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#68 Xy

Mordlust
Bevor wir mit der Folge anfangen, würde ich gerne noch was klarstellen, was eigentlich ganz gut so thematisch zur letzten Folge passt, also zum Thema Glaubhaftigkeit.
Es geht nochmal um die ominöse Mädchengang aus meiner Schule.
Haben sie dich angerufen und bedroht, so wie du es vorhergesagt hast.
Also ich hole erstmal hier jeden ab, ne? Also es ging um dieses mit Hockeyschlägern auf Personen losgehen.
Weißt du, was ein super Name für die Gang gewesen wäre?
Was?
Die Hockeyschlägerinnen.
Stimmt.
Da hat sich offenbar dieses klassische Beispiel aufgetan von Erinnerungen, die sich über Zeit ändern.
Es hat sich nämlich eine der drei bei mir gemeldet.
Eine der Hockeyschlägerinnen.
Und die hat mich darauf hingewiesen, wie sie das damals erlebt hat.
Also die Situation, an die ich mich erinnert hatte.
Also es gab nämlich diesen Angriff mit dem Hockeyschläger, den ich auch bildlich vor mir habe, also wo ich sehe, wie die ein anderes Mädchen angreifen.
Aber an viel mehr erinnere ich mich dann auch nicht.
Aber offenbar hat dieser Angriff aus Notwehr stattgefunden.
Sie, also die mir geschrieben hat, war nämlich mit einer Glasflasche angegriffen worden und hat sich dann mit dem Hockeyschläger gewehrt.
Das sagt sie.
Ja, und ich war in der Situation offenbar der sogenannte Knallzeuge, also die Knallzeugin von dem oder der ich ja letzte Folge auch schon erzählt hatte.
Weil ich ja dachte, ich wäre dabei gewesen, weil ich das auch noch vor meinem geistigen Auge gesehen habe.
Aber ich war offenbar gar nicht dabei.
Zumindest hat sie gesagt, es waren diese drei Mädels, dieses andere Mädel mit der Flasche und noch ein Passant.
Ja, und um halt hier zu verhindern, dass zumindest die Menschen aus MG Action Town denken, dass diese drei halt andauernd mit Hockeyschlägern auf Leute losgegangen sind, wollte ich das jetzt nochmal klarstellen.
Auch wenn diese Vorstellung von Sailor Hockeyschläger einfach sehr schön ist, ist sie jetzt einfach nur pure Fantasie am Ende, leider.
Okay.
Pass auf, du musst jetzt nichts sagen, aber wenn du bedroht wirst und gezwungen wirst, das jetzt zu sagen.
Dann trinkt er jetzt zweimal ganz doll mit den Augen.
Okay?
Also damit Laura jetzt nicht ins Zeugenschutzprogramm aufgenommen werden muss, werde ich das Ergebnis jetzt mal nicht verraten.
Nein, das ist natürlich Spaß, Leute.
Herzlich willkommen zu Mordlust, einem True Crime Podcast von Fung von ARD und ZDF.
Wir reden hier über wahre Verbrechen und ihre Hintergründe.
In jeder Folge gibt es ein bestimmtes Oberthema, zu dem wir zwei wahre Fälle nacherzählen, darüber diskutieren und auch mit Experten und Expertinnen darüber sprechen.
Wir sind hier auch mal ein bisschen lockerer miteinander. Das hat aber natürlich nichts damit zu tun, dass uns die Ernsthaftigkeit fehlt, sondern das ist für uns dann ab und zu mal so eine Art Comic Relief, damit wir auch mal aufatmen können.
Das ist aber natürlich nie despektierlich gemeint.
Jetzt bitten wir wieder um eure Mithilfe.
Mordlust XY ungelöst spezial mit Laura Wohlers und Paulina Kraser.
Also heute geht es bei uns um die Sendung, die seit 1967 bei der Verbrechungsbekämpfung helfen soll.
Also es ist ja schon ziemlich lange her und ich finde, manchmal braucht man deswegen so ein bisschen eine Einordnung, um das geistig erfassen zu können, wie alt sowas schon ist.
Ja.
Also 1967 ist das Jahr, in dem man in Deutschland das erste Mal Farbfernsehen sieht.
Kai Pflaume und Boris Becker werden geboren, Che Guevara stirbt und falls es dich interessiert, 67 war auch das internationale Jahr des Tourismus.
Oha.
Okay.
Ich bin drin im Jahrzehnt.
Gut, der Tatort wird übrigens erst drei Jahre nach Aktenzeichen XY ausgestrahlt.
Wie glaubst du, war das mit der Tagesschau? Ist die älter oder jünger?
Die ist älter.
Mhm.
Wie viele Jahre?
Elf Jahre älter.
Nee, 25 Jahre älter.
15.
Okay.
Die Lindenstraße?
Hab ich nie geguckt.
Die ist aber doch abgeschafft worden, ne?
Die Tagesschau hast du doch auch noch nie gesehen.
Keine Ahnung.
Okay, also die Lindenstraße, die ist 1985 das erste Mal gelaufen.
Also 18 Jahre nach XY.
Übrigens genauso wie die Gummibärenbande.
Echt?
Das hast du gesehen, ne?
Die waren ihrer Zeit voraus.
Und damals, also vor 54 Jahren ist das ja jetzt schon, war Aktenzeichen XY quasi ne Weltneuheit.
Also davor wurde zwar schon mal mit so Phantombildern und Fotos auch gefahndet nach TäterInnen, aber immer nur so in Nachrichtensendungen.
Und dass es dafür eine eigene Sendung gab, das war komplett neu.
Und es hat dann auch noch eine ganze Zeit gedauert, bis andere Länder so auf den Zug aufgesprungen sind.
Aber irgendwann gab es die Sendung dann auch hier in der UK, in den USA, Israel, Belgien und so weiter.
Und auch in Deutschland gab es einige Nachahmer, die aber auch zum Teil schon wieder eingestellt wurden.
Ja, bei einer von denen habe ich auch mal gearbeitet.
Und wie war das?
Äh, schön.
Ich habe mich da ja mit so einem Pädophilen getroffen, der dachte, ich wäre ein Teenie und der mich für Sex bezahlen wollte.
Ach, das war dafür.
Ja, so Lockvogelsachen macht Aktenzeichen XY ja jetzt nicht.
Aber die Sendung hat ja auch schon dazu beigetragen, dass Fälle gelöst wurden.
Und wir haben jetzt für euch natürlich zwei große Aktenzeichen XY-Fälle vorbereitet.
Und bei mir habe ich ein paar Namen geändert.
Im Hintergrund ist es wuselig.
Man sieht die MitarbeiterInnen in der laufenden Sendung die eingehenden Hinweise abarbeiten.
Kriminalhauptkommister Wolfgang Schuh steht im grauen Anzug und rosa fliederfarbener Krawatte
neben dem Staatsanwalt Erik Samel an dem Stehpult gegenüber von Moderator Rudi Zerne.
Schuh sagt, dass er und seine KollegInnen nicht wissen,
wie das Leben der Person verlaufen ist, die das Verschwinden der jungen Frau, die im Hintergrund zu sehen ist, zu verantworten hat.
Wenn Sie zuschauen, bedenken Sie doch bitte auch die unerträgliche Situation für die Angehörigen von Lolita Breger,
insbesondere für die fast 80-jährige Mutter, die nun endlich nach fast 29 Jahren wissen will, was ihrer Tochter zugeschossen ist.
Man könnte meinen, er spricht zwar den Täter an, aber halt irgendeinen.
Also als würde er diesen Appell in den luftleeren Raum sprechen, mit nur geringer Hoffnung, dass er überhaupt irgendwo ankommt.
Doch mehr als 600 Kilometer entfernt vom XY-Studio in der Bavaria-Filmstadt sind an diesem 24. August 2011 mehrere Augen auf den Bildschirm gerichtet,
die wissen, wen der Kommissar da anspricht.
Vielleicht kriegen Sie ihn ja jetzt dran, sagt eine Stimme, in der Hoffnung liegt.
Nicht wissend, dass jemand gerade dabei ist, den Telefonhörer in die Hand zu nehmen.
Bereit, etwas zu verraten, das sich fast 30 Jahre lang nur unter vorgehaltener Hand erzählt wurde.
Sie kann schon wieder nicht schlafen.
Fridoline hatte Lolita das möblierte Zimmer mit dem kleinen Vorraum erst vor ein paar Wochen vermietet,
aber jetzt schon wieder dieser Krach.
Die 18-jährige Mieterin ist abends fast nie allein.
Ständig ist Fredchen da und ständig streiten die beiden.
Fredchen ist Lolitas Freund.
Diesmal eskaliert die Situation offenbar, denn Lolita schreit dermaßen laut,
dass sich Fridoline gezwungen sieht, nachzusehen.
Sie klopft an die Tür und betritt den Raum.
Lolita sitzt dort zusammengekauert auf ihrem Bett mit ihren blonden, krausenlangen Locken mit Pony und weint laut.
Fredchen steht daneben.
Was ist denn los? Bei dem Krach kann ich nicht schlafen, sagt Fredoline.
Niemand antwortet.
Fredoline fordert Fredchen auf, nach Hause zu fahren und Lolita in Ruhe zu lassen.
Danach lässt sie die beiden wieder allein.
Nach dieser Nacht wird Fredoline nicht mehr von den Streitereien geweckt werden.
Lolitas Schwestern Heidi und Manuela war von Anfang an klar, dass diese Verbindung nicht für die Ewigkeit bestimmt ist.
Manuela sagt, das mit euch steht auf verlorenen Posten.
Die Kluft zwischen Lolita und Fredchen ist einfach zu groß.
Lolitas Familie besteht aus Heimatvertriebenen aus Schlesien.
Sie leben zwar schon 15 Jahre in dem 200-Seelen-Ort Frauenkron, aber angekommen sind sie hier nie wirklich.
Die Protestanten aus dem Osten gehören nicht so richtig zu den konservativen Katholiken in der ländlichen Eifel.
Lolitas Familie mit den sechs Kindern hat nur das Nötigste.
Fredchens Familie hingegen hat mehr als sie braucht.
Sie besitzt einen wohlhabenden Großbauernhof, nur ein paar hundert Meter entfernt im Nachbardorf Scheidt, auf dem Fredchen eng eingebunden ist.
Lolita ist zwar aufgeweckt, im Ort beliebt und tüchtig, was normalerweise zur damaligen Zeit etwas zählt, aber nicht für die Familie von Fredchen.
In ihren Augen ist sie nicht würdig, bei ihnen aufgenommen zu werden.
Es fehlt an Ausbildung und Mitgift.
Das sind Dinge, die für Fredchens Vater, dem alten Heinz, wichtig sind.
Weshalb er seinen Sohn vehement dazu drängt, die Beziehung zu beenden.
Die Lolita kommt mir nicht auf den Hof, die hat nichts an den Füßen, sagt er Fredchen, der den Hof als sein Nachfolger übernehmen soll.
Es soll eine vermögende Partnerin werden, die aus der Landwirtschaft kommt und Ländereien am besten noch Geld zum Ausbau des Familienbetriebs mitbringt.
Hauptsache, dem Vater gefällt's.
Ja, ist wichtig.
Und Fredchen sieht sich über das, was der Vater sagt, auch nicht so einfach hinwegzusetzen.
Denn der alte Heinz ist Patriarch, Herrscher über Frau, Hof und Fredchen.
Lolita darf auch nicht auf den Hof der Familie.
Manchmal steht sie dann davor, um Fredchen zu besuchen.
Die Nachbarin sieht dann von ihrem Fenster aus, wie Fredchens Mutter Lolita regelrecht vertreibt.
Als wäre sie ungeziefer.
Deswegen verheimlicht Fredchen die Beziehung jetzt.
Der Vater kriegt es trotzdem mit.
Im Dorf tuschelt man und bei seinen Kontrollfahrten sieht er, wenn das Auto seines Sohnes vor Lolitas Elternhaus parkt.
Deswegen treffen sich die beiden manchmal heimlich im Freien, im Wald zum Beispiel.
Doch Fredchens Vater ahnt das und kontrolliert ständig, wo er sich rumtreibt.
Deswegen gibt es immer öfter Streit, bis die Stimmung irgendwann unerträglich wird.
Auch deshalb, weil sich Fredchen irgendwie zerrissen fühlt.
Da ist sein Vater, dem er es recht machen will, und auf der anderen Seite seine Liebe.
Ich heirate die Lolita, da kann mein Alter sich auf den Kopf stellen, wittert Fredchen noch lautstark am Tisch bei Lolitas Eltern.
Aber vor seinem Vater ist er dann wieder ganz kleinlaut.
Im Sommer 82 hält er das alles zum ersten Mal nicht mehr aus und trennt sich von Lolita.
Die kippt sich daraufhin die Herztabletten ihres Vaters rein, um sich das Leben zu nehmen.
Weil sie aber rechtzeitig ins Krankenhaus kommt, geht das alles nochmal gut aus.
Fredchen kommt daraufhin wieder zurück zu Lolita.
Aber das bleibt nicht der einzige Suizidversuch.
Lolitas Schwestern und die Eltern regen jetzt immer mehr auf sie ein.
Eigentlich hatte ihre Familie nie was gegen die Beziehung, aber als Lolitas Vater mitbekommt, dass Fredchens Vater gegen die Beziehung ist,
will er seine Tochter jetzt auch nicht mehr mit dem Bauernsohn sehen.
Der ist nichts für dich, sagt ihr Vater jetzt mit immer mehr Nachdruck.
Lolita will das natürlich nicht hören.
Und deswegen setzt es jetzt auch immer mal was.
Auch deswegen mietet sie sich das möblierte Zimmer bei Fridoline.
Das Geld hat sie von ihrem Job als Näherin.
Lolita ist zu diesem Zeitpunkt schon schwanger.
Fredchen freut sich erst, als er es erfährt.
Es ist Lolita, die wegen dem ganzen Drama an eine Abtreibung denkt.
Aber Fredchen ist damit nicht einverstanden.
