bringen,
00:54:25
Das positive Ergebnis der toxikologischen Untersuchungen ist aber eigentlich wegen einer anderen Sache brisant für die Verteidigung.
00:54:38
Bei der späteren Obduktion wird dieses positive Ergebnis wieder ein negatives Ergebnis.
00:54:45
Ich möchte jetzt nicht sagen umgewandelt, aber es steht dann nun mal negativ mit der Begründung,
00:54:51
durch diese Liegezeit könnte eine Vollnissbildung entstehen im Körper.
00:54:56
Das ist aber Unsinn, weil, grundsätzlich stimmt das, aber in diesem Fall ist es Unsinn, weil die Probe vorher genommen wurde.
00:55:05
Also das klappt, diese Erklärung klappt, wenn man vorher negativ ist und später positiv, aber nicht, wenn man positiv ist und später negativ.
00:55:13
Moment, also Amphetamin kann durch diese Vollnissbildung entstehen, oder wie?
00:55:18
Also das ist laut Dietz die Erklärung der Staatsanwaltschaft und das ist tatsächlich nicht so.
00:55:23
Ich habe mit einem Rechtsmediziner deswegen gesprochen und der hat mir erklärt,
00:55:28
dass diese Schnelltests, die bei der toxikologischen Untersuchung gemacht werden, oft falsch positiv sind,
00:55:34
weil sie eben besonders sensibel sein müssen.
00:55:37
Aber diese Tests, die müssen dann auch immer noch mal durch die Obduktion bestätigt werden.
00:55:41
Und in diesem Fall wurde das positive Ergebnis halt nicht bestätigt.
00:55:45
Die Begründung dafür ist halt nur seltsam.
00:55:48
Und dann ist da noch das Paket, das Marlies und Uwe von der Marine bekommen haben.
00:55:54
Darin waren nicht alle persönlichen Sachen von Jenny.
00:55:58
Es fehlte beispielsweise ihr privates Tagebuch.
00:56:01
Ihr Spind wurde offenbar am 5. September, als das Schiff in Wilhelmshaven anlegte,
00:56:06
zusammen mit der Staatsanwaltschaft gelehrt und die persönlichen Gegenstände dann verschickt.
00:56:10
Das gällt aber nicht für die Dinge, die Jenny im Wertfach des Spindens aufbewahrte.
00:56:14
Das soll angeblich auf der Fahrt von Wilhelmshaven nach Dublin von der Besatzung geöffnet
00:56:20
und deren Inhalt dann ebenfalls an die Bürkens verschickt worden sein.
00:56:23
Dieses Paket ist aber nie angekommen.
00:56:27
Die Bürkens fragen sich außerdem, warum mit der Öffnung nicht gewartet wurde,
00:56:30
bis die Staatsanwaltschaft wieder an Bord war,
00:56:32
oder warum er nicht gleich mit dem Spind gemeinsam geöffnet wurde.
00:56:35
Wer die Öffnung des Wertfachs veranlasst hat, konnte nie festgestellt werden,
00:56:40
weil weder die Staatsanwaltschaft noch die Bundeswehr angeblich Aufzeichnung dazu hat.
00:56:44
Es fehlen aber noch weitere Dinge.
00:56:46
Circa 15 Slips von Jenny.
00:56:48
Miley's Bücken erzählt in der Dokumentation der Fall Gorchfock von der ARD,
00:56:53
dass der Wehrbeauftragte ihr auf Nachfrage mitteilte,
00:56:57
dass sich auch benutzte Unterwäsche im Spind befand
00:57:01
und dass man diese aus Pietätsgründen vernichtet habe.
00:57:05
Und zwar zu einem Zeitpunkt, als man Jennys Leiche noch gar nicht gefunden hatte.
00:57:08
Wo man also ein Verbrechen noch gar nicht ausschließen konnte
00:57:12
und man unbedingt alle Spuren hätte sichern müssen.
00:57:14
Natürlich besteht auch die Möglichkeit, dass die Slips im Wertfach waren.
00:57:19
Nur eine Mutmaßung.
00:57:20
Aber dazu sagt Miley's Bücken in der Doku der Fall Gorchfock.
00:57:24
Wir leben im 21. Jahrhundert.
00:57:26
Wenn sie in ein Wertfach schmutzige Unterwäsche tun als Frau.
00:57:30
Warum tun sie das?
00:57:31
Das hat einen bestimmten Grund.
00:57:33
Für Uwe und Miley's drängt sich der Gedanke auf,
00:57:36
dass Jenny vielleicht Opfer von sexueller Gewalt wurde.
00:57:38
Zwei Tage vor dem Unglück ging sie zum Schiffsarzt
00:57:41
und klagte über starke Unterleibsschmerzen.
00:57:43
Ihrer Mutter schrieb sie in ihrer letzten Mail,
00:57:46
Mama, ich muss einen Termin beim Frauenarzt bekommen.
00:57:50
Angeblich wurde bei ihr eine Zyste diagnostiziert.
00:57:52
Wenn sie keinen Termin bei einem Gynäkologen bekommen würde,
00:57:55
müsste sie ins Krankenhaus fahren, schrieb Jenny.
00:57:57
Die Eltern glauben, dass das mit der Zyste auch ein Vorwand gewesen sein könnte
00:58:02
und sie nur zu viel Angst hatte, den wahren Grund in einer Mail zu schreiben.
00:58:06
Außerdem gab es widersprüchliche Aussagen von Zeuginnen.
00:58:08
Einige wollen um ca. Viertel vor zwölf einen Schrei von der Bug gehört haben.
00:58:12
Andere sagen, es sei alles still gewesen.
00:58:14
In jedem Fall ist es merkwürdig, dass absolut niemand etwas gesehen haben will,
00:58:19
obwohl um 23.45 Uhr, also kurz nach dem angeblichen Schrei,
00:58:23
25 neue Posten besetzt werden sollten und sich damit fast 60 Personen an Deck befanden.
00:58:29
Auch Jennys Posten, den sie an diesem Tag übrigens nur besetzte,
00:58:33
weil eine Kameradin sie bat zu tauschen, hätte neu besetzt werden sollen.
00:58:37
Von wem kann angeblich aber auch nicht mehr ermittelt werden.
00:58:40
Und das, obwohl bei der Marine sogar die Anzahl der Slips, die man an Bord bringt, aufgeschrieben wird.
00:58:46
Alles wird festgehalten.
00:58:48
Warum hat der diensthabende Offizier nicht wie vorgeschrieben,
00:58:52
um 23.30 Uhr, als die Meldung von Jenny ausblieb, nach ihr gesehen?
00:58:55
Er gibt an, dass Jenny zwar die Meldung um 23.30 Uhr nicht absetzte,
00:59:00
danach aber andere Meldungen abgab.
00:59:02
Für die Familie drängt sich außerdem die Frage auf,
00:59:06
warum gerade Jenny, die immer wieder eingeschlafen ist,
00:59:09
den Dienst auf der Back antreten durfte,
00:59:10
obwohl bekannt ist, dass dieser Posten nicht ungefährlich ist.
00:59:14
Die Reling dort ist an einigen Stellen nicht mal 40 Zentimeter hoch.
00:59:17
Warum wurde sie, obwohl sie als gar nicht geeignet eingestuft wurde,
00:59:21
überhaupt mit an Bord genommen?
00:59:23
Ein Grund dafür könnte eine Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs sein.
00:59:27
Der entschied im Jahr 2000,
00:59:28
dass Frauen den aktiven Militärdienst antreten dürfen.
