00:00:00
Ich sag dir, es ist ganz komisch, jetzt wieder vor dem Mikrofon zu sitzen.
00:00:15
Komisch und auch ein bisschen doof.
00:00:18
Also doof würde ich nicht sagen, weil ich hab mich schon auch wieder gefreut, ein bisschen zu arbeiten.
00:00:24
Weißt du noch, wie das...
00:00:26
Oh Gott, du guckst...
00:00:27
Ich nicht. Wieso hast du dich gefreut?
00:00:29
Ich nicht. Wieso hast du dich gefreut?
00:00:30
Ich war früher auch so die in der Schule, die dann nach sechs Wochen Sommerferien hat sie schon eine Woche vorher den Schulranzen gepackt und sich über die neuen Schulmaterialien und neuen Hefte und so gefreut.
00:00:41
Und hat jedes Mal gedacht, ab jetzt werde ich voll organisiert und zieh's richtig doll durch. Und das Gefühl hatte ich jetzt wieder.
00:00:47
Mit Schönschrift auch dann, den ersten Tag. Nee, aber gut, bei sechs Wochen, ja, da war ich auch so. Aber ich find, das Gefühl hatte sich jetzt noch nicht so bei mir eingestellt.
00:00:58
Bei mir voll, weil wir haben ja noch nie zwei Wochen nicht für Mordlust gearbeitet, ohne nicht davor eine Folge vorzubereiten, die dann in den zwei Wochen gespielt wird.
00:01:08
Also das war ja so diese erste richtige Sommerpause.
00:01:10
Und du hast auch gar nicht gearbeitet? Nicht mal so eine kleine E-Mail geöffnet oder so?
00:01:17
Sag mir nicht, du hast das Skript schon fertig für die neue Folge.
00:01:28
Die Angst in meinen Augen.
00:01:30
Nee, aber ich hab während der zwei Wochen was für Social Media gemacht, für Mordlust auf Instagram, Mordlust der Podcast, weil ich ja mal unbedingt an diesen Ort Tenno wollte.
00:01:43
Ach so, das meinst du?
00:01:45
Das ist der Ort, in dem Alba Chiara getötet wurde von, ja, hab ich in dieser Femizid-Folge, 45? Ja, sie nickt, berichtet.
00:01:55
Und da ging's ja darum, dass ihr diese Gedenktafel errichtet wird und das wollten halt viele aus diesem Dorf Tenno nicht, weil man da teilweise nicht wahrhaben wollte, dass da ein angesehener junger Mann seine Freundin tötet, weil er sie nicht verlieren wollte.
00:02:10
Und man wollte vor allem auch nicht an diese Tat erinnert werden.
00:02:13
Auf jeden Fall wollte ich unbedingt mal nach Tenno, um in diesen Ort anzusehen und ich wollte auch zur Gedenktafel.
00:02:18
Und dazu hab ich dann ja einen Post auf Mordlust gemacht.
00:02:22
Und das hat übrigens Alba Chiaras Vater mitbekommen.
00:02:27
Ja, ich hatte damals ja schon so ein bisschen mit ihm Kontakt, aber halt nicht persönlich, also nicht selber, sondern über die Journalistin Margareta Bertoni, die den Fall halt damals dann begleitet hat, mit der wir auch ein Interview geführt hatten.
00:02:39
Und jetzt hat er mir aber geschrieben auf Instagram, nachdem er das gesehen hat, dass ich da war, und zwar mit Google Translator, ob wir uns nicht auf einen Kaffee treffen möchten.
00:02:48
Nein, wie süß ist das denn?
00:02:52
Ja, und das hätte ich auch sehr gerne gemacht, aber ich war da schon wieder abgereist, als er mir geschrieben hat.
00:02:57
Aber er hat unseren Beitrag auch bei sich auf der Facebook-Seite gepostet.
00:03:01
Er hat auf Deutsch Danke geschrieben.
00:03:05
Ich freue mich immer, wenn sich Angehörige von Opfern bei uns melden und dann zum Beispiel sagen, dass sie froh sind über die Art unserer Berichterstattung oder dass wir mit, ja, mit unseren Geschichten die Erinnerung an die Menschen am Leben halten.
00:03:25
Ja, und dann dachte ich, hat sich das dann auch gelohnt, dass ich bisher gearbeitet habe.
00:03:30
Und damit herzlich willkommen zu Mordlust, einem True-Crime-Podcast von Funk, von ARD und ZDF.
00:03:34
Wir reden hier über wahre Verbrechen und ihre Hintergründe.
00:03:37
Mein Name ist Paulina Kraser.
00:03:39
Und ich bin Laura Wohlers.
00:03:40
In jeder Folge gibt es ein bestimmtes Oberthema, zu dem wir zwei wahre Kriminalfälle nacherzählen, darüber diskutieren und auch mit Expertinnen darüber sprechen.
00:03:47
Wir sind hier auch mal ein bisschen lockerer miteinander.
00:03:49
Das hat aber nichts damit zu tun, dass uns die Ernsthaftigkeit fehlt.
00:03:53
Das ist für uns immer so eine Art Comic-Relief, damit man zwischendurch auch mal aufatmen kann.
00:03:58
Das ist aber natürlich nicht despektierlich gemeint.
00:04:00
Heute geht es bei uns um die Paranoia, genauer um Menschen, die aufgrund ihrer paranoiden Erkrankung Verbrechen begehen.
00:04:07
Und auch wenn das von außen nicht ganz so leicht abzugrenzen ist, müssen wir einmal der Korrektheit halber die Form der Erkrankung mit paranoiden Symptomen aufdröseln, die jetzt für unsere Folge wichtig sind.
00:04:18
Da gibt es zum einen die paranoide Persönlichkeitsstörung.
00:04:21
Und die zeichnet sich dadurch aus, dass die Betroffenen ein übermäßiges und nicht gerechtfertigtes Misstrauen in andere haben.
00:04:28
So wie die Frau Bolas.
00:04:29
Und Situation teilweise...
00:04:32
Ich bin doch der naivste Mensch.
00:04:34
Ich glaube doch alles, was man mir verkauft.
00:04:40
Ja, okay, stimmt.
00:04:42
Das sieht man vor allem an deinem Instagram-Kaufverhalten.
00:04:46
Einmal was in der Story gesehen, zack, im Warenkorb.
00:04:51
Achso, du meinst, dass ich mir immer kaufe, was mir die Influencer empfehlen?
00:05:01
Ja, also wer wie misstrauisch ist, können wir ja vielleicht alle nachher mal testen.
00:05:07
Okay, hab Angst.
00:05:09
Also auf jeden Fall ist auch ein Symptom, dass man sich immer angegriffen fühlt.
00:05:14
Und ich glaube, diese Erfahrung haben auch einige vielleicht schon im Bekanntenkreis gemacht.
00:05:18
Man kann sich ja jetzt mal fragen, ob man solche Personen kennt, die überempfindlich bei Zurückweisung reagieren oder eine pathologische Eifersucht haben.
00:05:25
Also wenn zum Beispiel ein Mann eine Nachricht von seiner Friseurin bekommt, dass sie den Termin heute absagen muss und die Freundin ihm dann unterstellt, mit der Friseurin eine Affäre zu haben.
00:05:35
Weil ansonsten würde sie ihm ja nicht die Nachricht aufs Handy schicken oder irgendwie so.
00:05:40
Und ehrlicherweise haben wir diese Art von Verhalten auch oft bei Fällen gesehen, wo eine frühere Beziehung dann später im Stalking geendet ist.
00:05:49
Ja, aber das war doch auch irgendwie so bei dem Stalking-Fall, den du hattest, mit auch so einer Nachricht.
00:05:54
Stimmt, der hatte irgendwie an ihrem Tablet da rumgefummelt.
00:05:58
Da war irgendwas mit einer Nachricht unten im Hotel.
00:06:00
Und dann hat er direkt gedacht, die hat was mit dem Hotelmitarbeiter oder so.
00:06:04
Na siehst du, du weißt das doch.
00:06:05
Frag mich doch nicht.
00:06:08
So, also das ist das eine.
00:06:09
Also wir haben jetzt über diese paranoide Persönlichkeitsstörung gesprochen.
00:06:12
Dann gibt es aber noch die paranoide Schizophrenie.
00:06:14
Und darum geht es bei uns heute hauptsächlich.
00:06:16
Und die geht mit einem Wahn einher.
00:06:19
Also dass man die Realität total falsch beurteilt und Überzeugungen hat, die ganz fernab der Realität sind.
00:06:25
Oder auch Halluzinationen.
00:06:27
Und bei über 80 Prozent der Betroffenen treten auch akustische Halluzinationen auf.
00:06:31
Und das ist das, was dann viele immer beschreiben, als dass sie Stimmen hören.
00:06:34
Betroffene leiden auch unter einer sogenannten Ich-Störung.
00:06:37
Also heißt, ihnen fehlt die Fähigkeit, sich selbst und die Umwelt voneinander abzugrenzen.
00:06:42
Das äußert sich dann zum Beispiel darin, dass die Betroffenen denken, andere können ihre Gedanken lesen oder sie ihnen auch wegnehmen.
00:06:49
Die Erkrankung ist recht komplex.
00:06:52
Also das heißt, man hat unterschiedliche Symptome gleichzeitig.
00:06:54
Im Gegensatz zu der Paranoia.
00:06:57
Das ist nämlich eine anhaltende, wahnhafte Störung.
00:06:59
Die muss man mindestens einen Monat lang haben, damit sie diagnostiziert wird.
00:07:03
Da hat man dann auch Wahngedanken.
00:07:05
Also zum Beispiel, ich bin Jesus.
00:07:07
Und dieser Wahngedanke ist bei mir auch unkorrigierbar.
00:07:10
Aber der tritt dann alleine auf.
00:07:13
Also die Personen haben dann keine Halluzinationen zum Beispiel oder hören Stimmen, sondern sind einfach von dieser völlig absurden Überzeugung.
00:07:19
Aber die Paranoia an sich kommt einfach super selten vor.
00:07:24
Vielleicht hatte Jesus ja Paranoia.
00:07:27
Weil ich meine, der hatte ja eine Überzeugung von sich.
00:07:33
Und hatte aber nichts von Stimmen erzählt.
00:07:36
Wieso, aber wenn er hat doch gesagt, Gott hat zu ihm gesprochen.
00:07:38
Das weiß ich nicht.
00:07:40
Wieso weißt du denn?
00:07:41
Ich glaube, das hat er nicht gesagt.
00:07:43
Einfach gesagt, dass er ihn Gott geschickt hat.
00:07:46
Ja, aber wenn er ihn Gott geschickt hat, hat er ihn noch einmal gesagt, du gehst jetzt auf den Planeten, um das und das zu machen.
00:07:51
Woher soll er das denn sonst wissen?
00:07:53
Ja, also da kann, da liegt offenbar eine paranoide Erkrankung vor.
00:07:58
Das haben wir jetzt vom Weiten Diagnostiziert.
00:08:01
Das ist schon recht übel.
00:08:03
Oh Gott, das wird übel, ja.
00:08:04
Aber einmal, um das jetzt ganz am Anfang klarzustellen, die Betroffenen sind nicht alle gefährlich.
00:08:12
Und die allermeisten werden nie zum Täter oder zur Täterin.
00:08:15
Es ist tatsächlich eher so, dass sie eher zu Opfern werden von Straftaten.
00:08:21
Aber Mordlos ist ja ein True-Crime-Podcast und deshalb erzählen wir heute von den seltenen Fällen, in denen Betroffene Verbrechen begangen haben und befassen uns mit den Gründen dafür.
00:08:29
Und mein Fall zeigt, dass, auch wenn sich ein großes Unglück lange vorher ankündigt, es manchmal nicht zu verhindern ist.
00:08:37
Alle Namen habe ich geändert.
00:08:39
Der junge Mann spricht klar und geordnet.
00:08:43
Er trägt einen dunklen Nadelstreifenanzug, ein schwarzes T-Shirt, dazu Slipper.
00:08:48
Seine dunkelblonden Haare umranden strähnig sein ovales Gesicht und sehen etwas verfilzt aus, was irgendwie nicht richtig zu seinem sonstigen Auftritt passt.
00:08:56
Er erzählt dem Kriminalbeamten, der ihm gegenüber sitzt, dass er Adrian Mikrop heißt.
00:09:02
Dass er, als er 13 Jahre alt war, von der Frau, die sich jetzt als seine Mutter ausgibt, entführt wurde.
00:09:07
Aus seiner eigentlichen Heimat Israel.
00:09:10
Und, dass er hier in Schleswig-Holstein ist, um sich vor der Zersetzungsmaschinerie der Scientologen in Sicherheit zu bringen.
00:09:16
Der Polizist möchte an diesem 19. August 2017 aber wegen einer ganz anderen Sache mit Adrian Krüger sprechen.
00:09:24
Zweieinhalb Jahre zuvor.
00:09:27
Hannah ist gerade nach Neuseeland gezogen.
00:09:30
Mit Mitte 30 möchte die Soziologin hier ein neues Leben beginnen.
00:09:34
Zu Besuch ist momentan ein Mensch aus ihrem alten Leben, ihr kleiner Bruder Adrian.
00:09:38
Die beiden haben eine gute Beziehung, auch wenn Hannah schon einige Jahre älter ist.
00:09:42
Obwohl Adrian manchmal ein echter Sturkopf sein kann und nicht wirklich gerne Verantwortung übernimmt, liebt Hannah ihren Bruder über alles.
00:09:49
Sie und ihre Eltern sind auch stolz auf ihn, denn man kann sagen, er hat die Kurve gekriegt.
00:09:55
Heute studiert er und wohnt alleine in Berlin.
00:09:57
Dass er es mal so weit bringt, stand lange in den Sternen.
00:10:00
Denn Adrian war ein schwieriger Teenager, hatte Probleme in der Schule, musste sie sogar wechseln und hat nur mit Ach und Krach seinen Hauptschulabschluss geschafft.
00:10:08
Doch danach hat er nicht aufgegeben, ist auf die Handelsschule, hat seine mittlere Reife gemacht und war bei der Bundeswehr.
00:10:14
Mithilfe von Papa Richard hat er schließlich eine Wohnung in Berlin gefunden, eine Ausbildung zum Veranstaltungstechniker absolviert und währenddessen an der Abendschule sein Abi nachgeholt.
00:10:25
Und damit studiert er jetzt Sicherheitsmanagement.
00:10:27
Ihr kleiner Bruder ist intelligent, er hat was drauf und kann aus seinem Leben etwas machen, das weiß Hannah.
00:10:33
Auch wenn er manchmal zu viel kifft und trinkt, hat er es doch mit Ende 20 schon ganz schön weit gebracht.
00:10:39
Doch während seines Aufenthalts bei ihr in Neuseeland merkt Hannah, dass irgendetwas mit Adrian nicht stimmt.
00:10:45
Er erzählt ihr merkwürdige, unglaubliche Geschichten.
00:10:49
Zum Beispiel, dass ihm sein Uniprofessor für Adrians Geheimdienstarbeit Millionen von Euro schulde.
00:10:55
Oder, dass der japanische Geheimdienst hinter ihm her sei und ihn foltern wolle, bis er 113 Jahre alt sei.