Er freut sich und will das Kind.
Versucht Lolita zu zeigen, dass er sie unterstützt.
Und als er sie dann einmal nicht zum Frauenarzt begleiten kann,
da schickt er sogar seinen Freund Matthias, damit sie nicht alleine gehen muss.
Doch sein Engagement hält nur so lange, bis er dem alten Heinz mal wieder nicht standhalten kann.
Wenn er dich nicht will, dann kriegen wir das Kind auch ohne ihn groß.
Wir brauchen ihn nicht, sagt Schwester Manuela zu Lolita.
Lolita sieht das nicht so und rennt immer wieder zu Fredchen zurück, nachdem er sie hat fallen lassen.
An dem Abend, an dem Vermieterin Fridoline nach Lolita sieht und Fredchen nach Hause schickt, macht er endgültig Schluss mit ihr.
Deswegen schreit Lolita auch so laut.
Sie will das Kind nicht ohne ihn großziehen.
Am nächsten Tag, es ist der 4. November 82, geht Lolita wie jeden Tag zur Arbeit in die Näherei.
Lolitas Schicht geht nur bis 12 Uhr.
Danach will sie nochmal zu Fredchen und mit ihm über alles reden.
Deswegen fragt sie eine Arbeitskollegin, ob sie sie nach ihrem Feierabend mit dem Auto mit ins Nachbardorf nehmen kann.
Die beiden Frauen verabreden sich.
Lolita geht vorher noch einmal nach Hause.
Draußen, als sie darauf wartet, von ihrer Kollegin abgeholt zu werden, kommt eine gute Bekannte vorbei.
Die beiden unterhalten sich kurz.
Lolita erzählt ihr, dass Fredchen am Vorabend mit ihr Schluss gemacht hat und dass sie jetzt auch nochmal mit ihm sprechen will.
Zu diesem Gespräch soll später dann auch noch der alte Heinz dazukommen.
Lolita hat schon eine Ahnung, was das bedeutet.
Sie wollen ihr sicherlich eine Abfindung dafür zahlen, dass sie ein für alle Mal aus deren Leben verschwindet.
Mit dem Kind.
Kurze Zeit später rollt der Wagen ihrer Kollegin an.
Lolita steigt ein.
Ob sie schon mal auf dem Hof des alten Heinz war, will die Kollegin wissen.
Nee, nee, antwortet Lolita.
Hör mal, man geht aber nicht mit leeren Händen, wenn man das erste Mal geht.
Ich hab ja kein Geld, sagt Lolita.
Ich kann dir ja 5 Mark leihen, bietet die Kollegin an, damit Lolita Blumen oder sowas mitbringen kann.
Nein, die kriegen nichts von mir.
Lolita sagt ihrer Kollegin, dass sie sich gut vorstellen kann, dass Fredchen schon eine andere hat.
Er muss mich ja auch nicht mehr heiraten, aber fürs Kind muss er sorgen.
Dann lässt die Kollegin sie an der Kreuzung raus.
Lolita will die steile Straße hoch, die zum Bauernhof führt, zu Fuß gehen.
Es ist neblig, aber nicht kalt an diesem Tag.
Zwei Nächte lang liegt Fredoline nicht wegen lauten Streitereien wach, bis sie bei Lolitas Mutter anruft.
Seit zwei Tagen habe sie Lolita nicht mehr gesehen, sagt sie.
Eine der Schwestern kommt vorbei, um in der Wohnung nachzusehen.
Dort findet sie einen Brief, erst handschriftlich geschrieben, von Lolita, gerichtet an Fredchen.
All deine Sorgen wären gelöst, wenn ich tot wäre.
Du hättest dich auf mich verlassen können, dein Leben lang.
Ich liebe dich.
Es grüßt dich, dein letztes Stück Dreck.
Jetzt hat sie es getan.
Jetzt hat sie sich umgebracht, denkt die Familie.
Die Schwester und ihr Mann suchen noch abends mit dem Hund in den Steinbrüchen, Hütten und Wäldern.
Vielleicht hat sie es irgendwo abseits gemacht und liegt jetzt irgendwo.
Am 9. November, fünf Tage nach ihrem Verschwinden, meldet Lolitas Mutter sie bei der Polizei als vermisst.
Am Tag danach organisiert die Polizei eine große Suchaktion.
Die wird aber schon bald abgebrochen, weil sich ein Busfahrer meldet, der angibt, Lolita erst vorgestern nicht weit entfernt vom Bauernhof des alten Heinz gesehen zu haben.
Die ist nach Holland gefahren zum Abtreiben.
Die arbeitet jetzt im horizontalen Gewerbe.
In den beiden Dörfern wird getratscht noch und nöcher, während Lolitas Mutter jedes Mal das Herz in die Hose rutscht, wenn das Telefon klingelt.
Hör mal, da oben ist was ganz Schlimmes passiert, sagt sie zu ihrer Tochter Manuela und meint damit den Hof des alten Heinz.
Sie betet, sie hofft, sie sucht mit Lolitas Papa sogar einen Wahrsager in Belgien auf, um zu erfahren, was mit ihrer Tochter passiert ist.
Der sagt ihr zwar nicht, wo sie sich auffällt, aber dass es ihr gut gehe und dass sie bald wiederkommen würde.
Lolitas Mutter zündet in dieser Zeit jeden Tag eine Kerze an, damit Lolita weiß, wo sie hingehört, sagt die Mutter, falls sie nach Hause kommt.
Ihre Kinder haben Angst, dass sie damit irgendwann die Gardinen abfackelt.
Aber die Mutter lässt es trotzdem nicht sein.
Die Kerze ist ihr wichtig.
Als könne sie Licht ins Dunkle bringen.
Einmal, da ruft der Mann von Lolitas älterer Schwester Manuela bei Fredchen an und sagt,
wenn du mal fertig bist im Stall, kannst du mal runterkommen, ich will mal mit dir reden.
Fredchen kommt und Manuelas Mann stellt ihn zur Rede.
Fredchen, kannst du mir mal sagen, wo meine Schwägerin ist?
Fredchen steht da, mit verschränkten Armen vor den beiden.
Ja, was interessiert mich deine Schwägerin?
Patzt er.
Und das ist vorerst auch das Letzte, was er zu sagen hat.
Bis die Polizei Fredchen 1987 noch einmal zur Vernehmung bittet.
Jemand aus dem Dorf hat der Polizei nämlich einen Tipp gegeben.
Fredchen soll bei unterschiedlichen Leuten unterschiedliche Geschichten bezüglich Lolitas Schwangerschaft aufgetischt haben.
Aufgrund der neuen Erkenntnisse wird eine Sonderkommission gebildet, die jetzt herausfinden soll, ob Lolita nicht doch Opfer eines Verbrechens geworden ist und Fredchen etwas damit zu tun hat.
Dazu werden er und der alte Heinz sogar Ermittlungsrichtern vorgeführt und vorläufig festgenommen.
Bei der Befragung gibt Fredchen nämlich an, dass Lolita ihm nie von der Schwangerschaft erzählt habe.
Das beißt sich allerdings mit der Aussage einer Freundin von Lolita.
Die wiederum hat der Polizei berichtet, dass sie zusammen mit Lolita Fredchen einmal zufällig auf dem Feldweg begegnet ist, als die beiden gerade Stress hatten.
Lolita wollte mit Fredchen reden, der sei aber mit dem Auto einfach abgedüst.
Lolita habe ihm noch hinterhergerufen, dass er sie doch nicht einfach mit dem Kind so sitzen lassen könne.
Auch Fredchens Freund Matthias erzählt der Polizei, dass er von Fredchen gebeten wurde, Lolita zum Frauenarzt zu begleiten.
Trotz der Widersprüche in den Aussagen, die Fredchen dann auch revidiert, wird ziemlich schnell klar, dass die Anhaltspunkte für ein Verbrechen, verübt von Fredchen, ziemlich haltlos sind.
Und die Ermittlungen werden wieder eingestellt.
Zu diesem Zeitpunkt weiß keiner, dass Lolita und die Antwort auf alle Fragen gar nicht weit weg sind.
Es ist 2002, als der neue Kriminalkommissar Schuh bei der Kripo Trier die Akte von Lolita das erste Mal auf den Tisch bekommt.
Er ist gerade erst zur Kriminaldirektion Trier gewechselt.
Routinemäßig soll er alte, ungelöste Fälle ansehen, um zu schauen, ob man mit den neuen Ermittlungsmethoden noch was aufdecken könnte.
Er liest Lolitas komplette Akte, über tausend Seiten fasst sie.
Er liest von den damaligen Vernehmungen, von den Verdächtigungen und von den Gerüchten.
Dann entschließt er sich, nach Frauenkron zu fahren und Lolitas Mutter aufzusuchen.
Auf den Tag genau 20 Jahre, nachdem ihre Tochter verschwand, tritt Schuh durch die Tür des Familienhauses.
Sie wohnt noch immer dort in dem Haus, in das ihre Tochter nie wieder zurückgekehrt ist.
Sie ist sich mittlerweile sicher, erzählt sie Kommissar Schuh, dass Lolita nicht mehr lebt.
Doch wie beweisen.
Schube schließt, an der Vergangenheit zu rütteln.
Gerade hier, wo noch so vieles so ist, wie es damals war.
Ein Großteil von Lolitas Familie wohnt noch immer im Dorf und der Umgebung.
Und auch Fredchen hat den Hof nicht verlassen.
Wie der alte Heinz es wollte, hatte er irgendwann den Hof übernommen, eine Familie gegründet und die Vergangenheit hinter sich gelassen.
Schube fragt, genau wie seine Kollegen und Kolleginnen vor 20 Jahren, erneut die Zeugen und Zeuginnen, versucht einen eigenen Blick auf den Fall zu bekommen.
Er hört sogar die Telefongespräche auf dem Großbauernhof ab.
Aber daraus ergibt sich nur, dass Fredchen weiterhin Mutmaßungen anstellt, was mit Lolita passiert ist.
Einmal sagt er am Telefon, dass sie im Ausland sitzt und sich kaputt lacht über die Ermittlungen.
Immer mal wieder gibt es über die kommenden Jahre Ermittlungsansätze.
Aber nichts Fehlversprechendes.
Am Ende gibt es für Schu zwei mögliche Optionen.
Erstens, Lolita lebt noch und ist damals tatsächlich von Frauenkron weggegangen und nie wiedergekommen.
Oder zweitens, und das hält Schu für viel wahrscheinlicher, sie ist einem Verbrechen zum Opfer gefallen.
Schu überlegt.
Sollte das der Fall sein, da gibt es möglicherweise einen Mitwissenden.
Jemanden zu töten, die Leiche verschwinden zu lassen und dann Jahrzehnte davon niemandem zu erzählen,
das kennt Schu so aus seiner Erfahrung nicht.
Und vielleicht ist es genau so eine Person, die endlich Licht ins Dunkle bringen kann.
Man muss den Fall wieder in die Gedächtnisse bringen.
Muss das in TäterInnen wieder hochholen, was sie all die Jahre versucht haben, tief in ihrem Gewissen zu vergraben.
Und so beschließt Schu, einige Jahre später, den Fall bei Aktenzeichen XY vorzustellen.
Es ist der 18. August 2011, als Moderator Rudi Zerne gegenüber von Kriminalhauptkommissar Wolfgang Schu und dem zuständigen Staatsanwalt steht.
Ein Film mit Reenactment wird gezeigt.
Also eine Schauspielerin, die Lolita ein bisschen ähnlich sieht, stellt nach, was man über Lolitas letzte Monate, Wochen und Tage weiß.
Danach erzählt der Staatsanwalt, dass für Hinweisgebende extra ein Vertrauenstelefon eingerichtet wurde, damit man dabei anonym bleiben kann.
Schu erklärt Zerne, einen Menschen zu töten und für immer verschwinden zu lassen, ist nichts, was man so einfach verheimlichen kann.
Auf der anderen Seite des Fernsehens sitzen Lolitas Mutter und ihre Geschwister und gucken gebannt auf den Bildschirm.
Keiner sagt etwas.
Manuela ist beeindruckt von Schu's Eloquenz.
Sie hat da so ein Gefühl.
Der Täter wird doch gerade sicherlich genauso vor dem Fernseher sitzen wie sie und denken, jetzt kriegen sie mich.
Dann wendet sich Schu direkt in die Kamera und fordert den Täter oder Tatbeteiligter auf, endlich ihr Schweigen zu brechen.
Und dieser Appell kommt bei einer Person genau zum richtigen Zeitpunkt an.
Eine Frau, die ein paar Orte von Frauenkronen entfernt wohnt, sieht gemeinsam mit ihrer Tochter die Sendung.
Und dann erzählt sie etwas, was ihr schon lange auf der Seele brennt.
Damals, zu der Zeit, als Lolita verschwand, da hat sie gehört, dass eine Frau aus dem Dorf bemerkte, dass ihr Sohn abends nicht zu Hause war, wie eigentlich üblich.
Auf die Frage am nächsten Morgen, was er denn getrieben habe, soll er geantwortet haben, dass er das niemandem in seinem Leben jemals erzählen könne, was er in dieser Nacht erlebt habe.
Und dieser Sohn war Matthias, Fredchens damaliger bester Freund.
Die Tochter hört zu und nimmt noch während XY ungelöst läuft den Hörer in die Hand und wählt eine der angegebenen Nummern.
Vielleicht kriegen sie ihn ja jetzt dran, sagt Lolitas Schwester Heidi zur gleichen Zeit zu ihrer Mutter.
Wenige Wochen später, es ist am Morgen, kurz nach 10 Uhr, wartet Kommissar Schuh im Polizeipräsidium Trier auf Matthias.
Er weiß, dass er wegen Lolita hier ist, nicht aber von dem entscheidenden Anruf.
Schuh weiß aus den Akten, dass Matthias Lolita damals zum Frauenarzt gefahren hat.
Dass Fredchen ihn darum gebeten hat, beweist eine Menge Vertrauen unter Männern.
