00:00:08
Kennst du das Gefühl, wenn man irgendwie im Streit mit einer Person ist und das Thema lässt einen irgendwie nicht los, obwohl das total banal ist und irgendwie hat man das Gefühl, dass man sich vertragen möchte.
00:00:23
Ja, also zum Beispiel auf dem Dorf, die eine, mit der man sich, man war mal befreundet oder so oder mochte sich mal ganz gerne und dann hat man sich auseinandergelebt und dann sieht man sich wieder auf einer Dorffeier und dann denkt man sich die ganze Zeit so, und eigentlich würdest du das einfach nur Hallo sagen und das jetzt beenden, weil es auch irgendwie doof war.
00:00:45
Ja, ja, doch, das kenne ich. Ich dachte erst, du meinst, wenn wir uns streiten, dann kenne ich das auch, dass ich mich dann sofort wieder vertragen will. Aber ja, bei dem anderen habe ich dann nicht so den Drang dazu, wie jetzt, wenn wir uns streiten, aber ich kenne das.
00:00:58
Ja, weil man sich so denkt, ach, das ist alles so lange her und es interessiert sowieso heute keine Sau mehr, wir können jetzt auch wieder befreundet oder wir können uns zumindest Hallo sagen.
00:01:06
Ja, aber das kommt auch immer nur dann wieder, wenn du die Person dann halt zufällig siehst.
00:01:12
Ja, also ansonsten ist sie ja nicht Teil deines Alltags. Ich war gestern mit einer Freundin in einem Restaurant in so einem Berliner Hinterhof und die wollte dann eine rauchen und dann sind wir nach draußen gegangen, haben uns auf die Bank gesetzt.
00:01:25
Und dann kamen vier andere Leute und bei dem einen ist mein Blick dann irgendwie öfter hängen geblieben und ich wusste erst gar nicht so wirklich wieso und irgendwann habe ich dann so gedacht, der hat doch sonst immer eine Brille auf.
00:01:38
Und dann dachte ich, Moment, aber dann musst du den ja eigentlich kennen, aber irgendwie kannte ich den gar nicht.
00:01:44
Und dann habe ich so gestarrt und dann ist mir eingefallen, wer der Typ war. Es war Kevin, unser erster Hater.
00:01:52
Wie kannst du diesen Typ überhaupt erkennen? Sein Gesicht hat sich offenbar in deine Seele gebrannt.
00:01:59
Ja, es ist so, weil mich das damals so aufgeregt hat.
00:02:03
Glaubst du denn, der hat dich auch erkannt?
00:02:06
Weiß ich nicht. Also wir hatten keinen Augenkontakt, dann hätten wir Augenkontakt gehabt, dann hätte ich ab dem Moment, wo ich das begriffen habe, wer er ist, hätte ich gewunken.
00:02:15
Wahrscheinlich hätte der sich gar nicht erinnert.
00:02:19
Doch, doch, doch, doch, doch, doch, doch, das glaube ich schon.
00:02:22
Ja, ja, das glaube ich schon. Also um die Geschichte noch einmal zu erzählen.
00:02:25
Kevin war der Erste, der uns wegen was kritisiert hat, also uns eine Nachricht geschrieben hat.
00:02:31
Die hat mir die jetzt auch eben nochmal durchgelesen.
00:02:33
Der hatte da, der hatte da auch recht.
00:02:37
Ja, also der hat damals zum Beispiel gesagt, dass wir die Täternamen der Amokläufer nicht vollständig hätten nennen sollen.
00:02:45
Ah, ich kann mich gar nicht mehr daran erinnern. Hat der nicht Kommentare geschrieben?
00:02:49
Nee, genau, das kam später. Wir haben das dann erstmal verteidigt, weil wir gesagt haben, okay, aber das Crime-Podcast und haben uns vielleicht damals auch noch nicht so selbstreflektionend damit auseinandergesetzt.
00:02:59
Von daher muss ich sagen, damit hatte er schon recht.
00:03:01
Was nur weniger schön war, war, dass er danach sich eigentlich in mindestens einem Fall des Schreibens von destruktiven Kommentaren schuldig gemacht hat.
00:03:13
Und ein Arbeitskollege von ihm war dann ja auch noch mit dabei.
00:03:16
Und das wirkte halt so irgendwie so ein bisschen so, als wäre das unsere erste Hate-Erfahrung.
00:03:21
Im Nachhinein ist das ja immer alles gar nicht so schlimm, aber damals hat mich das halt so wütend gemacht, weil er auch der Erste war.
00:03:27
Hatte der nicht auch irgendwas? Also ich kann mich nur an so einen Kommentar erinnern, wo er dann direkt bei mir total unten durch war.
00:03:34
Und das war irgendwas mit dem Aussehen auch von uns, oder?
00:03:38
Nee, er hat gesagt, wir würden mit einem Bild, da hatten die SchülerInnen Help geschrieben und an eine Fensterscheibe gedrückt.
00:03:45
Und davon gab es ein Foto und das haben wir gepostet.
00:03:48
Und ich glaube nicht mal Kevin, sondern sein Kollege hat da drunter geschrieben, Effekthascherei oder irgendwie sowas.
00:03:54
Und dann hatten wir da noch was drunter kommentiert und dann ging es so, euch geht es nur um die Likes.
00:03:58
Und dann habe ich da drunter geschrieben, wenn es uns um die Likes gehen würde, dann würden wir nur Bilder von uns posten, was ein bisschen arrogant klingt.
00:04:05
Aber tatsächlich ist das in der Statistik ja so, dass Bilder von uns mehr Likes generieren als Infoposts oder so.
00:04:13
Ja, genau. Und das hat aber auch jetzt nicht unbedingt den Grund, weil wir dann da drauf sind, sondern weil die Leute sich auch oft sträuben, irgendwelche Posts zu liken,
00:04:22
wo jetzt irgendwie über einen Fall gesprochen wird, weil man ja irgendwie sowas nicht liken will, weil das ja was Furchtbares ist.
00:04:28
Aber an dieser Stelle einmal, liked alle unsere Bilder und Posts, weil unsere Arbeit dadurch gewertschätzt wird.
00:04:35
Wir sehen das immer als das an und das hilft unserem Kanal besser ausgespielt zu werden.
00:04:40
Dem Kanal Mordlust der Podcast.
00:04:43
Naja, egal. Auf jeden Fall haben wir Kevin ja schon mal persönlich getroffen und zwar vor der Republika.
00:04:49
Und da hatte ich auch schon das Bedürfnis, irgendwie Hallo zu sagen, weil ich habe jetzt irgendwie das Bedürfnis, mich mit dem vertragen zu wollen.
00:04:55
Ich habe auch heute seine Storys geguckt und der saß heute in der Bahn und hat eine vielleicht auch nicht ganz ernst gemeinte Story gemacht, weil er Shireen, David und Kitty Cat gehört hat.
00:05:05
Und irgendwie fand ich das witzig. Und dann denke ich mir, der kann eigentlich gar nicht so verkehrt sein.
00:05:09
Also bei dem habe ich wirklich nicht das Bedürfnis.
00:05:12
Dich zu vertragen?
00:05:14
Uns kleine Podcasterinnen, wenn wir damals noch waren, so anzugehen in den Kommentaren, das verdient keine Verzeihung.
00:05:23
Na doch, Verzeihung schon. Aber das Ding ist, ich finde auch, er muss sich entschuldigen.
00:05:27
Weißt du, das ist einfach mein Ding. Sonst hätte ich ihn ja schon mal angeschrieben.
00:05:32
Aber als ich heute seine Story geguckt habe, da dachte ich mir auch so, vielleicht provoziert das eine Entschuldigung aus ihm heraus.
00:05:39
Dem ist das wahrscheinlich scheißegal. Dem ist das so egal.
00:05:42
Naja, wenn das, was wir hier jetzt gerade machen, nicht eine Entschuldigung bei ihm provoziert, dann ist es wahrscheinlich purer Hass bei ihm.
00:05:52
Nee, aber ich will das auch nicht. Das kommt jetzt so von wegen, ja, ich würde schon gern, dass du dich entschuldigst.
00:05:58
Und dann würde ich dich auch annehmen. Aber eigentlich möchte ich, dass das intrinsisch ist.
00:06:01
Also, aber das hat er ja offenbar nicht. Sonst hätte er es ja schon gemacht. Deswegen vergessen wir das jetzt auch wieder.
00:06:07
Herzlich willkommen bei Mordbrust, einem True-Crime-Kanal von Funk, von ARD und ZDF.
00:06:12
Wir reden hier über wahre Verbrechen und ihre Hintergründe. Mein Name ist Paulina Kraser.
00:06:16
Und ich bin Laura Wohlers. In jeder Folge gibt es ein bestimmtes Oberthema, zu dem wir zwei wahre Fälle nacherzählen, darüber diskutieren und auch mit Experten und Expertinnen sprechen.
00:06:26
Wir reden hier auch lockerer miteinander. Das hat aber nichts damit zu tun, dass uns die Ernsthaftigkeit fehlt,
00:06:31
sondern für uns ist das zwischendurch immer mal so eine Art Comic-Relief, damit wir zwischendurch auch mal aufatmen können.
00:06:37
Das ist aber natürlich nicht despektierlich gemeint.
00:06:39
Heute geht es bei uns um Menschen mit Intelligenzminderung.
00:06:43
Also das heißt um Personen, die kognitiv eingeschränkt sind. Also deren Entwicklung der geistigen Fähigkeiten ist quasi irgendwann stehen geblieben.
00:06:50
Und sie hat beispielsweise im Vergleich mit Menschen mit einem IQ im durchschnittlichen Bereich teilweise deutlich schlechter Schlussfolgern können, Probleme lösen oder planen oder sich halt auch nicht so gut ausdrücken können.
00:07:04
Das äußert sich aber von betroffener Person zu Person unterschiedlich.
00:07:08
Wie Intelligenz gemindert man ist, wird unter anderem am IQ-Wert gemessen.
00:07:12
100 ist da ja der Durchschnittswert und eine Intelligenzminderung fängt bei 30 Punkten darunter an.
00:07:19
Je niedriger der IQ ist, desto höher ist die Intelligenzminderung.
00:07:22
Bei einer schwersten Intelligenzminderung, da hat eine erwachsene Person beispielsweise ein Intelligenzalter von drei Jahren, sagt man so.
00:07:30
Eine Intelligenzminderung ist übrigens auch immer eine geistige Behinderung, je nach Schweregrad dann halt.
00:07:37
Und bis vor kurzem, da hieß das in unserem Strafgesetzbuch noch Schwachsinn.
00:07:41
Das wurde aber dieses Jahr geändert, weil das natürlich diskriminierend ist und weil man das Wort ja auch benutzt, um was Abwertendes zu beschreiben.
00:07:49
Also zum Beispiel das, was der Kevin da in den Kommentaren geschrieben hat, ist schwachsinnig.
00:07:53
Und deswegen sprechen wir jetzt hier auch heute von Intelligenzminderung, aber in einigen älteren Urteilen, da findet ihr halt den Begriff von Schwachsinn noch.
00:08:02
Menschen mit Intelligenzminderung werden Opfer von Verbrechen und sie begehen auch Verbrechen, wie alle anderen Personen.
00:08:09
Bei den Verbrechen, über die wir hier heute reden, da gibt es aber einige Besonderheiten, auf die man achten muss.
00:08:16
Und mein Fall ist so einer, wo der Begriff Schwachsinn noch genutzt wurde.
00:08:20
Das ist die Überschrift, die dafür sorgt, dass den LeserInnen der Westdeutschen Allgemeinen Zeitung am 24. April 1985 der Bissen im Halse stecken bleibt.
00:08:34
Schon am Frühstückstisch werden sie von dieser Meldung in Schockstarre versetzt.
00:08:38
Der kleine Michael S. war vorgestern vom Spielplatz in Essen-Stadtwald nicht mehr nach Hause zurückgekehrt, steht dort geschrieben.
00:08:45
Seine Eltern hatten wie wild das angrenzende Waldgebiet durchsucht und schließlich eine Vermisstenanzeige aufgeben müssen.
00:08:53
Mit Hubschraubern und Hunden wurde noch bis spätabends nach dem Jungen gesucht, bis das Dunkel der Nacht die Maßnahmen zwangsläufig beendete.
00:09:00
In der Morgendämmerung gab es dann traurige Gewissheit.
00:09:03
Zwei Polizisten fanden den leblosen Körper von Michael in einem Gebüsch im Wald, nur 300 Meter von seinem Zuhause entfernt.
00:09:11
Die Leiche war teilweise entkleidet und wies starke Verletzungen am Hals auf.
00:09:16
Neben dem Text prangt ein Foto des Siebenjährigen.
00:09:20
Es zeigt ein süßes Kind mit pechschwarzen Haaren und mandelförmigen dunklen Augen.
00:09:25
Wer hat Michael getötet?
00:09:27
Fragen sich an diesem Mittwochmorgen nicht nur die EssenerInnen, sondern auch die neu gegründete Mordkommission.
00:09:33
Man will von der Leserschaft wissen, wer hat den Jungen am Montagnachmittag in Begleitung einer Person gesehen, die als Tatverdächtiger in Betracht kommen könnte?
00:09:42
Und wer hat am Montag oder vorher im Bereich des Stadtwaldes eine verdächtige Person gesehen, die sich in auffälliger Weise an Kinder herangemacht hat?
00:09:50
Damit die LeserInnen auch wissen, nach welchen Bildern sie in ihrer Erinnerung kamen müssen, wird Michaels Kleidung genau beschrieben.
00:09:58
Der Junge trug eine weiße, lange Korthose, einen roten Pulli mit weißem Muster, hellblaue Sportschuhe und einen roten Anorak.
00:10:06
Für Hinweise, die zur Ermittlung des Täters führen, hat die Staatsanwaltschaft Essen eine Belohnung von 3000 D-Mark ausgesetzt, heißt es am Ende des Artikels.
00:10:15
Während ein Hinweis nach dem anderen bei der Kripo eingeht, sind die BeamtInnen auch selbst noch dabei, Spuren zu sammeln.
00:10:22
Weiträumig um den Fundort flattert rot-weißes Absperrband.
00:10:26
Dahinter sieht man sie in ihren waldgrünen Uniformen den Boden absuchen.
00:10:29
Gleichzeitig beginnen ihre Kolleginnen die angrenzende Nachbarschaft zu befragen und dabei fällt einige Male derselbe Name.
00:10:37
Fünf Polizisten machen sich deshalb schließlich auf den Weg zu diesem Mann, der nicht weit entfernt wohnt.
00:10:43
Genauer zwischen Spielplatz und Stadtwald.
00:10:46
Dirk K. ist 21 Jahre alt, groß gewachsen, mit dunklen Locken, braunen Augen und einem kleinen Schnauzer.
00:10:53
Er ist in Essen aufgewachsen und hier auf die Förderschule gegangen, weil er als geistig behindert gilt.
00:10:59
1985 arbeitet Dirk K. als Landschaftsgärtner und ist in seinem Viertel bekannt, weil er sich gerne draußen auffällt und viel Zeit auf dem Spielplatz verbringt.
00:11:08
Auf dem Spielplatz, auf dem Michael verschwunden ist.
00:11:12
In den nächsten Tagen wird der junge Mann immer wieder von der Polizei befragt.
00:11:16
Bis er am Freitag, den 26. April und damit nur drei Tage nach dem Leichenfund festgenommen wird.
00:11:22
Der Essener Bevölkerung wird dies am Montagmorgen brühwarm beim Frühstück serviert.
00:11:28
Spur 81 führt die Kripo zum Täter.
00:11:31
Titel diesmal die Watz.
00:11:33
Das führt zum Aufatmen bei der Leserschaft.
00:11:35
Schließlich müssen Eltern und Kinder jetzt keine Angst mehr vor einem frei herumlaufenden Mörder haben.
00:11:40
Weiter steht dort geschrieben, Verbrechen an Schüler im Stadtwald geklärt.
00:11:44
21 Jahre alter, geistig Behinderter in Haft.
00:11:47
Nach bisherigen Ermittlungen der Kripo habe Dirk K. dazu geneigt, sich Jungen im Kindesalter zu nähern und Zitat
00:11:55
bei günstiger Gelegenheit sexuelle Handlungen an ihnen vorzunehmen.
