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#8 Thomas rung rache der mutter

Mordlust
Hi und herzlich willkommen zu einer neuen Folge von Mordlust.
Mein Name ist Paulina Krasa und ich bin Laura Wohlers.
Eine unserer Zuhörerinnen hat uns eine Nachricht geschrieben.
Ich weiß gar nicht, ob du die gelesen hast.
Auf jeden Fall meinte sie, dass es ihr schwerfällt, sich direkt voll auf einen Fall einzulassen.
Also sie findet es schwierig, wenn wir direkt mit einem Fall loslegen.
Sie hat sich gewünscht, dass wir am Anfang mal erstmal was Kurzes zum Thema True Crime erklären,
also als kleinen Einstieg.
Und deshalb mache ich das heute mal so.
Wenn ich einen Fall recherchiere, lese ich öfters mal die Abkürzung M-O.
Weißt du, wofür sie steht?
Und zwar steht es für Modus Operandi.
Der Modus Operandi beschreibt in der Kriminalistik die typische Vorgehensweise eines Straftäters,
also seine Handschrift sozusagen.
Und der M-O von unserem Facco Fritz Honka zum Beispiel war,
dass er seine Opfer, waren ja immer Prostituierte,
im goldenen Handschuh aufgabelte, sie betrunken machte,
mit Nachhause nahm und dort umbrachte,
zerstückelte und dann in seiner Wohnung versteckte.
Also beim Modus Operandi geht es um die Umsetzung der Tat,
aber auch um alle Maßnahmen zur Vertuschung der Tat, also alles, was danach passiert.
Und das Modus Operandi-System hat in der Kriminalistik eine zentrale Bedeutung,
denn immer bei der Ermittlung werden auch bereits vergangene Straftaten
im Hinblick auf ihre Vorgehensweise analysiert,
um anhand von Regelmäßigkeit den möglichen Täterkreis zu begrenzen
und um Überschneidungen zu finden.
Und deshalb sind in der Vergangenheit Informations- und Kommunikationssysteme
aufgebaut worden, auf die dann alle Polizeistellen Deutschlands zum Beispiel Zugriff haben.
So gibt es zum Beispiel das polizeiliche Informationssystem INPOL,
das einen Datenaustausch zwischen dem Bundeskriminalamt und den Landeskriminalämtern ermöglicht.
Das MO-Bewertungssystem hat auf jeden Fall seine Berechtigung,
um den einzelnen Fall zu analysieren.
Allerdings ist es ein rein theoretisches,
das in der Vergangenheit auch oft in die Irre geführt hat.
Denn ein MO zu erstellen bringt nämlich nichts,
wenn der Täter immer wieder andere Tötungsarten oder andere Opfertypen benutzt
oder vielleicht an andere Tatorte geht.
Und genau, aber jetzt hast du gelernt, was das MO ist.
Das ist im Grunde genommen das, was Fallanalytiker machen.
So heißt es ja auf Deutsch, auf Englisch Profiler.
Und das hatte ich bei Manfred Seele gelesen,
weil er ja immer wieder den gleichen Tathergang eigentlich hatte.
Genau.
Und mein Fall diese Woche lag eigentlich nah,
denn mir ist aufgefallen,
dass wir noch keinen Berliner Serienmörder behandelt haben,
obwohl wir ja in der Hauptstadt leben.
Daher dachte ich, mache ich das jetzt mal.
Und ich sage jetzt extra noch keinen Namen,
damit es für dich ein bisschen spannender bleibt, okay?
Mhm.
Gut.
Es ist Donnerstag, der 13. Oktober 1983
und Melanie S. sitzt in ihrer Wohnung
in der Silbersteinstraße 71 im Berliner Stadtteil Neukölln.
Melanie ist zwar schon 77 Jahre alt,
aber noch recht agil für ihr Alter.
Sie ist die Eigentümerin des Altbauhauses
und die zehn Wohnungen hat sie vermietet.
Gegen 18 Uhr klingelt ein Nachbar an ihrer Tür.
Für Melanie ist es nichts Ungewöhnliches,
zu dieser Tageszeit noch Besuch von ihren Mietern zu bekommen,
denn einige von ihnen zahlen die Miete noch immer in bar.
Auch dieser Nachbar gibt an, dass er kommt,
um die Miete zu begleichen.
Melanie bittet den jungen Mann ins Wohnzimmer,
doch als die Tür hinter dem Mann ins Schloss fällt,
wird Melanie plötzlich von hinten gepackt
und in den Würgergriff genommen.
Die alte Dame kann noch ein
Du Schwein rauspressen,
bevor sie das Bewusstsein verliert.
Einen Tag später versucht Melanies Nichte,
sie telefonisch zu erreichen.
Als sie am fünften Tag nichts von ihrer Tante hört,
fährt sie am 19. Oktober mit ihrem Mann zum Haus in der Silbersteinstraße.
Schon im Treppenhaus steigt ihr ein sonderbarer Geruch in die Nase
und sofort wird die Polizei alarmiert.
Die Beamten finden Melanie im Bett,
die Decke bis zum Kopf hochgezogen.
Als sie die Decke zurückschlagen,
sehen sie, dass die Frau nur mit einer Korsage bekleidet ist.
In der Wohnung finden die Polizisten einen Brief,
den Melanie am 8. August an einen gewissen Michael M. geschrieben hat.
Zitat
Sehr geehrter Herr M.,
ich fordere Sie auf,
die Miete für den Monat August zu bezahlen
und das geliehene Geld in Höhe von 50 Mark.
Werter Herr M.,
wenn Sie nicht zahlen können,
geben Sie sofort die Wohnungsschlüssel ab.
Ich habe mich in Sie getäuscht.
In Sie?
Ja, das war Zitat.
Michael M. können die Beamten schnell auftreiben
und mit auf die Wache nehmen.
Nach einigen Verhören,
in denen er seine Story vom 13. Oktober immer wieder verändert,
sagt M. schließlich aus,
dass er am Donnerstagmorgen gegen 11 Uhr
seine Vermieterin aufgesucht habe,
um nach Geld zu fragen.
Melanie hätte das aber nicht eingesehen
und den jungen Mann deshalb aus ihrer Wohnung buxieren wollen.
Der habe sich dann an der Türschwelle
aber noch einmal umgedreht
und die alte Dame zu Boden geworfen.
Dann habe er sie geschlagen und aufs Bett gelegt.
Er gibt außerdem an,
dass Melanie zu dem Zeitpunkt einen Kittel trug.
Michael M. wird festgenommen
und später an dem Mord an Melanie S. verurteilt.
Doch wie dir wahrscheinlich aufgefallen ist,
passen einige seiner Angaben nicht zu dem,
was ich vorher erzählt habe.
Ja, zum Beispiel,
dass sie eine Corsage getragen hatte eigentlich.
Genau.
Und er hatte auch gesagt,
dass er um 11 Uhr morgens da war.
Und ich hatte ja von 18 Uhr gesprochen.
Naja, auf jeden Fall geht der Falsche ins Gefängnis.
Ein bisschen mehr als einen Monat später.
Es ist Mittwoch, der 23. November,
kurz vor 23 Uhr,
als die 22-jährige Studentin Susanne M.
das Lokal Die Zwei in Berlin-Schöneberg betritt.
Die Pastorentochter kommt gerade von einem Treffen mit Freunden,
die zusammen an einem Kinderbuch arbeiten.
Susanne ist politisch engagiert.
Am Wochenende zuvor wurde sie sogar wegen Landfriedensbruch angezeigt,
weil sie bei einer Blockadeaktion im Hunsrück teilgenommen hat.
An diesem Abend verlässt Susanne die Kneipe um 0.53 Uhr.
Da sie als Studentin nicht so viel Geld hat, ist sie auf die BVG angewiesen.
Um zu ihrer Wohnung in Neukölln zu kommen,
muss sie erst den 19er-Bus nehmen und dann am Hermannplatz in den 91er umsteigen.
Susanne nimmt den ersten Bus dann auch um 8 Minuten nach 1.
Wenn alles glatt läuft, sollte sie 2 Minuten zum Umsteigen am Hermannplatz haben.
Aber, wir kennen es, kein Verlass auf die BVG
und so muss Susanne eine halbe Stunde am Hermannplatz warten.
Den Weg bis nach Hause hätte sie zwar in einer halben Stunde geschafft,
doch so spät mag sie nicht alleine durch Neukölln gehen.
Dann kommt endlich der Bus.
Schon wenige Minuten später steigt sie am Mariendorfer Weg aus.
Von dort muss sie noch ein paar hundert Meter bis zu ihrer Wohnung
in der Silbersteinstraße 128 zurücklegen.
Während Susanne die dunkle Straße entlang geht,
hört sie hinter sich jemanden gehen.
Die Person wird immer schneller
und plötzlich wird Susanne von hinten in den Würgegriff genommen.
Susanne schreit um Hilfe.
Der Mann drückt sie in eine Häusernische
und zieht sie dann auf den gegenüberliegenden Spielplatz.
Dort legt er sie hin und zieht ihr alle Klamotten aus.
Susanne liegt auf dem Rücken und presst mit aller Kraft die Beine zusammen.
Sie sagt ihm, dass sie lesbisch ist,
aber das scheint den Mann nicht zu stören.
Er versucht sie zu vergewaltigen,
schafft aber nicht in sie einzudringen.
Susanne fängt wieder an zu schreien.
Dann schlägt der Mann ihr so doll ins Gesicht,
dass sie anfängt zu bluten.
Der Mann berührt ihre Brüste und küsst sie auf den Mund.
Dann zwingt er Susanne, ihm einen runterzuholen.
Susanne bettelt um ihr Leben.
Doch der Mann sagt, dass er sie jetzt umbringen wird.
Danach wirkt er sie bis zur Bewusstlosigkeit.
Mehrmals tritt er ihr noch gegen den Kopf.
Susanne ist aber noch nicht tot.
Damit sie nicht so schnell entdeckt wird,
zieht der Mann Susanne weiter in den Spielplatz hinein.
Dann überhäuft er die nackte Frau mit Sand,
bis sie fast nicht mehr zu sehen ist.
Einige Stunden später sucht ein Vater auf dem Spielplatz
nach der Mütze seines Sohnes,
die er gestern dort verloren haben muss.
Dabei entdeckt er die Leiche.
Die Polizei wird gerufen und beginnt zu ermitteln.
Doch das Einzige, was sie am Tatort finden,
ist ein Schuhabdruck,
Marke Adidas, Größe 47.
