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Falls ihr gleich ein schreiendes Kleinkind hört, das bin ich, vor Aufregung, auf Lauras
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Fall, oder Technomusik oder lautes Gepolter, dann wundert euch nicht, weil ich nehme heute
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in einem Hotelzimmer auf Mallorca auf, wie sie droppen möchte, dass sie im Urlaub ist
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als Vollgeimpfte.
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Herzlichen Glückwunsch, Frau Wohlers.
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Nee, ich will ja gar keinen neidisch machen oder so.
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Auch hier gerade im Hotel ist es auch nicht so schön, also zumindest für mich, weil ich
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hatte ganz vergessen, dass ich es eigentlich abscheulich finde in Hotels, bis heute Morgen
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ich dann halt an dem Buffet stand und zwei Leute, zwei Deutsche vor mir standen und gefühlt
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eine halbe Stunde überlegt haben, welchen Käse sie jetzt nehmen.
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Da ist es mir wieder eingefallen.
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Weißt du, wann mir das eingefallen ist?
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Als wir heute ein Zoom-Meeting hatten mit unseren Funkleuten und mitten im Meeting der Nachbar
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von Lauras Hotelzimmer auf dem Balkon seinen Bauch ins Bild geschoben hat.
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Das fand ich nicht so schön.
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Ich war froh, dass er ein weißes T-Shirt anhatte.
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Oh Gott, jetzt ist es ganz laut.
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Die laufen hier auf dem Flur und schreien.
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Sag denen mal, wenn sie so laut lachen, dann locken sie Geister und Dämonen an und die holen
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sie dann im Schlaf.
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Wenn die jetzt noch einmal hier vorbeilaufen und ich ihre kleinen Füßchen da unter dem
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Türspalt sehe, dann mache ich das.
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Und damit herzlich willkommen zu Mordlust, einer Halbwegs-Urlaubs-Edition.
00:01:50
Hier sprechen wir über Verbrechen und ihre Hintergründe.
00:01:53
Das ist ein Podcast von Funk, von ARD und ZDF.
00:01:56
Mein Name ist Paulina Kraser.
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Wir sind professionell wie eh und je und ich bin Laura Wohler.
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In jeder Folge gibt es ein bestimmtes Oberthema, zu dem wir zwei wahre Fälle nacherzählen.
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darüber diskutieren und auch mit Experten und Experten entsprechen.
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Bei uns ist der Ton nicht ganz so streng.
00:02:13
Das liegt daran, dass wir zwischendurch einfach mal wieder aufatmen müssen.
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Das ist für uns so eine Art Comic-Relief.
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Das ist aber natürlich nicht respektierlich gemeint.
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Heute geht es um Mord an Bord.
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Mors an Bord, ihr Landraten.
00:02:28
Jetzt geht's los mit der MS-Mordlust.
00:02:30
Und hier gibt es einige Regeln zu beachten.
00:02:33
Damit es uns nicht so schiet geht, wie den Leuten aus unseren Fällen.
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Und da sage ich euch, ich habe ganz Fiesen für das Ende der Folge.
00:02:42
Hier geht es an einem Mittwoch los, weil es Unglück bringt, am Freitag auszulaufen.
00:02:47
Oder den Schiffnamen auf A enden zu lassen.
00:02:50
Und wenn es einmal benannt ist, dann sollte man es auch lieber nicht mehr umbenennen.
00:02:54
Ja, und vielleicht haben die Personen aus meiner Geschichte heute solche Regeln nicht so ernst genommen.
00:03:00
Und deshalb ist das alles so dramatisch geendet.
00:03:04
Mein Fall erzählt von einer geschlossenen Gesellschaft, in der die Hölle die anderen sind.
00:03:10
Alle Namen sind geändert.
00:03:12
Anmutig schwebt sie übers Wasser.
00:03:16
Ihre weißen Segel sind gebläht und ihr dunkles Mahagoni-Holz glänzt in der Sonne.
00:03:21
Schon von Weitem ist die Apollonia eine Erscheinung.
00:03:24
Mit ihren 17,5 Metern und den zwei hohen Masten sticht sie unter den anderen Schiffen hervor,
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die sich langsam dem Hafen von Barbados nähern.
00:03:32
1968 gebaut ist die sogenannte Yawl eine Seltenheit in der Karibik.
00:03:38
17 Mal überquerte die alte Dame den Atlantik schon.
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Das letzte Mal hat sie gerade hinter sich.
00:03:45
Für ihre SeglerInnen ist das Ziel also endlich erreicht.
00:03:48
Nach 21 Tagen auf hoher See.
00:03:50
Sechs Personen hatten die Apollonia am 26. November 1981 in Gran Canaria bestiegen.
00:03:57
Doch jetzt, drei Wochen später, gehen nur noch vier von Bord.
00:04:01
Einer von ihnen durch einen Schuss schwer verletzt.
00:04:05
Als der junge Mann sofort in ein Krankenhaus gebracht wird, befragt die Polizei die restliche Crew.
00:04:10
Die anderen drei erzählen von einem Sturm, bei dem die Freundin des Kapitäns von Bord ging.
00:04:16
Und von einem durch diesen Verlust wahnsinnig gewordenen Kapitän, der bei einem Handgemenge den
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einen Mitsegler erst angeschossen hatte und dann selbst getötet wurde.
00:04:25
Die PolizistInnen auf Barbados prüfen das Logbuch, in dem die Vorfälle noch einmal ausführlich festgehalten worden waren,
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und schicken die drei Deutschen schließlich ein paar Tage später zurück in ihre Heimat.
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Knapp einen Monat später darf auch der Verletzte wieder zurück nach Deutschland.
00:04:41
Dort angekommen, trifft er sich mit einem der Mitsegler.
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Gemeinsam machen sie sich auf den Weg zur Staatsanwaltschaft und erzählen dort eine ganz andere Geschichte davon,
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was sich an Bord der Apollonia zugetragen hat.
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Zwei Monate zuvor, im Hafen von Pasito Blanco in Gran Canaria.
00:04:59
Einem verlassenen, tristen Ort, eingerahmt von Felswänden und Steinwüste.
00:05:05
Einem Fleckchen Erde, auf dem nicht viel zu tun ist für SeglerInnen, die auf ihre Abfahrt warten.
00:05:10
Doch das gilt nicht für Karl.
00:05:13
Der 42-jährige S-Bahn-Fahrer aus Hamburg ist hier gestrandet und auf der Suche nach Arbeit.
00:05:18
Sein Traum ist es, Charterkapitän in der Karibik zu werden.
00:05:21
Vom Look geht er bereits jetzt als Kapitän durch.
00:05:25
1,90 Meter groß, schwarze Haare und Vollbart.
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Doch um seinem Hobby professionell nachgehen zu können, hat Karl noch einiges vor sich.
00:05:32
Er hat zwar bereits den Sport-Hochsee-Schifferschein, doch an praktischer Erfahrung mangelt es ihm.
00:05:38
Eigentlich hätte er diese Praxis auf dem Schiff von Kapitän Zimmermann bekommen sollen.
00:05:42
Mit dem war er bis hierher in den Hafen von Pasito Blanco gesegelt.
00:05:46
Doch weil es während der Überfahrt von Deutschland nach Gran Canaria immer wieder zu Streitereien gekommen war,
00:05:51
wurde Karl kurzerhand nach dem Anlegen vom Schiff geworfen.
00:05:55
Nun sitzt er hier fest, zusammen mit seiner Freundin Beate.
00:05:58
Ohne Job, ohne Geld.
00:06:00
In der Hoffnung, seinem Traum doch noch irgendwie näher zu kommen.
00:06:04
Nicht weit von der Stelle, an der Karl vom Schiff gejagt wurde, steht ein Zweimaster unter deutscher Flagge.
00:06:12
Ihr eigener Robert ist ebenso frischgebackener Aussteiger wie Karl.
00:06:16
Der 36-jährige Speditionskaufmann aus Krefeld hat seinen Job gekündigt, um in der Karibik sein eigenes Charterunternehmen zu eröffnen.
00:06:23
Zu diesem Zweck hat er sich von seinem Ersparten die Apollonia gekauft und renovieren lassen.
00:06:27
Doch auch er steckt nun auf halber Strecke in Gran Canaria fest, denn ihm ist seine Crew davon gelaufen.
00:06:34
Immer wieder hatte Robert mit dem Skipper, also dem verantwortlichen Bootsführer, Probleme gehabt.
00:06:39
Und als er ihn dann in einer Kurzschlussreaktion im Hafen von Bord schmiss, gingen die anderen aus Solidarität mit.
00:06:46
Alleine kann Robert die Apollonia nicht in die Karibik bringen.
00:06:51
Denn ein erfahrener Segler ist er nicht.
00:06:54
Robert hat nur den A-Schein, also den Grundausbildungsschein für Segelboote auf Binnengewässern.
00:06:59
Ganz alleine ist Robert streng genommen nicht, denn seine Freundin Antje ist mit von der Partie.
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Aber die hat gar keine Ahnung vom Segeln.
00:07:08
Robert braucht also dringend eine neue Crew, um seinem Traum vom Leben in der Karibik näher zu kommen.
00:07:13
Und wie es das Schicksal will, kreuzen sich Karls und Roberts Wege in Passito Blanco.
00:07:18
Die zwei Männer kommen ins Gespräch, erzählen sich gegenseitig von ihren Plänen und glauben an den Zufallstreffer, an einen wahren Glücksgriff.
00:07:27
Der eine, der eine Crew sucht, und der andere, der Erfahrung und eine neue Anstellung braucht.
00:07:32
Gesucht, gefunden, denken sich beide.
00:07:35
Und so gehen sie einen Deal ein.
00:07:38
Karl soll als Navigator auf der Apollonia der Crew den Weg nach Barbados weisen und Robert in Navigation ausbilden.
00:07:44
Dafür stellt Robert ihm am Ende der Reise ein Zeugnis aus, was ihn zum Skipper auszeichnet und womit sich Karl weiter bewerben kann.
00:07:51
Und Robert verspricht noch mehr.
00:07:53
Nach der Ankunft soll Karl die ersten Wochen und Monate als bezahlter Skipper auf der Apollonia bleiben,
00:07:59
bis Robert ausreichend Navigationskenntnisse hat.
00:08:02
Es ist für beide die Chance, doch noch im Paradies anzukommen und ihren Traum zu leben.
00:08:07
Deshalb, und weil es auch keine wirkliche Alternative gibt, hinterfragen sie auch nicht, warum beide eigentlich in dieser Situation gelandet sind.
00:08:16
In den nächsten vier Wochen arbeiten Robert und Karl gemeinsam daran, die Apollonia abfahrtsbereit zu machen.
00:08:22
Dabei freunden sie sich immer mehr an.
00:08:24
Jeden Abend sitzen sie zusammen mit ihren Freundinnen, trinken und essen.
00:08:28
Doch eines Abends wird auf dem Schiff eingebrochen.
00:08:31
Dabei wird nicht nur Roberts gesamtes Bargeld, sondern auch seine Papiere gestohlen.
00:08:36
Ohne die kann er nicht weiterreisen.
00:08:37
Und so muss Robert zurück nach Deutschland fliegen, um sich um die Neuausstellung der Dokumente zu kümmern.
00:08:42
Um auch wieder an Geld zu kommen, gibt er in der Heimat eine Zeitungsanzeige auf.
00:08:47
Mit Segler für Atlantiküberquerung gesucht.
00:08:50
Es dauert nicht lange, da melden sich zwei Freunde aus Konstanz, Andreas und Peter.
00:08:55
Der 26-jährige Andreas hat gerade sein BWL-Studium abgeschlossen und will unbedingt vor dem Start in die Arbeit nochmal etwas erleben.
00:09:03
Er hat sogar schon Segel-Erfahrung, denn er ist bereits mehrere Regatten gefahren.
00:09:06
Sein Freund Peter, 29 Jahre alt, besitzt eine Bar.
00:09:10
Er freut sich darauf, endlich mal wieder abschalten zu können.
00:09:14
Und so einigen sie sich mit Robert auf einen Preis von 1000 Mark für die Überfahrt und machen sich auf den Weg nach Gran Canaria.
00:09:21
Dort treffen die zukünftigen MitseglerInnen dann zum ersten Mal aufeinander.
00:09:25
Sechs Menschen, die sich so gut wie gar nicht kennen und alle sehr unterschiedliche Erwartungen an die Reise haben.
00:09:33
Sechs Menschen, die außerdem alle noch nie Hochsee segeln waren oder längere Zeit auf engstem Raum mit Fremden.
00:09:38
Und so wird vor Abfahrt kein Mann-über-Bord-Manöver geprobt.
00:09:42
Es gibt keinen Unterricht in Sachen Sicherheit und es wird auch nicht abgemacht, wer welche Rolle einnimmt und wer die Verantwortung auf dem Boot hat, sollte es bei Wind und Wetter hart auf hart kommen.
00:09:52
Mit einer romantischen Vorstellung von ihrem Trip startet die Truppe am 26. November, also in Richtung Paradies.
00:09:57
Im Logbuch steht an diesem Tag hundertprozentig wolkenfreier Himmel.
00:10:03
Perfekte Segelbedingungen.
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Doch erstmal wird der 18-Tonner vom Motor angeschoben.
00:10:08
Die Segel werden gesetzt und erst als alle drei optimal stehen, wird er ausgeschaltet.
00:10:12
Ab jetzt ist nur noch das Gurgeln und Plätschern des Wassers zu hören, das für die nächsten drei Wochen zum Hintergrund rauschen wird.
00:10:20
Rund 2700 Seemeilen liegen jetzt vor ihnen.
00:10:23
Die SeglerInnen können es sich also erstmal gemütlich machen.
00:10:26
Gegen Abend ruft Karl, der Navigator, dann alle ins Cockpit.
00:10:31
Er teilt die drei Wachen ein, schließlich muss immer jemand am Ruder stehen.
00:10:35
Die Pärchen bleiben dieselben, also Robert und Antje zusammen, Karl und seine Freundin Beate und die Kumpels Peter und Andreas.
00:10:43
Damit sind alle einverstanden.
00:10:45
Die erste Aufgabenverteilung hat also schon einmal geklappt.
00:10:49
Darauf gibt es den ersten Sundowner, während die Apollonia gen Horizont schippert.
00:10:54
In den nächsten Tagen findet jede Person ihren Platz an Bord.
00:10:58
Nur selten müssen die Segel gewechselt werden, sodass alle ihren Hobbys nachgehen können.
00:11:03
Angeln, lesen, Musik hören, Gitarre spielen.
00:11:06
Doch während die anderen entspannen, denkt Karl nur an diese Überfahrt.
00:11:10
Er will diesmal alles richtig machen.
00:11:12
Nicht wieder von Bord geschmissen werden.
00:11:16
Karl möchte seinem neuen Freund Robert beweisen, dass er ein Zeugnis verdient hat.
00:11:20
Die Apollonia ist seine letzte Chance.
00:11:22
Als dann am sechsten Tag ein Sturm aufzieht, spürt Karl, dass er nun zeigen kann, das Zeug zum Skipper zu haben.