00:11:59
Körperliche Gewalt soll er dabei nicht angewendet haben.
00:12:02
Anzeigen habe es aber bisher keine gegeben.
00:12:05
Vorbestraft ist der 21-Jährige also nicht.
00:12:07
Geklärt sei der Fall, weil Dirk K. gestanden hat.
00:12:12
Er hatte der Polizei gegenüber erklärt, sich Michael letzten Montag auf dem Spielplatz genährt zu haben,
00:12:17
als der alleine an der Rutsche spielte.
00:12:19
Dirk K. hatte ihn gefragt, ob er mit ihm in den Wald gehen mag.
00:12:23
Da hatte das Kind offenbar Angst bekommen und war weggerannt.
00:12:26
Der Täter, so schreibt es die Watz, verfolgte den Jungen, zehrte ihn in den Wald
00:12:31
und wollte sexuelle Handlungen an ihm vornehmen.
00:12:34
Weil Michael das aber nicht wollte und deshalb schrie,
00:12:37
wirkte Dirk K. den Jungen bisher umfiel, um nicht entdeckt zu werden.
00:12:41
Diese genaue Tatbeschreibung kennt ab diesem Morgen die ganze Stadt.
00:12:46
Alle wissen, wie Michael zu Tode kam, warum und durch wen.
00:12:51
Deshalb ist es auch nicht ganz so schlimm, dass bei der Gerichtsverhandlung die Öffentlichkeit ausgeschlossen wird.
00:12:56
Das hat mit Dirk K.'s IQ zwischen 63 und 74 und seine Einstufung als mittelgradig schwachsinnig,
00:13:05
so heißt es wörtlich, zu tun.
00:13:07
Wenn es bei einem Prozess lediglich um die Unterbringung in einer forensischen Psychiatrie geht,
00:13:12
kann das Gericht diesen Ausschluss anordnen.
00:13:15
Und so kriegen nicht viele Menschen mit, dass der Angeklagte sein Geständnis zu Beginn der Verhandlung widerruft
00:13:20
und seine Unschuld beteuert.
00:13:22
Gegen diese Unschuld sprechen allerdings die Fotos der Tatrekonstruktion,
00:13:27
die die Beamtinnen mit Dirk K. nach der Verhaftung durchgeführt haben.
00:13:30
Darauf zu sehen ist er, wie er mit einem Ast auf eine lebensgroße Kinderpuppe mit heruntergelassener Hose einschlägt,
00:13:37
auf einem anderen Bild, wie er seine Hände um den Hals der Puppe legt.
00:13:41
Von der Täterschaft des 21-Jährigen ist das Gericht relativ schnell überzeugt.
00:13:47
Nach nur zwei Prozesstagen wird Dirk K. zwar förmlich schuldunfähig gesprochen,
00:13:52
gleichzeitig aber wegen seiner Gefährlichkeit in die geschlossene Psychiatrie eingewiesen.
00:13:57
In den Jahren darauf wird es in der Westdeutschen Allgemeinen Zeitung und auch sonst still um den Fall Michael.
00:14:03
Für Dirk K. interessiert sich auch niemand mehr.
00:14:06
Der sitzt ja jetzt schließlich hinter dicken Mauern und kann keinem Kind mehr etwas tun.
00:14:10
Und zwar für eine sehr lange Zeit.
00:14:13
Denn jedes Jahr kommen die Gutachterinnen zu demselben Schluss,
00:14:16
dass Dirk K. noch immer gefährlich ist.
00:14:18
Gefährlich und nicht therapierbar heißt es.
00:14:22
Denn mit seiner Tat will er sich nicht auseinandersetzen,
00:14:24
behauptet felsenfest, unschuldig zu sein.
00:14:28
So vergehen Jahrzehnte, bis im Jahr 2013 Achim Lüdecke von dem Fall hört.
00:14:35
Lüdecke ist Anwalt aus Hamburg und spezialisiert auf Unterbringungsrecht.
00:14:38
Das heißt, er kümmert sich um die Schicksale jener, die in geschlossenen Psychiatrien oder im Maßregelvollzug sitzen.
00:14:45
Als er mitbekommt, dass Dirk K. seit 27 Jahren in so einer Einrichtung sitzt und auf seine Unschuld pocht, lässt er sich die Akten schicken.
00:14:53
Darin findet er zunächst das Geständnis, in dem Dirk K. angibt, er habe versucht, an Michael sexuelle Handlungen vorzunehmen,
00:15:01
woraufhin dieser sich gewehrt und geschrien habe.
00:15:03
Um ein Aufliegen zu verhindern, habe Dirk K. das Kind schließlich geschüttelt, bis es umgefallen sei.
00:15:11
Das Obduktionsprotokoll spricht allerdings eine andere Sprache.
00:15:23
Dort liest Anwalt Lüdecke von schwerer Gewalteinwirkung gegen den Kopf.
00:15:28
Außerdem von Halswunden, die aussehen, als seien sie durch Schnitte verursacht worden.
00:15:32
Das macht Lüdecke besonders stutzig, hatte er doch ebenfalls in den Akten gefunden,
00:15:37
dass einen Tag nach dem Leichenfund ein Messer im Wald gefunden wurde.
00:15:41
Er schickt das Sektionsprotokoll und alle Fotos an den Hamburger Rechtsmediziner Klaus Püschel,
00:15:45
um sich das mal von einem Experten erläutern zu lassen.
00:15:48
Püschel studiert daraufhin den Obduktionsbericht und stößt auf Merkwürdigkeiten.
00:15:54
Zunächst gibt es augenscheinlich gar kein einheitlich autorisiertes Protokoll.
00:15:58
Denn handschriftliche Änderungen sind nicht von beiden Obduzenten abgezeichnet worden.
00:16:03
Außerdem stehen dort Beschreibungen wie
00:16:05
glattrandige Verletzungen, Blutader ist glatt durchgetrennt und stichartig.
00:16:11
Für Püschel eine geradezu lehrbuchartige Beschreibung von Stichverletzungen, die ein Messer verursacht.
00:16:17
Doch als Konklusio steht unter dieser Beschreibung der Wunden im Bericht
00:16:21
Postmortale Tierverletzungen.
00:16:23
Tiere sollen laut Meinung des damaligen Obduzenten also für diese Verletzungen an der Leiche verantwortlich sein,
00:16:29
beispielsweise die Kralle eines streunenden Hundes.
00:16:32
Für Püschel ein Ding der Unmöglichkeit, denn die Schnitte sind teilweise so tief,
00:16:37
dass sie bis an die Wirbelsäule reichen.
00:16:39
Für ihn erzählen die Befunde vielmehr von einem Mord,
00:16:42
bei dem der Täter, dem Jungen zunächst mit einem Stein auf den Kopf geschlagen,
00:16:46
ihn dann erwürgt und danach mit einem Messer auf ihn eingestochen hat.
00:16:49
Doch von möglichen Messerstichen war im Prozess nie die Rede gewesen.
00:16:54
Bezüglich des sexuellen Missbrauchs erklärt Püschel noch,
00:16:58
dass außer der heruntergelassenen Hose nichts auf solch eine Tat hinweise.
00:17:03
Lüdecke ist erstaunt über diese unterschiedlichen Einschätzungen zum Tatablauf.
00:17:07
Und als er weiter Akten wälzt, wird dieses Erstaunen nur noch größer.
00:17:12
Er findet nämlich ein zweites Geständnis.
00:17:14
Allerdings ist das nicht von Dirk K.
00:17:17
1997 hatte sich ein Anwalt bei der Staatsanwaltschaft gemeldet,
00:17:22
weil einer seiner Mandanten den Mord an Michael gestanden hatte.
00:17:26
Im Rahmen einer Therapie hatte er von der Tat erzählt
00:17:29
und schließlich auch ein Geständnis unterschrieben.
00:17:31
Daran beschreibt der Mann, dass er zum Tatzeitpunkt 15 Jahre alt gewesen sei
00:17:35
und bei seinen Eltern in Essen gewohnt habe.
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Er habe damals eine psychisch sehr schlechte Phase gehabt,
00:17:41
unter anderem immer wieder Suizidgedanken.
00:17:44
An einem Montag sei er dann mit einem Küchenmesser im Wald herumgelaufen.
00:17:48
Dort habe er einen Pakt mit dem Teufel geschlossen, so seine Worte.
00:17:52
Also was ist das denn?
00:17:55
Genau in diesem Moment sei ein etwa sieben Jahre alter Junge im Wald aufgetaucht.
00:17:59
Der Mann habe den Jungen dann mit einem Stein auf den Kopf geschlagen,
00:18:02
woraufhin der zu Boden gegangen sei.
00:18:04
Dann habe er das Kind erwürgt und anschließend mit dem Messer erstochen.
00:18:09
Also passt das auch noch genau zu den Wunden?
00:18:11
Ja, ja, ziemlich genau.
00:18:13
Ja, und er hat auch gesagt, dass er den Jungen danach ausgezogen hat
00:18:17
und ihm auf den Bauch gestarrt hat.
00:18:21
Und zwar, weil er selbst zu diesem Zeitpunkt, an dem das passiert ist,
00:18:25
sehr übergewichtig war und seinen eigenen Bauch hässlich fand,
00:18:29
weil da irgendwie so viele Dehnungsstreifen drauf waren.
00:18:32
Also scusi, aber das ist doch echt schon sehr explizit.
00:18:38
Also das ist jetzt weit aus dem Fenster gelehnt.
00:18:40
Aber ich denke bei sowas immer, sowas denkt man sich ja nicht einfach aus,
00:18:44
dass sowas zu sagen.
00:18:47
Ja, aber der Staatsanwalt, der damals 1986 auch für die Verurteilung von Dirk K. verantwortlich war,
00:18:54
der ist dann sozusagen dafür zuständig, diese Aussage zu prüfen
00:18:59
und stuft die dann aber als bedeutungslos ein,
00:19:03
weil sie nicht zu den objektiven Gegebenheiten passen würden.
00:19:07
Ich denke aber, dass Prüfen das falsche Wort ist,
00:19:10
weil dieser Staatsanwalt den nicht mal befragt hat da in 1997.
00:19:15
Also dieser Typ, der das Geständnis gemacht hat, wurde nicht mal befragt.
00:19:19
Lüdecke ist schockiert.
00:19:21
Laut seiner Recherche passt diese Tatbeschreibung sehr wohl zu den objektiven Gegebenheiten.
00:19:25
Tatsächlich passt sie viel besser als die seines neuen Mandanten Dirk K.
00:19:30
Und ganz offensichtlich hat dieser andere Mann Täterwissen.
00:19:33
Denn über die Schnitte war nie etwas publik geworden.
00:19:36
Doch wirklich geprüft haben kann der Staatsanwalt die Aussage auch nicht,
00:19:40
denn 1997 sind bereits alle Beweismittel schon längst vernichtet.
00:19:44
In seinen Gesprächen mit Dirk erfährt Anwalt Lüdecke,
00:19:48
dass sein Mandant große Angst hatte,
00:19:49
als im Jahr 1985 plötzlich fünf Polizisten vor ihm standen
00:19:53
und immer wieder nachfragten, wie er denn nun den Jungen getötet hatte.
00:19:58
Irgendwann habe Dirk gedacht, komm, ist erledigt und gesagt, ich war's.
00:20:02
Und dann war es für Dirk auch erledigt.
00:20:05
Was das für Konsequenzen haben könnte,
00:20:07
so weit war er nicht imstande zu denken.
00:20:09
Lüdecke bekommt immer mehr das Gefühl,
00:20:12
dass die Polizei in diesem Fall nicht ordnungsgemäß gearbeitet hat.
00:20:15
Und noch mehr Ungereimtheiten in den Akten geben ihm dabei recht.
00:20:19
So hatte Dirk beispielsweise in seiner Aussage erklärt,
00:20:22
er habe den Reißverschluss und den Druckknopf an der Hose des Jungen geöffnet,
00:20:26
um ihm die Hose herunterzuziehen.
00:20:28
Ein Blick auf die alten Fotos reicht, um zu erkennen,
00:20:31
dass die Hose des Jungen nur einen elastischen Bund und gar keinen Reißverschluss,
00:20:35
geschweige denn einen Druckknopf hatte.
00:20:36
Im Gerichtssaal ist das damals nur niemandem aufgefallen.
00:20:40
Außerdem hatte Dirk ausgesagt,
00:20:43
dass er erst die Hose ausgezogen und Michael dann gewürgt habe.
00:20:46
Jedoch fand man Kot in der Unterhose des Jungen,
00:20:49
was dafür spricht, dass er sie zum Todeszeitpunkt noch trug.
00:20:52
Auch die Tatrekonstruktion passt nicht zu den aufgefundenen Spuren.
00:20:56
Die Puppe, mit der Dirk K. die Tat nachstellen sollte,
00:20:59
lag am Ende seiner Vorführung,
00:21:02
nämlich genau andersherum, als der tote Junge aufgefunden worden war.
00:21:06
Also mit den Füßen da, wo der Kopf gelegen hatte.
00:21:09
Außerdem hatte Dirk die Puppe über den Waldboden zu dem Tatort gezogen,
00:21:14
was deutliche Schleifspuren hinterließ.
00:21:16
Am Tatort waren aber gar keine Schleifspuren aufgefunden worden.
00:21:20
Lüdecke liest auch, dass Dirk die Polizei gar nicht wirklich zum Tatort,
00:21:23
sondern zu einem Ort ein paar Meter weiter entfernt von diesem geführt hatte.
00:21:27
Der Anwalt vermutet nun,
00:21:29
dass sein Mandant die Infos zu dem ungefähren Ort aus der Zeitung hatte.
00:21:33
Wie alle anderen EssenerInnen auch.
00:21:35
Weiterhin wurde Dirk durch die vernehmenden Polizisten
00:21:39
nicht hinreichend belehrt
00:21:40
und auch ein Anwalt wurde ihm viel zu spät gestellt.
00:21:42
Man hätte Dirk im Verfahren auch nicht gleich schuldunfähig sprechen müssen.
00:21:46
Bei einem IQ von zwischen 63 und 74 ist das nämlich nicht zwangsläufig nötig
00:21:50
und hätte eine entsprechende Begründung vorausgesetzt.
00:21:53
Außerdem war die Einstufung, so wie sie die damals gemacht haben, auch falsch.
00:21:58
Dirk wurde ja damals noch als mittelgradig schwachsinnig eingestuft,
00:22:01
obwohl der IQ-Wert dafür bei 35 bis 49 hätte gelegen haben müssen.
00:22:07
Nach dem Durchsehen der Akten ist Lüdecke klar,
00:22:09
dass sein Mandant nicht hätte in die Psychiatrie eingewiesen werden dürfen.
00:22:13
Denn am Ende gab es gegen Dirk keine Sachbeweise,
00:22:16
keine DNA und auch keine Blutspuren.
00:22:18
Angesichts der brutalen Tat hätte zwangsläufig irgendwo Blut zu finden sein müssen,
00:22:22
denn so raffiniert ist sein Mandant nicht,
00:22:25
dass er solche Spuren so schnell hätte verschwinden lassen können.
00:22:27
Man hatte nur das zurückgenommene Geständnis, sonst nichts.
00:22:33
Lüdecke ist sich sicher, dass wenn das Gericht 1986 bereits von dem zweiten Geständnis gewusst hätte,
00:22:37
es anders entschieden hätte.
00:22:39
Deshalb beantragt er 2013 ein Wiederaufnahmeverfahren.
00:22:43
Doch die Staatsanwaltschaft Essen lässt sich Zeit
00:22:46
und lehnt den Antrag im Jahr 2015 schließlich ab.
00:22:50
Von diesen Entwicklungen erfährt die Essener Bevölkerung nichts.
00:22:53
Kein Artikel in der Westdeutschen Allgemeinen Zeitung.
00:22:56
Und für Dirk ist es auch ein Jahr wie jedes andere,
00:22:59
denn wieder bekommt er von den GutachterInnen zu hören,
00:23:01
dass die Justiz es weiterhin nicht verantworten will,
00:23:04
ihn in die Freiheit zu entlassen.