Das heißt, jetzt ist sie doch tot.
Sie ist dann gestorben.
Nur, sie ist noch nicht tot,
als er sie gewirkt hat.
Zwei Tage nach dem Mord an Susanne
meldet sich ein 23-Jähriger bei der Mordkommission
und schildert einen Vorfall.
Eine Woche vor dem Mord
war der Mann bei seiner Freundin im Nackenheimer Weg,
700 Meter vom Spielplatz entfernt.
Plötzlich klingelt es an der Tür.
Der Nachbar der Freundin, Christian S.,
möchte in die Wohnung.
Als sie ihn aber nicht reinlassen wollen,
randaliert er so heftig,
dass man die Polizei rufen muss.
Der Mann gibt an,
dass Christian S. auf seine Freundin fixiert sei
und es gewisse Ähnlichkeiten zu dem Mordopfer gebe.
Deshalb hält der Anrufer es für möglich,
dass Christian S. der Täter sei.
Am 1. Dezember bekommen die Beamten
einen zweiten Hinweis auf den Mann.
Der zuständige Pfleger erzählt den Polizisten,
dass er an dem psychisch kranken Christian S.
seit dem 24. November,
also dem Todestag von Susanne,
einen starken Erregungszustand feststellen konnte.
Außerdem neige er zu unkontrolliert,
aggressiven Handlungen bei nicht beachteter Zuneigung.
Der Pfleger erzählt außerdem,
dass er und sein Kollege am 24. in der Wohnung des Mannes waren
und die fast komplett leergeräumt und verdreckt war.
Auf die Frage, warum es hier so aussehe,
sagte Christian S.,
dass ihn widrige Umstände dazu gezwungen hätten.
Christian S. war auch nur in Jogginghose bekleidet,
deshalb fragte der Pfleger noch,
wo die anderen Klamotten seien.
Herr S. meinte, die hätte er ordnungsgemäß abgelegt,
weil er auch ordnungsgemäß abtreten wollte.
Im Wohnzimmer fanden die Pfleger auch eine zerbrochene Fensterscheibe.
Herr S. meinte, er habe sich einen Fluchtweg schaffen müssen.
Die Beamten erfahren,
dass der Mann unter einer psychotischen Erkrankung
mit religiösen Wahnideen
sowie einem chronischen Liebeswahn leidet.
Mit dem zweiten Hinweis richtet sich die volle Aufmerksamkeit
der Beamten auf Christian S.
Er wird Hauptverdächtiger.
Im Abfall von ihm finden die Beamten dann Kleidung
mit Blutflecken der Blutgruppe 0.
Der Verdächtige selbst hat Blutgruppe A,
Susanne Blutgruppe 0.
Außerdem finden sie bei ihm Schuhe in Größe 45.
Christian S. wird in U-Haft genommen.
Und wie du schon richtig vermutest, fälschlicherweise.
Eine Woche später.
Am 30. November verlässt die 85-jährige Frieda K.
abends noch einmal ihre Wohnung in Berlin-Reineckendorf.
Sie ist verwirrt und läuft ohne Ziel durch die Gegend.
Ein junger Mann entdeckt die alte Frau
und fragt, ob er sie nach Hause begleiten darf.
Frieda freut sich über die Aufmerksamkeit
und hakt sich bei dem Mann unter.
Die beiden laufen an einer verlassenen Baustelle
auf dem Büchsenweg vorbei,
als der Mann auf einen Bretterhaufen und Eisenträger zusteuert.
Plötzlich spürt Frieda einen Stoß.
Der Mann hatte sie geschubst und zwar genau in den Bretterhaufen.
Dort liegt die alte Frau jetzt mit dem Kopf nach unten.
Sie schafft es nicht mehr aufzustehen
und niemand hört ihre Schreie.
Frieda K. erfriert in dieser Nacht einsam auf der Baustelle.
Lass Hunde und alte Frauen in Ruhe, bitte.
Erst am 5. Dezember wird sie von Bauarbeitern gefunden.
Die Leiche liegt auf dem Rücken.
Ihr Rock ist hochgeschlagen
und der weite, blau geblümte Schlüpfer ist heruntergezogen.
Außerdem fehlt in ihrer Handtasche das Portemonnaie.
Die Polizei geht von einem Raub- und oder Sexualmord aus.
Doch es gibt keine Hinweise auf den Täter.
Die Beamten befragen auch Kinder,
die diese verlassene Baustelle als Spielplatz benutzen.
Nach mehreren Verhören geben einige der Kinder zu,
dass sie die Tote von dem Bretterhaufen
zu der jetzigen Fundstelle geschleift,
sie entkleidet und die Tasche geleert hatten.
Wegen der neuen Ergebnisse geht die Polizei jetzt nicht mehr von einem Raub oder Sexualmord aus
und der Tod der Oma wird als Unfall zu den Akten gelegt.
Es dauert fast zwölf Jahre, bis die Wahrheit ans Licht kommt,
denn wer hätte es gedacht, es war kein Unfall.
Weniger als einen Monat später.
Es ist Viertel nach 5 Uhr am Morgen von Heiligabend.
Die 62-jährige Österreicherin Josefine G. läuft am Neuköllner Kielufer entlang.
Sie ist auf dem Weg zur Arbeit.
Jeden Morgen putzt sie in einem Supermarkt in Lichterfelde,
um ihre Rente aufzubessern.
Sie muss schon so früh los, weil sie einen langen Arbeitsweg vor sich hat.
Mit den öffentlichen Verkehrsmitteln braucht sie fast eine Stunde.
Doch plötzlich bemerkt sie, wie sich von hinten einer annähert.
Bevor sie weiß, was passiert, wird sie gepackt,
in den Würgegriff genommen und zu Boden gerissen.
Josefine liegt jetzt an der Böschung, die zum Kanal runterführt.
Ein Mann zieht ihr die Strumpfhose und den Schlüpfer aus.
Er droht, wenn du schreist, bringe ich dich um.
Dann vergewaltigt er sie.
Als er fertig ist, wirkt er die Frau bis zur Bewusstlosigkeit.
Dann schleift er sie an den Beinen die Böschung zum Kanal hinunter
und drückt ihren Kopf unter Wasser, bis sie stirbt.
Und schmeißt ihren Körper in den Kanal.
Eine Stunde später beginnt eine Zeitungsverkäuferin,
die Reklametafeln vor ihrem Geschäft aufzustellen.
Dabei bemerkt sie einen Mann, der die Auslage studiert.
Die Frau geht wieder in den Laden,
als sie plötzlich von hinten überfallen wird.
Der Mann, der gerade noch vor dem Geschäft stand,
schleift sie ins Innere des Ladens,
zieht sie aus und vergewaltigt sie.
Ein Hausbewohner, der vom Krach geweckt wurde,
kommt in den Laden geeilt.
Er ruft seiner Frau noch zu,
dass sie die Polizei alarmieren soll.
Er selbst will dann dem Täter den Weg versperren
und hält die Ladentür zu.
Doch der Mann ist zu kräftig.
Er stößt die Tür auf und rennt weg.
Der Nachbar versucht noch, ihn zu verfolgen,
doch ohne Erfolg.
Zwei Stunden später wird Josefine im Kanal entdeckt.
Obwohl Susanne und Josefine ähnlich umgekommen sind,
ermitteln zwei unterschiedliche Mordkommissionen,
die die Fälle nicht in Verbindung bringen.
Hätten sie da schon mal das schlaue Computerprogramm gehabt.
Genau.
In den Ermittlungen zu Josefine
konzentriert sich die Polizei auf Personengruppen,
die zu einer so frühen Uhrzeit schon auf den Beinen sind.
Und so bekommt der Zeitungsausträger,
der für den Bereich des Kielufers zuständig ist,
am 30. Dezember Besuch von der Kripo.
Der 27-Jährige kann sich aber
an keine besonderen Beobachtungen an diesem Morgen erinnern.
Dann wird provisorisch sein Vorleben gecheckt
und die Beamten erfahren, der Mann ist dreimal vorbestraft.
Einmal hat er ein Auto gestohlen,
ein anderes Mal Grabschmuck.
Und von Januar bis Juni 1983
saß er in U-Haft,
weil er seine 9 und 13 Jahre alten
Stiefkinder sexuell missbraucht hat.
Die 14 Jahre ältere Ehefrau
hatte ihn damals angezeigt.
Jetzt lebt er mit einer 70-Jährigen zusammen.
Und prompt ist er Hauptverdächtiger.
Aber ist das jetzt unser Mann?
Lass mich raten.
Nein.
Richtig.
Ein halbes Jahr später.
Es ist die Nacht vom 13. auf den 14. Juni 1984.
Eine 25-jährige Frau ist mit dem VW Käfer ihres Freundes
auf dem Weg vom Kudamm nach Hause.
Wenige Meter vor ihrer Wohnung
fängt das Auto auf einmal an zu qualmen.
Sie fährt an den Bürgersteig, steigt aus
und plötzlich steht ein Mann neben ihr.
Er erkundigt sich nach dem Problem
und hilft den Käfer ein paar Meter weiter
auf einen Parkplatz zu schieben.
Als sich die Frau von außen über den Fahrersitz beugt,
um die Handbremse anzuziehen,
wird sie von hinten gepackt.
Der Mann, der ihr gerade noch geholfen hat,
schlägt ihren Kopf mehrmals auf die Handbremse.
Die junge Frau versucht, die Nerven zu behalten
und will Zeit schinden.
Deshalb schlägt sie vor,
doch zu ihr gehen zu können
und tut so, als wäre sie davon angetan.
Das wäre ihre Rettung, denn ihr Freund ist zu Hause.
Ich finde es immer so krass,
wenn jemand so schalten kann in dem Moment.
Ja, leider geht der Mann nicht auf das Angebot ein.
Er zieht ihr den Rock hoch und den Slip runter
und vergewaltigt sie.
Darauf befiehlt ihr der Mann,
sich auf den Beifahrersitz hinzuknien,
mit dem Kopf nach unten.
Dann ist er weg.
Die junge Frau kramt nach dem Zweitschlüssel,
startet den kaputten Wagen und irgendwie fährt der los.
Obwohl es nur ein paar hundert Meter zu ihrer Wohnung sind,
verfährt sie sich.
Die Frau macht in der Tatnacht noch eine Zeugenaussage
und beschreibt den Täter relativ genau.
Doch die Polizei findet ihn nicht.
Drei Monate später.
