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Als du als Redakteurin gearbeitet hast, hast du da mal einen Nachruf geschrieben?
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Ja, ich habe zwei geschrieben und zwar einmal Mick Jagger, es ist noch nicht ausgestrahlt
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worden. Und dann habe ich noch einen zweiten geschrieben, der ist schon gelaufen und zwar
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Stephen Hawking. Und bei Mick Jagger hast du denn was erzählt?
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Ja, ich habe alles, was er bis dahin geschafft hatte, das war glaube ich 2018, dass ich den
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Nachruf produziert habe, bis halt 2018 sozusagen. Und ich weiß ja, dass das jetzt jedes Jahr
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überarbeitet wird und dann noch was dazu kommt, hinten ran geschnibbelt. Bin gespannt, wie
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der Beitrag dann irgendwann mal aussieht, wenn es dann soweit ist.
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Also falls ja jemand die gängige Praxis nicht kennt, im Journalismus werden Nachrufe für
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berühmte Personen geschrieben, auch wenn sie noch nicht tot sind. Das heißt, jede sehr
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alte oder kranke berühmte Person kann eigentlich damit rechnen, dass schon Nachrufe existieren.
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Damit man halt dann eben schnell reagieren kann, wenn es dann soweit ist. Also jedes Medium
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hat safe für die Queen schon Nachruf fertig und die werden dann, wie du schon sagst, alle
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Jahre oder alle zwei Jahre mal überarbeitet. Manche würden vielleicht sagen, das ist ein bisschen
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makaber, aber es ist auch nachvollziehbar. Weil du dann ja eigentlich nur hinten aktualisieren
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musst und vorne, wenn du sagst, Person A, B ist dann und dann an irgendwas gestorben.
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Ihr Leben oder sein Leben war sehr bewegt. Schwarzblende, Rückblick.
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So, blöd ist nur, wenn ein Nachruf da natürlich aus Versehen rausgeht, obwohl die Person noch
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gar nicht tot ist. Und das ist gerade einem französischen Radiosender auf seiner Webseite
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passiert. Da ist irgendwas schiefgelaufen und plötzlich waren hunderte Promis tot.
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Darunter natürlich auch die Queen, Brigitte Bardot, Clint Eastwood und so.
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Aber Brigitte Bardot ist ja schon tot.
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Und Clint Eastwood ist ja nicht auch letztens gestorben?
00:02:18
Meine Quelle sind ein französischer Radiosender.
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Das Bedauerliche ist ja tatsächlich, dass man ganz oft bei so alten Menschen denkt, die sind
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Das sind dann wahrscheinlich die Nachrufe, die wir alle schon in unseren Köpfen produziert
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Aber 2012 ging beim Spiegel online ein Nachruf über George Bush raus, obwohl der da auch
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noch gar nicht verstorben war.
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Also Senior jetzt.
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Und die Überschrift lautete, zum Tode des 41.
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US-Präsidenten, Doppelpunkt, Launch nur nach Absprache mit CVD.
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Für alle, die nicht wissen, was CVD bedeutet, das ist der Chef bzw. die Chefin vom Dienst.
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Und das ist die Person, die halt die Redaktion zu diesem Dienst leitet und dann halt was zu
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sagen hat und die letzten Entscheidungen trifft.
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Und auf jeden Fall, das wurde ja offenbar nicht mit dem CVD oder der CVD abgesprochen.
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Und der Autor bezog sich in seinem Nachruf sogar auf Nachrufe von US-Medien und hat die
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als fast schon elegisch bezeichnet, obwohl es ja noch gar keine gab.
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Wie abgefahren ist das?
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Das finde ich richtig gut.
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Ich habe mir gedacht, ich finde das eigentlich gar nicht so schlecht, wenn man seinen eigenen
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Nachruf vorher schon mal lesen könnte.
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Ich würde nämlich schon wissen wollen, was da drin steht.
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Ja, weil jeder Redakteur und jede Redakteurin muss sich ja halt auf Sachen spezialisieren,
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weil normalerweise sind die Beiträge, also die ich gemacht habe, waren drei bis fünf
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Minuten lang, nicht länger.
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Und da musste man sich dann ja wirklich schon entscheiden.
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Und bei Mick Jagger war natürlich die Musik, aber auch seine ganzen Eskapaden und so weiter.
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Von daher verstehe ich den Gedanken.
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Ja, und ich würde das auch überprüfen wollen, ob die Leute kreativ genug sind, ob sie sich
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dann halt da die richtigen Sachen rauspicken und so.
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Du könntest ja deinen eigenen Nachruf einfach produzieren und an die verkaufen.
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Ja, nee, pass auf, ich habe das mir jetzt anders vorgestellt, weil ich dachte, wenn eventuell
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sollten wir mal irgendwann möglicherweise diesen Podcast beerdigen, dann finde ich, sollten
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unsere Zuhörer und Zuhörerinnen einen Nachruf über den Podcast schreiben.
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Und ich finde, das könnten wir jetzt schon mal angehen, damit es dann auch, sobald es endet,
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dann ist es schon in allen Medien gestreut.
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Und ich finde, wir könnten jetzt die Tage mal dazu einen Post auf Instagram bereitstellen und dann können
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die Leute schon mal da schreiben, an was sie sich vom Podcast so erinnern werden.
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Ich finde, sie sollten aber auch schreiben, was der Grund ist, warum man sich jetzt auflöst,
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warum der Podcast jetzt endet.
00:05:14
Das finde ich auch witzig.
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Ideen meinst du?
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Was sie glauben, was der Grund sein wird und der muss dann halt vorne ran und dann der
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Nachruf auf den Podcast.
00:05:25
Gut, da könnt ihr euch dann kreativ verausgaben und wir machen dann ein Best-of.
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Ja, und zu gewinnen gibt es nichts.
00:05:34
Und damit herzlich willkommen zu Mordlust, dem Podcast, der noch lange nicht tot ist und
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den wir so lange weiter reiten, bis uns niemand mehr hören will.
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Der ist von Funk, von ARD und ZDF und wir reden hier über wahre Verbrechen und ihre Hintergründe.
00:05:48
Mein Name ist Paulina Kraser.
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Und ich bin Laura Wohlers.
00:05:51
In jeder Folge gibt es ein Oberthema, zu dem wir zwei wahre Fälle nacherzählen, darüber
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diskutieren und mit Experten und Expertinnen sprechen.
00:05:58
An manchen Stellen sind wir ja auch mal ein bisschen lockerer miteinander.
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Das hat aber nichts damit zu tun, dass wir das Thema nicht ernst genug nehmen, sondern
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das ist für uns so eine Art Comic-Relief, damit wir zwischendurch auch mal aufatmen können.
00:06:10
Das ist aber natürlich nie despektierlich gemeint.
00:06:12
Wir hatten euch ja letztens nach euren Geschichten gefragt, also ob ihr schon mal einem
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Verbrechen zum Opfer gefallen seid.
00:06:19
Und auf diesen Aufruf hin haben wir tatsächlich viele E-Mails bekommen und zwar so viele, dass
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wir es leider nicht geschafft haben, jetzt allen zu antworten.
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Aber eure Geschichten haben uns sehr betroffen gemacht und vielen Dank, dass ihr das mit uns
00:06:35
Aber aufgrund der Zeit erzählen wir jetzt nur zwei Geschichten.
00:06:38
Und bei diesen Geschichten, da ändern wir jetzt mal die Perspektive und schildern die Fälle
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aus der Sicht der Betroffenen.
00:06:47
Und deswegen gehen wir heute auch noch mal ein bisschen weiter in der Erzählung, weil
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normalerweise enden unsere Geschichten ja oft dann, wenn jemand im Gefängnis sitzt.
00:06:55
Und heute nehmen wir euch auch noch so ein bisschen mit in die Zeit danach.
00:06:59
Und das machen wir auch heute im hinteren Teil.
00:07:02
Da geben wir euch nämlich Updates zu den Fällen, die wir bisher im Podcast besprochen haben.
00:07:07
Mein Fall heute ist der von Elisa.
00:07:10
Das ist eine unglaublich mutige, starke und reflektierte junge Frau, die mir von ihrem
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Überleben und dem Leben danach erzählt hat.
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Paulina hat ja gerade schon gesagt, wir erzählen aus der Ich-Perspektive, also was jetzt
00:07:24
kommt, hört sich so an, als wären es Elisas Worte.
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Es sind aber meine, die sie abgenommen hat.
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Die Trägerwarnung findet ihr in der Folgenbeschreibung.
00:07:32
Der gestrige Abend ging lang, länger als erwartet.
00:07:37
Und er war feuchtfröhlich.
00:07:39
Aufgewacht bin ich mit einem leichten Kater und deshalb weiß ich schon genau, wie dieser
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Sonntag aussehen wird.
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Obwohl das Wetter draußen toll ist, werde ich faul zu Hause rumliegen.
00:07:50
Nervig ist nur, dass ich irgendwann im Laufe des Tages wieder zurück nach Freiburg muss,
00:07:55
weil morgen Arbeit auf dem Plan steht.
00:07:58
Die Stadt, auf die ich mich schon so gefreut hatte.
00:08:01
Die so viel spannender schien als das Dorf, in dem ich aufgewachsen und in dem ich gerade
00:08:07
Eine Stadt, die mir versprochen hat, Veränderungen in mein Leben zu bringen und die dann doch viel
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schwerer zu erobern ist, als ich es mir gedacht habe.
00:08:15
Erstmal wochenlang keine Wohnung gefunden und dann nach zehn Tagen im neuen Job mit dem
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Fahrrad hingeflogen.
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Ja, Freiburg macht es mir nicht leicht.
00:08:24
Aber morgen kann ich nach Wochen endlich wieder arbeiten.
00:08:27
Darauf freue ich mich schon.
00:08:29
Nicht so sehr aber auf die Kollegen und Kolleginnen in der Praxis.
00:08:32
Die waren nämlich nicht so verständnisvoll.
00:08:35
Aber das kann ich irgendwie verstehen.
00:08:38
Ich hatte auch ein schlechtes Gewissen.
00:08:39
Habe ich immer, wenn ich mich krank schreiben muss.
00:08:42
Aber mit Stützen kann man ja auch schlecht als Arzthelferin arbeiten.
00:08:46
Naja, dieses Wochenende bei meinen Eltern hatte ich sie das erste Mal zu Hause gelassen.
00:08:50
Und das war befreiend.
00:08:52
Ich habe das Gefühl, es kann jetzt wieder losgehen.
00:08:55
Ein Neustart in Freiburg.
00:08:57
Am frühen Abend sitze ich im Zug Richtung neuer Heimat.
00:09:01
Aussteigen am Freiburger Hauptbahnhof.
00:09:04
Die erste Straßenbahn gerade verpasst.
00:09:06
Zehn Minuten warten und dann in die Linie 1.
00:09:08
Von der Haltestelle muss ich dann nur noch zwei Minuten gehen.
00:09:12
Ich sehe schon den großen Wohnkomplex vor mir aufragen, als mich auf einmal ein Mann streift.
00:09:16
Er geht so schnell und nah an mir vorbei, dass ich mich erschrecke.
00:09:20
Der Fremde steuert schnurstracks auf meine Haustür zu.
00:09:23
Kurz nach ihm betrete ich das Gebäude, in dem ich im April schließlich doch noch ein Zimmer fand
00:09:28
und in dem ich seit knapp zwei Monaten wohne.
00:09:30
Zusammen mit meinem Mitbewohner Dominik, der eigentlich immer zu Hause ist.
00:09:35
Doch heute ist das anders.
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Als ich die Tür zur Wohnung aufschließe, höre ich
00:09:42
Gefühlt bin ich das erste Mal wirklich alleine in der Erdgeschosswohnung.
00:09:45
Ich lege meine Tasche ab, ziehe mich um und gehe in die Küche.
00:09:49
Dort kram ich in Schubladen und Schränken, auf der Suche nach etwas Essbarem, als es an der Tür klingelt.
00:09:54
Ich erwarte niemanden und deshalb ignoriere ich das.
00:09:58
Vielleicht habe ich mich ja auch verhört.
00:10:00
Doch da ist es wieder.
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So penetrant kann ja nur mein Mitbewohner sein, der seinen Schlüssel vergessen hat.
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Also stiefle ich zur Wohnungstür und öffne diese simultan zum Drücken des Summers
00:10:11
in der Erwartung, dass mir Dominik gleich im Flur entgegenkommt.
00:10:18
Okay, bei mir klingelt es gerade.
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Was mache ich denn jetzt?
00:10:41
Okay, wer war's?
00:10:49
Ich hab Homeoffice-freundliche Hosen bestellt.
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Doch ich zucke zusammen.
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Denn direkt vor mir steht jemand.
00:11:01
Ein fremder Mann.
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Wie ist der ins Haus gekommen?
00:11:08
Hat er einen Asthma-Anfall?
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Ich frage, wie ich helfen kann.
00:11:11
Doch der junge Mann kann kein Deutsch und auch kein richtiges Englisch.
00:11:14
Er atmet einfach nur schwer und sagt, please help.
00:11:17
Was soll ich jetzt machen?
00:11:19
Der Mann braucht Hilfe, aber wieso muss er damit gerade zu mir kommen?
00:11:23
Ich frage ihn, ob ich die Polizei verständigen soll oder ob er irgendwen anrufen möchte.
00:11:27
Doch er schüttelt den Kopf, legt seinen Finger an den Mund und macht, pssst, no police.
00:11:35
Ich bitte ihm Wasser an und er erwidert, yes, water.
00:11:39
Ich schließe die Wohnungstür und denke, ich hol mir lieber mal mein Handy, falls ich doch
00:11:44
noch den Krankenwagen rufen muss und mache einen Umweg in mein Zimmer, bevor ich in die Küche
00:11:48
Dort steht eine angebrochene kleine Wasserflasche.
00:11:52
Ich greife nach ihr und frage mich, kann ich dem Mann jetzt eine angebrochene Flasche
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anbieten und verwerfe den Gedanken gleich wieder, das ist ihm doch jetzt egal, hauptsache
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Ich öffne die Tür und reiche ihm die Flasche, die er in einem Zug leer trinkt.
00:12:06
Dann frage ich, was jetzt?
00:12:08
Da streckt er mir die Flasche hin.
00:12:12
Okay, ich drehe mich um, schubse die Wohnungstür zu und mache mich auf den Weg ins Bad.
00:12:17
Während ich Wasser in die Flasche fülle, höre ich nicht, wie die Tür
00:12:22
Hat er sie aufgehalten?
00:12:24
Dann höre ich doch noch, wie sie im Schloss einrastet.
00:12:30
Und dann Schritte im Flur.
00:12:33
Als ich aus dem Badezimmer trete, trifft mich ein Schlag.
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Mit solcher Wucht, dass ich zu Boden falle.
00:12:38
Der Mann steht über mir und dann prasseln Tritte auf mich ein.
00:12:42
Ich schreie laut nach Hilfe, bis er sich runterbeugt und meinen Hals in seine Hände nimmt.
00:12:48
So fest, dass ich nicht mehr schreien kann.
00:12:50
Was mache ich jetzt?
00:12:52
Wenn ich mich nicht befreie, wirkt er mich zu Tode.
00:12:55
Das heißt doch, man soll einem Angreifer in die Augen drücken, so fest man kann.
00:12:59
Das versuche ich, doch ich kann sein Gesicht nicht erreichen.
00:13:02
Das Einzige, wo ich hinkomme, ist sein Schritt.
00:13:05
Und da greife ich hin und drücke so fest, wie ich kann, zu.
00:13:09
Daraufhin nimmt er die Hände von meinem Hals und das ist meine Chance, mich von ihm zu lösen.
00:13:13
Ich schaffe es irgendwie, bis in die Küche zu robben, doch da wirft er sich wieder auf mich.
00:13:18
Wieder seine Hände an meinem Hals.
00:13:21
Er drückt wieder zu.
00:13:23
So lange, bis ich irgendwann nicht mehr richtig sehen kann und alles um mich herum ganz weich und dumpf wird.
00:13:29
Tausend kleine Ameisen laufen durch meinen Kopf.
00:13:32
Ich bin mir sicher, ich sterbe jetzt.
00:13:35
Doch mein Überlebenswille ist stärker.
00:13:38
Ich winde mich und rutsche noch näher zu den Schubladen mit den Messern.
00:13:42
Da lässt er plötzlich locker und ich kann mir eins schnappen.
00:13:45
Ich springe auf und laufe zum Küchenfenster, reiße es auf und lasse mich etwas mehr als einen Meter in die Tiefe fallen.
00:13:51
Ich finde mich auf dem mit Gras bedeckten Innenhof wieder und schreie.