00:11:30
An Bord wird es zusehends ungemütlicher.
00:11:32
Der Wind wird stärker und das Spritzwasser steigt immer wieder über und sorgt für unfreiwillige Duschen für die SeglerInnen an Deck.
00:11:39
In den Kurien muss man sich jetzt zum Schlafen festmachen, damit man nicht herausrollt.
00:11:43
So schräg liegt das Schiff im Meer.
00:11:45
Als Andreas und Peter in der zweiten Sturmnacht Wache halten, wird der Druck auf das Ruder immer höher.
00:11:50
Zeit zu reffen, also die Fläche der Segel zu verkleinern.
00:11:54
Dafür wecken sie aber nicht Karl, sondern Robert.
00:11:57
Und der erklärt den beiden, dass sie das Großsegel runternehmen sollen.
00:12:01
Andreas und Peter sind einverstanden.
00:12:03
Auf allen Vieren kriechen die beiden also auf der Backbordseite zum Mast.
00:12:07
Immer wieder müssen die beiden dabei ihre Sicherheitsleinen an den Befestigungen umpicken, um nicht ins Wasser zu stürzen.
00:12:13
Dann öffnet Robert die Bremse, um das Segel einzuholen.
00:12:16
Aber der Winddruck ist zu hoch.
00:12:19
Da steht plötzlich Karl neben ihm.
00:12:22
Er schreit, was macht ihr da?
00:12:24
Karl ist stinksauer, dass er nicht geweckt wurde.
00:12:28
Schließlich sieht er sich hier in der Verantwortung.
00:12:30
Der 42-Jährige erklärt den anderen, dass man nicht das Großsegel, sondern das andere runternehmen soll.
00:12:35
Und das nicht gerade in freundlichem Ton.
00:12:37
Doch Robert bleibt bei seiner Entscheidung.
00:12:40
Das Großsegel muss runter.
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Das hatte seine letzte Crew ihm erst vor ein paar Wochen genau so beigebracht.
00:12:45
Es kommt zur lautstarken Auseinandersetzung der zwei Streithähne,
00:12:49
bis Robert sagt, dass jetzt gemacht wird, was er, der Kapitän, sagt.
00:12:53
Zu viert schaffen es die Männer schließlich, das Segel einzuholen.
00:12:57
Und sofort merken sie, wie der Druck aus dem Ruder schwindet.
00:13:00
Der Sturm hält noch einen weiteren Tag an, dann ist wieder strahlend blauer Himmel.
00:13:05
Doch das Kompetenzgerange geht weiter.
00:13:08
Immer wieder kommt es zu Problemen, weil Robert und Karl unterschiedlicher Meinung sind
00:13:12
und Robert sich immer öfter mit Andreas anstatt mit Karl berät.
00:13:17
Es herrscht dicke Luft und auf der 17,5 Meter langen Yacht kann man der nur schwer entgehen.
00:13:22
Auf der Apollonia gibt es drei geschlossene Kajüten mit je zwei übereinanderliegenden Kojen.
00:13:26
Darin kann man liegen, aber sich nicht wirklich aufhalten.
00:13:29
Der größte Raum ist der Salon, aber mit nur zwei Meter Deckenhöhe.
00:13:34
Darin findet sich die Küche, bei Seeleuten als Pantry bekannt, gegenüber dem u-förmigen Sofa mit ausklappbarem Tisch.
00:13:43
Am einsamsten ist man noch vorne am Bug, aber wenn da schon jemand sitzt, ist es mit dem Alleinsein schwierig.
00:13:51
Am zwölften Tag, das Wetter ist wieder mal wundervoll, schlägt Robert vor, ins Wasser zu gehen.
00:13:56
Peter und Andreas sind dabei.
00:13:57
Nacheinander lassen sie sich von der Apollonia ziehen und haben richtig Spaß dabei.
00:14:02
Nur Karl regt sich mal wieder über seine Mitsegler auf.
00:14:05
Der findet das Ganze unverantwortlich.
00:14:08
So schnell wie das Schiff gerade unterwegs ist, würden es nur sehr gute Schwimmer schaffen, sie einzuholen,
00:14:13
sollten sie das Seil aus Versehen loslassen.
00:14:15
Sei kein Feigling, ruft Robert ihm zu.
00:14:18
Und das hätte er nicht sagen sollen.
00:14:21
Karl ist beleidigt und verschwindet sofort unter Deck.
00:14:24
In den nächsten Tagen zieht er sich zurück.
00:14:26
Wenn jetzt noch etwas von ihm kommt, ist es entweder Gemecker oder Besserwissen.
00:14:30
Um sich durchzusetzen, greift Karl mehr und mehr auf einen Befehlston zurück.
00:14:35
Doch das führt dazu, dass die anderen ihn noch weniger ernst nehmen.
00:14:38
Für sie ist er bald nur noch der Spielverderber und Schwarzseher.
00:14:41
Und sie sind für ihn ein Sicherheitsrisiko.
00:14:45
Er weiß, dass ohne Regeln ein Leben an Bord gefährlich ist.
00:14:50
Wie wichtig Regeln und Disziplinen sind, hat Karl schon als Kind von seinen Eltern gelernt.
00:14:54
Später wurde es ihm bei der Bundeswehr eingebläut.
00:14:57
Dort blüht er richtig auf, wenn alles nach Plan läuft.
00:15:00
Wenn das nicht der Fall ist oder größere Belastungen auf Karl zukommen, wird es für ihn schwer.
00:15:05
Das fällt damals auch seinen Vorgesetzten auf.
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Karl sei undurchsichtig, ihm fehle die innere Haltung, er biedere sich gerne an und sei größeren Belastungen nur bedingt gewachsen.
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In seiner letzten Beurteilung von 1965 heißt es dann, er ist in Haltung und Leistung Stimmungen unterworfen.
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Nach der Bundeswehr will Karl in Südafrika einen Neustart wagen.
00:15:30
Als Pilot arbeiten, das hat er bei Bund gelernt.
00:15:33
Doch auf dem anderen Kontinent angekommen, erfährt er, dass seine Flugscheine hier gar nicht anerkannt werden.
00:15:39
Karl kommt also zurück nach Deutschland, wird erst Lokführer bei der Bahn, doch dann zur Hamburger S-Bahn versetzt.
00:15:45
Er mag den Job nicht.
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Die Schichten sind mühsam und die Zugluft stark.
00:15:51
Während seiner Zeit in der Hansestadt träumt er wieder von einem Aussteigerleben und langsam aber sicher manifestiert sich ein Traum.
00:15:58
Karl will Kapitän werden und um das zu schaffen, geht er jeden Abend in die Abendschule.
00:16:03
Jahrelang lernt er theoretisch, wie die Seefahrt funktioniert und 1980 kündigt er seinen festen Job,
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um auf dem Schiff von Kapitän Zimmermann an einer Weltumsegelung teilzunehmen.
00:16:14
Seine Freundin Beate überzeugt er mitzukommen.
00:16:16
Die 37-jährige Friseuse macht sowieso alles, was Karl möchte und sagt deshalb auch dazu Ja.
00:16:22
Doch jetzt, so kurz vor seinem Ziel, ist Karl wieder Stimmungen unterworfen.
00:16:27
Denn es läuft nichts nach Plan.
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Es gibt keine Regeln an Bord und niemand außer Beate steht auf seiner Seite.
00:16:33
Am meisten ärgert er sich über Robert, fühlt sich von ihm hintergangen.
00:16:37
Es war doch klar ausgemacht, dass er hier für die Sicherheit sorgt und verantwortlich ist für das Segeln.
00:16:42
Robert wollte doch von ihm lernen und jetzt führt er sich wie der Kapitän auf, denkt Karl.
00:16:47
Robert sieht das alles ziemlich anders.
00:16:51
Er hatte sich anfangs über Karl gefreut, schätzt auch noch jetzt seine Navigationsfähigkeiten,
00:16:56
aber auf seinem Schiff will er sich von niemandem anschreien lassen.
00:16:59
Robert weiß selbst, dass er noch viel lernen muss, um in der Charterbranche Fuß fassen zu können,
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doch gut mit Kritik kann er nicht umgehen.
00:17:07
Aber Streit geht ja eigentlich immer aus dem Weg.
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Robert ist nämlich ein richtiger Rheinländer, eine Frohnatur.
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Obwohl noch verheiratet, lebt er jetzt mit seiner 25-jährigen Freundin Antje zusammen und genießt das Leben.
00:17:18
Er sieht alles nicht so ernst und ist damit der direkte Gegenpol zu Karl.
00:17:25
Es ist mittlerweile Tag 18, als sich der nächste Streit zusammenbraut.
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Dabei ist der Himmel erneut strahlend blau.
00:17:31
Die sechs sind jetzt auf der sogenannten Barfußroute unterwegs, das heißt tropisch warmes Wetter.
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Ein Vorgeschmack auf ihre Zeit in Barbados.
00:17:41
Als Karl und Beate an diesem Morgen in den Salon kommen, steht dreckiges Geschirr vor ihnen.
00:17:45
Sie glauben, das hieße, dass die anderen mit dem Frühstück nicht auf sie gewartet hätten und Empörung macht sich breit.
00:17:51
Als Robert unter Deck kommt, schreit Karl ihn deshalb an.
00:17:55
Dabei stellt sich heraus, dass das Geschirr noch von gestern war und niemand ohne die beiden gegessen hatte,
00:18:00
doch die Stimmung ist bereits wieder auf dem Gefrierpunkt.
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Robert ist genervt und erklärt Karl, dass es besser sei, wenn man ab jetzt getrennte Wege gehen würde.
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Ein paar Stunden später ruft Karl Robert unter Deck.
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Er will jetzt sein Zeugnis ausgestellt bekommen.
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Im Inneren hat er nämlich Sorge, dass Robert ihm nach dem ganzen Stress keines mehr ausstellen wird.
00:18:21
Er sieht seine Zukunft am seidenen Faden hängen.
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Doch Robert erklärt ihm, dass ausgemacht war, es ihm nach der Fahrt auszustellen.
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Und als er sich schon umdrehen will, holt Karl plötzlich eine Waffe hervor.
00:18:33
Die hatte Karl in Gran Canaria heimlich mit an Bord geschmuggelt.
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Damit zwingt er den Kapitän, ihm vier Blanko-Unterschriften zu geben.
00:18:40
Außerdem erklärt Karl, er übernehme jetzt das Kommando auf dem Schiff.
00:18:44
Das, was er seit 18 Tagen versucht, doch nie geschafft hat.
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Nun also mit Gewalt.
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Nach dieser Aktion geht Robert total geschockt zurück an Deck.
00:18:54
Als er den anderen gerade erzählen will, was passiert ist, steigt Karl die Stufen nach oben.
00:19:00
Auch der restlichen Crew eröffnet er nun, dass er das Sagen hat.
00:19:03
Dann zielt er mit der Waffe auf Robert und Antje.
00:19:06
Ich habe viele Unglückstage im Leben gehabt.
00:19:09
Heute ist der 13. Dezember.
00:19:11
Heute ist euer Unglückstag.
00:19:14
Andreas, Peter, Robert und Antje können nicht fassen, was gerade passiert.
00:19:18
Sie versuchen, Karl zu beruhigen, davon abzuhalten, etwas Unüberlegtes zu tun.
00:19:23
Doch der lässt das nicht zu.
00:19:25
Zehn Minuten habt ihr noch, schreit er das eigene Paar an, das sich selbst erschießen soll.
00:19:31
Nach kurzem Hin und Her erklärt Robert ihm aber, dass er das nicht könne.
00:19:35
Bist du ein Feigling?
00:19:38
Ja, das bin ich.
00:19:40
Das wollte Karl hören.
00:19:43
Für ihn war immer klar, wer hier an Bord der Feigling ist und nun haben es endlich auch alle anderen gehört.
00:19:48
Und jetzt geht Karl richtig in seiner neuen Rolle auf.
00:19:52
Er will ein Segelmanöver fahren und gibt allen Anweisungen dazu.
00:19:57
Total verunsichert führen die anderen Männer die Befehle aus.
00:19:59
Und als Karl gerade nicht guckt, besprechen sich Andreas, Peter und Robert.
00:20:04
Sie überlegen, wie sie Karl entwaffnen können.
00:20:07
Es sei doch klar, dass sonst noch ein großes Unglück passiert.
00:20:10
Nach dem Manöver fordert Karl Antje auf, das Abendessen zuzubereiten.
00:20:16
Und gegen 19 Uhr sitzen alle gemeinsam im Salon und essen.
00:20:20
Beziehungsweise versuchen, ein paar Bissen herunterzukriegen.
00:20:24
Danach machen sich die Frauen an den Abwasch und Karl an die Seekarten.
00:20:28
Dabei legt er den Revolver direkt vor sich auf den Tisch.
00:20:30
Die anderen Männer ziehen sich an Deck zurück, wo es mittlerweile schon dunkel ist.
00:20:36
Kurze Zeit später steigen sie die kleine Treppe wieder hinunter.
00:20:40
Und dann geht alles ganz schnell.
00:20:42
Robert stürmt von hinten auf Karl zu, schlägt ihm mit einem eisernen Pumpenschwengel auf den Hinterkopf.
00:20:48
Mehrere Male trifft er.
00:20:50
Doch Karl geht nicht K.O.
00:20:52
Stattdessen greift der nach seiner Pistole und schießt hinter sich.
00:20:55
Doch er trifft nicht seinen Angreifer, denn der war sofort an Deck geflohen.
00:21:00
Er schießt auf Andreas.
00:21:02
In die Brust getroffen, geht der sofort zu Boden.
00:21:04
Dann steht Karl auf, dem Blut das Gesicht hinunterläuft.
00:21:08
Er richtet seine Waffe auf die am Waschbecken stehende Antje.
00:21:11
Ein Schuss in den Kopf und sie geht mitsamt Geschirrtuch zu Boden.
00:21:17
Dann taumelt Karl Richtung Treppe, brüllt nach Robert.
00:21:19
Beate ruft er zu, sie soll ihm beim Suchen helfen.
00:21:23
Die 37-Jährige gehorcht, leuchtet mit der Taschenlampe auf dem Schiff herum, bis der Leuchtkegel in einer Ecke auf Robert trifft.
00:21:31
Hier ist er, ruft sie ihrem Freund zu, der schon fast hinter ihr steht.
00:21:35
Komm mal her, Robert, und guck, was mit deiner Freundin Antje passiert ist, sagt Karl süffisant.
00:21:40
Robert richtet sich auf.
00:21:44
Ist das dein Versprechen, das du mir gegeben hast, fragt Karl.
00:21:47
Und ohne auf eine Antwort zu warten, schießt er auch auf Robert.
00:21:51
Durch die Wucht der Kugel fällt der Kapitän nach hinten und wird vom tiefschwarzen Meer verschluckt.
00:21:56
Drei Tage später kommen die vier restlichen Crewmitglieder im paradiesischen Barbados an.
00:22:02
Andreas ringt tagelang auf der Intensivstation mit dem Tod und die anderen erzählen das Märchen vom Sturm und dem wahnsinnig gewordenen Robert.
