00:00:00
Hallo und herzlich willkommen zu einer neuen Folge von Mordlust.
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Mein Name ist Paulina Kraser.
00:00:18
Und ich bin Laura Wohlers.
00:00:19
Laura, vielleicht kannst du mir helfen.
00:00:25
Kannst du einen Mordfall lösen?
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Zwei Frauen sitzen in einem Restaurant und bestellen zum Essen Eistee.
00:00:34
Es ist die Sorte Pfirsich.
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Im Glas klimpern die Eiswürfel.
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Ein bunter Strohhalm steckt im Glas und am Rand klemmt eine Orangenscheibe.
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Die brünette Frau trinkt sehr schnell und trinkt in der Zeit, in der die blonde Frau einen Eistee trinkt, fünf Eistee.
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Alle Eisteegläser waren vergiftet.
00:00:55
Die Frau, die nur einen Eistee getrunken hat, stirbt.
00:00:59
Kann ich das wirklich lösen, meinst du?
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Und vor allem kann auch jeder beim Zuhören jetzt überlegen.
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Alle waren vergiftet, aber die, die mehr getrunken hat, hat überlebt.
00:01:21
Also konnte das Gift nicht wirken bei ihr?
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Äh, es geht nicht um die Menge.
00:01:33
Es geht um die Schnelligkeit.
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Wenn man schneller trinkt, dann...
00:01:43
Wenn man es schneller trinkt, dann ist es auch schneller wieder raus.
00:01:51
Das Gift war nicht im Eistee.
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Gut, das war ein guter Tipp.
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Jetzt weiß ich es.
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Es war an den Eiswürfeln.
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Und weil sie es so schnell getrunken hat, waren sie noch nicht bei ihr.
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Am Morgen des 11. November 2006 sitzen vier junge Männer an einem Tisch in einer Zelle
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der JVA Siegburg.
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Während das ganze Rheinland den Beginn der Karnevalssaison feiert, wird dieser Tag die
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Hölle auf Erden werden für einen der vier Jungs.
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Ich muss dazu sagen, Laura hat mir mal von diesem schrecklichen Fall ein bisschen was erzählt
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Und ich habe sie gebeten, nicht weiterzuerzählen, weil ich es so grausam fand.
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Danke, dass du dir diesen Fall nochmal ausgesucht hast, um ihn genauer zu erläutern.
00:02:42
Ich wollte dir nochmal alle Details erklären.
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Die Zelle 104 in Haus 2 ist nur 20 Quadratmeter groß.
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Rechts und links steht jeweils ein Hochbett und in der einen Ecke des Zimmers ist ein kleines
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Waschbecken, eine Dusche, die eigentlich keine richtige Dusche ist, sondern eher eine Nasszelle
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und eine Toilette.
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In der Mitte unter dem kleinen vergitterten Fenster steht der Tisch, an dem an diesem Samstagmorgen
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Danny, Hermann, Pascal und Ralf Karten spielen.
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Danny K. aus Bottrop ist 17 Jahre alt und sitzt wegen Körperverletzung und Raubes
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für zweieinhalb Jahre in Siegburg.
00:03:13
Er kommt aus zerrütteten Familienverhältnissen, hat schon früh Gewalt erfahren, seinen ersten
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Joint raucht er mit 10, mit 12 ist Danny von Hasch und Aufputschmitteln abhängig, mit
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Ein Jahr nach der Scheidung seiner Eltern wird seine Mutter nicht mehr mit ihm fertig.
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Er ist 13, als er in die geschlossene Abteilung einer psychiatrischen Anstalt eingewiesen
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Vor der Einweisung in ein Heim versucht Danny sich das Leben zu nehmen.
00:03:37
Dann kommt er wieder in eine Psychiatrie, danach in eine Wohngruppe und dann letztendlich
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doch in ein Heim.
00:03:43
Und so geht das immer weiter.
00:03:45
Bis die ersten schweren Straftaten folgen.
00:03:47
Diebstähle, Raubüberfälle und 2005 prügelt er einen Rentner halbtot.
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Der Amtsrichter, der ihn damals verurteilt, beklagt eine ungezügelte Gewaltbereitschaft und
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stellt resignierend fest, dass dieser Neigung nicht mit Erziehungsmaßnahmen oder Zuchtmitteln
00:04:04
geeignet begegnet werden könne.
00:04:05
Also man merkt, Danny scheint ein hoffnungsloser Fall zu sein.
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Sein Mithäftling und Kumpel Pascal ist 19 und sitzt wegen Körperverletzung und Drogenbesitzes.
00:04:15
Auch er kommt aus Bottrop, daher kennen sich Danny und Pascal.
00:04:18
Und Pascal hat ebenfalls schon als Kind Gewalt erlebt und auch anderen Kindern angetan.
00:04:23
Er hat Tiere getötet, Autos zerkratzt, einen kleinen Jungen mitten im tiefsten Winter in
00:04:28
einen Teich geschmissen und seinen Kot mit dem Hintern an der Scheibe eines Ladens abgeschmiert.
00:04:34
Ja, kann man mal machen.
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Höhepunkt seiner Gewaltexzesse war ein Überfall auf einer Hochzeitsgesellschaft, bei dem Pascal
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und seine Kumpels dem Brautpaar die Geschenke aus dem Auto gestohlen.
00:04:45
und einem der Hochzeitsgäste den Schädel gebrochen hatten.
00:04:48
Wie furchtbar ist das?
00:04:49
Ich bin froh, das ist deine Hochzeit.
00:04:51
Wie kommt man auf sowas?
00:04:55
Auch Pascal kommt in eine Kinder- und Jugendpsychiatrie und sieht die Schule nie wirklich von innen.
00:05:00
Der 21-jährige Ralf, der Älteste in der Zelle, sitzt in Anführungszeichen nur wegen Einbruchs.
00:05:06
Er kommt aus Aachen und raucht auch schon mit zwölf seinen ersten Joint, probiert LSD und Amphetamine,
00:05:12
landet im Heim, verübt immer wieder Einbrüche und wurde schon einmal wegen Förderung sexueller Handlungen
00:05:17
Der letzte Bewohner der Zelle ist der 20-jährige Hermann H.