Helga K. ist 58 Jahre alt,
als es Ende September 1984 gegen 18 Uhr
an ihrer Wohnungstür in der Marienstraße 8 in Berlin-Mitte klopft.
Die Klingel ist kaputt.
Das Haus steht kurz vor dem Abriss,
nur noch Helga K. wohnt in dem Altbau,
bei dem schon der Strom abgestellt wurde.
Sie erwartet keinen Besuch,
da sie seitdem ihr Mann gestorben ist,
einsam ist und sich dem Alkohol zugewandt hat.
Ein junger Mann steht vor der Tür
und verwickelt sie in ein Gespräch.
Helga hat gerade Kartoffeln aufgesetzt
und sagt, sie muss mal kurz nach dem Herd schauen.
Als sie in die Küche eilt,
wird sie von hinten in den Würgegriff genommen.
Helga will schreien,
aber der Mann droht,
wenn du schreist, bring ich dich um.
Helga sagt nur, bitte lass mich leben.
Jetzt muss sie sich ausziehen.
Dann vergewaltigt der Mann die Rentnerin auf dem Küchenboden.
Danach schlägt er vor, dass sie baden gehen sollen
und befiehlt Helga, das Wasser einzulassen.
Es ist eiskalt.
Er zwingt die Frau, sie in die Badewanne zu setzen.
Dann drückt er ihren Kopf unter Wasser, bis sie stirbt.
Es vergehen Wochen, bis die Frau gefunden wird.
Am 16. Oktober fährt Helgas Schwester zur Marienstraße 8,
um nach dem Rechten zu sehen.
Sie findet die Leiche in der Badewanne.
Sie ist bläulich aufgedunsen und von Maden übersät.
Am 23. November verfasst die Kriminalpolizei den Schlussvermerk.
Im vorliegenden Fall haben sich keine Anhaltspunkte dafür ergeben,
dass Frau K. Opfer eines Tötungsdeliktes geworden ist.
Ach, komm schon.
Es wird von hier aus für durchaus möglich gehalten,
dass sich Frau K. die Verletzungen an den beiden oberen Kehlkopfhörnern zugezogen hat,
als sie beim Aufhängen der Wäsche stürzte
und mit dem Hals unglücklich auf den Badewannenrand aufschlug.
Denken die Polizisten, die hätte nackt die Wäsche aufgehängt.
Klar.
Es ist also bereits das zweite Mal,
dass ein Mord als Unfall zu den Akten gelegt wird.
Wie groß ist dein Vertrauen in die Berliner Polizei?
Zumindest in diesen Jahren wäre sie wahrscheinlich nicht sehr groß gewesen.
Mehr als zehn Jahre später.
Am 25. Februar 1995 gegen 19.30 Uhr klingelt es an der Tür von Eckart T.
Sein Stiefbruder steht vor der Tür.
Er kommt rein und sagt, ich hol mir jetzt ein Bier.
Der 53-jährige Eckart daraufhin, du spinnst wohl.
Er weiß, dass sein Stiefbruder gerade erst aus einer Entzugsklinik gekommen ist
und ein Bier jetzt das denkbar schlechteste wäre.
Es kommt zu Handgreiflichkeiten zwischen den Brüdern.
Dann wird Eckart am Hals gepackt und gewürgt, bis er ohnmächtig ist.
Der Stiefbruder lässt daraufhin Wasser in die Badewanne ein.
Er hebt Eckart in die Wanne und lässt ihn langsam unter Wasser gleiten.
Am nächsten Tag gegen 11 Uhr entdeckt Kerstin ihren toten Vater in der Wanne.
Kerstin ruft sofort ihre Schwester Christine an.
Christine ahnt Schlimmes, denn ihr Mann Thomas, der Stiefbruder von Eckart,
ist seit dem 24. Februar nicht mehr auffindbar.
Und ja, es ist komisch, wenn dein Mann gleichzeitig der Stiefbruder deines Vaters ist.
Christine hat Thomas im Verdacht, weil es zwischen den Brüdern zu Erbstreitigkeiten gekommen war.
Sie hat Angst und zieht vorläufig mit ihrem gemeinsamen Sohn zu ihrer Mutter.
Christine ruft ihre Freundin Gabriela an und erzählt ihr von ihren Ängsten und bittet sie,
Wenn Thomas vorbeikommt und nach mir fragt, dann sag ihm bitte nicht, wo ich bin.
Zwei Tage später klingelt es dann morgens um kurz vor acht an Gabrielas Haustür in der Weißenfelser Straße 2 in Berlin-Hellersdorf.
Es ist Thomas, der Mann ihrer Freundin Christine.
Die 34-Jährige hat sofort ein ungutes Gefühl.
Sie hat gerade ihre Tochter an der Tür verabschiedet und ist jetzt alleine mit dem großen Mann.
Um 8.42 Uhr wird die Feuerwehr in die Weißenfelser Straße gerufen, die Wohnung mit der Hausnummer 2 brennt.
Nur wenige Minuten dauert es, bis die Feuerwehrmänner eine Entdeckung machen.
Auf dem Bett im Schlafzimmer liegt eine teilweise zugedeckte Frauenleiche.
Die Polizei wird gerufen und die versuchen sich ein erstes Bild von der Lage zu machen.
Christine wurde vergewaltigt und erwürgt.
Danach hatte der Täter Feuer gelegt.
Die Ermittlungen führen die Beamten erst mal zu den Angehörigen des Opfers.
Sie erfahren, dass die tote Frau mit ihrem Lebensgefährten Frank K. und ihren beiden Kindern in der Wohnung lebte.
Die 8-jährige Tochter Lisa wird von der Schule abgeholt und erzählt den Beamten,
dass als sie heute früh aus dem Haus ging, den Onkel Thomas gesehen hatte.
Dann wird Frank K., der Lebensgefährte von Gabriela, vernommen.
Der Mann ist sichtlich am Boden.
Er kann den Beamten erklären, wer mit Onkel Thomas gemeint ist.
Und zwar Thomas Rung, der mit einer guten Freundin der Familie, damit ist Christine gemeint,
und drei Kindern in einer Wohnung nur ein paar Straßen weiter wohnt.
Außerdem weiß Frank, dass Thomas Rung wegen Gewalttaten, die er unter Alkoholeinfluss begangen hatte,
bis vor wenigen Monaten in der forensischen Abteilung der Karl-Burnhöfer Nervenklinik untergebracht war.
Um 15.05 Uhr klingelt im Büro des Chefarztes der Station 15 der Nervenklinik das Telefon.
Ein Polizist möchte wissen, ob ihm ein Thomas Rung bekannt ist.
Natürlich.
Und soeben habe ihm ein Mitarbeiter berichtet, dass Rung auf dem Gelände der Klinik gesehen wurde.
Jetzt heißt es keine Zeit verlieren für die Beamten.
Sie fahren sofort zur Klinik und finden einen schlafenden und angetrunkenen Thomas Rung
auf einer Parkbank auf dem Klinikgelände.
So schnell haben die Berliner Polizisten ja noch nie zugeschlagen.
Allerdings war es dieses Mal ja auch nicht so schwer und Glück hatten sie auch noch, dass sich Rung gerade in die Klinik verirrt hatte.
Auf jeden Fall haben sie jetzt den Mörder von Gabriela P.
Dass ihn ein Serienmörder ins Netz gegangen ist, der insgesamt sieben Menschen ermordet hat, wissen sie zu dem Zeitpunkt aber noch nicht.
Drei Wochen später gesteht Rung dann überraschend alle Morde.
Und am 30. Januar 1996 beginnt sein Prozess vor der 36. Großen Strafkammer des Landgerichts Berlin.
Nach nur sechs Verhandlungstagen wird das Urteil im Namen des Volkes verkündet.
Zweimal lebenslange Haft mit anschließender 10-jähriger Sicherheitsverwahrung.
Wie immer hat der Angeklagte das letzte Wort.
Für Thomas Rung ist klar, dass dieses Urteil nicht das Urteil des Volkes ist.
Seine letzten Worte sind
Das Volk will nur eins.
Rübe ab.
Du suchst dir immer die Täter aus, die die besten Sachen sagen.
Wie viele saßen jetzt seinetwegen unschuldig?
Also dieser Postbote da, der war auf jeden Fall in Untersuchungshaft.
Aber ich glaube nicht so lang.
Der erste, dieser Miettyp.
Genau.
Michael M.
Genau, der saß sechs Jahre oder so.
Ordentlich.
Ja.
Unschuldig.
Den Großteil der Informationen hatte ich übrigens aus dem Buch
Die Geständnisse des Serienmörders Thomas Rung von Peter Nigel,
der den Thomas Rung im Gefängnis dann auch interviewt hatte.
Kommen wir zu meinem Aha.
Bei allen Taten von Thomas Rung handelte es sich übrigens auch um Raubmorde.
Er hat die meisten Frauen erstmal vergewaltigt,
danach aber immer auch ausgeraubt.
Für Rung war Geld alles.
Sein Leben lang stand er am finanziellen Abgrund
und Arbeiten war nicht so sein Ding,
weshalb er sein Geld immer nur durch Raub verdiente,
in Anführungszeichen.
Und deshalb ist es auch gar nicht so überraschend,
dass er alle seine Morde gesteht.
Denn durch seine Anwältin erfährt er,
für wie viel Geld man so eine Story an die Medien verkaufen kann.
Auf seinen Wunsch hin stellt die Verteidigerin
auch dann den Kontakt zur Presse her.
Und am 16. März erscheint der Stern mit Rungsporträt
und dem Titel
Ich gestehe.
Aber wie viel bekommt Rung dafür vom Stern?
Das Magazin Panorama hat dafür beim damaligen Ressortleiter Thomas Osterkorn nachgefragt.
Der Gesamtumfang bewegte sich unter 100.000 Mark?
Ja, deutlich.
Aber auch deutlich über 10.000?
Ja, antwortet Osterkorn.
Aber nicht nur mit dem Stern macht Rung Geschäfte,
auch mit RTL
und verkauft sich dort als liebevoller Vater.
Er hatte ja einen Sohn mit Christine.
Frank K., der durch Rung seine Lebensgefährtin
und die Mutter seiner zweier Kinder verloren hat,
stellt resignierend fest,
es ist leider so, dass die Täter eine Wahnsinnslobby haben.
Um die Opfer oder die Hinterbliebenen scherzt sich keiner.
Das interessiert keinen,
denn da ist keine Action,
da ist nur Leid
und das will keiner sehen.
Thomas Rung macht also ordentlich Geld mit seinen Taten
und die Angehörigen seiner Opfer gehen leer aus.