00:22:10
Der war drei Tage in diesem Zustand noch auf dem Schiff.
00:22:14
Ja, also der war wirklich kurz vorm Tod und hat richtig Glück gehabt.
00:22:18
Aber sein Freund Peter hat sich auch die ganze Zeit um ihn gekümmert und so gut es geht verarztet.
00:22:25
Mithilfe von Morddrohungen hatte Karl die anderen Männer davon überzeugt, die Wahrheit zu verheimlichen.
00:22:32
Und da die Inselbehörden ihn nicht wirklich etwas anderes nachweisen können oder wollen, schicken sie sie zurück nach Deutschland.
00:22:39
Dort machen sich die Behörden allerdings direkt an die Arbeit, nachdem Andreas und Peter ihnen einen Monat später eine ganz andere Geschichte erzählen.
00:22:47
Der Prozess beginnt schließlich Ende des Jahres 1982 vor der Schulgerichtskammer 1 des Landgerichts Bremen.
00:22:54
Angeklagt ist Karl des zweifachen Mordes und des versuchten Mordes.
00:22:59
Auch Beate soll verantwortlich gemacht werden, wegen Beihilfe zum Mord.
00:23:02
Karl beteuert seine Unschuld, erklärt es habe sich um Notwehr gehandelt und er erklärt sich auch selbst zum Opfer.
00:23:10
Doch Andreas und Peter sind hier, um zu bezeugen, dass Karl sich nicht nur verteidigt hat.
00:23:15
Sie haben die Tat mit angesehen, genauso wie Beate, die bei der ersten polizeilichen Vernehmung bereits gestanden hatte.
00:23:21
Die eigentliche Frage ist vielmehr, ob es wirklich Mord war oder nicht vielleicht doch Totschlag.
00:23:27
Hatte Karl den Eigner der Apollonia getötet, um an das Schiff zu kommen oder war er in einem Ausnahmezustand?
00:23:34
Der psychologische Gutachter soll bei der Suche nach der Antwort helfen.
00:23:37
Er erklärt, dass Karl an Bord in eine Art Falle geraten war.
00:23:41
Dass er nicht mit der überspannten Situation klarkam und sie nicht bewältigen konnte.
00:23:45
Nicht Bösartigkeit habe ihn zur Tat getrieben, sondern, Zitat, biografische Verkrüppelung.
00:23:52
Der Sachverständige glaubt nicht, dass Karl tötete, um sich der Apollonia zu bemächtigen,
00:23:57
sondern weil er nicht wusste, wie er sich aus seiner für ihn unerträglichen Lage befreien sollte.
00:24:02
An Land wäre die Tat so sicherlich nicht passiert.
00:24:05
Karls Verteidiger sieht die letzten Worte seines Mandanten an Robert als Endpunkt einer zwischenmenschlichen Tragödie,
00:24:12
deren Verlauf nicht im Entferntesten abzusehen war.
00:24:15
Das Zusammentreffen von Karl und Robert sei überschattet gewesen von persönlichen Enttäuschungen,
00:24:20
die beide weder verarbeitet noch verkraftet hätten.
00:24:22
Ihr Zusammenschluss sei eine Notgemeinschaft gewesen.
00:24:25
Für beide habe es kein Zurück mehr gegeben und so seien sie aufeinander angewiesen gewesen, ohne das zu wollen.
00:24:31
Als dann plötzlich zwei weitere Männer an Bord kamen, habe sich dieses Verhältnis verändert.
00:24:35
Robert sei nicht mehr so sehr auf Karl angewiesen gewesen, schließlich hatte Andreas ja auch schon einige Erfahrungen auf Segelbooten.
00:24:42
Für Karl sei diese veränderte Situation problematisch gewesen.
00:24:45
Die beiden Neuen seien nur da gewesen, um Urlaub zu machen und Robert habe sich lieber ihn als Karl angeschlossen.
00:24:52
Und der habe sich nicht durchsetzen können, nicht die Fähigkeit besessen, Kritik so zu formulieren,
00:24:57
dass sie die Chance hatte, auf offene Ohren zu treffen.
00:25:00
An dem Morgen des 13. Dezember sei die Freundschaft in Karls Augen dann endgültig vorbei gewesen,
00:25:05
nachdem Robert davon sprach, sich in Zukunft aus dem Weg gehen zu wollen.
00:25:10
Für Karl habe er damit sein Versprechen gebrochen und ihn so um seine Zukunft betrogen.
00:25:15
Karl sei darüber sauer und enttäuscht gewesen.
00:25:17
Er habe Robert das Kommando abnehmen und ihn demütigen wollen.
00:25:21
Aber töten wollte er ihn nicht, so der Anwalt.
00:25:24
Hätte Karl Robert töten wollen, hätte er dies schon am Morgen des 13. Dezembers gemacht.
00:25:28
Zur Tötung sei es nur durch den Angriff Roberts gekommen.
00:25:32
Juristisch betrachtet seien die beiden ersten Schüsse Fälle von entschuldigendem Notstand,
00:25:37
da Karl einen Angriff auf sein Leben habe abwenden wollen.
00:25:42
Und was den Schuss auf Robert angehe, könne man sich ja gar nicht sicher sein,
00:25:45
ob dieser nicht nochmal mit dem Pumpenschwengel auf Karl losgegangen sei.
00:25:49
Was ist ein Pumpenschwengel?
00:25:50
Sagst du Stängel oder Schwengel?
00:25:53
Nee, es ist Schwengel und ich musste es auch googeln.
00:25:56
Es ist einfach ein sehr massives, langes Stahl-Ding.
00:26:06
Nee, also ja, sowas wie eine Stange.
00:26:10
Kannst ja auch mal googeln.
00:26:12
Sagte sie, um der Frage einfach weiterhin aus dem Weg zu gehen.
00:26:16
So sieht das Gericht es am Ende aber nicht.
00:26:21
Für die RichterInnen hat Karl seinen ehemaligen Freund Robert und dessen Freundin Antje getötet,
00:26:26
weil er mit der Zurückweisung nicht klarkam und sich um seine Zukunft betrogen sah.
00:26:31
Und für die Kammer sind das niedrige Beweggründe.
00:26:34
Und deshalb wird Karl auch zur lebenslange Haft verurteilt.
00:26:37
Beate bekommt zwei Jahre und drei Monate.
00:26:39
Nicht alle sind mit dem Urteil zufrieden.
00:26:42
Einige PressevertreterInnen hätten eine mildere Strafe für gerecht gehalten.
00:26:47
Auch die Opfer sind nicht frei von Schuld, wenn es zu solchen zwischenmenschlichen Katastrophen kommt,
00:26:52
schreibt ein Reporter im Spiegel.
00:26:54
Das Gericht habe nicht genügend berücksichtigt, in welch einer Ausnahmesituation sich Karl an Bord der Apollonia befunden habe.
00:27:00
Ein Totschlag wäre da doch angebrachter gewesen, so die Meinung.
00:27:04
So sieht das natürlich auch Karls Anwalt.
00:27:07
Doch die Revision wird abgelehnt.
00:27:09
Die von Beate dagegen geht durch und ihr Strafmaß wird neu verhandelt.
00:27:13
Sie kommt nach insgesamt einem Jahr Gefängnis wieder frei.
00:27:17
Bei Karl dauert es 16 Jahre länger.
00:27:19
Jahre später wird er einem Segelkollegen und Autor sagen,
00:27:23
das Einzige, was ich damals wollte, war die Apollonia und ihre Crew sicher über den Atlantik zu bringen.
00:27:29
Das hatte Karl definitiv nicht geschafft.
00:27:32
In der geschlossenen Gesellschaft an Bord waren die anderen für ihn zur Hölle geworden und er selbst zum Teufel.
00:27:38
Ja, am Ende war er das Sicherheitsrisiko an Bord.
00:27:45
Was er die ganze Zeit eigentlich vermeiden wollte.
00:27:49
Nichts war so gefährlich wie er.
00:27:52
Schon allein, dass diese Waffe an Bord war.
00:27:54
Die hätte man sofort runterschmeißen müssen.
00:27:57
Ja, die hatte er heimlich mitgenommen.
00:28:01
Weißt du, man nimmt ja auch nicht einfach so eine Waffe mit.
00:28:05
Deswegen würde ich in so einer Gerichtsverhandlung, würde ich mir ja auch die Frage stellen,
00:28:10
warum hat dieser Typ überhaupt diese Waffe mit an Bord genommen?
00:28:14
Also der Robert, der hatte auch eine Waffe an Bord.
00:28:18
Ich glaube, so eine Waffe an Bord, warum auch immer, so kam mir das jetzt bei der Recherche vor von diesem Fall,
00:28:24
dass das was Normales gewesen ist.
00:28:26
Und dass auch jeder wusste, dass diese eine Waffe da ist.
00:28:29
Und weiß nicht, auf jeden Fall die von Karl hatte er heimlich mitgenommen und darüber wusste niemand Bescheid.
00:28:35
Aber ja, was die Beweggründe von ihm waren, weiß ich auch nicht.
00:28:37
Stell dir vor, du bist mit so einer Person an Bord und kannst halt nirgends hin.
00:28:43
Ich stelle mir immer vor, diese zwei jungen Dudes da.
00:28:47
Der eine gerade fertig mit dem Studium, der andere hat eine Bar.
00:28:50
Die wollen einfach eine geile Zeit erleben und nach Barbados.
00:28:54
Ja, und die Antje ist auch 25.
00:28:56
Die denkt sich, da habe ich hier einen Typ mit einem Segelschiff und dann das.
00:29:01
Ja, und dann, also man denkt sich halt auch so, man hätte das doch irgendwie noch abwenden können.
00:29:07
Du weißt ja aber nicht, wozu der fähig ist.
00:29:10
Das weißt du ja nicht.
00:29:11
Wenn jemand so reagiert, würde ich ja auch sagen, krieg dich mal wieder ein, Junge.
00:29:14
Du denkst ja, wenn, das finde ich so gruselig irgendwie.
00:29:19
Man hört ganz oft von so Sachen, die so ganz klein angefangen haben und dann in einer kompletten Tragödie geendet sind.
00:29:27
Ein Streit an der Supermarktkasse.
00:29:29
Jemand ist jemand anderem mit einem Auto hinten aufgefahren.
00:29:32
Hast du das gelesen neulich?
00:29:34
Fährt in irgendeinem US-Bundesstaat natürlich.
00:29:37
Schneidet irgendwie ein Auto das andere.
00:29:41
In dem einen Auto sitzt eine Mutter und zeigt dem Typen den Stinkefinger.
00:29:45
Fährt irgendwie ab.
00:29:47
Der ihr hinterher und schießt ins Auto und trifft ein sechsjähriges Kind, was da drin saß.
00:29:53
Nein, nein, nein.
00:29:55
Und soweit ich war, also stand da, als ich es gelesen habe, hatten sie das auch nicht.
00:30:01
Es waren ein Paar.
00:30:02
Ich glaube, sie ist gefahren und er hat geschossen.
00:30:05
Aber das Interessante ist ja, dass der Gutachter gesagt hat, an Land hätte diese Tat nicht stattgefunden.
00:30:10
Und deswegen habe ich mich für meine Haar mit den Umständen auf hoher See beschäftigt.
00:30:17
Und da wäre ja erstmal die direkte Umgebung, also das Schiff.
00:30:21
Das ist ja offensichtlich ein geschlossenes System, dem man zumindest auf hoher See nicht entkommen kann.
00:30:28
Und bei der Apollonia kommt dazu, dass die nicht sonderlich groß war und mit sechs SeglerInnen quasi voll besetzt.
00:30:34
Also der einzige persönliche freie Raum war die Kajüte und die mussten die sich ja auch noch jeweils teilen.
00:30:43
Also das heißt, so richtige Rückzugsmöglichkeiten gab es nicht.
00:30:46
Und wenn man diesem Problem der Enge und Unfreiheit dann halt nicht entgegen wird, dann kann es zum sogenannten Crowding kommen.
00:30:54
Und das ist ein Begriff aus der Sozialpsychologie, bei dem zwei Dichten unterschieden werden.
00:30:58
Einmal die räumliche Dichte, also das Maß für den pro Person verfügbaren Raum.
00:31:03
Und einmal die soziale Dichte, also die Anzahl der Personen.
00:31:06
Und beide können zu Crowding-Stress führen, wenn sie zu hoch sind und negative Auswirkungen auf die Stimmung der Betroffenen haben.
00:31:14
Bei der sozialen Dichte kann das dann dazu führen, dass sich eine Abneigung gegen die anderen Personen entwickelt,
00:31:20
aber auch gegen Objekte oder den Wohnraum im Allgemeinen.
00:31:26
Ja, das habe ich hier in Corona-Zeiten, habe ich das auch gehabt.
00:31:29
Also ich mit mir alleine in der Wohnung, ich bin für mich ja auch schon manchmal eine dolle soziale Dichte.
00:31:38
Und der Drucker war dann oft das Objekt, wogegen ich meine Abneigung entwickelt habe.
00:31:44
Weil der will auch nie so wie ich.
00:31:47
Auf der Apollonia war das auch so, dass die Leute dann mit der Zeit ja immer negativer aufeinander auch zu sprechen waren, zumindest in Teilen.
00:31:55
Aber auch auf die Apollonia selber.
00:31:57
Das habe ich jetzt nicht erzählt, weil das sonst alles zu lang wird.
00:32:00
Aber da war halt auch immer irgendwas kaputt und man war einfach genervt von diesem Schiff.
00:32:07
Und durch dieses Crowding kann auch die soziale Interaktion gestört werden,
00:32:11
sodass sich die Betroffenen dann aus der sozialen Interaktion so gut es geht zurückziehen
00:32:16
und anstatt von einer räumlichen Distanz so dann halt eine Interaktionsdistanz schaffen.
00:32:21
Und das führt dann zu weniger Hilfsbereitschaft, weniger Vertrauen und so weiter.
00:32:25
Und bei Karl war das ja so, dass er sich nach dem Sturm auch zurückgezogen hatte.
00:32:30
Und möglich ist natürlich, dass diese soziale Dichte bei ihm dann dazu beigetragen hat, den anderen weniger zu vertrauen.
00:32:38
Längere Aufenthalte unter solch hohen Dichtebedingungen können auch zu Gesundheitsproblemen, Kriminalität und Aggressionen führen.
00:32:45
Und was zu der Enge auf Schiffen ja noch hinzukommt und das alles nochmal verstärken kann,
00:32:50
sind diese ganzen anderen Umstände, die da herrschen.
00:32:53
Also das Wetter, dann die Schiffsbewegungen, die dann bei Sturm richtig unangenehm sein können,
00:32:58
die Geräusche, die immer da sind und auch diese ständige Alarmbereitschaft,
00:33:03
weil man eben auf dem, also auf diesem Schiff muss jeder mitmachen eigentlich, wenn irgendwas passiert oder wenn Sturm ist.
00:33:08
Die Seglerin Heide Wilz hat für das Segelmagazin Yacht über die Auswirkungen von Starkwind und Extremwetter
00:33:14
auf die Psyche und Leistung einer Crew geschrieben.