Und vielleicht ging diese Freundschaft ja noch weiter.
Das Gespräch startet soft.
Einige unverfängliche Fragen.
Matthias ist kein ausschweifender Redner.
Das mag aber auch seiner Aufgeregtheit geschuldet sein.
Nein, was mit Lolita passiert ist, das wisse er nicht.
Mit Fredchen habe er keinen Kontakt mehr, sagt er.
Eine Stunde geht die Befragung, ohne dass Schuh wirklich vorankommt.
Dann muss er seine Taktik ändern.
Dann lässt Schuh Matthias wissen, dass er für eine Verschleierung nicht mehr belangt werden könne.
Sie haben doch auch eine Tochter. Wie alt ist die?
18.
So alt war Lolita, als sie verschwand.
Wie würde er sich an der Stelle von Lolitas Mutter fühlen, fragt Schuh.
Ein Blick auf die Uhr.
Es ist 11.15 Uhr.
Und dann beginnt Matthias zu erzählen, was er all die Jahre geheim gehalten hatte.
Matthias erzählt Schuh, dass es an dem Abend, als sie sich verabredet haben, schon dunkel war und Lolitas Körper in einem Plastiksack mit so viel Folie eingewickelt war, dass er nur erahnen konnte, wo oben und unten ist.
Fredchen habe Lolitas Leiche in einem Holzschuppen versteckt und ihm erzählt, dass er sie erdrosselt habe.
Und dann schilderte er, wie er vermutlich an den Füßen und Fredchen am Kopf angepackt habe und sie die Leiche dann in den Kofferraum legten.
Sie seien dann mit dem Auto losgefahren, Richtung Frauenkronen, vorbei an dem Haus, in dem Lolitas Eltern wohnen.
Dann hielten sie an der Müllkippe, deponierten die Leiche dort und schütteten dann noch weiteren Müll über ihren Körper.
Danach hätten die beiden nie wieder darüber geredet.
Und Matthias habe auch nie nachgefragt, was genau eigentlich passiert sei.
Die Müllkippe ist nicht weit von Lolitas Elternhaus entfernt.
Gleich am Tag darauf, am 9. September, wird Fredchen wegen dringenden Mordverdachts an seiner Ex-Freundin festgenommen.
Matthias zeigt den Beamtinnen derweil, an welcher Stelle die beiden die Leiche verbuddelt haben.
Die Müllkippe ist heute stillgelegt und bewachsen.
Dass hier vor fast 30 Jahren ein furchtbares Verbrechen verdeckt werden sollte, lässt sich auf den ersten Blick überhaupt nicht erahnen.
Vier Wochen dauert es, die Grabungen vorzubereiten.
Danach arbeiten etliche Polizisten und Polizistinnen mit Suchrunden auf der Fläche,
drehen mit Spaten, Gabeln und baggern jeden Zentimeter des Bodens um.
Dabei ist viel Erde, aber auch viel Müll, Tierkadaver und Steinplatten.
Auch Wolfgang Schuh steht in Neon grüner Arbeitsjacke, Handschuhen und Spaten bereit.
Alle sind guter Dinge, den Fall jetzt aufzuklären.
Doch mit jedem Tag, an dem man den Leichnam nicht findet, schwindet die Hoffnung.
Elf Tage lang dauern die Grabungen jetzt schon.
Staatsanwalt Erik Samel glaubt schon nicht mehr an einen Erfolg.
Und eigentlich sollten heute die Maßnahmen beendet werden.
Denn die Stellen, die laut Matthias in Frage kommen, sind schon abgesucht.
Der Staatsanwalt ruft den immer noch optimistischen Schuh an, als der gerade wieder auf der Müllkippe steht.
Dein Glauben möchte ich haben, sagt Staatsanwalt Samel zu Schuh noch, als plötzlich ein Kollege über die alte Deponie nach Schuh schreit.
Es ist ein zugebundenes Bündel in einem grünen Müllsack, so wie Matthias es beschrieben hatte.
Lolitas Körper ist zwar skelettiert, aber ihre Kleidung ist noch erhalten.
Eine Umstandshose, die sie sich selbst genäht hatte.
Die Kleidung ist zwar schmutzig und auch etwas verrottet, aber noch so gut erhalten, dass man noch alles erkennt.
Der Pullover ist ihr über den Kopf gezogen.
Als habe man es nicht ertragen können, ihr Gesicht zu sehen, als man sie in den Sack stopfte.
Schuh greift wieder zu seinem Telefon.
Lolitas Schwester Heidi nimmt nur ein paar hundert Meter entfernt ab.
Sie sagt fast nichts und hört nur zu und schluchzt.
Im selben Zimmer sitzt ihre Mutter.
Die weiß sofort, worum es geht.
Als Manuela von Heidi erfährt, wo sie Lolita gefunden haben, lässt sie einen schmerzerfüllten Schrei raus.
Es ist wirklich so, wie Lolita im Brief damals geschrieben hat.
Sie war für Fredchen das letzte Stück Dreck.
Und das hat er dort entsorgt, wo man Dreck eben entsorgt.
Doch ob man Fredchen die Tat tatsächlich auch nachweisen kann, wird erst die Verhandlung feststellen.
Vor dem Landgericht Trier muss er sich jetzt wegen heimtückischen Mordes aus niedrigen Beweggründen verantworten.
Fredchen habe sich Lolita entledigen wollen, weil sie vom sozialen Stand her nicht zu seiner Familie passte,
so die Staatsanwaltschaft.
Er habe sie vermutlich mit einem Draht erdrosselt.
Im Übrigen fand man im Zuge der Ermittlungen auch raus, dass sich der Busfahrer,
der damals angab, Lolita vier Tage nach ihrem Verschwinden gesehen haben zu wollen, irrte.
Er konnte sie gar nicht gesehen haben, weil er an diesem Tag dienstfrei hatte.
Fredchen ist heute 51 Jahre alt und Frührentner.
Mittlerweile hat er ergrautes Haar und einen Schnauzer.
Den ganzen Prozess über wird er da sitzen und nicht sagen.
So wie all die Jahre vorher auch.
Er verwehrt sich auch eines Gesprächs mit dem psychologischen Gutachter.
Ihm gegenüber sitzt der Staatsanwalt, der auch schon bei Aktenzeichen XY neben Kommissar Schuh stand.
Unweit von ihm, Lolitas Mutter als Nebenklägerin.
Sie hatte im Vorfeld angekündigt, Fredchen ins Gesicht spucken zu wollen.
Aber jetzt, wo es soweit ist, kann sie ihn nicht mal ansehen.
Matthias ist geladen, um nochmal alles zu erzählen, was der Kommissar Schuh bereits berichtet hat.
Warum er denn all die Jahre nichts gesagt habe, will das Gericht wissen.
Weil ich Angst hatte, dass er es mir in die Schuhe schieben würde.
Ich habe gewusst, dass ich besser den Mund halte, sagt Matthias.
Und das Gericht findet keinen Hinweis darauf, warum Matthias lügen sollte.
Immerhin hatte er sich mit seiner Aussage selbst belastet.
Im Prozess sagen außerdem einige von Fredchens Ex-Partnerinnen aus.
Ihre Erzählungen sind aufschlussreich und erzählen alle von derselben Art Mann.
Es wird klar, dass Fredchen nie alleine war, sich seine Beziehungen teilweise überlappten
und auch, dass er Aggressionen hatte, die sich manchmal nicht zügeln ließen.
Wenn etwas nicht so lief, wie er sich das vorgestellt hatte, dann fuhr er aus der Haut.
Beispielsweise, wenn man zu spät das Mittagessen servierte.
Die Verflossenen berichten von einem Mann, der sie behandelte, als wären sie seine Leibeigenen gewesen.
Eine Nachbarin beschreibt es so.
Fredchen habe auf Frauen herumgekaut wie auf Kaugummi.
Und wenn sie keinen Geschmack mehr für ihn hatten, dann habe er sie ausgespuckt.
Die Frauen beleuchten aber noch die Beziehung zu einer anderen Person.
Von Fredchen und seinem Vater, dem alten Heinz, der mittlerweile verstorben ist.
Eine erzählt, dass Fredchen selbst mit 40 Jahren noch solche Angst vor dem alten Heinz hatte,
dass er es nicht mal wagte, vor ihm zu rauchen.
Obwohl der alte Heinz selbst geraucht hat wie ein Schlot.
Im Abschlussplädoyer sagt Staatsanwalt Samel, dass Lolita in Fredchens Augen nicht zu seiner Familie passte
und er deshalb den für ihn bequemsten Weg gewählt und sie von der Bildfläche habe verschwinden lassen.
Fredchens Anwalt hingegen ist der Meinung, dass es für den Vorwurf weder objektive Merkmale noch schlüssige Fakten gäbe.
Alle sind gespannt, wie das Gericht entscheiden wird.
Zur Urteilsverkündung kommt Heidi mit einem T-Shirt, auf dem Lolitas Gesicht draufgedruckt ist.
Sie will klar machen, für wen sie alle heute gekommen sind, für wen Recht gesprochen werden muss.
Das Gericht ist davon überzeugt, dass Fredchen Lolita getötet hat und spricht ihn vom Vorwurf des Mordes frei.
Och, das ist so krass.
Denn wie Fredchen die Tat ausgeführt hat und aus welchen Motiven, das kann das Gericht nicht mit dem erforderlichen Maß an Sicherheit feststellen.
Ob Mordmerkmale erfüllt waren, kann heute keiner mehr sagen.
Aber gerade die bräuchte es halt für eine Verurteilung.
Auch wenn im Urteil ausdrücklich steht, dass Fredchen für den Tod von Lolita verantwortlich ist, ist der Totschlag nach 29 Jahren schon verjährt.
Lolitas Familie kann es nicht fassen.
Für Manuela ist es, als würde Lolita heute ein zweites Mal sterben.
All die Jahre haben sie darauf gewartet, dass Lolita heimkehrt, haben vor dem Fenster des Familienhauses auf die Müllkippe geschaut, ohne zu wissen, dass ihre Lolita genau dort begraben liegt.
Sie war die ganze Zeit ganz nah.
Fredchen kann erstmal nicht mehr nach Scheid zurück.
Jeder und jede weiß dort nun, was er getan hat.
Er taucht unter und dann schon bald wieder auf.
Im Jahr 2015 lebt Fredchen wieder in seinem Haus in Scheid.
Einige EinwohnerInnen machen ihm deutlich, dass er hier nicht mehr willkommen ist.
Nachts sprüht jemand Mörder an seiner Garage.
Auf der alten Mülldeponie wird ein Kreuz errichtet, auf dem Mörder Fredchen steht.
Obwohl er das rechtlich gesehen nicht ist.
Wenn Fredchen aus Scheid rausfährt, dann muss er an dem Haus von Lolitas Mutter in Frauenkron vorbeifahren.
Und Lolitas Familie muss das alles ertragen.
Sie kann nichts tun.
Die Gerechtigkeit ist ihnen wegen der verstrichenen Zeit durch die Finger geronnen.
Also das macht mich ja so sauer, dass der dann auch wieder da hin zurückgekommen ist.
Was hält dir, was denkt der denn, wer der ist?
Ja.
Also es ist halt wirklich so tragisch, dass der Totschlag dann schon verjährt war.
Weil es ist ja richtig, was das Gericht entschieden hat.
Aber so richtig gelitten hat er halt jetzt gar nicht.
Nö.
Und vor allen Dingen, wenn er dann schon wieder ein paar Jahre später da wieder auftaucht, dann kann es ja so schlimm nicht gewesen sein da.
Ja.
Also jetzt von der Ferne betrachtet hat sich für ihn eigentlich nicht so wirklich was geändert.
Und dabei muss man halt wirklich sagen, also dass er sie da auf der Müllkippe abgelegt hat.
Also das ist einfach so von der Symbolik einfach so ekelhaft.
Ja.
Und bei diesen Telefonaten, die sie abgehört haben von ihm, da hat er halt von ihr als Frauenmensch und es und von dat gesprochen.
Okay.
Wow.
Und diese Familie hat geglaubt, sie sei was Besseres, nur weil sie ein bisschen mehr Geld hat.
Mhm.
Und dann aber jemanden töten und auf eine Müllkippe schmeißen.
Also ich bin richtig sauer, dass das jetzt das Ende von einer Geschichte ist.
Ja, es tut mir leid.
Mann.
Am Ende muss man aber sagen, dass es für die Familie schon ein Segen alleine ist, dass der Fall durch die Sendung überhaupt noch aufgeklärt wurde.
Also weil das sah ja jahrzehntelang einfach gar nicht danach aus.
Für Kommissar Schuh war es halt die, also wirklich die einzige Hoffnung, den Fall nochmal so in die Gedächtnisse zu bekommen.
Und er ist auf Aktenzeichen XY damals zugegangen.
Und dann haben die Sendeverantwortlichen entschieden, dass es der Fall in die Sendung schafft.
Und das ist halt aber nicht bei jedem Fall so.
Und darum dreht sich jetzt mein Aha.
Also darum, was in die Sendung darf.
Laura und ich, wir haben gerade erst neulich über einen Fall gesprochen, von dem wir wissen, dass da Angehörige gerne in die Sendung kommen würden,
um halt nach einer Zeugin zu suchen, die ihrer Meinung nach Informationen zu einem Verbrechen hat.
Und bisher wurde das von der Redaktion aber nicht angenommen.
Und wir haben die Information, dass das auch deswegen ist, weil die Polizei darin halt nicht so viel Sinn sieht.
Und das ist nämlich hier auch schon die erste Hürde.
Die Sendung arbeitet nämlich sehr eng mit den Strafverfolgungsbehörden zusammen.
Und wenn die halt keinen Sinn darin sehen oder das vielleicht auch taktisch denn nicht wollen, dass darüber noch mehr berichtet wird, dann sieht es halt eher schlecht aus.
Und auf der Seite von XY, da steht auch nicht ohne Ermittlungsbehörden.