00:13:55
Von oben sehen Menschen aus ihren Fenstern auf mich herab, fragen mich, was los sei.
00:13:59
Ich kann nicht antworten und renne schreiend weiter.
00:14:02
Da kommt jemand auf mich zu, keine Ahnung, wer das ist,
00:14:05
und kurze Zeit später sitze ich bei Fremden im Wohnzimmer.
00:14:08
In diesen Minuten fühle ich nichts und denke auch nichts.
00:14:13
Der Rettungswagen bringt mich schließlich ins Krankenhaus.
00:14:16
Da liege ich dann in einem Bett und merke, wie eine Krankenschwester sich über mich beugt.
00:14:20
Kalter Rauch steigt mir da in die Nase.
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So hat er auch gerochen.
00:14:24
Er kriege Angst, will, dass diese Frau verschwindet.
00:14:27
Später dann kommt eine Frau von der Kripo, die mich fragt, wie der Angreifer aussah.
00:14:32
Ich erzähle, an was ich mich erinnern kann.
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Ein dunkler Typ mit schwarzen Haaren, mit Muttermalen im Gesicht.
00:14:39
Als die Polizistin weg ist, frage ich mich, ob das überhaupt stimmt.
00:14:48
Bei einer zweiten Befragung am nächsten Tag erkläre ich, dass ich nicht glaube, das stimmt, was ich ausgesagt habe.
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Ganz ehrlich, ich kann nicht mal mit Sicherheit sagen, ob der Typ schwarze oder hellblonde Haare hatte.
00:15:00
Mit dem nächsten Tag kommen die Schmerzen.
00:15:02
Mein ganzer Körper tut mir weh.
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Jeder einzelne Muskel, von dessen Existenz ich nicht mal wusste.
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Alles ist überseht mit blauen Flecken.
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Mein linkes Auge schwillt so zu, dass ich fast nichts mehr sehen kann.
00:15:12
Und mein Hals ist feuerrot.
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Ich kann schlecht sprechen und noch schlechter schlucken.
00:15:17
Nach den ganzen Untersuchungen sagt der Arzt zu mir, dass der Angriff auch tödlich hätte ausgehen können.
00:15:24
Ich habe nämlich wohl diese roten kleinen Pünktchen im Auge, die darauf schließen lassen, dass hätte er ein bisschen länger zugedrückt, ich gestorben wäre.
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Weshalb kriegt man die nochmal?
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Diese kleinen Rötungen, die nennt man Petechien.
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Das sind kleine Blutungen.
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Und die entstehen, wenn die Halsvene so doll zugedrückt wird, dass ein Blutstau entsteht und das Blut dann irgendwo raus muss, weil halt so viel Druck herrscht.
00:15:51
Und das ist halt oft erstmal über die Schleimhäute.
00:15:54
Als der Arzt mir das erklärt, bin ich erleichtert.
00:15:58
Weil es zeigt doch, dass ich mir das nicht ausgedacht und auch nicht übertrieben habe.
00:16:03
Ich hatte Todesangst, weil ich kurz vor dem Tod stand.
00:16:06
Außerdem realisiere ich jetzt erst, warum der Mann mich angegriffen hat.
00:16:10
Er wollte mich wahrscheinlich vergewaltigen, weil mitgehen lassen hat er nichts.
00:16:15
Am Donnerstag kann ich das Krankenhaus verlassen.
00:16:18
Für Freitag bin ich krankgeschrieben.
00:16:20
Als ich in die Wohnung komme, fühle ich mich okay.
00:16:23
Ich will nur nicht alleine sein.
00:16:25
Und deshalb nimmt mich Dominik am Freitag überall mit hin.
00:16:28
Das ist lieb von ihm.
00:16:30
Doch ich merke schnell, dass ich nicht will, dass andere ihren Tag um mich herum planen.
00:16:35
Ich will keine Umstände machen.
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Zwar habe ich schon das Gefühl, dass alle gerne helfen, aber mir ist das irgendwie unangenehm.
00:16:42
Es wird ja auch so gehen.
00:16:44
Muss es ja früher oder später eh.
00:16:46
Und so gehe ich Montag auch schon wieder zur Arbeit.
00:16:48
Kann ja nicht wieder fehlen.
00:16:51
In dieser Woche muss ich dann auch nochmal zur Polizei, um bei den Ermittlungen zu helfen.
00:16:55
Denn den Mann haben sie bisher nicht gefunden.
00:16:57
Sie vermuten, dass er in meinem Haus wohnen könnte, weil er ja schon im Hausfluss stand, als ich ihm die Tür aufmachte.
00:17:04
Meine Aufgabe ist es jetzt, eine Skizze zu zeichnen, darüber, wer wo in meinem Haus wohnt.
00:17:09
Dabei wird mir klar, dass ich das gar nicht weiß.
00:17:12
Und da ich ja auch nicht mehr weiß, wie der Angreifer aussah, kann es eigentlich jeder gewesen sein.
00:17:17
Dieser Gedanke begleitet mich ab jetzt.
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Ich bin in der Habeachtstellung, 24-7.
00:17:22
Und immer wieder bekomme ich unvermittelt Angst.
00:17:25
Dann, wenn ich zum Beispiel die Türklingel höre.
00:17:27
Einmal klingelt irgendein Vertreter an der Tür.
00:17:31
Ich weiß nicht, was ich machen soll.
00:17:33
Er hört nicht auf.
00:17:34
Und ich sitze weinend hinter der Tür und hoffe, dass er endlich weggeht.
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Da weiß ich, die Türklingel ist ein Trigger.
00:17:41
Und kalter Rauch, wie der auf der Krankenschwester.
00:17:44
Aber auch Personen, die irgendwas von mir wollen.
00:17:47
Einmal, als ich in einem Einkaufszentrum bin und mich jemand anspricht, gehe ich einfach weiter aus Angst.
00:17:52
Ich habe das Gefühl, dass die Person mir hinterherkommt und nicht mehr aufhört, irgendwas von mir zu wollen.
00:17:56
Mit der Zeit tauchen immer mehr Trigger auf und damit auch meine Angst vor denen, die ich noch nicht kennengelernt habe.
00:18:03
Dazu kommen die Träume.
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Einer, bei dem ich das Gefühl habe, wach zu sein, mich aber nicht bewegen zu können, während am Bett neben mir eine Person steht und auf mich herunterschaut.
00:18:13
Der wechselt sich ab mit einem Traum, in dem ich fliehe und eine Tür hinter mir zumachen will, aber das Schloss nicht einrastet oder ich den Schlüssel nicht drehen kann.
00:18:23
Im Januar fängt dann meine Therapie an.
00:18:25
Ich habe sie bitter nötig.
00:18:27
Gut, dass ich mich kurz nach der Tat habe überreden lassen, mich um so einen Platz zu kümmern.
00:18:31
Damals hatte ich nämlich nicht das Gefühl, Hilfe zu brauchen.
00:18:34
Und jetzt kommt sie wie gerufen.
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Es handelt sich um eine Verhaltenstherapie.
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Das heißt, ich soll lernen, wie ich mit meinem jetzigen Verhalten umgehen soll.
00:18:43
Mit meiner Angst.
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Aber auch mit einem anderen Gefühl, das ich seit dem 24. Juni 2012 habe.
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Meine emotionale Abgestumpftheit.
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Mir sind Probleme anderer nämlich einfach egal geworden.
00:18:55
Durch meine Arbeit als Arzthelferin habe ich gelernt, wie Empathie aussieht.
00:18:59
Und jetzt schauspiele ich sie eben.
00:19:02
Ich bin egoistisch geworden und wütend.
00:19:05
So werde ich aggressiv, wenn mir eine Freundin über den Streit mit ihrem Typen erzählt.
00:19:08
Und wenn über mein Problem nicht gesprochen wird.
00:19:10
Nicht nachgefragt wird, wie es mir damit jetzt geht.
00:19:13
Nach dem Knie hatte damals jeder gefragt und tut es auch heute noch.
00:19:16
Aber über den Tag im Juni will niemand so richtig mit mir reden.
00:19:20
Wenn dann nach zwei Minuten das Thema gewechselt wird, bin ich sauer.
00:19:23
Und dass es mich wütend macht, macht mich noch wütender.
00:19:26
Das tut mir leid und ist mir peinlich.
00:19:28
Das will ich ändern und hoffe, dass die Therapie mir dabei helfen kann.
00:19:34
Über die Tat will ich aber mit der Therapeutin nicht sprechen.
00:19:38
Ich weiß zwar, dass es mich quält, aber ich kann die Energie einfach nicht aufbringen.
00:19:42
Vielleicht irgendwann einmal.
00:19:44
Die Therapie hilft mir nicht mehr ständig, Angst zu haben, dass er bald wieder vor mir stehen könnte.
00:19:50
Obwohl das im Rahmen der Möglichkeiten ist.
00:19:53
Denn die Polizei hatte ihn nicht gefunden.
00:19:56
Zwar war DNA an der Wasserflasche festgestellt worden, doch leider konnte das niemandem aus der Datenbank zugeordnet werden.
00:20:03
Nach drei Monaten hatten sie die Ermittlungen eingestellt und sich seither nicht mehr bei mir gemeldet.
00:20:09
Und dann an einem Tag im Juli 2013 habe ich einen Anruf in Abwesenheit.
00:20:14
Als ich das bemerke, bin ich gerade auf Arbeit.
00:20:16
Nicht mehr in der Praxis, in der ich noch war, als mich der Typ angegriffen hat.
00:20:20
Kurz danach hatte ich mir einen neuen Job gesucht und eine tolle neue Stelle gefunden.
00:20:24
Ich rufe sofort zurück.
00:20:27
Wir haben ihn, sagt die Stimme am anderen Ende.
00:20:31
Der Polizist erzählt, dass es zwei ganz ähnliche Fälle in München gegeben hat.
00:20:40
So war am 2. Juni eine 25-Jährige in ihrem Hausflur angegriffen und zum Oralsex gezogen worden.
00:20:47
Noch vor es zur Vergewaltigung kam, hatte sie sich befreien können.
00:20:50
Vier Wochen später war eine 44-Jährige beim Joggen überfallen worden.
00:20:55
Sie hatte laut um Hilfe geschrien und ihren Angreifer so in die Flucht geschlagen.
00:20:59
An beiden Tatorten wurde dieselbe DNA gefunden wie an meiner Wasserflasche.
00:21:04
Weil der Täter bei einem der Opfer das Handy hat mitgehen lassen und dieses ein paar Wochen später einschaltete, konnte die Polizei ihn finden.
00:21:11
Ihn, einen 27-jährigen Einwanderer, der seit 2013 in Deutschland auf Baustellen arbeitet.
00:21:18
In seiner Heimat ist er vorbestraft wegen Vergewaltigung.
00:21:21
Er war 2007 zu drei Jahren Haft verurteilt worden, die dann aber zu einer 5-jährigen Bewährung ausgesetzt worden waren.
00:21:29
Und jetzt sitzt er in U-Haft.
00:21:32
Als ich das Handy auflege, renne ich zum Büro meines Chefs, der mich damals mit blauem Auge und roten Striemen am Hals eingestellt hatte.
00:21:40
Die Tür ist zu und das heißt eigentlich kein Zutritt, aber ich reiße sie auf und rufe, sie haben ihn.
00:21:46
Und wir beide freuen uns gemeinsam.
00:21:50
Es dauert mehr als ein Jahr, bis es zum Prozess kommt, in dem ich nicht nur als Zeugin, sondern auch als Nebenklägerin auftreten werde.
00:21:56
Ich habe mich gut vorbereitet zusammen mit meiner Anwältin.
00:22:00
Gegen ihren Rat habe ich mich aber dafür entschieden, von Anfang an bei der Verhandlung dabei zu sein.
00:22:05
Ich fühle mich bereit und psychisch soweit in Ordnung.
00:22:08
Am Tag vor Prozessstart ändert sich das allerdings.
00:22:11
Ich kann nicht schlafen in dem Münchner Hotelzimmer, in dem ich untergebracht bin.
00:22:15
Eine diffuse Angst überkommt mich.
00:22:17
Ich räume die Minibar aus und stelle die Flaschen vor die Tür,
00:22:21
baue mir eine Art Alarmanlage, damit ich höre, falls sie in der Nacht aufgeht.
00:22:26
Das tut sie nicht und ich mache mich am 29. September 2014 auf den Weg zum Münchner Landgericht.
00:22:32
Ich bin nervös, als er in den Saal geführt wird.
00:22:37
Es ist so, wie alle immer sagen.
00:22:39
Von dem gefährlichen Mann, der mein Leben verändert hat, ist nicht mehr viel übrig.
00:22:43
Stattdessen steht da das kleine Würstchen.
00:22:46
Das tatsächlich so aussieht, wie ich es noch in der Tatnacht der Polizistin erzählt hatte.
00:22:52
Ich habe mir vorgenommen, diesem Würstchen in die Augen zu schauen und zwar so lange, bis er wegschaut.
00:22:56
Und das mache ich jetzt auch.
00:22:57
Millisekunden sind es, die er meinem Blickstand halten kann.
00:23:01
Angeklagt ist er wegen versuchter, besonders schwerer Vergewaltigung,
00:23:05
gefährlicher Körperverletzung, besonders schwerer sexueller Nötigung und Diebstahl.
00:23:09
Er habe uns alle drei zum Oralsex zwingen und uns dafür mit Gewalt gefügig machen wollen.
00:23:15
Doch weil wir uns alle drei wie Löwinnen gewährt hatten, habe er von seinem Plan abgelassen.
00:23:21
Ihm sei die Lust vergangen.
00:23:22
So hatte er das zumindest ausgesagt.
00:23:24
Wir seien alle Zufallsopfer gewesen.
00:23:27
Mich soll er an der Haltestelle am Hauptbahnhof entdeckt und mir daraufhin gefolgt sein.
00:23:31
Kurz vor meiner Haustür soll er mich dann überholt und dabei gestreift haben.
00:23:36
Am zweiten Prozesttag sitze ich im Zeugenstand und somit ganz in seiner Nähe.
00:23:41
Das ist unangenehm.
00:23:43
Schlimmer wird es noch, als wir beide nach vorne kommen und auf einem Bild etwas zeigen sollen.
00:23:48
Da stellt er sich direkt neben mich, quasi Schulter an Schulter.
00:23:52
Ich kann nicht glauben, was hier gerade passiert.
00:23:54
Für mich fühlt es sich wie eine Ewigkeit an, bis ein Beamter durch den Saal geschritten
00:23:58
kommt und sich zwischen uns stellt.
00:24:02
Als ich mit meiner Aussage fertig bin, dürfen mich Verteidiger und Staatsanwältin befragen.
00:24:06
Doch von der Staatsanwältin gibt es keine Nachfrage.
00:24:09
Sie sagt nur, ich bewundere ihren Mut.
00:24:13
Ich bin etwas perplex.
00:24:15
Das mit dem Mut hatte ich bisher noch von niemandem gehört.
00:24:19
Bei mir sind eher die negativen Reaktionen hängen geblieben, wie
00:24:23
Mir wäre das nicht passiert.
00:24:26
Wieso hast du denn überhaupt die Tür aufgemacht?
00:24:29
Die, bei denen mir die Schuld gegeben wird, an dem was passiert ist.
00:24:33
Doch Schuld ist der Mann, der mir jetzt gegenüber sitzt.
00:24:36
Und das wissen alle hier.
00:24:37
Das habe ich von Anfang an im Gefühl.
00:24:40
Generell ist der Prozess viel weniger schlimm, als ich es mir vorgestellt habe.
00:24:43
Sogar der Verteidiger ist sehr nett.
00:24:45
Nach meiner Aussage kommt er zu mir und sagt,
00:24:47
dass ich nicht denken soll, dass er ein schlechter Mensch sei,
00:24:50
weil er einen schlechten Menschen vertritt.
00:24:52
Er mache den Job, weil jeder eine faire Verteidigung verdient habe.
00:24:55
Das gibt mir ein gutes Gefühl.
00:24:58
Auch, dass ich nicht alleine bin
00:24:59
und hier noch zwei weitere Frauen auf meiner Seite stehen.
00:25:02
Von ihm kommt allerdings wenig.
00:25:04
Er trägt nicht wirklich zur Aufklärung der Fälle bei.
00:25:07
Er klärt nicht, warum er uns das angetan hat.
00:25:10
Er entschuldigt sich zwar, aber das nehme ich ihm nicht ab.
00:25:14
Am 15. Oktober fällt dann das Urteil.
00:25:17
Er muss zehn Jahre in Haft.
00:25:20
Das kommt mir lang und richtig vor.
00:25:23
Der Prozess war am Ende besser als gedacht,
00:25:26
aber für meinen eigenen Weg nicht bahnbrechend.