00:23:05
Nach der Ablehnung des Wiederaufnahmeantrags
00:23:09
beschwert sich Anwalt Lüdecke.
00:23:10
Das Oberlandesgericht Hamm gibt dieser Beschwerde 2015 statt
00:23:14
und nach Durchführung einer neuen Beweisaufnahme
00:23:16
ordnet die 39. Strafkammer des Landgerichts Dortmund
00:23:20
ein neues Verfahren für Februar 2016 an.
00:23:24
Der Pressesprecher dazu.
00:23:25
Die Kammer geht davon aus, dass das Landgericht Essen anders entschieden hätte,
00:23:29
wenn das Geständnis von 1997 bereits 1986 bekannt gewesen wäre.
00:23:34
Und mit der Genehmigung des Verfahrens wird Dirk direkt aus der geschlossenen Psychiatrie entlassen.
00:23:39
Am 2. Februar 2016 darf er nach 31 Jahren hinter dicken Mauern
00:23:44
das erste Mal wieder in Freiheit spazieren.
00:23:46
Das sorgt natürlich dann doch für Schlagzeilen.
00:23:49
Mord an Michael.
00:23:51
Hat Dirk K. unschuldig gesessen?
00:23:53
fragt die WAZ im Februar 2015.
00:23:56
Etwas mehr als ein Jahr später soll diese Frage dann vor Gericht geklärt werden.
00:24:01
Am ersten Verhandlungstag sitzt Dirk zusammen mit seinem Anwalt im Saal 130 des Dortmunder Landgerichts.
00:24:06
Dirk versteckt sich unter der Kapuze seiner leuchtend blauen Regenjacke.
00:24:10
Er will nicht fotografiert oder von den Presseleuten angesprochen werden.
00:24:14
Achim Lüdecke hingegen gibt spontan ein kurzes Interview.
00:24:17
Das Ziel dieser Hauptverhandlung ist ein Freispruch, erklärt er.
00:24:20
Er wolle nicht von einem Justizskandal sprechen,
00:24:23
aber es dürfte in der Bundesrepublik schon einmalig sein,
00:24:26
dass ein Mensch über 31 Jahre lang seiner Freiheit beraubt wurde.
00:24:30
Daraufhin regt sich die blaue Regenjacke.
00:24:32
Dirk nickt zustimmend.
00:24:34
Kurz vor Beginn der Verhandlung schlägt der Staatsanwalt vor,
00:24:37
dass die Öffentlichkeit für den Prozess ausgeschlossen wird.
00:24:40
Lüdecke ist das ganz recht.
00:24:42
Um Viertel nach zwei verkündet der Richter also den Ausschluss,
00:24:45
wie schon beim ersten Verfahren.
00:24:46
Nachdem die JournalistInnen den Saal verlassen haben,
00:24:49
setzt Dirk die Kapuze ab.
00:24:51
Darunter kommt ein freundliches Gesicht zum Vorschein.
00:24:54
Man erkennt den Mann von den damaligen Fotos noch.
00:24:57
Nur seine dunklen Locken sind ergraut,
00:24:59
genauso wie der Schnäuzer über seiner Oberlippe.
00:25:01
Anwalt Lüdecke erklärt dann,
00:25:03
dass ein Mandant damals zu dem Geständnis gedrängt wurde
00:25:06
und das Kind nicht getötet hat.
00:25:07
Doch ob das die Wahrheit ist, kann nicht geklärt werden.
00:25:11
Denn nach mehr als 30 Jahren sind viele ZeugInnen tot
00:25:14
oder können sich nur schwer erinnern,
00:25:16
unter welchen Umständen das Geständnis damals zustande kam.
00:25:19
Von den damaligen Vernehmungen gibt es auch entweder keine
00:25:22
oder nur so verkürzte Protokolle.
00:25:25
Daher geht es in diesem Wiederaufnahmeverfahren eher darum,
00:25:28
ob angesichts des zweiten Geständnisses weiterhin genügend Beweise
00:25:31
für Dirks Täterschaft sprechen.
00:25:33
Und die Antwort lautet, nein.
00:25:35
Es gibt ja keine belastenden Beweise.
00:25:37
Doch auch der Mann, der 1997 gestanden hat,
00:25:41
will jetzt nichts mehr von seiner Aussage wissen.
00:25:43
Er könne sich an eine Tat nicht erinnern
00:25:45
und auch nicht daran, so eine Mal gestanden zu haben.
00:25:49
Ein Tatverdacht hatte sich laut Staatsanwaltschaft
00:25:51
bisher auch gegen ihn nicht erhärtet.
00:25:53
Aber dieser besteht bei Dirks nun auch nicht mehr.
00:25:56
Zu viele Zweifel sind im Raum.
00:25:58
Nach sieben Monaten Verhandlung
00:26:00
plädieren Staatsanwaltschaft und Verteidigung auf Freispruch.
00:26:03
In seinem letzten Wort erklärt Dirks,
00:26:05
er sei damals zu dem Geständnis gedrängt worden.
00:26:07
Ich habe das Kind aber nicht getötet.
00:26:09
Der Mörder läuft noch frei herum, beteuert er.
00:26:12
Das Gericht kann Dirks die Tat letztendlich nicht nachweisen
00:26:17
und spricht ihn frei.
00:26:18
Von einem Justizskandal möchte aber auch der Vorsitzende Richter
00:26:21
ausdrücklich nicht sprechen.
00:26:23
Richter sind keine Roboter.
00:26:25
Die Beweismittel sind damals anders bewertet worden, erklärt er.
00:26:28
Also, da kann der sich ja jetzt viel von kaufen.
00:26:32
Also nach 31 Jahren dann auch noch Verständnis
00:26:36
für so ein Justizversagen zu verlangen.
00:26:39
Ja, ich finde das schon richtig bitter,
00:26:41
dass da irgendwie gar keine Schuld oder so eingestanden wird.
00:26:45
Weil der Richter, der gibt danach schon noch zu,
00:26:48
dass das Obduktionsprotokoll ganz klar fehlerhaft war.
00:26:52
In der Urteilsbegründung hält der Richter zudem fest,
00:26:55
dass Dirk möglicherweise zum Geständnis verleitet wurde,
00:26:58
ob nun absichtlich oder unabsichtlich.
00:27:01
Denn besonders auffällig sei,
00:27:03
dass Dirk immer erst mit Infos um die Ecke kam,
00:27:05
nachdem die BeamtInnen entweder etliche Male dieselbe Frage stellten
00:27:09
oder ihn mit Fotos vom Tatort konfrontierten.
00:27:12
Die Umstände in den Vernehmungen und Dirks Beeinträchtigungen
00:27:16
könnten dazu beigetragen haben, dass er schlichtweg aus dem Affekt
00:27:20
endlich in Ruhe gelassen zu werden und um der hohen Stresssituation zu entfliehen,
00:27:24
seine Angaben an die Erwartungen der vernehmenden Beamten anpasste,
00:27:29
Außerdem hält das Gericht fest,
00:27:31
dass die Tatbeschreibung des anderen Zeugen viel besser passe als die von Dirk.
00:27:36
Nach der Urteilsverkündung hat Dirk Tränen in den Augen.
00:27:41
Sein Anwalt hatte es geschafft.
00:27:43
Er hat ihn befreit.
00:27:44
Eine Entschuldigung bekommt Dirk nicht.
00:27:46
Alle Verantwortlichen von damals sind tot.
00:27:48
Eine Entschädigung soll er aber erhalten.
00:27:51
Mindestens 266.000 Euro.
00:27:53
Auf 31 Jahre gerechnet ist das allerdings nicht besonders viel.
00:27:58
Nach dem jahrelangen eingesperrt sein,
00:28:01
muss Dirk sich nun mühsam zurück ins Leben kämpfen.
00:28:03
Heute wohnt er in einer Seniorenstätte.
00:28:06
Mit 56 Jahren ist er der Jüngste dort.
00:28:09
Dirk kann nicht alleine leben.
00:28:11
Er kann nicht kochen und auch nicht selbst seinen Haushalt organisieren.
00:28:14
Das alles hat er nie gelernt.
00:28:16
Aber er darf jetzt sein kleines Zimmer so einrichten, wie er will.
00:28:20
Mit Wimpeln und Fahnen seines Lieblingsvereins Rot-Weiß essen.
00:28:23
Er darf auch so viel Spezi trinken, wie er mag.
00:28:26
Und spazieren gehen, wann er möchte.
00:28:27
Als unsere KollegInnen vom ZDF letztes Jahr ein Interview mit ihm führen
00:28:32
und er darin darüber spricht, dass er jetzt nicht mehr gefangen,
00:28:35
sondern frei ist, da strahlen seine dunkelbraunen Augen.
00:28:38
Bis heute hat Dirk Kontakt zu seinem Anwalt Achim Lüdecke.
00:28:41
Der ihm nach der Freilassung über viele bürokratische Hürden geholfen hat.
00:28:45
Mittlerweile verbindet die zwei so etwas wie eine Freundschaft.
00:28:50
Ohne Achim Lüdecke wäre Dirk vielleicht auch heute noch hinter dicken Mauern gefangen.
00:28:54
Und Achim Lüdecke weiß, dass es sich lohnt, bei solchen Fällen zweimal hinzuschauen.
00:28:58
Denn hier hat es einen Mann getroffen, der sich alleine nicht wehren konnte
00:29:02
und der eigentlich von Anfang der Ermittlung an einen besonderen Schutz verdient gehabt hätte.
00:29:07
Nach dem Urteil im Februar 2018 schreibt die Westdeutsche Allgemeine Zeitung ein letztes Mal über den Fall.
00:29:13
Der Titel lautet
00:29:14
Der Mord an Michael bleibt wohl unaufgeklärt.
00:29:17
Die Zeitung verbleibt mit einer unbefriedigenden Prognose für ihre Leserschaft.
00:29:22
Zurück bleiben ein zu Unrecht verurteilter Mann, der drei Jahrzehnte eingesperrt war.
00:29:26
Ein brutaler Mörder, der vielleicht immer noch frei herumläuft.
00:29:29
Und eine Tat, die wohl für immer ungesünd bleibt, steht dort geschrieben.
00:29:33
Weiß man denn, warum die AnwohnerInnen da alle diesen Dirk genannt haben?
00:29:42
Ja, weil Dirk K. sich ja viel auf diesem Spielplatz rumgetrieben hat.
00:29:47
Und bei seinen Befragungen hat der ja auch zugegeben, schon mal Jungen sexuell missbraucht zu haben.
00:29:54
Also der ist dann mit den Kindern in den Wald und hat die im Intimbereich angefasst.
00:30:00
Also das steht auch so im Urteil und ist außer Frage.
00:30:04
Ja, also dann darf der natürlich trotzdem nicht für etwas bestraft werden, was der dann nicht begangen hat.
00:30:11
Aber so kann man natürlich nachvollziehen, wieso sie sich in den Ermittlungen so lange auf den konzentriert haben.
00:30:17
Ja, auf jeden Fall.
00:30:19
Und diese Taten hätte K. auch später nicht widerrufen.
00:30:23
Nur, dass er Michael getötet hat, das hat er zurückgenommen.
00:30:26
Und er hat auch erzählt, dass er selbst als Kind von einem Nachbar sexuell missbraucht wurde.
00:30:31
Ja, das hört sich nach einem typischen Fall leider wieder an von jemandem, der prädestiniert dafür ist, so einem Irrtum dann auch noch zu erliegen.
00:30:44
Das Problem ist halt diese ganzen Fehler in den Ermittlungen.
00:30:47
Das hätte halt niemals so weit kommen dürfen.
00:30:50
Und auch, dass der dann, das mit diesen Stichwunden, also da frage ich mich, also wurde das dann im Nachhinein da in postmortalen Tierfraß umgeändert, damit es besser zum Geständnis passt?
00:31:02
Weil er ja nichts von dem Messer die ganze Zeit gesagt hat oder, also ich kann mir das nicht erklären.
00:31:09
Der Püschel kann sich das ja auch nicht erklären.
00:31:13
Aber ja, waren ja dann alle tot, die konnten dann auch nichts mehr dazu sagen.
00:31:18
Ja, und das ist nämlich auch das Ding, also selbst wenn, also der Täter oder die Täterin, weiß man ja gar nicht, die können ja auch schon längst tot sein.
00:31:27
Deswegen 31 Jahre.
00:31:30
Das ist so lang, stell dir das mal vor, ne, wenn man das so liest, das ist so lang, wie ich überhaupt hier auf dieser Welt bin.
00:31:38
So lang war der eingesperrt.
00:31:41
Ich finde dieses Geständnis von dieser anderen Person auch einfach super weird.
00:31:46
Ja, ich auch. Und der Püschel sagt in seinem Podcast auch, dass er glaubt, dass dieser Mann der Täter war.
00:31:53
Weil das mit dem Messerstichen ja keiner wusste. Es wurde ja nie an die Öffentlichkeit gegeben.
00:32:00
Es war Täterwissen.
00:32:01
Es war Täterwissen, genau. Aber ihm kann man es jetzt auch nicht mehr nachweisen, die Staatsanwaltschaft hat es ja probiert.
00:32:07
Die Beweise sind ja schon vernichtet worden, schon vor 1997.
00:32:12
Das ist einfach ein großes Desaster.
00:32:14
Ja. Man hofft, es wird heute anders gehandhabt.
00:32:18
Mich hat der Fall irgendwie voll an den Ulfi K. erinnert.
00:32:24
Der wegen dem Mord an der neunjährigen Peggy Knobloch wahrscheinlich unschuldig in der Psychiatrie saß.
00:32:30
Von dem Fall haben wir mal in Folge 15 erzählt.
00:32:33
Bei dem war das auch so, dass nur weil Menschen von außen sich quasi immer wieder für den eingesetzt haben, dass er dann irgendwann freigekommen ist.
00:32:42
Und da ist ja im Nachhinein auch rausgekommen, dass der auch ohne Anwalt befragt wurde und dass ihm Dinge in den Mund gelegt worden sind.
00:32:51
Also eine Tathypothese, die sie vorher hatten, hat er dann perfekt nacherzählt. Und dass auch Polizisten zu ihm gesagt haben sollen, wenn du jetzt nicht gestehst, bist du nicht mehr mein Freund.
00:33:01
Und sowas macht mich halt so wütend, dann einfach zu ignorieren, dass Menschen mit einer Intelligenzminderung halt mit einer besonderen Sorgfalt behandelt werden müssen.
00:33:14
Ja, weil die natürlich viel weniger haben, um sich zu Wert zu setzen.
00:33:19
Was Ulfika und Dirk K. ja gemeinsam haben, ist, dass die beide offenbar ein falsches Geständnis abgegeben haben.
00:33:26
Warum das Risiko dafür bei Menschen mit Intelligenzminderung besonders hoch ist, darum geht es jetzt in meinem Aha.
00:33:32
Verwertbare Zahlen, die darauf schließen lassen, gibt es vor allem aus den USA.
00:33:36
Im National Registry of Exonerations, das ist eine Datenbank der University of California,
00:33:42
die sich mit Freisprüchen nach Wiederaufnahmeverfahren befasst, wurden 2500 solcher Fälle ausgewertet.
00:33:47
In zwölf Prozent hatten die Verurteilten davor falsche Geständnisse abgegeben.
00:33:52
Von den Erwachsenen ohne Intelligenzminderung oder psychischer Störung hatten das sieben Prozent gemacht.
00:33:58
Von den Personen mit solchen Beeinträchtigungen 69 Prozent.
00:34:03
Und das hat vor allem mit den Umständen zu tun, die in polizeilichen Vernehmungen herrschen
00:34:08
und mit den Menschen mit Intelligenzminderung viel schwieriger umgehen können als Nichtbetroffene.
00:34:12
Besonders problematisch wird es bei langen Vernehmungen.
00:34:16
Das hat uns die Psychologin und rechtspsychologische Gutachterin Renate Vollbert erzählt.
00:34:21
In den Situationen, von denen wir wissen, dass es dann zu einem falschen Geständnis gekommen ist,
00:34:25
das sind häufig auch Vernehmungen, die sehr lange andauern.
00:34:28
Und in dieser Befragungssituation muss man ja weiter die Fähigkeit haben
00:34:33
und die Motivation, dem etwas entgegenzusetzen.