00:05:23
Er muss wegen Diebstahls in einem Kiosk für sechs Monate in der JVA bleiben.
00:05:27
Er ist erst vor sechs Wochen nach Siegburg gekommen und somit der Neuling oder Pico,
00:05:33
wie diese Jungs in der JVA genannt werden.
00:05:35
Dass die jungen Männer an diesem Novembertag zu viert in Zimmer 104 sitzen, ist nicht normal.
00:05:40
Die JVA ist chronisch überbelegt und deshalb müssen Danny, Ralf, Hermann und Pascal vor fünf Tagen zusammengelegt werden.
00:05:47
Also vier jugendliche Straftäter in einem 20 Quadratmeter großen Zimmer,
00:05:51
wovon zwei eine ausgeprägte Gewaltbereitschaft haben.
00:05:54
Die Tage in der JVA Siegburg sind monoton und zermürbend, vor allem am Wochenende,
00:05:59
denn da wird das Abendessen schon mit dem Frühstück ausgegeben und um 16 Uhr eingeschlossen, und zwar bis Montag.
00:06:04
Bei dem Kartenspiel, das die vier spielen, kriegt der Verlierer Schläge auf die Finger.
00:06:08
Dieses Mal verliert Hermann.
00:06:10
Doch nur auf die Finger zu schlagen, ist den Jungs heute irgendwie nicht Bestrafung genug.
00:06:14
Pascal hat die Idee, eine Filmszene nachzuspielen.
00:06:17
Dafür packen die drei Jungs mehrere Seifenstücke in ein Bettlaken und schlagen damit auf den 20-Jährigen ein.
00:06:23
Mindestens 30 Mal hauen sie ihm damit auf die nackten Füße.
00:06:27
Das war aber auch nur so aus Spaß, wird Danny danach in der Verhandlung sagen.
00:06:32
Als nächstes soll Hermann den anderen die Stiefel lecken.
00:06:34
Pascal möchte dann auch noch, dass Hermann ihn oral befriedigt.
00:06:38
Ich wollte ihn aber nur demütigen, sagt er später.
00:06:41
Das ist alles jetzt nach diesem Kartenspiel?
00:06:46
Einer nach dem anderen macht Vorschläge, wie sie ihr Opfer weiterquälen können,
00:06:50
und es scheint, als wollen sie sich gegenseitig mit dem schrecklichsten Einfall überbieten.
00:06:55
Später sagt Danny, es wollte keiner als Weichei vor den anderen dastehen.
00:06:59
Hermann muss jetzt Salzwasser trinken.
00:07:02
Hast du schon mal Salzwasser aus Versehen?
00:07:05
Nein, ich weiß nur, dass deine Zunge doch dann anschwillt und du dich dann übergeben musst.
00:07:09
Ja, also ich habe mal mit Salzwasser gegurgelt, weil ich gerade krank war.
00:07:13
Und wenn man auch nur ein bisschen davon schluckt, dann hast du sofort einen Brechreiz.
00:07:17
Aber es wird noch schlimmer.
00:07:19
Und für alle, die meine Erzählung vom Kannibalen vom Rothenburg fast nicht aushalten konnten,
00:07:23
sollten sich hier kurz die Ohren zuhalten.
00:07:26
Denn als nächstes muss Hermann Urin trinken, sein eigenes Erbrochenes und Zahnpasta essen,
00:07:32
die Spucke der anderen vom Toilettenrand lecken und auf Knien durch die Zelle kriechen.
00:07:41
Außerdem stecken sie ihm den Stiel eines Handfegers hinten rein.
00:07:45
Wir haben gar nicht richtig darüber nachgedacht, dass es ein Mensch ist,
00:07:49
sagt Pascal später über Hermann.
00:07:51
Nach der Aktion mit dem Handfeger liegt Hermann regungslos und leise weinend auf seinem Bett.
00:07:55
Die anderen spielen wieder Karten.
00:07:57
Dann sieht Hermann seine Chance, er springt auf und rennt zum Alarmknopf neben der Tür.
00:08:01
Der Wärter meldet sich und fragt, was gibt's?
00:08:04
Aber die drei anderen sind schon zur Stelle, reißen Hermann weg von der Gegensprechanlage
00:08:08
und halten ihm den Mund zu.
00:08:10
Dem Wärter sagt Danny dann, sorry, hab mich verdrückt.
00:08:13
Und das Martyrium für Hermann geht weiter.
00:08:16
Das ist mitunter so laut, dass Häftlinge in anderen Zellen sich über den Lärm beschweren.
00:08:20
Und dann kommt der Beamte auch endlich zur Zelle 104.
00:08:24
Er macht das kleine Fenster in der Tür auf, schaut rein, sieht die drei Jungs am Tisch sitzen und einen vierten auf dem Bett liegen.
00:08:30
Er fragt nach dem Grund für den Lärm und die Jungs antworten, wir haben nur die Möbel verrückt.
00:08:35
Der Beamte begnügt sich mit der Antwort, macht das Fenster wieder zu und geht.
00:08:40
Während der Ermittlungen wird er später sagen, nur sprechenden Menschen kann geholfen werden.
00:08:47
Und Hermann wird nicht geholfen.
00:08:49
Die Täter überlegen stattdessen, welches Ende dieser Tag haben soll.
00:08:53
Einer schlägt vor, dass Hermann sich erhängen soll.
00:08:56
Nicht alle sind komplett überzeugt, weshalb eine Pro- und Kontraliste angefertigt wird.
00:09:01
Also was spricht dafür, ihn umzubringen?
00:09:04
Ein Pro-Argument ist auf jeden Fall, dass die Jungs Hafterleichterungen bekommen, wenn sie Zeuge eines Suizids wurden.
00:09:11
Das ist doch nicht dein Ernst.
00:09:13
Wenn sie danach einen auf Psycho, wie Pascal es nennt, machen würden, könnten sie früher entlassen werden.
00:09:19
Das erhoffen sie sich auf jeden Fall.