00:25:29
Mir geht es auch danach nicht wirklich gut.
00:25:32
Zwar hat sich durch die Verhaltenstherapie
00:25:34
mein psychischer Zustand verbessert,
00:25:36
trotzdem sind da diese Bilder.
00:25:40
die jeden Tag unvermittelt auftauchen und mein Gehirn blockieren.
00:25:43
Zum Beispiel bei einer Aufgabe bei der Arbeit.
00:25:45
Gefühlt besetzen sie dann mein Gehirn
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und lassen keinen Platz mehr für andere Gedanken.
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Außerdem geht es mir körperlich miserabel.
00:25:53
Ich habe ständig Rücken- und Magenschmerzen.
00:25:55
Renne von einer Praxis zur nächsten,
00:25:57
doch niemand findet die Ursache.
00:25:59
Dazu bin ich auch noch oft erkältet.
00:26:02
Irgendwann wird mir das alles zu viel
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und ich lasse mich auf eine Traumatherapie ein.
00:26:07
Das wurde mir schon oft empfohlen
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und bisher habe ich mich erfolgreich dagegen gewehrt.
00:26:12
dass sie mir eventuell helfen kann
00:26:14
und ich will es versuchen,
00:26:15
obwohl ich skeptisch bin.
00:26:18
Und so sitze ich mit niedrigen Erwartungen
00:26:20
in der ersten Sitzung.
00:26:21
Laut Anweisung des Therapeuten
00:26:23
soll ich mich gedanklich
00:26:24
in eine konkrete Situation der Tat begeben.
00:26:26
Dann reicht er mir eine Brille.
00:26:28
So ein Hightech-Ding,
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mit dem man auch Filme schauen kann.
00:26:31
Dadurch sehe ich einen Ball,
00:26:33
den ich mit den Augen verfolgen soll.
00:26:34
Er springt von links nach rechts
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und dazu ertönt immer wieder ein Ton.
00:26:38
Das soll das Trauma nach vorne holen,
00:26:41
in den Verarbeitungsprozess bringen
00:26:42
und tatsächlich dauert es nicht lange,
00:26:45
da strömen Emotionen aus mir heraus,
00:26:47
von denen ich nicht wusste,
00:26:48
dass ich sie habe.
00:26:49
Zwölfmal gehe ich insgesamt zu diesen Sitzungen
00:26:52
und mit jedem Mal geht es mir besser.
00:26:54
Letztes Jahr war die letzte
00:26:57
und seitdem kommen die Bilder viel seltener
00:26:59
und meine chronischen Schmerzen
00:27:01
sind Vergangenheit.
00:27:02
Heute wohne ich noch immer in Freiburg,
00:27:06
die mir so einen holprigen Start bereitet hat
00:27:09
und in der ich das Schlimmste erlebt habe,
00:27:11
was ich mir im Leben vorstellen kann.
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Acht Jahre sind seitdem vergangen.
00:27:16
In der Zeit habe ich meinen Job gewechselt,
00:27:18
eine Ausbildung zur Physiotherapeutin gemacht,
00:27:20
einen großen Freundeskreis aufgebaut
00:27:22
und meinen Freund kennengelernt.
00:27:24
Mit ihm hat es irgendwie funktioniert,
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obwohl ich seit der Tat viel Zeit für mich brauche
00:27:29
die ich vor ihm getroffen habe,
00:27:31
damit nicht umgehen konnten.
00:27:33
Bei ihm ist das anders.
00:27:34
Er braucht genauso seinen Freiraum.
00:27:36
Wie die meisten aus meinem Freundeskreis
00:27:38
fällt es ihm schwer,
00:27:39
mit mir über die Tat zu sprechen.
00:27:40
Dafür sorgt er dafür,
00:27:42
dass ich mich stets wohl und sicher fühle.
00:27:44
Und das ist für mich noch viel mehr wert,
00:27:47
als über den 24. Juni 2012 zu sprechen.
00:27:49
Für das alles bin ich dankbar
00:27:52
und Freiburg wird mich noch eine lange Zeit aushalten müssen.
00:27:57
Also was bei mir jetzt ganz klar hängen geblieben ist,
00:28:01
ist, wenn du Opfer eines Verbrechens wirst,
00:28:03
auch noch selber darüber nachdenkst,
00:28:06
oh Gott, war das jetzt eigentlich so schlimm?
00:28:09
Ah, okay, ich habe richtig schlimme Blessuren
00:28:12
und eben diese roten Pünktchen in den Augen.
00:28:15
Das habe ich mir nicht nur eingebildet.
00:28:18
Also was die Psyche da mit einem macht,
00:28:20
um einen wahrscheinlich erst auch noch mal
00:28:22
vor dieser traumatischen Erfahrung
00:28:24
so ein bisschen wegzuhalten.
00:28:27
Was aber ja auch dazu beigetragen hat bei ihr
00:28:30
und was ich irgendwie ganz furchtbar finde,
00:28:33
ist, dass es halt auch von außen direkt kam,
00:28:36
dieses, das war nicht so schlimm
00:28:39
und du bist ja davongekommen.
00:28:41
Ja, das kam ja dann danach.
00:28:44
Ja, also dieses, warum hast du die Tür aufgemacht?
00:28:47
Ja, wenn es klingelt, macht man die Tür auf.
00:28:49
Das finde ich so bescheuert.
00:28:51
Und das ist ja genau das,
00:28:53
was ich auch damals in unserer Überlebenden-Folge ...
00:28:59
Einmal besprochen hatte,
00:29:01
da ging es darum,
00:29:02
dass Angehörige oder Zugehörige
00:29:05
nicht in der Lage sind,
00:29:07
mit einem darüber zu reden,
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was ich halt super schade finde,
00:29:11
weil es einfach bei ihnen selbst
00:29:13
so ein Unbehagen auslöst.
00:29:16
gar nicht darauf achtend,
00:29:18
dass das Opfer ja noch viel, viel Schlimmeres durchgemacht hat
00:29:22
und dass es dem vielleicht guttun würde,
00:29:24
darüber zu reden.
00:29:26
In der Vorbereitung zu dieser Folge
00:29:29
habe ich ja mit Elisa telefoniert
00:29:31
und das mehr als drei Stunden,
00:29:33
weil ich auch tausend Fragen an sie hatte,
00:29:37
weil für mich war das ja auch jetzt das erste Mal,
00:29:40
dass ich mit jemandem sprechen konnte,
00:29:41
der quasi so nah vor dem Tod stand.
00:29:44
Und sie hatte mir im Vorfeld schon geschrieben,
00:29:46
dass sie ihre Stimme vielleicht lieber nicht
00:29:48
im Podcast hören möchte,
00:29:49
weil wenn sie über die Tat spricht,
00:29:52
also die konkrete Tat,
00:29:54
dann ist sie oft außer Atem.
00:29:56
Aber nach dem Gespräch war sie dann doch bereit,
00:29:59
dazu mir auch on air ein paar Fragen zu beantworten,
00:30:04
dann aber eher dazu,
00:30:05
wie sie sich heute fühlt,
00:30:07
wenn sie auf die Tat zurückblickt.
00:30:09
Es fühlt sich so an,
00:30:12
halt wie so ein dunkler Fleck einfach in der Geschichte.
00:30:16
Das ist immer so ein bisschen
00:30:18
mit negativen Emotionen behaftet
00:30:22
und schwingt immer bei allem,
00:30:24
was ich tue, so mit.
00:30:26
Und das Überwältigende,
00:30:29
was zu Anfang oft da war,
00:30:33
mit Angstsituationen,
00:30:35
das ist so gut wie weg.
00:30:39
Aber dennoch fühle ich mich einfach jeden Tag,
00:30:44
also eigentlich fast jeden Tag,
00:30:46
damit konfrontiert zumindest.
00:30:48
Und in guten Phasen,
00:30:50
wenn es mir gut geht,
00:30:51
dann ist das nicht weiter schlimm,
00:30:53
dann ist das halt einfach da,
00:30:54
aber es ist halt irgendwie so ein Rucksack,
00:30:56
den ich halt mittrage,
00:30:57
der mich nicht weiter stört.
00:30:58
Und manchmal ist es dann aber schon
00:31:01
einfach anstrengend,
00:31:05
niederschmetternd manchmal auch.
00:31:08
Ich habe oft das Gefühl,
00:31:09
einfach mehr Energie zu brauchen als andere.
00:31:12
Vielleicht ist das auch nicht richtig,
00:31:15
aber das fühlt sich für mich so an.
00:31:16
Und wenn es Elisa mal nicht so gut geht,
00:31:19
dann kostet es sie halt eben viel Kraft,
00:31:21
sich anderen gegenüber erklären zu müssen.
00:31:23
Als Elisa damals den Unfall mit dem Fahrrad hatte
00:31:26
und ihr Knie einbandagiert war,
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da hat man die Verletzung gesehen.
00:31:30
Aber mit dem Trauma ist das ja nicht so.
00:31:32
Und wenn es ihr dann mal schlecht geht
00:31:34
und sie sich erklären muss,
00:31:35
ist es halt kräftezehrend.
00:31:38
wenn sie das gegenüber den Menschen machen muss,
00:31:40
die von der Tat wissen.
00:31:42
Aber zum Teil glaubt sie auch,
00:31:44
dass sie selbst an diesen Gefühlen
00:31:46
ein bisschen mit Schuld hat.
00:31:49
ich bin oft einfach auch nicht so ganz richtig
00:31:51
damit umgegangen.
00:31:54
es gibt aber auch kein Richtig und Falsch,
00:31:56
damit umzugehen.
00:31:56
Mir persönlich hätte das wahrscheinlich geholfen,
00:32:00
mehr darüber zu sprechen
00:32:01
und es auch mehr einzufordern,
00:32:03
dass darüber gesprochen wird.
00:32:04
Also einfach auch mal konkret
00:32:07
im Freundes- oder Familienkreis zu äußern,
00:32:09
spreche mich doch mal drauf an,
00:32:10
können wir nicht mal darüber reden.
00:32:11
Das habe ich nie oder selten oder nie gemacht.
00:32:16
Habe ich auch erst lange Zeit später eben erkannt,
00:32:18
dass es ja auch für die Außenstehenden
00:32:21
einfach super schwer ist zu verarbeiten
00:32:24
und super schwer ist, damit umzugehen.
00:32:26
Und dass es nicht gleich negativ gemeint ist,
00:32:30
sondern halt einfach auch eine Überforderung der Person.
00:32:35
dass man da nicht alles auf die Goldfrage legen darf.
00:32:39
da hat sie komplett
00:32:42
Und ich verstehe auch,
00:32:43
dass nicht jede Person
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und sofort da sein kann.
00:32:50
muss ja erst mal dann
00:32:52
auch damit umgehen lernen,
00:32:54
dass ihr nicht die Hilfe
00:32:56
entgegengebracht wird,
00:32:58
die sie sich eigentlich erhofft hat.
00:33:00
Ich habe Elisa dann noch gefragt,
00:33:04
ob es konkrete Situationen gibt,
00:33:06
in denen sie heute anders reagiert
00:33:08
als vor der Tat.
00:33:09
Und da hat sie mir erzählt,
00:33:10
dass sie das Gefühl hat,
00:33:11
die Orientierung verloren zu haben
00:33:13
in Bezug auf normale,
00:33:15
in Anführungsstrichen,
00:33:16
Angstreaktionen.
00:33:18
Weil sie halt oft so ist,
00:33:19
dass sie sich dann nach außen orientiert
00:33:21
und zum Beispiel ihren Freund fragt
00:33:22
oder ihre Freundinnen,
00:33:23
ob sie in dieser oder jenen Situation
00:33:28
oder vielleicht ein ungutes Gefühl gehabt hätten
00:33:30
und wie sie darauf reagiert hätten.
00:33:31
Und wie sie darauf reagiert hätten.
00:33:32
Weil sie sich tatsächlich
00:33:34
nicht wirklich daran erinnern kann,
00:33:36
in welcher Situation sie früher,
00:33:38
also vor der Tat,
00:33:40
und in welcher nicht.
00:33:41
Und einer konkreten Situation
00:33:43
geht sie seitdem
00:33:44
immer aus dem Weg.
00:33:46
in jeder Situation,
00:33:47
in der ich jetzt gerade stecke,
00:33:48
ich sollte irgendjemandem helfen zum Beispiel,
00:33:51
es gibt irgendwo eine Notsituation,
00:33:53
da ist für mich so der erste Gedanke weg hier.
00:33:56
ich werde nie wieder irgendwo anhalten,
00:34:01
wenn ich einen Unfall sehe.
00:34:02
Ich werde wegfahren
00:34:03
und vielleicht einen Notruf absetzen,
00:34:04
aber mehr auch nicht.
00:34:05
ich werde mich da nicht persönlich hinbegeben.
00:34:07
Ich kann mir vorstellen,
00:34:08
dass man halt da sehr wütend werden kann
00:34:12
der dafür halt verantwortlich ist im Endeffekt,
00:34:14
dass man jetzt sich anders verhält.
00:34:16
Und deswegen habe ich Elisa gefragt,
00:34:19
ob das bei ihr so ist.
00:34:22
wütend ihm gegenüber
00:34:24
bin ich eigentlich nicht so.
00:34:26
Ich finde das System unfair,
00:34:29
dass er jetzt machen kann,
00:34:33
und ich irgendwie trotzdem
00:34:35
ständig damit konfrontiert bin.
00:34:38
wie sehr er das ist.
00:34:39
Ob er auch so oft darüber nachdenkt?
00:34:41
Wahrscheinlich nicht.
00:34:42
Das finde ich eher unfair.
00:34:47
dass man das halt auch nicht
00:34:48
aus den Augen verlieren darf,
00:34:51
auch wenn wir im Podcast
00:34:52
sonst nicht so ausdrücklich wie heute
00:34:55
und die Gedanken der Opfer sprechen,
00:34:59
dass man halt nicht vergisst,
00:35:01
nach dem Angriff
00:35:02
nicht zu Ende ist
00:35:03
und dass es die Betroffenen
00:35:06
ihr ganzes Leben lang begleitet
00:35:07
und wie bei Elisa halt auch
00:35:09
Verhalten verändert,
00:35:11
wo sie früher so war
00:35:13
und geholfen hat,
00:35:13
sie das auf jeden Fall
00:35:14
nie wieder machen würde.
00:35:15
Das finde ich ganz wichtig.
00:35:18
wollte ich von Elisa noch wissen,
00:35:19
ob es irgendetwas gibt,
00:35:21
wenn sie was sagen muss,
00:35:23
irgendwas Positives,
00:35:25
das sie aus dem Vorfall
00:35:26
mitgenommen hat.
00:35:32
ich finde das irgendwie
00:35:34
sehr schön zu sehen,
00:35:36
dass mein Körper
00:35:40
so reagiert haben,
00:35:43
um mich irgendwie
00:35:44
überleben zu lassen.
00:35:47
so stark wehren konnte,
00:35:49
ein Reflex gewesen sein
00:35:54
macht mich irgendwie stark,
00:35:57
macht mein Gefühl stark,
00:35:59
ich habe mich so gewehrt,
00:36:00
weil ich unbedingt
00:36:03
Auch wenn ich das
00:36:04
nicht beeinflussen kann
00:36:05
und auch wenn man
00:36:06
irgendwie dadurch
00:36:07
nicht sagen kann,
00:36:07
ich bin irgendwie stark
00:36:10
weil ich das gemacht habe,
00:36:14
ein schönes Gefühl
00:36:18
dass mein Körper
00:36:19
irgendwie leben wollte.
00:36:20
Nach der Aufnahme
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hat mir Elisa noch erzählt,
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seit ihrer Jugend
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von Depressionen
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und sich schon oft
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in ihrem Leben ist.
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Und dass ihr ganzer Körper
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in diesem Moment
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geschrien haben,
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dass sie leben will,
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das hilft ihr heute,
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wenn diese Gedanken
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mal zurückkommen.
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gerade voll die Emotionen
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am Telefon erzählt hat,
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da musste ich mich
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auch richtig zusammenreißen,
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die liebsten Arbeitstage,
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gefühlt gar nichts mehr
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vor Tränenwasser.
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mit der ich gesprochen habe,
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hat mir danach auch
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Die hört ihr dann aber
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gleich im Anschluss.
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das ist der Name,
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Wir haben uns dafür entschieden,
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was passiert ist,
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noch gar nicht so lange
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und ich das alles
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Zumindest versuche ich das.
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meine Geschichte
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dass meine Perspektive
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Das hat sicherlich
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aber meiner Meinung nach
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weil unsere Gesellschaft
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nicht so viel übrig hat
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Ich bin die Tochter
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und damit ordnen mich
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viele der Täterseite zu.