00:34:37
Und je länger das andauert, desto schwieriger wird das, weil man muss ja immer noch die Informationen angemessen beurteilen,
00:34:44
entscheiden, was im eigenen Interesse ist und das entsprechend auf diese Entscheidungen umsetzen und entsprechend handeln.
00:34:51
Das heißt auch, langfristigen Interessen gewissermaßen Priorität einzuräumen gegen kurzfristigen Bedürfnissen.
00:34:59
Und für eine Person, die von vornherein sehr wenig Fähigkeiten hat,
00:35:04
eigentlich diese Informationen angemessen zu beurteilen,
00:35:08
da geschieht es umso eher, dass sie zu irgendeinem Punkt sagt,
00:35:12
ist mir jetzt egal, ich will, dass das jetzt aufhört.
00:35:15
Dann sage ich, was der hören will und dann hört das jetzt erst mal auf.
00:35:19
Bei Ulfika hat es übrigens um die 20 Vernehmungen gebraucht, bis er die Tat an Peggy gestanden hat.
00:35:28
Und bei ihm ist ja dann auch rausgekommen, dass die BeamtInnen mit dieser fragwürdigen Read-Vernehmungsmethode gearbeitet haben,
00:35:34
wo die immer wieder Suggestivfragen gestellt haben.
00:35:38
Und diese Fragen sind bei Betroffenen halt besonders heikel,
00:35:41
weil Menschen mit Intelligenzminderung leichter durch sozialen Druck zu beeinflussen sind.
00:35:45
Man muss sich das ja nur mal vorstellen, dass vor allem halt dann ein Erwachsener mit der Intelligenz eines Sechsjährigen sitzt.
00:35:52
Wobei Renate Vollbart diese Vergleiche mit dem Alter ein bisschen problematisch findet,
00:35:57
weil die Menschen ja auch trotzdem Erfahrungen in ihrem Leben gemacht haben, wenn sie jetzt 40 Jahre alt sind,
00:36:03
die Kinder ja nicht mitbringen können.
00:36:05
Aber wie viele Kinder haben Betroffene auch die Tendenz, ihr gegenüber zufriedenzustellen und Konflikten aus dem Weg zu gehen.
00:36:12
Vor allem bei Personen, die sie als Autorität wahrnehmen.
00:36:15
Und ihnen ist es auch peinlich, wenn sie manche Dinge nicht gleich verstehen, wie Renate Vollbart uns erklärt hat.
00:36:21
Also zum Beispiel ein Aussageverweigerungsrecht, dass man nicht aussagen muss, das wird ja oft erstmal mitgeteilt und dann wird gefragt, ob das in Anspruch genommen wird oder nicht.
00:36:33
Und teilweise wird eben vorher auch gefragt, ob es verstanden worden ist.
00:36:36
Aber Menschen sagen sehr schnell ja, auch wenn sie das nicht verstanden haben, auch weil es ihnen unangenehm ist, dass sie es nicht verstanden haben.
00:36:44
Dazu kommt dann noch oft mangelndes Selbstbewusstsein, eine kurze Aufmerksamkeitsspanne, ein schlechtes Gedächtnis und die mangelnde Fähigkeit, den Ernst der Lage zu erkennen.
00:36:54
Und damit ja dann auch die Konsequenzen, also was es heißt, wenn sie hier jetzt zugeben, jemanden getötet zu haben.
00:37:00
Deshalb kommt es häufig kurz nach einem Geständnis zu einem Widerrufen, sobald die Betroffenen dann halt mit einem Anwalt oder mit einer Anwältin gesprochen haben.
00:37:08
Und dann ist es wichtig herauszufinden, ob das Geständnis halt unter so einem Befragungsdruck entstanden ist.
00:37:14
Zum Glück gibt es seit dem 1. Januar 2020 eine neue Regel, die das einfacher macht, denn seitdem ist der Paragraf 163 der Strafprozessordnung erweitert worden.
00:37:24
Da heißt es jetzt, die Vernehmung des Beschuldigten kann in Bild und Ton aufgezeichnet werden.
00:37:28
Sie ist aufzuzeichnen, wenn die schutzwürdigen Interessen von Beschuldigten, die erkennbar unter eingeschränkten geistigen Fähigkeiten leiden, durch die Aufzeichnung besser gewahrt werden können.
00:37:38
Wenn also während einer Vernehmung nicht auf die Besonderheiten der Betroffenen eingegangen wird, dann gibt es jetzt wenigstens die Möglichkeit, das im Nachhinein zu zeigen.
00:37:46
Und hätte es das damals schon gegeben, dann hätte Dirk K. vielleicht gar nicht 31 Jahre in der Psychiatrie gesessen.
00:37:55
Und ich finde, da zeigt sich auch irgendwie wieder, dass diese Annahme, die ja manche Menschen haben, dass die Forensik besser wäre als eine Haft und Kuscheljustiz und hier und da, weil man da ja nicht im Gefängnis sitzt.
00:38:08
Dass das Quatsch ist, weil man da oft viel länger einsitzt, obwohl man ja nicht mal schuldfähig ist.
00:38:15
Denn, das sagt ja das StGB, wer bei Begehung der Tat wegen einer Intelligenzminderung unfähig ist, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln, handelt ohne Schuld.
00:38:28
Allerdings ist Intelligenzminderung auch nicht immer gleich schuldunfähig, schon gar nicht bei einer leichten, bei einer mittelschweren Intelligenzminderung.
00:38:36
Da kann man aber in der Regel davon ausgehen, dass die Person keine Einsichtsfähigkeit hat.
00:38:41
Um jetzt herauszufinden, ob eine Person wegen der Intelligenzminderung das Unrecht der Tat nicht einsehen konnte, macht man dann beispielsweise psychologische Tests.
00:38:53
Bei Menschen mit schwerer Intelligenzminderung ist das aber voll schwer, weil die im Zweifel gar nicht in der Lage sind, diese Regeln des Tests zu verstehen.
00:39:00
Und dann guckt man beispielsweise halt eher sich schulische Leistungen an oder so Dinge, ob jemand in der Lage ist, mit den öffentlichen Verkehrsmitteln nach Hause zu fahren.
00:39:09
Oder ob man weiß, was man anziehen muss, je nach Wetter. So vollbärt.
00:39:14
Wenn man dann zu dem Schluss kommt, die Person konnte das Unrecht der Tat nicht erkennen, dann wird sie auch nicht bestraft, sondern kommt halt nach § 63 in den Maßregelvollzug.
00:39:22
Also in diese forensische Psychiatrie.
00:39:24
Und dort bekommen sie dann Psychotherapien und lernen Bewältigungsstrategien für das soziale Zusammenleben.
00:39:31
Also da geht es halt dann hauptsächlich darum, Selbstkontrolle und Eigenverantwortung zu lernen, in Anführungsstrichen, sage ich jetzt mal.
00:39:38
Und bei dem Dirk, da war das Gericht ja auch davon überzeugt, dass der in Zukunft eine Gefahr für die Allgemeinheit darstellt.
00:39:46
Weil ansonsten wäre diese zeitliche Unterbringung ja gar nicht unbegrenzt gewesen.
00:39:50
Und dann, das hast du ja gerade auch schon gesagt, wird halt nach einem Jahr immer geguckt, wie der Fortschritt so ist.
00:39:55
Aber im Durchschnitt sitzen intelligenzgeminderte PatientInnen tatsächlich überdurchschnittlich lange im Maßregelvollzug.
00:40:03
Bevor die dann danach in so ein betreutes, in eine betreute Wohneinrichtung zum Beispiel entlassen werden.
00:40:10
Aber um das nochmal klarzustellen, die Intelligenzminderung an sich kann jetzt nicht geheilt werden.
00:40:15
Ja, und deswegen gibt es ja auch irgendwie keine Hoffnung auf Besserung.
00:40:20
Also Besserung schon, also dass sich das Verhalten bessert, aber nicht auf die Intelligenzminderung bezogen.
00:40:28
Ja, genau, aber nicht die Intelligenzminderung.
00:40:31
Und ich glaube, bevor sich dann jemand in Anführungsstrichen traut, diese ehemaligen StraftäterInnen zu entlassen und dann passiert vielleicht noch was,
00:40:41
lassen sie die dann lieber in der Psychiatrie.
00:40:44
Und ich glaube, auch bei Dirk K., der wäre jetzt da, wenn es nicht dazu gekommen wäre, dass sich der Anwalt da so eingesetzt hätte,
00:40:51
der wäre da in der Psychiatrie wahrscheinlich gestorben oder erst entlassen worden, wenn er so alt und gebrechlich ist,
00:40:57
dass er niemandem mehr was antun hätte können.
00:41:00
Ich erzähle euch heute von verschiedenen Versionen einer Geschichte und dem langen Versuch einer Wahrheitsfindung,
00:41:09
die schwieriger eigentlich fast nicht hätte sein können.
00:41:12
Mich hat der Fall komplett mitgenommen und lange beschäftigt, als ich vor fünf Jahren von dem gehört habe,
00:41:18
weil er nicht so ganz in unser Einordnungssystem von Gut und Böse passt.
00:41:23
Die Triggerwarnung findet ihr in der Folgenbeschreibung.
00:41:27
Es ist dunkel und kalt draußen an diesem Sonntag, Ende Februar 2016.
00:41:34
Drinnen aber wirkt das Erlebnisbad wie ein Tropenparadies.
00:41:39
Als Alina und Monique gegen zehn vor vier das Hallenbad in Norderstedt betreten, ist es voll, die Luft ist warm und feucht.
00:41:46
Im Wellenbad lassen sich die BesucherInnen im Rhythmus des Wassers treiben,
00:41:50
das Grün der Kunstpflanzen wechselt sich ab mit dem hellen Türkis der Badebecken.
00:41:55
Es riecht nach Chlor.
00:41:58
Am Wochenende kommen immer viele hierher, um sich am Wasser zu verausgaben.
00:42:02
Für Alina und Monique sind die sechs Rutschen, die das Schwimmbad bietet, das Highlight.
00:42:07
Und so besteht der Nachmittag für die beiden hauptsächlich daraus, die Stufen zum Rutscheingang hochzusteigen
00:42:13
und sich dann mit Schwung in den Abgrund fallen zu lassen.
00:42:17
Alina, 18 Jahre alt, groß und schlank, mit kurzen Haaren, ist vier Jahre älter als Monique,
00:42:23
die kleiner ist als Alina und auch korpulenter, mit langen, braunen Haaren.
00:42:29
Obwohl der Altersunterschied in diesen Jahren einiges ausmacht und sich die beiden erst seit letztem Jahr kennen,
00:42:35
sind sie einander so ans Herz gewachsen, dass sie sich als beste Freundinnen bezeichnen.
00:42:40
Im Schwimmbad kleben die beiden die ganze Zeit aneinander und wenn eine vorrutscht,
00:42:45
dann wartet die im Auffangbecken auf die andere und dann geht's weiter zur nächsten Rutsche.
00:42:49
Zwischendurch stärken sich die Freundinnen mit Pizza.
00:42:52
Am selben Tag hört sich Asma von einem Verwandten einen Vorschlag an.
00:42:58
Man könnte doch mal ins Schwimmbad gehen.
00:43:01
Asma, dessen Sohn und Asmas Neffe.
00:43:04
In einem Schwimmbad war der 34-jährige Asma in seiner Heimat Afghanistan noch nie.
00:43:10
Er ist neugierig und sagt zu.
00:43:12
Asma und seine Frau Adia sind erst vor sechs Wochen nach Deutschland geflohen.
00:43:17
Gemeinsam mit der 5,5-jährigen Tochter Yama und dem 10-jährigen Milat.
00:43:22
Das dritte Kind trägt Adia bereits unter ihrem Herzen.
00:43:26
Die Familie wartet noch auf ihr Asylverfahren und wohnt seitdem in einer Asylunterkunft in Bremen.
00:43:31
Was Asma an diesem Tag zu sehen bekommt, bringt ihn aus dem Staunen nicht mehr raus.
00:43:38
Ein Wasserparadies in einem Gebäude.
00:43:41
Menschen, die sich freuen und frei sind und lachen und Männer und Frauen, die zusammen baden.
00:43:46
Asma freut sich einfach nur jetzt hier zu sein und nicht mehr auf der Flucht.
00:43:50
In diesem Moment wird Asma bewusst, dass er jetzt in einem anderen Land lebt.
00:43:55
Da, wo Frieden herrscht.
00:43:58
Asma und sein 14-jähriger Neffe Kais haben genau wie Alina und Monique besonders viel Spaß an der gelben Wildwasserbachrutsche.
00:44:05
124 Meter lang Luftlöcher im Bauch.
00:44:09
Unterteilt in drei Abschnitte, die jeweils mit einem kleinen Becken dazwischen voneinander getrennt sind, das dann in den nächsten Teil der Rutsche führt.
00:44:18
Beim letzten Abschnitt will Asma noch einen draufsetzen und rutscht mit dem Kopf vorweg.
00:44:23
Direkt ins Verderben.
00:44:26
Zwischen 17 und 18 Uhr sind die Mitarbeitenden des Spaßbads in heller Aufregung.
00:44:31
Über Funk wird nach Verstärkung der Security gefordert.
00:44:34
Kurz zuvor sind Alina und Monique völlig aufgelöst, aus dem Auffangbecken der Wildwasserbachrutsche geklettert,
00:44:40
direkt auf eine Bademeisterin zugesteuert, haben auf einen Mann gezeigt, der gerade aus dem Betten stieg,
00:44:46
und gesagt, sie seien von dem da begrapscht worden.
00:44:49
Es ist Asma, der jetzt schuldbewusst seinen Kopf senkt und sowas wie Entschuldigung murmelt,
00:44:56
während sich Alina und Monique ihren Tränen hingeben.
00:44:59
Asma steht nur da, ein bisschen wie angewurzelt, als die Security kommt, um ihn zu seinem Schrank bei der Umkleide zu begleiten.
00:45:07
Mit klatschnassen Haaren werden auch Alina und Monique von der Security zu ihren Schränken gebracht.
00:45:14
Auf dem Weg dorthin treffen sie auf Kais, Asmas 14-jährigen Neffen.
00:45:18
Aus Monique fährt ein erschrockener Schrei.
00:45:21
Der da sei auch dabei gewesen, sagt sie.
00:45:25
Emotional sichtlich mitgenommen.
00:45:27
Das stimme nicht, macht Kais deutlich.
00:45:30
Der Verwandte, der Asma und Kais hierher gebracht hat, beschwichtigt die beiden.
00:45:35
Deutschland sei ein Land mit Regeln, das Missverständnis kläre sich sicher bald auf.
00:45:40
Als die Polizei eintrifft, wartet die Security mit Asma und Kais schon am Eingangsbereich.
00:45:45
Währenddessen werden Alina und Monique gemeinsam in einem Aufenthaltsraum neben dem Eingang von den BeamtInnen befragt,
00:45:53
um einen ersten Eindruck vom Geschehen zu bekommen.
00:45:56
Alina, die ältere, größere der beiden, hört nicht mehr auf zu weinen.
00:46:00
Monique hingegen wirkt mittlerweile wieder einigermaßen gefasst.
00:46:04
Sie schildert, dass die beiden Männer sich mehrmals beim Anstellen für die Rutsche hinter sie gestellt und provokant geguckt hätten.
00:46:12
Bei einer Rutschpartie sei Alina schon vorgerutscht und Monique in einem der Auffangbecken gelandet.
00:46:17
In der Zeit seien auch die beiden Männer dort angekommen.
00:46:20
Monique habe wegen ihres Gewichts etwas länger beim Aufstehen gebraucht, sagt sie.
00:46:26
Das habe der ältere Mann ausgenutzt und sich im hüfthohen Wasser ihre Beine gegriffen und diese dann auseinander gedrückt.
00:46:32
Der Jüngere habe sich ihr dann von hinten genährt, an ihren Haaren gerissen, in ihren Badeanzug gegriffen
00:46:38
und sei dann mit einem Finger in sie eingedrungen und habe diesen dann hin und her bewegt.
00:46:43
So, dass es weh getan habe.
00:46:45
Sie habe dann mit den Füßen nach beiden getreten, bis sie sich losmachen konnte.