00:11:01
Natürlich glaubt sie ihm nicht, kann ihn aber auch nicht davon überzeugen, dass seine Geschichten nicht der Wahrheit entsprechen.
00:11:07
Da wird ihr zum ersten Mal klar, dass ihr kleiner Bruder krank ist und Hilfe braucht.
00:11:13
Ein paar Monate später muss sich das auch Mutter Marlene eingestehen.
00:11:16
Die Mitte 50-Jährige ist schon lange von Hannas und Adrians Vater getrennt und lebt jetzt mit ihrem neuen Mann Fritz im schleswig-holsteinischen Rheinweg.
00:11:23
Sie haben dort ein altes Haus gekauft, das in einem verträumten Garten umrundet von hohen Bäumen steht und in dem das Ehepaar seinen Lebensabend verbringen will.
00:11:32
In den Sommersemesterferien 2015 kommt Adrian für eine Woche zu Besuch nach Rheinweg.
00:11:36
Auch Marlene und Fritz bekommen die wirren Geschichten zu hören.
00:11:40
Adrian sei Staatsfeind Nummer 1 von Japan und würde zusätzlich von Scientology überwacht.
00:11:45
Airbus schulde ihm außerdem für seine Erfindung eine Million Euro.
00:11:51
Was genau weiß ich nicht, was er erfunden hat.
00:11:55
Nach diesen Vorkommnissen wird Familie in Rat gehalten.
00:11:59
Es geht darum, wie man Adrian am besten helfen kann.
00:12:02
Zu diesem Zweck zieht Hannah schließlich sogar wieder zurück nach Berlin.
00:12:06
Zusammen mit ihrem Vater Richard, der auch in der Hauptstadt wohnt, will sie Adrian von einer Therapie überzeugen.
00:12:11
Und tatsächlich können sie ihn überreden, sich in einer psychiatrischen Klinik anzumelden.
00:12:15
Beim ersten Gespräch sind Hannah und Richard auch dabei.
00:12:18
Sie erklären dem Arzt, dass sie den Eindruck haben, Adrian sei psychisch krank.
00:12:22
Doch Adrian sieht das ganz anders.
00:12:24
Er sei gesund, betont er.
00:12:26
Der Arzt schlägt ihm trotzdem vor, einmal in der Klinik zu bleiben, um zu schauen, was man für ihn tun könne.
00:12:32
Doch da wird Adrian panisch.
00:12:34
Er springt auf und rennt aus dem Gebäude.
00:12:36
Zu Hannah und Richard sagt der Psychiater, da kann man nichts machen.
00:12:40
Adrian als erwachsener Mann stehe es schließlich frei zu gehen.
00:12:43
Enttäuscht verlassen Hannah und Richard die Klinik.
00:12:48
Während sich die Familie weiter schlau macht, wie sie Adrian trotzdem irgendwie helfen kann,
00:12:51
wird sein Zustand immer schlimmer.
00:12:53
Einmal trifft Richard ihn zufällig in einem Berliner Park.
00:12:56
Verwahrlos sitzt er dort auf einer Bank, auf seinem Kopf Alufolie.
00:13:00
Als Richard seinen Sohn auf die Kopfbedeckung anspricht, erklärt ihm Adrian, dass man ihn so nicht abhören könne.
00:13:07
Daraufhin versuchen Hannah und Richard bei Gericht einen Betreuer bzw. eine Betreuerin für Adrian zu bestellen.
00:13:12
Doch der Antrag wird abgelehnt.
00:13:14
Die Begründung, es sei nichts vorgefallen, was eine Betreuung rechtfertigen würde.
00:13:18
Familie Krüger weiß nicht mehr weiter und so muss sie mit ansehen, wie Adrian weiter in seine ganz eigene Welt abrutscht.
00:13:26
Anfang 2016 kriegt Hannah dann eine Nachricht von Adrian.
00:13:29
Er bittet sie ihm, bei seiner Bachelorarbeit zu helfen.
00:13:32
Doch kurz vor dem Treffen sagt er wieder ab.
00:13:34
Ihm gehe es nicht gut.
00:13:35
Als Hannah ihn daraufhin anruft, geht er nicht ran.
00:13:38
Und weil er sich auch am nächsten Tag nicht meldet, entschließt sich Hannah bei ihrem Bruder vorbeizufahren.
00:13:43
Sie hat Sorge, dass er sich etwas antun könnte oder dies schon getan hat.
00:13:46
Vor seiner Tür angekommen, klingelt sie Sturm.
00:13:51
Dann holt Hannah den Zweitschlüssel aus der Tasche und dreht ihn im Schloss.
00:13:54
Sie stürzt die Tür auf und ruft mehrmals in die Wohnung hinein.
00:13:57
Doch es kommt kein Lebenszeichen.
00:13:59
Dann sieht sie einen Schatten im Badezimmer.
00:14:02
Im ersten Moment fürchtet sie, Adrian hätte sich vielleicht erhängt.
00:14:06
Doch dann springt ihr Bruder plötzlich aus dem Nichts auf sie zu, greift sie am Hals und hält ihr ein Messer an die Kehle.
00:14:13
Als Hannah ihren Bruder ansieht, flackern seine Augen.
00:14:16
Sie hat Todesangst, kann sich gerade so aus seinem Griff befreien und aus der Wohnung flüchten.
00:14:20
Unten auf der Straße angekommen, wählt sie die 110.
00:14:24
Dem Beamten am anderen Ende der Leitung erklärt sie aufgeregt, dass sie Hilfe braucht, weil ihr Bruder psychotisch sei.
00:14:29
Da sagt der Mann, dass er gerade auch einen Anruf von ihrem Bruder erhalten habe.
00:14:33
Wegen Hausfriedensbruch.
00:14:35
Kurz nachdem Hannah auflegt, kommt Adrian aus dem Haus gelaufen.
00:14:38
Er schreit, ihr habt mein Gehirn verkauft.
00:14:41
Die Polizei bringt Adrian in eine Klinik.
00:14:45
Hannah fährt nach Hause.
00:14:46
Am nächsten Morgen ruft sie in dem Krankenhaus an, um darum zu bitten, Adrian nicht zu entlassen.
00:14:51
Doch da ist es schon zu spät.
00:14:53
Ihr Bruder sei schon weg.
00:14:54
Er sei in der Nacht nicht auffällig gewesen.
00:14:56
Hannah kann es nicht fassen.
00:14:59
Schließlich hatte Adrian sie mit einer Waffe angegriffen.
00:15:01
Um irgendwas zu unternehmen, meldet sich Hannah dann wieder bei der Polizei.
00:15:05
stellt dort Strafanzeige gegen ihren Bruder.
00:15:07
Irgendwie muss sie ja eine Therapie erreichen, denkt sie.
00:15:10
Doch das Verfahren wird eingestellt.
00:15:12
Nachdem die ErmittlerInnen mit Adrian gesprochen haben, wird der Vorfall als Familienstreitigkeit ad acta gelegt.
00:15:19
Langsam wird Hannah wütend.
00:15:21
Denn sie weiß, wenn Adrian jetzt nicht gestoppt wird, dann landet er sicher entweder auf dem Friedhof oder im Gefängnis.
00:15:27
Ich vermisse meinen Bruder Adrian sehr, schreibt Hannah ihm in der Zeit per E-Mail.
00:15:32
Zeigt ihm damit, dass sie weiß, dass er nicht mehr so ist wie früher.
00:15:35
Daraufhin antwortet Adrian nur, Fakt ist, dein kleiner Bruder ist nicht psychisch krank.
00:15:40
Doch es dauert nicht lange, da gerät er wieder außer Kontrolle.
00:15:44
Im März 2016 wird er mit mehreren Messerstichen im Bauch aufgefunden.
00:15:48
Adrian hatte sich selbst verletzt.
00:15:50
Und das führt nun dazu, dass eine Richterin seine Unterbringung in einer Psychiatrie anordnet.
00:15:55
Endlich, denkt sich die Familie.
00:15:57
Diesmal gäbe es eine gute Begründung, Selbstgefährdung.
00:16:00
Auch wenn Adrian behauptet, es habe sich um einen Küchenunfall gehandelt.
00:16:04
Der 30-Jährige kommt also endlich in eine Klinik, wo ihm auch ein Betreuer zur Seite gestellt wird.
00:16:09
Sechs Wochen lang wird er dort behandelt.
00:16:12
Das Personal kann bei Adrian allerdings keinen Wahn erkennen.
00:16:15
Eine paranoide Schizophrenie kann man aber nicht ausschließen.
00:16:18
Deshalb soll er nach der Entlassung regelmäßig in der Ambulanz vorbeikommen, heißt es.
00:16:23
Adrian ist gut darin, Ärzte und Ärztinnen davon zu überzeugen, dass es ihnen gut gehe.
00:16:27
Er ist auch nicht immer in seiner Parallelwelt gefangen.
00:16:30
Es gibt ab und an helle Momente und in denen wirkt er ganz normal.
00:16:34
Nach dem Klinikaufenthalt geht es weiter wie zuvor.
00:16:38
Die Familie hofft einfach, dass nichts Schlimmeres passiert.
00:16:41
Doch in der nächsten Zeit verlieren Marlene, Richard und Hannah immer mehr die Verbindung zu Adrian,
00:16:46
der mittlerweile glaubt, dass auch sie der Scientology-Sektor angehören.
00:16:50
Und dann taucht er Ende 2016 plötzlich völlig ab.
00:16:53
Erst zwei Monate später erfährt die Familie, wo er war.
00:16:56
Eine Freundin hatte Adrian in Hamburg aufgenommen, bis er auch sie unvermittelt angegriffen hatte.
00:17:01
Mutter Marlene meldet sich danach noch einmal bei der Richterin, die beim letzten Mal die Zwangseinweisung angeordnet hatte.
00:17:07
Erklärt ihr die Situation, dass Adrian gefährlich sei und in eine Klinik müsse.
00:17:11
Der größte Wunsch der Familie Krüger ist, dass Adrian wieder der Alte wird, dass ihm endlich jemand hilft.
00:17:17
Zwei Jahre lang rennt die Familie von einer Stelle zur nächsten, doch erreicht letztendlich nichts.
00:17:22
Bis am 16. August 2017 ein Brief an Adrian geschickt wird, vom Amtsgericht Charlottenburg.
00:17:28
Darin steht, es müsse geprüft werden, ob eine Einweisung in eine geschlossene Psychiatrie erforderlich sei.
00:17:34
Doch bis der Brief bei ihm ankommt, ist es schon zu spät.
00:17:37
Der 17. August 2017 ist ein warmer Sommertag in Rheinbeck.
00:17:42
In der Küche des alten Hauses stehen noch die zwei Weingläser von gestern.
00:17:46
Marlene hatte heute schon früh das Haus verlassen, Fritz will nach dem Frühstück noch einmal in den Garten.
00:17:50
Den hat er in den Tagen zuvor auf Vordermann gebracht.
00:17:53
Als er jetzt nichtsahnt über den grünen Rasen läuft, wird er plötzlich von hinten angegriffen.
00:17:59
Der 65-Jährige geht sofort zu Boden.
00:18:03
Dort findet ihn Marlene am Abend, blutüberströmt und tot.
00:18:06
Neben ihm liegt die Axt, mit der er am Vortag noch Holz gehackt hatte.
00:18:11
Als Marlene ihren Mann da so liegen sieht, weiß sie sofort, wer ihm das angetan hat.
00:18:16
Hilfesuchend rennt sie zu ihren Nachbarn, die die Polizei rufen.
00:18:20
Und als der erste Beamte ihr Haus betritt, erklärt sie ihm, suchen Sie nach meinem Sohn.
00:18:25
Er ist der Täter.
00:18:27
Auf dem Fahndungsplakat ist ein großes Foto von Adrien abgedruckt.
00:18:32
Er trägt eine schwarze Mütze, aus der seine dunkelblonden Haare hervorkommen.
00:18:35
Die blauen Augen in seinem freundlichen Gesicht sind fest auf die Kamera gerichtet.
00:18:39
Auf dem dazugehörigen Text steht, dass nach einem 31-Jährigen mit hagerer Statur gesucht wird, der 1,89 groß ist.
00:18:46
Außerdem ist das Plakat mit einer Warnung versehen.
00:18:49
Es heißt, bitte vermeiden Sie direkten Kontakt zu dem Gesuchten und informieren Sie die Polizei.
00:18:55
Solche Meldungen von der Polizei habe ich halt auch schon häufiger gesehen.
00:18:58
Das ist dann immer, wenn jemand psychisch irgendwie verwirrt ist, offenbar.
00:19:02
Und es dauert nicht lange, bis eine Frau Adrien an einem Badesee entdeckt, circa 10 Kilometer von dem Haus seiner Mutter entfernt.
00:19:13
Da ist er gerade dabei, Klamotten aus einer blauen Sporttasche zu waschen.
00:19:17
Sie ruft die Polizei und schon einen Tag nach der Tat kann Adrien festgenommen werden.
00:19:22
In einem Pavillon, unweit des Sees, der ihm offenbar als Übernachtungsstätte gedient hat.
00:19:26
Als die ZivilfahnderInnen ihn aufgreifen, trägt er einen dunklen Nadelstreifenanzug.
00:19:31
Er lässt sich widerstandslos mitnehmen, murmelt Unverständliches vor sich hin.
00:19:35
Als ein Polizist ihm erklärt, dass er nun festgenommen wird, weil er ein Beschuldigter eines Tötungsdelikts sei, erwidert Adrien,
00:19:41
ich habe niemanden totgeschlagen.
00:19:44
Naja, ist ja schon ein hartes Täterwissen dann.
00:19:48
Das hat der Polizist sich auch gedacht.
00:19:51
Adrien behauptet außerdem, dass er nicht Krüger, sondern Mikropp mit Nachnamen heiße.
00:19:55
Er kommt also auf die Wache.
00:19:57
Dort wird er einen Tag später vernommen.
00:19:59
Dem Vernehmungsbeamten stellt er sich ebenfalls als Adrien Mikropp vor.
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Erzählt ihm, dass er mit 13 Jahren von der Frau, die jetzt vorgibt, seine Mutter zu sein, entführt wurde und eigentlich in seine Heimat Israel wolle.
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Er fordert daher den Polizisten auf, die israelische Botschaft über seine Festnahme zu informieren.
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Als Adrien gefragt wird, warum er an diesem Badesee unterwegs war, erklärt er, dass er Berlin verlassen habe
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um sich vor der Zersetzungsmaschinerie der Scientologen in Sicherheit zu bringen, die seit 2016 auf Hochtouren gegen ihn laufe.
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Eigentlich wollte er zu Freunden nach Hamburg.
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Die hat er aber nicht angetroffen, weshalb er eben zum Badesee gefahren sei.
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Die Frage, ob er vor zwei Tagen in Rheinbeck war, verneint er.
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Als der Beamte ihm daraufhin Bilder einer Überwachungskamera aus dem S-Bahnhof Rheinbeck vom Tattag zeigt,
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auf denen Adrien zu sehen ist, wie er um 15.11 Uhr eine Bahn betritt, bleibt er dabei.
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Er sei nicht in Rheinbeck gewesen.
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Trotzdem beginnt sechs Monate später das Verfahren gegen Adrien vor dem Lübecker Landgericht.
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Trotzdem, obwohl er behauptet, er wäre da nicht gewesen.