00:33:16
Und sie sagt, dass selbst wenn ein Sturm vorbei ist, manche Menschen ihre Ängste trotz irgendwie guter Voraussetzungen oder so
00:33:23
nicht so leicht wegstecken können und oft auch deshalb nicht, weil es an Bord halt kein Ventil gibt
00:33:28
oder weil mit der Zeit natürlich auch das Durchhaltevermögen nachlässt.
00:33:32
Die reagieren dann nicht sofort auf den Stress, sondern verzögert.
00:33:35
In Karls Fall war er, zumindest seiner Ansicht nach, ja der Verantwortliche für die Sicherheit an Bord
00:33:42
und der, der am meisten Ahnung hatte.
00:33:44
Und es kann ja sein, dass er sich bei diesem Sturm, der ja auch fast drei Tage gehalten hat,
00:33:50
halt so einen Druck gemacht hat, dass nichts passiert und er diesen Druck aber dann auch nicht entladen konnte.
00:33:56
Und das Tragische ist ja, dass es halt so weit gar nicht hätte kommen müssen,
00:34:01
weil man diesen Effekten eigentlich hätte vorbeugen können.
00:34:04
Und wenn man mal ein bisschen drüber nachgedacht hätte, wäre das auch den Leuten aufgefallen.
00:34:08
Weil erst mal kannten die sich ja alle gar nicht.
00:34:11
Also die waren sich teils völlig fremd.
00:34:14
Und dann wurden die Pärchen auch noch so aufgeteilt, wie sie schon waren, ja.
00:34:18
Also die konnten sich dann auf der Fahrt auch nicht wirklich doll kennenlernen,
00:34:21
weil die immer in diesen Zweiergruppen waren.
00:34:22
Und so kam es halt auch nicht zu so Gruppengesprächen,
00:34:25
wo man dann irgendwie das Aggressionspotenzial abbauen kann oder so.
00:34:29
Und man blieb einfach lieber unter sich.
00:34:32
Und dazu kam ja noch, dass keiner der Anwesenden da genügend Hochseesegel-Erfahrung mitbrachte
00:34:37
oder sowas je vorher gemacht hatte.
00:34:40
Und wenn es nur einen erfahrenen Menschen da gegeben hätte,
00:34:44
der irgendwie die Gruppe hätte führen können
00:34:47
und die auf Situationen wie so einen Sturm hätte vorbereiten können,
00:34:51
dann wäre das alles anders gewesen.
00:34:53
Heidewilz schreibt, dass es dabei extrem wichtig ist,
00:34:57
halt eine klare Rollenverteilung zu haben.
00:34:58
Und auch wenn Karl das versucht hat,
00:35:00
irgendwie so eine Art Hierarchie an Bord aufzubauen,
00:35:03
indem er sich halt an die Spitze setzen wollte,
00:35:05
wurden Rollen halt nie konsequent eingehalten.
00:35:07
Eigentlich gab es da überhaupt gar keine festen Rollen.
00:35:10
Und was dazu eigentlich gut passt,
00:35:13
und insgesamt zu meinem Fall,
00:35:15
ist ein altes Seefahrersprichwort, was ich gefunden habe.
00:35:19
Auf See erweise sich der Mensch, wie er wahrhaftig ist.
00:35:22
Als Mensch jedenfalls, der nicht aus der Rolle fallen darf.
00:35:25
Ich bin bei meiner Recherche auf ein anderes gestoßen.
00:35:28
Und zwar, die besten Kapitäne stehen immer an Land.
00:35:31
Ja, das kann ich mir vorstellen.
00:35:33
Genau wie die besten Fußballtrainer ja auch vor dem Fernseher sitzen.
00:35:39
Ja, also ihr wisst, wir sind die Schlauen hier,
00:35:42
die jetzt genau wissen, wie man dieses Unglück hätte verhindern können.
00:35:47
Und zwar ganz einfach natürlich,
00:35:49
indem ihr einfach die Apollonia nicht auf A hättet enden lassen.
00:35:53
Ach so, ja, stimmt.
00:35:55
Das hat wahrscheinlich dazu geführt,
00:35:58
oder dass Robert das Schiff umgetauft hat.
00:36:02
Das Schiff hieß davor Wappen von Bremen.
00:36:05
Und unter diesem Namen ist jahrzehntelang nichts passiert.
00:36:08
Und nach den Morden auf der Apollonia
00:36:12
ist es aber halt dann weiter so,
00:36:13
dass dieses Schiff Unglück anzieht, okay?
00:36:15
Also erst mal ist es so, dass es wirklich in der Karibik
00:36:18
für Charterausflüge genutzt wird.
00:36:19
Also so, wie sich das Robert eigentlich gewünscht hat.
00:36:21
Aber bei einem Hurricane sinkt das Schiff.
00:36:24
Kurz danach kauft dann so ein US-Amerikaner
00:36:27
mit dem Namen Fred das Schiff
00:36:29
und lässt die wieder bergen und restaurieren.
00:36:31
Und dieser Fred ist mit einer Tochter von einem Hotelbesitzer zusammen.
00:36:38
Und als das Schiff dann fertig ist und die erste Fahrt gemacht hat,
00:36:42
treibt der Vater dieser Freundin tot im Pool.
00:36:45
Und kurze Zeit später stirbt Fred an einer dubiosen Krankheit.
00:36:50
Also dann ist ja die Freundin die neue Besitzerin der Apollonia.
00:36:54
Weil Fred sie der vermacht hat.
00:36:57
Die ist die neue Besitzerin und die kann dann mit dem Ganzen nicht umgehen
00:37:01
und erschießt sich selber.
00:37:02
Ja, und danach liegt die Apollonia dann längere Zeit im Hafen,
00:37:06
weil wahrscheinlich niemand sie kaufen will.
00:37:08
Und zwölf reißt sie sich dann von ihren Leinen los, von alleine.
00:37:11
Sie reißt sich los, sie will nicht mehr.
00:37:15
Und wird gerade noch gerettet, bevor sie an einem Riff zerschellt wäre.
00:37:19
Gerettet? Du sagst das auch so, als wärst du eine Frau einfach.
00:37:22
Ja, also für viele Seefahrende haben Schiffe eine Seele.
00:37:26
Und ich sehe das auch so bei der Apollonia.
00:37:28
Die ist halt ein richtiges Unglücksschiff.
00:37:31
Jetzt steht sie wieder zum Verkauf.
00:37:32
Ich habe die Anzeige im Internet gefunden.
00:37:35
Für 79.950 US-Dollar könnte die Apollonia deine sein.
00:37:40
Ja, mein Leben ist noch nicht aufregend genug, du.
00:37:44
Ich bin mir noch so eine olle, zickige Tante ans Bein.
00:37:47
In der Beschreibung steht natürlich nichts von den Todesfällen.
00:37:52
Aber ganz offensichtlich sind die ja schon mit eingepreist.
00:37:55
Also 79.900 kommt mir jetzt irgendwie günstig vor für so eine Jacht,
00:38:00
für so eine große Segeljacht.
00:38:01
Ja, also ich will das Ding nicht mal für Geld haben.
00:38:05
Ich erzähle euch jetzt einen Fall aus der Sicht einer Person.
00:38:10
Und dass das nicht die einzige Wahrheit für alle Beteiligten ist,
00:38:13
wird, glaube ich, am Ende meines Falls ziemlich deutlich.
00:38:17
Es ist morgen, am 4. April 2009.
00:38:20
Die warmen Sonnenstrahlen scheinen von Osten auf das fast 170 Meter lange Deck der Hansa Stavanger.
00:38:27
Es ist 9.15 Uhr, als sich das Containerschiff zwischen dem Arabischen Meer und dem Indischen Ozean durch die Wellen schiebt.
00:38:35
Nachdem das Schiff in Dubai gestartet ist, führt die Route die 24-köpfige Mannschaft vorbei an dem Oman,
00:38:41
fährt jetzt vor Somalia und wird in anderthalb Tagen in Mombasa, Kenia, eintreffen,
00:38:47
bevor es über den Indischen Ozean und Indien wieder zurück in die Emirate fahren wird.
00:38:52
Weil in Mombasa die Abrechnung per Post an die Reederei nach Hamburg geschickt werden müssen,
00:38:56
arbeitet sich der Kapitän an diesem Morgen durch den Stapel Büroarbeit.
00:39:00
Christoph Kotiuk ist fast 60 Jahre alt und hat bereits graues Haar und einen freundlichen Blick hinter seiner getönten rechteckigen Brille.
00:39:10
Zuhause in München warten seine Frau Bozena und sein Labrador Ivo darauf, dass Christoph von seiner großen Reise wiederkommt.
00:39:17
Herr Kapitän, bitte kommen Sie schnell auf die Brücke, hört Christoph seinen dritten Wachoffizier plötzlich schreien.
00:39:23
Christoph lässt seine Abrechnung liegen, stürmt aus seiner Kabine, die Treppen hoch auf die Brücke.
00:39:29
Was der Grund für den Hilfeschrei des Wachoffiziers ist, lässt sich schnell auf dem Radar erkennen.
00:39:34
Ein kleiner Punkt nähert sich von Südwest mit rasanter Geschwindigkeit.
00:39:39
Hier, 400 Seemeilen, also 740 Kilometer vor der Küste Somalias, ist vielen klar, was dieser kleine Punkt bedeutet.
00:39:49
Schnellboote verirren sich nicht einfach so hierher.
00:39:52
Mit 22,7 Knoten Geschwindigkeit ist der Punkt bald nicht mehr nur auf dem Radar, sondern auch am Horizont zu sehen.
00:39:59
Mit den 18,2 Knoten, also fast 34 kmh, die das Containerschiff fahren kann, ist davonfahren keine Option.
00:40:08
Den Angriff kann die Mannschaft jetzt nur noch mit einem Manöver abwenden.
00:40:11
Christoph lässt den Kurs um 180 Grad ändern und fordert den Maschinenkontrollraum auf, Vollgas zu geben.
00:40:18
Es wird wuselig auf dem Deck.
00:40:20
Die Mannschaft rennt in den Sicherheitsraum, während Christoph und drei weitere Männer von der Brücke aus das Anti-Pirate-Center in Dubai über den Angriff informieren und eine Mayday-Warnung rausgeben.
00:40:30
Jetzt sind die Piraten so nah, dass sie das Feuer eröffnen.
00:40:33
Mehrere Schüsse fallen.
00:40:35
Aus Dubai kommt der Hinweis, dass die Hansa Stavanga im Zickzack fahren soll, um so Wellen zu erzeugen, die das kleine Schnellboot abdrängen könnten.
00:40:44
Das ruft der zweite Offizier.
00:40:46
Sag ihm, dass wir das machen, erwidert Christoph.
00:40:49
Doch den Piraten gelingt es trotzdem, sich nahe am Schiff anzuducken.
00:40:53
Plötzlich wirft einer von ihnen etwas aufs Deck.
00:40:55
Dann bebt der Boden unter der Besatzung.
00:40:58
Die Piraten haben eine Granate geworfen, deren Flammen sich jetzt auf dem Schiff ausbreiten, bis nach unten zu Christophs Kabine.
00:41:07
Gleichzeitig gelingt es der Hansa Stavanga, durch die Manöver tatsächlich Wasser ins angreifende Schnellboot zu drücken und die Piraten so abzuhängen.
00:41:14
Aber die Freude ist nicht von langer Dauer.
00:41:17
Schon beim nächsten Angriff sind die Piraten so dicht am Schiff dran, dass sie es schaffen, ihre Leiter an der Schiffswand einzuhängen.
00:41:24
Einer nach dem anderen zieht sich an der Bordwand hoch.
00:41:27
Alle sind bewaffnet.
00:41:30
Christoph schafft es gerade noch, Dubai zu informieren, dass der Kampf verloren ist.
00:41:34
Da hören er und seine drei Kollegen, wie Schritte immer näher zur Brücke kommen.
00:41:38
Dann wird geschossen.
00:41:40
Don't shoot, schreit Christoph.
00:41:42
Dann befindet einer der Piraten in brüchigem Englisch einen Satz, den sie in Zukunft öfter hören werden.
00:41:49
Die gesamte Mannschaft sah auf die Brücke.
00:41:52
Ab jetzt hat Christoph hier nicht mehr das Sagen.
00:41:55
Christoph schaut sich die fünf Piraten an.
00:41:57
Alle sind sehr jung und wirken nervös und kauen auf Kat rum.
00:42:02
Pflanzenblätter, die leicht berauschend wirken und die Müdigkeit hemmen.
00:42:05
Einer fragt, ob alle von der Crew deutsch sind.
00:42:08
Fünf kommen aus Deutschland.
00:42:11
Offenbar ist das zufriedenstellend.
00:42:14
Mittlerweile hat sich das Feuer der Handgranate so weit ausgebreitet, dass die Sicht durch den Rauch getrübt wird.
00:42:20
Christoph bittet darum, dass die Crew das Feuer löschen darf.
00:42:23
Nachdem das unter enormer Anstrengung geschafft ist, fangen die Piraten an, alle Wertsachen, die sich an Bord finden lassen, einzusammeln.
00:42:30
Dann nimmt sich der Anführer Christoph zur Seite.
00:42:33
Er zeigt ihm, wo er das Schiff hinlenken soll.
00:42:36
In die Nähe von Barawi, Somalia.
00:42:38
Am nächsten Tag, das Schiff ist immer noch auf dem Weg zum angezeigten Zielort, erspähen die Piraten am Horizont etwas, das sich auf sie zubewegt.
00:42:47
Schnell ist klar, es ist ein deutsches Marineschiff, das dem Notruf gehört hatte.
00:42:51
Per Funk fordert Christoph auf Befehl des Piraten, die Marine auf nicht näher zu kommen, denn die Piraten drohen jemanden aus der Mannschaft zu töten.
00:43:00
Die Fregatte ist einverstanden, begleitet das Schiff aber aus sicherer Entfernung.
00:43:03
Christoph bringt das Schiff fünf Seemeilen vor der somalischen Küste zum Stehen.
00:43:08
Abends kommen noch mehr Piraten an Bord.
00:43:11
Die ersten Stunden sind für alle ungewiss und sehr bedrohlich.
00:43:14
Die Mannschaft weiß nicht, wie gewaltbereit die Piraten sind und ob schon Anstrengungen unternommen werden, die Crew zu befreien.
00:43:21
Dann befiehlt ein Pirat, Christoph in Deutschland anzurufen.
00:43:24
Er wählt die Nummer des BKA.
00:43:26
Dort sagt man ihm, dass man bereits Strategien entwickle, wie man die Mannschaft befreien könne.
00:43:31
Auch an die Reederei soll Christoph eine E-Mail schicken, um die Lage zu schildern.
00:43:36
Die Gelegenheit nutzt Christoph, um auch seiner Frau Borzena ein kurzes Lebenszeichen zu senden.
00:43:41
Ab jetzt muss die Mannschaft permanent auf der Brücke sitzen und dort auch schlafen, weil die Somali sie dort besser im Blick haben.
00:43:48
Abgeschottet von Kommunikationsmöglichkeiten, ständig bewacht von bewaffneten Piraten.