00:46:50
Unten im Endbecken habe der ältere, Asma, sie dann gefragt, ob sie mit den beiden in die Kiste wolle.
00:46:56
Monique habe geantwortet, dass sie sie in Ruhe lassen sollen.
00:46:59
Beim nächsten Rutschgang seien sie dann wieder aufeinander gestoßen.
00:47:03
Diesmal habe der ältere ihr Bein gegen eine Kante geschlagen.
00:47:07
Monique meint, um sich zu rächen.
00:47:09
Danach habe auch er einen Finger in sie gesteckt.
00:47:12
Später beim Rutschen hätten dann nochmal beide sie abgefangen und sie gewaltsam an den Brüsten angefasst.
00:47:19
Alina sagt, sie habe das, was die beiden mit Monique gemacht haben, nicht gesehen.
00:47:23
Aber beim letzten Rutschgang sei der Ältere mit dem Kopf vorweg gerutscht und im Endbecken voll gegen sie gedonnert.
00:47:30
Plötzlich habe er sie von hinten festgehalten und dann eine Hand von oben auf ihre Scheide gelegt und dann zugedrückt.
00:47:37
Danach habe er sie mit dem Mund in den Intimbereich geküsst.
00:47:41
Sie habe sich gewehrt und dann danach völlig aufgelöst ihrer Freundin Monique davon erzählt.
00:47:46
Als sie dann auch berichtete, von dem Mann begrapscht worden zu sein, hätten die beiden dann sofort laut angefangen zu weinen und seien dann aus dem Becken zur Bademeisterin geflohen.
00:47:55
Das, was Alina und Monique hier im Schwimmbad erzählen, das müssen sie gleich auch nochmal auf der Polizeidienststelle wiederholen.
00:48:03
Bis spät in die Nacht werden bei den beiden DNA-Abreibungen gemacht.
00:48:06
Eine innere gynäkologische Untersuchung möchte Monique wegen der Schmerzen nicht, deswegen erfolgt diese nur außen.
00:48:12
Ihre Badebekleidung wird sichergestellt und die beiden werden diesmal getrennt voneinander in Abwesenheit ihrer Mütter mit Videoaufnahme detailliert zu den Erlebnissen befragt.
00:48:22
Erst danach dürfen sie nach Hause gehen.
00:48:25
Asma und Kais nicht.
00:48:27
Bei den Anschuldigungen handelt es sich immerhin um eine gemeinschaftliche Vergewaltigung an einer Minderjährigen.
00:48:33
Deswegen verbringen sie die Nacht im Polizeigewahrsam.
00:48:36
Asma weint bitterlich.
00:48:39
Denkt an seine schwangere Frau Adia, die nun allein mit den beiden Kindern in der Geflüchtetenunterkunft ist
00:48:45
und nicht verstehen können wird, warum ihr Mann heute Abend nicht zu ihr nach Hause kommen wird.
00:48:50
Am nächsten Tag wird von der Polizei per Pressemitteilung bekannt gegeben,
00:48:54
dass es zu einer sexuellen Nötigung, Schrägstrich Vergewaltigung, in einem Schwimmbad in Norderstedt kam.
00:49:00
Zu diesem Zeitpunkt, Ende Februar, steckt die Silveste nach 2015,
00:49:04
in der Frauen vor allem in Köln am Hauptbahnhof und vor dem Dom zahlreichen sexuellen Übergriffen ausgesetzt waren,
00:49:11
vornehmlich von Männern aus dem nordafrikanischen und arabischen Raum, noch vielen in den Knochen.
00:49:17
Die Debatte über eine mögliche kulturelle Entfremdung, darüber die sogenannte Flüchtlingswelle nicht mehr unter Kontrolle zu bekommen,
00:49:25
beginnt gerade erst hitzig zu werden.
00:49:27
Und manche fürchten, Deutschland würde jetzt die Quittung für die Geflüchtetenpolitik erhalten.
00:49:33
Der Bayern-Kurier schreibt, dass die politisch korrekte Schweigespirale,
00:49:38
die Polizei und Medien dazu brachte, die Herkunft der Täter nicht zu nennen,
00:49:42
auf den öffentlichen Druck hin nun gelockert würde.
00:49:45
Weil überall SchwimmhallenbetreiberInnen Probleme mit sexuellen Übergriffen in den Bädern haben,
00:49:51
werden schon seit Beginn des Jahres deutschlandweit Comics angebracht,
00:49:54
die beispielsweise eine durchgestrichene Hand zeigen, die nach einem Po im Bikini greifen will.
00:50:00
Nee, ist es dein Ernst?
00:50:03
Das muss man extra dann dahin machen, oder wie?
00:50:08
Also damals kam es halt wirklich vermehrt zu Übergriffen und deswegen haben die das gemacht.
00:50:13
Und das sollte die dann davon abhalten, die Täter und damit meine ich jeden Täter.
00:50:19
hält ja kein Täter davon ab, das zu machen, wenn da eine geschuldig gestrichene Hand ist, weiß ja jeder, dass das nicht okay ist.
00:50:24
Gut, da muss ich dazu sagen, die Krabbelnden, die ein ähnliches Kulturverständnis haben, wie unsere Krabbelnden hier.
00:50:35
Die wissen das und machen das dann natürlich trotzdem, aber ich kann mir vorstellen, wenn man aus einer ganz anderen Kultur kommt, wo Frauen nicht im Bikini sich zeigen dürfen, wo Frauen unter Frauen baden und Männer und Frauen auch nicht gemischt baden dürfen und so,
00:50:54
Und dass, wenn die das vorher nicht gesehen haben, dass das für die schon eine Orientierung sein kann, weiß ich jetzt nicht, ob da nicht eigentlich auch normal ist, dass man fremde Frauen nicht am Po anfasst.
00:51:11
Also hoffe ich jetzt einfach mal.
00:51:13
Ja, das ist natürlich normal, aber ich finde es ganz gut, dass man versucht, für alle verständlich die Regeln nochmal zu verdeutlichen.
00:51:23
Und das macht man ja auch mit Symbolen manchmal, auch wenn jeder lesen kann, einfach um das nochmal zu veranschaulichen für alle.
00:51:33
Ja, ich meine, wenn das in einem Fall schon geholfen hat, dann hat es sich ja quasi auch schon gelohnt, das Ding da aufzuhängen, das Ding Comic.
00:51:39
Wenn wir diesen Comic finden, dann können wir den ja nächste Woche auf unserer Instagram-Seite Mordlust, der Podcast auch mal posten.
00:51:46
Und auf diesem Comic, da steht auch, dass man Frauen in allen Badebekleidungen respektieren muss.
00:51:53
Und im Erlebnisbad Norder steht, da kam es auch schon vor 2015 zu übergriffen.
00:51:59
Und deswegen sieht man sich dort in der Verantwortung noch zusätzlich, das Sicherheitskonzept zu überdenken und kündigt an, noch mehr Überwachungskameras anzubringen und für noch mehr Security zu sorgen.
00:52:09
Die sich als BesucherInnen getarnt unter die Badegäste mischen soll.
00:52:13
Zeitweise werden unter immenser Kritik sogar zwei Rutschen für Männer gesperrt.
00:52:19
Am Tag nach dem Übergriff müssen sich Asma und Kais dem Haftrichter stellen.
00:52:24
Bei der Vernehmung der beiden sind Dolmetscher und Pflichtverteidiger dabei.
00:52:28
Jetzt begreifen sie das ganze Ausmaß und was ihnen eigentlich von Alina und Monique vorgeworfen wird.
00:52:35
Der Dolmetscher übersetzt dem Haftrichter, dass Asma sagt, er habe gar nicht stören wollen.
00:52:41
Er wisse, dass er eine abscheuliche Tat begangen habe.
00:52:44
Er sei gegen das schlankere Mädchen gerutscht, sagt er in der Vernehmung, und habe dann Gefühle für es entwickelt.
00:52:51
Dann habe er es festgehalten, aber nur die Beine umarmt.
00:52:56
Dazu breitet er zur Veranschaulichung die Arme zu den Seiten aus und führt sie vorne wieder zusammen.
00:53:01
Dann habe er ihr einen Kuss auf die Vorderseite ihres rechten Oberschenkels gegeben, nicht aber im Intimbereich.
00:53:08
Und das sei es auch gewesen.
00:53:10
Alles, was das andere Mädchen, Monique, die mit den langen Haaren behauptet,
00:53:15
also dass die beiden sie gemeinsam festgehalten und einen Finger in sie gesteckt hätten, sei nicht wahr.
00:53:21
Während Asma das sagt, wird er eingeschüchtert und devot.
00:53:26
Er sagt, er hätte sich gerne schon im Schwimmbad bei dem Mädchen, also bei Alina, dem älteren, kurzhaarigen Mädchen, entschuldigt,
00:53:33
habe er auch versucht, aber man habe ihn ja nicht verstanden.
00:53:36
Es tue ihm aufrichtig leid.
00:53:38
Er habe eine Frau und zwei Kinder und das alles so nicht gewollt.
00:53:42
Kais will mit all dem gar nichts zu tun gehabt haben.
00:53:46
Ja, er und Asma seien gemeinsam mit den beiden Mädchen gerutscht,
00:53:50
aber es habe von seiner Seite aus nur einmal versehentlich Körperkontakt gegeben
00:53:55
und zwar mit seinem Fuß und dem jüngeren, langhaarigen Mädchen.
00:53:59
Dafür hätten aber sowohl er als auch Monique sich beieinander entschuldigt.
00:54:04
Da die Polizei keine Badegäste ausfindig machen konnte, die die Überfälle bezeugen konnten, steht Aussage gegen Aussage.
00:54:12
Die Staatsanwaltschaft schreibt in ihrem Bericht, die Aussagen von Alina und Monique seien glaubhaft und übereinstimmend.
00:54:19
Bei Asma bestünde zudem eine Flucht- und Wiederholungsgefahr,
00:54:23
da er Frauen offenbar als Freiwild betrachten würde, deren eigener Wille unbeachtlich sei.
00:54:29
Der Haftrichter entscheidet nach der Anhörung, dass Asma und Kais vorerst in Untersuchungshaft kommen.
00:54:35
Mittlerweile hat die Polizei vom Schwimmbad auch die Videoaufzeichnungen der Überwachungskameras bekommen.
00:54:42
Doch die sind lückenhaft.
00:54:43
Einige Teile der Rutsche wurden nicht von ihnen abgedeckt.
00:54:47
Doch im Endbecken zeigt sich tatsächlich die Schilderung, bei der Asma,
00:54:52
ob er es wirklich ist, das kann man an sich nicht genau erkennen, aber man geht davon aus,
00:54:57
mit dem Kopf vorneweg aus der Rutsche kommt und gegen Alina knallt.
00:55:02
Dann ist noch zu sehen, wie der Mann Alina umklammert.
00:55:05
Monique ist ebenfalls vorne auf dem Bild zu erkennen, wie sie auf ihre ältere Freundin wartet.
00:55:10
Später sieht man die beiden aus dem Becken stürzen.
00:55:13
Die Videos sind eine der wenigen Anhaltspunkte für die Anklage,
00:55:18
die vorbereitet wird, während eine schlimme Zeit beginnt, für alle Beteiligten.
00:55:24
Alina und Monique müssen zur Aufarbeitung beide in ein psychiatrisches Krankenhaus
00:55:29
und Asma und Kais erfahren Hilflosigkeit nach ihrer Flucht aus Afghanistan nochmal auf eine andere Art.
00:55:35
In der Untersuchungshaft ist der 34-jährige Asma die meiste Zeit alleine.
00:55:40
Mit anderen Inhaftierten kann er sich nicht verständigen und austauschen
00:55:44
und weil er als mutmaßlicher Vergewaltiger einer 14-Jährigen sitzt, wollen die anderen das auch gar nicht.
00:55:49
Asma hat Angst, weil man ihm gegenüber offensichtlich aggressiv und feindselig eingestellt ist.
00:55:56
So große Angst, dass er sich sogar freiwillig in Einzelhaft verlegen lässt.
00:56:01
Was Asma hier im Gefängnis macht, ist ihm wegen der Sprachbarriere zu diesem Zeitpunkt immer noch nicht klar.
00:56:07
Was da auf den Unterlagen steht, die er ins Gefängnis geschickt bekommt, kann er nicht lesen.
00:56:13
Er denkt, er wäre schon längst verurteilt.
00:56:16
Den Hofgang nimmt er auch nicht wahr, weil er gar nicht weiß, dass ihm das zusteht.
00:56:21
Die ganze Zeit dort verbringt er ohne einen Brief an Adia zu schicken, weil er nicht weiß, wie.
00:56:26
Mittlerweile ist April und er hat seit mehreren Wochen keinen Kontakt mehr zu seiner schwangeren Frau gehabt.
00:56:32
So kann er ihr gar nicht sagen, wie leid ihm das alles tut.
00:56:35
Wie beschämt er ist, dass er sich in diesem Moment nicht beherrscht hat.
00:56:41
Sein 14-jähriger Neffe Kais sitzt woanders in einer Jugendanstalt, ihn plagen aber ähnliche Probleme.
00:56:46
Kais will wieder nach Hause zu seiner Mutter und zu seinen Brüdern.
00:56:50
Auch er schämt sich, weil die anderen aus der Geflüchtetenunterkunft jetzt über ihn denken, er sei ein Vergewaltiger.
00:56:56
Oder sie denken über seine Brüder, sie seien mit einem Vergewaltiger verwandt.
00:57:02
25 Tage ist er mit seinen Gedanken ganz alleine, bis er gegen eine Kaution von 2000 Euro bis zur Verhandlung wieder zu seiner Familie darf.
00:57:10
Ausgehandelt hat ihn dir ein neuer Anwalt, den seine Familie von draußen kontaktiert hat.
00:57:15
Auch bei Asma wird versucht, ihn vorerst mit Auflagen freizubekommen, allerdings ohne Erfolg.
00:57:21
Obwohl Adia schwanger ist, sieht man bei ihm offenbar noch immer Fluchtgefahr.
00:57:26
Asma bleibt bis zum Prozess in Haft.
00:57:31
Der Gerichtssaal vom Amtsgericht Norderstedt ist wenig beeindruckend.
00:57:35
Er wirkt eher wie ein Klassenzimmer.
00:57:37
Backsteinwände und Tische aus hellem Fichtenholz, das man so eher von Kinderbetten kennt.
00:57:42
Vor Asmas und Kais Strafverteidigern stehen Papierschilder gefaltet, auf denen Rechtsanwalt steht.
00:57:48
Für Asma ist das Ganze trotzdem unheimlich angsteinflößend.
00:57:53
Neben seinem Verteidiger wirkt er irgendwie klein.
00:57:56
Alina und Monique sind bei dem Verfahren Nebenklägerinnen.
00:58:01
In den letzten Monaten war dieser Fall Anlass für viele Medien, über die Geflüchtetenpolitik zu reden.
00:58:07
Jetzt aber im Gerichtssaal des Amtsgerichts geht es nicht um das große Ganze.
00:58:17
Es geht nicht um die Meta-Ebene, sondern nur um Anklage gegen Verteidigung.
00:58:22
Kais bestreitet nach wie vor, überhaupt etwas mit der Sache zu tun gehabt zu haben.
00:58:29
Er habe auch nicht gesehen, wie Asma sich Alina im Endbecken genähert habe.
00:58:34
Asma bleibt bei seinem Teilgeständnis und entschuldigt sich erneut für seine abscheuliche Tat an Alina.
00:58:42
Aber einen Finger habe er nie in Monique gesteckt, sagt er, geschweige denn ihre Brüste berührt.
00:58:49
Die sexuelle Nötigung räumen er und sein Anwalt also ein.
00:58:53
Eine Vergewaltigung nicht.
00:58:55
Als Monique in den Zeugenstand gerufen wird, wird die Öffentlichkeit ausgeschlossen.
00:59:00
Auch ihr Glaubwürdigkeitsgutachten bleibt zunächst hinter verschlossenen Türen.
00:59:04
Alle warten darauf, wie Monique ihre Anschuldigungen vom 28. Februar wiederholen wird.
00:59:09
Doch auf die Penetration angesprochen, weiß sie jetzt nicht mehr, wer von den beiden den Finger in sie eingeführt habe.