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Das ist offenbar jetzt gewundert.
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Genügend Beweise.
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Nicht nur dieses Video.
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Es handelt sich dabei um ein sogenanntes Sicherungsverfahren.
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Was das ist, hattest du ja schon mal erklärt, als es um diesen Mann ging, der die Person vor den ECE geschubst hatte.
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Die Mutter und den Sohn.
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Und in so einem Prozess geht es nicht um eine Haftstrafe, sondern um die Unterbringung in einer forensischen Psychiatrie.
00:21:25
Ärztinnen hatten in der Zwischenzeit bei Adrien nämlich eine paranoide Schizophrenie festgestellt, durch die er als schuldunfähig gilt.
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Mittlerweile sitzt der 32-Jährige auch deshalb nicht mehr in Untersuchungshaft, sondern in einer psychiatrischen Klinik.
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Als er an diesem 16. Februar 2018 den Gerichtssaal betritt, wird er von mehreren PflegerInnen und Justizpersonal begleitet.
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Adrien trägt Anstaltskleidung, die ihm locker über die hageren Schultern hängt.
00:21:50
Um seine Taille ist ein breiter Ledergurt geschnallt, daran sind seine Arme fixiert.
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Selbst als er sich setzt, werden ihm die Handschellen nicht abgenommen.
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Es geht jetzt also darum, ob Adrien für sich und andere eine Gefahr darstellt.
00:22:02
Die Staatsanwaltschaft ist davon überzeugt.
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Sie wirft Adrien halmtückischen Mord an seinem Stiefvater Fritz vor.
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Weil er in ihm einen Feind, einen Scientologen, gesehen habe,
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habe er ihn hinterrücks mit einer Axt angegriffen und mehrere Male auf seinen Kopf eingeschlagen.
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Adrien bestreitet weiterhin etwas mit dem Tod seines Stiefvaters zu tun zu haben und schweigt.
00:22:23
In den nächsten sieben Tagen werden 23 ZeugInnen und drei Sachverständige gehört.
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Darunter die Obduzentin, die von schwerster Gewalteinwirkung spricht.
00:22:33
Der Täter war offenbar in einer Art Blutrausch.
00:22:35
So oft war Fritz eingeschlagen worden, obwohl schon ein einziger Hieb gereicht hätte, um ihn zu töten, so die Sachverständige.
00:22:42
Auch eine Kriminalbeamtin wird in den Zeugenstand gerufen.
00:22:45
Sie hatte den Inhalt der blauen Sporttasche untersucht, die Adrien bei seiner Festnahme bei sich trug.
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Darin waren ein Laptop, ein Handy und mehrere Zettel.
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Auf dem Laptop fand die Polizistin unter anderem ein Schreiben an Bundeskanzlerin Angela Merkel.
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Darin bietet sich Adrien als V-Mann an, um die Hilfsgötter, das ist der Wortlaut, die die Menschen verfolgten, ins Gefängnis zu bringen.
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Das machen jetzt V-Männer?
00:23:11
Nach dem Job, so schreibt er, wolle er aussteigen und zurück in seine Heimat Reisrael.
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Dafür bräuchte er dann eine neue Identität, inklusive Pass und Ausweis.
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Auf den vielen Zetteln fand sie außerdem wirre Notizen wie Geheimzugang zur Botschaft oder Scientology-Mitglieder in Hamburg, Berlin, Schleswig-Holstein und Niedersachsen.
00:23:29
Ein DNA-Experte erklärt danach, wo man welche Spuren von Adrien am Tatort gefunden hatte.
00:23:36
Und während diese Informationen vorgetragen werden, sitzt Adrien regungslos da und starrt vor sich hin.
00:23:41
Nicht weit entfernt von ihm sitzt seine Familie, Schwester Hannah, Mutter Marlene und Vater Richard.
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Sie alle sind gekommen, um auszusagen, dem Gericht von ihrer jahrelangen verzweifelten Suche nach Hilfe zu berichten
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und schwere Vorwürfe gegen Ärztinnen und Behörden zu erheben, die nach ihrer Meinung die Tat hätten verhindern können.
00:24:00
Ende März bekommt Familie Krüger endlich das, was sie sich seit drei Jahren wünscht.
00:24:06
Adrien kommt in die Psychiatrie.
00:24:08
Wegen des heimtückischen Mordes an seinem Stiefvater Fritz.
00:24:11
Das Gericht geht davon aus, dass Adrien aufgrund seiner paranoiden Schizophrenie widerstrafällig werden könnte, sollte er weiter frei rumlaufen.
00:24:18
Die Familie ist erleichtert, dass ihm endlich die Hilfe zuteil wird, die er als kranker Mensch verdient und dass andere vor ihm sicher sind.
00:24:26
Selbst haben sie auch immer noch Angst vor ihm.
00:24:29
Für Hannah ist ihr kleiner Bruder ein kranker Restmensch.
00:24:32
Jemand, der jederzeit zum Monster mutieren kann.
00:24:35
Das ist ja so traurig, wenn du das über deinen eigenen Bruder sagen musst, dass das nur noch ein Rest ist von dem, was sie mal von ihm kannte.
00:24:43
Ja, und sie hat halt wirklich Sorge, dass sollte er jemals aus der Psychiatrie entlassen werden, dass sie zum Opfer wird.
00:24:51
Und auch die Mutter, Marlene ist sich nämlich sicher, dass er auch vor ihr nicht Halt gemacht hätte, wäre sie an diesem verhängnisvollen 17. August 2017 zu Hause geblieben.
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Auch wenn sie ihm die Tat nicht verzeihen können, lieben sie ihn dennoch.
00:25:04
Denn sie wissen, dass das nicht ihr Adrian war, der zur Axt gegriffen hat, sondern der kranke Adrian, der sich bedroht gefühlt hat.
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Und dass er es nicht getan hätte, wenn ihm geholfen worden wäre.
00:25:15
Dann, so glauben sie, wäre das große Unglück, das sich so lange angekündigt hatte, nicht eingetreten.
00:25:24
Ja, und wie es sich angekündigt hat.
00:25:26
Also wir reden ja nachher nochmal darüber, wie man jemanden in eine psychologische Einrichtung bekommt, ohne dass vorher das große Unglück passiert sein muss oder jemand gestorben sein muss.
00:25:36
Aber, dass er auf ein Messer mit seiner Schwester losgegangen ist, ich meine, wie viele Fälle haben wir auch schon gehabt, wo das denn nachher komplett eskaliert ist.
00:25:45
Also mit einem Messer von einer psychisch erkrankten Person.
00:25:50
Dass die das nicht gesehen haben, das ist ja unfassbar.
00:25:54
Ja, es ist auch keine Familienangelegenheit.
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Es ist ja nicht ein einfacher Streit gewesen.
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Und die haben ja da auch schon öfter bei den Behörden angeklingelt und das halt versucht.
00:26:04
Aber stell dir mal bitte vor, du hast ein Kind, ein erwachsenes Kind und dieses Kind erzählt dir so eine Geschichte.
00:26:12
Wie reagiert man denn dann bitte?
00:26:14
Aber das muss ich sagen, also diese Erfahrung habe ich auch selber gemacht, wenn du in deinem Umfeld eine Person hast, die psychisch erkrankt ist und du weißt nicht, wohin mit der.
00:26:24
Und dann telefonierst du dich ab, um die irgendwo unterzubringen und dir kann keiner helfen.
00:26:30
Also ich habe mal eine Person erlebt, die Hilfe für eine andere haben wollte und die hat heulend ins Telefon geschrien und hat gesagt, ich muss irgendwo hin mit dieser Person.
00:26:43
Und ich meine, das ist jetzt schon ein paar Jahre her, aber dein Fall ist ja noch nicht so lange her.
00:26:50
Und offensichtlich gibt es immer wieder Fälle, an denen man sehen kann, dass sich das Hilfsangebot für psychisch kranke Menschen noch nicht wahnsinnig verbessert hat.
00:26:59
Und das ist eine unfassbare Hilflosigkeit, der Angehörige da ausgesetzt sind und Leute, die sich kümmern wollen um diese Menschen.
00:27:07
Ich habe auch einen Artikel gelesen von zwei JournalistInnen, die mit der Familie gesprochen haben, den ich euch auch gerne in die Show nutze, pack.
00:27:17
Und da gab es ganz viele Kommentare darunter von anderen Familien, die irgendwie Ähnliches erlebt haben.
00:27:24
Also es scheinen also nicht nur Einzelfälle zu sein, wie jetzt bei dir oder Familie Krüger, sondern dass es halt irgendwie immer erst mal was Schlimmes passieren muss, in Anführungsstrichen, bis den Erkrankten geholfen wird.
00:27:35
Und in meinem Aha soll es jetzt darum gehen, wie sowas vermieden werden kann.
00:27:40
Und darüber habe ich mit Professor Andreas Bechdorf gesprochen.
00:27:43
Er ist Chefarzt der Psychiatrie am Vivantes Klinikum am Urban in Berlin.
00:27:47
Und er hat mir erklärt, dass es besonders wichtig ist, eine paranoidische Schizophrenie früh zu erkennen.
00:27:52
Der Zugang ist wesentlich leichter nah am Anfang der Erkrankung, weil dann die Menschen die Schwierigkeiten eher bei sich selber noch wahrnehmen.
00:28:02
Wir wissen ja, dass bevor jetzt Warn oder Halluzinationen auftreten, die Menschen eben schon vier oder fünf Jahre im Durchschnitt Symptome haben, in dem Sinne, dass sie sich nicht so gut konzentrieren können, dass sie selber bemerken, dass beim Denken irgendwas verändert ist, dass das nicht so flüssig geht oder dass vielleicht ungewöhnliche Gedanken mehr dazwischen kommen.
00:28:24
Oder die Energie ist weniger, die Farbwahrnehmung oder generell die Wahrnehmung kann sich verändern.
00:28:31
Und diese Schwierigkeiten nehmen die Menschen mehr bei sich selber wahr und sind dann auch aus dem inneren Leben heraus, ist es dann für sie viel plausibler, auch Hilfe zu suchen.
00:28:40
Während wenn ich einen Warn habe, von dem ich annehme, dass mein Nachbar oder der Geheimdienst mir Böses tut, da ist es nicht so plausibel, jetzt bei einem Mediziner Hilfe zu suchen, sondern da beschwert man sich eher oder setzt sich zur Wehe an.
00:28:52
Und das habe ich gar nicht gewusst, dass sich eine paranoide Schizophrenie halt mit solchen Symptomen ankündigen kann.
00:29:02
Ja, ich weiß doch, worauf das jetzt schon wieder hinausläuft.
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Jetzt wird hier jeder Kopfschmerz von dir mit einer paranoiden Schizophrenie gerechtfertigt.
00:29:14
Das wird jetzt permanent selbst diagnostiziert.
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Denn sind es jetzt nicht die Sonnenstrahlen, dann ist es halt jetzt das.
00:29:20
Oder was war das damals?
00:29:22
Nicht Sonnenstrahlen.
00:29:23
Äh, Sonnenstürm.
00:29:28
Ja, Paulina sagt ja, ich muss immer eine Erklärung finden für alle Babychen, die ich habe.
00:29:32
Aber ich meine, es ist ja gut jetzt zu wissen, also dass, wenn man an sich selbst bemerkt, dass sich komische Gedanken häufen, dass das dann Anzeichen für eine psychische Erkrankung sein können.
00:29:45
Ja, und weil das halt, wie ich, auch viele nicht wussten mit den Symptomen, ist es halt auch für Angehörige oft nicht so leicht, richtig zu reagieren.
00:29:54
Aber auch, weil psychische Erkrankungen immer noch so stark stigmatisiert werden und Betroffene und auch Angehörige das dann halt lange einfach nicht wahrhaben wollen.
00:30:03
Ja, und das ist auch eine Sache, die ich übel finde, dass sich halt Angehörige gar nicht trauen, was zu machen und hoffen, es wird halt einfach wieder gut erstmal, weil man mit sowas natürlich gar keine Erfahrung hat.
00:30:13
Und man maßlos überfordert ist und sie ja eigentlich in dem Moment aber in der Verantwortung sind.
00:30:19
Und bei deinem Fall haben sie diese Verantwortung ja gesehen und es ist trotzdem nichts passiert.
00:30:25
Ja, aber um dieser Stigmatisierung halt so ein bisschen entgegenzuwirken, gibt es jetzt eigentlich in fast jeder großen Stadt mittlerweile so Früherkennungszentren.
00:30:34
Und die sehen nicht aus wie Kliniken und da wird man auch nicht direkt in diese Patientenrolle oder Patientinnenrolle geschoben.
00:30:40
Was ganz gut ist, genauso wie dieses sogenannte Home-Treatment, da werden nämlich Betroffene zu Hause behandelt.
00:30:46
Das gibt es in England schon seit 20 Jahren und laut Bechtdorf erreicht man halt damit viele Menschen, die halt sonst jegliche Hilfe ablehnen.
00:30:54
Weil dann trifft man sich zum Beispiel im Café oder die Person oder der Arzt oder die Ärztin kommt nach Hause.
00:31:00
Und dann ist das ja ganz, ganz anderes Feeling direkt.
00:31:05
Wenn man jetzt aber diese Früherkennung verpasst und du mir erzählst, dass dein Gehirn von Aliens gesteuert wird, ja, habe ich ihn gefragt, wie ich dann am besten reagieren sollte.
00:31:17
Ich würde erstmal versuchen, rauszufinden, wie der Mensch drauf kommt und ob es vielleicht Zweifel daran gibt und ihn dann in dem Zweifel daran bestärken.
00:31:27
Grundsätzlich sollte man sich jetzt nicht verleugnen, aber je nachdem, wie die Vorerfahrung des Betroffenen ist, kann man halt auch den Kontakt verlieren, wenn man direkt sagt, nee, das kann ich mir gar nicht vorstellen.
00:31:38
Du spinnst wohl, also so eine gewisse Offenheit auch für das Erklärungsmodell kann hilfreich sein.
00:31:45
Herr Bechtdorf sagt auch, es ist gut, sich mit der Person auf die negativen Konsequenzen zu fokussieren.
00:31:51
Also zum Beispiel darüber zu reden, was jetzt eine Verfolgung durch den Geheimdienst mit der Person macht.
00:31:56
Nämlich, dass das zum Beispiel zu Ängsten oder Schlafstörungen führt.
00:32:00
Und über eine mögliche Behandlung von Schlafstörungen kann man dann langsam quasi den Weg ebnen, auch für andere Therapieformen.
00:32:08
Aber was ist halt, wenn man die Person nicht dazu bekommt und die sich einfach nicht helfen lassen will?
00:32:14
Dann kann man nämlich erstmal nichts machen, weil eine Behandlung oder eine Therapie ist erstmal immer freiwillig.
00:32:20
Und einen Angehörigen gegen seinen Willen in eine Klinik einzuweisen, das geht halt nicht.
00:32:25
Nee, das geht in Deutschland halt nur unter ganz bestimmten Umständen.
00:32:29
Hat zum Beispiel, wie mit einem Strafverfahren, wie jetzt bei Adrian, wenn es denn schon eine Tat gab und man davon ausgeht, dass aufgrund der Krankheit halt noch mehr gravierende Taten folgen.
00:32:39
Dazu muss der Täter oder die Täterin aber schuldunfähig oder vermindert schuldfähig gewesen sein.