00:43:53
Erst am Dienstag, drei Tage nach der Entführung, wird endlich eine Forderung formuliert, die Christoph der Reederei in Hamburg mitteilen soll.
00:44:00
15 Millionen US-Dollar wollen sie für die Freilassung der Besatzung.
00:44:05
Die Reederei verspricht Christoph alles zu tun, um das Geld aufzubringen.
00:44:10
und ab dem kommenden Tag mit den Piraten zu verhandeln.
00:44:13
Am nächsten Tag sind die Piraten plötzlich ganz aufgeregt.
00:44:17
Sie geben dem Befehl, dass der Kapitän das Schiff in Bewegung setzen soll.
00:44:20
Warum weiß die Besatzung nicht so recht?
00:44:23
Denn trotz Übersetzer schreien die Piraten teilweise zusammenhangslose Wörter auf Englisch
00:44:28
und zielen gleichzeitig mit den Waffen auf die Crew, die nur selten versteht, was sie eigentlich tun soll.
00:44:34
Offenbar hat die Aufregung mit dem amerikanischen Frachter Mersk-Alabama zu tun.
00:44:39
Die Mersk-Alabama wird vier Tage nach der Hansa Stavanger ebenfalls vor der somalischen Küste von verbündeten Piraten gekapert.
00:44:47
Vier der Piraten von dort wollten mit einem Rettungsboot zurück an Land.
00:44:52
Weil ihnen das jetzt aber nicht gelingt, fordern sie deshalb Unterstützung von anderen Piraten.
00:44:56
Kapitän Christoph Kotiuk und seine Mannschaft finden das gesuchte Schnellboot allerdings nicht,
00:45:01
weshalb das Schiff wieder Richtung der Küste Somalias abdreht.
00:45:05
Was aus der Mersk-Alabama und ihrem Kapitän geworden ist, kann man sich später im Kino bei Captain Phillips anschauen.
00:45:12
Während sowohl Piraten als auch die Besatzung des Schiffs weiterhin auf die Verhandlungen der 15 Millionen US-Dollar warten,
00:45:19
entscheidet sich die Bundesregierung in Berlin derweil statt durch Zahlungen die Besatzung mittels eines GSG-9-Einsatzes
00:45:27
mit Unterstützung der USA zu befreien, um weiteren Entführungen durch Piraten die Attraktivität zu nehmen.
00:45:32
An Bord fürchtet man aber genau solche Befreiungsaktionen.
00:45:36
Als am 11. April, also fast eine Woche nach der Entführung, ein Hubschrauber der Marine über dem Schiff fliegt
00:45:43
und die deutsche Fregatte sich wieder annähert, ist auch klar wieso.
00:45:46
Die Somalis werden plötzlich hektisch und schießen vom Bord aus auf den Hubschrauber.
00:45:51
Panik bricht auf Deck aus.
00:45:53
Christoph versteht nicht ganz, warum man versucht, seiner Mannschaft so zu helfen und nicht einfach mit den Verhandlungen beginnt.
00:45:59
So riskiert man noch ihr Leben.
00:46:01
Sollte es einen Angriff geben, werden die Piraten die Besatzung als lebendige Schilde benutzen.
00:46:06
So haben sie es angekündigt.
00:46:08
Christoph ist besorgt darüber, dass niemand von der Regierung oder der Reederei bisher auf dem Schiff angerufen hat.
00:46:14
Als er an Ostern mit Bozena und einem BKA-Beamten telefonieren darf,
00:46:18
wird ihm versichert, dass weiterhin alles unternommen wird, um die Mannschaft zu befreien.
00:46:22
Aber Christoph glaubt das irgendwie nicht.
00:46:25
Von der Reederei bekommt er gesagt, so schildert er es später,
00:46:28
dass sich die Verhandlungen wegen der Osterfeiertage ziehen, zumal die Banken auch geschlossen haben.
00:46:33
Das lässt Christoph fassungslos zurück.
00:46:36
Immerhin bestimmt die Todesangst den Alltag an Bord.
00:46:39
Ständig muss die Mannschaft in den Lauf einer Waffe blicken.
00:46:43
Noch dazu wird die von Deutschland geplante Rettungsaktion abgeblasen.
00:46:47
Kurz nachdem 200 Einsatzkräfte der GSG 9 in Mombasa angekommen waren, zieht die USA den zur Verfügung gestellten Hubschrauber ab.
00:46:54
Ein Einsatz scheint offenbar zu gefährlich.
00:46:57
Deswegen fehlt der Sondereinheit jetzt ein Schiff, von dem aus man die Hubschrauber wie geplant hätte starten können.
00:47:04
Während sich unter den Piraten und der Crew so etwas wie ein Alltag einstellt, versinkt die Hansa Stavanga immer mehr im Dreck.
00:47:10
Überall liegen durchgekaute Stängel der Katpflanze rum.
00:47:14
40 Männer benutzen die meiste Zeit eine Toilette.
00:47:17
Nachts ist es auf der Brücke, auf der alle zusammen gefärscht auf dem Boden schlafen müssen, heiß, stickig und es stinkt nach Schweiß.
00:47:24
Keiner schläft durch, weil die Piraten das Licht anlassen, laut Musik hören und husten, weil sie krank sind.
00:47:30
Auch einige aus der Besatzung fühlen sich schon fiebrig.
00:47:33
Zwei Wochen nach dem Überfall hat die Reederei offenbar noch immer keinen Betrag genannt, den sie bereit ist zu zahlen.
00:47:41
Christoph schreibt an seine Frau, ich habe das Gefühl, die Reederei will nicht nur die Piraten, sondern auch uns fertig machen.
00:47:48
Er denkt, sie wollen auf Zeit spielen, das Aussitzen.
00:47:51
Bis am 16. April doch ein Angebot kommt.
00:47:55
600.000 US-Dollar.
00:47:57
Christoph kann gar nicht glauben, dass sie für diese lächerliche Summe so ewig gebraucht haben.
00:48:03
Ist doch klar, dass die Somalis darauf nicht eingehen.
00:48:06
Dafür schicken sie ein Gegenangebot.
00:48:08
Bei einer Zahlung zwischen 2,5 und 3 Millionen US-Dollar wäre die Besatzung schon morgen frei.
00:48:13
Wieder, so schildert es Christoph, ruht sich der Vermittler der Reederei erstmal nicht.
00:48:18
Das macht die Stimmung auf Deck unerträglich bedrohlich.
00:48:22
Am 21. April kommt einer der Anführer zur Mannschaft.
00:48:26
Irgendetwas stimmt nicht, das merkt Christoph.
00:48:29
Durch das bruchstückhafte Englisch hört er raus, dass die Reederei offenbar nicht zahlen will und nun einer nach dem anderen erschossen werden soll.
00:48:36
Der Schock fährt durch Christophs Körper.
00:48:39
Steven, ein 19-jähriger Kadett, soll aufstehen.
00:48:43
Sie verbinden ihm die Augen und nehmen ihn mit.
00:48:46
Keiner sagt etwas.
00:48:48
Dann fallen zwei Schüsse.
00:48:50
Die Crew sitzt wie versteinert da.
00:48:52
Das passiert doch gerade nicht wirklich.
00:48:55
Dann kommen die Piraten zurück.
00:48:57
Einer zeigt mit dem Finger auf Christoph.
00:48:59
Man nimmt ihm seine Brille ab und verklebt ihm die Augen mit Tape.
00:49:02
Zwei Piraten führen ihn die Treppe runter an Deck.
00:49:05
Dort nimmt man ihm das Tape wieder ab.
00:49:07
Christoph sieht Steven am Boden liegen.
00:49:09
Er rührt sich nicht.
00:49:11
Auf die Knie, schreit einer der Piraten.
00:49:13
Dann fragt er Christoph, ob er noch eine Rauchen oder seiner Frau schreiben möchte.
00:49:18
Christoph ist verzweifelt.
00:49:20
Ihr seid doch keine Mörder, fleht er.
00:49:23
Dann fallen wieder zwei laute Schüsse.
00:49:25
Christoph weiß nicht, ob er noch lebt oder schon tot ist.
00:49:31
Die Show ziehen sie noch mit vier weiteren Männern ab.
00:49:34
Zwei Stunden lang dauert das Martyrium, bis die Piraten den völlig aufgelösten und zitternden
00:49:40
Christoph wieder zurück auf die Brücke bringen.
00:49:41
Wenn die Räderei sich nicht endlich rührt, machen sie morgen ernst, drohen die Piraten.
00:49:47
Christoph ruft verzweifelt in Hamburg an.
00:49:49
Aber wieder, so schildert er es, bleibt der Ermittler am anderen Ende unbeeindruckt von dem, was er hört.
00:49:55
Die Drohung, die am Vortag ausgesprochen wurde, bleibt erst mal eine.
00:49:59
Aber der ständige Stress, die permanente Angst hinterlassen ihre Spuren.
00:50:03
Wenn die Piraten Christoph erlauben, zu Hause anzurufen, dann erkennt Botzena ihren Mann an der Stimme fast gar nicht.
00:50:10
Zittrig und verzweifelt klingt er.
00:50:13
In all den Ehejahren hat sie ihn noch nicht so erlebt.
00:50:16
Nicht nur Christoph, auch die Machtverhältnisse an Bord ändern sich.
00:50:20
Für die Crew ist jetzt nicht mehr wichtig, was Christoph sagt, sondern was die Piraten sagen.
00:50:25
Seltsamerweise erkennt ein Pirat Christoph weiterhin als Kapitän an.
00:50:29
Auch wenn er natürlich nicht mehr die Befehle gibt.
00:50:33
Ahado ist ein junger Somali und der Anführer der Piraten, die hier auf dem Schiff sind.
00:50:37
Nicht der, der die Entführung geplant hat.
00:50:40
Diese Leute kapern nicht selbst, aber sowas wie der Teamleiter hier an Bord.
00:50:44
Erst am 28. April, 24 Tage nach der Kaperung, erfährt die Crew, dass die Verhandlungen jetzt anfangen sollen und die Räderei zahlen wird.
00:50:54
Die Verleichterung macht sich breit.
00:50:55
Endlich geht es voran.
00:50:57
Ein Trugschluss.
00:50:58
Die Tage und Nächte werden anstrengend und der Monat neigt sich dem Ende entgegen.
00:51:04
Christophs Untergeordnete reichen bei ihm ihre Abrechnung der Überstunden ein.
00:51:08
Tatsächlich sind die jetzt irgendwie ein Problem, weil die Mannschaft quasi immer auf der Brücke ist.
00:51:14
Christoph beschließt, die Überstunden auf seinem Bordcomputer im Maschinenraum erstmal abzuspeichern.
00:51:20
Vor dem Bildschirm sitzend lässt er sich dazu hinreißen, ein paar private Fotos durchzuklicken,
00:51:25
während die Liste mit den Überstunden auf dem blinkenden USB-Stick lädt.
00:51:29
Plötzlich lautes Geschrei.
00:51:31
Internet, Internet, schreien die Somalis.
00:51:34
Christoph wird bewusst, dass sie das Speichermedium offenbar für einen Internetstick halten.
00:51:38
Panisch versucht er die Lage aufzuklären, aber die Piraten lassen nicht mit sich reden.
00:51:43
Auch Ahado, der Anführer, stimmt in den Raum.
00:51:46
Die Gruppe will Christoph wieder an Deck bringen.
00:51:49
Er hat Angst. Wird es wieder eine Scheinhinrichtung?
00:51:51
Machen Sie diesmal ernst?
00:51:53
Auf dem Weg zum Deck springt Christoph in den Messeraum und klammert sich dort an einen Tisch.
00:51:58
Wenn du mich umbringen willst, dann mach es hier, schreit Christoph Ahado an, während Gewehre über seinem Kopf schwingen.
00:52:05
Plötzlich schreiten die Somali untereinander.
00:52:07
Los auf die Brücke, schreit Ahado.
00:52:10
Christoph ist erleichtert.
00:52:12
Kurze Zeit darauf erreicht ein Fax das Schiff.
00:52:15
Die Reederei spricht von Fortschritten bei den Verhandlungen und versichert, dass man regelmäßig mit den Familien der Gefangenen in Kontakt stehe.
00:52:23
Das macht ein wenig Hoffnung.
00:52:24
Drei Tage nach dem Vorfall mit dem USB-Stick spricht Ahado Christoph an.
00:52:29
Zwar ein Missverständnis, sagt er.
00:52:32
Er bittet den Kapitän um Verständnis, seien doch die meisten der Piraten ungebildet und verstünden vieles nicht.
00:52:39
Dann legt Ahado Christophs Hand auf seinen eigenen Kopf, senkt ihn und bittet um Entschuldigung.
00:52:44
Christoph nimmt sie an.
00:52:46
Auch wenn die beiden Männer eigentlich nichts gemein haben, so vereinen die beiden doch in diesem Moment ihre Abhängigkeit voneinander und dass sie sich für eine Gruppe verantwortlich fühlen.
00:52:57
Beide hoffen, dass das für sie gut ausgeht.
00:53:01
Im Gegensatz zu Christoph führt Ahado sich hier an Deck aber sicher.
00:53:04
Zumindest sicherer als zu Hause.
00:53:07
Er ist schon so aufgewachsen, mit Hubschraubergeräuschen und Schüssen, die einen nachts aus dem Bett aufschrecken lassen.
00:53:13
Auch seine Kinder schlafen nachts nicht ruhig.
00:53:15
Somalia ist kein Land, in dem man sicher groß wird oder einfach mal so auf den Markt gehen kann.
00:53:21
Mitte Mai hat sich die Reederei offenbar noch immer nicht auf die Forderungen eingelassen.
00:53:26
Also beschließen die Piraten mehr Druck auszuüben.
00:53:30
In der Nacht zum 26. Mai wacht Christoph auf, weil die Somali durch die Brücke laufen und fünf Männer der Besatzung befehlen, ihr Zeug zu packen und mitzukommen.
00:53:39
Erst am nächsten Morgen erfährt Christoph, was es damit auf sich hat.
00:53:43
Die fünf wurden in kleinen Booten ans Festland gebracht.
00:53:46
Das sind schlechte Nachrichten.
00:53:49
Denn Somalia ist super gefährlich für die Geiseln.
00:53:52
Das wissen die Piraten und das weiß auch Deutschland.
00:53:56
Somalia hat 2009 de facto keine richtige, sondern eine Übergangsregierung, die nicht einmal stark genug ist, um die Hauptstadt unter Kontrolle zu bekommen.
00:54:05
Auf der Straße ist jeder bewaffnet und ausländische Geiseln sind begehrt.
00:54:09
Vor allem bei Terrormilizen.
00:54:11
Doch die Verhandlung bringt diese Aktion nicht voran.
00:54:15
Die Reederei lässt sich laut Christoph lediglich darauf ein, 1,5 Millionen US-Dollar zuzusichern.
00:54:21
Danach gehen ständig neue Angebote und Forderungen hin und her.
00:54:26
Die Stimmung wird von Tag zu Tag schlechter.
00:54:28
Alle werden mürbe.