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Dabei bin ich eigentlich
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auch irgendwie Opfer.
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Meine ersten klaren
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Kindheitserinnerungen
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setzen zwischen Ende
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1999 und Anfang 2000 ein.
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Da bin ich gerade
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und wir sind vor kurzem
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helles Fachwerkhaus
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mit dunkelbraunen Balken.
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in das wir gezogen sind,
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leben nicht sehr viele Leute.
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300 bis 400 vielleicht.
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So schön das Haus ist,
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so renovierungsbedürftig ist es.
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Die Zimmer im oberen Geschoss
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sind noch nicht fertig,
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deswegen muss ich mir
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mit meiner vier Jahre
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jüngeren Schwester Moni
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erstmal ein Zimmer teilen,
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bis meine Eltern
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die anderen Räume
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ist keine große Hilfe.
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Statt mit anzupacken,
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trinkt er lieber.
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Das war schon immer so.
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einen Vater zu haben,
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der nicht trinkt
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oder sich kümmert.
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Was eigentlich absurd ist,
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unbedingt Vater sein,
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um es besser zu machen
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als seine Eltern.
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Auch seine Eltern,
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also meine Großeltern,
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die ich nie kennengelernt habe,
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hingen an der Flasche.
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eines von neun Geschwistern,
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davon leben heute
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Und das liegt nicht
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in der Rolle auf,
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während mein Vater
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aus ihr herausfiel.
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auf der Welt bin,
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bin ich für meinen Vater
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Störfaktor Nummer eins.
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Die Aufmerksamkeit
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liegt nicht mehr
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sondern auf den Kindern.
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Und das passt ihm nicht.
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Eine Vater-Tochter-Beziehung
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Er ignoriert mich,
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Für mich ist das alles
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nicht so schlimm,
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wie es sich anhört,
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denn ich kenn's ja nicht anders.
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wenn meine beste Freundin
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Sarah davon erzählt,
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was sie am Wochenende
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mit ihrem Vater gemacht hat,
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dann stellt sich bei mir
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die Traurigkeit ein.
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Dann hätte ich auch gern
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dem ich Dinge erzählen kann,
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der stolz auf mich ist.
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Das will ich auch später noch,
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wenn ich erwachsen bin.
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Aber eben nicht ihn.
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Ich will das alles klar,
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aber nicht von ihm.
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In unserem neuen Haus
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kann man super Fangen spielen.
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kann man ins Wohnzimmer,
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von da ins Esszimmer,
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wieder in die Küche.
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hat also zwei Türen
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und wir laufen die ganze Zeit
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an meinem achten Geburtstag.
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Freundinnen und ich
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haben Riesenspaß dabei
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und machen natürlich auch Lärm.
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Während wir so schnell
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uns die Beine tragen können,
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durch die Räume laufen,
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sitzen meine Mutter,
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Und Moni schreit.
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Den ganzen Tag schon
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und hört nicht auf zu weinen.
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Mein Vater hasst
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diese Lautstärke.
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in die Küche rennen will,
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im Türrahmen stehen.
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steht mir gegenüber
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mit dem Rücken zur Wand
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hält ihr ein großes
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und redet auf ihn ein.
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von meinem Vater
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Nicht vor den Kindern.
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Dann nimmt er ihm
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Weder meine Mutter
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noch sein Freund
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haben sie die Situation
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schon öfter erlebt.
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wie man meinen Vater
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dann wieder einfängt.
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ist das die erste Situation
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an die ich mich erinnern kann.
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Aber es wird nicht
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die letzte sein.
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Du kannst die Uhr
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in der Küche sitzt
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und seinen Kaffee trinkt
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fällt eine Tasse um
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beim Geschirrspüler ausräumen
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durch den Besteckkorb
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Und in letzter Zeit
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braucht es immer weniger,
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bis er die Fassung verliert.
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Dann wirft er auch mal
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mit Fernbedienung
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das schnurlose Telefon.
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die kaputt gehen könnten.
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Und manchmal trifft er.
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Wegen genau dieser Situation
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kann ich an einer Hand abzählen,
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wie oft meine Freunde
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bei mir zu Besuch waren.
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Und jetzt will ich das
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auch gar nicht mehr.
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dass sie mitbekommen,
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wie mein Vater ausrastet
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und dann danach Angst haben,
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dass sie nichts mehr
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mit mir zu tun haben wollen.
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Andererseits weiß ich,
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dass er auch gute Tage hat
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und übertrieben nett sein kann.
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Und dann bin ich
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wieder in Erklärungsnot,
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weil ich nie von ihm erzähle.
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Er doch aber so nett ist.
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Aber ganz ehrlich,
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er weiß nicht mal
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den Namen des Fußballvereins,
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in dem ich spiele.
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dreht sich alles
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immer nur um ihn.
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wenn Muni und ich
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von der Schule kommen,
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gucken wir immer erst,
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als ob sein Auto
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Aber wenn es da steht,
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ist sofort diese Anspannung da.
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Mittlerweile hat sich
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eine Teilzeitstelle
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im Einzelhandel gesucht
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und jetzt müssen Muni
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und ich manchmal tagsüber
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Wobei er sich eigentlich
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die meiste Zeit verdrückt,
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um seinen Rausch auszuschlafen.
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Ich werde erst später erfahren,
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dann nicht nur Alkohol trinkt,
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er nimmt auch andere Drogen.
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Welche weiß ich tatsächlich nicht.
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Ich habe nie danach gefragt
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und das interessiert mich auch nicht.
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knockt ihn das Zeug
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Je älter ich werde,
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desto mehr verstehe ich,
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nicht normal ist.
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Dass eigentlich der Vater
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sich um die Kinder
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und nicht umgekehrt.
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Ich stehe am Herd
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und rühre in der Tomatensauce,
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die ich für meinen Vater,
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Mein Vater wartet
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wie selbstverständlich
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auf seine Portion Nudeln,
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die ich ihm servieren soll.
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Dann sagt er zu mir,
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wenn ihr alt genug seid
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und ich euch endlich los bin.
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Überrascht mich nicht,
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lässt mich aber auch nicht kalt.
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Er findet im Familienleben
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gar nicht statt.
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Nicht mal zu Weihnachten.
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verschwindet er ins Klärwerk,
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in dem er arbeitet.
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einen Aufenthaltsraum für sich.
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Da trifft er sich dann
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abends mit seinen Freunden
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Das ist okay für uns alle.
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Dann sind wir sicher.
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meine ich nicht in Sicherheit,
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vor seinen Wutausbrüchen.
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jetzt wo ich älter werde,
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mit einem abgeschlagenen
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Flaschenhals bedroht,
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habe ich nie wirklich Angst,
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dass er mir was antut.
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Das mag komisch klingen,
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aber es liegt auch daran,
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völlig grundlos ausrastet.
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mag das willkürlich wirken,
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aber man erkennt
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die Situationen,
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Für mich ist er nicht
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dieser typische Schläger.
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Seit meiner Pubertät
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wehre ich mich auch immer mehr
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gegen seine Attacken.
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Mein Vater ist jetzt auch
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er wiegt 70 Kilo
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Ihr müsst euch das so
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wenn er diese Anfälle hat,
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dann ist das nicht
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furchteinflößend,
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sondern einfach nur
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mehr für diesen Mann,
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und meiner Familie
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damit schwer macht.
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Und das lasse ich ihn spüren.
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wie er mich früher hat spüren lassen,
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dass er mich nicht haben will.
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Und so ist es auch an diesem Tag,
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an Dienstagabend,
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kurz vor Silvester 2009.
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Ich bin da 15 Jahre alt
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und es läuft der Filmfilm
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Wie jeden Dienstag
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um diese Uhrzeit
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flätze ich auf der Couch
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Normalerweise gucke ich
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den Film immer zu Ende
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und gehe dann gegen 22 Uhr
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mit unserem Hund
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Mein Vater kennt
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ihm wieder nicht
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und er mutt schon
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gegen halb 10 rum.
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mit dem Hund gehen.
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Raphael würde fiepsen.
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ist in der Spätschicht
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mal wieder stark alkoholisiert.
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Ich motze zurück,
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wenn der Film endet.
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Er zieht genervt ab.
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Um Viertel vor 10,
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in der letzten Werbung
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kurz vor Ende des Films,
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fängt er dann plötzlich
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Der Hund müsste jetzt mal raus.
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er solle ihn kurz
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in den Garten lassen.
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Autos fahren da,
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lässt schon nicht mehr
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mit sich sprechen.
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an dem Receiver rum
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und zwar so doll,
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dass die ganze Dose
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aus der Wand mit rausfliegt.
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und fange an ihn an zu schreien.
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Und ich fixiere dabei seinen Blick.
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Er schubst mich auf die Couch.
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Das macht mich richtig aggressiv.
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und laufe auf ihn zu.
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Da packt er mich
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und schleudert mich
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gegen die Massivholzkommode,
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auf der der Fernseher steht.
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Ich donnere volle Kanne
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mit dem Rücken dagegen.
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was bist du für ein Mensch
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und laufe ihm entgegen.
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Er stößt mich mit dem Arm weg
00:46:11
und ich lande halb auf der Couch.
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Muni hat die Geräusche
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aus dem Wohnzimmer gehört
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und ruft bei meiner Mutter
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Papa schlägt klarer.
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In der Zwischenzeit
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geht das bei uns
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immer so weiter.
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Einmal wirft er mich
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Aber bis meine Mutter
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ist alles schon wieder vorbei.
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Mein Vater ist abgehauen
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und ich kühle mir
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mein Gesicht mit Eispads.
00:46:32
Für meine Mutter
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ist das der Grund,
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keine Spätdienste mehr anzunehmen.
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Denn da sind wir abends
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immer allein mit Papa.
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Sie will uns beschützen,
00:46:40
stark sein für uns.
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Das passt für einige
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jetzt sicherlich nicht ins Bild.
00:46:46
aber das jahrelang aushält?
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ist sehr autoritär
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und streit das auch aus.
00:46:54
Sie ist das komplette Gegenteil
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von meinem Vater.
00:46:56
Mein Vater ist psychisch labil,
00:47:00
Jemand, der keine Entscheidung trifft
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oder Ansagen macht.
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dann ist das nur
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der verzweifelte Versuch,
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auch mal was sagen zu wollen.
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Wenn er irgendwas will,
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dann denken Moni und ich immer,
00:47:10
Wenn meine Mutter
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auf den Tisch schaut,
00:47:13
dann wissen wir,
00:47:14
jetzt wird's ernst.
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Ihr fragt euch jetzt sicherlich,
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warum sie da nicht einfach
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mit uns ausgezogen ist.
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Meine Mutter hat
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sehr viel Liebe,
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in das Fachwerkhaus gesteckt.
00:47:24
Wäre sie gegangen,
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wäre das alles weg gewesen.
00:47:27
Bevor sie uns bekam,
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war sie Schneiderin,
00:47:29
hat aber lange Zeit
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nicht mehr gearbeitet.
00:47:31
Die Angst ist zu groß,
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für uns nicht sorgen kann.
00:47:36
sie hat auch Sorge
00:47:37
um meinen Vater,
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dass er dann komplett abstürzt.
00:47:40
Ich kann ihre Entscheidung
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schon irgendwie nachvollziehen
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und ich mache ja auch wirklich
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auch wenn ich sie selbst
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bestimmt anders gehandelt hätte.
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weil sie ihn schon lange
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nicht mehr als Partner liebt.
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und ich habe mein FSJ,
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also mein Freiwilliges Soziales Jahr,
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und packe meine Sachen.
00:47:58
Ich habe eine WG gefunden.
00:48:01
auch wenn ich weiß,
00:48:02
dass Mama und Moni
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immer noch in dieser Situation sind.
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Mir geht's damit besser.
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Ich komme endlich mal zur Ruhe.
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Nicht jeden Tag dieses Drama.
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Irgendwann sind Kraft und Geduld
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einfach ausgeschöpft.
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Jemanden im direkten Umfeld zu haben,
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der sich sukzessive selbst zerstört,
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ohne Bereitschaft,
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sich helfen zu lassen,
00:48:20
ist furchtbar anstrengend.
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wir haben alles versucht,
00:48:25
von der Sucht loszukommen.
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Wir haben uns beim Betreuungsamt gemeldet
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ihm seine Handlungsmacht zu entziehen.
00:48:30
Haben ihn unzählige Male
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in Entzugskliniken gebracht.
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Jedes Mal kam es wieder zum Rückfall.
00:48:36
Einmal macht er sogar
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über drei Jahre lang
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eine Substitutionstherapie.
00:48:40
Also bekommt sozusagen
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unter ärztlicher Aufsicht
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eine Ersatzdroge,
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die nicht abhängig macht.
00:48:46
Die Wochendosis verbraucht er natürlich
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immer schon innerhalb
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der ersten drei Tage
00:48:50
und nimmt danach dann trotzdem
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weiter Alkohol und andere Drogen.
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Das ist nicht nur nutzlos,
00:48:55
sondern auch noch gefährlich.
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Noch dazu kriegt er ständig hin,
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cleane Urinproben
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bei seinem Arzt abzugeben.
00:49:01
Wir waren ihm gegenüber
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wirklich lange Zeit verständnisvoll.
00:49:04
Haben uns gezwungen,
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ihn ins Familienleben einzubeziehen.
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wenn er aus der Therapie kam
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und von dort irgendwelche Hausaufgaben
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mitgebracht hat,
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die wir alle zusammen
00:49:13
umsetzen sollten.
00:49:14
Obwohl meine Mutter,
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meine Schwester und ich
00:49:16
ja ein funktionierendes
00:49:17
Familienleben haben,
00:49:18
haben wir immer mitgemacht.
00:49:19
Wir haben ihn immer
00:49:21
versucht aufzufangen.
00:49:24
immer fallen lassen.
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wenn wir es von ihm
00:49:27
ja nicht anders kennen,
00:49:28
an dieser Art von Enttäuschung
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gewinnt man sich nicht.
00:49:31
Es gibt kein normales
00:49:33
Gespräch mit ihm.
00:49:35
da stehe ich nach meinem FSJ
00:49:39
Ich will für drei Monate
00:49:41
als mein Handy klingelt.
00:49:43
Er ist ganz klar.
00:49:46
dass ich auf mich aufpassen soll,
00:49:47
damit ich heil nach Hause komme.
00:49:49
Irgendwie bin ich überrascht
00:49:52
Ich hätte nicht gedacht,
00:49:53
dass er überhaupt mitbekommen hat,
00:49:54
dass ich wegfliege.
00:49:55
Aber das sind nur kleine Hochs.
00:49:58
an dem man sich festhalten sollte.
00:50:01
ist er gerade in Therapie.
00:50:05
folgt wieder ein neues Tief.
00:50:06
Ich sitze bei meiner Mutter
00:50:07
zu Hause im Wohnzimmer.
00:50:09
Mein Vater fährt mit seinem Auto
00:50:11
Ihm hinterher ein schwarzes Auto,
00:50:13
dessen Kennzeichen wir nicht kennen.
00:50:15
Ein Mann steigt aus.
00:50:17
Meine Mutter sagt,
00:50:18
ich soll im Haus warten,
00:50:19
aber natürlich lausche ich.
00:50:20
Die drei Männer,
00:50:21
die im Auto sitzen,
00:50:22
wollten gerade zu einem Handball spielen,
00:50:24
als mein Vater ihnen entgegenfuhr.
00:50:27
In Schlangenlinien.
00:50:28
Sie sind dann umgedreht
00:50:29
und ihm hinterher.
00:50:30
Mein Vater steht ihnen gegenüber,
00:50:32
komplett besoffen
00:50:34
und redet sich wie immer raus.
00:50:35
Kurz darauf fährt
00:50:36
das schwarze Auto wieder.
00:50:37
Mein Vater läuft ins Haus
00:50:39
und schmeißt sich aufs Bett.
00:50:40
Da ist es wieder.
00:50:44
das ich mit meinem Vater
00:50:49
mischt es sich mit Wut.
00:50:51
Während meine Mutter
00:50:52
mit ihm diskutiert,
00:50:53
renne ich ins Schlafzimmer.
00:50:54
Papa redet was davon,
00:50:56
dass wir uns mal nicht
00:50:56
so anstellen sollen,
00:50:58
würde ja nur ihm was passieren.
00:51:00
Was ja absolut nicht stimmt,
00:51:02
wie wir gerade gesehen haben.
00:51:03
Ich schreie ihn an.
00:51:05
Wenn du je wieder
00:51:06
einen Tropfen Alkohol trinkst,
00:51:08
dann bist du für mich gestorben.
00:51:11
vor unserer Haustür steht,
00:51:12
weil du dich totgesoffen hast,
00:51:14
dann erweise ich dir nicht die Ehre,
00:51:15
auf deiner Beerdigung zu erscheinen.