00:32:45
Also so, dass die Person die Rechtsschuld ihrer eigenen Tat nicht tragen kann.
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Und dementsprechend wird sie eben auch nicht bestraft.
00:32:51
So eine forensische Psychiatrie ist aber jetzt nicht besser als ein Gefängnis.
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Die Unterbringung dort ist ja nämlich immer unbefristet, weil es ja eben keine Strafe ist.
00:33:01
Und eine Strafe setzt man in der Regel zeitlich nach Schwere fest.
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Aber hier wird halt niemand bestraft.
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Ja, und so kann es dann halt auch eben sein, dass jetzt zum Beispiel jemand, der einen Menschen getötet hat, schon nach vier Jahren wieder rauskommt.
00:33:14
So war das ja zum Beispiel bei Matthias Illigen.
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Das war der, von dem ich in Folge 25 mal gesprochen habe, der im Wahn seinen Vater getötet hat.
00:33:22
Der wurde halt dann auch in der Klinik behandelt, so, dass seine Symptome zurückgegangen sind und er keine Gefahr mehr dargestellt hat.
00:33:31
Und dann kann man solche Menschen natürlich auch nicht länger einsperren.
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Der war aber in Österreich, oder?
00:33:36
Ja, der war in Österreich.
00:33:37
Weil ich glaube, dass das halt eine harte Ausnahme gewesen ist.
00:33:40
Weil aus unseren Fällen und Gesprächen mit JuristInnen wissen wir ja, dass so eine Unterbringung echt nicht mit einer Gefängnisstrafe gleichzusetzen ist.
00:33:50
Also deswegen ist es auch so ein Witz, dass manche Medien nach so einem Urteil dann titeln Freispruch für den Mörder.
00:33:58
Also mal abgesehen davon, dass das fachlich falsch ist, aber das Gericht sagt halt Freispruch, aber verhängt danach die Unterbringung.
00:34:06
Das ist aber kein milderes Urteil oder so.
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Weil Menschen, die solche Taten begangen haben, die haben das wirklich sehr, sehr schwer, da wieder rauszukommen.
00:34:15
Und weil das so ist, sind die Anforderungen an so eine Unterbringung auch wahnsinnig hoch.
00:34:19
Also bis es dazu kommt, muss ordentlich was passiert sein.
00:34:22
Und das hat uns der Rechtsanwalt Oliver Abel erklärt.
00:34:25
Also es ist nicht so, dass man ein Kapitalverbrechen begangen haben muss, um überhaupt da reinzukommen.
00:34:31
Je geringer allerdings das Delikt ist, was mir vorgeworfen wird, umso unwahrscheinlicher wird es auch,
00:34:38
dass natürlich dann eine Unterbringung nach § 63 StGB am Ende ausgesprochen wird.
00:34:43
Aber es ist nicht gänzlich ausgeschlossen.
00:34:45
Also es ist schon so, dass mindestens in der Regel die mittlere Kriminalität, was die Strafdelikte anbelangt, zugrunde gelegt wird bei diesen Unterbringungen.
00:34:55
Aber das ist nirgendwo so normiert, dass es so sein muss.
00:34:58
Also ich habe auch die Fälle, wo doch mildere Delikte durchaus den Einstieg in die Prüfung zumindest veranlassen.
00:35:07
Also wenn ich jetzt unter einem paranoiden Wahn leide und ich haue der Wohlers einmal mit der Zeitung auf den Kopf, weil ich denke, sie ist eine Wespe.
00:35:14
Eine Wespe? Wie so eine Wespe?
00:35:18
Ja, oder ein Kellerassel.
00:35:20
Dann wird das eher schwierig, mich in einer forensischen Psychiatrie unterzubringen.
00:35:26
Einmal mit der Zeitung in einem psychotischen Zustand zuhauen, dann ist es unwahrscheinlich bis dann auch wohl ausgeschlossen, dass das sicherlich eine Unterbringung nach sich zieht.
00:35:36
Das ist jetzt die strafrechtliche Unterbringung.
00:35:38
Aber die wird ja nur angeordnet, wenn ich schon eine Straftat begangen habe, also wenn das Kind schon in den Brunnen gefallen ist.
00:35:44
Es gibt aber auch noch andere Möglichkeiten.
00:35:46
Also man kann bei Eigen- oder Fremdgefährdung, zum Beispiel nach dem Gesetz über Hilfen und Schutzmaßnahmen bei psychischen Krankheiten, eine Schutzmaßnahme für die Betroffenen beantragen.
00:35:57
Da muss diese psychische Erkrankung medizinisch erstmal festgestellt werden und dann kann ein Gericht eine Zwangseinweisung und eventuell auch eine Zwangsmedikation anordnen, wenn es denn richtig akut ist.
00:36:07
Und diese Unterbringungsformen, die sind aber zeitlich begrenzt, hat uns Rechtsanwalt Abel gesagt.
00:36:12
Diese Maßnahmen haben vor allem eben zum Vorteil, dass sie viel, viel schneller umsetzbar sind als bei einem Strafgerichtsverfahren, weil das dauert ja ewig.
00:36:19
Und Gleiches gilt auch für eine Unterbringung nach Betreuungsrecht.
00:36:23
Die kann aber nur angeordnet werden, wenn eine Eigengefährdung vorliegt.
00:36:26
Also da geht es nicht um eine Fremdgefährdung und das war ja offenbar bei Adrian auch so, als er sich selbst verletzt hat.
00:36:31
Ja genau, da haben sie dann ja reagiert und auch für sechs Wochen war der ja tatsächlich dann in der Psychiatrie.
00:36:37
Aber bei sowas muss dann halt der Erkrankte seinen Willen nicht mehr frei bestimmen können.
00:36:42
Und dieses Betreuerding, das kennen wir halt vor allem auch bei Demenzpatienten und Patientinnen.
00:36:47
Aber auch hier ist so eine Unterbringung ja ein krasser Schritt.
00:36:50
Also wenn jetzt die betreuende Person sagen würde, wir weisen die jetzt ein.
00:36:54
Da gibt es vorher auch noch andere Zwischenstufen, so Abel.
00:36:57
Also dass man jemandem zum Beispiel den Rechtsbereich der Vermögensangelegenheiten entzieht und den dann auf den Betreuer überträgt.
00:37:04
Wenn die betroffene Person jetzt speziell in diesem Bereich Probleme hat.
00:37:07
Aber sie kann dann beispielsweise immer noch entscheiden, wo sie wohnen will.
00:37:10
Es gibt halt da so unterschiedliche Bereiche.
00:37:12
Und früher hat man in dem Zusammenhang oft von Entmündigung und Vormundschaft gesprochen.
00:37:16
Das sagt man heute aber nicht mehr, weil sich das zu brutal anhört und ich finde halt auch irgendwie demütigend.
00:37:23
Und davon hören wir ja momentan auch recht viel im Zusammenhang mit Britney Spears.
00:37:27
Nachdem sie mehrere Drogeneskapaden und Ausraster hatte und sich dann eines Tages mit ihren beiden Kindern in ihrem Haus verbarrikadierte und die Polizei anrücken musste, wurde 2008 Vater Jamie Spears als ihr Vormund eingesetzt.
00:37:40
Und weil sie eine Gefahr für sich und andere sei, hieß es.
00:37:43
Zunächst sollte das erstmal nur eine temporäre Entmündigung sein.
00:37:46
Doch bis heute hat Britney immer noch keinen Zugang auf ihre Konten und darf offenbar auch keine privaten Entscheidungen treffen.
00:37:53
Das sagt sie zumindest.
00:37:54
Und das, obwohl sie sich zwischendurch wieder gefangen hatte auch.
00:37:58
Also zumindest so weit, dass sie fähig war, eine Tour zu machen.
00:38:01
Ich glaube sogar nicht nur eine.
00:38:03
Ja, also die hatte doch diese Vegas-Show auch.
00:38:06
Also jeden Abend auf der Bühne und so.
00:38:08
Also ich frage mich halt, gut, wenn man, also wenn man sowas machen kann.
00:38:12
Die hat ja dann hart gearbeitet, jeden Tag.
00:38:15
Das kann sie und die hat auch die, also das sagt sie zumindest, das muss man immer dazu sagen, aber sie hat ja auch die Choreografien sich mit überlegt und sowas.
00:38:23
Wenn man sowas kann, ja, das ist ja komplex, kann man dann nicht über sich selber entscheiden, ob man ein Verhütungsmittel benutzt oder nicht oder über sein eigenes, mit der Tour verdientes Geld.
00:38:36
Das ist natürlich was, was mir jetzt als Laien sauer aufstößt.
00:38:41
Ja, es wäre halt was anderes, wenn sie wie in Deutschland, wenn man sowas hat, ne, also ich hatte das nicht, aber ich hatte halt so eine Vormundschaft für meine Oma, ne.
00:38:50
Dafür habe ich ja kein Geld gekriegt, damit habe ich mir ja nicht die Taschen vollgemacht.
00:38:54
Aber der Vater wird ja ordentlich entlohnt dafür.
00:38:57
Das ist halt irgendwie so übel dabei.
00:38:59
Und Whitney hatte ihrem Vater halt auch ja vorgeworfen, mit der Vormundschaft missbräuchlich umzugehen.
00:39:06
Und jetzt, nachdem sie eigentlich erst in einem Prozess verloren hatte, hat Vater Jamie Spears angekündigt, die Betreuung niederzulegen und auch als Finanzverwalter zurückzutreten.
00:39:16
Zur rechten Zeit, was auch immer das heißen mag.
00:39:20
Ja, aber nach diesem riesigen Shitstorm gegen ihn kann er ja eigentlich auch gar nichts anderes machen.
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Also ich glaube nicht, dass er sich dafür entschieden hätte, wenn es jetzt nicht diese öffentliche Debatte gegeben hätte.
00:39:32
Ne, also sicherlich nicht.
00:39:33
Also das Ende hat sie jetzt durch diese Öffentlichkeit erreicht und sicherlich auch irgendwie mit der Drohung noch mehr zu verraten, was er so alles gemacht hat.
00:39:42
Aber hätte sie die Öffentlichkeit nicht gehabt, dann wäre das sicher jetzt noch weiter übel gegangen.
00:39:48
Also in Amerika scheint das halt nicht so einfach zu sein, da wieder rauszukommen.
00:39:51
Zumindest war es ja bei Britney offenbar so.
00:39:54
Oliver Abel hat mir erzählt, dass in Deutschland, da kann man seinen Betreuer an sich schon grundsätzlich absetzen, also austauschen auch, wenn die Zusammenarbeit nachhaltig gestört ist.
00:40:07
Also wenn ja zum Beispiel ein Betreuer seine Pflichten verletzt.
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Das geht aber immer über das Betreuungsgericht.
00:40:12
Und wenn man darlegen kann, dass man die psychischen Einschränkungen nicht mehr hat, dann kann man auch aus der Betreuung rauskommen und sein Leben wieder eigenverantwortlich führen.
00:40:22
Ja, das ist wichtig, dass man auch schnell dann wieder zurück kann sozusagen, dass man da nicht ewig drin hängt.
00:40:28
Aber was ich wirklich problematisch an dieser ganzen Sache finde ist, stellen wir uns mal vor, ich habe eine paranoide Psychose und denke wirklich, ich werde verfolgt.
00:40:39
Ich bin die ganze Zeit quasi eine Getriebene und habe Angst und was weiß ich.
00:40:44
Möchte aber nicht, dass man mir hilft oder so oder mich behandelt, weil ich eben denke, die Ärzte stecken da mit drunter oder so unter der Decke.
00:40:50
Du bist dir dann ja auch sicher in dieser Sache.
00:40:53
Für dich gibt es ja keinen Zweifel dann da drin.
00:40:57
Aber mir geht es trotzdem sehr schlecht, also mir geht es dann währenddessen sehr schlecht und das ist ja alles nicht freiwillig.
00:41:05
Also ich für mich würde dann, glaube ich, wollen, dass man mir hilft.
00:41:08
Weißt du, was ich meine?
00:41:09
Also du bist ja in dieser Zeit nicht du selbst.
00:41:14
Du bist ja wie ferngesteuert eine andere Person, was auch immer.
00:41:18
Natürlich muss, also nicht mal nur bei solchen Erkrankungen, wir hatten das, glaube ich, in der letzten Folge, da ging es darum, dass ein Arzt gesagt hat, ich würde jetzt der Mutter Bescheid sagen, dass sie eine Eileiterschwangerschaft haben, weil sie sich offenbar nicht helfen lassen wollte.
00:41:32
Wenn man das selber für sich nicht einschätzen kann oder sich der Gefahr nicht wirklich bewusst ist und das bist du, das war offenbar die Frau bei der Eileiterschwangerschaft nicht, das bist du aber schon gar nicht, wenn du eine Psychose hast, dann müssen andere dich irgendwie vor dir selber schützen.
00:41:47
Es sei denn, du sagst, ich möchte jetzt sterben bei klarem Verstand, das ist ja was anderes, aber in diesen Fällen ist das ja nicht so.
00:41:55
Die möchten ja nicht sterben und die möchten auch eigentlich nicht bei klarem Verstand anderen Leuten wehtun.
00:42:01
Ja, sie haben in dem Moment keine Entscheidungsfreiheit, aber wenn man sie behandeln würde, das ist ja dann Zwangsbehandlung, dann könnte man sie aus dieser Psychose holen, weil das geht ja mit den Medikamenten und danach könnte man sie ja fragen, möchten sie weiter behandelt werden oder nicht?
00:42:17
Und dann haben sie eine Entscheidungsfreiheit, weil sie dann klar sind, aber halt mittendrin halt nicht.
00:42:23
Genau, natürlich ist das aber für die Person in dem Moment eine Zwangsbehandlung und ich finde das dann auch in dem Moment schlimm für die Person, weil die ja Angst davor haben und glauben, da wird jetzt sonst was mit denen gemacht.
00:42:35
Und ich kann mir auch vorstellen, das ist bestimmt nicht schön.
00:42:37
Also da passieren ja Dinge mit den Leuten, wenn sie nicht freiwillig Medikamente nehmen und so.
00:42:43
Das ist natürlich ganz furchtbar eine unwürdige Situation, die blöderweise dann sein muss, um das Leben irgendwie zu bewahren.
00:42:53
Genau, und das hat nämlich auch Professor Bechdolf gesagt. Er hat gesagt, bei der Hälfte der Leute, die zwangsbehandelt werden, die sind danach dankbar.
00:43:02
Aber er sagt, es gibt ganz viele, für die das richtig traumatisieren ist, weil das ja gegen den Willen ist.
00:43:09
Jemand anderes drückt dir seinen Willen auf, das ist ja furchtbar, kann man sich ja eigentlich schon vorstellen.
00:43:13
Und er meint, manchmal ist das dann für die so gravierend, dass sie danach den Kontakt zu den Medizinern komplett abbrechen.
00:43:20
Und deswegen kann man das dann auch so ein bisschen verstehen, zumindest auch die Seite, dass das auch gefährlich sein kann, wenn man das macht, weil man dann vielleicht den Draht ganz verliert.
00:43:31
Und deswegen sagt Herr Bechdolf, er und seine Kollegen und Kolleginnen versuchen immer alles, um den Patienten oder die Patientin davon zu überzeugen, dass sie ja sagen.