00:54:30
Teile der Besatzung beginnen mit dem Piraten-Cut zu kauen, auch wenn Christoph das untersagt.
00:54:35
Doch sein Wort zählt für einen Großteil der Mannschaft nichts mehr.
00:54:39
Das liegt auch daran, dass einige die Beziehung zwischen Christoph und dem Anführer Ahado kritisch beäugen.
00:54:45
Der rettet den Kapitän manchmal aus brenzlichen Situationen, wenn er zum Beispiel mit dem Übersetzer aneinander gerät.
00:54:52
Ab und an sitzen die beiden auf der Brücke nebeneinander und Ahado wiederholt Worte auf Englisch, um die Sprache zu lernen.
00:54:58
Christoph freut sich darüber, denn das macht zum einen die Kommunikation einfacher,
00:55:03
zum anderen öffnet sich Ahado durch den Kontakt mit ihm.
00:55:06
Und das nimmt etwas Druck aus der eh schon unerträglichen Situation.
00:55:10
Dass es an Bord immer schlimmer wird, liegt mittlerweile auch am Zustand des Schiffs.
00:55:15
Die Piraten räumen die Container leer und lassen den Müll, den sie dabei verursachen, überall auf dem Schiff liegen.
00:55:21
Fotos von damals zeigen einen Messi-haften Zustand.
00:55:24
Die Wände und Böden sind mittlerweile voller Tierkadaver und Ziegenblut.
00:55:29
Nach dem Schlachten wird nämlich nicht sauber gemacht.
00:55:31
Überall klebt Urin und Kot.
00:55:34
Wer Wache hat, macht halt dahin, wo man gerade steht.
00:55:37
Einige der Piraten haben Krankheiten wie Gürtelrose oder Syphilis, aber keine Medikamente, um sie zu behandeln.
00:55:45
Weitere drei Wochen sind jetzt schon wieder vergangen, ohne dass die Besatzung weiß, wie oder ob die Verhandlungen vorankommen.
00:55:51
Noch immer sind die fünf Mitglieder, die an Land gebracht wurden, nicht zurückgekehrt.
00:55:56
Sorry, jetzt macht bei mir ein Kind Lärm.
00:55:59
Fusse hat gerade seine fünf Minuten.
00:56:02
Weil auch zu Hause die Lage unerträglich wird, beschließt Borzena, dem Spiegel ein Interview zu geben.
00:56:07
Sie findet, die Reederei lasse sich zu viel Zeit mit den Verhandlungen.
00:56:11
Mittlerweile ist die Entführung schon fast aus der Öffentlichkeit verschwunden.
00:56:16
Außerdem ist sie verärgert, weil die Reederei der Crew offenbar gesagt hat, sie stünden täglich mit den Familien in Kontakt, was im Falle von Borzena gar nicht stimmt.
00:56:24
Auch Christoph richtet ein paar Worte in einer E-Mail an die Bundeskanzlerin, die in dem Artikel abgedruckt werden.
00:56:31
Schreibt ans BKA und der Reederei, wir können nicht mehr.
00:56:35
Dass das Essen ausgeht und dass sie das Wasser von einer tropfenden Klimaanlage trinken müssen.
00:56:40
So hoffen Christoph und Borzena, Druck auszuüben und eine Lösung vorantreiben zu können.
00:56:45
Später wirft die Reederei den beiden vor, die Verhandlungen dadurch gefährdet und aufgehalten zu haben.
00:56:50
Obwohl die Mannschaft zu diesem Zeitpunkt nun schon seit drei Monaten in Gewalt der Somali ist.
00:56:57
Am 4. Juli entscheiden sich die Piraten mit ihrer Forderung, auf 2,75 Millionen US-Dollar runterzugehen.
00:57:04
Die Antwort kommt zwei Tage später.
00:57:07
2,5 Millionen US-Dollar ist die Reederei bereit zu zahlen.
00:57:11
Christoph ist fassungslos.
00:57:13
Wie kann man das Leben der Mannschaft so aufs Spiel setzen?
00:57:17
Weil man um einen Betrag falschen will.
00:57:20
24 Mann, minus der fünf, die an Land gebracht wurden, kämpfen hier täglich um ihr Überleben.
00:57:26
Was, wenn diese Verhandlungen die Piraten provozieren?
00:57:29
Das Gefallsche um den Betrag geht hin und her.
00:57:33
Am 8. Juli gehen die Piraten auf die 2,5 Millionen ein und nehmen das dann kurz darauf wieder zurück.
00:57:39
6 Wochen, nachdem die fünf Männer von Bord gebracht wurden, sieht die Mannschaft sie endlich wieder.
00:57:44
Einer, der Koch, sieht ausgemergelt aus.
00:57:47
Er wiegt nur noch 40 Kilo.
00:57:49
Christoph erfährt, dass sie nur kurz an Land waren und wenig später nachts, als alle auf der Brücke waren, heimlich wieder an Bord untergebracht wurden.
00:57:57
Ahado bat den Anführer der Piraten, darum, sie wieder an Bord bringen zu dürfen, weil er Sorge hatte, Islamisten der Al-Shabaab würden sie ihn wegnehmen.
00:58:05
Am 18. Juli wieder das Spiel.
00:58:08
Die Piraten nehmen vier von der Mannschaft mit.
00:58:10
Diesmal drohen sie damit, die Männer an Al-Qaida zu verkaufen, wenn die Reederei nicht endlich zahlt.
00:58:16
Auch diesmal bringt man die Gruppe wieder an Bord, nachdem man an Land Fotos von ihnen in der Wüste gemacht hatte, die nach Deutschland geschickt werden.
00:58:23
Um zu zeigen, wir meinen es ernst.
00:58:26
Ende Juli erfolgt dann endlich die Einigung.
00:58:32
Dafür sollen die Piraten aber ein Foto von der gesamten Crew schicken, auf dem sie ein Schild mit dem Wort Reaper hochhalten.
00:58:39
Ein Reaper ist sowas wie ein Tau.
00:58:41
Zwar waren die Verhandlungen noch nie so weit und trotzdem versucht Christoph, sich nicht der Hoffnung hinzugeben.
00:58:48
Zu oft hatte man sich fast geeinigt und dann ist der Deal doch wieder geplatzt.
00:58:52
Von Hamburg aus wird ein Ablaufplan gesendet und eine Liste, wie man sich bei der Geldübergabe verhalten soll.
00:59:00
Christoph arbeitet mit den Piraten alles auf der Liste detailliert durch, damit auch ja keine Fehler gemacht werden.
00:59:05
Als am 3. August gegen 13.30 Uhr die Motorengeräusche aus der Luft näher kommen, kommt auch die Aufregung.
00:59:12
Die Piraten machen sich auf ihren kleinen Booten im Wasser bereit.
00:59:16
Tief schwebt der Helikopter über der Hansa Starwanger.
00:59:19
Dann fliegt von oben ein kleines, blaues Paket an einem orangefarbenen Fallschirm zu Wasser,
00:59:24
das zügig von den Piraten rausgeangelt wird.
00:59:28
Das gleiche nochmal, dann dreht der Flieger wieder ab.
00:59:31
Christoph soll an Bord das Geld zählen.
00:59:33
In der wasserdichten Verpackung sind jeweils 50.000 US-Dollar in Päckchen gewickelt.
00:59:38
55 davon gibt es.
00:59:41
Christoph und die Piraten unterschreiben eine Empfangsbestätigung im Namen der Piraten und der Besatzung.
00:59:47
Dann beginnt die Schiffsräumung.
00:59:48
Alle Piraten und deren Habseligkeiten müssen in mehreren Touren von Bord gebracht werden.
00:59:54
Das ist der Moment, auf den sie alle gewartet haben.
00:59:57
Christoph ruft den Übersetzer und Ahado.
01:00:01
Er überreicht ihm ein T-Shirt, auf dem Christoph steht und gibt ihm ein paar Lederschuhe.
01:00:06
Das ist alles, was ich dir geben kann, sagt er.
01:00:09
Und dann trennen sich die Wege der beiden für immer.
01:00:13
Als das Schiff geräumt ist, ist es 19 Uhr und Christoph wieder der Kapitän der Hansa-Starwanger.
01:00:18
Er ruft die Fregatte Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern an, die das Schiff von sicherem Abstand aus immer im Blick hatten.
01:00:25
Er fragt nach einem Arzt und Lebensmittel.
01:00:27
Christoph hat 15 Kilo verloren.
01:00:30
Mit der Nahrung kommen auch die SoldatInnen aufs Schiff.
01:00:34
Christoph ist vor Entspannung fast zum Weinen zumute.
01:00:37
121 Tage war er permanent in Alarmbereitschaft.
01:00:42
Die Last, die jetzt von ihm abfällt, wiegt tonnenschwer.
01:00:46
Geschützt durch die Marine laufen sie im Hafen von Mombasa ein.
01:00:50
Und dort geht es per Flieger nach Deutschland.
01:00:53
Es ist gegen 9 Uhr morgens, als Christoph auf der Polizeiwache am Münchner Flughafen in die tränengefüllten Augen seiner Frau Borzena schaut.
01:01:00
Borzena lässt in seinen Armen all die Emotionen raus, die sie die letzten Monate versucht hat zu unterdrücken, um von Deutschland aus für Christoph stark zu sein.
01:01:09
Weine nicht, Mäuschen. Es ist vorbei. Es ist zu Ende, sagt er.
01:01:15
Doch mit dem Tag, als die Piraten das Schiff verlassen haben, sind sie nicht wirklich verschwunden.
01:01:22
Sie sind noch immer da, in Christophs Kopf.
01:01:24
Er hört die Schüsse, riecht die Munition, hat Angst, wenn es dunkel ist.
01:01:29
Sie gehen nicht weg, bringen ihn noch immer zum Zittern und ins Schwitzen, lassen ihn nicht schlafen.
01:01:34
In einem Dokumentarfilm von Andreas Wolf, der den Titel Der Kapitän und seinen Pirat trägt, begleitet ein Kamerateam Christoph bei seiner Traumatherapie.
01:01:43
Da geht es nicht nur um die Angst wegen der Piraten, sondern auch um Christophs Verhältnis zu den Piraten und seiner Mannschaft.
01:01:51
In der Doku wird Christoph ein Ausschnitt gezeigt.
01:01:53
Zu sehen ist eines seiner deutschen Besatzungsmitglieder.
01:01:57
Der sagt, sein Fehler war, dass er dieses Kollegiale, diese Interaktion mit den Piraten gesucht hat.
01:02:04
Das Ergebnis ist das, dass die Mannschaft ihm nicht mehr vertraut.
01:02:07
Christoph gräbt sein Gesicht in einer Hand, als er das sieht.
01:02:11
Man kann den Schmerz sehen, der von den Worten verursacht wird.
01:02:16
Der Mann sagt, dass der Kapitän den Piraten Hinweise gegeben hätte.
01:02:19
Dass man den Druck auf den Räder erhöhen könne, wenn man Teile der Besatzung an Land bringen würde.
01:02:25
Wie kann denn ein Kapitän Piraten Hilfestellung geben im Bereich von Verhandlungstaktiken?
01:02:33
Christoph bricht das Abspielen der Sequenz ab.
01:02:36
Er will das nicht mehr sehen.
01:02:37
In Christophs Buch, Frohe Ostern, Hansa Starwanger, das ich als Grundlage für meinen Fall genommen habe,
01:02:43
schreibt er so gut wie nichts von der sich gegen ihn auflehnenden Crew.
01:02:48
Andreas Wolf hat auch Ahado getroffen.
01:02:50
Die Verschleppung der Geiseln sei von den Bossen an Land befohlen worden.
01:02:54
Auf Christoph Kotiuk hat keiner gehört, sagt er, und dass den Kapitän alle an Bord hassten.
01:03:01
Ahado aber nicht wirklich wusste, wieso.
01:03:04
Die Ablehnung der anderen habe den Kapitän einsam gemacht.
01:03:07
Deswegen habe er, Ahado, sich mit Christoph angefreundet.
01:03:12
Ich respektiere ihn wie einen Moslem, wie einen Somali, wie ein Elternteil.
01:03:18
Warum erkennt mich der somalische Pirat Ahado besser als meine eigene Mannschaft?
01:03:23
Fragt sich Christoph.
01:03:24
Und findet es ungerecht, dass er keine öffentliche Anerkennung dafür bekommt,
01:03:28
die Mannschaft da heil rausgebracht zu haben.
01:03:30
Er kann es einfach nicht verstehen.
01:03:32
Kurz nach der Befreiung wurde er auch von der Reederei fallen gelassen.
01:03:36
Offiziell, aus betrieblichen Gründen.
01:03:38
Christoph ist sich sicher, dass es bei er und seiner Frau sie öffentlich kritisiert haben.
01:03:43
Die Reederei bestreitet den Vorwurf, dass sie die Verhandlung nur habe Aussetzen.
01:03:48
Sie sagt, die Piraten seien unberechenbar gewesen und hätten täglich ihre Forderungen geändert.
01:03:53
Bei einem Prozess wegen einer Gütereinigung zwischen Reederei und Kapitän
01:03:58
wirft sie ihm außerdem vor, zu dicht an der somalischen Küste vorbeigefahren zu sein,
01:04:02
obwohl er 17 Mal darauf hingewiesen worden sei, das nicht zu tun.
01:04:07
Daraufhin stimmt Christoph aus dem Gerichtssaal.
01:04:09
Eine Lüge, sagt er, sichtlich angefasst von der Unterstellung.
01:04:14
Heil ist Christoph aus dieser Sache nicht rausgekommen.
01:04:17
Die Piraten haben ihm mehr genommen als seine Führungspositionen.
01:04:21
Heute wohnt Christoph in einem Dorf, wollte auch mit mir nicht nochmal zurückgehen in die Zeit.
01:04:27
Also irgendwie denkt man sich so, dieser Kapitän muss das alles durchleben und es dauert ewig, bis sich da geeinigt wird.
01:04:38
Und gefühlt lässt sich die Reederei da sehr viel Zeit.
01:04:43
Und dann wird ihm auch noch gekündigt.
01:04:46
Aber ich als Kapitän hätte dann da auch nicht mehr arbeiten wollen.
01:04:51
Also wie fühlt man sich denn da als Mitarbeiter, wenn das so gehandhabt wird?
01:04:58
Ja, also so wie die Reederei das darstellt, kann man das dann natürlich schon verstehen.
01:05:04
Also am Ende, es ist eine Geschichte aus Sicht von dem Kapitän.
01:05:09
Aber es stimmt ja trotzdem, dass das so lange gedauert hat, oder?
01:05:12
Ja, aber es kann ja auch stimmen, dass die Piraten halt jeden Tag neue Forderungen gestellt haben.
01:05:18
Aber was ich finde, was man ihm auch nicht so krass vorwerfen kann, ist jetzt, wie er reagiert hat oder wie er mit Entführern sozusagen in Kontakt gekommen ist oder interagiert hat.
01:05:30
Weil niemand weiß, wie man selber in so einer Situation reagiert.