Und da habe ich mich gefragt, das ist ja eigentlich so ein bisschen wie eine eigenständige Pressestelle der Polizei dann.
Also ich meine, wenn die Zusammenarbeit so eng ist und im Grunde ohne deren Okay dann nichts gemacht wird, was ich völlig in Ordnung finde,
weil wir wissen alle, was passieren kann, wenn man ganz anders arbeitet als die Polizei.
Ja, dann wird da auf Facebook irgendwie öffentlich nach jemandem gefahndet, der das gar nicht war oder so.
Aber irgendwie finde ich es witzig.
Ja, da verschwimmen halt irgendwie die Grenzen zwischen Presse und Staat in dem Fall.
Ja, und tatsächlich ist das auch der herkömmliche Weg, in die Sendung zu kommen.
Also genauso wie das bei Lolita der Fall war.
Die Polizei geht auf die Sendung zu und nicht umgekehrt, was ich auch gut finde, weil da muss die Sendung gar nicht so viel suchen eigentlich.
Naja, aber das kommt halt dann auch auf die ermittelnden Personen an.
Also wenn da jetzt eine Kommissarin sitzt, die viel mit Öffentlichkeitsarbeit macht und davon auch viel hält,
passiert das halt eher, als wenn da jetzt ein, sagen wir mal, sehr alter Kommissar sitzt, der sich nicht so wirklich mit Medien auskennt.
Ja, und da gibt es ja wirklich ein paar ErmittlerInnen, die schon öfter in der Sendung waren.
Zum Beispiel Ingo Thiel, von dem hattest du auch mal erzählt, beim Fall Mirko, ne?
Ah ja.
Genau, und der war nach dem Fall noch öfter da, weil er halt eben gute Erfahrungen gemacht hat durch die Sendung.
Ja, und das passiert natürlich aber trotzdem, dass die Sendung auch mal nach Fällen schaut.
Also gerade wenn es jetzt so sehr medienwirksame Fälle sind, aber das ist halt eher selten.
Ansonsten gibt es aber Grundsätze für die Öffentlichkeitsfahndung bei XY ungelöst.
Und das sind im Grunde auch die Regelungen der Öffentlichkeitsfahndung in Strafverfahren.
Zunächst mal braucht es dafür immer einen richterlichen Beschluss.
Also da kann niemand jetzt einfach sagen, wir gehen jetzt ins Fernsehen, nur weil wir jetzt lustig sind.
Und wenn ein unbekannter Täter oder eine unbekannte Täterin ermittelt werden soll, dann ist natürlich die Tat wichtig.
Also wenn Laura im Penny jetzt was klaut, dann wird danach nicht bei XY nach ihr gesucht.
Ein Glück.
Also kannst du weitermachen.
Also nur so Kapitaldelikte wie Mord, Raub, Geiselnahme und Vergewaltigung.
Und es müssen auch konkrete Fragen vorliegen, die Zeugen oder Zeuginnen beantworten können.
Es gibt aber auch den Fall, dass man einen Verdächtigen hat, aber bisher nur anonyme Hinweisgebende.
Und solche Fälle sind halt sehr interessant für die Sendung, weil anonyme Hinweise sind nicht gerichtsverwertbar.
Und deswegen braucht man Leute, die ihre Identität preisgeben, weil ich erst dann einen Täter oder eine Täterin beweiskräftig überführen kann.
Und so war das halt auch im Fall von Marc H.
Der junge Mann hatte nur den Blick von einer Aussichtsplattform genießen wollen und war dann plötzlich von einem gewalttätigen, statt bekannten Schläger attackiert worden und in den Rollstuhl geprügelt worden.
Und dadurch dann querschnittsgelähmt.
Marc überlebte nur knapp und konnte erst zwei Jahre nach der Tat wieder eigenständig atmen.
Und eigentlich wusste man die ganze Zeit, wer es war.
Aber aus Angst haben sich Zeugen und Zeuginnen halt nur anonym bei der Polizei gemeldet.
Und nach dem Beitrag bei XY waren aber einige dieser ZeugInnen dann doch bereit, ihre Namen zu nennen.
Und der Verdächtige konnte letztendlich zu acht Jahren Haft verunteilt werden.
Ja, und auch in meinem Fall jetzt spielt Aktenzeichen XY bei der Suche nach ZeugInnen eine große Rolle, auch wenn am Ende nicht alle Fragen beantwortet werden können.
Einige Namen habe ich geändert und die Triggerwarnung findet ihr in der Folgenbeschreibung.
1987
Du liegst ja immer noch im Bett, ruft ihre Mutter.
Tatsache, Julia hat verschlafen.
Jetzt muss die Neunjährige sich beeilen, um noch rechtzeitig zur Schule zu kommen.
Während Mutter Dagmar ihr also das Butterbrot zum Mitnehmen schmiert, macht Julia sich fertig.
Und um kurz nach halb acht ist sie zur Tür raus, macht sich im Gehen noch die dicke rote Jacke zu, die sie vor der kalten Novemberluft schützen soll.
Um pünktlich zur ersten Stunde da zu sein, nimmt Julia eine Abkürzung.
Die führt über einen kleinen Trampelfahrt vorbei an verwilderten Hecken und einer ehemaligen Kleingartenanlage.
So hat sie nur wenige hundert Meter bis zu ihrem Ziel.
Als Julia schnellen Schrittes den Weg entlang spaziert, kommt ihr ein Mann entgegen gejoggt.
Doch anstatt auf ihrer Höhe einfach an ihr vorbeizulaufen, bleibt er ganz plötzlich stehen.
Er packt sie und schubst sie ins Gebüsch.
Dann sagt er zu ihr, ich will mit ihr schlafen.
Als Julia an diesem Freitag zum Mittagessen nicht nach Hause kommt, macht sich Mutter Dagmar Sorgen.
Sie ruft bei Julias Freundin an, zu der sie oft nach der Schule zum Spielen geht.
Doch die erzählt ihr, dass Julia heute gar nicht in der Schule war.
Jetzt steigt Panik in Dagmar auf.
Als sie auch in der Schule, bei befreundeten Familien und in Krankenhäusern nicht weiterkommt,
wählt sie schließlich um 13.39 Uhr die 1 in 0.
Als zwei Beamte kurz Zeit später vor ihrer Tür stehen, soll sie ihnen erklären,
welche Route Julia normalerweise zur Schule nimmt.
Außerdem fragen sie nach einem aktuellen Foto.
Dann machen sich die zwei auf den Weg, gehen zunächst die Hauptstraße entlang.
Jede Person, die ihnen entgegenkommt, wird mit dem Foto konfrontiert.
Doch niemand will das Mädchen gesehen haben.
Auf dem Rückweg von der Schule gehen die Polizisten den Trampelfad entlang.
Doch auch hier keine Spur.
Weil das Gebiet rund um diese Abkürzung so groß und unübersichtlich ist,
wird Verstärkung angefordert.
Und es dauert nicht lang, da sind hunderte Beamte und Beamtinnen im Einsatz,
die zusammen mit Suchhunden die Umgebung durchkämmen.
Bis zuerst ein lautes Bellen und dann der Funkspruch zu hören ist.
Ihre Tochter ist tot, sagt der Beamte zu Dagmar,
der gemeinsam mit seinem Kollegen und einem Pastor ein paar Stunden später wieder vor ihrer Tür steht.
Dagmas kleiner Sonnenschein wird nicht wieder zurückkehren.
Als ihr das bewusst wird, bricht die Frau zusammen.
Bevor sich die Polizisten verabschieden, verspricht der eine ihr noch,
wir werden alles versuchen, um den Täter zu kriegen.
Währenddessen wird Julia in der Osnabrücker Rechtsmedizin untersucht.
Dort steht schnell fest, die Neunjährige wurde sexuell missbraucht und danach erstickt.
Und zwar ungefähr zwischen sieben und acht Uhr morgens.
Um den Täter zu finden, wird eine Mordkommission unter der Leitung von Horst Kuhn gebildet
und erste Zeugen und Zeuginnen befragt.
Mehrere Schulkinder berichten von einem Mann, der an dem Morgen des 27.
Novembers plötzlich im Gebüsch neben dem Trampelfahrt aufgetaucht sei.
Der Mann sei zwischen 20 und 30 Jahre alt gewesen und ungefähr 1,70 bis 1,75 groß, mit rötlich-blonden Haaren.
Außerdem trug er einen Norweger Pullover.
Mit diesen Informationen wendet sich die Polizei an die Öffentlichkeit.
Und tatsächlich gehen einige Hinweise ein.
Doch ein konkreter Verdächtiger lässt sich nicht finden.
Mittlerweile hat man in Osnabrück Angst vor einem Unbekannten, der kleine Kinder missbraucht und tötet.
Deshalb werden die jetzt zur Schule gebracht und auch wieder abgeholt.
In den nächsten Monaten werden zwei Männer vernommen, doch kurz Zeit später unverrichteter Dinge wieder nach Hause geschickt.
Julias Mutter glaubt nicht daran, dass der Täter gefunden wird.
Auch wenn sie das Gefühl hat, die Polizei mache alles, was in ihrer Macht steht.
Und sie soll Recht behalten.
Trotz hoher Belohnungen von verschiedenster Seite gerät auch Jahre später niemand in den Fokus der Polizei.
Es gibt einfach keine Spur.
Auch wenn die 20 Aktenordner immer mal wieder hervorgekramt werden.
Horst Kuhn, der Chef der damaligen Mordkommission, die schon Monate nach der Tat eingestellt wurde, muss noch oft an den Fall denken.
Denn das Bild des toten Mädchens im Gebüsch hat sich bei ihm eingebrannt.
Immer wieder geht er zurück zum Tatwort.
Sogar noch, als er schon längst im Ruhestand ist und sein Kollege Uwe Hollmann ihn abgelöst hat.
Hollmann ist der Verantwortliche, als die Akten 2013 wieder einmal aus den Regalen genommen werden.
Auch ihn lässt der Fall keine Ruhe.
Er war 1987 als junger Polizist dabei, hatte die Aufgabe, nach dem vermissten Mädchen zu suchen.
Hollmann kann sich noch genau daran erinnern, als ihn die Nachricht eralte, dass Julia tot ist.
Er nimmt sich den Fall also noch einmal vor und lässt Julias Kleidung aus dem Keller der Staatsanwaltschaft holen,
beziehungsweise die Klebefolien, mit denen ihre Kleidung Ende der 80er abgeklebt wurde.
Mit solchen Folien können eben kleinste Fasern und Zellmaterial gesichert werden,
was dann später untersucht werden kann.
Die Folien schickt Hollmann zu den DNA-Experten und Expertinnen vom Landeskriminalamt Bayern,
die sie mit neuster Technik auf Einzelschuppen untersuchen sollen.
Während in den bayerischen Laboren also nach DNA gesucht wird, geht Hollmann in die Offensive.
Er tritt am 17. April 2013 bei Aktenzeichen XY auf.
Hier schauen an diesem Mittwochabend fünf Millionen Menschen dabei zu, was Julia 1987 erleben musste.
Nach einem ca. 10-minütigen Film fragt der Moderator Rudi Zerne den Kommissar,
worin denn jetzt die Hoffnung bestünde, nach 25 Jahren hier mit dem Fall noch weiterzukommen.
Und Hollmann antwortet.
Ja nun, auch dieser Mensch wird sicherlich mit seinen Eindrücken, mit seinen Erlebnissen,
mit dem, was er da gemacht hat, leben müssen.
25 Jahre hat er damit leben müssen und möglicherweise hat er sich jemandem offenbart.
Vielleicht hat es früher irgendwelche persönlichen Beziehungen gegeben,
die diesen wichtigen Zeugen, der die Identität des Täters kennt,
da nicht preisgegeben hat.
Vielleicht gibt es diese Beziehungen nicht mehr.
Und insofern wäre es wichtig, wenn er sich dann meldet.
Auch auf den Mann, den Kinder damals am Trampelfahrt gesehen haben wollen,
kommt Rudi Zerne noch einmal zu sprechen und fragt Hollmann, ist das der Täter?
Das kann der Mörder sein.
Er war sehr nah dran.
Er war örtlich und zeitlich sehr nah dran.
Aber es kann auch durchaus sein, dass es sich um einen wichtigen Zeugen handelt.
Damit sich jetzt potenzielle Zeugen und Zeuginnen an diesen Mann erinnern,
wird noch einmal die Personenbeschreibung durchgegeben.
Rotblondes Haar, 20 bis 30 Jahre alt, 1,70 bis 1,75 mit Norwegerpullover.
Und für die Ergreifung des Täters sind 2.500 Euro ausgelobt.
Nach insgesamt 16 Minuten ist der Fall Julia in der XY-Folge abgehandelt.
Und Uwe Hollmann setzt sich zu seiner Kollegin ans Telefon.
Als Julas Mutter Dagmar von den neuen Entwicklungen im Fall ihrer Tochter hört, ist sie wenig hoffnungsvoll.
Sie glaubt nicht mehr an die Verhaftung des Täters, gegen den sie mittlerweile nicht einmal mehr Hass verspürt.
Sie würde ihm nur gerne einmal in die Augen schauen und fragen, warum.
Während das Team von Hollmann 800 Hinweisen nachgeht, die nach der Ausstrahlung eingegangen sind,
gibt es Anfang Mai endlich eine Rückmeldung aus dem Landeskriminalamt Bayern.
Es konnte tatsächlich eine männliche DNA ausgemacht werden.
Doch als diese in die Datenbank eingespeist wird, gibt es keinen Treffer.
Das heißt, der Spurengieber ist kein polizeibekannter Sexualstraftäter und die Polizei muss weitersuchen.
Am 25. Juni geht dann noch ein weiterer Anruf im Osnabrücker Polizeipräsidium ein.
Es ist eine Frau, die erzählt, dass sie 1987 in einer Jugendeinrichtung gewohnt hat, weil ihre Eltern dort angestellt waren.
In diesem Heim habe auch ein junger Mann gewohnt, der der Personenbeschreibung, die sie bei Aktenzeichen XY gesehen hat, sehr nahe kommt.