00:43:39
Ja, genau, weil die Maßnahmen, die man ergreifen muss, um jemanden zwangs zu behandeln, ist ja furchtbar.
00:43:46
Da werden im allerschlimmsten Fall die PatientInnen mit Gurten aufliegen fixiert, um sie bewegungsunfähig zu machen und so.
00:43:54
Na gut, ich erzähle dir von meinem Fall, okay?
00:43:57
Alle Namen sind geändert und es ist der 23. August 2009.
00:44:02
Paul hatte nicht gesagt, was er heute machen würde.
00:44:06
Um 18 Uhr ist er aus der Tür raus und meinte, es wird heute spät werden.
00:44:10
Das ist jetzt zwei Stunden her.
00:44:12
Das Telefon klingelt.
00:44:14
Pauls Mutter hebt ab.
00:44:16
Mama, ich sterbe, sagt Paul.
00:44:19
Was ist los, will seine Mutter wissen.
00:44:22
Ich habe die Fotokamera verloren, antwortet Paul.
00:44:25
Und in dem Moment weicht die Anspannung.
00:44:27
Pauls Mutter hat schon sonst was gedacht.
00:44:30
Sie sagt ihm, dass die Kamera doch egal sei und dass er jetzt doch bitte nach Hause kommen soll.
00:44:36
Paul sagt, dass er und sein Freund noch ein wenig weitersuchen werden.
00:44:39
Dann legt er auf.
00:44:40
Und obwohl sie jetzt eigentlich beruhigt sein müsste, beschäftigt Pauls Mutter das Telefonat danach noch.
00:44:47
Sie ist unruhig.
00:44:49
Als würde sie ahnen, was jetzt passiert.
00:44:52
Ohne es zu wissen, hatte Paul es mit seinem ersten Satz vorhergesagt.
00:44:58
Wenn man auf Pauls StudiVZ-Account geht und dort die Fotos des 19-Jährigen öffnet,
00:45:03
dann sieht man ihn mit einem schwarzen Muskelshirt und zurückgelegten Haaren auf seinem Schreibtisch sitzen.
00:45:08
Neben ihm steht sein Computermonitor, auf dessen Rahmen gelbe Post-its kleben.
00:45:13
Daneben auf dem Tisch stehen zwei Bier.
00:45:17
Paul guckt auf dem Bild nach unten, bedrücktes Gesicht.
00:45:20
Und er hält einen dünnen Strauß Rosen in den Händen, umwickelt von durchsichtiger Plastikfolie.
00:45:25
Auf den ersten Blick auf sein StudiVZ-Profil könnte man denken, dass Paul seine Melancholie zelebriert.
00:45:33
Als wäre sie das Vergnügen, traurig zu sein, wie Victor Hugo sagte.
00:45:37
Doch wer Paul kennt, weiß, dass er und seine dunkle Seite nicht immer Hand in Hand gehen.
00:45:42
Weil Paul leicht depressiv ist, ist er in Therapie.
00:45:45
Er mag nicht, wie ihn andere Menschen ansehen.
00:45:48
Paul hat seinen Bart nur unten am Kinn stehen lassen.
00:45:51
Braune, mittellange Haare, aus denen im Nacken ein dünner, geflochtener Zopf hängt.
00:45:56
Er trägt eine Brille ohne Umrandung.
00:45:59
Manchmal schauen ihn die Leute an, als wäre er nicht einer von ihnen.
00:46:03
Als würde er nicht dazugehören.
00:46:04
Was irgendwie auch stimmt, denn Paul ist weder einer der beliebtesten in der Schule, noch ein Mitläufer.
00:46:10
Paul hat seine ganz eigene Ansicht von der Welt und die ist eben einfach anders.
00:46:15
Deswegen begleitet Paul manchmal das Gefühl, nicht so richtig akzeptiert zu werden.
00:46:20
Zu Hause hängt er oft vor dem PC und nicht mit seinen SchulkameradInnen ab.
00:46:24
Neue Kontakte knüpft er eher online.
00:46:27
Dann aber mit Menschen, die seine Tiefe mehr verstehen, die ihn so akzeptieren, wie er ist und andere nicht verurteilen, nur weil sie nicht ins Bild passen.
00:46:36
Paul will am liebsten schnell erwachsen werden.
00:46:39
Auch weil dann vielleicht der Schmerz vorbeigeht, den Paul in sich trägt.
00:46:43
Der Schmerz des gebrochenen Herzens.
00:46:46
Davon trägt Paul nämlich viel in sich.
00:46:49
Bei Mädchen kann er nicht so gut landen.
00:46:51
Dieses Wochenende wollte Paul eigentlich in einem Zeltlager verbringen.
00:46:54
Weil er den Bus aber dahin verpasst hat, setzt er sich in einen anderen, der zu einem Festival nach Norderstedt fährt.
00:47:01
Paul ist zwar allein im Bus, trifft aber eine Bekannte, mit der er den Abend zusammen abhängt.
00:47:06
Danach fahren sie noch auf den Hamburger Kiez und dann nach Hause.
00:47:10
Ein netter Ausgehabend.
00:47:12
Als Paul am späten Sonntagmorgen aufwacht, ist es der letzte Tag der langen Sommerferien.
00:47:17
Am Morgen beginnt wieder der triste Alltag auf dem Eppendorfer Gymnasium.
00:47:22
Das nächste Jahr wird vom Lernen geprägt sein.
00:47:24
Es ist Pauls letztes vor dem Abi.
00:47:27
Abends erzählt er seiner Mutter, dass er jetzt losgeht in den Stadtteil Volksdorf.
00:47:32
Was genau er davor hat, weiß er noch nicht, als sie nachfragt.
00:47:36
Zumindest behauptet er das.
00:47:38
Und dann verschwindet er aus der Wohnung und aus ihrem Leben.
00:47:42
Doch das weiß Pauls Mutter noch nicht, als sie jetzt zum wiederholten Mal seine Nummer wählt und er nicht abhebt oder zurückruft.
00:47:49
Wenn sie ihn sonst nicht erreichen kann, dann macht er das immer sofort.
00:47:53
Wenn er es dann später auf dem Display sieht.
00:47:56
Und heute nicht.
00:47:57
Gegen 10 Uhr abends macht sie sich dann auf zur Polizei.
00:48:00
Doch weil Paul volljährig ist und sich damit um diese Uhrzeit aufhalten kann, wo er möchte,
00:48:05
ohne seiner Mutter Bescheid geben zu müssen, wird erst mal nichts unternommen.
00:48:08
Es ist eine unruhige Nacht für Pauls Mutter und sie ist nicht lang.
00:48:13
Ein paar Stunden später klingelt es an der Tür.
00:48:15
Es sind Leute von der Seelsorge.
00:48:17
Und plötzlich wird das Gefühl, das Pauls Mutter hatte, furchtbare Gewissheit.
00:48:23
Als die SeelsorgerInnen ihr sagen, was passiert ist, kann sie es kaum glauben.
00:48:28
Man hat die Leiche ihres Sohnes in einem Wald gefunden.
00:48:31
Wie man ihn gefunden hat, ist eine absurde Geschichte.
00:48:35
In der Nacht ist ein Mann, aufgekratzt und wild gestikulierend, aus dem Volksdorfer Wald auf ein vorbeifahrendes Auto zugelaufen.
00:48:43
Der junge Mann bat den Autofahrer um Hilfe.
00:48:45
Sein Freund sei von einem Ast getroffen worden und verunglückt.
00:48:49
Der Autofahrer, der zufällig Arzt in einem Eppendorfer Klinikum ist, stieg aus und fand im Wald den jungen Mann liegen, der sich nicht bewegte und nicht ansprechbar war.
00:48:59
Während der Arzt versuchte, ihn wiederzubeleben, verschwand der Mann, der ihn angehalten hatte, ohne dass der Arzt das mitbekam.
00:49:06
Paul war nicht von einem Ast getroffen worden.
00:49:09
Sein Körper weist Würgemahle auf.
00:49:12
Pauls Mutter hatte gewusst, dass irgendetwas nicht stimmt.
00:49:15
Und sie hatte Recht behalten.
00:49:16
Durch die Aussage des Arztes gelingt es den ErmittlerInnen, ein präzises Phantombild von dem unbekannten Mann zeichnen zu lassen.
00:49:23
Sie entscheiden sich allerdings aus ermittlungstaktischen Gründen zunächst dagegen, es zu veröffentlichen.
00:49:29
Man erhofft sich erstmal durch FreundInnen und Familie einen Hinweis auf die Person zu finden.
00:49:34
Allen wird das Bild gezeigt.
00:49:37
Pauls Mutter erkennt den Mann auf dem Bild nicht.
00:49:40
Aber jemand anderes aus Pauls Freundeskreis ist sich sicher.
00:49:43
Der Mann ist Kai Hähle.
00:49:46
Ein Bekannter von Paul.
00:49:47
Auch Kai ist irgendwie anders als viele in seinem jungen Alter.
00:49:53
Irgendwie nicht so richtig greifbar.
00:49:55
Die JournalistInnen, die später versuchen, mehr über ihn rauszubekommen, finden nur Menschen aus seinem Freundeskreis, die ihn noch nicht so lange kennen.
00:50:03
Auch er stellt sich die großen Fragen im Leben, liebt die Philosophie.
00:50:08
In seinem Social-Media-Profil schreibt Kai davon, dass er Zigaretten schnort, weil er sein Leben verkürzen will.
00:50:14
Und davon, dass er die Idee der Liebe toll findet und gute Menschen, was auch immer das sein mag.
00:50:21
Kai ist 20, hat ebenfalls braune Haare und sieht sich selbst als Kommunist.
00:50:27
Er ist offen gegenüber Menschen, fremdelt nicht, sondern ist hilfsbereit und geht auf andere zu.
00:50:32
Doch in letzter Zeit redet Kai immer häufiger von der Erleuchtung und von Gott.
00:50:38
Und wenn er keine Antworten auf all die Fragen in seinem Kopf findet, die ihn umtreiben, dann greift er zu Drogen, um sein Bewusstsein zu erweitern.
00:50:47
So rechtfertigt er das zumindest.
00:50:49
Das versucht er mit LSD und auch Halluzinogen-Pilzen.
00:50:52
Sein Drogenkonsum ist eh schon besorgniserregend, aber wenn er auf Festivals ist, dann kennt Kai fast keine Grenze mehr.
00:51:00
Und auf Festivals geht er gerne.
00:51:03
Deswegen will Kai im Juli auch zum Spiritual Healing Open-Air-Festival nach Brandenburg fahren.
00:51:09
Auf dem bunten, etwas stümperhaft entworfenen Werbeplakat steht was von Miracles.
00:51:15
Man sieht ein lilafarbenes Elfenwesen und Menschen meditieren im Kreis.
00:51:19
Auf YouTube-Videos aus dem Jahr kann man Feiernde in Schlaghusen oder mit seltsamen Hüten sehen,
00:51:25
die zur Musik des DJ für sich allein hin- und herschwanken und ab und an die Arme ausbreiten.
00:51:32
In einem Forenbeitrag schreibt das Veranstaltungsteam von Horizonterweiterung und davon sich neue Dimensionen zu eröffnen.
00:51:40
Dafür werden unter anderem Workshops von Zitat
00:51:43
Meistern aus verschiedenen Bereichen alternativer Heilmethode angeboten und es gibt Trommelpower und Lach-Yoga.
00:51:51
Natürlich sorgt bei Kai, wie wir wissen, nicht nur Lach-Yoga für seine ausgelassene Stimmung.
00:51:59
Im Rausch verbindet er sich mit anderem, verbringt Zeit am nahegelegenen See.
00:52:02
Dabei trifft Kai auf einen alten Bekannten.
00:52:05
Erst zwei Wochen zuvor hatte er Markus auf einem anderen Festival kennengelernt.
00:52:09
Markus ist 32 und Unternehmensberater.
00:52:12
Die beiden kommen ins Gespräch und dabei bietet Kai Markus eine Rückenmassage an.
00:52:17
Markus ist einverstanden.
00:52:20
Damit Markus sich in Ruhe massieren lassen kann, ziehen sich die beiden auf einen Waldweg zurück.
00:52:25
Markus legt sich auf den Boden.
00:52:27
Kai beugt sich über ihn, beginnt ihn zu massieren.
00:52:30
Doch dann schreit es plötzlich aus Kai heraus.
00:52:34
Ich werde dich töten.
00:52:36
Und Markus spürt nur noch einen harten Schlag auf seinen Hinterkopf.
00:52:39
Kai schlägt mit einem metallenen Gegenstand auf seinen Bekannten ein, wie von allen guten Geistern verlassen.
00:52:45
Markus schreit nach Hilfe und versucht zu flüchten, doch Kai lässt nicht von seinem Opfer ab.
00:52:50
Erst als eine Passantin den beiden Männern in die Arme läuft, hört Kai mit seiner Verfolgung auf.
00:52:55
Markus erleidet ein Schädel-Hirntrauma, mehrere Prellungen und eine Platzwunde am Kopf.
00:53:00
Zwar zeigt er Kai bei der Polizei an, versucht über Bekannte auch noch an Infos über ihn zu kommen,
00:53:05
doch erstmal passiert nicht viel.
00:53:07
Denn Kai ist zu Hause seit dem Festival nicht mehr aufgetaucht, also auch nicht aufzufinden.
00:53:11
Doch dann meldet sich Kai von allein bei Markus, über Skype.
00:53:16
Er schreibt ihm, dass er das habe tun müssen und dass er verrückt sei.
00:53:21
Daraufhin schreibt Markus eine mahnende Mail an die Polizei in Brandenburg und fragt darin,
00:53:26
warum der Mann noch immer frei herumlaufe.
00:53:30
Immerhin habe er die Tat gestanden und sei doch offensichtlich auch eine Gefahr für andere.
00:53:34
Doch festgenommen wird Kai nicht.
00:53:37
Kai hatte sich in den letzten Wochen verändert, berichten seine Freunde.
00:53:41
Nach einem Festival sei er einfach in einen See gerannt und hätte gesagt, er müsse sich jetzt umbringen
00:53:46
und habe es dann aber schließlich doch nicht getan, weil er vorher noch was erledigen müsse.
00:53:52
Ein anderes Mal, kurz vor dem Spiritual Healing, hatte Kai nach einem Drogenkonsum davon gesprochen,
00:53:56
dass er erleuchtet sei und nie wieder LSD nehmen würde.
00:54:00
Als Kai sich nach dem Vorfall auf dem Festival nach einiger Zeit dann doch wieder zu Hause blicken lässt,
00:54:05
erzählt er seinen Freunden von dem, was vorgefallen ist und dass er sich nicht getraut habe,
00:54:10
nach Hause zu kommen, weil er sich so für sein Verhalten geschämt habe.
00:54:13
Er sei nach dem Vorfall in einen Wald gelaufen, habe dort meditiert, erzählt er.
00:54:19
Die Zeit dort habe er mit einer Hündin verbracht.
00:54:22
Dann berichtet er davon, dass ihn jemand im Wald aufgenommen habe und ihm zu essen gegeben habe.
00:54:30
Diese Person habe in einem Knusperhäuschen gewohnt.
00:54:34
Kai habe dann von dort fliehen müssen, weil er Angst gehabt habe, gegessen zu werden.