00:59:31
Aus Bundeswehrkreisen will die Welt erfahren haben,
00:59:35
dass die Gorch-Fock 2008 zu ihrem 50. Geburtstag
00:59:38
besonders auf ihre steigende Frauenquote aufmerksam machen wollte.
00:59:41
Es gibt noch weitere Ungereimtheiten,
00:59:44
wie eine nicht vollständige Gesundheitsakte,
00:59:46
aus der offenbar Aufzeichnungen fehlen
00:59:47
und die Tatsache, dass sich das Schiff nach Backbord neigte
00:59:51
und Jenny aber Steuerbord,
00:59:52
also genau entgegengesetzt von Bord gegangen sein soll
00:59:56
Uwe Birken erstellt eine Internetseite,
00:59:58
in der er alle Ungereimtheiten genau auflistet.
01:00:01
Wenn Marlies Birken heute an die letzten Minuten von Jenny denkt,
01:00:04
hat sie nicht mehr vor Augen,
01:00:06
wie sie da im Wasser ums Überleben kämpft.
01:00:08
Sie weiß jetzt, dass ihre Tochter schon vorher tot war, sagt sie.
01:00:13
Für die Birkens beginnt jetzt ein Kampf gegen das System.
01:00:16
Denn kaum einer aus den eigenen Reihen will sich gegen die Marine stellen
01:00:19
und gegen die eigenen Kameradinnen aussagen.
01:00:22
Also versucht die Familie es über den rechtlichen Weg,
01:00:24
stellen Strafanzeige gegen Unbekannt wegen sexueller Nötigung
01:00:28
und beantragen ein Wiederaufnahmeverfahren der Ermittlungen.
01:00:32
Auch ihre Klageerzwingungsanträge und ihre Verfassungsbeschwerde scheitert.
01:00:36
Sie wollen den früheren Kommandanten der Gorch-Fork wegen fahrlässiger Tötung dran kriegen.
01:00:40
Sie verklagen die Bundesrepublik auf 40.000 Euro Entschädigung
01:00:44
mit Berufung auf das Soldatenversorgungsgesetz,
01:00:47
weil Jenny für sie unter besonderer Lebensgefahr gestanden hat.
01:00:50
Immerhin habe sie trotz rauer See weder eine Schwimmweste tragen müssen,
01:00:54
noch sei sie vorn am Bug eingehakt gewesen.
01:00:56
Das ist doch ein Witz, dass die keine Schwimmwesten anhaben.
01:01:00
Das geht ja gar nicht.
01:01:02
Also tatsächlich gibt es seit diesem Fall andere Regelungen.
01:01:06
Für gerade, wenn die See rau ist, aber damals halt noch nicht.
01:01:10
Man hätte das schon anordnen können, aber wurde offenbar nicht so.
01:01:15
Vor allem, wenn du sagst, dass es da teilweise nur 40 Zentimeter hohe Reling gibt
01:01:20
und rauhe See und das war doch auch in der Nacht, oder?
01:01:24
Also es war auch stockduster.
01:01:25
Ja, wenn ich mir das vorstelle.
01:01:27
All die Bemühungen der Böckens bringen nichts.
01:01:30
Im Sommer 2014 dann meldet sich eine Zeugin,
01:01:33
die damalige Assistentin des Schiffsarztes.
01:01:36
Sie sagt, dass sie ihr schlechtes Gewissen plagt
01:01:39
und berichtet, dass Jenny sich mehrmals täglich ärztlich hat untersuchen lassen.
01:01:42
Jenny soll ihr kurz vor ihrem Tod außerdem gesagt haben,
01:01:46
dass es niemanden interessieren würde, wenn sie auf dem Schiff tot zusammenbricht.
01:01:50
Für sie war diese Aussage von einer so jungen Frau so erschütternd,
01:01:53
dass sie dazu einen Vermerk in Jennys Gesundheitsakte anlegte.
01:01:56
Als abends dann der Alarm ertönte, habe die Assistentin sofort gedacht,
01:02:00
dass irgendetwas mit Jenny sein muss.
01:02:02
Dieser Vermerk und auch andere Einträge über Jenny fehlen später in der Akte.
01:02:07
Der Schiffsarzt sagt,
01:02:09
Warum weiß man aber nicht, warum, mit welchen Problemen sie da jeden Tag hinkam?
01:02:27
Ja, auch wegen dieser Schlafsachen.
01:02:30
Okay, also ihr ging es auch richtig schlecht.
01:02:32
Und sie haben den trotzdem dahingestellt, da an diese...
01:02:35
Ja, es war ja gar nicht ihr Dienst gewesen, sie hat ja nur getauscht.
01:02:39
Aber sie hätten ihr das ja auch untersagen können, diesen Dienst anzutreten.
01:02:42
Die ehemalige Assistentin des Schiffsarztes sagt bei dem Verfahren der Schadensersatzprüfung vor Gericht,
01:02:48
dass sie seitdem bekannt ist, dass sie als Zeugin geladen ist, von anonymen Anrufen belästigt wird
01:02:53
und über Facebook Drohnachrichten erhält, die sie mundtot machen sollen.
01:02:56
Auch dieses Verfahren gewinnen die Böckens nicht.
01:03:00
Der Fall Böcken wirft kein gutes Licht auf die Marine und bringt einiges zum Vorschein,
01:03:05
was man dort lieber für sich behalten hätte.
01:03:07
Nachdem im November 2010 eine weitere Kadettin von der Gorchfock bei einer Tagelageübung zu Tode kommt,
01:03:13
indem sie 27 Meter in die Tiefe stürzt, eskaliert die Situation.
01:03:17
Sarah Lena S. hatte kurz vor ihrem Tod noch zu ihrer Mutter gesagt,
01:03:21
Mama, du weißt gar nicht, was da los ist.
01:03:25
Auch Sarah war übrigens mit 1,57 Meter offiziell zu klein und damit ungeeignet für den Borddienst.
01:03:31
Ein Offizier soll den Überfall damit begründet haben,
01:03:34
dass die Gorchfock heute minderwertiges Menschenmaterial an Bord hat.
01:03:38
Nachdem der Kapitän am Tag danach gesagt haben soll,
01:03:42
Flugzeuge stützen ab, Autos verunglücken und auch hier passieren Unfälle
01:03:46
und anschließend mit der Besatzung Karneval gefeiert hat,
01:03:49
wenden sich erstmals einige OffiziersanwärterInnen öffentlich gegen die Leitung der Gorchfock.
01:03:54
Die OffiziersanwärterInnen beklagen Führungsversagen und Vertrauensverlust.
01:03:58
An die Öffentlichkeit gelangen außerdem Geschichten von sexueller Belästigung,
01:04:02
von Drohungen und Erniedrigungen gerade gegen die Auszubildenden
01:04:05
und von Ausbildungstaktiken, die die jungen, unerfahrenen Menschen mit Absicht über ihre Grenzen bringen sollen.
01:04:12
Ein Offiziersanwärter erzählt öffentlich von einem Ritual, bei dem Geld gesammelt wird,
01:04:16
das dann dem Kameraden zugestanden werden soll, der die hässlichste OffiziersanwärterIn knallt.
01:04:21
Bei einem anderen Ritual hatte die Besatzung eine Wäscheleine im Maschinenraum gespannt
01:04:26
und daran die Slips der eroberten Frauen, Wortwahl des damaligen Werbeauftragten, aufgehängt.