Frank K. und seine Töchter
haben bis heute keinen Cent Schmerzensgeld gesehen.
Sein Anwalt hatte sich nach dem Medienspektakel
zwar mit der Staatsanwältin in Verbindung gesetzt,
um herauszufinden,
was mit dem ganzen Geld passiert sei.
Die meinte aber nur,
dass es in die Taschen der Verteidigerin geflossen ist
und nichts mehr davon übrig wäre.
Und das ist kein Einzelfall,
also dass Mörder oder andere Straftäter ihre Taten vermarkten.
Und so gibt es auch Leute,
die sich auf dieses Geschäft spezialisiert haben.
Isaac Goldfein zum Beispiel hat Straftäter vermarktet.
Einer seiner Mandanten
war beispielsweise Thomas Holst,
ebenfalls Serienmörder.
Er hatte zwischen 1987 und 1989
drei Frauen in der Nähe von Hamburg
vergewaltigt, gequält und zerstückelt.
1995 half seine Psychologin ihm,
aus dem Hochsicherheitstrakt einer Nervenklinik auszubrechen.
Drei Monate danach
wurde die Frau aber festgenommen
und Thomas Holst stellte sich
und kam zurück in die Klinik.
Zwei Jahre später heirateten die zwei.
Eine Story,
die sich vermarkten ließ.
RTL wollte die Hochzeit angeblich
vor einem Millionenpublikum zeigen
und 120.000 Mark dafür zahlen.
Goldfein schätzte den Marktwert von Thomas Holst
damals in Deutschland auf 150.000 Mark,
in den USA sogar auf drei Millionen.
Goldfein versuchte die Story des Serienkillers
auch an Hollywood zu verkaufen.
Ein anderer Mandant war der Hochstapler Jürgen Schneider,
der wegen Betrugs, Kreditkartenbetrugs
und Urkundenfälschungen im Gefängnis saß.
Seinen Marktwert schätzte Goldfein auf 10 Millionen Mark.
Goldfeins größter Kuh war aber Matthias Rust.
Kennst du Matthias Rust?
Ich kannte ihn auch nicht,
aber anscheinend musste man ihn auf jeden Fall damals in Deutschland kennen,
denn er war irgendwie mit 18 Jahren mit einem Flugzeug irgendwo gelandet.
Aber ist auch egal,
denn 1989 sticht er mit einem Messer auf eine 18-Jährige ein
und tötet sie dabei fast.
Grund?
Sie wollte ihn nicht küssen.
Nach 15 Monaten Haft wird er schon wieder entlassen
und alles rund um die Tat wird medienwirksam veröffentlicht.
Auch die Hochzeit Rusts wird vor Kameras auf dem Sender Premiere inszeniert.
Insgesamt habe Rust 300.000 Mark eingebracht zu Goldfein.
Als das Opfer dann Schmerzensgeld verlangte,
spielte Rust die arme Kirchenmaus.
In Hamburg versuchte der Anwalt der jungen Frau monatelang die Gelder aufzuspüren,
doch vergeblich.
Rust, Medien und Goldfein schwiegen.
Der Trick ist nämlich, die Verträge nur mit den Vermittlern,
also mit dem Anwalt zu machen.
In diesem Fall Goldfein.
Und so ist der Täter erstmal fein raus.
Als dann aber doch Honorare auftauchten,
will Rust sein Opfer mit 30.000 Mark abschweißen.
Er
Ich meine, 30.000 Mark ist sehr, sehr viel Geld.
Ich meine, andere Leute in meinem Alter, wer hat das?
Keiner hat das.
Für einen Studenten 30.000 Mark,
das ist ein unbeschreibliches Vermögen.
Ich meine, irgendwann muss man sich zufrieden geben.
Man kann mich nicht ausquetschen wie eine Zitrone.
Und wie viel macht Goldfein mit Rust?
Rund 50 Prozent.
Also ein richtiges Geschäft für die Anwälte, wenn sie es denn eingehen wollen.
Unter 100.000 Mark hat Rung für seine Story bekommen?
Anfänger.
Er wäre von Neid erblasst, wenn er gehört hätte, was mein Fall eingeheimst hat.
Ich bin gespannt.
Der Böse soll nicht den Guten töten und nicht der Gute den Bösen.
Ich bin nur ein Dichter nichts weiter, aber ich sage euch ohne jeden Zweifel, es gibt keine guten Mörder.
Pablo Neruda.
Anna Bachmeier ist sieben Jahre alt und ein sehr fröhliches und aufgeschlossenes Kind.
Kennst du es?
Nein, aber willst du den Nachnamen sagen?
Ja.
Oh nein, ist es was Schlimmes?
Hä?
Das ist ein Kind.
Das wird bestimmt gekidnappt.
Sie wohnt bei ihrer Mutter Marianne in Lübeck.
Ihre Mutter ist 29 Jahre alt, hat Anna also schon sehr früh bekommen, alleinerziehend und etwas überfordert mit Anna und ihrem Job.
Marianne arbeitet nämlich als Kneipenwirtin in einem Szene-Lokal, dem Tipasa.
Oft muss Anna nach der Schule da auf ihre Mutter warten und manchmal liegt sie sogar in irgendwelchen Ecken, um dort zu schlafen.
Das ist natürlich keine gute Umgebung für ein Kind, vor allem weil im Tipasa nicht nur gegessen, sondern auch ausgiebig gekifft wird.
Am Morgen des 5. Mai 1980 verkrachen sich Anna und ihre Mutter.
Marianne hatte verschlafen und muss an diesem Tag zu einem Fototermin.
Die Lübecker Nachrichten wollen sie und ihren auffälligen bunten VW-Bus ablichten, mit dem sie immer durch die Stadt fährt.
Anna geht an diesem Tag nicht zur Schule wie alle ihre Klassenkameraden, sondern will lieber auf der Straße spielen und danach eine Freundin besuchen gehen.
Die ist aber nicht da.
Dafür trifft sie auf Klaus Grabowski.
Anna hat gemeinsam mit ihrer Freundin öfter mal mit seinen Katzen gespielt.
Er wohnt mit seiner Verlobten im gleichen Haus wie Annas Freundin.
1971 wurde der damals 26-jährige Metzger zu einem Jahr auf Bewährung verurteilt, weil er sich an einem kleinen Mädchen vergehen wollte.
Als das Mädchen floh, lief er hinterher und legte seine Hände von hinten um ihren Hals.
Erst als das Mädchen laut schrie, ließ er von ihr ab, sodass sie fliehen konnte.
Fünf Jahre später hatte er in einer psychiatrischen Anstalt gesessen, weil er ein kleines Mädchen missbraucht hatte.
Dort machte man ihm folgendes Angebot.
Wenn er sich kastrieren ließe, würde er freikommen.
Wenn nicht, müsste er auf Dauer in der Anstalt bleiben.
Er ging auf das Angebot ein.
Danach ist sein Hormonspiegel also extrem niedrig.
Zwei Jahre später aber behandelt ihn ein Urologe, offenbar ohne ausreichende Prüfung, warum Grabowski kastriert ist.
Und er stellt seinen normalen Sexualtrieb wieder her.
Anna verbringt offenbar einige Stunden in Klaus Grabowskis Wohnung.
Und was ich jetzt erzähle, stützt sich ausschließlich auf die Aussagen von Grabowski selbst.
Er sagt später, er habe Anna nichts tun wollen, aber sie habe versucht, ein paar Mark von ihm zu erpressen.
Ansonsten würde sie ihrer Mutter erzählen, dass er sie gestreichelt habe.
Wegen seiner Vorgeschichte bekommt er Panik.
Auf dem Stuhl, auf dem Anna sitzt, liegt eine Strumpfhose seiner Verlobten.
Grabowski stürzt sich von hinten auf das Mädchen, wirft ihr die Strumpfhose über den Kopf und drückt unter ihrem Nacken zu.
Der Stuhl kippt um und das Mädchen fällt seitwärts zu Boden.
Kurz nach der Tat gesteht er den Mord seiner Verlobten.
Grabowski verlässt das Haus, um Annas Leiche zu verstecken.
Seine Verlobte hingegen meldet die Tat aber der Polizei.
Und als sie mit dem Beamten in die Wohnung zurückkehrt, finden sie einen Zettel.
Muckel, wo bist du?
Ich warte seit einer Dreiviertelstunde auf dich, nimm mich in den Arm, bitte.
Ich brauche jetzt nur dich, lass uns reden, bitte.
Ich gehe um 22.30 Uhr ins Zollen, um dich zu suchen.
Das Zollen ist eine Gaststätte, in der er sich oft aufhält.
Klaus Grabowski hat Annas Leiche in der Zwischenzeit am Ufer eines Kanals vergraben.
Die Ausgrabung dauert eine Weile und sie muss mit Löffeln, Spachteln und Pinseln freigelegt werden, damit möglichst wenig Beweise beschädigt werden.
Anna liegt in der Erde, die Beine mit einem Strick gefesselt und in Embryonalhaltung.
Die Polizei nimmt Grabowski im Zollen fest.
Er gesteht den Mord an Anna.
Die Beamten haben bei den folgenden Ermittlungen ein paar Schwierigkeiten.
Und da geht es um Annas Mutter.
Marianne hatte ihre Tochter abends als vermisst gemeldet.
Als die Polizisten ihr mitteilen, dass Anna getötet wurde, verweigert sie die Identifizierung der Leiche ihrer Tochter.
Und eigentlich sind Angehörige in der Regel eher bemüht, bei der Aufklärung zu helfen.
Aber Marianne lehnt jeden Kontakt mit dem Staatsanwalt und den Kriminalbeamten ab.
Das ist halt einfach ein sehr seltsames Verhalten, weil die Ermittlungen ja der Überführung des Mörders dienen sollten.
Vielleicht wollte sie aber ihr totes Kind nicht sehen.
Das kann man auch ein bisschen verstehen, oder?
Das kann man verstehen, aber dann gar nicht mit der Staatsanwaltschaft zu reden, behindert ja nur die Ermittlungen.
Ja.
1981 beginnt der Prozess gegen Klaus Grabowski.
Marianne Bachmeier nimmt als Nebenklägerin teil.
Dass Grabowski Anna getötet hat, ist klar.
Aber es wird halt jetzt verhandelt, ob er ein Mörder ist oder ob man die Tat auch anders bewerten kann.
Aus den Vernehmungsprotokollen weiß Marianne, dass Grabowski angegeben hat, dass Anna ihn erpresst haben soll.