00:09:21
Ein weiteres Pro-Argument für sie wäre, dass sie dann mal sehen würden, wie das aussieht, wenn sich jemand weghängt, wie sie sagen.
00:09:28
Kontra ist, dass sie sich beim Einkaufen mit nur drei Personen dann weniger leisten können.
00:09:33
Wie beim Einkaufen.
00:09:35
Ja, jeder darf immer was einkaufen.
00:09:38
Wenn sie zu viel sind, haben sie ja mehr dann in der Zelle.
00:09:41
Mittlerweile ist es an diesem Novembertag draußen dunkel geworden.
00:09:44
Der Fernseher läuft.
00:09:45
Danny, Pascal und Ralf schauen Sportschau und überlegen, wie sie jetzt weiter verfahren sollen.
00:09:50
Sie entscheiden sich für Hermanns Tod.
00:09:53
Damit es aber auch wirklich nach einem Selbstmord aussieht, muss Hermann zwei Abschiedsbriefe schreiben, die ihm die anderen diktieren.
00:09:59
Dann schnürt Pascal aus Stromkabeln einen Strick.
00:10:02
Hermann muss sich auf einen Eimer stellen und ihn selber wegtreten, damit es wie Selbstmord aussieht, entscheiden die drei.
00:10:08
Und dann passiert es.
00:10:10
Hermann schwebt über dem Boden, bis das Kabel reißt.
00:10:13
Noch drei weitere Male wird es mit dem Kabel versucht, aber es klappt nicht.
00:10:18
Dann beschließen die Jungs, dass ein anderer Strick her muss, also nehmen sie das Bettlaken und es scheint zu funktionieren.
00:10:24
Könnte er nicht einmal schreien? Hilfe?
00:10:28
Scheinbar kommt da da auch keiner.
00:10:29
Also es scheint jetzt zu funktionieren, zumindest ist Hermann bewusstlos, aber jetzt wird er erstmal wieder abgehängt.
00:10:37
Die Jungs holen ihn aus der Bewusstlosigkeit zurück.
00:10:40
Dann bekommt er eine letzte Gnadenzigarette.
00:10:43
Eigentlich wollen die drei Jungs aber nur hören, ob Hermann schon Nahtoderfahrungen gemacht hat.
00:10:47
Er erzählt dann, dass er seine Familie gesehen hat.
00:10:50
Dann lesen sie Hermann aus der Bibel vor.
00:10:52
Das macht man so, bevor jemand stirbt, denken sie.
00:10:55
Beim sechsten Versuch hält der Strick und Hermann stirbt vor den Augen seiner drei Peiniger.
00:11:01
Nach der Tat versichern sich die drei Männer, dass sie alle unbedingt dicht halten müssen.
00:11:05
Um Viertel nach sechs in der Früh rufen sie dann den Vollzugsbeamten mit den Worten, da liegt ein Toter im Klo.
00:11:11
Bis Montagabend scheinen die drei mit dieser Story durchzukommen, doch dann gibt es den Obduktionsbericht.
00:11:18
Knapp ein Jahr später kommt es dann zum Prozess in der Jugendstrafkammer am Landgericht Bonn.
00:11:23
Ein Prozess, der für unglaubliche Medienaufmerksamkeit sorgt.
00:11:27
Die drei Täter, die dort wegen Mordes angeklagt sind, sehen aber eher aus wie Schuljungen,
00:11:31
die beim Nachbarn Äpfel geklaut haben.
00:11:33
Pascal nutzt die Show für sich und grinst immer wieder überheblich und verächtlich in den Gerichtssaal.
00:11:38
Der Staatsanwalt plädiert auf Mord und zwar wegen Mordes aus Grausamkeit, Mordlust,
00:11:43
aus niedrigen Beweggründen und zur Verdeckung von Straftaten.
00:11:46
Er fordert für Danny zehn Jahre, also die Jugendhöchststrafe, da er als Initiator der Tat gilt.
00:11:52
Für Pascal fordert er eine lebenslange Haft mit besonderer Schwere der Schuld,
00:11:56
weil er als Haupttäter gilt und auch bei den Vergewaltigungen der Initiator war.
00:12:01
Für Pascal würde das bedeuten, dass er 25 Jahre ins Gefängnis müsse.
00:12:05
Und für Ralf fordert der Staatsanwalt 15 Jahre.
00:12:08
Alle Verteidiger beantragen, unter den geforderten Höchststrafen zu bleiben
00:12:13
und das Jugendstrafgesetz bei allen drei anzuwenden.
00:12:16
Gegen die diensthabenden Vollzugsbeamten wird übrigens auch ermittelt.
00:12:20
Schließlich sind die ja ihrer Arbeit nicht richtig nachgegangen.
00:12:22
Die Ermittlungen werden aber eingestellt, nachdem die Staatsanwaltschaft kein juristisch relevantes Fehlverhalten festgestellt hat.
00:12:29
Jetzt habe ich so laut auf den Tisch geklopft, dass mein Hund Angst hat.
00:12:33
Naja, am 4. Oktober 2007 wird dann das Urteil verkündet.
00:12:37
Zehn Jahre Haft und damit Jugendhöchststrafe für Danny.
00:12:41
Das heißt, dass er jetzt auch schon wieder draußen ist.
00:12:44
Und Ralf wird zu 14 Jahren und Pascal zu 15 Jahren verurteilt.
00:12:48
Keiner der beiden erwachsenen Täter bekommt die Höchststrafe.
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Es bestehe nämlich trotz großer Bedenken die begründete Hoffnung,
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dass beide wieder in die Gesellschaft eingegliedert werden können, sagt der Richter.
00:12:58
Einen Grund dafür nennt er auch, dass beide während der U-Haft Vater geworden sind.
00:13:03
Was ist das für ein Grund?
00:13:05
Der Richter hatte zwar nach Erwachsenenstrafrecht verurteilt,
00:13:08
aber es gibt eine Sonderregelung für Heranwachsende zwischen 18 und 21 Jahren.
00:13:13
Wenn nämlich begründete Hoffnung auf Resozialisierbarkeit besteht,
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dann kann das Gericht von der lebenslangen Freiheitsstrafe absehen,
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die ja eigentlich für Mord vorgeschrieben ist.