00:54:40
Seine Freunde machen sich nach dieser Geschichte Sorgen, raten ihm, er solle sich mal psychologische Hilfe holen.
00:54:46
Offenbar tut er das nicht.
00:54:48
Wie sich Kai und sein späteres Opfer Paul kennenlernen, das weiß man nicht.
00:54:54
Sie treffen sich aber spätestens im Mai.
00:54:57
Das kann man einem Tagebucheintrag von Paul entnehmen.
00:54:59
Da schreibt er, dass er mit einem Freund und dessen Bekanntem namens Kai im Kaiserkeller in Hamburg auf der großen Freiheit war.
00:55:07
Weiter schreibt er darin, dass Kai ihm erzählt habe, dass die Menschen das Ebenbild Gottes seien und dass Kai immer verliebt sei.
00:55:14
Von der Liebe solle man profitieren und lernen und nicht der Gleichgültigkeit verfallen.
00:55:20
Weshalb Kai und Paul nach diesem Abend weiter Kontakt haben, ist schwer zu sagen.
00:55:25
Aber die beiden haben viele Dinge gemein.
00:55:28
Paul kommt ursprünglich aus Weißrussland, Kai aus Russland.
00:55:31
Beide finden die Idee des Kommunismus gut.
00:55:34
Beide haben einen älteren Bruder.
00:55:35
Beide sind gleich alt, besuchen beide das Gymnasium.
00:55:38
Beide sind einmal sitzen geblieben.
00:55:40
Und über beide sagt man, dass sie sich noch nicht so richtig gefunden haben und irgendwie halt auch nicht so richtig dazugehören.
00:55:47
Als Paul am letzten Sonntag vor dem neuen Schuljahr die Wohnung verlässt, erzählt er seiner Mutter vorher, dass er einen Freund habe, der meint, dass Gott in allen Menschen leben würde.
00:55:56
Aber auch, dass dieser Freund schon ziemlich viele Drogen genommen habe.
00:56:00
Später an dem Abend verbringen die beiden dann Zeit im Volksdorfer Park.
00:56:04
Dort machen sie Fotos.
00:56:05
Dann verliert Paul seine Kamera, worüber er sich wahnsinnig ärgert und ruft deswegen bei seiner Mutter an und sagt, dass er sterben würde.
00:56:12
Und meint es offenbar gar nicht so, wie es nachher passiert.
00:56:15
Kurze Zeit später hält Kai wild gestikulierend einen Autofahrer an und behauptet, seinem Freund wäre ein Ast auf den Kopf gefallen.
00:56:22
Als schon nach ihm gesucht wird, trifft sich Kai zwei Tage später mit einer Freundin zum Spazierengehen und erzählt dieser, was er getan habe.
00:56:31
Und dass er Paul habe töten müssen, weil er sonst von Gott bestraft worden wäre.
00:56:35
Gott habe zu ihm gesprochen und gesagt, es sei Kais Aufgabe, Seelen zu befreien.
00:56:41
Sonst gehe die Welt unter.
00:56:43
Nachdem er das seiner Freundin erzählt hat, legt er die Hände um ihren Hals, beginnt zuzudrücken.
00:56:49
Sie schaut ihm in die Augen und er lässt von ihr ab.
00:56:52
Diesmal kann er es nicht durchziehen.
00:56:54
Sie zeigt das bei der Polizei an, die mittlerweile schon Hundestaffeln und PersonenfahnderInnen eingesetzt haben.
00:57:01
Schließlich findet man Kai, wie er sich in einem Wald in Rahlstedt versteckt.
00:57:04
Als er festgenommen wird, redet er von Seelenerlösung.
00:57:07
Und auch sonst redet er wirres Zeug, weshalb man ihn in die Psychiatrie steckt.
00:57:13
Es ist ziemlich offensichtlich, dass Kai nicht ganz in dieser Welt zu sein scheint und dass er eine Gefahr für andere ist.
00:57:20
Doch das hätte man auch vorher herausfinden können.
00:57:25
In den Medien heißt es, dass Paul vielleicht noch leben könnte, wenn im Fall des Unternehmensberaters vom Spiritual Healing Festival sich die Staatsanwaltschaften Hamburg und Neuruppin nicht die Zuständigkeit hin- und hergeschoben hätten.
00:57:36
Neuruppin hatte den Fall an Hamburg weitergeleitet mit der Begründung, dass es sich bei Kai um einen Heranwachsenden handele und deswegen nach dem Jugendgerichtsgesetz die Staatsanwaltschaft Hamburg zuständig sei.
00:57:48
In dem Jugendgerichtsgesetz geht es darum, dass sich Heranwachsende vor dem Gericht verantworten müssen, das für ihren Wohnort zuständig ist.
00:57:55
Und diese Regel darf nur durchbrochen werden, wenn sonst erhebliche Erschwernisse das Verfahren belasten würden.
00:58:02
Und das hatte Hamburg hier offenbar auch deshalb angenommen, weil für Ermittlungen und eine mögliche Gerichtsverhandlung Befragen von Zeugen und Zeuginnen notwendig gewesen wären, die in Brandenburg hätten stattfinden müssen.
00:58:12
Außerdem war Hamburg der Meinung, dass sie nur bis zum 18. Lebensjahr zuständig für solche Fälle seien und sich auch gar nicht sicher, dass Kai mittlerweile wieder in Hamburg ist.
00:58:21
Toll, nun hat sich einfach gar keiner gekümmert.
00:58:24
Ja, also sie schieben das halt hin und her, die Verantwortlichkeit und klären das auch nicht final.
00:58:29
Und in dieser Zeit werden Kais Stimme im Kopf dann halt immer lauter und penetranter.
00:58:35
Und ich nehme das jetzt mal vorweg, dass die spätere Dienstaufsichtsbeschwerde im Sande verlaufen ist und im Endeffekt dann auch niemand für diese verstrichene Zeit gerade stehen musste.
00:58:46
Zum Prozess gegen Kai sind 20 Freunde und Freundinnen von Paul gekommen.
00:58:50
Sie sind wütend, weil sie denken, dass der Tod ihres Freundes hätte verhindert werden können.
00:58:54
Auch Kais Anwalt sagt, der Junge könnte noch leben und mein Mandant hätte vor sich selbst geschützt werden müssen.
00:59:01
Auf der Anklagebank sitzt Kai, blass wie ein Häufchen Elend.
00:59:05
Sein Mund steht leicht offen, sein Blick wirkt leer.
00:59:09
Man hat noch immer das Gefühl, dass er irgendwo anders ist.
00:59:13
Auch, dass nur ein paar Meter von ihm entfernt Pauls Mutter aufgelöst in Tränen ausbricht, bringt ihn nicht hierher in den Gerichtssaal.
00:59:20
Die Medikamente, die Paul nehmen muss, sorgen dafür.
00:59:23
Ich kann nicht einordnen, warum das geschehen ist, aber ich weiß, dass ich es getan habe, lässt Kai über seinen Anwalt verlauten.
00:59:31
Ihm wird Totschlag an Paul und versuchter Mord aus Heimtücke an Markus vorgeworfen.
00:59:36
Das sind die Ausgangstaten, wie wir wissen.
00:59:39
Es geht um eine Dauerunterbringung in einer Psychiatrie, über die die Jugendkammer des Landgerichts entscheiden muss.
00:59:44
Nicht darum, dass man Kai für seine Taten wirklich verantwortlich machen kann.
00:59:48
Auch die Staatsanwaltschaft geht davon aus, dass Kai zur Tatzeit schuldunfähig war.
00:59:53
Und dass seine paranoide Schizophrenie auf seinen exzessiven Drogenkonsum zurückzuführen ist.
00:59:58
Beim Prozess bleiben viele Fragen offen.
01:00:02
Kai kann nicht alle beantworten, die das Gericht an ihn richtet.
01:00:06
Der Gutachter sagt, dass Kais Wahn schleichend kam und sich dann im Sommer, zu der Zeit, als auch die vielen Festivals waren, verfestigte.
01:00:14
Ansonsten hätte Kai aber kein Motiv gehabt.
01:00:16
Wie erwartet, erklärt das Gericht ihn für schuldunfähig.
01:00:20
Allerdings sieht der Richter die Ursache nicht, wie Kais Verteidiger nur bei den Drogen.
01:00:25
Der Vorsitzende sagt nämlich, dass es die allein nicht hätten sein können, denn dann hätte Kais psychische Störung schon längst abklingen müssen.
01:00:34
Und das ist sie zumindest bis zum Juli 2010 nicht.
01:00:37
Kai muss nun auf unbestimmte Zeit in eine forensische Psychiatrie.
01:00:42
Jedes Jahr wird kontrolliert werden, wie sich sein Zustand entwickelt hat und ob er immer noch eine Gefahr für die Allgemeinheit darstellt.
01:00:50
Phyllis Gritti, der Journalist, der bei uns hier im Mordlust-Podcast auch schon mal seinen eigenen Fall erzählt hat, spricht für die Zeit mit Pauls Mutter.
01:00:59
Also ich kann das verstehen, dass die Mutter das so sieht, aber es ist ja richtig, dass Kai nicht verantwortlich gemacht werden kann für das, was er getan hat.
01:01:28
Aber es ist auch wieder da so tragisch, dass es diese Anzeichen gegeben hat, genauso wie bei Adrian, dass da was Schlimmes und noch Schlimmeres kommen kann sozusagen.
01:01:38
Ja, eben weil das schon einmal komplett eskaliert ist und dass ein versuchter Mord war, wie ja auch später festgestellt wurde.
01:01:46
Und das finde ich schon hart, dass später das Gericht schon erkennt, dass die Ausgangszeit wäre ein versuchter Mord aus Heimtücke gewesen,
01:01:53
aber sich die Staatsanwaltschaften damit so viel Zeit lassen, einfach weil sie sich über die Zuständigkeit nicht einigen können bei einem versuchten Mord.
01:02:02
Also das finde ich schon echt übel, mal abgesehen davon, dass er wirklich ja unberechenbar war.
01:02:07
Also weißt du, selbst wenn das jemand bei klarem Verstand gewesen wäre, dann wartest du doch nicht so lange.
01:02:14
Was ich an dem Fall jetzt auch irgendwie bezeichnend fand oder das interessant fand, dass man auch mal klare Stimmen sozusagen von Kai gehört hat,
01:02:25
wenn er über sich selber dann gesagt hat, er ist verrückt zum Beispiel, weil das war bei Adrian ja in keiner Sekunde so.
01:02:34
Er hat ja immer gesagt und betont, er ist gesund und nicht psychisch krank.
01:02:39
Und ja, offenbar hatte Kai da dann doch manchmal so Momente.
01:02:44
Und das tut einem natürlich irgendwie auch sehr leid, dass ihm das bewusst wird dann sogar.
01:02:49
Naja, vor allem auch in der Zeit, als er aus dem Wald gelaufen ist, um jemanden zur Hilfe zu holen.
01:02:54
Das spricht ja auch dafür, dass er da nicht unbedingt diesen Stimmen komplett verfallen war.
01:03:00
Der Professor Bechtholz, mit dem ich gesprochen habe, der hat auch erzählt, dass es meistens auch Zweifel gibt bei den Menschen selber,
01:03:09
weil die sich dann auch natürlich manchmal fragen, kann das wirklich sein?
01:03:13
Weil die merken ja manchmal selber, dass es auch unwahrscheinlich sein kann.
01:03:19
Und vielleicht sind seine Zweifel in diesem Moment irgendwie stärker geworden oder so.
01:03:22
Und deswegen hat er das gesehen.
01:03:24
Ja, ist dann halt zu spät gewesen.
01:03:26
Kai war ja in dem Glauben von Gott dazu bestimmt zu sein, Menschen zu töten und von diesen ansonsten bestraft zu werden.
01:03:35
Und es ist ja so, dass Gott relativ oft irgendwie ein Thema ist bei einer Paranoia oder bei einer paranoiden Schizophrenie.
01:03:41
Warum das so ist und ab wann Glaube eigentlich zur Paranoia wird, darum geht es jetzt in meinem Aha.
01:03:47
Laut einer Veröffentlichung des Psychiaters Michael Pfaff von 2008 sollen 30 Prozent der schizophrenen Wahnvorstellungen religiös geprägt sein.
01:03:55
Was ich ganz schön viel finde.
01:03:58
Nach seinen Untersuchungen hat das auch einen kulturellen Hintergrund, also dass religiöse Wahnbilder halt öfter auftauchen bei Menschen, die in ihrer Kindheit auch religiös geprägt wurden.
01:04:09
Also eher als bei PatientInnen mit atheistischer Erziehung zum Beispiel.
01:04:14
Klaus Nuisel hatte immer mal wieder religiöse Wahnepisoden und berichtet Deutschlandfunk Kultur, dass er in seiner Zeit in der Klinik seine MitpatientInnen zum Beispiel als heiliger Rainer statt als Rainer angesprochen hat und sich auch habe fixieren lassen, um das Gefühl der Kreuzigung zu erleben.
01:04:34
Und er sagt halt, im Nachhinein ist ihm das wahnsinnig peinlich, weil ihm jetzt klar wird, dass er in der Zeit dachte, er sei Jesus.
01:04:42
Und für ihn war das so, dass er sich in seiner Psychose vor allem auch mit vielen existenziellen Fragen beschäftigt hat.
01:04:49
Also gibt es jemanden, der mich rettet? Gibt es Gott?
01:04:52
Irgendwie so, als würde er sich an eine höhere Macht wenden wollen, die ihm aus seiner Krise raus hilft.
01:04:59
Und es geht halt im Wahn, sagen auch ExpertInnen oft, um diese existenziellen Fragen.
01:05:04
Also warum bin ich eigentlich auf der Welt? Gibt es Gott? Was ist das Schicksal?
01:05:09
Es geht viel um Strafe und Tod und die Religion bietet halt für solche Fragen Antworten.
01:05:13
Für Nuisel waren seine Erfahrungen eher positiv und auch rückblickend, sagt er Deutschlandfunk Kultur, habe er sich in den Episoden Gott sehr nahe gefühlt.
01:05:22
Also auch wenn er jetzt natürlich das so ein bisschen differenzierter sieht, sagt er, in der Zeit hat ihm das irgendwie ein gutes Gefühl gegeben.
01:05:29
Aber bei anderen ist das so, dass religiöser Wahn natürlich ganz anders wahrgenommen werden kann.
01:05:34
Zum Beispiel dann, wenn die Betroffenen denken, dass sie dem Teufel begegnen.
01:05:37
Und so war es 2012 auch bei Orhan S.
01:05:41
Der hatte, nachdem sein Leben überhaupt nicht so verlaufen war, wie er es sich vorstellte, schon mehrere psychotische Schübe.
01:05:48
War auf Tabletten und mehrfach in der Psychiatrie.
01:05:51
Und dort hatte man ihm dann gesagt, er soll das Marihuana sein lassen, weil die MedizinerInnen bei ihm, weil er das schon so über Jahre, Jahre, Jahre konsumiert hat,
01:06:00
und die sahen halt bei ihm die Ursache für seine Wahnvorstellungen.
01:06:03
Und er ließ das aber nicht.
01:06:05
Und eines Abends dachte er dann mal wieder, er sei Jesus und sah dann in seiner Frau die Gestalt des Teufels.