Er versucht also irgendwie der toten Tochter eine Mitschuld an den Geschehenen zu geben oder zumindest sein Verhalten zu begründen.
Am dritten Verhandlungstag, Marianne soll vorher erfahren haben, dass der Mörder heute eine Aussage machen will, betritt sie morgens noch recht früh das Gerichtsgebäude.
Im Verhandlungssaal sind kaum Leute anwesend.
Klaus Grabowski ist schon dort und sitzt mit dem Rücken zur Türgewand.
Marianne macht nur ein paar Schritte in den Saal.
Sie sieht Grabowski, zieht eine Beretta aus ihrer Jackentasche hervor und schießt achtmal auf den Mörder ihrer Tochter.
Dann ist das Magazin leer.
Sechsmal trifft sie.
Warte mal ganz kurz.
Aber der stirbt nicht?
Doch.
Ach so.
Weil du eben zu mir meintest, dass er die Story verkauft hat.
Das habe ich nicht gesagt.
Ich dachte gerade schon.
Das wäre ja geil gewesen.
Okay.
Grabowski stirbt noch, bevor ein Arzt zur Stelle ist.
Marianne lässt sich im Gerichtssaal ohne Widerstand mitnehmen.
Davor sagt sie aber noch, ich wollte ihm ins Gesicht schießen.
Leider habe ich ihn in den Rücken getroffen.
Hoffentlich ist er tot.
Etwas Ungewöhnliches passiert in diesen Minuten.
Eine Gerichtsreporterin trifft auf den Gängen auf den Lebensgefährten von Marianne Bachmeier.
Und der strahlt über beide Backen und sagt, sie hat es getan.
Sie hat es wirklich getan.
Marianne kommt in Untersuchungshaft.
In den folgenden Tagen und Wochen werden ihr massenhaft Briefe und Blumen zugeschickt.
Außerdem erhält sie 100.000 Mark, die für sie gesammelt wurden.
Erstaunlich viele Menschen können nämlich ihre Tat nachvollziehen.
In der Öffentlichkeit wird sie als Heldin gefeiert und Marianne Bachmeier ist dafür eine sehr gute Protagonistin.
In den Nachrichten sieht man Straßenumfragen, wo Menschen mit Reportern reden und sagen, Freispruch für diese Frau.
Oder, ja machen darf man das nicht, aber wir würden es auch tun.
Als der Reporter fragt, ob er auch mit Hinsicht auf die Strafe tatsächlich das gleiche getan hätte, antwortet er, wieso?
Das wäre ja noch eine Swarenerei, wenn die Frau auch noch eine Strafe bekommen würde.
Im November 1982 beginnt Mariannes Prozess.
Es ist der erste große Fall von Selbstjustiz in Deutschland und die Medien berichten gerne darüber.
Eine junge, sehr attraktive Frau, die im Gericht den Mörder ihrer Tochter erschießt.
Marianne tritt selbstbewusst auf und sie kleidet sich sehr attrakt.
Ohne Witz, sie sieht aus wie eine Modeikone.
Sie hat schulterlanges Haar und einen Pony, der ihr ins Gesicht hängt.
Und irgendwie scheint sie, so wirkt es zumindest, die Auftritte zu genießen.
Marianne sagt aus, dass die Tat nicht geplant gewesen sei.
Es sei eine spontane Reaktion gewesen, weil sie verhindern wollte, dass Grabowski Anna mit seinen Aussagen in den Dreck zieht.
Die Waffe hätte sie bei sich getragen, weil sie sich in der Zeit nach Annas Tod bedroht gefühlt habe.
Gelernt damit zu schießen, habe sie aber nie.
Ihre Verteidiger müssen jetzt also darlegen, dass die Tat im Affekt passiert ist.
Das würde nämlich milder eine Umstände geben.
Das Problem? Grabowski wurde von hinten erschossen.
Er war also arg und wehrlos und damit erfüllt die Tat ein Mordmeckmal.
Im Laufe der Verhandlungen bekommt ihre angesehene Rolle als Rache-Mutter Risse.
Denn wir erfahren, Anna war eigentlich gar kein Einzelkind.
Marianne hatte bereits mit 16 und mit 18 Jahren zwei Kinder zur Welt gebracht, die sie danach zur Adoption freigegeben hat.
Marianne hatte selbst eine schwierige Kindheit.
Mit neun Jahren wird sie angeblich vom Nachbarn sexuell missbraucht
und ihr Stiefvater prügelt sie grün und blau und steckt sie nach ihrer ersten Entbindung in ein Heim.
Kurz vor der Entbindung ihrer zweiten Tochter wird sie vergewaltigt.
Nach Annas Geburt hatte sie sich dann sterilisieren lassen
und sie soll auch überlegt haben, Anna in Pflege zu geben, weil sie mit ihr überfordert war.
Es ist irgendwie schwierig zu glauben, dass sie den Mörder ihrer Tochter umbringen wollte,
obwohl sie eigentlich selbst kein Auge für Anna hatte.
Passt das also zusammen, fragt sich die Öffentlichkeit?
Jetzt meldet sich auch noch eine Mitgefangene zu Wort.
Sie behauptet, dass Marianne ihr im Gefängnis erzählt haben soll, dass sie die Tat geplant habe.
Außerdem ginge sie davon aus, dass sie damit in die Geschichte eingeht und bald wieder freikommt.
250.000 Mark verkauft Marianne ihre Lebensgeschichte an den Stern.
Der Stern kauft sowas gerne, oder?
Mit dem Honorar deckt sie ihre Anwaltskosten.
Und man muss hier irgendwie sagen, Marianne hatte vorher in ihren Augen offenbar kein großartig bedeutsames Leben.
Und jetzt plötzlich ist sie jemand.
Sie bekommt Anerkennung und Beachtung und die Leute setzen sich mit ihr auseinander.
Thema der Verhandlung ist auch, wie Marianne geschossen hat.
Sie hat von acht Schüssen sechsmal dicht am Herz getroffen.
Und das ist schon ziemlich schwierig, weil man die Waffe immer wieder nachjustieren muss.
Und das Opfer bleibt ja auch nicht an einer Stelle stehen.
Außerdem haben Bekannte berichtet, dass sie im Keller des Lokals, wo sie gearbeitet hat, Schießübungen gemacht hat.
Die Vermutung liegt also nahe, dass sie vorher geübt hat und nicht, wie ausgesagt, eine blutige Anfängerin im Umgang mit der Waffe ist.
Obwohl Marianne ihr Opfer von hinten erschossen hat und damit nun eigentlich wirklich unbestreitbar ein Mordmerkmal erfüllt war,
verurteilt der Richter sie nach über 20 Verhandlungstagen wegen Totschlags.
Für dieses Urteil musste sich die Justiz ganz schön verbiegen.
Offenbar wollte man nämlich ein Strafmaß finden, dass die Öffentlichkeit, die trotz der Geschichten um sie herum immer noch irgendwie Verständnis für ihre Tat hatte, für angemessen hielt.
Und sie begründeten das Urteil damit, dass Marianne Bachmeier nicht klar gewesen sei, dass sie ihr Opfer arg und wehrlos erschossen hat.
Absurd.
Sie bekommt sechs Jahre Haft wegen Totschlags und unerlaubtem Waffenbesitz.
Wegen Selbstmordgefahr verbringt Marianne rund anderthalb Jahre ihrer Haftzeit in einer psychiatrischen Klinik.
Und tatsächlich kommt sie wegen guter Führung nach drei Jahren frei.
Marianne Bachmeier heiratet später, lebt kurze Zeit mit ihrem neuen Mann in Nigeria.
Die Ehe hält aber nur ein paar Jahre.
Und danach sucht sie weiter nach ihrem Glück in Palermo in Sizilien.
Und dort arbeitet sie im einen Hospiz.
1995 gibt sie in einem Live-Interview in der ARD dann schließlich doch zu, dass sie Klaus Grabowski nach reiflicher Überlegung erschossen hat.
Sie wollte Recht über ihn sprechen und ihn daran hindern, weiter Unwahrheiten über ihre Tochter zu verbreiten.
Und andere Kinder vielleicht zu missbrauchen und umzubringen.
Ein Jahr später stirbt Marianne im Alter von 46 Jahren am Bauchspeicheldrüsenkrebs in Lübeck.
Eigentlich wollte sie dahin nie wieder zurück, weil sie in Lübeck immer Annas Mutter sein wird.
Sie wird im Grab ihrer Tochter beigesetzt.
Und die letzten Wochen lässt sie ebenfalls von einem Kamerateam begleiten.
Die Zeit schreibt einmal einen Satz über sie, den ich sehr passend fand.
Sie selbst konnte in ihrem inneren Chaos von ungenutzter Intelligenz und sehnsuchtsvoller Sinnlichkeit mütterliche Ruhe weder finden noch geben.
Und ich muss wirklich sagen, das ist nicht nur so, dass diese Frau ganz bestimmt auftritt.
Sie ist tatsächlich auch echt intelligent und sehr reflektiert und nicht so, wie man das vielleicht von jemandem erwarten würde, der sowas getan hat.
Viele würden vielleicht sagen, was erzählt die Frau da?
Aber trotzdem sieht man, dass sie sich mit ihrer Rolle, die sie eingenommen hat, auseinandergesetzt hat.
In einem Interview, das man bei Spiegel Online findet, sagt Marianne 1993, ohne Annas Tod hätte ich mich wahrscheinlich nie so weit entwickelt, wie ich mich entwickelt habe.
Das kann man jetzt grotesk finden, aber es ist ja nun mal so, Menschen entwickeln sich ständig und erst recht aus dem Schmerz heraus.
Dass sie aber, zumindest meiner Meinung nach, auch irgendwie eine selbstverherrlichende Art hat, wird in diesen Interviews lange nach der Tat ja auch klar.
Da erzählt sie zum Beispiel über ihre Erlebnisse, die sie in einem Buch zusammengefasst hat.
Und dort ist sie die Heldin der Geschichte und sie sagt auch, die Heldin in dem Buch.
Also schreibt sie über sich selbst in der dritten Person.
Begründet hat sie das damit, dass sie sich damals eher als Figur in einem Paralleluniversum betrachtet hat.
Außerdem schildert sie einen Moment in einer Kirche im Jahr 93.
Dort habe sie um Vergebung gebeten, was ihr sehr schwer gefallen ist, und plötzlich hatte sie ein Gefühl von Schuldlosigkeit gespürt, als würde jemand sagen wollen, forget it.