01:04:33
Dieser Mann erzählt, dass der erste Untersuchungsbericht der Marine
01:04:36
das tatsächlich als gemeinschaftsförderndes Element bezeichnete.
01:04:42
Der Radiojournalist Jörg Hafgemeier war in der Nacht, in der Jenny über Bord ging, auch auf der Gorchfock
01:04:48
und er sagt, es ist für Frauen schwierig, vor allem, wenn sie in so einem engen Gefäß zusammenleben,
01:04:54
wie die Gorchfock es ist.
01:04:55
Und sie können nicht weglaufen, also das Weglaufen ist endlich auf einem Schiff.
01:05:00
Wo wollen sie hin?
01:05:01
Irgendwann stehen sie mit dem Rücken an der Bordwand.
01:05:03
Nachdem das alles bekannt wird, löst der damalige Verteidigungsminister Kai Theodor zu Gutenberg 2011
01:05:10
den Kommandanten der Gorchfock ab.
01:05:11
Nur im Fall Jenny hat sich wenig getan.
01:05:15
Dann, im Juni 2019, nimmt die Staatsanwaltschaft die Ermittlung tatsächlich wieder auf.
01:05:21
Eine neue Zeugin taucht auf.
01:05:24
Ja, es gibt eine Person, die sich eigeninitiativ hier gemeldet hat
01:05:29
und hat auch ihre Aussage entsprechend versichert.
01:05:34
Die davon spricht, dass man ihr gegenüber unverblüht gesagt hat,
01:05:38
Jenny Böken sei auf den Weg geräumt worden.
01:05:40
Die Staatsanwaltschaft hat die Zeugin vernommen.
01:05:43
Die hat eine Fülle von weiteren Personen genannt, die da eine Rolle spielen.
01:05:47
Dann im Zuge dieser Ermittlung haben sich wiederum weitere Leute gemeldet.
01:05:51
Und alles endet im Grunde damit, dass man sagt, diese erste Zeugin ist unglaubwürdig.
01:05:56
Deswegen braucht man den anderen Aspekten, obwohl die in die gleiche Kerbe schlagen, nicht nachzugehen.
01:06:02
Die Argumentation der Staatsanwaltschaft war, dass die Zeugin ja nur vom Hörensagen berichtet.
01:06:23
Im November stellt die Staatsanwaltschaft die Ermittlungen aber schon wieder ein.
01:06:26
Obwohl es, so Dietz, noch andere ZeugInnen gegeben habe.
01:06:31
Es gibt einen weiteren Zeugen, der sich eigeninitiativ gemeldet hat.
01:06:34
Der gesagt hat, er hätte Personen befördert, die zu dem damaligen Zeitpunkt, die auch signalisiert haben,
01:06:44
man würde sich dann einer Person entledigen.
01:06:46
Und damit wäre es gut.
01:06:47
Die kämen sowieso weg, so sinngemäß.
01:06:51
Und dann hat dieser Mann anwaltliche Hilfe gesucht.
01:06:54
Und der Anwalt hat genau das Richtige getan und hat gesagt, gehen Sie damit zur Polizei.
01:06:59
Das hat er auch gemacht.
01:07:00
Deswegen gibt es ein Vermerk über diesen Besuch bei der Polizei.
01:07:04
Der endet damit, dass die Polizeidienststelle sagt, was sollen wir jetzt mit dem machen?
01:07:09
Sollen wir den jetzt vernehmen?
01:07:10
Ja, drei Mal dürfen Sie raten, ob die verlangen worden ist.
01:07:13
Und machen Sie jetzt weiter?
01:07:16
Ich mache den Fall schon seit vielen Jahren, bin aber viel länger schon im Geschäft und kann Ihnen sagen,
01:07:23
bei der Justiz ist es immer so, wenn man will, dann geht sehr viel.
01:07:28
Und wenn man nicht will, dann geht auch wirklich nichts.
01:07:31
Wir haben wirklich den Eindruck, man hilft uns nicht.
01:07:35
Nach all der Zeit gibt es im Grunde keine wirklichen Fortschritte.
01:07:40
Der Fall Jenny Böken, so tragisch er ist.
01:07:44
Aber der Fall ist abgeschlossen.
01:07:46
Es war ein Unglücksfall und Unglücksfälle passieren nun mal.
01:07:48
Das hört sich herzlos an und damit bin ich einverstanden.
01:07:51
Aber so ist es nun mal, sagt Achim Winkler, Marinefregattenkapitän.
01:07:56
Radiojournalist Jörg Hafkemeier sagt in der Dokumentation, die ich vorhin angesprochen habe,
01:08:01
in der Marine werden keine Fehler gemacht.
01:08:04
Und wer keine Fehler gemacht werden, muss auch niemand zur Verantwortung gezogen werden.
01:08:08
Achtung, das meint er natürlich in Bezug darauf, was offiziell bekannt gegeben wird.
01:08:14
Also es ist nicht ganz ernst zu nehmen.
01:08:15
Die Eltern wollen nicht akzeptieren, dass bis heute keiner sein Schweigen gebrochen hat.
01:08:20
Es waren 220 Menschen auf diesem Schiff und einige von denen wissen, was geschehen ist.
01:08:26
Und wir hoffen und wünschen, dass sie irgendwann die Kraft haben, ihr Schweigen zu brechen, sagt Marlies Böken.
01:08:32
Sie ist irgendwann aus dem gemeinsamen Haus ausgezogen.
01:08:34
Die Ehe hat sich durch den Tod von Jenny irgendwann einfach in Luft aufgelöst.
01:08:38
Trotzdem kämpfen Uwe und sie weiter Seite an Seite für die Wahrheit, streben ein neues Wiederaufnahmeverfahren an.
01:08:45
Die Kraft für ihren Kampf gibt ihnen Jenny.
01:08:47
Sie wollen, dass ihr endlich Gerechtigkeit wieder fährt.
01:08:50
Den Schmerz um ein totes Kind kann man nicht ermessen.
01:08:54
Und wieder haben wir auf der einen Seite die Eltern und auf der anderen Seite diesen riesigen Apparat, gegen den sie ankämpfen müssen.
01:09:14
Und es ist immer dieses David gegen Goliath und sie möchten, das Einzige, was sie eigentlich ja möchten, ist eine ordentliche Investigation in den Tod ihrer Tochter.
01:09:26
Vieles spricht dafür, dass da halt Sachen passiert sind und sie nicht einfach nur von Bord gefallen ist.
01:09:34
Es kann ja aber auch sein, dass es so war, aber solange die Eltern nicht das Gefühl kriegen, dass alles getan wird, um sicherzustellen, was passiert ist,
01:09:44
können sie ja nicht wirklich Ruhe finden.
01:09:47
Und das finde ich so unfair, weil sie ja eh schon das Schlimmste erlebt haben, was es gibt, und zwar das Kind zu verlieren.
01:09:53
Und dann noch nicht mal Hilfe bekommen, wie wir das jetzt schon in einigen Fällen leider so hatten.
01:10:01
Und was hier gerade noch erschwerend hinzukommt, ist, dass das eben dieser Schweigewall ist, wo man auch von der obersten Stelle gesagt bekommt,
01:10:11
Niemand, der eine Uniform trägt, wird sich da jetzt mehr zu äußern, weil der Fall abgeschlossen ist.
01:10:16
Also sie dürfen es auch nicht, ja.
01:10:18
Aber der Journalist hat natürlich nicht Unrecht.
01:10:21
Man kommuniziert das alles nicht nach außen, weil man das nicht will, weil es schlecht fürs Image ist, was auch immer.