Sein Name? Karl P.
Bei dem Namen klingelt es, denn der steht bereits irgendwo in den Akten.
Ein Imbissbesitzer hatte sich einen Tag nach Julias Verschwinden bei den Behörden gemeldet
und einen Hinweis auf Karl P. gegeben, weil dieser der Personenbeschreibung der Kinder so ähnlich sah.
Und tatsächlich hatten zwei Beamte diesen Mann noch am selben Tag im Jugendheim besucht.
Der damals 19-Jährige erklärte, dass er an diesem Freitag verschlafen hatte und deshalb zu spät zur Berufsschule kam.
Das wurde überprüft und Karl P. in den Akten vergessen.
Wie kann man denn überprüfen, ob der das jetzt verschlafen hatte?
Also dazu habe ich keine genauen Informationen gelesen.
Ich gehe davon aus, dass sie die anderen Personen befragt haben, die da in diesem Heim gewohnt haben
und in der Schule nachgefragt haben.
Aber am Ende hat er auch ein Einzelzimmer.
Also wie hieb- und stichfest sein Alibi war, war dann schon damals so zweifelhaft.
Doch jetzt kommt er dank der Anruferin noch einmal in den Fokus der Ermittlungen.
Neben einigen anderen Männern, die im Laufe der Jahre ihren Weg in die Akten gefunden haben, muss er einen DNA-Test machen.
Es dauert nur zwei Wochen.
Am 15. September 2013 klingeln sie also an der Tür seiner Schwiegereltern und stören bei Kaffee und Kuchen.
Karl P. leugnet vor der Familie seiner Frau etwas mit dem Tod von Julia zu tun zu haben, begleitet die Beamten aber freiwillig mit aufs Revier.
Und dort fängt er schließlich an zu erzählen.
1987
Damals lebt Karl in einer Jugendeinrichtung für schwer Erziehbare.
Seine Mutter ist gestorben, als er noch klein war und sein Vater konnte sich wegen seiner Alkoholabhängigkeit nicht um ihn und seine zwei Schwestern kümmern.
Alle drei kommen deshalb ins Heim, doch während seine Schwestern schnell adoptiert werden, muss Karl bleiben.
Mit fünf Jahren wird er schließlich in eine Pflegefamilie gebracht, in die vor kurzem eine kleine Tochter hineingeboren wurde.
Doch Karl erlebt dort keine schöne Zeit.
So wird er stundenlang in seinem Zimmer eingesperrt und immer wieder geschlagen.
Während er für Kleinigkeiten bestraft wird, wird seine Pflegeschwester geradezu verhätschelt.
Weil Karl mit der ganzen Situation nur schwer zurechtkommt, lässt er nachts immer wieder ein.
Das gibt Ärger.
Um noch mehr Bestrafungen zu entgehen, klaut Karl seiner Schwester Windeln und zieht sich diese nachts an.
Und die Windeln helfen ihm nicht nur dabei, keinen Ärger mehr zu bekommen, sie lösen bei ihm auch ein angenehmes, wohliges Gefühl aus.
Sie beruhigen den ansonsten aggressiven Jungen, der auf dem Schulhof immer wieder ausrastet.
Mit acht kommt Karl in seine zweite Pflegefamilie, wo er mit insgesamt bis zu zehn Kindern zusammen wohnt.
Auch hier fällt er immer wieder mit seinen unkontrollierten Wutausbrüchen auf.
Außerdem damit, dass er nicht weinen kann.
In dieser Zeit hat Karl das Gefühl, im falschen Körper zu stecken.
Er würde lieber ein Mädchen sein.
Und so fängt er an, sich aus den Schränken seiner Pflegeschwestern Kleidungsstücke zu nehmen und diese heimlich anzuziehen.
Mit circa zehn Jahren beginnt er dann damit, sich seinen Penis nach hinten zu binden.
Weil das alles aber nicht wirklich hilft, seine Aggressionen zu mildern, kommt er mit zwölf für ein paar Monate in eine Kinder- und Jugendpsychiatrie.
Dort wird zwar nicht über seine Identitätsprobleme gesprochen, aber er lernt, mit seinen Gefühlen besser umzugehen.
Mit 16 nimmt er dann erstmals Kontakt zu seinem leiblichen Vater auf, der gerade wegen eines Tötungsdelikts in Haft sitzt.
Es dauert aber nicht lange, bis er den Kontakt wieder einstellt, weil es dann doch immer nur zu Streitereien kommt.
Kurz darauf soll Karl wieder in eine Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie.
Die Pflegemutter kommt mit ihm nicht mehr klar.
Hier wird ihm diagnostiziert, dass er aufgrund häufig wechselnder Bezugspersonen in den ersten Lebensjahren
und der Tatsache, dass er sich damals immer wieder gegenüber Mädchen benachteiligt fühlte,
an einer sehr tiefsitzenden emotionalen Störung der Persönlichkeit leidet.
Nach sechs Monaten kommt er in eine Jugendhilfeeinrichtung in Osnabrück,
nicht weit von Julias Schule entfernt.
Dort wird er zwar pädagogisch betreut, allerdings wird die empfohlene ambulante Therapie nicht fortgesetzt.
In dieser Einrichtung wohnt Karl in einem Einzelzimmer
und er fängt eine Ausbildung zum Brückenbauer an, bei der er deutschlandweit als Monteur eingesetzt wird.
Von Montag bis Donnerstag ist er unterwegs.
Freitags hat er Berufsschule.
So auch am 27. November 1987.
In der Nacht zuvor schläft der 19-Jährige schlecht.
Er ist, wie so oft, unruhig.
Und weil Karl diese Unruhe auch noch am Morgen verspürt, beschließt er Joggen zu gehen.
Wegen der Kälte wirft er sich noch seinen Norwegerpullover drüber.
Karl läuft seine gewohnte Strecke.
Doch auf dem Rückweg schlägt er einen unbekannten Trampelfahrt ein.
Durch ein ehemaliges Kleingartengelände, gesäumt von Büschen und Bäumen.
Da kommt ihm ein kleines Mädchen entgegen.
Und in dem Moment trifft er eine Entscheidung.
Er packt es, schubst es ins Gebüsch und sagt, ich will mit dir schlafen.
Das Mädchen ist geschockt, traut sich nicht zu schreien, geschweige denn sich zu wehren.
Und so nimmt Karl ihr den Tornister ab und zieht ihr die dicke rote Jacke aus.
Dann fordert er sie auf, sich Hose und Unterhose selbst auszuziehen und dann beginnt er sie zu vergewaltigen.
Doch nach nur kurzer Zeit wird ihm klar, was er da gerade tut.
Er ist von sich selbst entsetzt und lässt von dem Mädchen ab.
Karl erklärt ihr, sie solle sich wieder anziehen und auch er zieht seine Hose hoch.
Sie tut wie ihr geheißen.
Dabei findet sie ihre Stimme wieder und sagt zu Karl bestimmt, dass sie jetzt nach Hause geht und ihrer Mutter alles erzählen wird.
Ihre Art, ihm heimzuzahlen, was er ihr da gerade angetan hat.
Doch diese Worte werden dem Kind zum Verhängnis.
Denn Karl kriegt Panik.
Er hat Angst, dass seine Tat durch sie nun aufgedeckt würde.
Und deshalb greift er sich das Mädchen und erstickt es mit seinem Schal.
Dann rennt Karl davon.
Bis nach Hause, wo er duscht und dann etwas verspätet in der Berufsschule ankommt.
In den Jahren darauf verdrängt Karl seine Tat.
Er kann sie nicht verstehen, weiß nicht, warum er das getan hat.
Mit 22 zieht er schließlich aus der Jugendeinrichtung aus und mit seiner Freundin zusammen, die er kurz darauf heiratet.
Sein Leben entwickelt sich langsam, aber sicher zum Guten.
Er lernt mit seinen Aggressionen umzugehen und sie zu kontrollieren.
Karl arbeitet viel, baut sich einen großen Freundeskreis auf, ist Hobbygärtner und hat vier Patenkinder, die er regelmäßig besucht.
Wenn er mit ihnen zusammen ist, muss er häufig an Julia denken.
Selber Kinder haben möchte er nicht.
Vor seiner Frau schiebt Karl seine Arbeit vor, bei der er ständig unterwegs sein muss.
Den wahren Grund erfährt seine Ehefrau erst jetzt.
Nach seinem Geständnis, bei dem Karl P. den Beamten und Beamtinnen seine komplette Lebensgeschichte erzählt hat.
Nach der mehrstündigen Vernehmung meldet sich Uwe Hollmann bei Julias Mutter.
Dagmar hatte mit diesem Tag nicht mehr gerechnet.
Sie hofft jetzt endlich eine Antwort auf die Frage nach dem Warum zu bekommen.
Und die soll der Prozess bringen, der am 6. März 2014 vor dem Osnabrücker Landgericht startet.
Als die Anklage verlesen wird, schaut Karl P. zu Boden und weicht den Blicken des Staatsanwalts aus.
Und nach nur neun Minuten ist der erste Prozesstag vorbei.
Am nächsten ist Karl P. an der Reihe.
Er will aussagen.
Dazu steht er auf und entschuldigt sich bei Julias Familie.
Ihm tue unendlich leid, was er ihnen und dem Kind angetan habe.
Und er hoffe inständig, dass sein Geständnis und dieser Prozess dabei helfen kann, nach all den Jahren zur Ruhe zu kommen.
Dann setzt er sich wieder hin und fängt mit Tränen erstickter Stimme an zu erzählen.
Vom Morgen des 27. November 1987.
Dabei setzt er immer wieder ab und wird still.
Dann ist im ganzen Saal nur noch ein rhythmisches Klopfen zu hören,
weil der 45-Jährige so sehr zittert, dass er seine Schuhspitze immer wieder auf den Boden schlägt.
Er schildert noch einmal, wie es zum Tod der kleinen Julia kam,
kann aber nicht erklären, wieso er sie damals angegriffen hat.
Um herauszufinden, ob Karl P. damals reif genug war, um jetzt als Erwachsener verurteilt zu werden,
wird ein psychiatrischer Gutachter in den Zeugenstand gerufen.
Der diagnostiziert dem damals 19-Jährigen eine sexuelle Identitätskrise,
einen transvestitischen Kinderkleiderfetischismus,
einen Windelfetischismus und eine pädophile Orientierung.
Doch sei Karl P. davon nicht beherrscht gewesen,
denn er habe seine pädophile Neigung nicht ausgelebt.
Die Tat sei aus psychologischer und psychiatrischer Sicht eher damit zu erklären,
dass sie dem Verhalten eines aggressiv-impulshaften jugendlichen Straftäters entspreche,
der sich eben das genommen habe, was er gerade haben wollte.
In dem sexuell-aggressiven Heranwachsenden, bei dem auch ein dissoziales Verhalten hinzugekommen sei,
sei irgendetwas ausgebrochen, was man nicht nachvollziehbar erklären könne.
Nachdem Julia die Äußerung getätigt hatte, der Mutter alles erzählen zu wollen,
habe es bei dem Angeklagten ausgesetzt.
Ja, aber da muss ich ja auch mal sagen, das ist ja nur das, was er sagt,
ob das wirklich stimmt.
Also das könnte ich mir ja auch super gut als Behauptung vorstellen,
so im Sinne von, naja, ich hätte sie eigentlich gehen lassen,
wenn sie nicht auch was dazu beigetragen hätte,
und zwar mich zu bedrohen, so nach dem Motto.
Genau, aber es ist ja eigentlich dumm, von ihm das zu erzählen.
Wieso?
Weil dadurch, dass er quasi sagt, er habe sie nur umgebracht,
um die Vergewaltigung sozusagen zu vertuschen,
wäre es ja Mord zur Verdeckung einer anderen Straftat.
Und wenn er das quasi nicht erzählt hätte,
wäre ihm Mord wahrscheinlich eher schwieriger nachzuweisen gewesen.
Ach so, ja, klar.
Insgesamt kommt der Gutachter zu dem Schluss,
dass Karl P. zum Tatzeitpunkt eher einem Jugendlichen
als einem Erwachsenen gleichkam.
Und so sieht es letztendlich auch die Staatsanwaltschaft,
die acht Jahre Jugendhaft wegen Mordes fordert.
Der Staatsanwalt rechnet Karl sein Geständnis an,
denn, ja, wie gesagt, ohne dieses sei der Mord nicht nachzuweisen.
Es sei das Geständnis, das ihn ins Gefängnis bringe,
nicht die DNA-Spur.
Oh.
Denn ohne seine Erklärung hätte es wahrscheinlich
nur für einen Totschlag gereicht,
der wegen der Verjährung, also wie in deinem Fall,
in einem Freispruch geendet hätte.
Am Ende fügt der Staatsanwalt noch hinzu,
unser Angeklagter ist kein Monster.
Er ist ein Mensch.
Am 31. März 2014 verkündet der vorsitzende Richter das Urteil.
Mehr als 26 Jahre nach Julias Tod.
Es lautet, acht Jahre Jugendhaft wegen Mordes
zur Verdeckung einer anderen Straftat.
Die Kammer hat Jugendstrafrecht angewandt,
weil die Gesamtwürdigung der Persönlichkeit des Angeklagten ergeben habe,
dass er zur Tatzeit nach einer sittlichen und geistigen Entwicklung
einem jugendlichen Gleichstand.
Für den 45-Jährigen heißt das aber am Ende auch nur acht Jahre Haft,
wie für jeden anderen Erwachsenen auch.
In der Urteilsbegründung erklärt der Richter,
dass die Kammer durch den Prozess den Eindruck gewonnen habe,
dass es sich bei Karl P. um einen Menschen handelt,
dem von seiner Persönlichkeit her eine solche Tat eher fremd zu sein scheint.
Diesen Eindruck habe die Kammer auch vor dem Hintergrund gewonnen,
dass Karl nie wieder straffällig aufgefallen
und er trotz umfangreicher Recherche
keiner weiteren Straftat zu bezichtigen ist.