00:51:19
dass ich ihn damit getroffen habe.
00:51:20
Aber am nächsten Morgen
00:51:22
finden wir zwei neue leere
00:51:27
wird mein Vater gekündigt.
00:51:30
ist er immer wieder
00:51:31
betrunken zur Arbeit gekommen
00:51:32
und durch seine Klinikaufenthalte
00:51:33
natürlich auch oft ausgefallen.
00:51:35
Und jetzt beginnt
00:51:36
die eigentliche Tragödie.
00:51:37
Denn er hat 24-7
00:51:39
nichts anderes zu tun,
00:51:41
und Unmengen an Medikamenten
00:51:43
zu sich zu nehmen.
00:51:45
muss also jetzt manchmal
00:51:46
zur Agentur für Arbeit.
00:51:47
und dort macht er an einem Tag
00:51:49
eine folgenschwere Bekanntschaft.
00:51:51
Er sieht dort einen Mann
00:51:52
hilflos auf einer Mauer sitzen.
00:51:54
Der Mann heißt Herbert
00:51:56
und ist vorübergehend
00:51:57
Er will den Nachlass
00:51:59
seiner Eltern regeln.
00:52:00
Eigentlich wohnt er in Brasilien
00:52:01
mit seiner Familie.
00:52:02
Mein Vater hat Mitleid mit ihm,
00:52:05
denn Herbert hat Klumpfüße.
00:52:06
Er bietet ihm an,
00:52:08
ihn nach Hause zu bringen.
00:52:09
Und so findet mein Vater
00:52:11
einen neuen Trinkkumpan,
00:52:12
denn auch Herbert
00:52:14
hat ein Alkoholproblem.
00:52:15
Seit dieser Begegnung
00:52:17
bekommen wir meinen Vater
00:52:18
so gut wie gar nicht mehr
00:52:20
Er ist ständig mit Herbert
00:52:22
das er eigentlich verkaufen will.
00:52:23
Eigentlich finde ich das gut,
00:52:26
dass sie so oft zusammen abhängen,
00:52:27
denn so erspart er uns Stress
00:52:29
und gleichzeitig hat er jemanden,
00:52:30
um den er sich irgendwie
00:52:32
Nach Hause kommt er fast
00:52:35
Manchmal lässt er meiner Mutter
00:52:37
Er schreibt dann,
00:52:38
wie schlecht es ihm geht
00:52:39
und wie hart das Leben
00:52:40
es mit ihm meint.
00:52:41
Nach uns fragt er nie.
00:52:44
Fast neun Monate
00:52:46
An einem schönen,
00:52:49
den 11. August 2018,
00:52:51
will ich Mama noch besuchen.
00:52:52
Ich bin danach mit Freunden
00:52:53
zum Cocktailtrinken
00:52:54
in einem Beachclub verabredet.
00:52:57
dass Mama noch nicht
00:52:59
es ist schon 17 Uhr
00:53:00
und eigentlich hätte sie
00:53:01
spätestens um 14 Uhr
00:53:02
Feierabend gehabt.
00:53:03
Ich laufe in den ersten Stock
00:53:06
Da sitzt Moni auf der Couch.
00:53:09
Ist sie nicht da?
00:53:10
Mama ist mit Papa
00:53:12
bei der Polizei.
00:53:13
Der hat jemanden umgebracht.
00:53:15
Und sie sagt das so,
00:53:16
als wäre Mama nur noch schnell
00:53:17
in den Supermarkt,
00:53:18
weil sie was vergessen hat.
00:53:22
habe ich das Gefühl,
00:53:23
ich verliere den Boden
00:53:24
unter den Füßen.
00:53:26
wo vorne oder hinten ist.
00:53:27
Ich will schreien,
00:53:29
aber ich kann nicht.
00:53:30
Ich stehe einfach
00:53:35
macht man keine Scherze,
00:53:37
und warte irgendwie darauf,
00:53:38
dass Moni noch ein
00:53:39
verarscht hinterher schiebt.
00:53:41
Aber es kommt nichts.
00:53:43
Es dauert eine gefühlte Ewigkeit,
00:53:45
bis meine Mutter nach Hause kommt.
00:53:48
Ohne meinen Vater.
00:53:49
Sie steht draußen und raucht,
00:53:51
wenn sie erzählt,
00:53:52
was passiert ist.
00:53:53
Mein Vater kam an diesem Tag
00:53:56
und meinte zu meiner Mutter,
00:53:57
du, ich habe Scheiße gebaut.
00:54:00
was denn los sei
00:54:01
und er hat ihr dann
00:54:02
alles gebeichtet.
00:54:03
Es kam wohl in der Nacht
00:54:05
zum 5. auf den 6. August
00:54:06
im Haus von Herbert
00:54:07
zu einem Streit.
00:54:08
Mein Vater hatte sich
00:54:09
offenbar irgendwann
00:54:10
von Herbert ausgenutzt gefühlt,
00:54:11
weil er angeblich immer
00:54:13
für Essen gesorgt
00:54:14
und geputzt haben soll.
00:54:15
Herbert wollte wohl
00:54:17
am vergangenen Sonntag
00:54:18
Schnaps zu seinem Kaffee.
00:54:19
Mein Vater war dagegen.
00:54:21
Daraus ist irgendwie
00:54:23
und dann ein Gerangel entstanden.
00:54:24
Die beiden kämpften
00:54:26
und mein Vater gewann
00:54:27
obwohl er körperlich
00:54:28
deutlich unterlegen war.
00:54:30
Herbert stürzte zu Boden.
00:54:32
so schüttelte er,
00:54:33
kniete sich auf seinen Brustkorb
00:54:36
unter seinen Beinen.
00:54:37
Herbert wehrte sich
00:54:39
und konnte den Fuß
00:54:40
einer Stehlampe greifen
00:54:41
und schlug meinem Vater
00:54:42
damit auf den Rücken,
00:54:44
und einer Platzwunde
00:54:46
auch auf den Kopf.
00:54:48
machte meinen Vater
00:54:49
nur noch wütender,
00:54:50
woraufhin er geschrien haben soll,
00:54:52
oder ich bring dich um.
00:54:53
Herbert antwortete wohl,
00:54:55
dann bring mich doch um,
00:54:57
mach es doch endlich, los.
00:54:59
Mein Vater griff dann
00:55:03
um Herberts Hals
00:55:08
bis Herberts Kopf
00:55:09
zur Seite kippte.
00:55:12
Ich will immer noch weinen
00:55:17
endgültig versagt.
00:55:19
All die Bemühungen,
00:55:22
In mir ist nichts
00:55:24
Da ist keine Wut,
00:55:26
keine Enttäuschung.
00:55:28
Ich hab keine Fragen mehr.
00:55:30
Noch an diesem Abend
00:55:32
kommen zwei Beamte
00:55:32
der Polizeidienststelle,
00:55:35
sicherzustellen.
00:55:36
Es geht vor allem
00:55:38
getragen haben soll.
00:55:39
Und wieder einmal
00:55:41
schäme ich mich.
00:55:42
Die beiden Männer
00:55:43
machen es nicht besser.
00:55:44
Sie sind weder mitfühlend,
00:55:45
noch haben sie Verständnis
00:55:46
für die Situation,
00:55:48
gerade befinden.
00:55:50
Am nächsten Morgen
00:55:51
sitze ich mit meiner Mutter
00:55:52
und zwei ermittelnden
00:55:53
Polizisten in der Küche.
00:55:54
Sie legen mir nahe
00:55:55
von meinem Aussageverweigerungsrecht
00:55:57
Gebrauch zu machen.
00:55:58
Und plötzlich regt sich
00:56:00
Etwas, was die ganzen
00:56:06
eine unfassbare Wut.
00:56:09
kommt er nicht davon.
00:56:10
Diesem Arschloch
00:56:12
wische ich jetzt eins aus,
00:56:13
der soll im Knast verrecken.
00:56:14
Nur weil meine Mutter
00:56:16
mich unter Tränen bittet,
00:56:17
das nicht zu tun,
00:56:18
unterschreibe ich
00:56:19
dann nachher doch das Formular
00:56:20
für das Verweigerungsrecht.
00:56:23
ist alles anders.
00:56:25
von meinen Freunden ab.
00:56:26
Ich kann mich im Dorf
00:56:27
nicht mehr normal bewegen.
00:56:28
Wenn mich Menschen ansehen,
00:56:30
ob sie mich ansehen,
00:56:31
weil sie einfach gucken
00:56:32
oder weil sie wissen,
00:56:33
das ist die Tochter
00:56:35
Und ich weiß auch nicht,
00:56:37
was sie denken zu wissen.
00:56:38
In unserer kleinen Gemeinde
00:56:40
waren nämlich wahnsinnig schnell
00:56:41
Gerüchte im Umlauf.
00:56:43
dass wir ihn rausgeworfen hätten
00:56:45
so verwahrlost war
00:56:46
und nicht wusste,
00:56:48
Natürlich stimmt das nicht,
00:56:49
aber was kümmert es die,
00:56:51
die davon so gern erzählen.
00:56:52
Selbstverständlich
00:56:54
kam niemand auf die Idee,
00:56:55
mal bei uns nachzufragen,
00:56:56
was stimmt und was nicht.
00:56:58
Ich bin ein echt starker Mensch.
00:57:00
Ich habe schon früh gelernt,
00:57:01
mit schwierigen Situationen
00:57:02
Aber das ist zu viel
00:57:04
für mich alleine.
00:57:04
Als Tochter des Täters
00:57:07
ist niemand wirklich bereit,
00:57:08
mit mir zu sprechen.
00:57:09
Weder der Polizeipsychologe
00:57:11
noch jemand vom Weißen Ring.
00:57:12
Und meinen Freunden
00:57:14
kann ich das nicht zumuten.
00:57:16
Das überfordert selbst mich.
00:57:17
Wie sollen die dann damit umgehen?
00:57:20
fühle ich mich sehr
00:57:22
Mir ist schleierhaft,
00:57:24
wie ich das aufarbeiten soll.
00:57:25
Und deswegen greife ich
00:57:27
nach dem letzten Strohhalm,
00:57:28
der mir Antworten bieten kann.
00:57:31
Es ist Januar 2018
00:57:33
und ich gerade 25 Jahre alt.
00:57:35
Ich habe mir das lange überlegt,
00:57:38
ob ich hier dran teilnehmen soll.
00:57:39
Aber wenn mir sonst
00:57:41
keiner helfen kann,
00:57:42
will ich wenigstens verstehen,
00:57:43
wie es dazu kommen konnte.
00:57:44
Meine Mutter und ich
00:57:46
setzen uns in die erste
00:57:47
der vier Zuschauer rein.
00:57:50
der Staatsanwaltschaft.
00:57:51
Ich will unbedingt,
00:57:52
dass mein Vater sieht,
00:57:53
dass ich dort bin.
00:57:55
damit er das Gefühl hat,
00:57:56
ich stünde an seiner Seite,
00:57:58
sondern weil ich die Hoffnung habe,
00:57:59
dass er begreift,
00:58:00
was er alles angerichtet hat.
00:58:02
Du hast es so weit gebracht,
00:58:04
dass deine Tochter
00:58:04
in einem Gerichtssaal muss.
00:58:06
Ich blicke mich um.
00:58:07
Die Leute neben und hinter uns
00:58:10
kenne ich nicht.
00:58:10
Was machen die hier?
00:58:12
Ich verstehe schon,
00:58:14
warum eine Verhandlung
00:58:15
Aber in diesem Moment
00:58:17
wie Schaulustige vor,
00:58:18
die sich von meinem Familienleben
00:58:19
unterhalten lassen wollen.
00:58:22
dass wir die Familie sind.
00:58:23
Der Richter zeigt in unsere Richtung,
00:58:25
als er von uns spricht.
00:58:26
Ich merke die bohrenden Blicke
00:58:29
Mein Vater betritt den Saal
00:58:31
und ich erschrecke mich.
00:58:32
Er hat wahnsinnig abgenommen,
00:58:34
wiegt nur noch 55 Kilo.
00:58:36
Während ich ihn betrachte,
00:58:38
vermeide ich ihm
00:58:39
ins Gesicht zu schauen.
00:58:40
Seinen Blick könnte ich
00:58:41
gerade nicht standhalten.
00:58:43
Tatsächlich erzählt mein Vater
00:58:45
bei seiner Einlassung,
00:58:46
wie schwer er es im Leben hat
00:58:48
und wie schlecht es ihm geht.
00:58:49
Auch jetzt in der JVA.
00:58:51
Das ist so ein Schlag ins Gesicht
00:58:54
und meine Mutter
00:58:55
kann das nicht ertragen.
00:58:56
Es platzt aus ihr heraus.
00:58:58
Kannst du dich nicht einmal
00:59:01
Muss es immer um dich gehen?
00:59:02
Mein Vater schaut sie unglaublich an,
00:59:05
als würde er gar nicht verstehen,
00:59:06
was sie damit meint.
00:59:07
Der Richter ermahnt meine Mutter.
00:59:10
Bei weiteren Zwischenrufen
00:59:11
muss sie den Saal verlassen.
00:59:13
Ich verstehe sie.
00:59:14
Mir geht genau das Gleiche
00:59:17
Am dritten Verhandlungstag
00:59:19
zeigen sie Bilder
00:59:20
und von der stark verwesten Leiche.
00:59:23
Herbert lag immerhin fünf Tage
00:59:24
bei Temperaturen zwischen
00:59:27
bei offener Haustür dort.
00:59:28
Mein Vater hatte offenbar
00:59:30
so starke Gewalt angewandt,
00:59:32
dass er mehrere Rippen frakturiert
00:59:33
und ihm Zähne abgebrochen hatte.
00:59:35
Die Situation ist für mich
00:59:37
komplett unwirklich,
00:59:39
in diesem Gerichtssaal zu sitzen
00:59:40
und auf einem Foto
00:59:41
das blutverschmierte Kabel
00:59:42
der Stehlampe anzustarren,
00:59:44
mit dem mein Vater
00:59:45
das Leben genommen hat.
00:59:47
Das Allerschlimmste aber ist,
00:59:52
fünf Minuten schweigen lässt.
00:59:53
Um die fünf Minuten dauert es,
00:59:55
jemanden zu erdrosseln.
00:59:56
Diese fünf Minuten
00:59:58
sind wahnsinnig lang
01:00:00
und während ich darauf warte,
01:00:01
bis sie vorbeigehen,
01:00:02
wird mir bewusst,
01:00:03
wie viel Zeit mein Vater hatte,
01:00:05
was er da eigentlich macht
01:00:08
von Herbert gewesen sein muss.
01:00:10
Das Gericht spricht
01:00:13
wegen Totschlag schuldig.
01:00:14
Er kriegt elf Jahre.
01:00:16
Die Strafe finde ich gerechtfertigt.
01:00:18
Was ich nicht gerechtfertigt finde,
01:00:20
ist die Tatsache,
01:00:21
dass er nach der Hälfte der Zeit
01:00:23
auf Haftentlassung stellen kann.
01:00:25
Das finde ich einfach zu wenig dafür,
01:00:27
dass er ein Leben ausgelöscht hat.
01:00:28
Ich finde es auch für uns
01:00:30
als Familie zu wenig Zeit,
01:00:32
um darüber hinwegzukommen.
01:00:33
Im ganzen Prozess
01:00:36
nicht einmal Reue gezeigt.
01:00:37
Das macht mich so wütend,
01:00:39
mal ganz beiseite,
01:00:41
wie meine Kindheit war
01:00:42
und was er uns angetan hat.
01:00:43
Er hat einen Menschen getötet,
01:00:46
jetzt keinen Vater mehr haben
01:00:47
und die einzige Person,
01:00:49
für die er Mitleid aufbringen kann,
01:00:51
ist für sich selbst.
01:00:53
Seit der Verhandlung
01:00:54
habe ich meinen Vater
01:00:55
nicht mehr gesehen.
01:00:56
Meine Mutter ist die Einzige,
01:00:58
die ihn im Gefängnis besucht.
01:00:59
Er tut ihr einfach leid.
01:01:03
Wenn er bei ihr anruft
01:01:04
und ich gerade da bin
01:01:06
dann hört man immer erst
01:01:07
diese automatische Ansage,
01:01:08
dass jemand aus dem Gefängnis anruft.
01:01:10
Dann hat man noch
01:01:11
ein paar Sekunden Zeit,
01:01:12
bis der Anruf durchgestellt wird.
01:01:14
Dann reiche ich das Telefon
01:01:16
immer schnell weiter
01:01:17
oder ich lege auf,
01:01:18
wenn sie nicht da ist.
01:01:19
Ich kann nicht mit ihm reden.