01:10:28
Es sagt auch keiner, dass die Marine weiß, was da passiert ist.
01:10:32
Sondern es wird nur gesagt, es wird einfach auf diesem Aktendeckel stand von Anfang an Seeunfall oder Schiffsunfall.
01:10:41
Also hat man von Beginn von einem Unfall gesprochen, meint der Anwalt und ist dem halt nicht wirklich nachgegangen, so wie sie es erwartet hätten.
01:10:49
Eigentlich wie ironisch, dass es bei dem Fall direkt von einem Unfall auszugehen ist und bei dem Fall, wo eine 87-Jährige in der Badewanne gefunden wird, aber direkt von einem Tötungsdelikt.
01:11:03
Ja, stimmt. Und ich habe auch mit Menschen gesprochen, die bei der Marine waren und an mich wurde der Satz herangetragen, niemand fällt einfach so von Bord.
01:11:16
Also selbst das ist schon, kommt schon so selten vor.
01:11:21
Ich meine, klar kann das mal passieren, aber dann sprechen halt wieder ganz viele andere Sachen dafür, dass das hier nicht der Fall war.
01:11:29
Ein Freund, der früher bei der Marine war, nicht auf der Gorchfork, der hat mir auch von Ritualen erzählt, die sie hatten.
01:11:34
Und eines davon war die Äquator-Taufe.
01:11:37
Also wenn man das erste Mal den Äquator überquert, da muss man ein bestimmtes Getränk zu sich nehmen.
01:11:44
Und da macht man unter anderem Haare von hinten rein, wie du es nennen würdest.
01:11:49
Quatsch. Es ist ja nur ekelhaft, oder?
01:11:52
Ich hatte ja gesagt, dass sich bei Jenny offenbar die Haare schon gelöst hatten.
01:11:57
Und das passiert auch mit den Nägeln, wenn die Leiche lange genug im Wasser lag.
01:12:01
Und zwar mit der Bildung der sogenannten Waschhaut.
01:12:03
Der Prozess dafür beginnt schon nach circa drei Stunden, je nachdem, wie die Wassertemperatur ist.
01:12:09
Bei kaltem Wasser dauert es etwas länger.
01:12:11
Aber im Grunde ist das wie die Haut, wenn wir in die Wanne steigen und die dann so schrumpelig wird, nur viel extremer.
01:12:19
Also diese Haut, die wird mit der Zeit weiß und beginnt an Händen und Füßen dann so aufzuquellen.
01:12:24
Und nach sechs Stunden sind davon auch die Hautinnenflächen und Fußsohlen betroffen.
01:12:29
Die Oberhaut beginnt dann sich zu lösen und wird dann auch nach einer Weile abgetragen.
01:12:34
Und die Verquellungen bereiten sich mit der Zeit dann auf Hand und Fußrücken auch auf.
01:12:40
Und nach circa drei bis sechs Wochen kann man die Haut an den Händen und Füßen, die kann sich dann lösen.
01:12:45
Also so handschuhartig oder wie Socken.
01:12:48
Und dabei gehen dann eben auch die Nägel mit ab.
01:12:51
Aber wie gesagt, das passiert nur an Händen und Füßen.
01:12:54
Und ansonsten bildet die Haut im Wasser aufgrund des fehlenden Sauerstoffs nach einigen Wochen bis Monaten das sogenannte Fettwachs.
01:13:02
Das hat eigentlich nicht wirklich was mit Wachs zu tun, sondern kommt eher daher, dass die Schicht, die sich dann bildet, so aussieht.
01:13:08
Das nennt man auch Verseifung.
01:13:10
Übrigens kann das in manchen Fällen auch bei Leichen passieren, die auf einem Friedhof bestattet wurden, wenn der Boden besonders lehm- oder tonhaltig ist.
01:13:18
Was schlecht ist, weil dann ebenfalls zu wenig Sauerstoff an die Leichen kommt und dann die Hülle nahezu konserviert wird.
01:13:26
Und das ist deswegen schlecht, weil wenn nach 15 oder 20 Jahren dann jemand anders auf den Platz will, der quasi noch nicht frei ist.
01:13:34
In beiden Fällen hat es sich ja bei unseren Opfern jetzt um Wasserleichen gehandelt.
01:13:40
Dabei ist also egal, ob die Person in der Badewanne, im Meer oder im Fluss gefunden wird.
01:13:46
Solange sie aus dem Wasser geborgen wird, handelt es sich um eine Wasserleiche.
01:13:50
Auch dann, wenn sie nicht ertrunken ist.
01:13:52
Sie kann also vorher erschossen oder erdrosselt worden sein und dann erst ins Wasser abgelegt oder auch gefallen sein.
01:13:59
Wenn die Leiche dann einmal im Wasser ist, dann bleibt sie in der Regel aber nicht an der Oberfläche, sondern sinkt in die Tiefe.
01:14:06
Also bei der Badewanne ist es dann nicht besonders tief, aber definitiv bis zum Boden.
01:14:11
Dort beginnt dann circa nach spätestens sieben Tagen der Prozess der Fäulnisgasbildung, die du eben angesprochen hattest,
01:14:18
wodurch die Leiche Auftrieb bekommt und dann zurück an die Wasseroberfläche steigen kann.
01:14:23
Der polnische Schriftsteller Wieslaw Bozinski hat einmal gesagt,
01:14:28
Eines Tages schwimmt die Wahrheit doch nach oben, als Wasserleiche.
01:14:33
Es ist die Auferstehung der Toten.
01:14:35
Ja, aber nicht jede Wasserleiche taucht wieder auf.
01:14:38
Zum Beispiel dann nicht, wenn sich Tiere, wie zum Beispiel Krebse oder Fische, an ihr zu schaffen machen und dann die Gase entweichen lassen.
01:14:46
Oder wenn das Wasser zu kalt ist, dann läuft der Prozess der Fäulnis nämlich langsamer.
01:14:51
Bei Temperaturen von unter 5 Grad passiert tatsächlich relativ wenig und der Leichnam kann dann lange Zeit unter Wasser bleiben.
01:14:58
Wenn im Sommer dann die Temperaturen steigen, kann es sein, dass dann Leichen nach und nach dann doch wieder zurück nach oben kommen.
01:15:06
Wenn sie aber mehr als 40 Meter tief gesunken sind, dann ist es nicht nur wegen der Kälte,
01:15:11
sondern auch wegen des Drucks da unten sehr unwahrscheinlich, dass das passiert.
01:15:15
Im Bodensee zum Beispiel sollen laut Polizei ca. 100 Wasserleichen am Grund liegen.
01:15:20
Hm, schön, wenn man daran denkt, wenn man da auch schon mal schwimmen war.
01:15:24
Aber bei denen ist es halt super unwahrscheinlich, dass die nochmal auftauchen.
01:15:29
Auch überhaupt vermisste Personen in solch großen Seen wiederzufinden, ist wie die Nadeln im Heuhaufen zu suchen.
01:15:37
Ja, also die sind schwierig zu finden und noch schwieriger ist es natürlich im Meer Menschen zu finden.
01:15:43
Also, dass eine Wasserleiche wie im Fall von Jenny irgendwo entdeckt wird, ist also eher Zufall.
01:15:48
Die meisten solcher Leichen werden niemals gefunden.
01:15:54
Ja, und wenn sie gefunden werden, dann halt erst sehr spät.
