00:00:00
Ja, wir haben diese Woche etwas mehr Zeit als sonst.
00:00:16
Vielleicht habt ihr das schon mitbekommen, unsere Tour musste verschoben werden.
00:00:20
Es gibt ja jetzt in unterschiedlichen Bundesländern unterschiedliche neue Regelungen.
00:00:25
Und ja, also wir hatten natürlich auch schon vorher ein komisches Gefühl und waren uns nicht sicher, ist das verantwortungsbewusst oder nicht, in irgendwie Hallen zu spielen mit 2000 Leuten.
00:00:38
Aber jetzt, nachdem auch das RKI diese dringende Empfehlung abgegeben hat, Großveranstaltungen abzusagen, ist das, glaube ich, besser so.
00:00:47
Ja, und ja nicht nur das RKI, auch die Bundesregierung.
00:00:50
Und wenn man wirklich darüber nachdenkt, dann weiß man auch, dass es das Richtige ist.
00:00:55
Auch wenn das uns super leid tut für die Menschen, die gerne kommen würden.
00:01:00
Und wir hatten uns auch schon mega darauf gefreut.
00:01:03
Ja, mir tut es auch für uns leid.
00:01:06
Also es ist halt auch wirklich, wir haben schon so viel Arbeit in Vorbereitungen gesteckt.
00:01:10
Das ist jetzt nicht ganz umsonst.
00:01:11
Es gibt natürlich dann Nachholtermine und so.
00:01:13
Darüber halten wir euch auf dem Laufenden.
00:01:17
Jetzt müsst ihr euch erst mal wieder nur mit dieser Folge begnügen, ohne uns dabei zu sehen.
00:01:24
Aber auch dafür haben wir uns viel Mühe gegeben.
00:01:26
Ja, hatten ja mehr Zeit jetzt.
00:01:28
Und damit herzlich willkommen zu Mordlust, einem True-Crime-Podcast von Funk, von ARD und ZDF.
00:01:33
Wir reden hier über wahre Verbrechen und ihre Hintergründe.
00:01:35
Mein Name ist Paulina Kraser.
00:01:37
Und ich bin Laura Wohlers.
00:01:39
In jeder Folge gibt es ein bestimmtes Oberthema, zu dem wir zwei wahre Fälle nacherzählen, über die diskutieren und auch mit Experten und Expertinnen sprechen.
00:01:46
Wir sind hier auch mal ein bisschen lockerer miteinander.
00:01:49
Das hat aber nichts damit zu tun, dass uns die Ernsthaftigkeit fehlt, sondern das ist für uns immer zwischendurch so eine Art Comic-Relief, damit wir auch mal durchatmen können.
00:01:57
Das ist aber natürlich nicht despektierlich gemeint.
00:01:59
Heute geht es bei uns um Fahrlässigkeit.
00:02:02
Und im alltäglichen Sprachgebrauch bedeutet das ja erstmal sowas wie, dass jemand irgendwas unvorsichtig oder verantwortungslos macht.
00:02:11
Zum Beispiel, wenn du jetzt für mich einen Kuchen backst und statt Zucker Salz nimmst, weil du nicht richtig aufgepasst hast.
00:02:19
Das ist dann fahrlässig.
00:02:20
Fahrlässiges Würgereiz verursachen, sowas?
00:02:24
So wie Fussel, als ich den vorhin angeatmet habe, nachdem wir Kebab gegessen haben.
00:02:29
Mit Knoblauch, ja.
00:02:30
Also was mit dieser Fahrlässigkeit immer eng zusammenhängt, ist Vertrauen.
00:02:35
Also ich vertraue dir, dass du mir einen Kuchen backst, der schmeckt und mich zum Beispiel auch nicht umbringt.
00:02:42
Weil ich Vertrauen darin habe, dass du diese Aufgabe sorgfältig und verlässlich ausführst.
00:02:47
Aber nur, weil du weißt, dass ich mir damit selbst meine Einkommensquelle austrocknen würde.
00:02:51
Ja, nur deshalb.
00:02:52
Und dieses Vertrauen darauf, dass andere nicht fahrlässig handeln, das spielt eine ziemlich große Rolle in unserem Zusammenleben als Gesellschaft.
00:02:59
Weil danach suchen wir ja zum Beispiel unsere Freundinnen aus oder auch unseren Partner oder unsere Partnerin.
00:03:04
Aber auch Ärztinnen.