01:06:11
Und dann wetzt er zwei Messer und schnitt ihr vor den Augen der Nachbar in den Kopf ab und schmisst ihn danach in den Hinterhof.
01:06:19
Das ist jetzt ja eine Situation, wo jeder denkt, okay, das ist der paranoide Wahn.
01:06:24
Das existiert nicht.
01:06:25
Das ist fern der Realität.
01:06:27
Und jetzt habe ich mich aber gefragt, was heißt denn das eigentlich?
01:06:30
Also fern der Realität.
01:06:32
Eigentlich ja, dass man das, was andere glauben, was existiert, dass das nicht bewiesen werden kann.
01:06:38
Und deswegen ist das fern ab der Realität.
01:06:40
Aber das ist bei Religion ja eigentlich fast immer so.
01:06:44
Also die Vorstellung kann man ja auch nicht belegen, die wir haben.
01:06:48
Also Gott und Schöpfung und all sowas.
01:06:51
Der Arzt und medizinische Kabarettist Eckart von Hirschhausen hat mal gefragt, warum ist es denn, wenn ich mit Gott spreche, das Gebet?
01:06:59
Und wenn Gott aber antwortet, ist das eine Psychose?
01:07:02
Wir haben neulich in der Kannibalenfolge mal über ein Volk gesprochen, das Verstorbene gegessen hat, um den Hexenmeister, der in den toten Körpern wohnte, zu töten.
01:07:13
Das ist ja auch ziemlich irre.
01:07:16
Und denen würde man aber nicht nachsagen, dass die alle unter einer Psychose leiden, obwohl das ja völlig abwegig ist.
01:07:23
Und deswegen spricht man in der Medizin erst von einem religiösen Wahn, wenn die Inhalte des Wahns in der Religion gar nicht stattfinden.
01:07:32
Und wenn das an was geglaubt wird, nicht auch von einer größeren Gruppe geglaubt wird.
01:07:38
Also wenn man mit dieser Vorstellung quasi alleine ist.
01:07:42
Und ein großer Unterschied ist natürlich auch, dass die Person, die im Wahn ist, in ihrem Leben dadurch in der Regel eingeschränkt wird.
01:07:48
Und hier kommen wir wieder zu dem, was ich am Anfang schon gefragt habe, ob Jesus möglicherweise eine paranoide Psychose hatte.
01:07:57
Weil damals gab es ja die Religion noch nicht.
01:08:00
Das heißt, es gab auch noch nicht das, was in der Religion halt einfach schon besteht.
01:08:05
Also ist es gar nicht so fern der Realität, meine Frage.
01:08:12
Naja, aber das Ding ist, wie soll ich das jetzt sagen?
01:08:16
Also laut dem, was ich weiß, haben das ja mehrere Menschen auch bezeugt, dass er aus Wasser Wein macht und über das Wasser laufen kann und heilende Kräfte hat.
01:08:27
Das heißt, dann würde man eigentlich hier von einem Spiritual Healing sprechen.
01:08:34
Und er war der Meister.
01:08:38
Ja, ich glaube, ich glaube, wir werden es auch nicht mehr herausfinden.
01:08:40
Du bleibst bei deiner Diagnose.
01:08:41
Nee, ich wollte das nur mal so in den Raum stellen.
01:08:46
Was ich aber auch interessant fand, war, dass der Herr Nuisel sagt, dass es ihm jetzt sehr peinlich ist.
01:08:53
Also das kann man sich ja auch komplett vorstellen, ja.
01:08:56
Wenn man sich so diese Psychose oder eine Episode so vorstellt, dass das so ein Ausnahmezustand ist und dann kannst du daraus wieder rausgeholt werden.
01:09:04
Wie schlimm ist das danach für dich?
01:09:06
Also auch für dein Umfeld, das dann vielleicht denkt, das kann jeden Moment wieder passieren oder so.
01:09:13
Und du dann als unberechenbar giltst oder so und man dir vielleicht auch so Sachen nicht mehr glaubt.
01:09:19
Ich kann das total nachvollziehen.
01:09:20
Das geht einem ja, also speziell mir, jedes zweite Wochenende so.
01:09:27
Was, dass man dir nicht mehr glaubt?
01:09:29
Nee, dass einem das unangenehm ist, was man nach einem Gläschen Wein so gesagt und getan hat.
01:09:36
Sich sagen, dass ich auch gerade jetzt wieder ein bisschen Scham wegen gestern verspüre.
01:09:40
Ja, aber dieses, dass man dann einem nicht mehr glaubt oder denkt, dass die Person halt jeden Moment wieder rückfällig werden kann oder so.
01:09:50
Das ist, glaube ich, auch so ein Ding, was man sich als nicht betroffene Person oder Angehöriger oder Angehöriger einfach immer wieder vor Augen führen muss.
01:10:00
Dass das nicht so ist, dass das nicht heißt, einmal in einer anderen Welt, immer in dieser Welt oder so.
01:10:06
Was ich mich aber gefragt habe ist, sind vielleicht alle Verschwörungstheorien, die wir so kennen, bloß Erfindungen von Personen mit paranoiden Erscheinungen?
01:10:17
Weil jetzt zum Beispiel die Ideen von Adrian, die da so in seinem Kopf hatte, die haben ja schon auch was von Verschwörungstheorien.
01:10:24
Also diese Scientologen, die nur Böses tun oder die Hilfsgötter, die unbedingt eingesperrt gehören, weil sie irgendwie die Menschheit bedrohen.
01:10:33
Und es ist ja auch so, dass Symptome der paranoiden Persönlichkeitsstörung oder der paranoiden Schizophrenie die Ausbildung von Verschwörungstheorien begünstigen.
01:10:43
Weil viele Betroffene sind ja eben sehr misstrauisch und die erwarten dann ja auch quasi, dass man sie ausnutzt oder dass man sie benachteiligt.
01:10:53
Und was ja auch typisch ist, ist, dass sie unter Verfolgungswahn leiden.
01:10:57
Die Psychologin Katharina Stegmeier von der Uni Bern hat das in einem Interview mit der Neuen Zürcher Zeitung so erklärt.
01:11:03
Die Patienten haben das Problem, dass sie banale Ereignisse, zum Beispiel ein rotes Auto vor ihrer Tür, fälschlicherweise als hochrelevant interpretieren.
01:11:11
Sie denken, es stehe nur wegen ihnen dort und fühlen sich verfolgt.
01:11:15
Und am Anfang von so Erkrankungen haben die Betroffenen deshalb oft ein komisches Gefühl und so, dass irgendwas halt nicht stimmt.
01:11:24
Und um sich das zu erklären, was halt los ist, entwickeln sie dann halt diese wahnhaften Vorstellungen und diese Theorien, damit das irgendwie einen Sinn ergibt.
01:11:32
Ja, oder sie stützen sich halt auf Theorien, die es schon gibt.
01:11:36
Also da gibt es ja, wie wir wissen, massenweise Theorien, vor allem im Internet.
01:11:42
Es ist immer eine super Idee, in Foren rumzuschauen und nach Erklärungen für seine Fragen zu suchen.
01:11:47
Und das war ja auch bei dem Attentäter von Hanau so, der im Februar 2020 neun Menschen getötet hat und sich danach selbst erschoss.
01:11:55
Und bei ihm haben sich seine eigenen Fantasien dann halt irgendwann mit so einem, ja, politisch-ideologischen Fanatismus zusammengetan.
01:12:04
Das sagt auch der forensische Psychiater Henning Saas, der für die Bundesanwaltschaft nach dem Tod des Täters ein Gutachten über ihn erstellt hat.
01:12:12
Also der ist ja tot, den kann man jetzt nicht mehr selber fragen.
01:12:14
Aber es ist bekannt, dass der halt an Verschwörungstheorien geglaubt hat und zum Beispiel auch von kleinen Eliten gesprochen hat, die den gesamten Planeten beherrschen.
01:12:22
Aber auf der anderen Seite halt auch klar an rassistische Ideologien.
01:12:27
Ja, und dieser eigene Wahn und so vorhandene Verschwörungstheorien, die können sich dann eben auch befeuern.
01:12:32
Aber der Unterschied, also der eigentliche Unterschied zwischen diesen beiden Phänomenen, sage ich jetzt mal, ist in der Regel das Ziel der Verschwörung.
01:12:39
Also die Personen, die jetzt zum Beispiel an paranoider Schizophrenie leiden, die glauben erstmal, alle wären hinter dieser Person her.
01:12:46
Und alle hätten sich zusammengetan und gegen sie verschworen.
01:12:50
Während bei diesen typischen Verschwörungstheorien, die wir kennen, ja eher davon ausgegangen wird, ja also auch, dass sich eine Gruppe von Menschen verschwört, aber halt nicht gegen sie als Einzelperson, sondern gegen die große Masse.
01:13:02
Den Erkrankten und den VerschwörungstheoretikerInnen ist dann gemein, dass sie Schuldige suchen für ihr Unglück oder das bevorstehende Unglück oder whatever.
01:13:11
Und auch wenn Erkrankte irgendwie offener für Verschwörungstheorien sind, heißt das nicht, dass sie jetzt diejenigen sind, die diese Verschwörungstheorien sich ausdenken oder verbreiten.
01:13:20
Viele machen das ja, weil sie damit irgendwie politische, ideologische Ziele verfolgen und eben nicht, weil sie krank sind.
01:13:28
Und laut Professor Dr. Tobias Schlicht, der an der Ruhe-Uni Bochum dazu forscht, warum Menschen an Verschwörungstheorien glauben, sagt sogar, dass die, die die Theorien verbreiten, gar nicht zwangsläufig daran glauben.
01:13:39
Das glaube ich auch, ja.
01:13:40
Da geht es mehr um Macht und Zielverfolgen.
01:13:43
Ja, und deswegen finde ich das halt auch total wichtig, dass man solchen Menschen, die sowas verbreiten, dass man die nicht gleichsetzt mit den Leuten, von denen wir heute erzählt haben.
01:13:53
Also, dass man denen nicht gleich automatisch die Zurechnungsfähigkeit abspricht, auch nicht, wenn sie Verbrechen begehen.
01:13:59
Also, in unseren beiden Fällen wurden die Täter ja nun schuldunfähig gesprochen, aber das ist halt auch nicht immer der richtige Weg.
01:14:06
Weil das auch bei diesen paranoiden Symptomen halt so Abstufungen gibt und nicht jeder, der irgendwie paranoid ist, ist nicht mehr Herr seiner Sinne.
01:14:16
Und diese Übergänge, die sind halt manchmal fließend, deswegen ist das manchmal auch ein bisschen schwieriger abzugrenzen.
01:14:21
Wenn wir uns jetzt den Attentäter von Halle ansehen, also das war der Mann, der im Oktober 2019 versuchte, in eine Synagoge zu gelangen, um Menschen jüdischen Glaubens zu erschießen.
01:14:30
Und das gelang ihm nicht und dann hat er halt zwei Zufallsopfer getötet.
01:14:35
Und dem wurde vom psychiatrischen Gutachter eine schwere Persönlichkeitsstörung mit paranoiden und schizoiden Elementen attestiert.
01:14:41
Und das Gericht war aber überzeugt, dass der Täter wusste, was er getan hat und sprach den auch schuldfähig deswegen.
01:14:47
Wir kennen das aber auch schon vom Attentäter von Uthoja, wie schwer das sein kann, also Anders B.
01:14:53
Die ersten GutachterInnen hatten ihm im Verfahren eine paranoide Schizophrenie attestiert und wollten den in die Psychiatrie einweisen lassen.
01:15:02
Und das war für B.
01:15:03
Selbst ja das Schlimmste überhaupt.
01:15:06
Und er wusste vorher, dass das passieren kann.
01:15:08
Und er wollte auf keinen Fall, dass Leute ihn für verrückt halten.
01:15:11
Also er wollte auf jeden Fall schuldfähig gesprochen werden, damit alle sehen, hier, ich habe das bei klarem Verstand gemacht.
01:15:16
Und das zweite GutachterInnenpaar kam dann aber zu der Einschätzung, dass er sehr wohl schuldfähig war und er an einer dissozialen Persönlichkeitsstörung mit narzisstischen Zügen leide.
01:15:27
Und die würde die Schuldfähigkeit aber nicht beeinflussen.
01:15:30
Der hat ja auch ein Feindbild für all seine Fehltritte im Leben gesucht und ist halt in den Muslimen gefunden und in den Sozialdemokraten.
01:15:37
Und ich finde, den Fall kann man ganz gut mit einem anderen vergleichen, um sich das mal klar zu machen.
01:15:41
Und zwar mit dem Mann aus Folge 62, also der eine, von dem du vorhin auch schon gesprochen hast, der eine Mutter und ihr Kind vor einen einfahrenden Zug geschubst hat.
01:15:50
Der hatte ganz eindeutig eine paranoide Schizophrenie bescheinigt bekommen.
01:15:54
Der hat ständig Stimmen gehört, die ihn beleidigten, die ihm befallen, Dinge zu tun und fühlte sich von Männern verfolgt, die laut ihm zu einer Vereinigung gehörten, die sich der Ring nannte.
01:16:06
Und um sich vor denen zu verstecken, hat er halt nachts auf Parkbänken geschlafen und so.
01:16:10
Also die Unterschiede sind ja ganz klar auch in der Ausführung.
01:16:13
Also der ICE-Schubser, der hatte seine Taten halt gar nicht planen können, erst mal aufgrund der Erkrankung.
01:16:18
Und hatte das ja auch nicht, weil die Stimmen kamen, während er auf dem Bahngleich stand.
01:16:22
Und Anders B. im Gegensatz hat keine Stimmen gehört, alles organisiert.
01:16:27
Er ist eine Bombe in Osso gezündet, ist dann nach Utea gefahren, hat sich als Polizist ausgegeben und 67 Menschen erschossen.
01:16:33
Und das ist ganz wichtig, solche Taten zu unterscheiden, weil wie die Psychiaterin Nala Salmee damals schon bei uns im Podcast sagte, es wäre falsch, Extremismus oder terroristische Gewaltakte immer zu psychiatrisieren.
01:16:47
Ja, weil es nicht immer so ist und man dann eine Entschuldigung sozusagen vorschiebt.
01:16:52
Ja, du kannst auch nicht bei allen sagen, die irgendwie sehr straight, abseits denken, dass die nicht schuldfähig sind, dass die das nicht bewusst machen.
01:17:02
Es ist ja was völlig anderes.
01:17:03
Wenn du Stimmen hörst und Stimmen befehlen dir irgendwie die Welt zu retten.
01:17:08
Oder wenn du eine rassistische Ideologie hast und Menschen auslöschen willst, weil du nicht möchtest, dass sich deren Blut mit dem norwegischen Blut vermischt.
01:17:17
Was so die genauen Ursachen für solche Störungen oder Erkrankungen sind, die wir jetzt heute besprochen haben, ist noch nicht abschließend geklärt.
01:17:23
Man geht aber davon aus, dass es ein Zusammenspiel von mehreren Faktoren ist.
01:17:28
Und eine davon ist die Genetik, also dass man eine Art Veranlagung hat, paranoide Gedanken zu entwickeln oder entwickeln zu können.
01:17:35
Es ist nämlich so, dass die Hälfte aller Kinder von Menschen mit paranoider Schizophrenie psychische Auffälligkeiten zeigen und 12% sogar selbst daran erkranken.