01:15:57
Was es für Rechtsmedizinerinnen besonders schwierig macht, Erkenntnisse über das Zu-Tode-Kommen zu gewinnen.
01:16:03
Da gibt es nämlich einige Hürden, wie uns Professor Marcel Verhoff, Direktor des Instituts für Rechtsmedizin am Universitätsklinikum Frankfurt am Main, gesagt hat.
01:16:11
Je nach Haltungszustand der Wasserleiche ist die Obduktion deutlich schwieriger.
01:16:17
Haben wir zum Beispiel eine ausgedehnte Fettwachsleiche, kann man zum Teil wunderbar noch nach vielen Jahren einen Einschuss oder eine Stichverletzung sehen,
01:16:28
weil die Hautoberfläche teils wunderbar reliefartig vorhanden bleibt.
01:16:33
Es kann aber auch sein, dass man bestimmte Todesursachen nicht mehr findet, weil einfach die Organe in so eine Masse, wenn man so will, übergehen.
01:16:42
Ob man die Todesursache herausfinden kann, kommt also total darauf an, was die Todesursache war und wie die Leiche dann verwest ist, sagt Verhoff.
01:16:50
Ich wollte noch wissen, wie die Leichen dann aussehen.
01:16:53
Bei den Wasserleichen, die länger im Wasser liegen, liegt es einerseits immer daran, wie lang lagen die im Wasser und bei welchen Temperaturen.
01:17:02
Dann ist es abhängig davon, ob im Wasser Fische sind, die zum Beispiel Aas fressen.
01:17:08
Dann ist es davon abhängig, ob es zum Beispiel Schiffsverkehr gibt.
01:17:11
Was wir gar nicht selten haben, sind Schiffsschraubenverletzungen.
01:17:16
Und das nächste ist der Algenbewuchs.
01:17:18
Ich hatte schon einige Wasserleichen, wo ich gedacht habe, komisch, wo da überall Haare wachsen, über der Brust, aber auch am Kopf, im Gesicht.
01:17:27
Und beim näheren Hinschauen hat sich gezeigt, das waren gar keine Haare, sondern das waren Algen, die letztlich da angewachsen sind.
01:17:36
Dazu kommt, dass bei Wasserleichen einfach durch die Feuchtigkeitseinwirkung die Haut sehr aufgequollen ist.
01:17:43
Bei einer Wasserleiche ist es so, dass die Fäulnis einfach durch die gleichmäßige Temperatur im ganzen Körper sich relativ gleichmäßig ausbreitet
01:17:54
und dadurch der gesamte Leichnam wie aufgedunsen ist.
01:17:58
Und das führt dazu, dass das Gesicht eigentlich kaum noch erkennbar ist.
01:18:02
Und eine Wasserleiche zu identifizieren für Angehörige ist nahezu unmöglich, weil die Gesichtskonturen als solche da nicht mehr erkennbar sind, nach einer gewissen Zeit.
01:18:13
Du hast ja vorhin über den Todeszeitpunkt von frischen, in Anführungsstrichen, Wasserleichen geredet.
01:18:20
Bei welchen, die schon länger im Wasser lagen, ist die Berechnung noch viel ungenauer, sagt Professor Marcel Verhoff.
01:18:26
Der Todeszeitpunkt bei Wasserleichen ist besonders schwierig.
01:18:30
Und im Wesentlichen geht es dann darum, dass man sich überlegt, wann ist die Wasserleiche aufgetaucht, was hatten wir für Wassertemperaturen.
01:18:37
Aber genauere Eingrenzung der Todeszeit bei Wasserleichen ist kaum möglich.
01:18:42
Mit der Temperatur kann man nicht viel anfangen, weil sich im Wasser die Leichentemperatur sehr schnell der Wassertemperatur anpasst.
01:18:50
Wir haben auch keine systematischen Untersuchungen zu im Wasser lebenden Tieren, wie schnell sie ein Leichnam besiedeln, wie schnell sie fressen.
01:19:00
Also Todeszeit haben wir ganz schlechte Karten.
01:19:03
Ja genau, in Deutschland gibt es solche Untersuchungen nicht.
01:19:07
Aber in Kanada und zwar mithilfe von toten Schweinen am Meeresboden.
01:19:14
Schweine deshalb, weil deren Hautorgane und sogar die Darmflora ähnlich sind wie die von uns Menschen.
01:19:20
Und so können dann Rückschlüsse auf Wasserleichen gemacht werden.
01:19:24
Und deshalb liegen heute vor der Küste Vancouver Islands versenkte Schweinekadaver auf dem Meeresgrund.
01:19:31
Und die werden rund um die Uhr von Kameras überwacht und von Messinstrumenten getestet.
01:19:37
Dank dieser Forschung weiß man, dass auch Leichen im Wasser von Meerestieren besiedelt werden.
01:19:42
Aber im Gegensatz zum Land lassen diese Tiere das Gesicht aus.
01:19:47
Und auch Eintrittsstellen, wie zum Beispiel das Projektil, mit dem die Tiere getötet werden, tasten die nicht an.
01:19:53
Was ja ganz im Gegensatz zu den Insekten am Land ist, weil die besiedeln ja als erstes die Wunden.
01:19:58
Und auch Erkenntnisse bezüglich Todeszeitpunkt konnten gemacht werden,
01:20:02
weil die ForscherInnen herausgefunden haben, dass wenn eine Leiche auf sandigem Untergrund liegt,
01:20:08
dass sie dort schneller von zum Beispiel Garnelen besiedelt wird, als auf felsigem Boden.
01:20:13
Und die Idee für diese Studien an den Schweinen im Meer kam von der kanadischen Forensikerin Gail Anderson.
01:20:19
Und sie hofft, dass sie irgendwann mal statt Schweinen Menschen als Forschungsobjekte nutzen kann.
01:20:27
So wie das ja auch schon mancherorts an Land gemacht wird, wie zum Beispiel auf dieser Body Farm im US-amerikanischen Tennessee,
01:20:34
wo eben menschliche Leichen beim Verwesen beobachtet werden.
01:20:38
Das kannte ich bisher nur aus dem Buch von Simon Beckett.
01:20:41
Aber okay, es gibt es tatsächlich.
01:20:43
Aber eine Underwater Body Farm ist jetzt noch nicht geplant,
01:20:48
obwohl es nach kanadischem Recht eigentlich bereits möglich wäre.
01:20:52
Die Forensikerin sagt aber, so weit wäre die Gesellschaft noch nicht, dass sie das verstünde.
01:20:58
Und dabei finde ich, brauchen wir das ja.
01:21:00
Also mag ja sein, dass die Organe und die Darmflora von Schweinen ähnlich beschaffen sind wie bei uns.
01:21:07
Aber ich würde mal sagen, dass wir schon ein bisschen anders aussehen und gebaut sind.
01:21:12
Und was dann halt eben mit Armen und Beinen ist und so, das kann man dann ja auch nur bedingt davon ableiten.
01:21:18
Und ich meine, wenn man das genau kommuniziert, was da gemacht wird und Menschen ihre Körper dann freiwillig zur Verfügung dafür stellen,
01:21:25
dann finde ich, kann die Politik so ein Programm schon mal ins Leben rufen.
01:21:29
Es soll ja kein zweites Körperwelten werden.
01:21:32
Also dann sorgt man halt dafür, dass das abgesperrt wird im Dienste der Wissenschaft.
01:21:36
Ja genau, solange das nämlich nur für die Forschung genutzt wird.