01:05:35
Und ich würde jetzt mal von mir behaupten, wenn es über so einen langen Zeitraum geht, würde ich auch eher versuchen, ein gutes Verhältnis mit denen irgendwie aufzubauen.
01:05:44
Nur um meinen, damit das selber für mich einfacher wird.
01:05:48
Also was das Ding war, ist glaube ich, vorgeworfen hat ihm das ja niemand von draußen, sondern Leute, die halt auch mit an Bord waren.
01:05:56
Aber klar, ich denke mir auch, also wenn mir plus der gesamten Crew das helfen würde, da eher rauszukommen, dann gebe ich denen doch nicht nur Hinweise, wie man am besten mit der Reederei spricht, sondern auch die Adresse und was der Chef morgens zum Frühstück gerne isst.
01:06:16
Also das finde ich so ein bisschen seltsam, weil natürlich jeder irgendwelche Strategien entwickelt, um da irgendwie lebend rauszukommen.
01:06:24
Und wenn das ist, sich nicht die ganze Zeit bedroht zu fühlen von denen.
01:06:29
Ein anderer Deutscher von der Mannschaft, der hat auch ein Buch geschrieben.
01:06:34
Und das habe ich angefangen und so ein bisschen quer gelesen.
01:06:37
Und ich weiß jetzt am Ende nicht mehr, wieso, aber die Kritik an dem Kapitän fängt schon an, bevor das Schiff überhaupt in Piratenhand gerät eigentlich.
01:06:48
Also es ist voll von Vorwürfen, zumindest auf den Seiten, die ich da jetzt gelesen habe.
01:06:56
Dann hat der Kapitän auf der Brücke wohl auf der Couch geschlafen.
01:07:02
Es gab wohl eine Couch und in dem Buch wird das kommentiert mit, na, Hauptsache, er hat es bequem.
01:07:07
So nach dem Motto.
01:07:09
Also es scheint auch von anderer Seite her ziemlich emotional zu sein und man hat auch eine große Enttäuschung rausgelesen.
01:07:18
Ja, am Ende ist er auch für seine Crew verantwortlich.
01:07:21
Aus heutiger Sicht ist die Zeit zwischen 2009 und 2015 als Hochphase der Piraterie angesehen.
01:07:30
Und im Jahr 2009, also da, wo die Hansa Starwanger entführt wurde, da gab es laut Piracy Reporting Center insgesamt 406 Vorfälle von Piraterie und bewaffneten Raubüberfällen.
01:07:43
Und trotzdem galt damals die Hansa Starwanger nicht als sonderlich gefährdet.
01:07:49
Und Christoph Kotiuk schreibt in seinem Buch, dass das so war, weil bisher noch kein erfolgreicher Angriff eines Schiffs gemeldet wurde, das über 15 Knoten fuhr.
01:07:59
Allerdings war die Hansa wegen einer anderen Sache sehr attraktiv für die Piraten.
01:08:04
Warst du schon mal auf einem Kreuzfahrtschiff?
01:08:07
Nein, und möchte ich bitte auch niemals in meinem ganzen Leben.
01:08:10
Okay, wir werden nachher noch hören, warum nicht.
01:08:12
Auf jeden Fall sind diese Schiffe ja sehr hoch und die Bordwände sind auch sehr hoch.
01:08:17
Und das ist bei Containerschiffen halt eben nicht so.
01:08:20
Und deswegen werden Kreuzfahrtschiffe im Gegensatz zu Containerschiffen auch kaum angegriffen.
01:08:24
Das liegt natürlich auch an den Routen, die sie fahren, dann an diesen hohen Bordwänden und aber auch daran, dass sie bis zu 20 Knoten fahren können.
01:08:30
Und das halt schon ziemlich schnell.
01:08:32
Und trotzdem sind natürlich auch schon Kreuzfahrtschiffe angegriffen worden.
01:08:36
Zum Beispiel im November 2012, da machten Piratenanstalten die Azamara Journey am Golf von Oman zu übernehmen.
01:08:45
Die Traumschiffmannschaft, die konnte die Angreifer da aber noch mit Leuchtraketen abwehren.
01:08:50
So ein Kreuzfahrtdampfer wäre aber natürlich sehr attraktiv für die Piraten, weil ja so viele Leute aus sehr unterschiedlichen Ländern darauf sind.
01:08:58
Und das ist ja für die Erpressung, ist das ja sehr gut.
01:09:01
Ich habe mich jetzt natürlich gleich gefragt, also wenn so Container- und Handelsschiffe diese gefährlichen Routen nehmen und man weiß ja, dass das gefährliche Routen sind, warum bewaffnet man die Schiffe denn nicht?
01:09:14
Und die Antwort ist, man durfte es halt lange Zeit in Deutschland nicht.
01:09:18
Erst seit 2013, als das Problem dann halt wirklich doll war, ist in Deutschland die Seeschiffsbewachungsverordnung in Kraft getreten.
01:09:27
Und seitdem können die Reedereien sich jetzt verifizierte Dienstleister buchen, die bewaffnete Wachleute mit auf die Schiffe schicken, die unter deutscher Flagge fahren.
01:09:37
Wenn Schiffe nicht unter deutscher Flagge gefahren sind, dann war das halt schon vorher möglich, je nachdem, wie das in dem Land geregelt ist.
01:09:43
Es ist aber auch so, diese Waffen, die kommen halt gar nicht so oft zum Einsatz, denn alleine die Präsenz der Sicherheitsleute, die schreckt schon ab.
01:09:50
Also es ist natürlich ein Unterschied, ob ich jetzt ein Schiff kapern will, von dem ich weiß, dass niemand eine Waffe tragen darf oder halt ein Schiff, auf dem extra Leute engagiert sind, die zur Verteidigung ausgebildet wurden.
01:10:01
Es gab aber auch schon Fälle, wo Piraten auf das reagiert haben und dann halt mit 30 Schnellbooten attackiert haben.
01:10:09
Und da wird es dann halt auch schwierig für diese Sicherheitsleute, weil das sind dann irgendwie vier oder so und die können ja auch nicht überall sein.
01:10:16
Aber das ist einer der Gründe, warum die Piraterie seitdem vor allem vor Somalia stark zurückgegangen ist.
01:10:22
Aber auch, weil dort die EU eine Marineoperation zum Schutz einsetzte.
01:10:27
Also gerade für so humanitäre Hilfsleistungen, weil das sind halt auch oft die Boote, die dann angegriffen werden, also die halt Güter transportieren, die eigentlich zur Hilfe halt auch dienen sollen.
01:10:36
Davor war es halt so, dass die Region vor Somalia und besonders der Golf von Aden als eine der gefährlichsten Regionen der Welt galten.
01:10:44
Und das lag vor allem daran, dass seit dem Sturz der Regierung 91 Somalia als Failed State galt, es daraufhin keine funktionierende Regierung mehr gab und die Gewässer nicht mehr überwacht wurden.
01:10:55
Und ausländische Hochseefischereiflotten den ganzen Fisch vor Somalia abfischten.
01:11:00
Und das hatte halt zur Folge, dass die Bevölkerung sehr arm wurde.
01:11:04
Und damit wurde Piraterie dann halt echt zu so einer alternativen Lebensgrundlage.
01:11:08
Heute ist dieses Gebiet halt keine Piratenhochburg mehr.
01:11:12
Aber ich habe mir vorhin mal die Live-Piracy-Map angeschaut.
01:11:16
Und da gab es dieses Jahr einen versuchten Angriff am Golf von Aden.
01:11:21
Sehr viel mehr gab es am Golf von Guinea, also an der Westküste von Afrika und östlich von der Straße von Singapur.
01:11:28
Was ist diese Live-Map?
01:11:31
Da kann man live sehen, wer gerade gekidnappt wird oder wie?
01:11:35
Also nicht wer gerade, aber während dem Jahr 2021.
01:11:37
Ja, und da stehen halt so versuchte Angriffe, bewaffnete Angriffe.
01:11:42
Ja, sowas steht da.
01:11:45
Ja, das mehr ist auch so ein bisschen Eldorado für Kriminelle, zumindest laut der EU.
01:11:49
Die sprechen seit 2019 von einer weltweiten Sicherheitsbedrohung.
01:11:55
Weil jetzt neben dieser Piraterie und jetzt vereinzelten Tötungsdelikten, wie aus meinem Fall, gibt es ja noch andere, viele Verbrechen auf hoher See.
01:12:04
Also Waffenschmuggel, Menschen- und Drogenhandel, aber dann halt auch so Sachen wie illegaler Fischfang, illegale Versorgung von Müll, Plünderung von Rohstoffen und so weiter.
01:12:16
Also vor allem so Sachen, die die organisierte Kriminalität angeht und die, die halt auch die Globalisierung ziemlich für sich nutzen.
01:12:23
Aber auch zum Beispiel auf Kreuzfahrtschiffen gibt es immer wieder Straftaten.
01:12:28
Und das ist kein Wunder, wenn man sieht, wie sich die Menschen da am Buffet verhalten.
01:12:32
Wenn es dann halt Gruppenfütterung um 18 und um 20 Uhr gibt, dann ist da erstmal die Hölle los, um zwei Minuten nach acht.
01:12:40
Du meinst Raubtierfütterung.
01:12:42
Ja, also laut dem kanadischen Soziologen Ross Klein kommt es da sogar prozentual zu mehr Straftaten als an Land.
01:12:51
Wobei Vergewaltigungen auf so Kreuzfahrtschiffen zu den häufigsten Delikten zählen.
01:12:58
Und das Problem ist da halt, dass die Strafverfolgung auf dem Meer auch ein bisschen komplizierter ist als an Land.
01:13:03
Wie da strafverfolgt wird, das liegt ja auch daran, wer wo hier fährt und wo dieses Verbrechen dann stattgefunden hat.
01:13:11
Das Seerecht teilt die Meere in verschiedene Rechtszonen auf.
01:13:15
Also Beispiel die zwölf Seemeilen, also 22 Kilometer vor dem Küstenstreifen.
01:13:21
Die gelten als Hoheitsgewässer und damit gilt das nationale Recht des Landes.
01:13:26
Und je weiter man sich von der Küste wegbewegt, desto weniger Rechte hat das Land vor deren Küste man sich befindet.
01:13:32
Und hinter den Hoheitsgebieten bis zu 200 Seemeilen von der Küste entfernt, da befindet sich noch die ausschließliche Wirtschaftszone.
01:13:40
Und hier ist das so, dass das Land zwar über Rechte verfügt, die sich aber nicht auf das Meer selbst, sondern nur auf die Ressourcen beziehen.
01:13:47
Also heißt, der Küstenstaat darf dort zum Beispiel Windanlagen bauen oder fischen, was andere Staaten halt nicht dürfen.
01:13:55
Rechtlich interessant wird es dann auf hoher See, also hinter dieser ausschließlichen Wirtschaftszone.
01:14:02
Da beginnen nämlich die internationalen Gewässer.
01:14:05
Und da gilt das internationale Seerecht, was so einige Besonderheiten mit sich bringt, wie uns Valentin Jeutner, Völkerrechtler an der Universität Lund, im Interview erzählt hat.
01:14:16
Wenn man in diesen Gewässern ist, dann hängt das Gesetz von der Flagge ab, die das Schiff führt, um das es geht.
01:14:27
Also wenn zum Beispiel ein deutsches Schiff sich auf internationalen Gewässern befindet, auf hoher See befindet, dann gilt auf diesem deutschen Schiff, wenn es eine deutsche Flagge führt, deutsches Recht.
01:14:42
Das heißt, wenn man das mit dem Land vergleichen würde, wäre das so, als würde man mit einem deutschen Bus nach Frankreich fahren und mit diesem Bus würde das deutsche Recht mitfahren.
01:14:53
Nun wissen wir ja, dass viele Schiffe unter anderer Flagge fahren.
01:14:57
Das macht man vor allem halt auch, um Kosten zu senken zum Beispiel.
01:15:00
Denn ein deutsches Schiff, was nicht unter deutscher Flagge fährt, muss den MitarbeiterInnen an Bord auch nicht den deutschen Mindestlohn zahlen.
01:15:08
Und das ist für Kreuzfahrtschiffe natürlich auch durchaus attraktiv.
01:15:12
PassagierInnen sollte aber schon bewusst sein, was das für einen selbst bedeutet, wenn das Schiff nicht unter der Flagge des eigenen Landes fährt.
01:15:21
Das kann nämlich wichtig werden, beispielsweise, wenn man halt eben Opfer eines Verbrechens wird.
01:15:26
Ja, so ist es zum Beispiel ja so, wenn man jetzt auf einem Kreuzfahrtschiff ist, das unter der Flagge von den Malediven fährt, dann herrscht da halt auch die Scharia als Gesetz.
01:15:34
Und das witzst du halt als nice, deutsche Person vielleicht auch nicht.
01:15:38
Ja, guck, und sowas kann doch zum Beispiel wichtig sein, wenn man Opfer eines Verbrechens wird, wie zum Beispiel einer Vergewaltigung.
01:15:46
Im Fall einer Vergewaltigung einer deutschen Person, beispielsweise durch eine österreichische Person, an Bord eines Schiffes, das die philippinische Flagge führt und sich auf hoher See, also in internationalen Gewässern befindet, gilt in erster Linie philippinisches Recht.
01:16:02
Das heißt auch, dass die Philippinen dann in erster Linie für die Untersuchung des Tatortes und die Strafverfolgung der entsprechenden Personen verantwortlich sind.
01:16:11
Gleichzeitig ist es aber auch so, dass auch das deutsche Strafrecht für Taten zur Anwendung kommen kann, die im Ausland gegen einen Deutschen begangen werden, wenn die Tat am Tatort auch mit Strafe bedroht ist.
01:16:26
Das heißt, wenn also die Tat, die sich an Bord des philippinischen Schiffes ereignet hat, beispielsweise eine Vergewaltigung, nach philippinischem Recht verboten ist und sich diese Vergewaltigung gegen eine deutsche Person richtet, dann kann auch deutsches Strafrecht zur Anwendung kommen.
01:16:44
Und wenn Deutschland in so einem Fall aktiv werden will, also jetzt zum Beispiel auf das entsprechende Schiff will, dann müssen sie aber die philippinischen Behörden um Erlaubnis fragen.
01:16:53
Aber man merkt schon, die Strafverfolgung kann halt kompliziert werden, so wie auch 2019 in einem Fall.
01:16:59
Eine 17-jährige Britin beschuldigt einen 18-jährigen Italiener, sie um 5 Uhr morgens in seine Kabine gezerrt und vergewaltigt zu haben.
01:17:07
Der Luxusdampfer MSC de Vina war gerade auf dem Weg von Palma de Mallorca nach Valencia auf hohen Gewässern und fuhr unter der Flagge von Panama.
01:17:18
Kommt ihr alle noch mit?
01:17:20
Der Verdächtige wurde in Valencia dann verhaftet, aber wieder freigelassen, weil das spanische Gericht ja gar nicht zuständig war.
01:17:29
Hätte es nach spanischem Recht aber sein können, aber nur, wenn halt Opfer oder Täter spanischer Herkunft gewesen wären.
01:17:36
Und das waren sie ja nicht.