Sie kommt dann auch zu dem Schluss, das, was ich gemacht habe, ist gut.
Und sie fand es auch gut, dass sie es getan hat und nicht jemand anders.
Sie hat nicht das Gefühl, einen Menschen umgebracht zu haben, denn ein Mann, der ein siebenjähriges Mädchen die Luft wegdrückt, ist kein Mensch, sagt sie.
Und deswegen hat sie auch keine Gewissensbisse.
Über eine Sache regt sie sich auf.
Als ihr die Beamten gesagt haben, dass Anna tot ist, hat sie gesagt, sie wolle nicht wissen, wie er es getan hat.
Daraufhin hat einer gesagt, es sei relativ human geschehen.
Er hat sie erwürgt.
Im Interview lacht sie abwertend darüber und sagt, human erwürgt?
Wie geht das denn?
Aber dass ich ihn relativ human erschossen hätte, das wurde nicht gesagt.
Nie.
Und ich finde, ich habe das relativ human getan.
Also bin ich doch eher ein Mensch als er.
Oder etwa nicht?
Und jetzt nochmal zu meinem Zitat von Pablo Neruda vom Anfang.
Der Böse soll nicht den Guten töten und nicht der Gute den Bösen.
Ich bin nur ein Dichter, nichts weiter, aber ich sage euch ohne jeden Zweifel, es gibt keine guten Mörder.
Gut, also vielleicht gibt es keine guten Mörder, aber meinst du, es gibt vielleicht weniger schlimme Mörder?
Auf die bezogen, auf die Mutter bezogen?
Also ich glaube, wir können uns schlechter reinversetzen, weil wir selber noch keine Kinder haben.
Aber ich glaube, jeder Mensch, jeder Vater, jeder Mutter könnte sich sehr gut in sie reinversetzen.
Und vor allen Dingen Erwachsene, die auch ihre Kinder verloren haben oder durch Triebtäter oder sowas, die könnten das alle nachvollziehen.
Aber es ist immer noch was anderes, als das dann zu machen oder von der Justiz regeln zu lassen, sozusagen.
Es gibt ja auch Eltern, die den Mörder ihres Kindes verzeihen.
Ja, ich glaube, das ist auch das Intelligentere, dass man dann dadurch besser weiterleben kann, wenn die ihm verzeihen können, weil er beispielsweise krank war oder wie auch immer die sich das dann hinbiegen, damit sie ihm verzeihen können und vielleicht weiterleben können.
Aber ich glaube, das kommt ganz darauf an, was für ein Mensch du bist, ob du das irgendwann ruhen lassen kannst und willst oder nicht.
Dazu komme ich später nochmal.
Was hältst du denn vom Strafmaß?
Sie hatte ja sechs Jahre bekommen und wurde dann nach drei Jahren freigelassen.
Ich finde es schwierig, dass sie es so hingebogen haben, dass es Totschlag war.
Eigentlich schon.
Ja, weil es von hinten, wenn sie ihn von vorne getroffen hätte, hätte ich auch, würde ich, das Strafmaß, fände ich es okay, weil dann hätte man es halt wirklich so begründen können.
Ja, schwierig.
Wahrscheinlich hätte sie ein bisschen enger sitzen müssen, aber auf jeden Fall, ja, finde ich es auch okay so.
Das finde ich ja zum Beispiel total absurd.
Warum ist es ein Unterschied, ob du jemanden von hinten erschießt, als wenn du ihn von vorne erschießt?
Er kann sich so oder so nicht wehren.
Warum ist es ein Unterschied?
Ja, ist ja, im Gericht ist es ein Unterschied.
Ja, genau.
Aber das haben wir uns doch schon letztes Mal gefragt, wo der eine Typ den anderen auf dem Fahrrad umgebracht hat und nur weil er ihm vorher angedroht hat oder die Pistole gezeigt hat, war es dann Totschlag.
Ja, das ist leider das Problem mit der Justiz.
Aber was sagst du denn, also wie findest du denn das Strafmaß?
Also ich finde, rechtlich gesehen hätten Marianne und der Mörder ihrer Tochter eigentlich das gleiche Strafmaß bekommen müssen, rechtlich gesehen.
Also meiner Auffassung nach hat sie definitiv zu wenig bekommen, aber rein vom persönlichen, ich nenne es jetzt mal subjektiven Rechtsempfinden her, finde ich das Strafmaß durchaus angemessen.
Weil sie meiner Meinung nach im Gegensatz zu ihm, ja für die Gesellschaft eigentlich nicht so eine große Bedrohung war, zumindest nach meiner Auffassung her.
Also ich finde eigentlich, dass es relativ klar war, dass sie den Mörder ihrer Tochter umbringen wollte und niemand anderen.
Aber ich finde auch sozusagen, wenn er jetzt damit durchgekommen wäre, zu sagen, die Tochter hätte ihn erpresst und deswegen und dann war das sein Motiv und dann war das Totschlag oder was weiß ich und er wäre dann nach sechs Jahren und vielleicht bei guter Führung wie sie nach drei Jahren wieder rausgekommen und dann hätte er neben einem anderen kleinen Mädchen gewohnt und dasselbe wieder getan.
Also als Mutter ist man da wahrscheinlich dann auch einfach nur unglaublich wütend.
Deswegen kann ich bei diesem Fall auch noch mehr die Sätze unserer Strafverteidiger vom letzten Mal verstehen.
Bei diesem Fall bleiben für mich ein paar Fragen offen.
Das eine ist so eine journalistische Sache.
In den meisten Quellen war angegeben, dass Grabowski ausgesagt hat, dass er anderen nichts tun wollte, die ihn aber erpresst habe und danach ist nur noch von dem Mord die Rede.
Und in anderen Artikeln heißt es aber, er habe sie vergewaltigt und danach getötet.
Und der Grund, warum ich das hier nicht mit aufgeführt habe, ist einfach, dass keiner eine Quelle dafür angegeben hat.
Okay, also man hat es auch nicht an der Leiche, man weiß es einfach nicht.
Nee, dazu war nichts zu finden und ich habe ein paar Beteiligte angeschrieben, habe leider bis heute keine Rückmeldung bekommen, aber dann habe ich mich gefragt, ob das was ändern würde.
Würde es für Marianne was ändern?
Ich glaube, es würde die Tat natürlich noch grausamer machen.
Ich glaube schon, oder? Auch weil sie halt früher vergewaltigt wurde.
Und auch, dass sie zu den Polizisten gesagt hat, dass sie nicht wissen will, wie er sie umgebracht hat.
Da hat sie sich das auch bestimmt schon alles gedacht.
Ja, ja, sie hatte gedacht, mit tausend Messerstechen hat sie in dem Interview gesagt.
Und dann habe ich mich noch gefragt, macht es einen Unterschied, ob Marianne eine gute Mutter war?
Hat man für eine gute Mutter mehr Verständnis als für eine schlechte Mutter?
Also ich finde, dass es keinen Unterschied macht, weil ich glaube, beziehungsweise bei ihr, erstens hatte sie auch eine schwierige Kindheit und zweitens war sie ja alleinerziehend und hatte vielleicht auch, also hatte auch deswegen höchstwahrscheinlich nicht so viel Zeit für Anna und war vielleicht aber nicht direkt eine schlechte Mutter, wie die Medien das jetzt dargestellt haben, nur weil sie sie dann mit zur Arbeit genommen hat.
Und das war natürlich kein schöner Ort für ein Kind. Stimmt ja auch. Aber ich glaube, viele alleinerziehende Mütter wissen, was das für ein Stress ist. Und das wird aber niemals heißen, dass sie ja eben nicht ihr Kind lieben.
Ich glaube, du musst immer mit berücksichtigen, was hat sie als Kind erfahren und was nimmst du deswegen mit in dein eigenes Leben. Und sie hatte keine schöne Kindheit.
Das ist natürlich schwierig, da irgendwie einen Pfad zu finden, wenn du keine Richtpfeiler hast, an denen du dich orientieren kannst.
Für mich war noch schwierig, diese Rolle, die sie von den Medien bekommen hat. Und ich habe mich gefragt, inwiefern sie selbst dazu beigetragen hat und inwiefern man sie einfach genauso sehen wollte.
Ich glaube zum Beispiel nicht, dass sie den Grabowski wegen der Aufmerksamkeit erschossen hat. Ich glaube aber sehr wohl, dass sie sich nachher in der Rolle der Rächerin gesehen hat und da so reingewachsen ist.
Und der Fall halt bei mir irgendwie noch so lange nach, also eben, weil sie so eine schillernde Figur ist und ich so ambivalente Gefühle zu ihr habe, weil ich sympathisiere schon mit der von den Videos her.
Und vielleicht hat sie sich ja auch gefragt, was wird das mein Leben lang mit mir machen? Also zu wissen, so wie du schon gesagt hast, dass er vielleicht irgendwann wieder raus ist, wie sehr wird mich das mein Leben lang plagen?
Und vielleicht hat sie es nicht nur aus Rache für Anna getan, sondern auch ein bisschen für sich selbst.
Und dann gibt es noch einen weiteren deutschen Fall von Selbstjustiz, der vielleicht ein bisschen anders zu verstehen ist. Mal sehen, was du davon hältst.
1982 wird die 14-jährige Kalinka von ihrem Stiefvater, einem sehr angesehenen deutschen Kardiologen, in Lindau am Bodensee mit starken Beruhigungsmitteln betäubt und vergewaltigt.
Dabei erleidet sie einen Herz-Kreislauf-Schock und erstickt an ihrem eigenen Erbrochenen.
Oh Gott.
Auf Kalinkas Schambereich befindet sich Blut. Es wird ein Riss in der Schamlippe gefunden und weißliche Flüssigkeit in der Vagina festgestellt.
Obwohl sich Krombach, also ihr Stiefvater, bei den Vernehmungen in ganz klare Widersprüche verstrickt, wird die Akte geschlossen.
Er hatte beispielsweise gesagt, dass er, als er Kalinka tot aufgefunden hat, versucht habe, sie mit Spritzen wieder zu beleben.
Daher diese ganzen Einstichstellen an ihren Armen, die eigentlich von dem Beruhigungsmittel stammten, obwohl zu dem Zeitpunkt die Totenstarre schon längst eingesetzt hatte.
Als Arzt sollte man das eigentlich nicht.
Krombach ist in seinem Wohnort eben sehr angesehen und kennt den Arzt, der Kalinkas Tod feststellt.