01:21:40
Weil wie die in Tennessee nämlich schon wissen, ist da nämlich ein Riesenandrang, da auch mal eine Tour zu machen.
01:21:49
Weil ich auf der Website von denen gefunden habe, relativ weit oben steht,
01:21:54
Note, we do not provide tours of the body farm.
01:21:58
Und wenn die das schon damit reinschreiben müssen, dann haben die anscheinend ja richtig viele Anfragen,
01:22:05
dass man da auch einfach mal mit einem Touribus durchfahren möchte.
01:22:11
Ja, wie auf Safari.
01:22:12
Und die toten Körper sind dann in den Käfigen.
01:22:16
Und das ist tatsächlich so, ich habe Fotos davon mal bei einem Magazin gesehen.
01:22:20
Da durften JournalistInnen sich das offenbar ansehen und dann auch die Fotos veröffentlichen.
01:22:25
Was ich nicht ganz so toll finde, also dass man diese Fotos dann auch einem breiten Publikum zugänglich macht.
01:22:30
So journalistischer Zweck hin oder her, aber ich weiß nicht, wie Angehörige das finden
01:22:35
oder wie ich das finden würde als Angehörige, wenn eine Person aus meiner Familie in so einer Pose
01:22:41
mit Gesicht nach unten und Hintern nach oben beim Verwesen gezeigt wird dann in so einem Käfig.
01:22:47
Und auf der Seite kannst du übrigens auch direkt deine Körperspende, so nennt sich das, einreichen
01:22:52
und dafür ein Formular ausfüllen.
01:22:55
Solche Körperspendeprogramme sind ja super, aber es ist halt trotzdem irgendwie ein bisschen merkwürdig,
01:23:03
wenn da so steht, if you wish to donate your body, please complete this form.
01:23:07
Und dann musst du da so Sachen hinschicken.
01:23:11
Und ja, und die kriegen pro Jahr ungefähr 100 solcher Körperspenden.
01:23:17
Ich verstehe das auch.
01:23:19
Das ist ja für, ich meine was, für die menschliche Hülle, wie man so schön sagt, es ist einfach nichts mehr.
01:23:26
Also wer einen toten Menschen gesehen hat, weiß, da ist nichts drin.
01:23:28
Ja, das ist nicht, was der Mensch vorher war.
01:23:31
Und für dieses Ding ist das nur eine weitere Zwischenstation.
01:23:35
Du bekommst ja am Ende dann trotzdem eine Bestattung und alles.
01:23:40
So für die Angehörigen ist vielleicht nicht so toll, aber ich meine, am Ende ist es weiterhin ein natürlicher Kreislauf.
01:23:47
Du gibst der Erde wieder was zurück und das macht man bei Beerdigungen ja auch.
01:23:52
Also ich meine, da verwest das halt auch, aber halt unter der Erde.
01:23:57
Jetzt ist es ja nicht so, dass die Medizin gar nichts über Wasserleichen weiß.
01:24:02
Die können schon einige Sachen ermitteln an ihnen.
01:24:05
Und eine Erkenntnis ist für die Rechtsmedizin bei Wasserleichen besonders wichtig, hat mir Professor Ferhoff erzählt.
01:24:12
Bei frischen Wasserleichen geht es darum, die sogenannten Ertrinkungszeichen zu suchen.
01:24:17
Denn wir wollen ja immer wissen, ist die Person bereits tot ins Wasser gekommen oder ist sie im Wasser gestorben?
01:24:27
Ist sie zum Beispiel ertrunken?
01:24:29
Deswegen brauchen wir die sogenannten Ertrinkungszeichen.
01:24:32
Das ist zum einen der Schaumpilz, von dem ich vorhin gesprochen habe, aber auch die Ertrinkungslunge, die Jenny eben nicht hatte.
01:24:39
Wobei es da einen großen Unterschied macht, ob jemand im Süß- oder Salzwasser ertrunken ist.
01:24:44
Diese Ertrinkungslungen sind beim Süßwasser aufgeblasen, trocken.
01:24:50
Und beim Salzwasser sind diese Ertrinkungslungen nass.
01:24:55
Das weitere wichtige Ertrinkungszeichen ist Wasser in den Nebenhöhlen, Nasennebenhöhlen, Stirnhöhlen etc.
01:25:02
Das normalerweise da auch nicht hingehört.
01:25:06
Und was man noch finden kann, Zeichen von Wasser verschlucken.
01:25:09
Deswegen wird bei Wasserleichen der gesamte Markeninhalt in ein Glas gefüllt.
01:25:14
Und das lässt man über eine halbe Stunde stehen.
01:25:16
Und dann schaut man, ob sich verschiedene Schichten ausbilden und später glas, Wasser obendrüber aufsteht.
01:25:23
Diese Ertrinkungszeichen können aber durch zunehmende Fäulnis überdeckt oder nicht mehr gewertet werden, sagt Professor Verhoff.
01:25:30
Dann bleibt einem oftmals nichts anderes übrig, als sich einer anderen Methode zu bedienen,
01:25:35
um herauszufinden, ob die Person ertrunken ist, nämlich der Untersuchung auf Kieselalgen.
01:25:41
Kieselalgen kommen in vielen nicht gereinigten Gewässern vor, sind normalerweise nicht im menschlichen Körper.
01:25:47
Deswegen untersuchen wir verschiedene Organe, zum Beispiel die Nieren, zum Beispiel die Leber, zum Beispiel ein Stück vom Knochen
01:25:57
und schauen, ob dort Kieselalgen drin sind.
01:26:00
Und dort können nur dann Kieselalgen drin sein, wenn Kieselalgen oder, sagt auch, Diatomäen,
01:26:05
haltiges Wasser eingeatmet wurde und dann noch ein Kreislauf bestand.
01:26:09
Diese Diatomäen können also über die Lungenkapillaren aufgenommen werden, in den Kreislauf gelangen.
01:26:16
Und solange das Herz noch pumpt, von dort in die verschiedenen Organe und dort können wir sie hinterher nachweisen.
01:26:21
Professor Ferhoff hat übrigens auch einen Podcast, der sich um die Rechtsmedizin dreht.
01:26:26
Der heißt Rechtsmedizin, Dichtung und Wahrheit. Hört da gerne mal rein.
01:26:31
Geiligerweise handelt es sich beim Ertrinken eigentlich um einen Erstickungsvorgang.
01:26:35
Es ist ja nicht so, dass der Mensch wie ein Ballon mit Wasser vorläuft, sondern dass man keine Luftzufuhr mehr bekommt,
01:26:41
weil das Wasser oder andere Flüssigkeiten einem das versagen.
01:26:45
Und dabei läuft der Vorgang des Ertrinkens so ab.
01:26:48
Zuerst wird tief eingeatmet, wenn man dazu noch die Möglichkeit hat, und die Luft dann angehalten,
01:26:54
damit sich die Atemwege verschließen und kein Wasser eindringen kann.
01:26:57
Diese Phase kann unterschiedlich lang andauern, je nachdem, wie geübt man darin ist, die Luft anzuhalten.
01:27:03
Und in der Zeit steigt dann die Kohlendioxidkonzentration im Blut.
01:27:07
Das reizt das Atemzentrum, weil der Körper jetzt das Signal bekommt, wir brauchen Sauerstoff.
01:27:13
Und die Atmung setzt dann automatisch irgendwann wieder ein.
01:27:15
Dann schluckt man Wasser und hustenreizig ausgelöst.
01:27:19
Und ich kriege jetzt in dem Moment Beklemmung, wenn ich davon rede.