00:03:06
Weil da überlege ich ja auch, irgendwie kommt die Person mir jetzt vertrauenswürdig und verlässlich vor?
00:03:13
Da merke ich irgendwie schon schnell, dass sie schusselig ist oder chaotisch, sodass ich dann Angst habe, dass die vielleicht mit meiner Gesundheit dann genauso umgeht.
00:03:22
Aber dieses Hinschauen, was man dann macht und dieses Prüfen in Anführungsstrichen, das geht ja immer nur bis zu einem bestimmten Punkt.
00:03:30
Und danach müssen wir vertrauen und einfach hoffen, dass die Person, der ich mich irgendwie anvertraue, auch wenn es jetzt nur für einen Kuchen ist, nicht fahrlässig handelt.
00:03:42
Und was passiert, wenn dieses Vertrauen gebrochen wird? Davon erzähle ich euch jetzt.
00:03:47
Einige Namen habe ich geändert.
00:03:51
Immer und immer wieder singen Doreen und Christian den ersten Vers von Tochter Mias Lieblingslied.
00:04:09
Früher hat sie dabei immer gelacht. So inbrünstig, dass es den ganzen Raum erhält und jeden um sie herum angesteckt hat.
00:04:16
Ihren kleinen Sonnenschein, so nennen sie Mia.
00:04:19
Mia ist ein aufgewecktes Kind und super wissbegierig.
00:04:23
Ihre Lieblingsfrage ist, warum? Aber warum Mama? Warum Papa?
00:04:27
Manchmal treibt sie die beiden fast ein bisschen in den Wahnsinn damit.
00:04:31
Im Hintergrund surrt und piept es von den Geräten der Intensivstation.
00:04:35
Jeden Tag sind Doreen und Christian hier.
00:04:38
Doch wenn sie jetzt singen, lächelt Mia nicht mehr.
00:04:41
Und wenn sie mit ihr reden, kommt kein, aber warum, mehr zurück.
00:04:45
Ob Mia ihre kleinen blauen Augen jemals wieder öffnen wird, wissen die beiden nicht.
00:04:50
Seit Tagen liegt sie im künstlichen Koma.
00:04:52
Eine Woche zuvor.
00:04:55
Es ist Dezember 2010 und draußen ist es so kalt, dass man seinen eigenen Atem sehen kann.
00:05:01
Dicke, glitzernde Schneeflocken fallen vom Himmel.
00:05:04
Seit vier Monaten besucht Mia nun täglich die Villa Kunterbunt in Everswalde.
00:05:09
Circa 40 Kilometer nordöstlich der Berliner Stadtgrenze.
00:05:12
Es ist eine städtische Kita.
00:05:14
Die Kinder sind viel draußen.
00:05:16
Bei jedem Wind und Wetter.
00:05:18
Und Regen gilt hier nicht als Grund, drinnen zu bleiben, sondern als Anlass, in Pfützen zu spielen.
00:05:23
Als Mia am Mittwoch, den 8. Dezember 2010, in der Kita abgesetzt wird, steht vor der Villa Kunterbunt schon ein großer Tannenbaum.
00:05:31
Über die Eingangstür klettert ein Weihnachtsmann an einem Seil.
00:05:34
In den Fenstern kleben kleine und große Bastelarbeiten der Kinder.
00:05:39
Ein Schneemann und zwei leuchtend gelbe Sterne.
00:05:41
Mia freut sich, in der Kita zu sein.
00:05:43
Sie hat sich schnell eingelebt.
00:05:45
Bis August dieses Jahres wurde sie noch von einer Tagesmutter betreut.
00:05:49
Doch nun geht sie mit Freude in die Villa Kunterbunt und ein Grund dafür ist Emma.
00:05:53
Emma ist wie Mia zwei Jahre alt und seit neuestem ihre beste Freundin aus der Gruppe der 2- bis 3-Jährigen.
00:06:00
In der gibt es elf Kinder, die von Erzieherin Anja betreut werden.
00:06:04
Als Mia im August in die Kita kam, hatte Anja gerade erst die Gruppe übernommen.
00:06:10
Anja hat kurze, hellbraune Haare, die golden glänzen, sobald das Licht auf sie fällt.
00:06:14
Ihre Nase ziert eine dunkle Brille.
00:06:17
Sie ist Anfang 40 und verheiratet.