01:01:21
Ich will seine Stimme nicht hören.
01:01:23
Meiner Mutter habe ich gesagt,
01:01:24
dass sie mir nicht sagen soll,
01:01:25
wenn er mir was ausrichtet.
01:01:27
Ich bin durch damit.
01:01:28
Bin durch mit ihm.
01:01:29
Dachte ich zumindest.
01:01:33
Und dann habe ich neulich Abend,
01:01:34
als ich nicht schlafen konnte,
01:01:35
Eat, Pray, Love gesehen.
01:01:37
Julia Roberts trifft in Indien
01:01:40
einen Mann namens Richard.
01:01:41
Er hätte fast seinen kleinen Sohn
01:01:44
weil er besoffen ins Auto gestiegen ist.
01:01:46
Danach hat er alles verloren.
01:01:49
und seine Familie.
01:01:51
Jetzt ist sein Sohn erwachsen.
01:01:53
Er bedauert das alles
01:01:55
und sagt im Film,
01:01:56
Ich habe alles verpasst.
01:01:58
Die Szene hat mich zum Grübeln gebracht.
01:02:02
Meine Mutter sagt,
01:02:03
mein Vater fragt oft nach mir.
01:02:06
dass er ernstes Interesse daran hat,
01:02:08
wie es mir geht.
01:02:09
Nachdem ich den Film gesehen habe,
01:02:11
habe ich noch in derselben Nacht geguckt,
01:02:12
wie das jetzt mit dem Besuchsrecht
01:02:14
zu Corona-Zeiten in der JVA ist.
01:02:16
Ich habe gedacht,
01:02:17
vielleicht machen wir einfach
01:02:17
einen Neuanfang.
01:02:18
Sprechen nicht mehr über das,
01:02:20
was passiert ist.
01:02:21
Ich habe gedacht,
01:02:22
ich gebe ihm die Möglichkeit,
01:02:23
jetzt doch noch an meinem Leben
01:02:24
teilhaben zu können.
01:02:26
Und dann verflog der Gedanke wieder.
01:02:28
Ich habe Dinge im Leben vor
01:02:31
und ich kann mir nicht leisten,
01:02:32
nochmal so aus der Bahn geworfen zu werden,
01:02:34
weil ich zum 180. Mal enttäuscht werde.
01:02:37
Und dann denke ich,
01:02:39
vielleicht bin ich jetzt aber an der Reihe.
01:02:41
Vielleicht muss ich das jetzt
01:02:43
in die Hand nehmen.
01:02:43
Vielleicht muss ich die Erwachsene sein
01:02:45
und diesem Mann einen Grund geben,
01:02:47
sein Leben in Zukunft besser zu machen.
01:02:49
Aber ich weiß noch nicht,
01:02:51
ob ich dazu wirklich bereit bin.
01:02:56
Ich habe den Fall vorher an Klara geschickt
01:02:58
und sie danach angerufen.
01:03:00
Klara, das ist ja jetzt deine Geschichte.
01:03:03
Erzählt von mir.
01:03:05
Sonst hörst du bei uns im Podcast
01:03:07
ja immer Geschichten von anderen.
01:03:09
Wie geht es dir denn jetzt damit?
01:03:12
Ich habe eiskalte Hände
01:03:14
und am ganzen Körper
01:03:16
Gänsehaut bekommen.
01:03:19
Ich hatte auch Tränen in den Augen.
01:03:24
Klar kenne ich die Geschichte,
01:03:26
aber das jetzt eigentlich mal aus der Erzählerperspektive
01:03:34
war schon schwierig.
01:03:38
du bist immer hin und her gerissen,
01:03:40
was deinen Vater angeht.
01:03:42
Ob du ihn jetzt besuchen wirst oder nicht.
01:03:44
Was denkst du jetzt gerade darüber?
01:03:47
Ich tendiere schon dazu,
01:03:49
dass ich den Kontakt aufnehme.
01:03:52
Einfach, wenn man bedenkt,
01:03:56
dass es jetzt nur noch vier Jahre knapp sind,
01:03:59
bis er dann nach der Halbzeit seiner Strafe rauskommen kann.
01:04:05
Ja, ich möchte dem einfach ein bisschen vorweg greifen,
01:04:08
dass ich diese Situation in meiner Kontrolle habe
01:04:14
und nicht die Situation irgendwann mich kontrolliert.
01:04:16
Und daher glaube ich schon,
01:04:18
dass ich diesen Kontakt aufnehmen werde.
01:04:23
Nicht, weil ich ihm beistehen möchte,
01:04:25
sondern weil ich sicher gehen möchte,
01:04:29
dass ich irgendwann gut damit umgehen kann,
01:04:33
und dass es nicht mich kontrolliert
01:04:35
und wieder zurückreißt
01:04:36
und aus dem Leben rausreißt,
01:04:38
sondern dass ich dem Ganzen einfach vorweg komme.
01:04:42
Du hast in unseren Gesprächen
01:04:45
mir versucht nahezubringen,
01:04:48
dass dein Vater auch eine gute Seite hat
01:04:50
und was Gutmütiges hat.
01:04:53
als du mir das erzählt hast,
01:04:55
er war auch gutmütig.
01:04:58
Und dann hast du dich korrigiert
01:05:00
und hast gesagt,
01:05:01
ach, der ist ja noch gar nicht tot.
01:05:03
Empfindest du das manchmal so,
01:05:05
als wäre dein Vater für dich gestorben?
01:05:08
Ja, nicht nur nach der Tat,
01:05:11
sondern auch davor.
01:05:12
Ich hatte ihm ja schon mehrfach das auch gesagt,
01:05:18
dass ich nicht mehr kann,
01:05:22
dass ich nicht mehr weiter weiß.
01:05:24
und wenn er das nicht versteht,
01:05:26
dann ist die Sache für mich beendet.
01:05:29
Und nach der Tat
01:05:32
war das ganz, ganz lange so,
01:05:34
dass ich gesagt habe,
01:05:35
das ist mir total egal,
01:05:37
was mit diesem Mensch passiert
01:05:39
und wenn er stirbt
01:05:40
und wenn er sich das Leben nimmt.
01:05:42
das ist mir sowas von egal,
01:05:44
das geht mir sowas von am Arsch vorbei.
01:05:48
Und ich erwische mich oft,
01:05:50
dass ich über ihn
01:05:52
in der Vergangenheit spreche.
01:05:54
Und trotz all dieser Sachen,
01:05:57
die passiert sind,
01:05:58
also die er deiner Familie
01:05:59
ja auch angetan hat,
01:06:00
redest du immer davon,
01:06:02
dass du auch die guten Seiten
01:06:05
an ihm sehen kannst.
01:06:07
Und wir wissen ja,
01:06:08
es gibt kein Schwarz und Weiß
01:06:10
und kein Mensch ist nur gut und böse.
01:06:12
Aber wie gelingt dir das,
01:06:14
nicht nur die schlechten Seiten,
01:06:16
sondern auch die guten zu sehen?
01:06:18
Weil ich die kenne.
01:06:20
Also es war keine geplante Tat,
01:06:24
das war eine Affekttat.
01:06:28
Er ist mich oft genug im Affekt angegangen.
01:06:32
Seine Wutausbrüche,
01:06:35
das waren alles Affekttaten.
01:06:38
dass es sich bei ihm aufgestaut hat
01:06:40
und er seine Gewalt
01:06:41
an jemandem rauslassen musste.
01:06:43
Das war immer aus der Situation heraus,
01:06:47
dass er den Schalter im Kopf
01:06:52
einfach nicht umlegen konnte
01:06:54
und er hat dann nur noch rot gesehen.
01:06:57
Es gab für ihn dann keinen Stopp mehr.
01:06:58
Jedem wird es mal zu viel.
01:07:02
Aber jeder kann bremsen,
01:07:05
kann sich selber bremsen,
01:07:07
kann die Emotionen einfangen,
01:07:09
bevor es eskaliert.
01:07:10
Und er kann das nicht.
01:07:11
Aber er ist von Grund auf
01:07:15
ein guter Mensch.
01:07:17
Ansonsten hätte er
01:07:20
dieser Person geholfen
01:07:22
und sich um ihn gekümmert.
01:07:25
Das hätte er alles gar nicht gemacht,
01:07:26
wenn er nicht im Inneren irgendwo
01:07:29
wirklich ein guter Mensch wäre.
01:07:33
Das entschuldigt nicht die Tat,
01:07:35
aber die Tat und alles das,
01:07:37
was er uns angetan hat,
01:07:38
das kommt einfach nur durch den Alkohol,
01:07:42
durch den jahrzehntelangen Alkohol-
01:07:44
und Drogenmissbrauch.
01:07:48
dass du dich darauf einlässt,
01:07:49
also wenn du jetzt wieder
01:07:51
mit ihm Kontakt hättest
01:07:52
und dann passiert wieder
01:07:53
genau dasselbe wie sonst auch?
01:07:55
So schlimm es klingt,
01:07:57
sein Weg ist eigentlich schon vorgegeben,
01:08:00
was wieder läuft.
01:08:02
Damit meine ich nicht die Gewalt,
01:08:04
sondern der Griff zur Flasche,
01:08:06
der Gang zum Arzt,
01:08:09
um sich Medikamente verschreiben zu lassen.
01:08:11
Weil es ist ja ganz klar,
01:08:13
er war die letzten Jahrzehnte
01:08:15
nie völlig nüchtern,
01:08:17
er hat keine Perspektive,
01:08:19
Bekannte und Freunde
01:08:21
haben sich abgewandt
01:08:23
und er kommt dann völlig nüchtern raus
01:08:26
und tritt dann jemandem gegenüber,
01:08:29
der weiß, was er getan hat.
01:08:31
Und mein Vater weiß selber,
01:08:33
was er getan hat.
01:08:35
diesen Druck und dieser Scham
01:08:39
das wird er nicht überstehen können.
01:08:42
Ich kann es nur versuchen,
01:08:44
ihm zu vermitteln,
01:08:46
dass er ein stabiles Umfeld hat,
01:08:49
in das er rauskommt,
01:08:50
dass es nicht nötig ist,
01:08:52
wieder zur Flasche zu greifen
01:08:54
und sich wieder im Alkohol zu ertrinken.
01:08:56
Das ist meine einzige Hoffnung eigentlich.
01:09:02
Ja, ich kann das gut verstehen,
01:09:04
dass man dann ja trotzdem immer noch irgendwie hofft
01:09:10
und vielleicht schafft er es ja dieses Mal
01:09:12
mit unserer Hilfe
01:09:13
und man kann da irgendwie irgendwann
01:09:16
eine Beziehung zueinander aufbauen.
01:09:18
Aber tatsächlich ist es ja so,
01:09:20
dass sie das wirklich nicht muss.
01:09:22
also sie schuldet diesem Mann
01:09:25
auch wenn es ihr Vater ist.
01:09:27
Ja, und gleichzeitig finde ich das irgendwie
01:09:29
sehr bewundernswert,
01:09:31
eventuell gebe ich sein Leben
01:09:34
noch nicht komplett auf,
01:09:35
weil außer uns hat er nichts.
01:09:37
Und wenn wir nicht da sind,
01:09:40
und alleine kommt er da nicht raus.
01:09:44
sollte sie sich dafür entscheiden.
01:09:45
Und wenn nicht, glaube ich,
01:09:47
warum sie es nicht macht.
01:09:50
Vielen Dank auf jeden Fall,
01:09:53
dass du oder dass ihr uns
01:09:55
die Geschichten erzählt habt.
01:09:58
Und wir werden eure Perspektiven
01:09:59
jetzt auch sicherlich im Hinterkopf behalten
01:10:02
bei den nächsten Folgen.
01:10:04
Dann kommen wir jetzt zu den Geschichten,
01:10:07
die wir im Podcast schon erzählt haben,
01:10:09
zu denen wir euch updaten wollen,
01:10:11
weil da noch irgendwas passiert.
01:10:14
Genau, das Erste
01:10:16
ist von unserer vergangenen Folge,
01:10:18
in der wir über Vergeltung gesprochen haben.
01:10:20
Und zwar ist ein paar Tage
01:10:23
nach unserer Veröffentlichung
01:10:24
dann bekannt geworden,
01:10:25
dass der Stiefvater von Kalinka,
01:10:27
also der, der sie betäubt hat
01:10:29
und offenbar sexuell missbraucht hatte,
01:10:30
mittlerweile verstorben ist.
01:10:34
vor sieben Monaten aus der Haft
01:10:36
aus dem französischen Gefängnis entlassen.
01:10:38
Der Vater von Kalinka
01:10:40
hatte ihn ja 2009 aus Deutschland
01:10:42
nach Frankreich entführen lassen.
01:10:44
damit die französische Justiz
01:10:45
ihn dort verurteilen konnte.
01:10:46
Und er saß ja also da dann auch elf Jahre,
01:10:49
soll die letzten Monate
01:10:51
in einem Altenheim verbracht haben
01:10:54
und dort im September dann verstorben sein.
01:10:59
Ich habe auch ein Update zu einem Fall,
01:11:02
der mir irgendwie total in Erinnerung geblieben ist.
01:11:05
Und zwar war das der,
01:11:07
den ich erzählt habe zur Love Parade aus Folge 42.
01:11:09
Da habe ich von Eike erzählt,
01:11:12
der eben am 24. Juli 2010
01:11:15
nach Duisburg gefahren ist
01:11:16
und dann nicht mehr zurückgekommen ist,
01:11:18
wie ja auch 20 andere neben ihm.
01:11:21
Und zwar weil Verantwortliche des Veranstalters,
01:11:23
der Stadt und der Polizei
01:11:25
vor und am Veranstaltungstag halt grobe Fehler gemacht haben.
01:11:29
Und ich hatte euch erzählt,
01:11:31
dass zehn Personen letztendlich ja dann auch
01:11:33
wegen fahrlässiger Tötung
01:11:34
und fahrlässiger Körperverletzung
01:11:35
angeklagt worden waren.
01:11:37
Und als ich im März das erzählt habe,
01:11:41
da lief der Prozess auch noch.
01:11:42
Zwar nur noch gegen drei Personen.
01:11:44
Aber am 4. Mai dieses Jahres
01:11:47
wurde dann das Verfahren ganz eingestellt.
01:11:49
Und damit endete halt dieser Prozess
01:11:52
nach knapp zweieinhalb Jahren
01:11:54
und 184 Verhandlungstagen ohne Urteil.
01:11:58
Also so viel Aufwand für echt nichts.
01:12:02
Ich frage mich immer,
01:12:03
ob man das nicht wirklich schon vorher absehen kann.
01:12:06
Ja, und für die Angehörigen
01:12:08
ist es natürlich eben die so oft benannte Katastrophe
01:12:11
nach der Katastrophe.
01:12:12
Und der Richter hatte Eikes Familie
01:12:14
im Vorfeld versprochen,
01:12:15
dass egal wie dieser Prozess ausgeht,
01:12:18
dass das Gericht am Schluss
01:12:19
noch Feststellungen zur Schuld treffen wird.
01:12:21
Und das tut es auch,
01:12:23
aber nicht gerade zufriedenstellen.
01:12:25
Die sagen nämlich,
01:12:26
Schuld sei eine fehlerhafte Planung
01:12:28
und Ausführung gewesen.
01:12:29
Das wussten wir ja.
01:12:31
Allerdings nicht nur durch die Angeklagten,
01:12:33
sondern durch eine Vielzahl von Personen.
01:12:36
Ja, aber auch das ist ja nicht neu.
01:12:37
Auch das wurde ja vorher schon gesagt.
01:12:39
Und man spricht ja auch von organisierter Verantwortungslosigkeit
01:12:43
und von einem Unglück ohne Bösewicht,
01:12:46
in Anführungszeichen.
01:12:47
Namen werden aber nicht genannt.
01:12:50
Das hilft den Eltern halt auch leider nicht.
01:12:52
Also, ich meine,
01:12:54
man soll ja auch niemanden zur Verantwortung ziehen,
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wenn keiner verantwortlich ist.
01:12:58
Aber das ist einfach auf so vielen Ebenen unbefriedigend.
01:13:02
Ja, und das zeigt eigentlich,
01:13:04
dass die Kritik, die Eikes Vater halt gegeben hat,
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noch genau so Bestand hat.
01:13:09
Das ist nämlich, wenn man bei Veranstaltungen
01:13:12
nur mehrere Menschen beteiligt
01:13:14
und dann halt eben die Entscheidungen
01:13:15
auf möglichst viele Köpfe verteilt,
01:13:17
dass man dann halt im Ernstfall
01:13:19
ja ungeschoren davon kommt.