00:13:20
Und so hat Ralf diese 14 Jahre bekommen.
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An dieser Stelle muss man sich aber doch fragen,
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wieso besteht eigentlich begründete Hoffnung auf Resozialisierbarkeit,
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wenn man doch gerade an diesem Beispiel gesehen hat,
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dass man sich im Gefängnis anscheinend nicht resozialisiert,
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sondern verasozialisiert und am Ende noch viel schlimmere Taten begeht,
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als die, wegen der man eigentlich einsetzt.
00:13:41
Was ja auch nicht immer so ist, aber...
00:13:43
Jetzt bei den drei, ne?
00:13:44
Ja, und mit dem Urteil ist die Familie von Herrmann jedenfalls nicht zufrieden.
00:13:48
Auch die Staatsanwaltschaft hatte sich mehr erhofft,
00:13:51
vor allem bei Pascals Strafe.
00:13:53
Da sind sie nämlich nicht der Meinung,
00:13:55
dass Pascal therapierbar wäre.
00:13:57
Und deshalb wird Revision eingelegt,
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weil sie eben meinen, dass das nicht richtig geprüft wurde.
00:14:02
Der Revision des Urteils gegen Pascal wird stattgegeben
00:14:05
und bei seinem zweiten Prozess versucht Pascal dann auch ganz anders aufzutreten als vorher.
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Also sein cooles Gehabe von damals ist nicht mehr da.
00:14:12
Während er aussagt, bemüht er sich auch Tränen zu unterdrücken
00:14:15
und erzählt, dass er dem toten Herrmann einen Brief geschrieben hat,
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in dem er mit ihm ein Zwiegespräch führt.
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Und dieser Brief wird auch vorgelesen.
00:14:23
Nach fünf Verhandlungstagen wird Pascal erneut wegen Mordes an Herrmann
00:14:26
zu 15 Jahren mit anschließender Sicherheitsverwahrung verurteilt.
00:14:29
Aufgrund seines Vorstrafenregisters wird ihm ein Hang zu gefährlichen Straftaten attestiert,
00:14:34
weshalb man eben die Allgemeinheit vor ihm schützen möchte.
00:14:37
Kommen wir jetzt mal zu meinem Aha.
00:14:40
Da kein wirkliches Motiv für die Tat ersichtlich ist,
00:14:44
liegt es nahe über die äußeren Umstände nachzudenken.
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Erinnerst du dich noch an den Ausdruck Milieutat?
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Das gilt eher hier als bei Honka.
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Denn der Foltermord in Siegburg ist kein Einzelfall.
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So kommt es 2001 im Thüringer Jugendgefängnis Ichtershausen zu einem ähnlichen Vorfall.
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Dort quälen zwei 17-Jährige ihren 16-jährigen Zellengenossen drei Tage lang
00:15:06
und erdrosseln ihn anschließend.
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In der Verhandlung danach erklären die Täter,
00:15:10
dass sie ihren Mithäftling abrichten und zum Tier machen wollten.
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Von Februar bis März 2002 wird in der JVA Hohenleuben bei Gera
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ein 25-Jähriger in einer Gemeinschaftszelle mehr als 30 Tage lang geschlagen, getreten und sexuell genötigt.
00:15:26
Und 2013 quälen und missbrauchen zwei Mithäftlinge 16 und 19 Jahre ihren 17-jährigen Zellengenossen.
00:15:33
Ein Opfer, das auch nur wegen kleinerer Delikte wie Diebstahl und Schwarzfahnen in derselben Zelle sitzt.
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Wie häufig solche Übergriffe vorkommen, hat eine Studie des Kriminologischen Forschungsinstituts Niedersachsens von 2012 herausgefunden.
00:15:47
Knapp 17 Prozent der 6.000 befragten Häftlinge berichteten von zum Teil schwersten Gewaltübergriffen.
00:15:54
In Jugendstrafanstalten waren es sogar 32 Prozent.
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Und bei einer anderen Studie gaben 70 Prozent der Inhaftierten an, dass sie sowohl mal Täter als auch mal Opfer waren.
00:16:04
Also ein Problem, das in Deutschland seit Jahren anhält.
00:16:07
Aber wie kann das sein?
00:16:09
Zum Ersten sind viele JVA's in Deutschland überbelegt.
00:16:12
Also zu viele Männer in einer Zelle und so kann eben eine gefährliche Gruppendynamik entstehen.
00:16:17
Aber die JVA's sind nicht nur zu klein, es mangelt auch am Personal.
00:16:21
So sprechen die Beamten davon, dass Gefangene nicht betreut, sondern nur verwahrt werden.
00:16:27
Das heißt eben, es gibt zu wenig Sozialarbeiter, zu wenig Psychologen und so weiter, die sich halt wirklich um die Jugendlichen kümmern.
00:16:33
Da braucht man sich dann auch nicht wundern, wenn man hört, was alles in den Gefängnissen gedealt wird oder zu was für Gewaltausbrüchen es kommt.
00:16:40
In der Panorama-Doku Gewalt, Alltag im Jugendknast hat ein Sozialarbeiter erzählt, dass in den Jugendgefängnissen ein richtiger Staat im Staat herrscht, der sich eben nicht für die Regeln von draußen interessiert.
00:16:54
Und so gibt es im Knast dann die, die was zu sagen haben und eben alles bestimmen dürfen.
00:16:58
Und in vielen Zellen gibt es dann auch sogenannte Diener, also ein Diener, der putzt und bedient eben die anderen.
00:17:05
Und wie man sich denken kann, sind das meistens die Schwachen oder mit anderen Worten die, die wegen kleinerer Dedikte hinter Gitter sitzen.
00:17:12
Dann gibt es zum Beispiel auch die Nutten, das sind die Männer, die sexuell missbraucht werden.
00:17:18
Und bei solchen Verhältnissen ist es dann auch nicht verwunderlich, dass fast 50% der jugendlichen Insassen rückfällig werden.
00:17:24
Also scheint das System nicht zu funktionieren, also was tun, wie könnte man das ändern?