In seinem letzten Wort hatte Karl P. nochmals erklärt,
er habe keine Antwort auf das Warum.
Und das sollte er sie jemals finden,
Julias Mutter die erste sei, dem er diese mitteilen würde.
Also ich finde diesen Fall deshalb so furchtbar,
weil das einfach diese typische Urangst von Kindern
und vor allem von den Eltern ist,
auf dem Schulweg irgendwo abgegriffen zu werden.
Also was ich für Diskussionen damals mit meiner Mutter hatte,
wo ich da lang gehen soll und wo bitte nicht
und nicht die Abkürzung durch den Park,
weil zwischen meinem Zuhause und der Schule war nur der Park
und da durfte ich aber nicht durchgehen dann und so.
Und es ist halt genau das, ja.
Ja, und jeder hat doch diese Abkürzungen gehabt
und jeder ist diese Abkürzungen halt gegangen.
Ja.
Also eigentlich war dieser neue Hinweis ja gar kein neuer Hinweis,
weil der hat ja eigentlich nur das bestätigt,
von damals, ja, die Person sieht so aus,
wie man damals beschrieben hat.
Ja.
Die ErmittlerInnen, die sind sich sicher,
dass hätten sie ja damals schon den Karl P.
wirklich in Verdacht gehabt,
dass sie ihn nicht sozusagen dingfest hätten machen können,
wenn er nicht gestanden hätte,
weil sie ja damals noch nicht die DNA-Spur hatten.
Nee, klar.
Ja.
Ja, ja, aber ich sage ja nur, es ist kein neuer Hinweis.
Also im Grunde genommen war ja alles schon da.
Ja.
Mir ist, während ich den Fall geschrieben habe, aufgefallen,
dass ich schon länger nicht mehr so wirklich was über den Täter
oder die Täterin erzählt habe.
Also so, ne, weil, ja, meist fokussiert man sich halt auch lieber auf das Opfer
und außerdem sind halt auch oft dieselben Geschichten dahinter sozusagen.
Und diesmal war das aber irgendwie ein bisschen anders
und ich wollte mehr über Karl P. erzählen,
weil ich das irgendwie bemerkenswert finde,
dass er nach dieser Tat, obwohl das halt so eine bestimmte Tat ist,
die oft von SerientäterInnen begangen wird,
sich nie wieder was hat zu Schulden kommen lassen
beziehungsweise ihm das auch nicht nachgewiesen werden konnte.
Die haben nämlich dann ganz viele alte Cold Cases in diese Richtung
dann nochmal überprüft, weil sie dachten,
der ist bestimmt nochmal straffällig geworden.
Und dass er das irgendwie geschafft hat,
so ein normales Leben irgendwie zu führen
und dann, als er gestellt wurde,
ja, offenbar ein geläuterter Mann war in irgendeiner Form,
weil er auch gesagt hat, von vornherein, vorm Prozess,
er will das alles aufklären,
er möchte das jetzt auch für die Familie machen und so weiter.
Also so, das hatten wir halt noch nicht so häufig
und dann finde ich auch wichtig,
dass man mal so eine Geschichte erzählt.
Vor allem jetzt sogar, wenn ich weiß, wie das in deinem Fall war,
wo das sozusagen das Gegenteil der Fall war.
Ja.
Julias Fall war bei Aktenzeichen XY Teil von der normalen Folge,
obwohl er auch in einer Spezialausgabe der Sendung hätte laufen können,
nämlich in Aktenzeichen XY ungelöst Spezial Cold Cases.
Da werden, wie der Name schon sagt,
nur sehr weit zurückliegende Mordfälle behandelt,
bei denen eben, ja, wie in unseren beiden Fällen,
so Cold Case Units die Akten quasi wieder rauskramen.
Es gibt aber auch noch andere Speziales.
Seit 2011 zum Beispiel jedes Jahr die Sendung
Wo ist mein Kind?
Und die beschäftigt sich eben ausschließlich mit Fällen,
in denen Minderjährige oder junge Erwachsene als vermisst gelten.
Und da gibt es, ja, ziemlich viele Geschichten, die so anfangen,
wie die von Julia und eben Kinder, die von der Schule nie nach Hause kamen.
Und oft sind in diesen Folgen dann die Angehörigen zu Gast im Studio,
die dann das Publikum selbst auch um Hilfe bitten.
Also diese Sendungen sind immer sehr emotional.
Da kann ich schon mal hier eine Triggerwarnung geben.
2016 gab es dann erstmals ein Spezial mit dem Titel
Vorsicht Betrug, in dem dann vor allem, ja,
Fälle zur Prävention vorgestellt werden.
Da sind dann Betroffene im Studio,
die erzählen, wie sie von BetrügerInnen reingelegt wurden,
sodass man als ZuschauerIn quasi danach auf alles gewappnet ist.
Und da gibt es jetzt am 31. März eine neue Ausgabe.
Und da geht es unter anderem um einen Fall,
bei dem ein angeblicher Mediziner übers Internet Menschen anleitet,
sich selbst Stromschläge zu geben.
Oh mein Gott.
Was ist das für eine verrückte Scheiße?
Ja, aber gut, weißt du, ohne Aktenzeichen,
schon wüsste ich nichts davon.
Ja, nicht, dass du da selber noch drauf reingefallen wärst.
Eben.
Da hätte dir mal jemand wieder versprochen,
dass du mal wieder was fühlst.
Ja, und 2018 strahlte das ZDF dann sozusagen noch ein Spezial vom Spezial aus.
Und zwar Vorsicht Urlaubsfalle.
Das habe ich mir jetzt nicht angeguckt,
aber das klingt schon sehr nach Servicebeitrag.
Kabel 1.
Ja.
Und um sich quasi selbst zu feiern,
wurde zum 50-jährigen Bestehen der Sendung
ein Aktenzeichen XY gelöst Spezial eingeführt,
in dem die Erfolgsgeschichten geteilt werden,
aber auch explizit über TäterInnen gesprochen.
Und in diesen Spezials,
davon gab es bisher drei,
saß dann immer Lydia Benecke dabei und hat dem Publikum erklärt,
was die TäterInnen angetrieben haben könnte
und ja, den Fall nochmal aus einer psychologischen Sicht analysiert.
So, und wer ist damals auf die Idee gekommen, so eine Sendung zu machen?
Der Journalist Eduard Zimmermann.
Und der hat die Sendung dann auch unendlich lange moderiert.
Und der bekam dann deswegen auch den Namen Verbrecherjäger.
Und weißt du, wie der noch genannt wurde?
M-m-m.
Ganoven-Ede.
Geil.
Wir müssen uns auch coole Namen zusehen.
Und Ganoven-Ede hat dann neun Jahre nach Formatsstaat mit anderen den Opferhilfsverein Weißer Ring gegründet.
Über den haben wir hier auch schon öfter mal berichtet.
Und dafür hat er dann ein Jahr später zur hundertsten XY-Sendung das Bundesverdienstkreuz bekommen.
Also ein Moderator, der aufgrund seiner Crime-Sendung das Bundesverdienstkreuz als Preis bekommt, ja.
Da sehen wir uns auch in der Reihe.
Und wir müssen hier am Ende der Sendung nachher auf Knien kriechen,
damit wir den Publikumspreis beim Deutschen Podcastpreis bekommen,
für den wir uns selbst bewerben müssen.
Ja, es ist traurig, wie sich das entwickelt.
Was sind das für Zeiten?
30 Jahre lang hat Eduard Zimmermann das Format moderiert
und danach hat er es an seine Tochter Sabine Zimmermann abgegeben
und an den Journalisten Butz Peters.
Und seit 2002 moderiert Rudi Zerne das Format.
Und 2018 klaute oder sagen wir mal borgte das Format Mordlust für circa zwei Folgen
den Spruch, bleiben Sie sicher,
weil die Moderatorinnen dachten, dass es sich um einen Supervorschlag einer Zuhörerin handelte,
den man einfach so übernehmen kann.
Das war ein bisschen unangenehm.
Haben wir nicht sogar mal gesagt, der heißt Rudi Kerne?
Ich glaube, das haben wir dann rausgestellt.
Ja.
Über 4800 Fälle wurden von XY schon behandelt und davon wurden mehr als 1900 aufgeklärt.
Das ist also eine Erfolgskute von über 39 Prozent.
Es steht so auf der Webseite.
Ich bezweifle jetzt halt, dass die Fälle alle ausschließlich nur wegen XY am Ende aufgeklärt wurden.
Aber bei einigen ist das, wie wir ja jetzt gesehen haben, dann halt eben doch der Fall.
Wir haben für diese Folge mit dem XY-Experten überhaupt gesprochen.
Und wenn uns das damals jemand gesagt hätte, als wir noch Rudi Kerne gesagt haben, dann hätten wir das nicht geglaubt.
Aber ja, Rudi Zerne hat uns Rede und Antwort bestanden.
Und der hatte aber nicht schon immer was mit wahren Verbrechen zu tun.
Vor seiner Zeit bei XY war er nämlich Sportjournalist und auch selbst lange Profi-Eiskunstläufer.
Warum er sich dann trotzdem für den Job entschieden hat, hat aber eben gerade mit diesem Kontrast zu tun, sagt er.
Jetzt auf einmal in die Welt der Kriminalität, des Abgrunds der Kriminalität hineinzuhorchen und hineinzuschauen,
war für mich zunächst mal ein kleiner Schock, eine Überraschung.
Aber das macht es dann wiederum auch so begehrenswert.
Das ist ja das, was unseren Beruf so auszeichnet oder meinen Beruf als Journalist.
Auf der einen Sache die Leichtigkeit des Sports und auf der anderen Sache die Ernstigkeit der schweren Verbrechen, der Kapitalverbrechen.
Und deswegen habe ich irgendwann eingeschlagen.
Auf jeden Fall ist irgendwann eingeschlagen das richtige Wort.
Denn der Moderator hat erst nach mehreren Monaten zugesagt.
Es gab dann nämlich noch so eine Begebenheit, die er wie so ein Wink des Schicksals interpretiert hat.
Mein Auto war aufgebrochen worden an einem Samstag und ich bin dann zu einer Polizeiwache gefahren
und war in diesem Warteraum, in dem ich mich aufgehalten hatte und sah lauter Plakate von vermissten Kindern.
Und dachte mir, mein Gott, von denen hört und sieht niemand was.
Es gibt ja dann immer wieder Vermisstenfälle, die sehr prominent auch in den Medien behandelt werden.
Aber die Verzweiflung und das Entsetzen in diesen Familien ist ja genauso groß, wie in diesen Familien von denen, über die berichtet wird.
Und da dachte ich mir, das ist ein Fingerzeig und jetzt rufe ich da an und sage zu.
Also das ist wirklich gruselig, was da alles hängt.
Also als ich neulich beruflich einmal auf einer Polizeistation war, da habe ich gedacht, ich werde nicht mehr.
Das war alles voll tapeziert mit Zetteln von Sachen nur aus meinem Bezirk.
Ja, und durch die Sendung wird Rudi Zerne dann natürlich auf einmal mit sehr viel Verbrechen konfrontiert.
Und darunter ja auch nur Cold Cases, zu denen es erstmal kein Happy End gibt.
Und ich habe ihn gefragt, was das persönlich mit ihm macht.
Das ist für mich schon außergewöhnlich, dass wir Fälle haben, bei denen der Täter,
also sprechen wir beispielsweise über einen Vergewaltiger, noch frei rumläuft.
Gewaltiger sind oftmals Serientäter und da geht es darum, diesen Täter so schnell wie möglich zu fassen, damit er nicht erneut zuschlagen kann.
Und oftmals kommt es ja vor, das hatten wir auch schon, in einem Fall, in dem ein Täter in Schullandheime beispielsweise eingestiegen war und dort Jungen entführt hat.
Da sagte mir, und da läuft seinem eiskalt den Rücken runter, da sagte mir damals der zuständige Ermittler bei uns im Studio,
Vermutlich wird der Mann nochmal zuschlagen und noch mehrmals zuschlagen, bevor wir ihn kriegen.
Also das ist dann schon starker Tobak.
In den 19 Jahren präsentiert Rudi Zerne sehr viele Fälle.
Und trotzdem ist einer darunter, an den er immer wieder denken muss.
Das ist ein Fall, der mich nach wie vor nicht loslässt.
Kirsten Saarling in Berlin, Spandauer Forst.
Die Frau hatte gerade eine Krebserkrankung überwunden und war mit ihrem Mann zum Sport aufgebrochen.
Wollten also joggen gehen, während der Mann schon mal losgelaufen ist, hatte sie sich noch mit Dehnungsübungen aufgehalten und ist dort Opfer eines Messerstechers geworden.
Also Zufallsopfer, wie die Polizei später ermittelt hat.
Der Mann hatte mit seinem Fahrrad angehalten, war abgestiegen und hatte völlig unvermittelt auf die Frau mehrfach eingestochen.
Der Täter war sofort mit dem Fahrrad wieder abgehauen.
Passanten eilten ihr zu Hilfe und die Frau war kurz vor der Bewusstlosigkeit und sagte noch zum Schluss, sagen Sie meinem Mann bitte, dass ich ihn liebe.
Und dann ist die Frau ins Krankenhaus eingeliefert worden und am nächsten Tag gestorben.
Wir haben den Fall mehrfach in Aktenzeichen präsentiert, der ist nie geklärt worden.
Also es gab Beobachtungen noch von diesem Fahrradfahrer, aber es gab keine Beschreibung, es gab keine Zeugen und der Mann läuft nach wie vor frei herum.
Das ist schlimm.
Oh Gott, das ist ja wirklich ganz furchtbar.
Ja, besonders zu Herzen gehen dem Moderator aber auch Fälle, in denen es um Kinder geht.
Und da hat er ja auch oft dann mit Angehörigen zu tun, wie zum Beispiel mit den McCanns aus England, die nach ihrer Tochter Maddie gesucht haben.
Das war natürlich schon sehr bewegend.