00:06:20
Ihre beiden Söhne sind gerade dabei, ihre Ausbildung zu beenden.
00:06:23
Anja war früher Maschinenbauzeichnerin, aber als die Firma, für die sie arbeitet, pleite geht
00:06:29
und sie danach drei Jahre keinen Job mehr findet, beschließt sie 2002, eine Umschulung als Heilerziehungspflegerin zu machen.
00:06:35
Die dauert drei Jahre.
00:06:37
Zunächst arbeitet Anja für ein halbes Jahr als Altenpflegerin und anschließend zwei Jahre in einem Krankenhaus.
00:06:43
Im April 2008 kommt sie dann in die Kita.
00:06:46
In der Arbeit geht sie total auf.
00:06:48
Alle beschreiben Anja als liebevoll, gewissenhaft und sorgsam.
00:06:52
Fast täglich arbeitet sie mit Elke zusammen.
00:06:55
Die Erzieherin der älteren Gruppe, der 3- bis 4-Jährigen, die aus 15 Kindern besteht.
00:07:02
Auch Elke ist Anfang 40, blond gestrehend und etwas kräftiger und hat wie Anja zwei Kinder.
00:07:07
Ihr Sohn und ihre Tochter wohnen beide noch bei ihr Zuhause im Hotel Mama.
00:07:12
Und auch sonst dreht sich in Elkes Leben eigentlich alles um Kinder.
00:07:16
Nachdem sie die Schule beendet hatte, hatte sie gleich eine Ausbildung zur Kindergärtnerin gemacht.
00:07:21
Elke hat schon in vielen unterschiedlichen Kindergärten gearbeitet.
00:07:24
Seit 2015 dann eben in der Villa Kunterbunt.
00:07:28
Damit die beiden Erzieherinnen bei 26 Kindern nicht den Überblick verlieren, helfen ihnen noch zwei Praktikantinnen.
00:07:34
Sarah macht ein Schülerpraktikum und hilft bei Anja und den jüngeren Kindern.
00:07:38
Und Tabea ist in der Ausbildung zur Erzieherin und kümmert sich mit Elke um die älteren Kinder.
00:07:44
Das ist schon ihr zweites Praktikum in der Villa Kunterbunt.
00:07:47
Und dann ist da noch Andrea.
00:07:49
Sie hat einen Ein-Euro-Job als Aushilfe und ist sowas wie die gute Fee des Hauses.
00:07:54
Sie unterstützt bei allem, was eben so anfällt, hilft in der Küche oder macht die Wäsche.
00:07:59
Nachdem die Kinder heute schon seit der Früh in der Kita beschäftigt werden,
00:08:03
beschließen Anja und Elke mit den 26 Kindern einen Spaziergang zu machen.
00:08:07
Sie sollen noch raus an die frische Luft, bevor um 11 Uhr das Mittagessen auf dem Plan steht.
00:08:12
Das machen die beiden mindestens ein- bis zweimal die Woche.
00:08:15
Die Erzieherinnen wollen zum Garagenplatz um die Ecke laufen, wie so oft.
00:08:20
Nicht weit weg, damit sie pünktlich zum Mittag wieder da sind.
00:08:23
Die Garagen sind gerade mal 180 Meter von der Kita entfernt.
00:08:27
Sprich, nicht mehr als fünf, höchstens zehn Minuten zu Fuß.
00:08:31
Erst gestern waren sie mit den Kindern dort und haben Schneemänner gebaut.
00:08:35
Heute wollen sie nachsehen, ob die noch da sind.
00:08:38
Die Erzieherinnen Anja und Elke, die beiden Praktis, und Andrea und die Kinder sammeln sich vor dem Gebäude der Villa Kunterbunt.
00:08:46
Das Wetter ist schlecht heute.
00:08:48
Es ist bitter kalt und erst vor ein paar Minuten hat es aufgehört zu schneien.
00:08:53
Gegen halb elf bricht die Gruppe auf.
00:08:55
Tapp, tapp, tapp, hört man das Geräusch der kleinen Kinderstiefel, die sich immer weiter ihren Weg durch den hohen Schnee bahnen.
00:09:03
Die Kleinen in der Gruppe von Anja voran, Elkes Gruppe folgt.
00:09:07
Die Kinder gehen zu zweit, halten sich an ihren Händen und bilden so eine Schlange, in der sich vorne, mittig und am Ende die Betreuerinnen einfinden.