00:17:30
Und in der Doku wurde hinsichtlich dieser Frage dann ein Anti-Aggressionstrainer vorgestellt, der seine Kurse an verschiedenen JVA's anbietet.
00:17:38
Und wenn man solch einen Kurs besucht, soll durch das Training das Rückfallrisiko um mehr als die Hälfte gesenkt werden.
00:17:45
Aber diese Trainings gibt es nur äußerst vereinzelt, denn in der Regel sind sie zu teuer.
00:17:49
Und da liegt überhaupt das große Problem.
00:17:52
Der Staat möchte nämlich nicht in die Unterbringung oder die Behandlung von Straftätern investieren, denn wer gewinnt auch so Wahlen mit diesem Wahlspruch?
00:18:00
Die meisten Deutschen in der Regel sind ja der Meinung, dass es wichtigere Themen gibt, die man halt eben zuerst anpacken sollte.
00:18:07
Vielleicht sind auch einige der Meinung, dass es den Tätern gar nicht schlecht genug gehen kann.
00:18:11
In der Schweiz ist das anders.
00:18:13
Dort geht man mit jugendlichen Straftätern sorgsamer um.
00:18:16
Dort haben sie nämlich die Möglichkeit, in sogenannte Maßnahmezentren für junge Erwachsene zu kommen.
00:18:21
Denn in unserem Nachbarland gibt es für junge Erwachsene und Jugendliche ein Täterstrafrecht, in Deutschland hingegen ein Tatstrafrecht.
00:18:29
Das bedeutet, dass in Deutschland vielmehr die Tat selbstgewichtet wird und in der Schweiz der Täter und dessen Bedürfnis.
00:18:35
Also die Frage, was braucht er, damit er nicht mehr straffällig wird.
00:18:39
Das ist spannend.
00:18:40
Und da werden sie halt umfangreich therapeutisch und sozialpädagogisch betreut.
00:18:45
Und da kommen auf 45 Straftäter 100 Mitarbeiter, also Sozialarbeiter, Psychologen und so weiter.
00:18:52
Und wie wir bereits gelernt haben, ist es ja so, dass die meisten Straftäter eine psychische Störung haben.
00:18:58
Und die muss man behandeln, damit es nicht mehr zu Straftaten kommt.
00:19:01
Und warum gibt es sowas in Deutschland nicht, fragen wir uns erst und erinnern uns dann daran, dass es das vermeintlich fehlende Geld ist.
00:19:08
Denn ein Bewohner in solch einem Zentrum kostet den Staat 400.000 Euro.
00:19:12
Ganz schön teuer, denkt man.
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Aber wenn man sich dagegen hält, was es kostet, wenn ein Täter immer wieder rückfällig wird,
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dann sollte die deutsche Politik vielleicht nochmal darüber nachdenken, ob sie nicht doch in die jugendlichen Straftäter investieren sollen.
00:19:25
Denn einer, der immer wieder kommt, kann den deutschen Steuerzahler nämlich auch mal schnell mehr als eine Million kosten.
00:19:31
Und es ist so traurig, dass man eigentlich nur an das Geld denkt und nicht daran,
00:19:35
dass gerade ein Jugendlicher vielleicht doch auch noch ein Leben vor sich hätte
00:19:38
und vielleicht auch dann nicht irgendwelchen Opfern das Leben nimmt oder es ihnen erschwert.
00:19:44
Ja, das kommt noch dazu.
00:19:49
Laura und ich sind letztes Mal nochmal auf ihren Fall von Fakko Fritz Honka gekommen
00:19:57
und haben über den Strafverteidiger gesprochen, weil das ja so ein Star-Anwalt war.
00:20:02
Genau, der hatte ja auch Jürgen Bartsch vertreten, der auch Kinder umgebracht hat.
00:20:07
Und ich habe dann gesagt, dass ich mich frage, wie man so jemanden verteidigen kann, weil ich könnte das halt eben nicht.
00:20:16
Genau. Und du meintest, Strafverteidigung generell wäre ja jetzt eher nicht so dein Ding.
00:20:22
Was mich sehr gewundert hat, weil wenn es generell um Strafverteidigung geht, bin ich Feuer und Flamme.
00:20:28
Und deswegen haben wir uns gedacht, beschäftigen wir uns doch mal mit den Strafverteidigern.
00:20:34
Wie machen die das psychisch? Also wie machen sie das mit ihrem Gewissen aus?
00:20:37
Und wie ist das eigentlich überhaupt, mit Mördern zusammenzuarbeiten?
00:20:41
Und deswegen wollten wir die persönlich zu Wort kommen lassen.
00:20:44
Und Paulina und ich haben deshalb ein paar Interviews geführt.
00:20:47
Und das Witzige bei meiner kleinen Umfrage war, dass ich erfahren habe, dass uns auch einige Juristen hören.
00:20:53
Und nach den Antworten, die ich bekommen habe, ist mir jetzt auch klar, warum.
00:20:57
Weil sie nämlich genauso fasziniert sind von den Abgründen der Menschen wie wir beide und alle, die gerade noch so zuhören.
00:21:03
Unter anderem habe ich nämlich auch mit den Verteidigern von Pascal und Ralf aus meinem Foltermordfall gesprochen.
00:21:10
Und der Verteidiger von Ralf, Uwe Krechel, hat auf meine Frage, warum er eigentlich Strafverteidiger geworden ist, geantwortet.
00:21:16
Weil es ein Beruf ist, der mich schon immer fasziniert hat, weil er sich tagtäglich mit dem Bösen beschäftigt.
00:21:23
Die Antwort finde ich überraschend ehrlich.
00:21:26
Interessant war bei meinen Interviews auch, wie unterschiedlich die Verteidiger von Ralf und Pascal geantwortet haben.
00:21:32
Zum Beispiel zum Thema Gewissen.
00:21:34
Meine Frage war da, wenn das bestmögliche Ergebnis für den Straftäter gleichzeitig eine Bedrohung für den Rest der Gesellschaft bedeutet,
00:21:42
ob man dann eigentlich sein Gewissen bei solchen Fällen ausschalten muss als Anwalt.