00:59:16
Obwohl es ja ursprünglich mal beide waren.
00:59:18
Und sie weiß auch nicht mehr, ob es nun der ganze Finger oder nur die Kuppe war.
00:59:23
Auch, dass sie von beiden gleichzeitig an der Brust berührt worden war
00:59:27
und dass jemand sie an ihren langen Haaren gezogen habe,
00:59:30
weiß sie nicht mehr.
00:59:31
Ganz klar sind ihre Erinnerungen nur noch daran,
00:59:34
dass sie im Schwimmbad mit Alina auf ihre Mutter gewartet hat,
00:59:37
dass ihr Vater nicht mit zur Vernehmung kommen konnte,
00:59:40
weil er am nächsten Tag früh arbeiten musste
00:59:42
und dass sie im Polizeiwagen vorne auf dem Beifahrersitz saß.
00:59:45
Mehrmals hakt die vorsitzende Richterin nach.
00:59:48
Ich möchte jetzt nichts Falsches sagen, sagt Monique.
00:59:52
Dass Monique angibt, sich nicht mehr erinnern zu können,
00:59:56
hat keinen taktischen Grund.
00:59:58
Vermutlich weiß sie es wirklich nicht mehr.
01:00:00
Monique hatte vor drei Jahren eine schwere Hirn-OP,
01:00:04
nachdem zuvor ein Tumor bei ihr entdeckt wurde.
01:00:07
Vor der Operation ist Monique auf eine Hauptschule gegangen.
01:00:10
Danach musste sie auf die Förderschule wechseln.
01:00:13
Jetzt hat sie ein schwaches intellektuelles Niveau.
01:00:16
Eine Intelligenzminderung.
01:00:19
Es fällt ihr schwer, Sachverhalte nachvollziehbar zu schildern.
01:00:22
So war es auch bei der Vernehmung mit der Polizei.
01:00:24
Monique hatte Schwierigkeiten, an dem Tag zum Punkt zu kommen,
01:00:27
hat der Beamtin erzählt, dass sie sich von der Videokamera gestalkt fühle.
01:00:31
Trotzdem sei ihre Schilderung nicht unschlüssig gewesen,
01:00:35
so die Beamtin, die Monique für glaubhaft hielt.
01:00:38
Das Ding ist, es ist nicht das erste Mal,
01:00:41
dass Monique eine Geschichte von einer Vergewaltigung mit einem Finger erzählt.
01:00:47
Im August 2015 wendet sich Monique an die Polizei
01:00:50
und beschuldigt einen Mann aus Hamburg, den sie aus dem Internet kennt,
01:00:53
sie zwei Tage lang bei sich in seiner Wohnung festgehalten und vergewaltigt zu haben.
01:00:58
Bei der nächsten Vernehmung ändert sich auch diese Geschichte.
01:01:01
Jetzt habe er Zigaretten an ihr ausgedrückt,
01:01:04
während sie an einem Heizungsrohr festgemacht war.
01:01:06
Und er habe einen Finger an sie gesteckt
01:01:09
und sie dort auf den Kopf geschlagen, wo ihre Narbe ist.
01:01:12
Der Mann hingegen sagt, der Sex sei einvernehmlich gewesen.
01:01:17
Später ändert sie die Anschuldigung wieder.
01:01:19
Derselbe Mann habe ihr in einer Bahn eine Spritze gesetzt,
01:01:23
sie gegen ihre Narbe am Kopf geschlagen
01:01:25
und dann einen Finger an sie gesteckt.
01:01:27
Wegen dieser Sache wird sie als Vergewaltigungsopfer in einer Psychiatrie behandelt.
01:01:32
Und dort lernt sie Alina kennen, die wegen ihrer Borderline-Störung dort ist.
01:01:36
Die beiden freunden sich an und haben danach weiter Kontakt.
01:01:40
Ansonsten hat Monique kaum Freunde.
01:01:42
Ein paar Wochen nach dem Vorfall im Schwimmbad
01:01:45
beschuldigt Monique wieder einen Geflüchteten,
01:01:47
sie auf ihre Narbe am Kopf geschlagen
01:01:49
und seine Hand in ihre Hose gesteckt zu haben.
01:01:51
Diese Geschichte erzählt sie dem Betreuer der Einrichtung,
01:01:55
in der sie zu dem Zeitpunkt untergebracht ist,
01:01:57
der daraufhin Strafanzeige stellt.
01:02:00
So richtig glaubt dieser Betreuer die Geschichte aber nicht,
01:02:03
denn Monique war nur zehn Minuten aus der Einrichtung gegangen.
01:02:07
Außerdem hatte sie bereits am Vortag jemanden beschuldigt,
01:02:10
sie vergewaltigt zu haben.
01:02:11
Nach mehrmaligem Nachhaken hatte sie dann zugegeben,
01:02:14
sich die Geschichte nur ausgedacht zu haben.
01:02:16
Bei der Polizei damit konfrontiert, sagt sie,
01:02:20
hä, das habe ich gar nicht erzählt.
01:02:23
Und meint, dass der Betreuer dann sicherlich was falsch verstanden habe,
01:02:27
denn der Sex wäre auf jeden Fall einvernehmlich gewesen.
01:02:31
Die Beamtin fragt Monique, ob sie das nicht komisch finde,
01:02:34
dass das immer wieder passiert.
01:02:35
Das mit dem gegen die Narbe schlagen, wo der Tumor saß
01:02:39
und die Vergewaltigung mit dem Finger.
01:02:41
Monique antwortet, weiß ich nicht und wird danach aggressiv.
01:02:46
Zu keinem der Vorfälle finden sich ZeugInnen,
01:02:50
die die Geschichte auch nur im Ansatz bestätigen können.
01:02:52
Bei der äußeren gynäkologischen Untersuchung
01:02:55
konnte auch keine Wunde festgestellt werden
01:02:57
und es gab auch keine anderen Beweise.
01:03:00
Deswegen zweifelt im April zumindest die Vernehmungsbeamtin.
01:03:03
Es bleibt schwierig,
01:03:05
aufgrund der Vorgeschichte von Monique
01:03:07
ihren Schilderungen Glauben zu schenken.
01:03:09
Ist das schon im Prozess, der April?
01:03:12
Nee, das war zwei Monate nach der Schwimmhallensache,
01:03:15
wo Asma aber schon im Gefängnis saß.
01:03:20
Zu dem Zeitpunkt, wo die Vernehmungsbeamtin
01:03:22
an Moniques Aussagen zweifelt,
01:03:25
redet auch schon ihre eigene Mutter von Hirngespinsten.
01:03:29
Und obwohl die Staatsanwaltschaft alle anderen Verfahren von Monique
01:03:32
wegen erheblicher Zweifel der Darstellung einstellt,
01:03:35
setzt man den Haftbefehl gegen Asma nicht außer Kraft.
01:03:39
Vielmehr sah die Richterin des Amtsgerichts den Tatverdacht noch erhärtet,
01:03:43
nachdem die Videoüberwachung vom Schwimmbad vorlag,
01:03:46
auf der man, wie gesagt, nur das Festhalten im Endbecken sehen kann.
01:03:50
In dem Glaubwürdigkeitsgutachten von Monique heißt es,
01:03:53
Monique habe so starke Konzentrationsstörungen,
01:03:56
dass sie Gedächtnislücken mit Erfahrungen ausfülle
01:03:59
und Geschehnisse eh von vornherein nur bruchstückhaft wahrnehmen würde.
01:04:03
Es sei außerdem ein Fehler gewesen,
01:04:05
die beiden Freundinnen nicht getrennt voneinander zu befragen in der Schwimmhalle.
01:04:10
Nachdem Moniques Aussage und ihr Glaubwürdigkeitsgutachtung gehört wurden,
01:04:14
darf die Presse wieder in den Gerichtssaal.
01:04:16
Die Richterin verkündet, dass sie den Haftbefehl gegen Asma aufhebe,
01:04:20
weil Monique fast nichts außer die Vergewaltigung mit dem Finger
01:04:24
von dem Tag so wiedergeben konnte, wie sie es bei der Polizei tat.
01:04:27
Ihr Anwalt und sie ziehen die Nebenklage daraufhin zurück.
01:04:31
Nach diesem Verhandlungstag darf Asma endlich wieder zu seiner Frau Adia.
01:04:36
Endlich sind die Vergewaltigungsvorwürfe vom Tisch.
01:04:39
Endlich zeigt sich, dass er nicht getan hatte, was ihm vorgeworfen wurde.
01:04:44
Aber der Weg ist erst halb gegangen und unschuldig ist Asma nicht,
01:04:48
denn die sexuelle Nötigung an Alina hatte er ja gestanden.
01:04:52
Am nächsten Verhandlungstag sitzt nur noch Alina und ihr Rechtsbeistand im Gerichtssaal.
01:04:57
Sie hatte von Anfang an gesagt, nicht gesehen zu haben,
01:05:00
was Monique Asma und Kais vorgeworfen hatte.
01:05:04
Allerdings hat auch Alina Glaubwürdigkeitsprobleme.
01:05:08
Aufgrund ihrer Borderline-Erkrankung wird auch bei ihr ein Glaubwürdigkeitsgutachten gemacht.
01:05:13
Auch sie schildert das Kerngeschehen nicht so wie am Tattag im Februar.
01:05:18
Jetzt gibt sie an, Asma habe ihren Intimbereich mit dem Arm berührt.
01:05:22
Auf Nachfrage der Vorsitzenden korrigiert sie dann auf seinen Finger,
01:05:26
womit jetzt eine dritte Version der Tatgeschichte auf dem Tisch liegt.
01:05:29
Am Anfang hatte sie ja gesagt, er hat mit der Hand zugedrückt.
01:05:33
Das Gericht entscheidet, dass der Aussage von Alina keinem Beweiswert zugemessen werden kann.
01:05:38
Auch deshalb, weil sie die Geschehnisse von dem Tag so oft mit ihren TherapeutInnen durchgekaut hat,
01:05:44
dass man sich jetzt nicht mehr sicher sein könne, was Alina wirklich erinnere und was Scheinerinnerungen seien.
01:05:50
Demnach bleibe nur übrig, was Asma gestanden habe.
01:05:54
Auch wenn nicht ausgeschlossen werden kann, dass Moniques Schilderungen erlebnisbasiert waren.
01:05:59
KIs Verteidiger tadelt die Ermittlungsbehörden, die sich haben leiten lassen von der aufgeheizten Stimmung um die Ereignisse auf der Kölner Domplatte, meint er.
01:06:08
Sein Mandant wird von allen Vorwürfen freigesprochen.
01:06:11
Und auch Asma hat sich nicht der Vergewaltigung schuldig gemacht.
01:06:14
Die sexuelle Nötigung aber bleibt.
01:06:17
An einem Ort, an dem man darauf vertrauen muss, nicht unsittlich berührt zu werden, habe Asma einen Zusammenstoß herbeigeführt, Alina festgehalten, sei spontan sexuell erregt gewesen und habe ihr zu seiner Befriedigung gegen ihren Willen den Kuss aufs Bein aufgezwungen.
01:06:34
Provoziert hätten Alina und Monique die Situation aber nicht.
01:06:37
Das stand im Raum, nachdem eine Mitarbeiterin des Schwimmbads ausgesagt hatte, dass die beiden jungen Frauen ihr schon den ganzen Nachmittag aufgefallen waren.
01:06:44
Vor allem Alina habe sie fünfmal beobachtet, wie die sich wahllos wartenden Männern genährt habe und diese mit ihrer Brust, ihrem Arm oder Schulter berührt habe.
01:06:55
Danach hätten sich Alina und Monique Kichan nach den Männern umgedreht.
01:06:58
Das sei der Angestellten unangenehm gewesen, sodass sie überlegt habe, die beiden Mädchen des Schwimmbads zu verweisen.
01:07:04
Asma selbst hat aber auch nie bei Alina den Fehler gesucht.
01:07:08
Im Gegenteil hat er von Anfang an klargemacht, dass er etwas Schlimmes getan habe.
01:07:12
Die Strafe dafür sind acht Monate.
01:07:16
Sechs davon hat er schon in Untersuchungshaft gesessen.
01:07:19
Das Gericht hat sich am unteren Strafrahmen orientiert, weil Asma sichtlich unter der Haft und dem Prozess gelitten habe und es für relativ unwahrscheinlich hält, dass sowas nochmal vorkomme.
01:07:29
Die Leute, die hier zu uns herkommen, die sollen sich an die Regeln halten, wird man immer mal wieder Leute sagen.
01:07:37
Kais versteht das Ganze nicht.
01:07:39
Er habe nie etwas getan, sich immer an die Regeln gehalten und wollte nur einen glücklichen Tag im Schwimmbad verbringen.
01:07:45
Monique droht, wie der Spiegel in seinem Artikel 2016 schreibt, keine Strafe.
01:07:50
Kais würde gerne wissen, warum man ihr geglaubt hat und ihm nicht.
01:07:55
Asma kann zurück zu seiner Familie, endlich für seine Frau und die Kinder da sein.
01:08:00
Am Ende war das Einzige, was es zu verantworten gab, ein Festhalten und ein Kuss.
01:08:06
Nicht unerheblich und noch immer eine Straftat.
01:08:10
In zweiter Instanz wurde das Verfahren gegen Asma ohne Verhandlungen wegen Geringfügigkeit eingestellt.
01:08:15
Ach so, also wurde er jetzt quasi nicht schuldig gesprochen im Endeffekt?
01:08:24
Also die sind in Berufung gegangen und dann haben die das Verfahren eingestellt.
01:08:29
Und das heißt, er ist weder schuldig noch unschuldig gesprochen worden.
01:08:33
Hat aber die sechs Monate ja schon in Untersuchungshaft gesessen.
01:08:37
Ja, aber ist jetzt nicht vorbestraft.
01:08:42
Das alles und das ist das Ergebnis.
01:08:47
Das ist ja einfach nur, also ich weiß gar nicht, was ich sagen soll.
01:08:50
Ich habe mir einige Notizen gemacht.
01:08:52
Also erstmal finde ich es natürlich eine unglaublich furchtbare Vorstellung, wenn ich im Schwimmbad bin und mich ein fremder, halbnackter Mann meine Beine umklammert, mich festhält und mir dann einen Kuss, egal wohin, auftritt.
01:09:09
Also das finde ich ganz, ganz schrecklich.
01:09:12
Also diese sexuelle Nötigung gab es ja ganz offensichtlich und es ist ganz schlimm.
01:09:17
Ja, und sie hat ja behauptet, dass er sie auch unten berührt hätte.
01:09:21
Das hat er ja nie gestanden.
01:09:23
Und ich frage mich, finde ich das eigentlich richtig, dass er am Ende, also in der ersten Instanz, nur für das verurteilt wurde, was er gestanden hat, wenn ja Alina dieselbe Geschichte erzählt hat, plus das mit dem Anfassen.
01:09:40
Also als sie aus diesem Becken gekommen ist, hat sie ja die Geschichte erzählt, der ist gegen mich gerutscht, hat mich festgehalten, mir einen Kuss aufgedrückt und mich unten angefasst.
01:09:52
Und erstmal hat diese Geschichte ja gestanden bis auf das Anfassen und ich frage mich, wenn eigentlich die Geschichte, die Alina erzählt hat, gestimmt hat, auch von seiner Sicht aus, außer eine Sache, ist das denn richtig, die wegzulassen?
01:10:09
Ja, weil war das so, dass die Alina das der Monique erzählt hat und daraufhin erst die Monique das erzählt hat, was ihr passiert ist?
01:10:19
Ja, da muss man sich halt fragen, wieso sollte sie sich das ausgedacht haben, beziehungsweise vielleicht hat sie es ja auch gespürt und das war absichtlich, man weiß es halt nicht, man kann das ja auch wirklich jetzt gar nicht, man kann das ja nicht nachweisen, aber ich weiß, was du meinst.
01:10:33
Ja, ich glaube, darauf gibt es halt auch keine Antwort. Die sagen ja, das war halt der nicht konsistente Teil und deswegen konnte man ihm das nicht nachweisen, weil er das ja nicht gestanden hatte.