01:13:21
Zwei Monate nach dem Ende des Prozesses
01:13:24
beschließt man dann im NRW-Landtag,
01:13:26
dass eine Kommission einberufen werden soll,
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die neue Regeln für Großveranstaltungen ausarbeiten soll.
01:13:32
Und sie soll auch analysieren,
01:13:34
wie solche Katastrophen künftig
01:13:35
besser aufgearbeitet werden können,
01:13:37
damit halt zumindest in Zukunft
01:13:40
sowas nicht mehr wieder vorkommt
01:13:43
ja, dass es dann wenigstens
01:13:45
eine echte Aufarbeitung geben kann.
01:13:48
Ich habe in Folge 7 über Sarah gesprochen.
01:13:55
Sarah nimmt damals an der Kuppelshow
01:13:57
Schwerverliebt teil,
01:13:58
hat eine Vorliebe für Barbie-Puppen.
01:14:01
Ich glaube, vielleicht erinnert ihr euch
01:14:02
dann deswegen auch noch an dieses Detail.
01:14:04
Und sie hat kein leichtes Leben.
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Sie ist auch eher eingeschränkt, intelligent.
01:14:08
Aber sie sehnt sich halt sehr doll
01:14:11
nach Liebe und Anerkennung.
01:14:13
Und nach ihrer Teilnahme
01:14:14
hat sie es dann noch schwerer,
01:14:16
weil die Menschen sie verspotten.
01:14:18
Sie lernt dann Axel G. über das Internet kennen.
01:14:21
Der sorgt in seinem Heimatdorf für Aufregung,
01:14:24
weil er mit seiner Trompete öfter
01:14:25
die Nachbarschaft terrorisiert.
01:14:27
Und an einem Tag rückt dann mal wieder
01:14:30
wegen des Lärms die Polizei an
01:14:32
und in dem Haus finden sie dann
01:14:33
die stark verweste Leiche von Sarah.
01:14:35
Axel G. gibt damals bei der Polizei an,
01:14:38
dass er Sarah nackt ans Bett gebunden
01:14:40
und sie ausgepeitscht habe,
01:14:43
sie wäre eine Spionin des BND.
01:14:45
Und Axel G. bekommt daraufhin
01:14:47
fünf Jahre Haft wegen Freiheitsberaubung
01:14:50
und Körperverletzung mit Todesfolge.
01:14:52
Beide Parteien gehen danach in Revision.
01:14:56
bis dahin hatte ich die Geschichte damals erzählt.
01:14:58
Momentan findet ihr diesen Fall
01:15:02
nicht in unseren Folgen.
01:15:04
Den haben wir nämlich rausgeschnitten.
01:15:05
Das hat mehrere Gründe.
01:15:07
Und damit kriegt ihr jetzt auch
01:15:08
einen kleinen Einblick,
01:15:09
was passiert eigentlich bei Mordlust,
01:15:11
nachdem die Fälle draußen sind.
01:15:14
Zum einen haben wir von mehreren Personen,
01:15:17
die behaupteten Freunde von Axel G. zu sein,
01:15:20
einige nicht so nette Nachrichten bekommen.
01:15:24
Liebe Grüße an dieser Stelle.
01:15:26
Das ist jetzt nicht der Grund,
01:15:28
warum wir den Fall rausgenommen haben.
01:15:30
Aber die schrieben uns halt unter anderem auch,
01:15:33
dass die Revision ja noch lief
01:15:36
und im Grunde das,
01:15:37
was das erste Gericht festgestellt hatte,
01:15:39
ja nicht rechtskräftig war.
01:15:41
Und damit hatten sie ja recht.
01:15:42
Und die Revision hatte danach
01:15:44
dann nämlich auch noch Erfolg,
01:15:45
weil der BGH sagte,
01:15:46
dass der Geisteszustand von Axel G.
01:15:48
nicht ausreichend untersucht worden sei.
01:15:51
Immerhin würde ersichtlich
01:15:53
eine Wahnvorstellung zugrunde liegen.
01:15:55
Und im Juni 2020
01:15:57
verurteilte das Landgericht
01:15:58
Neubrandenburg-Achse G.
01:15:59
dann zu 90 Tagessätzen
01:16:02
wegen vorsitziger Körperverletzung,
01:16:04
versuchter Nötigung
01:16:05
und Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte.
01:16:08
Und das Gericht stellte dabei
01:16:09
auch noch eine verminderte Schuldfähigkeit fest.
01:16:12
Und vor allem sei nicht nachzuweisen,
01:16:14
dass die Folter zum Tod von Sarah geführt habe.
01:16:18
die lag ja auch sechs Wochen in diesem Haus
01:16:21
und war entsprechend stark verwest.
01:16:24
Und deswegen haben wir den Fall rausgenommen,
01:16:27
weil die Sachen,
01:16:27
die die erste Instanz als gegeben sah,
01:16:29
die wurden ja jetzt revidiert.
01:16:31
Und, weil so ehrlich sollten wir hier vielleicht auch einmal sein,
01:16:34
auch wegen unserer Tonalität.
01:16:37
Mittlerweile ist das ja für uns nicht mehr so eine Gratwanderung,
01:16:40
wann wir locker sind und wann nicht.
01:16:43
Aber das musste sich auch erst mal einspielen.
01:16:45
Und bei Folge 7 ist uns das damals vielleicht noch nicht so ganz gelungen.
01:16:48
Und der Fall kommt auch irgendwann wieder online
01:16:51
mit den aktualisierten Infos
01:16:52
und auch ein bisschen mehr Zurückhaltung.
01:16:55
Jetzt aber zum eigentlichen Update.
01:16:59
Axel G. ist ja dann freigekommen,
01:17:01
sollte für die Haft auch entschädigt werden,
01:17:04
hat wohl auch wieder seine Nachbarn terrorisiert
01:17:07
und ist im September
01:17:09
bei einem Brand in seiner Wohnung
01:17:10
ums Leben gekommen.
01:17:11
Im Oktober 2019 kam unsere Folge 31
01:17:17
zum Thema Sterbehilfe raus.
01:17:19
Und damals gab es noch den sogenannten
01:17:21
Sterbehilfe-Paragrafen 217
01:17:24
geschäftsmäßige Förderung der Selbsttötung.
01:17:27
Und da war früher der Plan hinter dem Gesetz,
01:17:30
dass man halt eine Kommerzialisierung von Sterbehilfe verhindern will.
01:17:33
Doch da gab es ein Problem
01:17:35
und zwar mit dem Wort geschäftsmäßig,
01:17:36
weil das im juristischen Sinne
01:17:38
nicht gewerblich heißt.
01:17:39
Und deswegen wurde jede Art
01:17:43
von wiederholter Beihilfe zum Suizid
01:17:46
ob man damit jetzt Geld verdient hat oder nicht.
01:17:48
Und weil im juristischen Sinne
01:17:50
Ärzte und Ärztinnen
01:17:51
auch geschäftsmäßig arbeiten,
01:17:52
gab es dann halt einige Unsicherheiten.
01:17:55
Also alle Personen,
01:17:57
die das auf eine Art professionell machen,
01:18:00
sind ja damit gemeint.
01:18:03
Und am 26. Februar dieses Jahres
01:18:06
entscheidet deshalb das Bundesverfassungsgericht,
01:18:08
dass der Paragraf gegen das Grundgesetz verstößt.
01:18:12
Und zwar gegen das darin verankerte allgemeine Persönlichkeitsrecht,
01:18:15
das uns ja ein Recht auf selbstbestimmtes Leben verspricht
01:18:18
und damit auch im Umkehrschluss ein Recht auf selbstbestimmtes Sterben.
01:18:23
Also so sehen es die RichterInnen.
01:18:24
Und dabei umfasst das allgemeine Persönlichkeitsrecht auch,
01:18:27
sich für dieses Sterben Hilfe bei Dritten zu suchen.
01:18:30
Und was das jetzt für uns alle bedeutet,
01:18:33
ist, dass Sterbehilfevereine und Ärzte und Ärztinnen
01:18:36
jetzt Hilfestellung beim Suizid leisten dürfen.
01:18:38
Also zum Beispiel jetzt ein tödliches Mittel verschreiben.
01:18:42
Du müsstest das dann aber immer noch selbst nehmen
01:18:45
und natürlich auch aus freiem Willen.
01:18:48
Dass diese Entscheidung nicht ohne Kritik auskommt,
01:18:52
Ihr könnt euch gerne auch nochmal in der Folge
01:18:55
alle Pro- und Kontra-Argumente
01:18:57
für die verschiedenen Arten von Sterbehilfe anhören.
01:18:59
In dem Fall jetzt hier ging es vor allem auch um die Angst,
01:19:02
dass die Beihilfe zum Suizid normal wird.
01:19:05
Also, dass das irgendwie eine ganz normale Option wird,
01:19:08
aus dem Leben zu treten.
01:19:10
Und die Frage ist aber ja,
01:19:12
wie gerechtfertigt ist diese Angst?
01:19:14
Weil das Urteil bedeutet jetzt nicht
01:19:16
freie Bahn für Sterbehilfevereine.
01:19:18
Denn das Bundesverfassungsgericht hat den Gesetzgeber
01:19:21
ganz ausdrücklich zu einer detaillierten Regulierung
01:19:24
der Suizidbeihilfe aufgerufen.
01:19:26
Das heißt, es wird klare Regeln geben,
01:19:28
wer so eine Beihilfe in Anspruch nehmen darf
01:19:31
und wie die auch genau aussehen wird.
01:19:33
Ja, wenn Sie die Umsetzung mal angehen würden.
01:19:36
Also, das sollen Sie ja machen,
01:19:40
diese Regelung einführen,
01:19:41
um unter anderem halt Menschen,
01:19:44
die psychisch instabil sind oder so zu schützen.
01:19:47
Aber seit Februar ist ja einfach gar nichts passiert.
01:19:51
Also, zumindest nichts, was Bestand hat.
01:19:53
Was ich ja eine Frechheit finde,
01:19:56
vor allem, dass Sie gerade sogar noch
01:19:58
die Medikamentenausgabe verweigern
01:20:00
und die auch gerade nicht mal in extremen Fällen zulassen.
01:20:04
Und das ist ein Verfassungsbruch
01:20:07
und auch noch dazu total inhuman.
01:20:10
Ja, das geht gar nicht.
01:20:13
Das ist super problematisch,
01:20:14
dass das nicht schneller geht in der Umsetzung.
01:20:16
Was vielleicht auch wichtig ist zu sagen,
01:20:19
ist, dass sowas ja auch mit Sicherheit
01:20:21
etwas länger dauert.
01:20:23
Vielleicht jetzt nicht so lang,
01:20:24
aber dass man das ja auch fundiert machen will,
01:20:27
also diese Regelung.
01:20:28
Und dass sich der Herr Spahn dann ja dazu
01:20:31
auch bitte verschiedene Meinungen einhöhlen soll
01:20:34
die halt davon mehr Ahnung haben als er.
01:20:36
Weil sonst gibt es bald wieder
01:20:38
so eine Regelung wie davor,
01:20:39
wo im Gesetzestext ein Wort drinsteht,
01:20:42
das für Chaos sorgt.
01:20:44
Ja, aber dann soll er doch bitte
01:20:46
in der Zwischenzeit
01:20:47
das Medikament rausrücken.
01:20:48
Als hätte er das bei sich
01:20:52
im Arzneischrank im Bad.
01:20:53
Dann gibt es noch ein Update
01:20:58
bezüglich des Germanwings Absturzes,
01:21:01
beziehungsweise zwei.
01:21:02
Und zwar entschied gerade der BGH,
01:21:06
dass die Presse Voyeurismus am Grab
01:21:09
vom Piloten Andreas L.,
01:21:11
also der damals für den Absturz sorgte,
01:21:13
nicht fördern darf.
01:21:14
Und seine Eltern hatten die BILD nämlich verklagt,
01:21:17
die ein Artikel mit Fotos vom Grab
01:21:19
von Andreas L. veröffentlichte.
01:21:22
Das geht gar nicht.
01:21:23
Hast du da Gefühle zu?
01:21:26
Ja, das geht gar nicht.
01:21:27
Das wusste ich nicht.
01:21:29
Ich habe die Fotos nicht gesehen.
01:21:30
Aber wenn ich das höre,
01:21:32
denke ich mir nur so,
01:21:33
also was war deren Rechtfertigung,
01:21:36
also dieses Bild jetzt zu zeigen?
01:21:38
Hatten die da eine?
01:21:39
Oder einfach nur Bebilderung?
01:21:43
Des genauso unberechtigten Textes,
01:21:48
den sie dazu geschrieben haben,
01:21:49
würde ich mal sagen.
01:21:50
Okay, wie würdest du Berichterstattung
01:21:53
über ein Grab sehen?
01:21:55
Würdest du sagen, generell verboten?
01:21:56
Wenn das Grab geschändet wurde,
01:21:58
dann kann man darüber ja berichten,
01:22:01
weil das ist ja eine Straftat.
01:22:03
Ansonsten finde ich,
01:22:04
muss man ein Grab eigentlich gar nicht zeigen.
01:22:07
Zeigen und darüber schreiben?
01:22:09
Also ein extra Artikel über ein Grab
01:22:12
finde ich so unsinnig,
01:22:14
wie ein Artikel über das Haus,
01:22:18
in dem der gelebt hat.
01:22:20
Ja, also im Grunde ging es
01:22:21
in dem Artikel darum,
01:22:22
dass das Holzkreuz
01:22:24
durch eine andere Art
01:22:26
von Grabstein ersetzt wurde.
01:22:28
Aber wenn man kein Foto hat,
01:22:30
dann kann man natürlich auch
01:22:32
das Grab des Amokpiloten.
01:22:35
Der BGH entschied dazu jetzt,
01:22:38
dass die Angehörigen
01:22:39
ein Recht darauf hätten,
01:22:40
dass auch sie in Trauer
01:22:42
beim Besuch des Grabes
01:22:43
nicht zum Objekt von Schaulust
01:22:45
und Sensationsgier werden.
01:22:47
Und er erklärte die Veröffentlichung
01:22:49
von Fotos für rechtswidrig,
01:22:51
nicht aber die Texte.
01:22:56
würde Grabtourismus
01:22:57
gefördert werden.
01:23:00
will ja auch keiner lesen.
01:23:03
das Landgericht Essen
01:23:04
wies im Juli dieses Jahres
01:23:06
die Klage der Hinterbliebenen
01:23:07
auf Schmerzensgeld
01:23:08
gegen die Lufthansa ab,
01:23:11
die medizinische Überwachung
01:23:13
von FlugschülerInnen
01:23:14
sei keine Aufgabe
01:23:19
litt Andreas Eyer
01:23:20
offenbar an Depressionen,
01:23:22
zu seiner Ausbildung bekannt war.
01:23:24
Und die Hinterbliebenen
01:23:25
hatten mehr Schmerzensgeld
01:23:27
als die Lufthansa
01:23:29
und wollte außerdem
01:23:31
das Verantwortliche
01:23:34
den German Wings
01:23:36
und die Love Parade
01:23:37
zusammen in einer Folge erzählt
01:23:40
blieb es immer dabei,
01:23:41
dass keine Verantwortlichen
01:23:45
hatten wir berichtet
01:23:46
in unserer Folge 52.
01:23:54
ist mir ganz besonders
01:23:56
in Erinnerung geblieben
01:23:57
und zwar der von Frauke Liebs.
01:23:58
Den habe ich in Folge 4
01:24:00
und der Fall handelt
01:24:01
von einer jungen Frau,
01:24:06
in einem Irish Pub
01:24:07
für das WM-Fußballspiel
01:24:09
England gegen Schweden trifft
01:24:10
und sie wird dann
01:24:11
zu Fuß nach Hause
01:24:12
zu ihrer WG laufen
01:24:17
ruft sie einige Male
01:24:18
ihren Mitbewohner
01:24:19
und ihre Geschwister an
01:24:22
sagt ihre Schwester
01:24:23
komm doch wieder.
01:24:25
Darauf antwortet Frauke
01:24:29
Bei den Telefonaten
01:24:31
nicht wo sie ist
01:24:32
oder was passiert ist
01:24:33
und sie deckt aber
01:24:34
immer so ein bisschen
01:24:35
dass sie doch wieder
01:24:36
nach Hause kommt,
01:24:38
total benommen anhört
01:24:39
und zwei Monate später
01:24:40
wird dann ihre Leiche
01:24:42
Die Neuigkeit ist,
01:24:45
unterstützt jetzt
01:24:48
aufgebaut für den Fall
01:24:51
und hat für Hinweise,
01:24:51
die zur Ergreifung
01:24:52
oder der Täterin
01:24:54
in Aussicht gestellt
01:24:55
und Fraukes Mutter
01:24:58
eine Außendienststelle
01:24:59
des Weißen Rings.