00:21:46
Darauf hat der Verteidiger von Pascal, Andreas Trode, geantwortet, dass er kein Problem mit dem Gewissen hat,
00:21:53
weil das bestmögliche Ergebnis ja immer ein Ergebnis ist, das rechtlich gesehen vertretbar ist.
00:21:57
Er sagt dann eben, das Gewissen wird nicht belastet, weil man als Strafverteidiger nichts Unrechtes tut.
00:22:03
Klar, da hat er ja Recht, er tut nichts Unrechtes, aber mir ging es ja bei der Frage nicht darum, ob es illegal oder legal ist,
00:22:11
sondern eher um die Moral.
00:22:12
Aber ich hatte sowieso das Gefühl, dass diese Rechtfertigung gerne vorgeschoben wurde.
00:22:17
Und da habe ich auch so Sätze gehört wie, ich vertrete den Menschen, nicht die Tat.
00:22:21
Und das sollte ja auch gar keine Kritik an den Verteidigern sein, die so nett waren, überhaupt mit mir zu sprechen,
00:22:26
sondern damit will ich eigentlich nur sagen, dass ich nicht wirklich eine Antwort auf meine Frage bekommen habe.
00:22:32
Aber damit mal klarer wird, was ich genau meine, hier ein Beispiel.
00:22:35
Ich finde es zum Beispiel problematisch, wenn man wie Robert Kardashian beim OJ Simpson-Fall
00:22:41
inoffiziell weiß, dass ein Mann dann schuldig ist und trotzdem alles dafür gibt, dass er freigesprochen wird.
00:22:47
Das schafft er ja letztendlich, weil er eine richtige Strategie wählt, die rechtlich einwandfrei ist.
00:22:52
Aber letztendlich weiß jeder, dass OJ seine Ex-Frau und ihren Freund getötet hat.
00:22:57
Und dafür hätte er einfach verurteilt werden müssen.
00:22:59
Ich würde gerne widersprechen, weil Robert Kardashian das sicherlich nicht wirklich wusste.
00:23:06
Er hat es sich denken können.
00:23:08
Er hatte ja offenbar auch ein schlechtes Gewissen danach.
00:23:11
Er war danach ja nicht mehr mit OJ befreundet.
00:23:13
Und mal abgesehen davon, dass es in den meisten Fällen ja darum geht, wie hoch das Strafmaß ist und nicht darum, ob schuldig oder nicht schuldig,
00:23:22
hat mir einer meiner Anwälte gesagt, dass es auch mal vorkommt, dass er seinen Mandanten gar nicht glauben kann,
00:23:30
dass sie etwas getan haben, weil es eben auch manchmal vorkommt, dass sie unter diesem ganzen Druck zusammenbrechen
00:23:37
und dann etwas gestehen, was sie nicht getan haben.
00:23:40
Aber in der Regel fragst du deinen Mandanten ja auch glaube ich nicht, hast du es jetzt getan?
00:23:46
Er sagt, ja und jetzt mach mal hier Freispruch.
00:23:50
Nee, genau. Das hat auch einer von meinen Anwälten gesagt, dass er den auch nie fragen würde.
00:23:54
Das sollte man auch tunlichst vermeiden, weil wenn du es dann offiziell weißt, dann kommt dieser Gewissenskonflikt ja erst.
00:24:00
Aber der Einzige, der mir eine andere Antwort zu dem Gewissensthema gegeben hat, war Uwe Krechel, also der Anwalt von Ralf.
00:24:07
Er meint schon, dass man sein Gewissen ausschalten muss.
00:24:10
Man muss es ausschalten, weil man als Strafverteidiger gesetzlichen Pflichten unterliegt.
00:24:14
Und die richten sich nach dem Interesse des Angeklagten.
00:24:17
Das ist der Job des Strafverteidigers und nicht sich um die öffentliche Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland zu kümmern, sagt er.
00:24:23
Welche Antwort ich richtig gut fand und die ich auch sehr nachvollziehen kann, ist die Antwort von Professor Gubitz aus Kiel.
00:24:32
Der hat nämlich gesagt, ein Chirurg muss sich ja auch nicht dafür rechtfertigen, dass er auch schlechte Menschen operiert und denen hilft.
00:24:39
Was mir auch gesagt wurde, allen, auch den schlimmen Verbrechern, ist gemeint, dass es oft Sekunden sind, die darüber entscheiden, ob jemand Täter oder jemand anders Opfer wird.
00:24:50
Und die meisten Täter sind eben keine schlechten Menschen an sich, sondern haben einfach in dieser Sekunde und in dieser Situation eine schwierige Entscheidung getroffen.
00:25:00
Ansonsten hat mir mein anonymer Anwalt, mein AA, gesagt, dass er schon Empathie immer für die Angehörige und für die Opfer hat.
00:25:10
Und dass es manchmal auch schwierig werden kann, wenn er denkt, okay, die stecken ihn jetzt in eine Schublade.
00:25:16
Und zwar in die Schublade des Bösen und des Gegners.
00:25:19
Aber trotzdem ist das ja seine Aufgabe, sich schützend vor seinen Mandanten zu stellen.
00:25:25
Er sagte, es ist halt manchmal so, dass da jemand unschuldig sitzt oder dass seine Realität eine komplett andere war, als der Staat denkt, wie es war.
00:25:36
Und er muss quasi ja zum einen der Puffer zwischen Mandant und dem Gericht und Mandant und Staatsanwaltschaft oder Nebenkläger sein.
00:25:47
Und er muss sich halt emotional und moralisch schützend vor seinen Mandanten stellen, weil gerade jemand, der die Tat nicht so begangen hat, wie ihm vorgeworfen wird, braucht einen Anwalt, der ohne Wenn und Aber das verteidigt und einfach seinen Job macht.
00:26:05
Und meiner Meinung nach kann auch nur so unser Rechtssystem eigentlich funktionieren.
00:26:09
Ja, mein AA hat übrigens auch gesagt, um mal verständlich zu machen, was man manchmal machen muss, wenn vor dem Gerichtsgebäude ein riesiger Haufen Pferdescheiße liegt, heißt das noch lange nicht, dass da ein Pferd hingeschissen hat.