Ich hatte die Eltern ja vorher in Birmingham, in der Nähe von Birmingham getroffen, zu einem Vorgespräch, was auch sehr wichtig ist, um sich persönlich kennenzulernen.
Vielleicht für die Eltern sogar wichtiger als für mich.
Kate McCann, die Mutter war, also ich glaubte festgestellt zu haben, dass sie körperlich gelitten hat.
Und das ist auch natürlich eine extreme Leidenszeit für die Menschen, nicht zu wissen, was passiert ist.
Also wenn dir jemand sagt, wissen Sie, Herr Zerne, selbst wenn wir jetzt die Nachricht bekämen, dass unser Kind tot ist, dann können wir wenigstens abschließen.
Dann haben wir einen Grab, an dem wir trauern können.
Aber diese Ungewissheit zermürbt uns und macht uns fertig.
Also da muss man ja auch echt sagen, das ist furchtbar bewegend, teilweise diesen intensiven Kontakt dann für eine gewisse Zeit auch mit Betroffenen zu haben.
Also wir haben das ja jetzt hier auch schon einige Male gehabt und man merkt ja auch so richtig, wenn was noch nicht aufgeklärt ist, wie viel Hoffnung sie in die Berichterstattung und dementsprechend ja auch in das, was du machst, setzen.
Ja, ja, total.
Rudi Zerne hatte jetzt aber nicht nur Angehörige bei sich bisher im Studio.
Beim Fall von Maria Baumer, den hatten wir ja einmal eine Zuhörerin erzählen lassen, da saß ihr Verlobter im XY-Studio und sagte dort, er würde nach Maria suchen und zeigte auch den Verlobungsring, den sie angeblich zu Hause hat liegen lassen.
Ende letzten Jahres wurde dieser Verlobte nun wegen Mordes an Maria verurteilt.
Das Gericht hat außerdem auch noch die besondere Schwere der Schuld festgestellt.
Das Urteil ist jetzt allerdings noch nicht rechtskräftig.
Wenn der BGH die Revision jetzt aber verwirft, dann hat Rudi Zerne einem Mörder gegenüber gesessen.
Ja, und da habe ich ihn auch nochmal darauf angesprochen, wie das für ihn war, ja, zu erfahren, dass der Verlobte vor Gericht stand.
Also ich war da schon sehr erstaunt, um es mal vorsichtig auszudrücken.
Ich kann mich an dieses Vorgespräch erinnern, als wir in einem kleinen, in dem Redaktionsbüro waren, in Ismaning, mit den Angehörigen, also damals mit der Mutter und mit eben jenem Verlobten gesprochen hatten, der wirkte schüchtern, bescheiden und zurückhaltend und betroffen.
Also so gesehen hat der geschauspielert und uns perfekt was vorgemacht.
Das war dann schon sehr erstaunlich.
Rudi Zerne wurde übrigens selbst mal verhaftet.
Das ist aber eine andere Geschichte.
Die erzählt er euch dann selbst die Tage auf Instagram bei Mordlos der Podcast.
Ich finde ja, Rudi Zerne ist so eine von diesen Personen.
Also wenn mir da jemand sagen würde, den mag ich nicht, dann würde ich menschlich an dieser Person zweifeln.
Ja, voll.
Ich war ja jetzt nicht dabei bei dem Interview.
Hast du denn meine Frage gestellt?
Hast du bitte gesagt, dass du es gemacht hast?
Sag doch nochmal bitte, wie die Frage war.
Also eigentlich wollte ich das Interview mit Rudi Zerne ganz gerne machen.
Und dann war ich aber verhindert.
Und meine letzte Frage an Rudi Zerne wäre gewesen, wann er denn gedenkt, in Rente zu gehen und uns die Sendung zu überlassen.
Und Laura hat gesagt, die stellt sie nicht.
War ich ganz traurig.
Ja, ich hatte aber dann doch relativ viel Druck von Paulina bekommen.
Und dann habe ich, ja, ich wollte dann erstmal gucken, wie läuft denn das Gespräch so, aber es war halt eben sehr freundlich.
Und dann habe ich halt versucht, die Frage nicht ganz so dreist zu formulieren.
Was ist dreist?
Eine normale Frage.
Und das hat sich dann so angehört.
Und nächstes Jahr ist dann ja quasi schon ihr 20-jähriges Interview.
Ja.
Und also wir, meine Kollegin und ich, wir würden uns natürlich anbieten, wenn sie mal keine Lust mehr haben, um Nachfolgerin zu sein.
Ja, ich bestimme das nicht.
Sie können ja mal ein gutes Wort für uns.
Ja.
Ich glaube, sie haben gute Chancen.
Ich glaube, sie haben gute Chancen.
Ja, gute Chancen.
Das ist doch geritzt jetzt.
Voll.
Finde ich gut.
Also es wurde wahrscheinlich schon verhandelt.
Ich fand deine Fragestellung auch gut.
Also vielleicht, also und meine Kollegin und ich, also wir.
Das war so, oh mein Gott, ich habe so Angst.
Und auch nur, wenn sie keine Lust mehr haben.
Ja.
Aber nee, also das war wirklich ernsthaft.
Ein total nettes Interview.
Und auch mal ein bisschen abwechslungsreicher, weil er auch viele Fragen gestellt hat.
Auch zu Mordlust und wie wir arbeiten.
Äh, wir können tauschen.
Ja, das habe ich nämlich auch gedacht.
Wenn wir dann das übernehmen, kann er die Urlaubsvertretung hier sein.
Aber das kannst du ihn dann diesmal fragen.
Ich mache das Ding fest hier.
Also sollten wir das dann übernehmen, dann hoffe ich natürlich, dass die Zusehenden weiterhin so fleißig anrufen und Hinweise geben, weil darauf ist diese Sendung ja im Grunde genommen angelegt und auch angewiesen.
Und ich glaube, das ist auch so ein bisschen der Erfolg dieser Sendung, weil also dieses aktive Mitmachen, dieses Ich kann einen Beitrag leisten.
Ich glaube schon, dass das viele auch anspornt, auch einzuschalten alleine.
Und es ist halt auch so, dass während der laufenden Sendung dann halt auch viele Hinweise eingehen.
Also beim Fall von Lolita, da waren es halt 76 und einer davon war halt eben dieser Volltreffer.
Es gab aber auch schon den Fall, dass es so einen Volltrefferhinweis gab und die Polizei dem da aber nicht nachgegangen ist.
So war das bei Marvin.
Er ist 13 Jahre alt, als er plötzlich verschwindet und über zwei Jahre lang gibt es gar keine Spur von ihm.
Bis der Fall bei Aktenzeichen XY gezeigt wird.
Nach einem Bericht des Innenministeriums hatte eine Frau nach der Sendung den Hinweis gegeben, wo sich der Junge aufhalten würde.
Sie sagte, er werde von einem Mann in Recklinghausen festgehalten, der ein Pädophiler sei, sagte sie.
Und offenbar war auch der Name des Mannes dann bekannt, der kurze Zeit später sogar wegen Besitzes von Kinderpornografie verurteilt wird.
Und trotzdem landet dieser Hinweis offenbar ohne weitere Ermittlungen bei den Akten, meldet zumindest die DPA.
Und erst Monate später findet man Marvin dann zufällig bei einer Razzia in der Wohnung.
Und der Junge kauert in dem Moment im Schrank, als die PolizeibeamtInnen die Wohnung stürmen.
Und jetzt ermittelt die Staatsanwaltschaft wohl gegen die Polizei.
Das Urteil gegen den Mann ist aber auch noch nicht gefällt.
Also alle Informationen sind erst mal unter Vorbehalt.
Also, nee.
Wenn man sowas hört, denkt man sich doch nur, wie kann das sein?
Der Name stand schon fest und die hätten ihn da rausholen können.
Und leider hat man immer mal wieder mit solchen Fällen zu tun, wo irgendwie der Schlüssel zur Lösung ganz nah liegt.
Und man den irgendwie nicht sieht.
Warum auch immer.
Nicht so viel Polizeikritik.
Wenn wir bald XY moderieren, arbeiten wir eng mit denen zusammen.
XY möchte Menschen, die zur Verbrechungsbekämpfung beitragen, auch belohnen.
Und deswegen gibt es den XY-Preis für Zivilcourage.
Und 2020 hat den unter anderem ein Mann bekommen, der gesehen hat, wie ein Typ aus der Nachbarschaft, der ihm schon länger unangenehm wegen Beschimpfungen und sowas aufgefallen war, mit einem kleinen Mädchen an der Hand lief.
Und das kam ihm irgendwie seltsam vor.
Und dann hat sich das Mädchen umgedreht.
Und das bestärkte ihn dann so in seinen Gedanken, hier stimmt was nicht, ich muss jetzt die Polizei rufen.
Und er folgte dann dem Mann auch währenddessen und verriet der Polizei, wo er sich aufhielt.
Und als die dann eintraf, da stand der 65-Jährige schon entkleidet vor dem 6-jährigen Mädchen.
Ja, denke ich mir.
Ja, ja.
Sowas sollte man immer machen.
Wie gut ist dieser Mensch, dass er die Polizei angerufen hat?
Weil ich glaube, ganz oft sagt man dann einfach so, ach, das ist bestimmt der Onkel.
Oder man will das ja gar nicht wahrhaben, aber das ist wirklich so wichtig.
Und deswegen hat er auch diesen Preis verdient.
Und sowieso finde ich super, dass es halt, ja, dass man zeigt, dass sowas toll ist und dass sowas auch zu machen ist.
Aktenzeichen XY gehört ja jetzt quasi zum Fernsehen dazu, wie die Tagesschau auch.
Aber das war am Anfang alles nicht so akzeptiert.
Zumindest gab es beim Staat vor 54 Jahren richtig viel Kritik.
Vor allem von den Kollegen und Kolleginnen beim öffentlich-rechtlichen Rundfunk.
Da war nämlich dann von Menschenjagd die Rede und auch davon, dass die Sendung eigentlich zur Fahndung von GewaltverbrecherInnen eigentlich gar nicht geeignet sei.
Und wer anfangs auch besonders laut gewettert hat, ist niemand Geringeres als Ulrike Meinhof, die, bevor sie RAF-Terroristin war, Journalistin war.
Und die forderte nämlich unter anderem, Zitat, dem Fernsehscheriff, das Handwerk zu legen.
Und als die Meinhof dann unter die Terroristen und Terroristinnen gegangen ist, stand Eduard Zimmermann auch tatsächlich plötzlich auf der Todesliste der RAF und brauchte ab da dann jahrelang Polizeischutz.
Das ist so krass, einfach nur, weil du eine Aufklärungsarbeit leistest, dann so ins Visier von solchen Menschen gerätst, ja.
Ja, bei der hat auch nichts Sinn gemacht.
Für das breite Publikum ist aber wohl eher so das größere Problem am Anfang, dass sie einfach von der Sendung Albträume bekommen, weil es halt eben nicht der gewohnte Krimi mit Happy End ist.
Und das ist auch heute noch einer der großen Kritikpunkte, also dass, obwohl ja nur Einzelfälle präsentiert werden, eine Gefahr irgendwie allgegenwärtig erscheint.
Und ich habe Rudi Zerner auch erzählt, dass wenn ich Aktenzeichen XY gucke, dann irgendwie danach oft Angst habe, dass meiner Oma irgendwas passiert, weil da gefühlt so oft Fälle gezeigt werden, bei denen alte Menschen irgendwelchen vermeintlichen Postboten die Tür öffnen und dann halt überfallen werden.
Und das, obwohl laut Kriminalstatistik ältere Menschen im Allgemeinen seltener Opfer von Gewaltverbrechen werden.
Und ich habe den Moderator halt gefragt, was er zu der Kritik sagt.
Nee, es ist kein Schüren von Angst. Ganzes Gegenteil. Gerade weil Sie das jetzt ansprechen, Menschen zu sensibilisieren, wie man vorzugehen hat oder vorgehen sollte in so einer brenzligen Situation.
Also grundsätzlich gilt, ich muss niemandem die Tür aufmachen. Heute, mehr denn je, wir haben ein Handy, selbst die Oma, da könnte man zeigen, wie ein Handy funktioniert.
Ich glaube, das kriegt sie auch hin, kann dann etwas tun. Man kann ja eine To-Do-Liste hinschreiben, das könnten Sie tun.
Wen sie anrufen sollte in so einem Fall. Ja, also beispielsweise ihre Nummer aufschreiben, das zuständige Polizeirevier, die 110 aufzuschreiben.
Ich muss auch, selbst wenn da jemand mit dem Polizeiwagen vor der Tür steht, muss ich dem nicht aufmachen.
Also das ist auch was, womit wir uns immer auseinandersetzen müssen. In fast jedem Interview, was wir irgendwie geben, werden wir immer mit den Kritikpunkten konfrontiert.
Also genau wie XY. Und wir haben ja auch ein paar HörerInnen, die uns geschrieben haben, dass sie durch dieses Hören von True Crime mehr Angst haben.
Ja, und ich sehe das an mir auch, jetzt, wo ich einen neuen True Crime Podcast gefunden habe, den ich sehr gut finde und quasi jeden Tag höre, dass ich auch schon wieder mehr so bin.
Also das würde ich nicht machen, das würde ich nicht machen, das würde ich meiner nicht existenten Tochter verbieten und so.
Also ich merke das an mir auch.
Okay, das ist, also das ist seltsam, weil eigentlich sind wir ja so, also für mich hat sich Kriminalität und Verbrechen, haben sich so krass entmystifiziert, seitdem ich das mache, weil ich so viel jetzt darüber weiß.
Und ich war vorher super ängstlich, also wirklich super ängstlich, als ich das erste Mal alleine gewohnt habe, was ja jetzt auch erst ein paar Jahre her ist, da musste ich erst mal mit kämpfen so.
Aber für mich, ich habe einfach irgendwie mehr Sicherheit gewonnen, weil ich jetzt weiß, wie das alles funktioniert, warum Menschen das machen und so.