01:17:44
Zum Vergleich jetzt, die Chance, dass du oder ich daran erkranken, liegt nur bei ungefähr 1%.
01:17:51
Und auch bei der paranoiden Persönlichkeitsstörung wird vermutet, dass es zumindest in der Familie liegen kann.
01:17:56
Aber es geht nicht nur um Vererbung.
01:17:58
Da sieht man zum Beispiel daran, dass 80% der Betroffenen von Schizophrenie keine Verwandten haben, die das auch haben.
01:18:03
Die Symptome von paranoiden Wahnvorstellungen kommen aber immer durch eine Störung des Stoffwechsels, also des Nervenstoffwechsels zustande.
01:18:11
Bei den Betroffenen gibt es da so ein Ungleichgewicht von Botenstoffen im Gehirn.
01:18:15
Und vor allem das Dopamin spielt da eine Rolle.
01:18:17
Da wird nämlich dann zu viel davon produziert.
01:18:20
Und das führt dazu, dass sie zum Beispiel irrelevante von relevanten Infos nicht mehr unterscheiden können oder viel sensibler auf Reize reagieren.
01:18:28
Und wirklich dann akustische Reize für die zu stimmen werden sozusagen.
01:18:33
Was aber auch immer mit reinspielt und paranoide Störungen negativ beeinflussen können, sind Sachen, die im Leben passieren.
01:18:40
Also eine schlimme Kindheit zum Beispiel oder besonders viel Stress aus irgendeinem Grund.
01:18:44
Das ist jetzt nicht so, dass das die Ursachen sind, aber es sind auf jeden Fall Dinge, die Trigger sein können.
01:18:50
Ja, also das habe ich in diesen Erfahrungsberichten, die ich gelesen habe, auch stark rausgehört, dass es halt immer irgendwie eine Lebenskrise gab.
01:18:56
Oder schon ganz lange dann Dinge schief gelaufen sind und sich das dann so aufgestaut hat.
01:19:03
Kann so eine Psychose aber auch auslösen.
01:19:06
Oder halt eine paranoide Schizophrenie möglicherweise früher ausbrechen lassen.
01:19:11
Da gibt es eine Studie aus den Niederlanden und die lässt darauf schließen, dass bei Betroffenen, die kiffen, mehr Dopamin ausgeschüttet wird als bei Gesunden.
01:19:21
Und dass es dadurch bei diesen Menschen dann eben zu so einer Überproduktion kommt, die dann Wahnvorstellungen auslösen kann.
01:19:27
Und vielleicht war das ja auch bei diesem Typen so, von dem ich mal erzählt habe, der meinte, Fontane würde in dieser Holzschublade schlafen, die er mir geschenkt hat.
01:19:36
Ja, der hat doch auch so viel gekifft.
01:19:41
Also eine paranoide Schizophrenie oder eine paranoide Persönlichkeitsstörung, die kann man jetzt nicht heilen, aber man kann das schon behandeln.
01:19:48
Also wenn du jetzt an paranoider Schizophrenie erkrankst und deine erste Episode hast, dann stehen die Chancen bei 80 Prozent, dass man dir in der Klinik auch helfen kann.
01:19:56
Und dass dein wahnhaftes Erleben zurückgeht.
01:19:59
Professor Bechdolf hat mir erklärt, dass die Behandlung in der Regel aus zwei Komponenten besteht.
01:20:03
Medikamente und Psychotherapie.
01:20:05
Da geht es dann letztlich darum, in der Episode selber, dass man versucht, die Anteile, die die Menschen auch immer haben, oder nicht immer, aber meistens haben,
01:20:16
dass sie selber auch Zweifel daran haben, dass der Geheimdienst wirklich überall nachgucken kann.
01:20:21
Also dass man diese Zweifel verstärkt.
01:20:24
Und die Medikamente sorgen dann auch nochmal dafür, dass man diese normalisierende Sichtweise eben wieder leichter einnehmen kann.
01:20:32
Und das machen die Medikamente, indem sie die Symptome wie Halluzinationen unterdrücken und die Aufnahme von Reizen auch hemmen.
01:20:41
Und zwar, indem sie halt gerade bei diesen Dopamin ansetzen und das hemmen.
01:20:44
Aber auch gesunde Menschen wie du und ich können paranoide Gedanken haben.
01:20:52
Das wissen wir und das sagt auch der Psychologe Daniel Freeman von der Oxford University.
01:20:56
Diese Leute denken dann zum Beispiel, dass die beobachtet werden oder dass andere schlecht über sie reden und ihnen irgendwie schaden wollen.
01:21:05
Ich erkenne uns da teilweise wieder.
01:21:06
Also ich finde gar nicht, dass ich solche Gedanken so oft habe.
01:21:10
Guck mal, ich habe hier diese Ich-Grenze hier jetzt nicht mehr, weil meine Gedanken share ich jetzt mit deinen.
01:21:15
Also das ist eins.
01:21:18
Okay, ja, weil ich finde das auch ganz manchmal, also ich würde sagen, ganz, ganz selten, dass vielleicht da mal ein paranoider Gedanke bei dir hervorkommt.
01:21:27
Das würde ich schon sagen.
01:21:28
Möchtest du mir ein Beispiel nennen?
01:21:30
Es gibt einige, nein, Quatsch.
01:21:33
Ein Beispiel, das mir einfällt, ist, da hast du mal einen Podcast gehört, glaube ich.
01:21:38
Und warst du dir dann schon relativ sicher, dass diese Person in dem Podcast oder war das im Fernsehen dich anspricht oder irgendwas?
01:21:46
Weißt du noch, was das war?
01:21:51
Nee, das war doch irgendwas im Fernsehen, im Politiker.
01:21:55
Ja, weil ich hier, weil ich hier doch gesagt habe, da habe ich Jens Spahn, das war glaube ich noch vor Corona-Zeiten doch getadelt, weil der dieses Medikament nicht rausrückt oder war das nicht wegen des Medikaments?
01:22:10
Ja, für Sterbehilfe.
01:22:11
Und dann hat der irgendwas gesagt, dass die Presse immer so lapidar davon berichtet und so.
01:22:17
Ja, das bin ich der Meinung, hat der uns vorher gehört und speziell mich dann damit angesprochen.
01:22:23
Und da möchte ich sagen, Jens, das finde ich, da hättest du mir auch einfach eine E-Mail schreiben können, wenn du da unzufrieden bist mit meiner Ansicht hier.
01:22:31
Ja, aber ich würde auch gerne einmal sagen, was die Psychologin Katharina Stegmeyer von der Uni Bern sagt, ein bisschen Paranoia ist sogar sinnvoll, damit wir erkennen, wenn uns andere schaden wollen.
01:22:44
Ich würde aber halt auf keinen Fall so weit gehen, bei dir jetzt ich, ich als Medizinerin, bei dir die paranoide Persönlichkeitsstörung zu diagnostizieren.
01:22:54
Das war aber nett.
01:22:55
Ich würde aber trotzdem einen Test gerne mit dir machen.
01:22:58
Ich habe online nämlich einen gefunden, der auf Grundlage eines Fragebogens entstanden ist, den dieser Daniel Freeman von der Oxford University erstellt hat.
01:23:06
Natürlich wie immer ohne Gewehr und ihr könnt den auch machen.
01:23:09
Ich poste dann den Link in die Shownotes.
01:23:13
Andere reden hinter meinem Rücken über mich und versuchen, mich auf unfaire Weise herunterzumachen.
01:23:19
Beschreibt mich nicht.
01:23:21
Beschreibt mich ein wenig.
01:23:22
Beschreibt mich definitiv.
01:23:24
Beschreibt mich nicht.
01:23:25
Ich bin oft innerlich von Eifersucht zerfressen.
01:23:28
Beschreibt mich nicht.
01:23:29
Beschreibt mich ein wenig.
01:23:30
Beschreibt mich definitiv.
01:23:31
Ne, das finde ich, beschreibt mich auch nicht.
01:23:33
Ich zögere oft, mich anderen anzuvertrauen.
01:23:36
Beschreibt mich definitiv.
01:23:38
Würde ich auch sagen.
01:23:40
Ich beobachte meinen romantischen Partner, Freunde und oder Familienmitglieder intensiv, um herauszufinden, wer untreu ist.
01:23:48
Beschreibt mich nicht.
01:23:50
Ich glaube, dass andere sich verschwören, um mir zu schaden.
01:23:55
Ne, also nicht, dass sie sich verschwören, sondern dass einfach so alle mich attackieren.
01:24:05
Ne, aber ich würde sagen, beschreibt mich nicht.
01:24:08
Viele der Menschen in meinem Leben wollen mir insgeheim schaden, mich ausnutzen oder betrügen.
01:24:14
Ne, also da muss ich jetzt ein bisschen differenzierter antworten.
01:24:17
Also nicht, dass sie mir bewusst schaden wollen, aber ich fühle mich schon manchmal ausgenutzt, ja.
01:24:24
Weil die anderen dann nicht so weit denken, was das vielleicht für dich bedeutet, wie viel Arbeit oder wie viel Energie oder sowas.
01:24:30
Ja, nicht, dass die anderen, dass Leute da nicht dran denken, sondern, dass ich halt das Gefühl habe, dass ich halt manchmal ziemlich viel investiere in Menschen.
01:24:38
Und ich das dann aber nicht zurückbekomme oder sie das dann nicht so richtig sehen oder nicht wahrnehmen.
01:24:44
Oder Dinge von mir nehmen, die ich ihnen gar nicht geben möchte.
01:24:49
Also ich würde jetzt sagen, teils, teils.
01:24:51
Aufgrund dessen.
01:24:52
Beschreibt mich ein wenig.
01:24:53
Menschen tun und sagen absichtlich Dinge, um mich zu provozieren.
01:24:59
Ich bin normalerweise misstrauisch gegenüber anderen Menschen und oder ihren Motiven.
01:25:03
Nee, also misstrauisch bin ich, bin ich eigentlich eher nicht.
01:25:08
Da würde ich auch sagen, wenn dann eher vorsichtig.
01:25:10
Ja, aber würde ich auch sagen, dass ich von uns beiden da eigentlich eher, eher noch gutgläubiger bin als du.
01:25:17
Ja, das kann sein.
01:25:18
Also ich bin ja auch eigentlich gut, glaube ich.
01:25:20
Das kommt ja, wenn dann auch viel von meinem Freund dann, dass man aufpassen muss, dass man, und das finde ich ja eigentlich auch gar nicht gut, wenn man misstrauisch ist oder wenn man immer denkt, der andere will einen ausnutzen.
01:25:34
Es ist jetzt nicht so, dass mein Freund das denkt.
01:25:36
Das ist eher in beruflicher Hinsicht.
01:25:39
Also beschreibt mich ein wenig, diese Frage.
01:25:41
Okay, wir haben noch zwei Fragen.
01:25:43
Ich fühle mich oft misstrauisch gegenüber Menschen, selbst nachdem sie sich mir gegenüber loyal verhalten haben.
01:25:50
Nee, das gar nicht.
01:25:52
Die Leute um mich herum wollen meinen Ruf zerstören.
01:25:55
Das ist das einzige Ziel von Laura vor allem.
01:26:00
Nee, nur von Laura.
01:26:01
Ob ich meinen Ruf zerstören?
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Minimale Anzeichen für eine paranoide Persönlichkeitsstörung.
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In klinischen Kontexten sollten Fälle wie der ihrer sorgfältig untersucht werden, würden aber typischerweise nicht die Kriterien für die Diagnose einer paranoiden Persönlichkeitsstörung erfüllen.
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Na, da kann ich ja mich glücklich schätzen.
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Bei mir, ich war auch noch, guck mal, du bist ja im grünen Bereich, ich war auch im grünen Bereich.
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Aber sehr viel weiter rechts oder was?
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Ach so, nee, ein bisschen weiter links.
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Bisschen noch mehr grün.
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Es gibt aber noch einen anderen Test, der ein bisschen schneller durchzuführen ist.
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Und zwar demonstriere ich den jetzt mal kurz an dir, ja?
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Ich fühle mich immediately unwohl.
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Ja, also ich komme jetzt auf dich zu, ja?
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Und du sagst Stopp, wenn dir das irgendwie reicht, ja?
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Sie kommt näher.
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Sie beugt sich über mich.
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Sie drückt ihre Wange an meine Wange.
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Okay, das heißt, Paulina ist nicht paranoid.
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Siehst du die Angst in meinen Augen?
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Ich glaube aber, dass du wahrscheinlich nicht jeden so nah hättest an dich herantreten sollen.
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Allerdings nicht.
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Die Forschungsgruppe rund um die Psychologin Katharina Stegmeier, die ging davon aus, dass Schizophrenie-PatientInnen, die unter Paranoia leiden, einen größeren Abstand zu ihren Mitmenschen bevorzugen.
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Und um das zu untersuchen, sind sie dann halt langsam, so wie ich jetzt, auf die Leute zugegangen, ja?
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Und die sollten halt dann auch Stopp sagen, wenn es zu nahe wird.
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Ich meine, jetzt, wenn eine fremde Psychologin auf dich zukommt, hättest du wahrscheinlich auch ein bisschen früher Stopp gesagt.
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Also, ich meine, das ist ja auch nicht nur, wenn man sich so unauffällig nähern würde, ne?
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Aber du hast dich jetzt hier so aufgetürmt und bist dann so immer näher gekommen und hast mich fixiert.
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Das ist ja auch nochmal was anderes.
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Ja, aber so haben sie das auch gemacht.
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Jetzt rate doch mal, wie groß der Abstand im Durchschnitt war bei PatientInnen, also bei Betroffenen, im Gegensatz zu den gesunden Personen.
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Also gesund würde ich sagen, gesunder Abstand ist vielleicht ein bisschen dichter, als wir jetzt gerade sind.
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Also, das ist ja kein Meter, oder?
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Ich würde schon sagen, das ist ein Meter.
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Okay, also ich würde sagen, ein Meter ist so eine Wohlfühl-Dings für normale Personen, vielleicht ein bisschen weniger.
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Und bei erkrankten Personen würde ich sagen, auf jeden Fall zwei Meter.
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Ja, bei den PatientInnen war der Abstand im Durchschnitt 2,4 Meter und bei gesunden 1,1 Meter.
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Hä, wie gut bin ich?
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Wow, oh mein Gott.
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Aber ich finde, das ist ja echt ja dieser eine Meter, den wir jetzt auch haben, das ist so, damit kann ich leben.
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Wenn mir auch eben eine fremde Person wirklich so, sage ich jetzt mal, ohne dass es ein Muss ist, in der U-Bahn oder so, geht es ja nicht anders.
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Aber wenn mir dann, man merkt dann direkt so, wenn jemand so, keine Ahnung, 30 Zentimeter oder 20 Zentimeter nahe kommt, da bist du doch direkt so, Entschuldigung.
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Da bin ich sofort in Alarmbereitschaft dann auch, ne?
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Das war der Test.
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Bevor wir die Folge beenden, würden wir uns noch sehr freuen, wenn ihr uns bei der Podcast-Plattform, über die ihr uns hört, eine sehr gute Bewertung dalassen möchtet, wenn ihr den Podcast gerne hört.
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Das war ein Podcast von Funk.