00:26:24
Und die Aufgabe der Strafverteidiger ist es eben, nahezulegen und verständlich zu machen, wie dieser Pferdeschiss da hingekommen ist.
00:26:33
So hat er das gesagt?
00:26:34
So hat er das gesagt?
00:26:35
Ja, es ist ja auch schlüssig.
00:26:37
Nur weil das da liegt, heißt das nicht, dass es so ist.
00:26:39
Du weißt nicht, was vorher passiert ist.
00:26:42
Und das muss halt jede Seite so darlegen, wie sie glaubt, dass es passiert ist.
00:26:48
Der eine Informant hatte mir gesagt, mehr als zwei oder drei Morddelikte im Jahr schafft er nicht, weil er mental dazu nicht in der Lage ist, eben wegen der Bilder und wegen der Obduktionsberichte und Zeugenaussagen etc., wenn man sich das aussuchen kann.
00:27:02
Das kann man ja auch nicht immer.
00:27:03
Ich habe meine Anwälte auch gefragt, wie es eigentlich ist, Mörder zu verteidigen.
00:27:09
Und Pascals Anwalt hat dann erklärt, dass es für ihn gar nicht schwer war, Pascal zu verteidigen, weil es für den jungen Gefangenen nichts Positives mehr gab.
00:27:17
Eigentlich hatte sich die ganze Welt gegen ihn gewandt, sodass es für Herrn Trode, also den Anwalt, menschlich relativ einfach war, sich, wenn auch mit professioneller Distanz, auf die Seite des Gefangenen zu stellen.
00:27:28
Und da die Staatsanwaltschaft so eine hohe Strafe forderte, die forderten ja mehr als 15 Jahre für Pascal, war das Verteidigen für ihn dann auch eine Art Beschützen, wie du eben gesagt hast.
00:27:37
Und genau da liegt die große Motivation in den Augen der Verteidiger.
00:27:41
Denn auch Jonas Hennig, einer der Anwälte, hat mir erklärt, dass der besondere Reiz darin liegt, dass man für jemanden da ist, der die ganze staatliche Übermacht gegen ihn hat und oft auch von Freunden und Familien verlassen wurde.
00:27:55
Und oft ist man eben die einzige Person, die noch da ist und so wird man zum persönlichen Beistand, sagt Hennig.
00:28:01
Wurde mir auch gesagt, das ist ein Kampf David gegen Goliath, weil die Strafverfolgungsorgane eben über mehr Geld, Manpower, Kriminaltechnik, Zwangsmittel und so weiter verfügen, als jeder Beschuldigte überhaupt.
00:28:15
Deswegen bist du als Strafverteidiger quasi sowieso immer auf der Seite des Underdogs.
00:28:21
Und dem Verteidiger Steffen Ufer ist es wichtig, die in Anführungszeichen richtige Strafe zu erzielen.
00:28:27
Er hat mir von einem Fall erzählt, bei dem ein 19-Jähriger eine Frau getötet und dann missbraucht hat.
00:28:32
Und zwar mit dem Ziel, sich nicht nur dadurch zu befriedigen, sondern das Ganze auch noch im Internet zu präsentieren.
00:28:38
Und der Fall war so schrecklich, dass selbst der Staatsanwalt beim Betrachten der Leichenbilder und der gefilmten Aktion beinahe umkippte, sodass Steffen Ufer ihn quasi auffangen musste.
00:28:50
Und in diesem Fall war es Ufer wichtig, den Eltern und dem Angeklagten zu helfen, indem er verminderte Schuldfähigkeit und eine Einweisung in eine Nervenklinik rausholte.
00:28:59
Und bei solchen Fällen hat er keine Gewissensbisse oder ähnliches, sagt er.
00:29:03
Aber er sagt auch, dass er immer nach dem Grundsatz gehandelt hat, dass zwar jeder Beschuldigte das Recht auf einen Anwalt hat, dieses Recht bedeutet aber nicht, dass er derjenige sein muss.
00:29:13
Und so hat er, wenn es zum Beispiel um Misshandlungen von Kindern oder ähnlichen Dingen ging, das Mandat abgelehnt mit der Erklärung, er könne das als begeisterter Vater und Großvater nicht vertreten.
00:29:23
Nazis werden auch oft nicht vertreten.
00:29:25
Stichwort Kinder.
00:29:27
Mein Anwalt, der anonym bleiben will, hat gesagt, das ist zum Beispiel auch eine schwierige Sache, wenn Kinder die Zeugen sind und womöglich noch die einzigen Zeugen.
00:29:39
Er hat gesagt, wenn es da irgendwie um eine Misshandlung geht oder sie haben irgendetwas gesehen, was jemanden überführen soll.
00:29:45
Er hat gesagt, die lügen gar nicht, aber die glauben in dem Moment manchmal einfach irgendetwas gesehen zu haben.
00:29:52
Wir hatten ja auch schon mal über Erinnerungen gesprochen.
00:29:55
Deswegen glaube ich, dass du tatsächlich als Strafverteidiger ganz selten in diese Situation kommst, dass du wirklich weißt, okay, mein Mandant hat jetzt hier einen Mord begangen und hier wurden irgendwelche Verfahrensfehler gemacht oder Beweise verfälscht oder so.
00:30:14
Professor Gubitz aus Kiel hat gesagt, bei ihm ging es am Anfang darum, den staatlichen Strafanspruch infrage zu stellen.
00:30:22
Damals hat er das aus politischen Gründen gemacht, weil er Strafe und Repressionen für hinterfragungsbedürftig hielt.
00:30:29
Mittlerweile ist er aber zu der Erkenntnis gekommen, dass unser Rechtssystem so schlecht gar nicht ist, was ich sehr beruhigend finde.
00:30:36
Ich habe Professor Gubitz gefragt, was ihm gar nicht gefällt und er hat gesagt, es gibt quasi eine ungeheure Einzelfallungerechtigkeit, die nicht am Gesetz, aber an dessen Umsetzung beispielsweise durch überforderte oder unfähige oder faule Beteiligte, Anwälte, Staatsanwälte, Richter liegt.