01:27:23
Wasser ist irgendwie nicht mein Element.
01:27:26
Und dann bildet sich eben dieser Schaumpilz, der gelangt aus den Atemwegen dann vor den Mund und vor die Nase und ist teilweise rötlich.
01:27:33
Weil das Gehirn nicht mehr mit Sauerstoff versorgt wird, verliert man dann das Bewusstsein, setzen Krämpfe ein und der Körper macht weiter Atembewegungen, bis die Atmung dann ganz aussetzt.
01:27:44
Ertrinken dauert in der Regel nur ein paar Minuten, drei, vielleicht fünf.
01:27:47
Aber es kommt auch darauf an, wie oft man in der Zeit noch Luft holen kann und auf die körperliche Beschaffenheit und in welcher Situation man ist, also ob man beispielsweise in Panik verfällt.
01:27:58
Man ertrinkt übrigens eher still.
01:27:59
Also manche können wegen eines Kälteschocks gar nicht mehr atmen und nach Hilfe schreien.
01:28:04
Also wenn man jemanden sieht, der immer das Wasser unter sich so wegtritt und sich nicht vorwärts bewegt, dann sollte man wachsam sein.
01:28:11
Als nächstes steht in unserem Sendeplan unsere Erfahrung zum Ertrinken.
01:28:17
Laura, wie meintest du das?
01:28:18
Ja, ob du schon mal fast ertrunken bist, zum Beispiel.
01:28:23
Ja, gefühlt jedes Mal.
01:28:25
Ich habe diesen natürlichen Reflex ja nicht, offenbar.
01:28:31
Mein Atemsystem sagt immer alles rein und Laura und ich waren neulich beide gemeinsam Wakeboarden.
01:28:38
Und ich verstehe gar nicht, wie man so viel Wasser schlucken kann.
01:28:42
Also das ist ja nicht bei jedem so, oder?
01:28:44
Schluckst du jedes Mal Wasser, wenn du...
01:28:46
Ich schluck gar kein Wasser.
01:28:47
Das ist ein Witz, Laura.
01:28:50
Es läuft alles rein.
01:28:52
Das ist ganz komisch, weil Paulina muss sich immer, auch wenn sie reinspringt, die Nase zuhalten.
01:28:57
Beim Wakeboarden geht das natürlich nicht.
01:28:59
Ne, ne, aber normalerweise, wenn du ins Wasser springst, kriegst sofort die Lunge voll.
01:29:04
Das ist ja ganz strange.
01:29:06
Ne, also ich hatte, das war jetzt so, glaube ich, vor zwei Jahren, da war ich im Meer und bin ein bisschen weiter rausgeschwommen, als ich, glaube ich, eigentlich sollte.
01:29:16
Und dann habe ich gemerkt, dass die Strömung so stark war, dass ich, ähm, ja, ich wollte dann wieder zur Küste schwimmen und habe aber gemerkt, ich komme nicht vorwärts, ich komme nicht vorwärts.
01:29:27
Und dann habe ich, ja, richtig Panik bekommen.
01:29:31
Und dann habe ich mich daran erinnert, was man ja beim Surfen lernt, ist, dass man dann sozusagen nicht, ja, gerade zu zurück zur Küste sich so bewegen soll, sondern so seitlich, ne.
01:29:41
Und dann hat das auch irgendwann geklappt, aber deswegen verstehe ich das mit, was du gerade gesagt hast, mit der Panik.
01:29:47
Also, das kann man sich gar nicht vorstellen, was das dann für eine Gewalt und was für ein Sog das sein kann im Meer.
01:29:54
Weißt du, was mir mal passiert ist auf Bali, ähm, auch beim Surfen, da hat mich mein Surflehrer in eine Welle geschickt, die ich in jedem Fall verloren hätte, ja.
01:30:05
Und die ist sofort über mir eingebrochen, hat mich unter Wasser gewirbelt.
01:30:09
Und unter Wasser habe ich dann irgendwas ins Gesicht gekriegt.
01:30:12
Also, lass es das Board gewesen sein oder ob am Riff, ich weiß es nicht mehr, auf jeden Fall total aufgeknallt.
01:30:18
Und ich wurde so doll umgewirbelt, dass ich total die Orientierung verloren habe.
01:30:23
Es war alles hellgrün, also ich habe nichts gesehen.
01:30:27
Und ich bin dann ganz panisch, habe ich immer versucht, mich vorwärts zu bewegen und habe dann aber schon gemerkt, mir geht langsam die Luft aus.
01:30:35
Und in diesem Moment habe ich mich dann an irgendeine Talkshow erinnert, wo jemand saß, der von einer Nahtoderfahrung beim Ertrinken berichtet hat.
01:30:43
Und da haben sie gesagt, dass man halt bei sowas sich eher treiben lassen soll, weil dadurch, dass du so umgewirbelt wirst und keine Orientierung hast, kann es ja sein, dass du, also du weißt ja gar nicht, wo oben und unten ist.
01:30:54
Und im Zweifel schwimmst du dann die ganze Zeit nach unten.
01:30:58
Und dann habe ich halt einfach nichts gemacht und bin dann irgendwie nach oben gekommen und hatte dann blutunterlaufenes Auge, netterweise.
01:31:07
Aber es ist so komisch, dass man dann in solchen Situationen trotzdem dann nochmal so kurze, klare Momente hat, in denen man sich an irgendwas erinnert.
01:31:15
Menschen, denen es auf keinen Fall so gehen sollte wie uns beim Tauchen oder so, sind beispielsweise PolizeitaucherInnen.
01:31:26
Denn die suchen in Seen oder kleineren Gewässern nach Wasserleichen.
01:31:33
Und die sind auch speziell ausgebildet, also da bereitet man sich in der Regel mehrere Monate auf so einen Fitnesstest vor.
01:31:39
Und wenn man den dann bestanden hat, dann muss man auch noch eine mehrwöchige Ausbildung hinter sich bringen.
01:31:43
Und in manchen Bundesländern wird dann auch das Tauchen ohne Sauerstoffflasche geübt.
01:31:48
Und ich wollte jetzt mal wissen, wie lange Menschen das eigentlich können, maximal.
01:31:53
Was glaubst du, wie lange können die unter Wasser sein ohne Sauerstoff?
01:32:00
Also es kommt ja darauf an, wie trainiert man es.
01:32:03
Ja genau, also ich meine, ich rede jetzt von diesen professionellen Abnoe-TaucherInnen, so nennt sich das ja.
01:32:09
Machen die dabei ganz doll anstrengende Sachen?
01:32:14
Aber manche gehen zum Beispiel ganz tief runter, aber ich meine jetzt einfach nur, denen es darum geht, so lang wie möglich die Luft anzuhalten.
01:32:22
Ich bin mutig, ich sage vier Minuten.
01:32:24
Über zehn Minuten.
01:32:28
Rate, wie lange ich es geschafft habe.
01:32:30
Oder ich sage es dir nicht und du machst es jetzt kurz und guckst, wie lange du es aushalten kannst.
01:32:37
Okay, kannst du mir in der Zeit noch was erzählen oder muss ich das jetzt hier live machen?
01:32:43
Ja, ich erzähle dann noch weiter was über PolizeitaucherInnen, okay?
01:32:47
Ja, also jetzt zurück zu den PolizeitaucherInnen, die das ja auch üben, längere Zeit unter Wasser, die Luft anzuhalten.
01:33:00
Normalerweise sind die aber mit Sauerstoffflaschen unterwegs.