Es ist nicht mehr so das große, schwarze, kriminelle Loch.
Ja, und aber auch, weil du von den Zahlen weißt und von den Wahrscheinlichkeiten.
Und ich glaube, das ist auch so das Problem von True-Crime-Formaten, dass man da als Konsument oder Konsumente das Gefühl kriegt, hier würde Realität abgedenkt, weil es ist ja True Crime.
Und es ist ja auch wahre Fälle, aber nur weil man dann halt jeden Tag einen neuen Podcast mit einem neuen Fall hört, heißt das ja nicht, dass das halt in diesem Rhythmus dann auch im wirklichen Leben passiert.
Ja, deswegen kommen wir halt ja auch nur alle zwei Wochen raus.
Ja.
Und das muss man sich halt so vor Augen führen und dann macht es einem am Ende auch keine Angst.
Aber das ist so eine Transferleistung, die ich ja dann eben offenbar auch nicht immer schaffe, wenn ich mich voll höre mit True-Crime-Podcast.
Aber das ist halt nun mal so.
Anderer Punkt.
Manche sagen, dass Formate wie XY oder auch Mordlust der eigenen Unterhaltung dienen und teilweise sogar, dass man sich an dem Leid anderer ergützen würde.
Also da finde ich alleine die Vorstellung von jemandem, der sich die Sendung anmacht oder den Podcast hört und sich sagt, toll, jetzt höre ich mir mal an, wie jemand aufgeschlitzt wird.
Finde ich völlig absurd. Also, dass man das so als Unterhaltung nimmt, weil es mir dann irgendwie Spaß bringt, das zu hören. In dem Sinne Unterhaltung.
Aber ganz ehrlich, zu mir meint noch nie jemand, dass er True-Crime konsumiert, weil er es irgendwie geil findet zu hören, wie jemand aufgeschlitzt wurde oder so.
Also ich sehe unseren Podcast ja eher so als Informationsquelle und als Aufklärungsquelle. Und dann würde ich sagen, ja, das ist in einer gewissen Art Infotainment.
Auf jeden Fall ist es Infotainment.
Weil wir das natürlich alles anders verpacken. Weil wir sind ja nicht die Nachrichten.
Das ist richtig.
Dadurch, dass die Fälle ja surrealitätsnah nachgestellt werden, wird der Sendung auch immer mal wieder vorgeworfen, potenziellen Täter in Anleitung zu Verbrechen zu geben.
Oder die zumindest auf Ideen zu bringen.
Der Medienpsychologe Peter Wietusch, würde ich ihn jetzt nennen, sieht die Gefahr vor allem darin, dass gezeigt wird, dass TäterInnen davon kommen.
Also, dass es quasi das perfekte Verbrechen vielleicht doch gibt.
Aktenzeichen soll laut ihm sogar Vorbild für einen Vergewaltigungstäter aus Wien gewesen sein.
Und nachgewiesen ist zumindest, dass zwei Verbrecher die Sendung zu Recherchezwecken genutzt haben.
Die beiden Männer wurden im November 2003 unter anderem wegen schwerer räuberischer Erpressung zu 15 Jahren verurteilt.
Und nach ihren Taten informierten die sich halt über den Stand der Ermittlungen, indem sie die Zeitung lasen, Polizeifunk abhörten und auch Aktenzeichen XY schauten.
Und dabei bezeichnete der eine Täter die Sendung sogar als Pflichtprogramm.
Rudi Zerne meint zum Thema Nachahmen, dass die Redaktion höllisch aufpasst, was gezeigt wird und was nicht.
Und in der letzten Sendung zum Beispiel, da gab es so einen Vergewaltigungsfall.
Und da wurde die Tat, also die Vergewaltigung an sich gar nicht gezeigt.
Und der Film war aber trotzdem irgendwie zehn Minuten lang.
Und das habe einmal damit zu tun, dass das für die Zusehenden manchmal dann echt irgendwie zu hart wäre, das zu zeigen.
Aber auch, weil es sie nicht weiterbringen würde.
Das fände ich auch irgendwie pätätslos, eine Vergewaltigung so komplett darzustellen.
Aber darum geht es doch auch eigentlich gar nicht, oder?
Also es geht ja nicht darum, dass sich da jemand abguckt, wie man jemanden vergewaltigt, sondern wie man mit der Tat davon kommt.
Also weil es wird ja immer von Taten berichtet, die nicht aufgeklärt sind.
Ja, auf jeden Fall das.
Aber die Sorge ist auch da, dass Menschen überhaupt erst auf die Idee kommen, Taten zu begehen.
Und wenn die quasi sehen, was da alles möglich ist.
Aber ja klar, für das Publikum ist es am Ende nicht wichtig, wie genau jemand zu Tode gekommen ist.
Sondern ja, wie der Täter oder die Täterin zum Beispiel aussah oder wo das Ganze stattgefunden hat.
Außerdem würde man so gut wie nie TäterInnenwissen preisgeben, weil es halt immer irgendwie Menschen gäbe, die sich selbst bezichtigen, um Aufmerksamkeit zu bekommen.
Und halt um solche Menschen als TäterInnen auszuschließen, verzichtet man dann darauf, konkrete Details zu zeigen, so CERNE.
Also ich denke nicht, dass das Problem ist, dass die Verbrechen an sich nachgeahmt werden, sondern angeblich, zumindest wird das so immer an uns herangetragen, unser Podcast selbst.
Aber man muss auch sagen, wir nennen ja auch nicht mehr so viele Details wie jetzt am Anfang noch.
Genau, also wir könnten natürlich dann richtig tief wühlen in dem Leid oder in dem Leben von Opfern oder TäterInnen oder auch in dem von verdächtigen Personen.
Und das kann aber natürlich eine Gefahr für die Resozialisierung sein.
Allerdings halt auch nur, wenn gewisse Standards der Berichterstattung nicht eingehalten werden.
Und wir sind der Meinung, wir tun das wirklich nach bestem Wissen und Gewissen und Aktenzeichen XY ja auch.
Und deswegen ist es halt auch eben so, dass wenn jemand gesucht wird, dann darf man natürlich auch mit Foto und mit Namen fahnden,
aber halt eben auch nur so lang, bis die Person noch flüchtig ist, weil dann halt eben das Interesse des Fahndungserfolgs mehr wiegt als das Persönlichkeitsrecht.
Und das ändert sich dann aber in dem Moment, in dem die Person gefasst ist.
Dann wird aus Laura Wohlers mit Foto eben ein geblurrtes Bild und dann heißt sie Laura W.
Laura W.
Laura W. aus M.
M. G.
Ja, und in Bezug auf verdächtige Personen.
Da wurde ja bei Aktenzeichen XY zum Beispiel auch das Foto von dem Verdächtigen aus dem Fall Rebecca gezeigt.
Aus Berlin von der vermissten Schülerin.
Genau. Und da würde ich mal gerne eine Meinung wissen, wie du das findest, dass sie da sein Gesicht ganz offen gezeigt haben.
Er war sehr verdächtig in dem Zeitrahmen und ohne jetzt genau den Zeitablauf zu wissen, aber ich gehe mal davon aus, dass sie das deswegen gemacht haben, weil sie gefragt haben, haben sie diese Person dann und dann hier irgendwo gesehen?
Es ging ja um das Finden von Zeugen und Zeuginnen eben speziell zu dieser Person.
Und deswegen finde ich das da völlig in Ordnung.
Mich hat das tatsächlich so ein bisschen gewundert, also nicht unbedingt, dass sie das Foto gezeigt haben von einem Verdächtigen, aber dass das halt so schnell nach dem Verschwinden von Rebecca gemacht wurde, nach ungefähr drei Wochen oder so.
Und normalerweise läuft das ja so, dass die Polizei zu Aktenzeichen XY kommt, wenn sie gar nicht mehr weiter wissen.
Und deswegen hat mich das einfach gewundert, weil klar, natürlich, die haben das gefragt, haben sie diesen Mann gesehen.
Aber hätten sie das denn machen müssen oder hätten sie erst mal im Umfeld alles abklappern können, das, was sie normalerweise auch machen, ohne das jetzt nach drei Wochen schon der ganzen Republik zu zeigen?
Und das ist für mich so ein bisschen die Frage, ob man, weil das habe ich vorher halt noch nicht so gesehen.
Ja, das kann sein.
Allerdings wissen wir ja auch nicht so wirklich, ob sie das nicht getan haben und einfach da schon nicht weiterkamen.
Ja, das haben sie bestimmt getan.
Aber nach drei Wochen kann man ja nicht sagen, man ist da jetzt noch nicht weitergekommen.
Naja, aber wenn sie da mit so viel Mann dran waren und das war ja auch echt ein medienwirksamer Fall.
Und ich meine, vielleicht hatten sie ja auch immer noch die Hoffnung, dass Rebecca lebt, ja, und sie sie dann eben schnell finden.
Also da bin ich jetzt voll bei XY, das finde ich in diesem Fall okay, wenn auch natürlich schwierig für die Person, aber okay.
Es gibt aber andere True-Crime-Formate, die debattieren dann halt stundenlang darüber, ob ein Verdächtiger, aber zu Recht bisher nicht Verurteilter, es nicht doch gewesen sein könnte.
Und wie seine Vergangenheit war, welche sexuellen Vorlieben die Person hat.
Und dann wird mit ehemaligen Liebschaften gesprochen und da muss ich einfach sagen, also das finde ich geht mir denn da zu weit, ja.
Wenn ich finde so in dem Privatleben rumwühlen, das kann man halt mit einer verdächtigen Person, gegen die man nichts in der Hand hat, nicht machen.
Nee, weil man halt das Leben im Zweifel zerstört damit von der Person.
Und man weiß eben nicht, ob die Person das war. Also welches Recht hat man?
Ja, da muss man super aufpassen, finde ich. Also auch, dass man da nicht selber in Grund und Boden geklagt wird, ne.
Weil ich meine, das würde ich ja natürlich machen, als die Person.
Wir haben neulich auch eine Nachricht von einer Zugehörigen eines Täters bekommen.
Und ich sage jetzt nicht, welcher Fall und ich sage auch nicht, in welcher Beziehung die zueinander stehen, weil die Person das halt auch echt nicht wollte.
Aber sie meinte, sie hat halt die ganze Zeit, als sie wusste, um welchen Fall es geht, die Luft angehalten, weil sie so Angst hatte, dass wir den richtigen Namen nennen oder irgendwas Grenzüberschreitendes machen.
Und sie hat uns halt nachher diese Nachricht geschrieben, weil sie halt voll erleichtert und dankbar war, dass wir das nicht getan haben, weil halt auch ihr Leben in dem Moment dann davon betroffen gewesen wäre, obwohl sie ja nichts damit zu tun hat.
Ja.
So, und auch die Menschen muss man halt auch mitschützen.
Am Anfang war noch so eine Sorge von KritikerInnen von der Sendung, dass jeder und jede plötzlich da anrufen und irgendjemanden falsch beschuldigen.
Und dass dann einfach die Leute von der Straße weg verhaftet werden, sozusagen.
Und dazu hat mir Zerne aber erzählt, dass man da schon aufpassen würde, dass sowas nicht passiert und quasi sorgfältig prüft, wer denn da anruft und dann natürlich auch nicht mit einem Polizeiwagen vorfällt, sondern erstmal im Umfeld ermittelt und so weiter.
Ja, also und da finde ich auch, das liegt ja nicht in deren Hand, also wenn da jetzt jemand sich selber strafbar macht, weil man jemand anderen beschuldigen möchte, sowas gibt's halt.
Oder halt wenn jemand aus Versehen die falsche Person beschuldigt.
So geschehen, nämlich 2012, da berichtet Aktenzeichen XY ungelöst nämlich über einen Juwelendieb.
Und fünf Wochen später geht dann bei der Polizei Stuttgart ein Anruf ein und da sagt die Frau, hier, ich hab den Dieb erkannt, das ist der und der Mann.
Und der steht dann halt gerade vorm Hauptbahnhof in Stuttgart, weil er sich da treffen möchte mit Freunden und die wollen ins Theater gehen.
Und plötzlich wird er von zwei Polizisten festgehalten und der Mann hat mit dem Raub im echten Leben eigentlich halt gar nichts zu tun.
Er hatte allerdings bei XY den Juwelendieb im Reenactment gespielt.
Oh nein.
Das war der Schauspieler.
Ja, als Schauspieler oder Schauspielerin, wenn du Täter oder Täterin spielst, dann lebst du wahrscheinlich gefährlich auf deutschen Straßen.
Das war bestimmt so eine Omi und die hat den im Fernsehen gesehen und dachte dann, das ist echt.
Und dann hat sie gesagt, ja, das ist doch der.
Ergreifen Sie ihn.
Paulina hat es ja eben angekündigt, jetzt kommt das auf den Knienrutschen.
Paulina und ich haben uns dieses Jahr nämlich zum ersten Mal beim Deutschen Podcastpreis beworben, weil wir auch mal irgendwann irgendwo irgendwas gewinnen möchten.
Und da kann man halt in verschiedenen Kategorien gewinnen und eine ist der Publikumspreis, wo eben nicht die Jury, sondern das Publikum entscheidet.
Und wenn euch dieser Podcast gefällt und ihr uns sehr glücklich machen wollt, dann stimmt doch einfach mal für uns ab.
Ist auch nur ein Klick auf deutscher-podcastpreis.de slash podcast und da einfach nach Mordlust suchen.
Ja, das würde uns wirklich sehr freuen und ihr könnt da auch einen witzigen Zusammenschnitt von unseren Best-of-Talk-Situationen.
Es gab natürlich stundenlang Material, man durfte nur fünf Minuten und wir haben es auf die Sekunde lang ausgereizt.
Das könnt ihr euch da auch gerne anhören.
Genau, und den Link packen wir euch nochmal in die Shownotes und da könnt ihr bis zum 18.04. abstimmen.
Und für diese Folge haben wir uns jetzt nochmal was geborgt.
Bleiben Sie sicher.
Das war ein Podcast von Funk.