00:30:56
Beispiel, für einen Betrugsschaden in der Höhe von 45.000 Euro können sie in demselben Bundesland und sogar am selben Gericht eine Freiheitsstrafe von drei Jahren oder auch eine Einstellung beispielsweise nach überlanger Verfahrensdauer bekommen.
00:31:13
Und ich glaube, das würde mich an diesem Job so aggressiv machen einfach.
00:31:18
Weil die können sich ändern, ja genau.
00:31:19
Weil ich habe ja ein ganz eigenes, persönliches Rechtsempfinden und bin ja dann auch nach einer Zeit in der Lage, das zu vergleichen irgendwie, was hier bei wem rausgekommen ist.
00:31:29
Ich habe dann auch den Herrn Krechel, also den Verteidiger von Ralf gefragt, ob er glaubt, dass sich Ralf wieder in die Gesellschaft eingedern kann, weil das war ja das, was der Richter gesagt hat.
00:31:41
Und er sagt, dass man sowas natürlich nie mit Sicherheit sagen kann, aber dass ihm seine Berufserfahrung gezeigt hat, dass auch die schwersten Verbrecher nach einer langen Haftzeit erfolgreich resozialisiert wurden.
00:31:51
Andreas Trode, der Pascal vertreten hat, sieht das aber ganz anders, mal wieder.
00:31:55
Er kritisiert die Umstände in den Gefängnissen und ist der Meinung, dass sich der Strafvollzug kaum eignet, extreme Persönlichkeiten an die Hand zu nehmen und auf den richtigen Weg zu führen.
00:32:04
Deshalb wollte er für Pascal ein geringeres Strafmaß.
00:32:07
Er wollte ja, dass er nach Jugendstrafrecht verurteilt wird, weil er eben seinen Mandanten eine Perspektive vermitteln wollte.
00:32:13
Trode sagt nämlich, dass eine Strafe im zweistelligen Bereich auf so junge Menschen lähmend wirkt.
00:32:18
Und Jonas Hennig wird dann noch ein bisschen drastischer.
00:32:22
Er sagt, Hauptstrafzweck soll in Deutschland die Resozialisierung sein und das ist meiner Meinung nach in großem Ausmaß verlogen, denn dieser Strafzweck wird nicht realisiert.
00:32:33
Und er bemängelt eben das Fehlen von Resozialisierungsangeboten und kritisiert auch die Politik, wo ich eben schon drüber geredet habe, dass sie sich halt darum nicht kümmern.
00:32:43
Und sein zweiter großer Kritikpunkt, den ich auch sehr interessant fand, war, dass wir in Deutschland ein Klientenstrafrecht haben.
00:32:49
Damit meint er, dass man, wenn man zum Beispiel eine Lehrerin ist und in der Midlife-Crisis steckt und dann irgendwo zum ersten Mal was klaut, irgendwas Teures zum Beispiel, dann wird das Verfahren selbstverständlich eingestellt.
00:33:03
Also alleine der Beruf hat eine große Wirkung auf die Justiz.
00:33:06
Und dann hat er als Gegenbeispiel genommen, wenn ein Flüchtling, ebenfalls Ersttäter, eine Pampelmuse klaut, dann geht er erstmal in U-Haft.
00:33:15
Du meinst, weil Flüchtling nicht so ein angesehener Beruf ist?
00:33:20
Ich habe noch nach den schlimmsten Geschichten, wie ich es nenne, besten Anekdoten gefragt.
00:33:27
Und Professor Gobitz hat gesagt, die Vergewaltigung der eigenen Mutter im ländlichen Milieu durch einen gerade noch nicht libilen Mandanten ohne Empathie zur eigenen Triebabfuhr und die ungläubige Frage der Mutter während der Tat, warum er nicht, wie sonst immer, die Hühner nimmt.
00:33:46
Also der Sohn hat die Mutter und dabei hat die Mutter gefragt, warum nicht die Hühner?
00:33:55
Das ist doch nicht der Ernst von dem Mann.
00:33:57
Ich glaube wirklich, dass Strafverteidiger die besten Gesprächspartner sind.
00:34:02
Das glaube ich auch.
00:34:03
Die erleben viel verrückte Sachen.
00:34:06
Aber was auch immer witzig ist, mit Ärzten zu sprechen, die in der Notaufnahme arbeiten, die erleben auch die witzigsten Sachen.
00:34:17
Ja, oder absurdesten Sachen.
00:34:19
Ich habe einen Freund, oder der Freund von meiner Freundin ist Arzt und er hat erzählt, da kommen Leute rein, da kann man sich nicht vorstellen, was die in sich drinnen haben.
00:34:29
Also was da schon alles reingekommen ist und dann nicht mehr raus.
00:34:33
Zum Beispiel eine Glühbirne unten reingesteckt halt.
00:34:38
Durch welche Öffnung?
00:34:40
Da weiß ich jetzt.
00:34:44
Haben die sich reingesteckt?
00:34:47
Dann kriegen sie es nicht mehr alleine raus und dann müssen ins Krankenhaus.
00:34:50
Wir haben auch festgestellt, dass zumindest 70% der Leute, die uns auf Instagram folgen, Frauen sind.
00:34:57
Und deswegen ist zum einen unsere Frage, warum sind Frauen so an True Crime fasziniert?
00:35:04
Und wir wollen eben jetzt von euch wissen, was reizt euch an dem Thema und vor allem, was mögt ihr besonders gern?
00:35:09
Also wir wollen das unbedingt wissen, also schreibt uns bitte auf Instagram und per Mail, warum liebt ihr True Crime so?
00:35:16
Was genau liebt ihr daran am meisten?
00:35:19
Und dann war es das schon wieder von uns.
00:35:24
Und dann sage ich auch Tschüss.
00:35:26
Ach so, eine ganz nette Zuhörerin hat uns eine Nachricht geschrieben und hat am Ende gesagt, bleibt sicher.
00:35:34
Genau, und das fanden wir irgendwie süß.
00:35:36
Und deswegen wollen wir jetzt auch sagen, bleibt sicher.