01:33:03
Und je nachdem, in was für einem Gewässer die sind, kann es sein, dass sie da nichts sehen.
01:33:09
Null-Sicht heißt das.
01:33:09
Und dann müssen die mit ihren Händen alles ertasten, also durch ihre Handschuhe.
01:33:15
Und weil Wasserleichen zum Teil extrem instabil sind, versuchen sie, die erstmal an ihrer Kleidung festzuhalten oder irgendwie mit Leinen zu sichern.
01:33:26
Weil da geht es quasi darum, sie nicht zu verletzen, damit sie eben bei der Obduktik...
01:33:33
Ja gut, da war ich länger.
01:33:36
Aber wenn ich dir das gesagt hätte, hättest du bis 1,06 gemacht.
01:33:42
Oh mein Gott, du hast recht.
01:33:45
Du weißt, dass ich lieber ohnmächtig geworden wäre, als dass ich dich hätte gewinnen lassen.
01:33:50
Es wäre deine Chance gewesen.
01:33:54
Man kann es ein bisschen hinauszögern, weil ich auch bei 45 dachte so, hm, eigentlich kein Bock mehr, aber über 10 Minuten ist natürlich unglaublich.
01:34:03
Aber kommen wir jetzt mal zurück zu den PolizeitaucherInnen, die eben so vorsichtig sein müssen, wenn sie die Leichen aus dem Wasser holen.
01:34:12
Was heißt instabil?
01:34:14
Also die fallen auseinander dann?
01:34:19
Also es geht, glaube ich, erstmal vor allen Dingen darum, dass man sie nicht verletzt, damit sie dann bei der Obduktion noch so ganz wie möglich sind.
01:34:27
Aber ja, sie können auch auseinanderfallen.
01:34:31
Das hört sich jetzt ein bisschen grafisch an.
01:34:34
Aber es können sich Körperteile lösen, wenn die jetzt ziemlich lange im Wasser liegen.
01:34:39
Und wenn die Gefahr besteht, dann werden die Leichen mit einem Leichensack oder mit einem Netz sozusagen aus dem Wasser gefischt.
01:34:46
Ich wollte gerade sagen, Jennifer, du bist der Taucher und hast ihn so am Kragen und da schwimmt der Arm.
01:34:52
Ja, das sollte nicht passieren.
01:34:54
Stell dir überhaupt mal vor, du bist dieser Taucher oder diese Taucherin.
01:34:57
Ich habe ja gerade mich disqualifiziert für diesen Job.
01:35:01
Ja, die haben ja meistens ihre Sauerstoffflasche dabei.
01:35:04
Ich glaube trotzdem, dass man die Luft ein bisschen anhalten können sollte und nicht sofort Wasser schlucken sollte, wenn man das macht.
01:35:10
Können wir uns darauf einigen, bitte, dass ich nicht geeignet bin?
01:35:13
Du bist ungeeignet.
01:35:15
Vielleicht bewerbe ich mich dann als Taucherin bei der Marine.
01:35:19
Und während die PolizistInnen unten im Wasser sind und suchen, sind sie mit ihren KollegInnen an Land verbunden.
01:35:26
Also wir haben so eine Sprechverbindung.
01:35:28
Aber trotzdem sind die da unten ja irgendwie allein.
01:35:31
Und wenn sie dann tatsächlich mal eine Leiche finden, dann ist das für viele extrem belastend, wie man sich denken kann.
01:35:39
Reinhard Gläser, Polizeioberkommissar aus Nürnberg, hat gegenüber unterwasser.de gesagt,
01:35:45
dass er sich noch heute an seine erste Leiche erinnern kann und die Bilder noch im Kopf hat.
01:35:51
Dabei fand er die 1987.
01:35:54
Und so geht es vielen seiner KollegInnen.
01:35:58
Immer wieder haben sie mit posttraumatischer Belastungsstörung zu kämpfen,
01:36:01
weil das halt Bilder sind, die man nicht mehr rauskriegt aus dem Kopf.
01:36:05
Und deshalb wird auch dafür gesorgt, dass den TaucherInnen nach ihren Einsätzen psychologische Hilfe zur Verfügung steht.
01:36:12
Also ich meine, wir kennen alle diese Taucherbilder von der Titanic, von dem Film.
01:36:17
Und in echt ist es ja aber da unten so krass dunkel.
01:36:21
Du siehst ja gar nicht, also wenn es jetzt so ein Tümpel ist oder so, du siehst ja auch gar nicht viel.
01:36:26
Und dann hast du vielleicht ein Meter Sichtfeld und auf einmal steht dann da, schwimmt dann da jemand vor dir.
01:36:32
Das ist so gruselig.
01:36:34
Ja, und das sind ganz normale PolizistInnen, ja.
01:36:36
Da kann man ja einen gar nicht drauf vorbereiten.
01:36:40
Möchtest du zum Schluss noch eine Geschichte aus meiner Kindheit hören?
01:36:45
Also als Kind bin ich tatsächlich mal fast ertrunken.
01:36:48
Und zwar bin ich da schön ohne Schwimmflügel rein, wie man das dann macht.
01:36:54
Und ich kann mich noch genau, also ich bin in den Pool gesprungen.
01:36:59
Also wie alt warst du da?
01:37:01
Also ich muss da so vier gewesen sein wahrscheinlich.
01:37:04
Und das war ein Pool und da bin ich reingesprungen und ich kann mich noch daran genau erinnern, wie ich unter Wasser dann auf einmal war.
01:37:13
Und dann verlief alles in Zeitlupe, weil ich dann ja auch gemerkt habe, oh shit, so tief bin ich noch nie irgendwo reingesprungen, weil man ja sonst mit Schwimmflügel oben bleibt.
01:37:24
Und ich habe die ganzen Luftblasen aufsteigen gesehen in Zeitlupe.
01:37:27
Und dann diesmal Julian, mein Held.
01:37:34
Mein großer Bruder hat mich gerettet.
01:37:37
Oh, da musstest du aber richtig viele Nutella-Toasts verschmieren dann danach wahrscheinlich.
01:37:41
Da war er noch neun, da war er noch lieb zu mir.
01:37:44
Da hat er mich noch gerettet.
01:37:46
Aber es war jetzt auch nicht so dramatisch, wie man das vielleicht denkt.
01:37:49
Also es war ja in einem Pool bei Freunden und meine Mama war auch in der Nähe.
01:37:53
Also sie hätte mich wohl ansonsten rausgefischt.
01:37:55
Aber trotzdem, das ist auf jeden Fall ein Moment, wo mein Bruder geglänzt hat als Bruder.
01:38:01
Ja, das eine Mal.
01:38:02
Es gibt übrigens nochmal die Möglichkeit uns in diesem Sommer live zu sehen, zugegebenermaßen für nicht sehr viele Leute.
01:38:11
Wegen Corona natürlich.
01:38:12
Und zwar am 23.8. in Bremen.
01:38:16
Und die Tickets könnt ihr nur gewinnen.
01:38:18
Und zwar ab dem 10.8. bei uns auf Instagram, bei Mordlust der Podcast und bei Bremen Next auf deren Instagram und im Radio.
01:38:26
Und ja, wir freuen uns dann nochmal, mal wieder ein paar von euch kennenzulernen, weil das war ja jetzt lange Zeit nicht.
01:38:33
Fünf Menschen und die Besatzung von Radio Bremen.
01:38:36
Nein, ein bisschen mehr sind es schon.
01:38:40
Das war ein Podcast von Funk.