01:17:37
Ich habe jetzt keine Artikel darüber gefunden, wie das Ganze ausgegangen ist, nur dass das Schiff ohne den Typen von Valencia aus weitergefahren ist.
01:17:44
Aber ich sage mal so, ich habe ein schlechtes Gefühl dabei, weil wie groß ist Panamas Interesse jetzt, diesen Fall zu verfolgen,
01:17:51
wenn kein einziger Beteiligter oder keine einzige Beteiligte Staatsbürgerin von Panama war.
01:17:59
Also das ist ja echt übel.
01:18:01
Was macht man dann, die arme, also wenn es jetzt wirklich so war, dieses arme Mädchen?
01:18:06
Ja, zumindest, dass es verfolgt wird, ne?
01:18:09
Also das wäre ja schon nice gewesen. So, weiß ich halt nicht, weil wissen wir nicht.
01:18:15
Ja, und wir wurden ja auch mal in einem Interview nach dem Ort für den perfekten Mord gefragt.
01:18:19
Und da meintest du ja auch gleich, am besten wäre es auf einem Kreuzfahrtschiff.
01:18:25
Ja, weil ich mal einen Crime-Podcast gehört habe. Ich glaube, es war der Stern-Crime-Podcast mit Alexander Stevens.
01:18:32
Und der Strafverteidiger hatte da gesagt, dass er das für die beste Methode hält, weil die Leiche ja nicht gefunden wird.
01:18:41
Jetzt muss ich aber sagen, da bin ich mittlerweile wieder von ab. Irgendwer hat neulich nämlich mal in einem Interview gesagt, dass Bergsteigen halt nicht nur gefährlich ist, weil man da irgendwo leicht abrutschen kann oder so, sondern dass man sich da auch mal genau überlegen sollte, mit wem man das macht.
01:18:55
Ja, und da gibt es halt auch nicht so richtig Kameraüberwachung.
01:18:59
Nee, das ist an Bord anders, wobei ja auch nicht alles überwacht wird da.
01:19:04
Ja, aber es stimmt ja, dass eben Leichen meistens nicht wieder auftauchen und dadurch auch die Spuren für ein Fremdverschulden halt irgendwie verschwunden sind.
01:19:17
Aber es ist auch so, dass die meisten Reedereien halt auch ein Interesse an einer Geheimhaltung haben, wenn da was passiert.
01:19:24
Also wenn eine Person an Bord vermisst wird, dann dringen so wenig Informationen wie möglich nach außen.
01:19:30
Laut dem Anwalt Stevens kommt es auch immer wieder dazu, dass hohe Geldsummen an Hinterbliebene gezahlt werden, um ihr Schweigen zu kaufen, damit halt das Image der Reederei nicht beschädigt wird.
01:19:40
Und dadurch, dass viele Kreuzer in Ländern registriert würden, die es mit allgemeinen rechtsstaatlichen Grundsätzen nicht so genau nehmen, ist es dann auch manchmal eben ein Problem, wenn Deutsche vermisst werden, weil dann die deutsche Polizei nicht so agieren kann natürlich, wie sie das machen würden auf deutschem Boden.
01:19:57
Also die müssen da erstmal hinkommen und die Reedereien müssen die auch nicht unbedingt an Bord lassen.
01:20:03
Und weil das für Angehörige von Opfern natürlich total tragisch ist, hat sich sogar mittlerweile so ein Verein gegründet, die International Cruise Victims Association, die sich dafür einsetzt, die Rechte für Personen an Bord von Kreuzfahrtschiffen zu stärken und den Angehörigen der Opfer zu helfen.
01:20:18
Und die haben halt so eine Homepage und da läuft oben so ein Banner mit Fotos von Opfern ab, das gefühlt gar nicht mehr aufhört.
01:20:25
Und tatsächlich verschwinden laut Professor Ross Klein, von dem ich eben mal geredet habe, von der kanadischen Uni, pro Jahr um die 20 Personen von Kreuzfahrtschiffen.
01:20:34
Also es passiert schon immer wieder und er hat diese Fälle untersucht und in den meisten geht er von Suizid aus, aber bei jedem dritten Fall glaubt Klein an einen kriminellen Hintergrund.
01:20:44
Und so einen vermuten die italienischen Behörden jetzt auch bei einem Fall, in dem ein deutscher Tatverdächtiger ist, und zwar Daniel B.
01:20:51
Der geht am 9. Februar 2017 zusammen mit seiner Frau Xing Lai Li und den zwei kleinen Söhnen in Italien an Bord der MSC Magnifica, einem fast 300 Meter langen Kreuzfahrtschiff mit Platz für 2500 PassagierInnen.
01:21:06
Als das Pärchen am nächsten Tag die Hafenstadt Genua besucht, gibt es einen lautstarken Streit, den andere UrlauberInnen mitbekommen.
01:21:13
Und nach diesem Landgang checkt Xing Lai Li wieder mit ihrer Bordkarte auf dem Schiff ein und wird am nächsten Tag auch noch einmal beim Abendessen gesehen.
01:21:22
Doch danach ist sie spurlos verschwunden.
01:21:24
Dass eine Passagierin fehlt, fällt aber erst am Ende der Reise auf und Daniel B. wird verhaftet.
01:21:30
Laut ihm habe sich seine Frau von ihm getrennt und sei jetzt auf dem Weg zurück nach China, wo sie eine Affäre hätte.
01:21:38
Sie sei schon immer eine, Zitat, merkwürdige Persönlichkeit gewesen, erzählt er der Polizei dann so als Art Erklärung, wieso er sie nicht als vermisst gemeldet hat.
01:21:50
Aber die Polizei glaubt ihm nicht.
01:21:51
Die glaubt vielmehr, dass Daniel B. seine Frau getötet und in ihren Koffer über Bord geworfen hat.
01:21:57
Und kurze Zeit später treibt dann tatsächlich ein Koffer am Strand von Rimini an.
01:22:03
Da drin ist aber nicht Xing Lai Li, sondern ein russisches Model.
01:22:08
Ist nicht dein Ernst.
01:22:10
Aber es ist auch nicht ihr Koffer gewesen.
01:22:12
Das wäre eine Zaubershow gewesen.
01:22:14
Das wäre absurd.
01:22:16
Ja, also ich hätte diesen Fall ja gerne erzählt hier im Podcast, aber der Prozess hat noch nicht angefangen und man weiß auch nicht genau, wann er in Italien starten soll.
01:22:26
Aber ja, wir werden das mal im Blick behalten.
01:22:29
Vielleicht taucht sie ja auch wieder auf in China.
01:22:32
Vielleicht stimmt das ja alles.
01:22:33
Aber dann wäre sie vor ihm von Bord, also dann wäre sie von Bord gegangen.
01:22:37
Ohne, dass es jemand mitbekommen hätte.
01:22:39
Jetzt kommt der krasse Fall, den ich am Anfang angekündigt habe.
01:22:47
Kennst du die Gebräuche der See?
01:22:49
Ist das ein Buch?
01:22:50
Oder was soll das sein?
01:22:53
Die Gebräuche der See von Kundera.
01:22:57
Nee, also ein gesprochenes Gesetz.
01:23:02
Und die solltest du kennen, wenn du auf dem Schiff unterwegs bist.
01:23:07
Ich sag dir jetzt warum.
01:23:09
Der australische Rechtsanwalt John Henry Wand kauft 1884 in England eine Yacht und heuert eine Mannschaft an, die für ihn das Boot, die 13.000 Seemeilen, nach Australien überführen sollte.
01:23:21
Die Mannschaft besteht aus vier Leuten.
01:23:23
Kapitän Tom Dudley, Edwin Stevens, Edmund Brooks und dem 17-jährigen und unerfahrenen Kabinjungen Richard Parker.
01:23:31
Nordwestlich des Cups der guten Hoffnung gerät das Schiff wegen eines Sturms in Seenot und sinkt binnen weniger Minuten.
01:23:39
Der gesamten Mannschaft gelingt es zwar, sich ins Beilboot zu retten, doch schaffen sie nicht mehr mitzunehmen, außer zwei Dosen Rüben.
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Trinkwasser haben sie nicht.
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Nach zwei Tagen öffnen sie die erste Dose, die dann für zwei Tage hält.
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Am 9. Juli fangen sie eine Schildkröte, trinken aber nicht ihr Blut, weil sie Angst haben, dass es mit salzigem Seewasser verschmutzt ist.
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Doch das Fleisch und die Knochen reichen mit der zweiten Dose Rüben für eine weitere Woche.
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Sie trinken unter anderem ihren eigenen Urin.
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Trinkwasser gibt es nämlich nicht.
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Am 20. Juli, 15 Tage nach dem Schiffsbruch, wird der 17-jährige Parker krank und Stevens fühlt sich auch unwohl.
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Mehrmals beraten sie sich darüber, ob sie Lose ziehen sollen, um einen von ihnen zu essen und so das Überleben der anderen zu sichern.
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In einer Nacht spricht Captain Dudley noch einmal mit Stevens darüber und sagt, dass er und Stevens Ehefrauen und Familie hätten und auch, dass Parker wahrscheinlich eh sterben würde.
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Wow, der ist der jüngste von allen.
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Dudley und Stevens tauschen Blicke aus.
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Dann spricht Dudley ein Gebet und er sticht Parker.
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Mit einem Chronometergefäß fängt er das pulsierende Blut auf.
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Stevens hält die Beine des Jungen fest, damit er sich nicht wehren kann.
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Auf dem Bootsrand zerlegt Dudley den Toten und schneidet das Fleisch in Streifen, damit es später aufbewahrt werden kann.
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So können sie vier bis fünf weitere Tage überleben, bevor sie am 29. Juli von einem deutschen Schiff gerettet werden.
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Zurück in England berichten sie die Vorkommnisse und reden dabei auch offen über den Kannibalismus, weil sie sich durch die Gebräuche der See im Recht sehen.
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Das war damals ein nicht verschriftlicher Verhaltenskodex, der Kannibalismus während eines Notstands unter gewissen Umständen legitimierte.
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Der Fall wird von der Polizei ans Handels- und Innenministerium weitergegeben und die Männer festgenommen.
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Der Fall erlangte weltweite Bekanntheit, wobei die Öffentlichkeit voll hinter dem Beschuldigten steht.
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Wohl auch, weil der Bruder Parkers, also des Opfers, ebenfalls ein Seemann war und allen drei die Hände schüttelte.
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Wegen der Gebräuche der See ist bis zu diesem Zeitpunkt kaum ein Überlebender für eine solche Tat verurteilt worden.
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Die englische Justiz machte Dudley und Stevens, die sich ja völlig unschuldig fühlten, zu einem Präzedenzfall.
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Geltendes Recht soll auch auf hoher See eingehalten werden.
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Also werden Dudley und Stevens wegen Mordes zum Tode verurteilt.
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Zum Verhängnis wurde den beiden der Umstand, dass sie Opfer und Henker nicht wie üblich ausgelost, sondern bestimmt hatten.
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Sie hatten sich also nicht an die Regeln gehalten.
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Üblich waren unterschiedlich lange Lose.
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Und wer das Kürzeste zieht, der muss sich opfern.
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Das Zweitkürzeste bestimmte, wer das Opfer zu töten hatte.
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Brooks, der als Kronzeuge auftrat, wurde nicht verurteilt.
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Er hatte halt den Jungen auch gegessen, aber er war jetzt nicht direkt an dem Mord beteiligt.
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Aber warte mal, aber wenn die jetzt dieses Ritual da gemacht hätten mit den Losen, dann wäre das jetzt nicht so geendet?
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Das weiß man natürlich nicht, wie das Gericht es dann entschieden hätte oder ob man das dann nicht zur Verhandlung weitergegeben hätte.
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Früher oder später wäre das sicherlich so oder so irgendwann mal verhandelt worden vor Gericht.
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Aber bei den beiden war es dann auch so, dass der Innenminister die Strafe in eine sechsmonatige Haftstrafe umwandelte.
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Also von Todesstrafe auf sechs Monate finde ich jetzt auch fair.
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Findest du fair?
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Ich meine, das hat ja sicherlich da auch niemand gerne getan.
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Und es ging ja auch darum zu überleben.
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Ich glaube, in den Momenten bist du in so einem krassen Ausnahmezustand.
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Und natürlich ist es weiterhin eine Straftat, aber ich finde, eine Todesstrafe wäre da echt überhaupt nicht angemessen gewesen.
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Aber die haben auch schon den Schwächsten da jetzt umgenietet, ne?
01:27:30
Ja, ja klar, aber eine Todesstrafe hätte ich da jetzt echt nicht.
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Und die sechs- bis siebenjährige Paulina, die konnte das schon damals sehr gut nachvollziehen.
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Du erinnerst dich ja nicht so gern an peinliche Sachen, weil dein Gehirn das ausradiert, ne?
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Mein Gehirn ist ja eher so, Jahre später verarbeitet ist es noch so um drei Uhr nachts dann nochmal.
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Und wir hatten mal in der Grundschule, weiß ich noch, über Armut oder so gesprochen.
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Und dass dann halt auch viele den Hungertod sterben, weil sie nichts zu essen haben.
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Und meine Frage an die Lehrerin war dann halt damals, warum die denn nicht ihre Verwandten essen, wenn die tot sind?
01:28:15
Und dann hat meine Lehrerin mich gefragt, würdest du denn deine Eltern essen, wenn die tot sind?
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Und Mini Paulina, die ja noch nicht so viel über den Tod wusste, hat ganz selbstbewusst gesagt, ja.
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Und dann haben alle gelacht und jetzt möchte ich sagen, ein Streichholz würde mir nach den Gebräuchen der See sogar das Recht dazu geben.
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Frau Schätzle, bitte erst mal selbst hier informieren, bevor man andere belehrt.
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Ja, aber doch nur auf See.
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Nicht in der Badewanne, oder wo du das dann?
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Also habe ich mir damals von Erwachsenen einreden lassen, dass das unnormal wäre.
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Man glaubt ja halt auch sehr viel als kleines Kind, ne?
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Ja, mir wurde früher eingeredet, dass wenn ich zu lange schiele, dass die Augen dann so stehen bleiben.
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Und das habe ich auch geglaubt.
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Deswegen habe ich das dann immer nur ganz kurz gemacht.
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Meine Mutter hat mir damals gesagt, dass man blind wird, wenn man Wimperntusche ins Auge kriegt.
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Damit sie mich so vom Schminken fernhalten kann.
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Denkst du denn manchmal noch daran, jetzt wenn du dir Wimperntusche draufkommst?
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Nee, aber habe ich lange Zeit.
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Das sind eh die witzigsten Geschichten.
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die man so als Kind eingeredet bekommen hat.
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So, weil man leichtfertig einfach alles geglaubt hat.
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Ja, und wenn ihr uns jetzt nicht sofort bei allen Podcast-Anbietern abonniert, dann fallen
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euch alle zehn ab.
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Da habe ich mich neulich ja mal zu belesen.
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Und das wäre übel, weil gerade der große Onkel ist super wichtig für das Gleichgewicht.
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Das hat noch was mit der Zeit zu tun, als wir an Lian gehangen haben.
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