01:10:45
Also ich verstehe, ich verstehe beides auf eine Art, weißt du, aber
01:10:48
Aber ja, auf jeden Fall hat diese sexuelle Nötigung stattgefunden und deswegen finde ich es im Endeffekt nicht okay, dass es eingestellt wurde.
01:10:55
Ich meine, er hat jetzt sechs Monate abgesessen und hatte mit Sicherheit eine ganz, ganz schreckliche Zeit im Gefängnis.
01:11:01
Ja, er hat irgendwie auf eine andere Art dafür dann gebüßt, also aber halt nicht durch das Rechtssystem so richtig.
01:11:09
Und ich finde auch, das ist so ein schwerer Vorwurf und bei dem ganzen Tamtam, was denn da vorher passiert ist, das wird auch andere Gründe gehabt haben, aber dann zu sagen, wegen Geringfügigkeit stellen wir das jetzt ein.
01:11:21
Also da wurde vorher hier großer Zirkus, Luftballons, Clown Kalli kommt und führt einen einbeinigen Elefanten durch den Zirkus und jetzt ist das auf einmal wegen Geringfügigkeit eingestellt.
01:11:34
Ja, deswegen musste ich auch nochmal nachfragen, weil ich dachte, hä, dieser letzte Satz seines Falls, das kann doch jetzt nicht sein.
01:11:40
Aber ja, auch für ihn sicher, er ist sechs Wochen in Deutschland und dann passiert das und dann kann er seine Frau nicht sehen, also mit ihm habe ich auch mitgelitten, ja.
01:11:51
Also es ist nur Verlierer in dieser ganzen Geschichte.
01:11:54
Genau, es gibt kein Gut und Böse, was ich ja am Anfang gesagt habe und ich habe auch so ein bisschen das Gefühl gehabt, dass der Asma und Kais mussten für was gerade stehen, was andere Menschen getan haben auf der Kölner Domplatte 2015 auf 2016.
01:12:11
Und diese Geschichte von den beiden übergriffigen Geflüchteten, die passte halt ins große ganze Bild.
01:12:19
Und es zeigt halt auch, dass man das, was die Medien schreiben von Anfang an, wenn noch nichts wirklich klar ist, auch hinterfragen muss und nicht immer vorverurteilen und wir wissen, wer der, wie auch in deinem Fall gesagt wurde, jetzt haben wir den Täter.
01:12:35
Deswegen ist Verbrechensberichterstattung ein sausensibles Thema, weil du nicht einfach Leute beschuldigen kannst, eine Straftat begangen zu haben, wenn das noch gar nicht gerichtlich geklärt ist.
01:12:45
Ja, und ich habe mich auch während des Falls gefragt, ob das alles anders gelaufen wäre, wenn es sich um zwei deutsche Männer gehandelt hätte.
01:12:55
Vor allem im Hinblick darauf, dass dann klar wurde, dass die Monique auch schon öfters mal diese Geschichte erzählt hat.
01:13:02
Weil wirklich, wenn man hört, das wurde schon mal erzählt und nochmal, das sind halt so Red Flags, wo man dieses Verfahren hätte vielleicht schon stoppen können.
01:13:13
Das Tragische ist ja hier auch so ein bisschen, dass auch die Monique ja laut Gericht wahrscheinlich gar nicht so wirklich was dafür kann.
01:13:21
Und nur weil es nicht bewiesen werden konnte, heißt es ja auch nicht, dass es nicht passiert ist.
01:13:27
Das kommt ja auch noch dazu.
01:13:29
Also das Gericht hält sich ja zurück, damit zu sagen, das hat die sich komplett ausgedacht und das ist erwiesenermaßen nicht passiert.
01:13:37
Ja, und selbst wenn das nicht passiert ist, die Monique hat ja sowas schon öfter erzählt und man kann ja nicht wissen, woher das kommt.
01:13:45
Also hat das was möglicherweise mit dem Tumor zu tun, dass irgendwas sie dazu bringt, das zu erzählen?
01:13:54
Das weiß man ja eben auch nicht und es kann für sie ja auch belastend sein, man weiß es halt eben nicht.
01:13:58
Das Gericht sagt ja, die erfüllt diese Erinnerungslücken aus, aber sie hatte ja selber auch am Ende des Prozesses gesagt, ich kann mich nicht erinnern und ich will jetzt nichts Falsches sagen.
01:14:11
Also das spricht ja gegen, ich mache hier absichtlich eine Falschbeschuldigung.
01:14:17
Und ich muss hier leider auch nochmal einen kleinen Einschub machen.
01:14:21
Ich habe jetzt diesen Fall im Zusammenhang mit Intelligenzminderung erzählt, weil ich den einfach immer mal erzählen wollte und weil es auch gut gepasst hat.
01:14:29
Ich habe mir aber lange Gedanken darüber gemacht, ob das gut ist, weil es ja sein könnte, dass Menschen diesen Fall nehmen und denken, der stärkt jetzt dieses Narrativ von Männern, die Falschanschuldigungen zum Opfer fallen.
01:14:43
Erstens ist das gar kein solcher Fall.
01:14:45
Das sieht man eigentlich schon bei diesen ganzen Gegebenheiten und Umständen.
01:14:50
Ja, nee, gar nicht, weil hier ja zumindest gar nicht im Raum steht, dass die beiden absichtlich jemanden falsch beschuldigt hätten.
01:14:56
Und das Urteil lässt ja auch offen, ob die Schilderungen halt nicht doch erlebnisbasiert waren bei denen, wie du gesagt hast.
01:15:04
Ja, aber wenn sowas mal in den Medien vorkommt, dann habe ich auch immer das Gefühl, dass die Leute denken, sowas würde häufig vorkommen, diese Falschanschuldigungen.
01:15:11
Das ist aber nicht so.
01:15:13
Der Bundesverband der Frauenberatungsstellen und Frauennotrufe geht von drei Prozent Falschbeschuldigungen in Deutschland aus und bezieht sich da auch auf eine europaweite Studie.
01:15:22
Also jetzt die sexualisierten Übergriffe.
01:15:24
Und hier geht es nur um angezeigte Übergriffe und die meisten Übergriffe werden gar nicht erst angezeigt.
01:15:31
Das zeigt auch eine Studie vom Frauenministerium von 2014.
01:15:34
Die kam nämlich zu dem Schluss, dass in 85,7 Prozent von Fällen von sexualisierter Gewalt die Polizei nicht eingeschaltet wird.
01:15:41
Und das heißt, der Prozentsatz der angezeigten Falschbeschuldigungen wäre bezogen auf alle Übergriffe nochmal viel geringer.
01:15:50
Ich finde gut, dass du das jetzt mal gesagt hast, weil ich weiß noch bei meinem letzten Fall, wo ich erzählt hatte, dass ein junger Mann auch falsch beschuldigt wurde einer Vergewaltigung.
01:16:01
Da hatten wir auch einige Nachrichten dazu bekommen, dass es ja gar nicht so oft vorkommt und dass es jetzt so aussieht.
01:16:07
Und ja, und so haben wir das jetzt einmal gesagt.
01:16:10
Und in dem Fall, da ging es auch um Glaubwürdigkeit, was ja hier auch eine Rolle gespielt hat.
01:16:18
Und es war bei Moniques Aussage ja auch so, also bei der Aussage der 14-Jährigen, die das mit dem Finger erzählt hat, dass die Polizei ja auch zuerst keinen Grund hatte, ihr nicht zu glauben.
01:16:28
Also die fanden die Aussage in sich schlüssig.
01:16:31
Also die Vernehmung an sich, die war zwar ein bisschen schwierig, weil Monique manchmal was geflüstert hat und manche Fragen auch nicht beantworten wollte, aber im Kerngeschehen war sie recht klar.
01:16:40
Und es gab ja noch eine Geschädigte, es gab ja noch die Alina.
01:16:46
Und nachher im Urteil hieß es dann, die Aussage der Zeugin ist nicht zuverlässig.
01:16:51
Dass sich die Einschätzung von Monique als Zeugin komplett geändert hat, lag aber vor allem daran, dass sich Moniques Geschichte verändert hat.
01:16:59
Weil eigentlich muss man mindestens das Kerngeschehen und die Rollen der beteiligten Personen hätte richtig wiedergeben müssen.
01:17:07
Und das hat sie aber nicht.
01:17:08
Sie hat ja nachher auch nicht gewusst, wer zuerst einen Finger in sie reingesteckt hat und wer sie festgehalten hat, das wusste sie ja alles nicht mehr.
01:17:17
Aber dass ihre Aussage an sich nicht zuverlässig war, das lag nicht per se daran, dass sie intelligenzgemindert war, weil das wusste man auch schon in der ersten Vernehmung.
01:17:27
Das ist nämlich nicht so, dass intelligenzgeminderte Personen generell unbrauchbare ZeugInnen sind, obwohl Untersuchungen auch zeigen, dass ihnen oft eine verminderte Glaubwürdigkeit zugesprochen wird.
01:17:38
Man muss aber bei ihnen halt einfach ein bisschen genauer hinschauen, weil jeder unterschiedliche Schwierigkeiten hat.
01:17:44
Also manche können nur begrenzt sprechen oder bewerten Informationen falsch und deswegen muss halt immer individuell geguckt werden, wo die Person Probleme hat.
01:17:54
Und dieses Bewerten von ZeugInnen, das ist ja eigentlich Aufgabe von Richter oder Richterin.
01:17:59
Aber wenn die Wahrnehmungs- und Erinnerungsfähigkeit von ZeugInnen über das übliche Maß hinaus beeinträchtigt ist, dann muss ein psychologisches Gutachten eingeholt werden, so wie das halt eben auch bei Monique dann gemacht würde.
01:18:12
Und darin muss dann geguckt werden, wie jetzt in dem Fall von Monique, ob sie über genügend intellektuelle Grundvoraussetzungen verfügt, um eine Aussage zu machen, die das Gericht dann auch verwerten kann.
01:18:24
Und andersrum muss aber auch geguckt werden, ob die Person überhaupt in der Lage wäre, eine absichtliche Falschaussage ohne Erlebnishintergrund zu tätigen und die dann aufrecht zu erhalten.
01:18:35
Und das geht nämlich bei so komplexen Täuschungshandlungen meistens nicht und schon gar nicht über einen Zeitraum von mehreren Wochen oder Monaten.
01:18:43
Ja, und in dieser Glaubwürdigkeitsfolge, da haben wir ja auch gesehen, wie schwer das allein für Menschen mit einem durchschnittlichen IQ ist, sich eine Geschichte auszudenken mit Details und alles und sich daran zu erinnern.
01:18:57
Weil man dann ja zum Beispiel bei solchen Glaubhaftigkeitsgutachten dann auch manchmal die Geschichte von hinten erzählen muss.
01:19:03
Und das ist halt sehr anspruchsvoll.
01:19:05
Genau, und dieser Tenor im Urteil bezüglich Monique war ja auch eher, sie hat Probleme erlebt, es von Fantasievorstellungen zu unterscheiden, aber es kann sein, dass Teile erlebnisbasiert waren.
01:19:17
Also so, als hätte sie es halt nicht absichtlich falsch ausgesagt, obwohl ihr Betreuer ehrlicherweise schon angegeben hatte, dass Monique auch manipulativ sei und Erwachsene auch manchmal gegeneinander ausspielen würde.
01:19:29
Ja, also wenn es dann in Fällen mit Menschen mit Intelligenzminderung zu einem Urteil kommt, dann findet man darin Formulierungen wie, der Sachverständiger hat hierzu ausgeführt, dass der Angeklagte unter einer leichten Intelligenzminderung in Klammern ICD 10 F 20.0 leide.
01:19:48
Und hinter diesen Buchstaben und Zahlencodes, da steckt die internationale statistische Klassifikation der Krankheiten und Verwandter Gesundheitsprobleme.
01:19:57
Da sind dann auch diese unterschiedlichen Schwere gerade aufgelistet, die es gibt.
01:20:01
Zurückzuführen ist so eine Intelligenzminderung meistens auf die Phase vor der Geburt, wenn da irgendwas passiert, zum Beispiel irgendwie genetische Syndrome wie Trisomie 21 oder wenn Mütter beispielsweise während der Schwangerschaft Alkohol trinken.
01:20:18
Und ich habe mal so einen Beitrag zu diesem fetalen Alkoholsyndrom gemacht und dann eine Familie besucht, wo die Tochter eben an diesem Syndrom leidet, weil die Mutter in der Schwangerschaft relativ viel getrunken hat, vor allem am Anfang.
01:20:32
Und das war richtig traurig, weil ihr das mit ihren, ich glaube sie war sechs oder sieben Jahren, auch total bewusst war, dass sie eben in Mathe zum Beispiel nicht so gut.
01:20:43
Was jetzt dem Kind war das bewusst?
01:20:45
Genau, dem Kind, die da so sechs, sieben Jahre alt war, als ich da war, war das total bewusst, weil sie da halt auch noch auf einer normalen Schule war, weil die die Diagnose gerade erst gestellt wurde.
01:20:54
Und ich weiß noch, was für ein offenes, liebes, süßes Kind das halt war, aber als es dann darum ging, dass sie mir was von der Schule erzählen sollte, war sie halt so richtig niedergeschlagen und das tat mir richtig leid.
01:21:09
Und wenn man dann weiß, wo das herkommt, also von solchen Fehlern, die dann die Mutter macht, kann das ganze Leben dieses Kindes dann beeinflusst werden und das fand ich irgendwie total krass.
01:21:22
Weißt du, wie viel Alkohol die Mutter getrunken hat?
01:21:24
Also sie hat erzählt, dass sie halt in den ersten Monaten nicht wusste, dass sie schwanger ist und da schon jedes Wochenende sich so richtig die Kante gegeben hat.
01:21:34
Dann habe ich auch mit so einem Arzt gesprochen, der darauf spezialisiert ist und er hat gesagt, dass es gerade in dieser ersten Phase so problematisch ist, weil da halt die Leber von dem Kind noch gar nicht ausgebaut ist sozusagen.
01:21:46
Ich erinnere mich auch noch sehr gut an den Beitrag, jetzt wo du davon sprichst, weil ich saß dann am nächsten Morgen, glaube ich, in der Frühschicht und habe mir das auf dem Bildschirm angeguckt und gedacht, na huch.
01:22:00
Weil das letzte Bild war, wie das Kind zum Spielplatz rennt und was Laura aber nicht gesehen hatte beim Schneiden und ihr Cutter offenbar auch nicht, dass dem Kind das Kleid im Schlupfer hing.
01:22:13
Und da meinte ich so, sag mal, kannst du doch nicht so ein Bild von dem Kind da hinten, wie das da ganz unangezogen ist, aber das hatte niemand sonst gesehen.
01:22:22
Hast du es denn dann noch rausnehmen lassen?
01:22:26
Aber das lief ja da schon dreimal oder so.
01:22:29
Eine Intelligenzminderung kann aber auch Folge von Komplikationen bei der Geburt sein.
01:22:35
Also wenn jetzt zum Beispiel die Nabelschnur um den Hals sich da so geschwungen hat und das Kind dann keine Luft bekommen hat.
01:22:45
Oder zum Beispiel durch Unfälle oder Krankheiten im Kindesalter.
01:22:48
Bei dem Ulfikar war da zum Beispiel der Auslöser eine Hirnhauptentzündung, die er hatte, als er drei Jahre alt war.
01:22:54
Und was ich auch sehr erschreckend finde, ist, dass die Intelligenz auch gemindert werden kann, wenn man Kinder zum Beispiel eine lange Zeit nicht beachtet.
01:23:03
Also durch so sozialen Entzug.
01:23:06
Das kann das auch auslösen.
01:23:08
Die können dann in ihrer Entwicklung gestört werden.
01:23:12
Die können doch sogar sterben dann.
01:23:13
Es gab doch dieses Experiment, wo Babys da Liebe entzogen wurde und dann verkümmerten die einfach.
01:23:20
Ja, bei diesem Kaiser, der eigentlich herausfinden wollte, welche Ursprache wir Menschen haben.
01:23:27
Also was die sprechen, wenn man ihnen das nicht beibringt.
01:23:30
Und dann hat er halt Müttern, die Neugeborenen, weggenommen und sozusagen nur füttern lassen.
01:23:37
Und ja, und da sind die dann alle dran gestorben, weil sie keine Liebe bekommen haben.