01:25:00
Ich habe damals,
01:25:02
als ich davon erzählt habe,
01:25:03
schon von möglichen
01:25:06
von Höxter erzählt.
01:25:09
wiederum in Folge
01:25:13
dieser örtlichen Nähe,
01:25:16
auch Zusammenhänge
01:25:18
der Telefonmaststandorte
01:25:21
Frauke hatte ja auch
01:25:22
SMS an ihre Familie
01:25:24
und das war auch was,
01:25:26
was das Höxter-Paar
01:25:27
öfter gemacht hatte,
01:25:28
also Nachrichten
01:25:29
im Namen der Frauen,
01:25:30
die sie bei sich
01:25:31
gefangen gehalten hatten,
01:25:33
dann an die Angehörigen
01:25:36
hat auch in die Richtung
01:25:39
keine Erkenntnisse.
01:25:45
bei Fraukes Mutter
01:25:49
und darin schrieb sie,
01:25:51
sehr geehrte Frau Liebs,
01:25:53
sollten Sie in einem
01:25:54
verwandtschaftlichen
01:25:56
Frauke gestanden haben,
01:25:57
dann schreiben Sie
01:25:58
mir bitte zurück.
01:25:59
Ich kann Sie leider
01:26:00
nicht persönlich
01:26:02
darum bleibt mir
01:26:03
nur der Briefkontakt.
01:26:07
dann entschuldigen Sie
01:26:08
aber falls doch,
01:26:10
zurückschreiben,
01:26:11
vielleicht kann ich
01:26:24
dass sich die Frau
01:26:25
vielleicht auch nur
01:26:26
wichtig machen möchte.
01:26:27
das finde ich ja
01:26:34
unterdurchschnittlich
01:26:35
intelligent eingestuft
01:26:37
eine verminderte
01:26:41
in die forensische
01:26:50
unterscheiden kann.
01:26:53
unsere Lieblingszeitung
01:26:56
Gutachten ergab,
01:26:58
ist wahrscheinlich
01:26:59
gar nicht dumm genug
01:27:00
für die Psychiatrie.
01:27:06
in den regulären
01:27:07
Strafvollzug gewechselt,
01:27:09
was jetzt heißt,
01:27:11
seine vorzeitige
01:27:13
dann auch beantragen könnte.
01:27:15
er bekommt jetzt
01:27:17
noch eine Sicherungsverwahrung.
01:27:22
forensischen Psychiatrie
01:27:25
unterdurchschnittlich
01:27:26
intelligent eingestuft
01:27:27
wurde oder auch,
01:27:28
weil er sadistisch
01:27:32
Die waren nicht sadistisch
01:27:35
meiner Erinnerung nach
01:27:37
seiner verminderten
01:27:38
Schuldfähigkeit,
01:27:39
weil die gesagt haben,
01:27:39
der weiß gar nicht,
01:27:40
was Recht und Unrecht
01:27:42
Und jetzt hat ein
01:27:43
Gutachten das aber
01:27:45
Das finde ich ja
01:27:47
wirklich die Leute
01:27:48
aus der Psychiatrie
01:27:50
wieder rüber geschoben
01:27:52
das ist ja sowieso so,
01:27:53
also man muss das eh
01:27:54
alle zwei Jahre prüfen,
01:27:55
ob die weiterhin
01:27:57
in die Psychiatrie
01:28:01
absitzen müssen.
01:28:02
normalerweise ja auch
01:28:05
geht es denen jetzt
01:28:07
aber dass man halt
01:28:09
der ist gar nicht so,
01:28:10
wie wir den eigentlich
01:28:11
eingeschätzt haben,
01:28:12
weil schlauer ist er ja
01:28:14
da jetzt nicht geworden
01:28:15
in der Psychiatrie.
01:28:22
Kommen wir zu einer Folge,
01:28:25
die für viele von euch
01:28:26
die schlimmste war,
01:28:28
In der haben wir nämlich
01:28:30
von Kindern gesprochen,
01:28:31
die zu TäterInnen
01:28:32
Und da habe ich von
01:28:34
dem kleinen James Bulger
01:28:35
aus England erzählt,
01:28:39
Einkaufszentrum entführt,
01:28:41
und getötet wurde.
01:28:43
Die Verurteilung
01:28:45
Jugendhaftstrafe
01:28:46
der beiden Täter,
01:28:46
die kamen bei euch
01:28:47
ganz unterschiedlich an.
01:28:49
das sei richtig so gewesen
01:28:51
und andere konnten
01:28:53
von Minderjährigen
01:28:54
gar nicht nachvollziehen.
01:28:55
Und als ich die Geschichte
01:28:57
im November 2018
01:28:58
da saß einer der beiden
01:29:01
und zwar John Venables.
01:29:03
Er war wegen Besitzes
01:29:04
von Kinderpornografie
01:29:05
verurteilt worden,
01:29:05
und zwar zu drei Jahren
01:29:07
und 2017 war er übrigens
01:29:10
des gleichen Delikts
01:29:13
Eigentlich darf er jetzt
01:29:14
bei der zuständigen
01:29:15
Bewährungskommission
01:29:15
eine Freilassung beantragen,
01:29:17
doch das macht er nicht.
01:29:21
in Haft bleiben würde,
01:29:23
weil er eben befürchtet,
01:29:24
rückfällig zu werden.
01:29:26
Und zu der Kommission
01:29:27
meinte der mittlerweile
01:29:29
wieder draußen wäre,
01:29:31
dann würde es ihm
01:29:32
sicher schwer fallen,
01:29:32
Anschluss zu finden
01:29:34
Und dann würde er versuchen,
01:29:37
Sex und Pornografie
01:29:39
in sein Leben zu bringen.
01:29:41
Und gut dann nicht,
01:29:43
dachten sich dann
01:29:44
die Verantwortlichen
01:29:46
und sprechen sich halt
01:29:47
gegen eine mögliche
01:29:48
vorzeitige Entlassung aus.
01:29:50
Und James' Eltern
01:29:52
sehr erleichtert
01:29:54
haben eigentlich immer
01:29:55
für härtere Strafen
01:29:58
Ich finde das aber auch hart,
01:30:00
dass man selber sagt,
01:30:01
also ich sehe da mich jetzt
01:30:03
nicht für die Allgemeinheit
01:30:05
und habe aber auch gleichzeitig
01:30:08
selbst keine Perspektive,
01:30:10
weil ich mich offenbar ja auch
01:30:11
nicht als therapierbar sehe
01:30:13
und die Täterarbeit
01:30:15
schlägt da ja offenbar
01:30:16
Also es ist schon alles
01:30:17
wirklich einfach sehr,
01:30:20
Ja, sehr deprimierend
01:30:21
und bei meiner Recherche
01:30:23
sind mir auch noch
01:30:24
andere Fälle begegnet,
01:30:26
von denen wir schon erzählt haben,
01:30:30
bleiben möchten.
01:30:33
bezüglich des Foltermords
01:30:35
das habe ich in Folge 7
01:30:37
da hatten drei Männer
01:30:43
Und einer dieser Täter
01:30:45
war schon wieder draußen jetzt,
01:30:46
aber ist jetzt schon wieder drinnen
01:30:48
und zwar hat er einen Überfall
01:30:50
auf eine Frau begangen,
01:30:51
nur um wieder in Haft zu kommen,
01:30:53
weil er nicht draußen sein wollte
01:30:55
und hat sich während dieses Überfalls
01:30:57
auch noch bei der Frau
01:30:59
schon entschuldigt.
01:31:00
Ja, ich habe das auch schon öfter gehört,
01:31:02
weil sie draußen
01:31:03
keine Perspektive für sich sehen
01:31:05
und weil sie vielleicht
01:31:07
auch keine Wohnung finden,
01:31:08
weil sie nicht wissen,
01:31:09
wie sie ihr Leben regeln sollen
01:31:11
und im Gefängnis
01:31:12
ist das ja nun mal geregelt.
01:31:14
Da wirst du fremdbestimmt
01:31:15
von morgens bis abends
01:31:16
und draußen halt nicht
01:31:18
und dann wissen sie nichts
01:31:19
mit sich anzufangen.
01:31:20
Ja, und das zeigt ja eigentlich,
01:31:22
dass da noch Nachholbedarf
01:31:25
Wiedereingliederung,
01:31:27
Bewährungshelfer
01:31:29
und Bewährungshelferinnen
01:31:31
ja, damit nicht jemand
01:31:32
eine Frau überfällt,
01:31:34
nur um wieder in Haft zu kommen.
01:31:35
Das muss man sich ja mal vorstellen.
01:31:37
Und der bekannteste
01:31:39
Serienmörder Berlins,
01:31:40
von dem ich auch schon erzählt habe,
01:31:44
der will auch nicht raus,
01:31:46
obwohl er schon seit 25 Jahren sitzt.
01:31:48
Und was ich noch über ihn herausfinden konnte,
01:31:52
dass er ein Gedicht geschrieben hat
01:31:54
nachdem eine Poetry-Slammerin
01:31:58
einen Workshop gegeben hat,
01:32:00
was mich, was mich irgendwie total gewundert hat,
01:32:02
dass es sowas gibt,
01:32:03
aber was natürlich,
01:32:04
was ich cool finde,
01:32:05
dass es sowas gibt.
01:32:06
ich stelle mir das halt total witzig vor,
01:32:08
wie da eine Poetry-Slammerin
01:32:10
steht wie an der Tafel
01:32:12
und dann die Häftlinge
01:32:13
da irgendwie mit Bleistift und Papier sitzen
01:32:15
und irgendwie poetisch sind.
01:32:17
ich habe die Idee.
01:32:19
Wir gehen in ein Gefängnis
01:32:21
und erzählen die Fälle
01:32:26
Wer macht das mit uns?
01:32:28
Wie von den Tätern
01:32:30
oder Täterinnen.
01:32:32
Und die anderen können zuhören.
01:32:38
Das würde ich sofort machen.
01:32:40
Ja, wenn die das machen,
01:32:42
aber die hören ja nicht
01:32:43
unseren Podcast,
01:32:43
also das kann jetzt ja keiner
01:32:45
sich irgendwie bei uns melden.
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Das weißt du doch nicht.
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Hä, wir kriegen doch oft,
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doch, doch, doch,
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was mit einem Gefängnis
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und uns da zusammenbringen würden.
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Wir möchten gerne
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in einem Gefängnis machen.
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Da die Fälle mit den Tätern
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oder Täterinnen zusammen erarbeiten
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und möchten aber auch
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die Opferperspektive beleuchten.
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Das müssten sie sich
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dann auch geben.
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Und das Opfer ist in diesem Fall
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dann nicht der Täter
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oder die Täterin,
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wie das ja manchmal
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dann so gerne dargestellt wird,
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sondern die Opfer der Tat.
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Ja, und ein bisschen
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ist es in diesem Gedicht
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wie du gerade gesagt hast,
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und Täterin wird zu Opfer.
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Möchtest du es gerne hören?
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als Baby auf die Welt gekommen,
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als kleines Kind
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nicht in die Arme genommen.
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Was soll aus diesem Kind
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doch nicht wehren?
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Das Kind nur geschunden
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hat wenig Perspektive.
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Nun ist die Kindheit auch vorbei,
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geblieben ist die Grübelei.
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Ein Kind ist das größte Gut
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und darf niemals
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geschlagen werden.
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niemals verzeiht,
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das sind die vielen Opfer
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was ich denen angetan habe,
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es tut mir unendlich leid,
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nur ändert es nichts.
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Und es gibt keinen Reim
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ob ich es besser gemacht hätte,
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Das Gedicht geschrieben.
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ich kann gar nicht reimen,
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aber ich meine jetzt,
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weil es ging dann darum,
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ob man Punkte vergeben kann
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also andere Insassen.
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Was für das Gedicht.
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weil es haben ja auch noch
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andere Gedichte geschrieben
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und die wurden dann vorgelesen
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und man hat Punkte vergeben,
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was ich total blöd finde.
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Das finde ich auch gut.
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Stell dir mal vor,
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jemand würde unseren Podcast
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irgendwie mit so Punkten
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oder Sternen bewerten.
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Das ist ganz furchtbar.
01:34:42
Gebt uns bitte fünf Sterne
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bei der Apple Podcast App.
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Aber auf jeden Fall
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gibt es da noch so
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ganz berühmten Serienmörder.
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der mit ihm zusammen wohnt.
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Das ist dieser Oma-Mörder
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und der hat nämlich gesagt,
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es wird hier mit Punkten bewertet
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und der kann sich nämlich
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immer durchsetzen
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und der hat sich nämlich
01:35:01
dafür eingesetzt
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oder irgendwie stark gemacht,
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dass man eben das doch
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mit Punkten halt bewertet
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und dann hat tatsächlich der,
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von dem ich gerade hier
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das vorgelesen habe,
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auch nur sehr wenig Punkte bekommen.
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Oh, das finde ich nicht nett.
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Aber der andere hat auch
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wenig Punkte bekommen.
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Noch mehr Updates
01:35:25
findet ihr die Tage
01:35:26
bei uns auf Instagram
01:35:27
Mordlust, der Podcast.
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Zum Schluss gibt's was
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aus einer meiner Lieblingsrubriken.
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Was ist die andere?
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dass du schon wieder
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ein Verbrechen erlebt hast.
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Laura beobachtet
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zumindest dachte ich es, ja.
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auf meinem Konto.
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da beobachte ich auch
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ganz viel Diebstahl.
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als ich letztes Mal geguckt habe,
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gar keinen Sinn gemacht hat, ja.
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Und zwar eine Abbuchung
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Und die hat deshalb
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keinen Sinn gemacht,
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weil ich zu der Zeit,
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gar nicht in Berlin war.
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Da war da aber erstmal Alarm.
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kam die Abbuchung
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von einem Geschäft,
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Sturmhaube heißt.
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etwas nicht gleich versteht,
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dann versucht das Gehirn ja
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irgendwelche Lösungen anzubieten.
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Was auch Sinn macht,
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eine zweite Karte
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in meiner Berliner Wohnung
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und die hätte auch
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entwenden können,
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das weißt du eigentlich,
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bei dir in der Wohnung war,
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den du nicht kanntest,
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zum Handwerkern.
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einen Rauchmelder
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von deiner Karte.
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Und diese Person
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hat dann in einem
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Geschäft eingekauft,
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Sturmhaube heißt.
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Also hat sich diese Person
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wahrscheinlich eine
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um dann mit deiner
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mit meiner Karte
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damit das später,
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die naheliegendste
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Eigentlich ergibt
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das gar keinen Sinn.
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Und dann habe ich
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natürlich das gemacht,
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was man immer macht,
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wenn man nicht weiß,
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wenn man nicht weiß,
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woher die Abbuchungen
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Und dann stand halt
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Lackner Sturmhaube
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Und dann dachte ich mir so,
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Und dann kam ich dann
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irgendwann auf den Trichter,
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dass das halt eben
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ein Laden am BER ist,
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der Brötchen verkauft,
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wo ich am Samstagmorgen,
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als ich zurück nach London
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einen Kaffee und ein Wasser
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Ich hatte halt nur
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auf den Buchungstag
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und die Wertstellung
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geguckt und nicht
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gefühlt verschlüsselt
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Aber ganz ehrlich,
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wie oft googelst du das
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bei deinen Abbuchungen?
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Ich habe das so oft,
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Also früher dachte man doch
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wer sind Hennes und Mauritz
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und warum buchen die immer ab?
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Das habe ich nie gedacht.
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als man das erste Konto hatte?
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mich macht das auch immer
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von meinem Konto abgeht.
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Und weil ich mein
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mit allen Menschen,
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zuhören teilen möchte,
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werde ich euch jetzt
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auch traurig machen.
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Denn wir werden euch
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dass das die letzte
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Folge für dieses
01:39:17
Geschenke für euch.
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Nikolaus-Überraschung.
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Das gab es jetzt
01:39:23
aber das läuft noch.
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Das ist ein Gewinnspiel
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für Mordlust-Shirts
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und Schlüsselanhänger.
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Und das läuft noch
01:39:28
bis zum 13. Dezember
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Mordlust-Der-Podcast.
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beiden Geschenke
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und verraten wir
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euch jetzt auch nicht,
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unserem Instagram-Kanal
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Schenkt ihr uns doch
01:39:47
im Gegenzug dazu
01:39:49
auf Apple Podcast,
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wenn ihr da seid.
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als der Oma-Mörder
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Straftäter gegeben hat.
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Das wäre sehr nett.
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Wir wünschen euch
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soweit das jetzt
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dass ihr so viele
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Menschen wie möglich
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die euch lieb sind.
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Wird schon wieder
01:40:08
Und auch einen guten
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Rutsch ins neue Jahr.
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Das war ein Podcast