Kalinkas leiblicher Vater kämpft für die Ermittlungen und kann drei Jahre später erwirken, dass ihre Leiche obduziert wird.
Aber ihre äußeren und inneren Geschlechtsorgane fehlen.
Die Staatsanwaltschaft schließt die Akte wieder.
Ohne die Geschlechtsorgane könnte man ja nicht feststellen, ob eine Vergewaltigung stattgefunden habe.
Wo sind die?
Komisch, abhandengekommen.
In Deutschland gibt es also keinen Prozess gegen Krombach.
Weil Kalinka aber französische Staatsbürgerin war, zeigt ihr Vater, der heißt Bamberski, ihn in Paris an.
Krombach selbst erscheint dort nie, wird aber 1995, also 13 Jahre nach Kalinkas Tod, gegen Körperverletzung mit Todesfolge zu 15 Jahren Haft verurteilt.
In Deutschland?
In Paris.
Deutschland verweigert die Auslieferung.
Zwei Jahre nach dem Urteil vergewaltigt Krombach eine 16-jährige Patientin, die von einer Magenspiegelung noch betäubt war.
Urteil?
Zwei Jahre Haft auf Bewährung.
Gleicher Richter, der damals die Wiederaufnahme des Fall Kalinkas abgelehnt hat.
Am 18. Oktober 2009 passen zwei Männer den damals 74-Jährigen vor seinem Haus ab,
schlagen ihn mit Baseballschläger nieder und fahren mit ihm über die französische Grenze.
Dort legen sie ihn geknebelt in einem Hauseingang ab.
Kurze Zeit später wird die Polizei benachrichtigt.
Weil Krombach immer noch auf der Fahndungsliste steht, nehmen sie ihn fest.
2012, also 30 Jahre nach der Tat, muss er ins Gefängnis gehen.
Ohne die Entführung hätte der Mörder seiner Tochter weiterhin in Freiheit gelebt.
Bamberski wird zu einem Jahr Haft auf Bewährung verurteilt.
Er hatte sein Vermögen und seine Lebzeit darin investiert, Recht herzustellen.
Anders als bei Marianne Bachmeier, weil hier wurden ja eindeutig bewusst Fehler in der Justiz gemacht und Dinge verdreht.
In einem Interview sagt Bamberski, dass er nicht den Verstand über seinen Verlust verloren hätte,
aber sehr wohl Chaos und Willkür in der Justizeinheit gebieten wollte.
Und das kann hier, glaube ich, jeder nachvollziehen.
Klar.
Und hier würde ich auch in Kameras schreien.
Wieso?
Das wäre ja eine Swalerei, wenn dieser Mann noch eine Strafe bekommen würde.
Eben.
Hat er aber.
Aber auf Bewährung.
Ja.
Okay.
Ich habe mir diesen Fall ausgesucht, weil ich keine Lust mehr auf Sexualstraftäter habe.
Das ist mir irgendwie zu animalisch und zu primitiv, was da passiert, finde ich.
Also ich finde die Psyche des Menschen halt so spannend.
Und in diesem Fall eben auch die Frage, könnte ich das sein?
Könnte ich zur Mörderin werden?
Und inwieweit kann man sich in einen Täter reinversetzen?
Und das passiert mir eben bei den Sexualstraftätern natürlich nicht.
Mich interessieren vor allem die Fälle, bei denen man nicht weiß, wer es war.
Also Cold Cases.
Natürlich sind die meistens sehr unbefriedigend, wie dein Fall von Frauke Liebs.
Ja, die machen einen wahnsinnig.
Ja, aber irgendwie sind sie ja doch die spannendsten.
Oder eben Fälle, bei denen zwar ein Täter verurteilt wurde,
dieser aber selbst immer seine Unschuld beteuert hat.
Wie bei Making a Murderer oder auch bei The Staircase.
Weil irgendwie fesselt mich die Möglichkeit, dass ein Unschuldiger verurteilt wird.
Ja, weil du das dann sein kannst.
Genau.
Und diese Gerichtsprozesse sind in den meisten Fällen Indizienprozesse.
Indizienprozesse gibt es also immer dann, wenn der Angeklagte die Aussage zu der ihm zur Last gelegten Tat verweigert,
es keine direkten Tatzeugen gibt und auch keine Beweise.
In solchen Verfahren führen dann eben Indizien zur Urteilsfindung.
Doch für den Laien sind die juristischen Begriffe Indiz und Beweis schwierig zu unterscheiden.
Die Juristen machen aber einen klaren Unterschied.
Und zwar, ein Beweis belegt einen Sachverhalt.
Zum Beispiel der Sachverhalt Hans erschießt Paul.
Ein Indiz belegt hingegen eine Tatsache, die auf den Sachverhalt hinweist.
Das Indiz ist sozusagen eine Stufe weiter vom Sachverhalt entfernt als der Beweis.
Ein Beispiel.
Als Beweis gilt die Aussage einer direkt involvierten Person, also eine Zeugenaussage.
Zum Beispiel, Anna hat gesehen, wie Hans Paul erschossen hat.
Wenn Anna als glaubwürdig vom Gericht eingestuft wird, dann wird diese Zeugenaussage als Beweis gewürdigt.
Wichtig ist, die Aussage Annas belegt den Sachverhalt direkt.
Ein Beispiel für ein Indiz ist der Fingerabdruck auf der Tatwaffe.
Also in unserem Beispiel die Fingerabdrücke von Hans auf der Waffe, mit der Paul erschossen wurde.
Dieses Indiz belegt die Tatsache, dass der Verdächtige die Tatwaffe berührt hat.
Es belegt aber nicht, dass Hans damit den Mord begangen hat.
Immerhin kann der Fingerabdruck auch aus anderen Gründen auf die Waffe gelangt sein.
Zum Beispiel, weil Hans die Waffe nach der Tat gefunden hat und aufgehoben hat.
Indiz ist quasi ein Beweis durch Schlussfolgerung.
Anderes nettes Beispiel, auch vom letzten Mal.
Der Pferdehaufen vor dem Gerichtsgebäude.
Der Pferdehaufen ist nämlich kein Beweis dafür, dass ein Pferd dahin gemacht hat.
Es ist lediglich ein Indiz, weil es die Schlussfolgerung zulässt, dass das Pferd dahin gemacht hat.
Stimmt.
Und genau wie der Beweis muss auch das Indiz vom Gericht erst mal als solches gewürdigt werden.
In einem Indizienprozess gibt es, wie der Name schon sagt, eben nur Indizien, die am Ende eine Indizienkette, Indizienreihe oder ein Indizienmosaik, so nennt sich das, bilden.
Und diese Kette muss so dicht und überzeugend sein, dass der Richter keinen erheblichen Zweifel mehr an der Schuld des Angeklagten hat.
Wenn dem so wäre, würde ja der Grundsatz im Zweifel für den Angeklagten eine Verurteilung verhindern.
Ich habe auch ein Beispiel für einen Indizienprozess rausgesucht, mit dem Titel
Die Leiche im Moor und jede Menge Indizien.
Am 1. Mai 2010 geht ein Schweizer Pensionskassenberater im Naturschutzgebiet Hensiried am Rand von Zürich spazieren.
Ein Trampelfahrt führt ihn am Schilfgürtel des angrenzenden Flachmoors entlang.
Und in einem der vielen Tümpel, abgeschirmt durch Bäume und Schilf, entdeckt er eine Leiche.
Der Mann alarmiert sofort die Polizei.
Die Leiche ist eine Frau, teilweise nackt, stark verwest und mit verschiedenen Gegenständen beschwert.
Es stellt sich heraus, dass es sich bei ihr um eine 49-jährige bosnische Postangestellte handelt.
Die Frau war verheiratet und wohnte mit ihrem Mann in einem Einfamilienhaus in einem Züricher Stadtteil,
ca. ein Kilometer vom Fundort entfernt.
Die Tote kann nur durch eine DNA-Analyse identifiziert werden.
Das ist aber auch der einzige Faktor, der mit 100%iger Sicherheit bestimmt werden kann.
Zu Todeszeitpunkt, Todesursache und Todesart können nur ungefähre Angaben gemacht werden.
Ein natürlicher Tod oder Unfall wird aber ausgeschlossen,
da die Lage der Leiche und die Ausstattung der Fundstelle so ungewöhnlich sind.
So lag die Frau nur mit einem BH und einem Pulli bekleidet in einem ein Meter tiefen Tümpel.
Wie immer richtet sich der erste Verdacht gegen den Ehemann, einen bosnischen Taxifahrer.
Der hatte seine Frau am 5. April als vermisst gemeldet.
Die Frau wollte am Abend des 3. Aprils von Zürich nach Zagreb reisen, doch dort kommt sie nie an.
Der Mann gibt an, dass seine Frau die Wohnung am 3. April um 16 Uhr mit einem Rollkoffer verlassen hatte.
Die Angehörigen, die die Frau in Zagreb erwarteten, hätten ihm am nächsten Abend mitgeteilt, dass sie nie angekommen sei.
Der Prozess gegen den Ehemann ist ein Indizienprozess, denn der Angeklagte bestreitet die Tat und es gibt keine Beweise.
Der Staatsanwalt muss die Richter anhand einer Indizienkette überzeugen.
Nicht leicht, wenn man bedenkt, dass weder Todeszeitpunkt, Todesart oder Tatmotiv bekannt sind.
Doch für den Staatsanwalt ist klar, der Ehemann hat seine Frau am Nachmittag des Abreisetages getötet,
vermutlich erstickt und zwar, weil er Angst hatte, bei einer Scheidung Geld an sie zu verlieren.
Jetzt folgen die Indizien, die diese Story belegen sollen.
Warum der 3. April?
An diesem Tag um 15 Uhr hatte die Frau ihren letzten Anruf getätigt.
Der Ehemann war am Nachmittag zu Hause, sein Handy hatte sich in einer Antenne in der Nähe eingeloggt.
In der Nacht und kurz nach Mitternacht machte der Mann zwei kurze Fahrten mit seinem Taxi,
die fast die exakte Distanz vom Wohnort zum Fundort und zurück aufwiesen.
Die Polizei hatte den Fahrtenschreiber des Taxis ausgewertet und ist die Strecke nachgefahren.
Dass der Mann zu diesem Zeitpunkt keine dienstliche Fahrt machte, bewies die Tatsache,
dass das Funkgerät bereits um Mitternacht ausgeschaltet war.
Hauptindiz waren zwei Zementplatten, die am Fundort gefunden wurden und die vermutlich die Leiche unter Wasser beschwert hatten.