01:23:42
Und weißt du, was ich noch gelesen habe?
01:23:44
Dass, wenn man sein Baby stillt, dass man mit dem Stillen irgendwie so drei bis acht IQ-Punkte mehr dem Kind.
01:23:54
Ja, aber an diesen Studien gibt es auch Kritik.
01:23:58
Also ob das jetzt wirklich auf das Stillen zurückzuführen ist oder vielleicht doch eher auf die Umgebung, in dem das Kind aufwächst.
01:24:05
Also ich kann das nicht bezeugen.
01:24:07
Ich habe meiner Mutter nämlich die Brust fast weggefetzt immer.
01:24:10
Du hingst doch noch mit fünf Jahren dran.
01:24:15
Sie hat sich alle Mühe gegeben, hat nichts gehabt.
01:24:17
Deswegen ist deine Stirn so hoch.
01:24:21
Verbirgt sich vielen.
01:24:26
Übrigens beeinflusst die Intelligenzminderung nicht unbedingt die Fähigkeiten, Gefühle zu empfinden, wie jetzt zum Beispiel Freude, Wut oder Leid.
01:24:33
Zum Teil kann es aber schwierig sein, für die Betroffenen mit diesen Gefühlen umzugehen oder sie zu artikulieren.
01:24:40
Das heißt aber nicht, dass sie per se weniger gut ihre Impulse kontrollieren können.
01:24:45
Und deswegen ist auch dieses Vorurteil falsch, dass Personen mit Intelligenzminderung für die Begehung von zum Beispiel Sexualstraftaten jetzt prädestiniert sein, weil sie irgendwie besonders triebhaft sind und ihre Triebe in Anführungszeichen nicht unter Kontrolle halten können.
01:25:04
Ja, es ist sogar so, dass sie vor allem halt eher Opfer werden als andere Personen.
01:25:09
Also vor allem Frauen mit Behinderung werden überproportional häufig Opfer, vor allem von sexualisierter Gewalt.
01:25:16
Das sind 20 bis 34 Prozent der Frauen mit Behinderung und Beeinträchtigung, die sexuellen Missbrauch in der Kindheit und Jugend erlebt haben.
01:25:25
Und damit liegt die Zahl halt fast doppelt bis dreifach so hoch wie bei Frauen im Bevölkerungsdurchschnitt.
01:25:32
Und das ist ja wahnsinnig viel.
01:25:34
Und die Dunkelziffer ist natürlich auch hier besonders hoch, weil davon auszugehen ist, dass die Betroffenen dann ja teilweise stark eingeschränkte Artikulationsfähigkeiten haben,
01:25:44
aber sie halt auch sich nicht so gut gegen Missbrauch wehren können und sich nicht gut schützen können und leichter manipuliert werden.
01:25:52
Und auch aufgrund ihrer Situation generell, weil die natürlich oft auf Hilfe angewiesen sind und auch so Abhängigkeitssituationen entstehen,
01:26:02
die dann halt ausgenutzt werden können.
01:26:03
So war das zum Beispiel auch bei Mirjam und Ellen.
01:26:06
Das sind die geänderten Namen der Spiegelredaktion, die ich jetzt übernommen habe.
01:26:10
Die beiden sind eineigige Zwillinge und haben beide eine schwere geistige Behinderung.
01:26:15
Der Busfahrer Wolfgang F. holt die beiden 18-Jährigen von der Förderschule in Bergisch Gladbach jeden Tag ab.
01:26:21
Und er und die beiden Mädels, die verstehen sich gut und der ist für die sowas wie ein Onkel.
01:26:27
Bis ihre Mutter eines Tages eine seltsame Beobachtung macht und zwar bei der Verabschiedung, da fasst der Busfahrer Ellen an den Po.
01:26:35
Die Mutter überlegt sich erst, ist das Zufall, aber sie hat ein ungutes Gefühl, weil oft eine der beiden vorne neben dem Busfahrer sitzen soll.
01:26:44
Und das will sie nicht, weil gerade Ellen sich wegen ihrer Behinderung sich oft nicht selbst einschätzen kann und oft auch nicht weiß, wie viel körperliche Nähe eigentlich zu viel ist.
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Und sie kuschelt halt sehr gerne.
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Außerdem hat die Mutter auch mitbekommen, dass die beiden oft mit dem Busfahrer abends schreiben.
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Als Mirjam dann eines Morgens ihr Handy zu Hause liegen lässt, schaut die Mutter da rein, weil sie so ein Gefühl hat, als müsse sie das jetzt tun.
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Und tatsächlich findet sie dort ganz viele perverse Nachrichten, Penisbilder und zahlreiche Texte, in denen der Busfahrer die beiden bedrängt, mit ihm intim zu werden.
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Und nachdem geht sie zur Polizei und dann kommt auch raus, dass der Busfahrer regelmäßig eine Decke über die Beine der Mädchen gelegt haben soll, wenn die halt vorne saßen und darunter dann den Intimbereich gestreichelt haben soll.
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Außerdem hat er sie an einem Tag, als er allein mit den beiden war, auf einen Sportplatz gefahren und sich dort an ihnen vergangen.
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Und für die Eltern ist es auch deswegen so schwer, weil sie wissen, dass es theoretisch jederzeit wieder passieren könnte und die beiden sich halt wieder auf jemanden einlassen würden, wenn die Person nur genug Zeit mit denen verbringt und sie der dann halt Vertrauen schenkt.
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Ja, und das war auch bei diesem Dreh mit der Familie so, dass, habe ich ja eben schon gesagt, dass das Kind, das war so total offen und lieb und kam auch direkt zu mir, hat mich umarmt.
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Also sie hat keine Grenzen so richtig gekannt und da hat die Mutter mir auch erzählt, sie hat einfach Angst, weil die Kleine geht auch zu Fremden in der Bahn gegenüber und setzt sich da auf den Schoß.
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Und die hat halt Angst um das Kind, dass es halt irgendwann mal mit jemandem mitgeht, der es halt nicht gut mit dem Kind meint.
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Ja, diese Menschen brauchen natürlich mehr Schutz, mehr Aufmerksamkeit, mehr Unterstützung, um das irgendwie ein bisschen auszugleichen vom Umfeld.
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Ja, und ich finde es auch nochmal wichtig zu sagen, dass der IQ über einen Menschen an sich jetzt auch nicht so viel aussagt.
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Also klar, in Bezug auf, wie schnell kann man jetzt etwas logisch erschließen.
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Aber wie gesagt, er sagt nichts über Gefühle aus oder den Charakter eines Menschen.
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Und so IQ-Tests, die werden, wenn es jetzt nicht im Rahmen von solchen Strafverfahren oder so Einstufungen geht, auch eher von Leuten durchgeführt, die halt wissen wollen, wie schlau sie sind.
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Wie du ja schon gesagt hast, geht man von einem Mittelwert von 100 aus und davon, dass Menschen mit unterdurchschnittlichem und überdurchschnittlichem IQ gleich verteilt darüber und darunter liegen.
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Auf dem Diagramm kann man sich das dann wie so eine Glocke vorstellen.
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68 Prozent von uns allen, also der größte Teil, liegt zwischen 85 und 115 IQ-Punkten.
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Unter 70, also Intelligenz gemindert, sind zwischen zwei bis drei Prozent der Bevölkerung.
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Und dasselbe gilt auch für Menschen mit einem IQ über 130.
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Viel weiter drüber wird es dann sehr selten.
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Einer, der weit drüber lag bei 230, ist der australische Mathematik-Professor Terence Tao.
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Der ist aber auch schon Professor, seitdem der 24 Jahre alt ist.
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Erinnert mich so ein bisschen an Leon Winscheid.
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Ist der auch schon mit 24 Professor geworden oder was?
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Nee, unter 30 Doktor und das ist, glaube ich, gar nicht so ungewöhnlich, aber er war ja auch bei Wer wird Millionär und wirkt sehr schlau.
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Ja, und er konnte bestimmt wie dieser australische Mathematik-Professor auch schon mit zwei Jahren komplexe Matheaufgaben lösen.
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Dem traue ich das zu, dem Leon.
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Hast du denn schon mal so einen IQ-Test gemacht?
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Nee, aber meine Mutter war natürlich eine Zeit lang überzeugt, dass ich hochbegabt bin.
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Wie jede Mutter, du lachst.
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Nee, meine Mutter glaube ich nicht.
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Das kann ich verstehen, dass deine Mutter das hat gekauft.
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Ich weiß nicht mehr so viel von diesem Test, aber ich war dann in der Aula mit ihr und mit dieser Prüferin.
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War das jetzt ein IQ-Test?
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Nein, ein Hochbegabungstest.
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Aber als kleines Kind, ja.
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Dann hat die gesagt, mal mal ein Haus.
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Und dann habe ich mich da künstlerisch verausgabt, weil ich dachte, ich werde jetzt hier erkannt als Künstlerin.
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Und dann hat meine Mutter mir danach so, die hat gesagt, mal ein Haus.
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Und du meinst Blumen und Sonne und Garten.
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Und das fand die doof.
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Aber da war jetzt nicht mal ein Haus auf dem Bild, oder was?
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Doch, natürlich war da auch ein Haus.
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Aber halt kein normales Haus, sondern so ein Schloss.
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Sonst hätte auch ich dir versichern können, dass da keine Hochbegabung vorliegt.
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Aber war das die einzige Aufgabe mit dem Haus?
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Nein, aber die einzige, an der ich mich einmal kann.
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War so geil so, mach jetzt ein Haus.
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Und jeder, der ein Haus malen kann, du bist hochbegabt.
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Ich wollte hervorstechen, durch besondere Leistung.
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Hat aber nicht geklappt.
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Gut, also ich habe auch noch nie einen IQ-Test gemacht.
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und wir machen jetzt auch keinen, weil die aus dem Internet sind, wie die meisten Internet-Tests,
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eher problematisch und wissenschaftlich auch nicht wirklich anerkannt.
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Ja, und ganz kurz, sie gehen auch einfach saulang.
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Wenn man halt so ein aussagekräftiges Ergebnis will, dann sollte man so einen Test von PsychologInnen oder speziell dafür ausgebildeten Menschen durchführen lassen,
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weil das bestenfalls unter klinischen Bedingungen machen, also eben nicht, weil man müde ist.
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Und diese Bedingungen herrschen hier auch heute auf jeden Fall nicht, weil es jetzt schon wieder passt, zwei Uhr nachts.
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Aber ich habe natürlich trotzdem mal reingeguckt in den einen oder anderen Tests im Internet.
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Am vertrauenswürdigsten kam mir noch der von der SZ vor, den Chip auch als sehr gut bezeichnet.
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Da gab es dann auch verschiedene Kategorien.
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Und in Analogien war ich zum Beispiel sehr gut.
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Du willst sicher wissen, was die Aufgabe da war.
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Da waren jeweils drei Begriffe vorgegeben und der vierte fehlte.
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Und ich sollte dann den fehlenden Begriff so auswählen, dass zwischen den beiden Begriffen im zweiten Wortpaar dieselbe Beziehung besteht,
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wie zwischen den beiden Begriffen im ersten Wortpaar.
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Möchte ich zum Beispiel?
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Vorgestern, neulich.
01:33:10
Das ist das erste Wortpaar.
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Vorgestern, neulich.
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Und dann steht da übermorgen.
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Jetzt gibt es fünf Auswahlmöglichkeiten, zu was übermorgen passt.
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Willst du die anderen trotzdem noch hören?
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Gestern, irgendwann, jetzt, demnächst, gleich.
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Und ich finde demnächst und gleich, ne, schon ähnlich.
01:33:37
Aber demnächst ist richtig.
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Aber dann, genau, das wäre dann eher eben gewesen.
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Also wenn, das wäre eher vorgestern und eben, dann hätte man gleich genommen.
01:33:48
Ich habe noch zwei in dieser Kategorie.
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Möchtest du noch eins?
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Technik, Fortschritt, Natur.
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Jetzt kommen die vier Angaben.
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Verschmutzung, Darwinismus, Jahreszeiten.
01:34:03
Ach, es gibt sogar mehr.
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Verschmutzung, Darwinismus, Jahreszeiten, Klimaperioden, Evolution.
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Warte mal, Klimaperioden ist ein Wort oder was?
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Und weißt du, worin ich nicht so gut war und was mich aber so gar nicht gewundert hat?
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Matrizen und Zahlenreihen.
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Und wir fragen uns immer wieder, warum ich für die Finanzen zuständig bin.
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Ja, weil du zuverlässig bist.
01:34:33
Laura rechnet falsch, aber sie überweist regelmäßig.
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Ich würde richtig rechnen, aber wir würden nur alle halbe Jahre mal Geld kriegen.
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Und jetzt fand ich auch noch was leider echt doof.
01:34:47
Ich war bei logische Schlussfolgerungen auch nicht so gut.
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Und da würde ich jetzt euch nochmal gerne dran teilhaben lassen, ja.
01:34:54
Aber können wir erst nochmal mitraten, bevor du sagst, was...
01:34:58
Ja, ja, ja, ja, ich lasse euch mitraten.
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Bei diesem Testblock gab es so Aufgaben, in denen jeweils aus zwei Behauptungen eine richtige
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Schlussfolgerung gezogen werden musste.
01:35:11
Alle Schauspieler sind reich.
01:35:13
Einige Bettler sind Schauspieler.
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Jetzt kommen hier die Schlussfolgerungen.
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Warte kurz, darf ich kurz überlegen, warte mal.
01:35:23
Ja, schreib dir das mal auf.
01:35:25
Alle Bettler sind reich.
01:35:27
Einige Bettler sind reich.
01:35:28
Kein Bettler ist reich.
01:35:30
Keine Schlussfolgerung ist korrekt.
01:35:32
Ja, einige Bettler sind reich.
01:35:35
Fand ich falsch.
01:35:37
Was hast du gesagt?
01:35:39
Sag ich jetzt nicht.
01:35:40
Die nächste konnte ich aber wenigstens, aber die ist auch einfach.
01:35:46
Alle gelben Kugeln haben eine glatte Oberfläche.
01:35:48
Keine große Kugel hat eine glatte...
01:35:51
Also alle gel...
01:35:54
Keine große Kugel hat eine glatte Oberfläche.
01:35:56
Das heißt, warte, ich sag's.
01:35:58
Keine große Kugel hat glatte Oberfläche.
01:36:03
Das heißt, es gibt keine große gelben.
01:36:08
Ich kann das sogar ohne Antwortmöglichkeiten.
01:36:11
Kriege ich extra Punkte, habe ich wieder im Garten gemacht.
01:36:16
Also wenn du jetzt das Letzte auch ohne Antwortmöglichkeiten schaffst, dann, obwohl es zwei Uhr nachts ist, muss man auch dazu sagen, kriegst du endlich meine hochbegabten Bezeichnung?
01:36:35
Und wenn wir jetzt wieder im November zusammen sind, jetzt muss ich aufpassen, ein Frühstück eingeladen.
01:36:43
Und hast du die jetzt beantworten können oder nicht?
01:36:46
Ich will dazu nichts sagen.
01:36:48
Alle Halsketten sind aus Messing.
01:36:53
Einige Halsketten sind wertvolle Schmuckstücke.
01:36:56
Dann heißt das, einige...
01:36:58
Alle Halsketten sind aus Messing.
01:37:00
Einige Halsketten sind wertvolle Schmuckstücke.
01:37:05
Das muss ich jetzt gucken, wie das von der Formulierung her ist.
01:37:08
Weil eigentlich könntest du sagen, einige wertvolle Schmuckstücke sind aus Messing.
01:37:14
Das ist richtig.
01:37:16
Du hättest es auch andersrum.
01:37:17
Ja, einige Halsketten aus Messing sind wertvolle Schmuckstücke.
01:37:20
So hättest du es auch sagen können, theoretisch.
01:37:22
Ja, aber das ist ja auf jeden Fall die richtige Schlussfolgerung.
01:37:26
Herzlichen Glückwunsch.
01:37:27
Du hast ein Frühstück gewonnen.
01:37:29
Ich habe jetzt auch noch eine Schlussfolgerung für euch.
01:37:32
Diese Folge ist schon weit über 1,30.
01:37:37
Das war ein Podcast von Funk.