Warum die Leiche dann doch entdeckt wurde, liegt am Fäulnisprozess, der den Auftrieb der Leiche bewirkte.
Bei den zwei Zementplatten handelte es sich um jahrzehntealte Gartenplatten.
Sie waren in einen Holzrahmen gegossen, dessen Unterlage ein Tagblatt der Stadt Zürich vom 2. Februar 1939 war.
Auf den beiden Platten war der spiegelverkehrte Zeitungsabdruck auch nach über 70 Jahren noch zu sehen.
Im Garten vor dem Haus des Ehepaars in Zürich lagerten zwölf gleich alte Zementplatten,
ebenfalls alle mit spiegelverkehrtem Zeitungsabdruck.
In den Zeugenstand wird dann während der Verhandlung ein Fachmann für Baustoffe gerufen,
der die chemische Analyse der Platten durchgeführt hatte und bezeugte, dass es sich um die gleichen Platten handelt.
Ein weiteres Indiz ist die 9 kg schwere Gelenkwelle, die die Leiche ebenfalls beschweren sollte.
Eine Gelenkwelle ist übrigens ein Teil von einem Auto.
Die Ermittler fanden heraus, dass dieses Autoteil zwischen 1996 und 2004 für BMWs der Modelle 540i gebaut wurden.
Ein Zeuge gibt an, dass der Sohn des Angeklagten solch einen Wagen besessen hat.
Der besagte Sohn stammt aus einer früheren Ehe und hatte mit dem BMW in Serbien 2009 einen Unfall gebaut
und das kaputte Auto danach in die Schweiz gebracht, um die Einzelteile zu verkaufen.
Das Getriebe samt der Gelenkwelle lagerte im Garten des Vaters.
Die sollten bei Ebay verkauft werden.
Die Recherchen der Polizei ergaben, dass die Gelenkwelle vom 31. März bis zum 7. April bei Ebay angeboten wurden.
Am 3. April lag das Teil also noch im Garten.
Neben diesen harten Indizien gibt es auch weiche Indizien in dem Fall.
So sagten mehrere Zeugen aus, dass die Ehe der beiden kaputt war
und dass das Paar immer wieder wegen Geld und der Seitensprünge des Mannes gestritten hatten.
Der Mann hatte in Bosnien bereits ein Trennungs- bzw. Scheidungsverfahren eingeleitet, ohne Wissen der Frau.
Außerdem schickte der Ehemann in der vermutlichen Tatnacht einer Person in Bosnien,
vermutlich seiner Geliebten, über 30 SMS und empfing mehr als 20.
Er rief während des ganzen Monats, in dem seine Frau gesucht wurde, nie auf ihrem Handy an.
Was ich auch schon selten dumm finde.
Die Vermisstenmeldung machte er auch erst, nachdem die Angehörigen der Frau mehrmals darauf gedrängt hatten.
Im Juni schickte er an seine Geliebte in Bosnien folgende SMS
Mysteriös ist auch der Satz, den der Ehemann in eine frisch betonierte Mauer neben dem Grab seiner Frau einritzte.
Ihr Geheimnis hat sie mit ins Grab genommen.
Auf die Frage des Staatsanwaltes, was das bedeutet, meint er nur
Und mit dieser Indizienkette kann der Staatsanwalt den Richter schließlich überzeugen.
Und so verurteilt ihn das Bezirksgericht Zürich im Oktober zu 15 Jahren Haft.
Gab es ein Revisionsverfahren?
Mir ist nämlich aufgefallen, dass nach Indizienprozessen es dann eben oft Berufungs- oder Revisionsverfahren gibt.
Außerdem wird übrigens bei manchen Taten das sogenannte Nach-der-Tat-Verhalten als Hinweis, also als Indiz gewertet.
So wie zum Beispiel, wie in meinem Lieblingsfall von Amanda Knox.
Genau, stimmt.
Auch Indizienprozess.
Ich gehe jetzt hier auf den gesamten Fall nicht nochmal ein, aber das werde ich bei der nächsten Gelegenheit auf jeden Fall nachholen.
Also hier dieses Nach-der-Tat-Verhalten, was als Indiz gewertet wurde.
Beispielsweise beschuldigte Amanda nach der Tat ihren Arbeitgeber Patrick Lumumba, einen Unschuldigen.
Denn seine DNA wurde gar nicht am Tatort gefunden und er hatte ein Alibi.
Also alleine, dass sie ihn beschuldigte, galt nachher als Indiz.
Sie sagte übrigens darauf, dass sie das quasi nur unter Druck der Polizei gesagt habe.
Und wie wir wissen, gibt es ja auch diese Verhöre, die darauf hinziehen.
Ja, sie sagt auch, sie hätten sie gegen den Kopf geschlagen.
Außerdem gab sie zuerst an, mit ihrem damaligen Freund Raffaele, der ja mit angeklagt war, in seiner Wohnung die Nacht verbracht zu haben.
Raffaele sagte aber ein paar Tage später, dass Amanda gar nicht bei ihm gewesen sei.
Und dann gab sie an, zum Tatzeitpunkt doch in der Wohnung gewesen zu sein.
Und dann wieder rief sie diese Aussage aber wieder.
Und man hatte einen Einbruch vorgetäuscht, indem man ein Fenster zerschlug.
Und diese Glassplitter lagen aber oberhalb einer Decke, die mit dem Blut des Opfers beschmiert war.
Also kamen die Scherben erst nachher dahin.
Ein Einbrecher würde ja wahrscheinlich zuerst einbrechen und dann das Opfer umbringen.
Aber das war quasi als Indiz dafür, dass die, dass Amanda das vorgetäuscht hat, dass sie das gemacht haben, um einen Einbruch vorzutäuschen.
Es war ein Indiz dafür, dass ein Einbruch vorgetäuscht wurde.
Nicht unbedingt dafür, dass es Amanda war.
Aber wer sonst sollte einen Einbruch vortäuschen, wenn er nicht wirklich einbrechen wollte?
Ja, eigentlich nur jemand, der einen Schlüssel gehabt hat.
Amanda und ihr Ex-Fran Raffaele werden also 2009 erstmals verschuldig befunden.
2011 hob das Berufungsgericht das Urteil auf.
2014 wurden beide dann erneut schuldig gesprochen.
Und 2015 wurden sie vom obersten Gericht Italiens abschließend freigesprochen.
Nur der Mittäter Woody Güt oder wie auch immer wurde zu 16 Jahren Haft verurteilt,
weil blutige Fingerabdrücke von ihm am Tatort und sein Sperma in Merediths Leiche gefunden wurden.
Das hatte also das Gericht in diesem Fall überzeugt.
Ja, und deswegen finden wir Indizienprozesse so spannend, weil es halt immer Auslegungssache ist.
Weil es keine handfesten Beweise gibt, dass es jemand war.
Und dann ist es halt irgendwie spannender.
Das macht mich wahnsinnig.
Aber es ist auch spannend.
Sonst hättest du auch The Staircase nicht so geil gefunden.
Natürlich, aber es macht einen wahnsinnig.
Wahnsinnig.
Ja.
Und vor allem, Laura, das könntest du sein.
Und warum erzählen wir euch das heute?
Vielleicht erinnert ihr euch ja noch an Dr. Jonas Hennig, einer von den Strafverteidigern,
die ich für die letzte Folge interviewt hatte.
Der hat uns nämlich auf einen interessanten Fall aufmerksam gemacht, bei dem er der Verteidiger ist.
Bei dem Fall handelt es sich um einen Indizienprozess, der am 26. Oktober, also übermorgen, beginnt.
Und das weiß man bisher aus den Medien.
Am 1. November 2017 wird die 34-jährige Krankenpflegerin Nicole L. von ihrem 47-jährigen Ehemann Volker L. bei der Polizei in Schackendorf bei Bad Segeberg als vermisst gemeldet.
Der Gänsezüchter gibt an, dass seine Ehefrau von einem Gassi-Spaziergang nicht zurückgekehrt sei.
Die Polizei unternimmt erstmal nichts.
Schließlich ist die Frau noch keine 24 Stunden verschwunden.
Am nächsten Tag, nachdem Nicole auch nachts nicht nach Hause gekommen ist, macht sich Volker selbst auf die Suche nach seiner Frau.
So seine Story.
Am Nachmittag stößt er zusammen mit seinem Nachbarn auf einem Feldweg in der Nähe der Autobahn 21 auf die Leiche seiner Frau.
Die zwei Männer seien den Weg abgegangen, weil Nicole hier oft mit dem Hund gegangen sei.
Die Frau liegt mit entblößtem Unterkörper auf dem Gehweg und es ist direkt zu erkennen, dass Gewalteinwirkungen gegen den Kopf stattgefunden haben.
Volker L. ruft den Krankenwagen und die Polizei.
Schon bald fällt der Verdacht auf den Familienvater und er wird wegen Mordverdachts in U-Haft genommen.
Da sitzt er bis heute.
Zunächst hieß es, dass es Indizien dafür gibt, dass Volker L. seine Frau in der Waschküche ermordet haben soll.
Das nahm man an, weil man feststellen konnte, dass der Boden mit großen Mengen Wasser gereinigt worden sei.
Später gibt die Staatsanwaltschaft aber bekannt, dass sie davon ausgeht, dass der Mord während eines gemeinsamen Spaziergangs mit Hund und Sohn stattgefunden haben soll.
Volker L. sei nach einem Streit so in Rage geraten, dass er mit einem Recycling-Fall auf seine Frau eingeschlagen haben soll.
Was zum Teufel ist ein Recycling-Fall?
Weiß ich auch nicht.
Volker L. bestreitet die Tat.
Die Staatsanwaltschaft wirft dem Mann vor, seine Ehefrau aus niedrigen Beweggründen getötet zu haben und es dann als Sexualverbrechen getan zu haben.
Der Indizienprozess, der übermorgen beginnt, ist auf mindestens acht Hauptverhandlungstage angesetzt.
Und wir versuchen jetzt euch in jeder Folge ein Update des Falls zu geben.
Das nächste gibt es dann also in Folge neun und bis dahin gab es dann schon zwei Prozestage.
Wir hätten jetzt an dieser Stelle den perfekten Abschiedsspruch für euch, wenn uns nicht gesagt worden wäre, dass unser perfekter Abschiedsspruch der perfekte Abschiedsspruch von Rudi Zerne ist.
Aber komm, ein letztes Mal.
Na gut, diesmal noch.
Bleibt sicher.
Sonst rüber ab.