00:09:16
Beim Garagenplatz angekommen dürfen sich die Kinder loslassen.
00:09:19
Fix verteilen sie sich über den ganzen Hof und spielen zwischen den Garagen im weißen Schnee.
00:09:24
Ein riesiges Gewusel.
00:09:25
Überall zaubern kleine Hände zarte Schneebälle, die nicht sehr weit fliegen können.
00:09:30
Die Praktikantinnen bauen mit den Kindern noch mehr Schneemänner und zeigen, wie man Schneeengel macht.
00:09:35
Mia läuft zu Tabea. Sie will von der Auszubildenden in den riesigen Schneehaufen geworfen werden.
00:09:40
Die Kinder sind ausgelassen.
00:09:43
Anja putzt gerade einem Kind die Nase, als ihr Blick auf die Uhr fällt.
00:09:47
Schon 10.45 Uhr. Höchste Zeit, den Rückweg anzutreten.
00:09:51
Denn der Essenswagen kommt normalerweise immer gegen Viertel vor elf und die Kinder sollen ihre gewohnten Zeiten einhalten.
00:09:57
Elke meint, dass sie schon ganz schön spät dran sind heute.
00:10:01
Deshalb ruft Mias Erzieherin Anja laut, wir sammeln uns jetzt alle bei Sarah und Tabea.
00:10:07
Denn die beiden Praktikantinnen stehen bereits am Ausgang des Garagenhofs.
00:10:11
Und plötzlich gibt's kein Halten mehr.
00:10:14
Einige Kinder rennen sofort los.
00:10:17
Sie drängen ungeduldig zum Ausgang, weil sie schon Hunger haben.
00:10:21
Anja fordert die Praktikantinnen auf, sicherzugehen, dass die Kinder nicht auf die Straße rennen.
00:10:25
Auch Mia und Emma machen sich auf den Weg zur Sammelstelle.
00:10:28
Und während Anja selbst Richtung Zufahrt läuft, zählt sie durch.
00:10:32
So wie sie's immer macht und kommt auf 26.
00:10:35
Auch Elke zählt für sich.
00:10:37
Hast du durchgezählt? Elke bejaht.
00:10:40
Doch an der Sammelstelle läuft heute alles irgendwie anders ab.
00:10:45
Von einem geordneten Sammeln kann man kaum sprechen.
00:10:47
Die Kinder wuseln durcheinander, niemand steht still.
00:10:50
Es ist unübersichtlich und chaotisch.
00:10:52
Anja und Elke stellen die Kinder nicht wie sonst in Zweiergruppen auf.
00:10:56
Und an den Händen müssen sie sich auch nicht halten, weil die Handschuhe vom Schnee ganz nass sind.
00:11:01
Die beiden Praktikantinnen laufen voran und die Gruppe setzt sich in wuselige Bewegung.
00:11:06
Zwischen den Kindern bilden sich Lücken von zwei bis drei Metern.
00:11:11
Manche laufen zu zweit, andere alleine.
00:11:13
Die Gruppe wird in drei Teile auseinandergezogen.
00:11:16
Anja beaufsichtigt den mittleren Teil und hinten gehen Elke und die gute Fee Andrea.
00:11:21
Und so kommen sie dann auch bei der Villa Kunterbund angetrottet.
00:11:26
Normalerweise sammeln die Betreuerinnen die Kinder vor dem Gebäude und zählen sie dann nochmals durch, wenn sie von den Ausflügen zurückkommen.
00:11:33
Doch die Praktikantinnen Sarah und Tabea sind diesmal mit einigen Kindern schon im Haus verschwunden und helfen ihnen aus den schweren Winterklamotten.
00:11:41
Als Anja um elf Uhr die Kita betritt, läuft sie rein, zieht ihre Jacke aus und hängt sie in den Gruppenraum.
00:11:46
Dann geht sie zurück in den Flur, um den Kindern ihrer Gruppe ebenfalls beim Ausziehen zu helfen.
00:11:52
Doch als sie auf die Kinder ihrer Gruppe hinabblickt, wird ihr plötzlich ganz anders.
00:11:57
Alle Kinder sitzen auf einer Bank.
00:12:00
Alle Kinder passen auf eine Bank.
00:12:02
Doch das kann nicht sein.
00:12:05
Das darf nicht sein.
00:12:07
Denn normalerweise passen nie alle elf drauf.
00:12:12
Anja rennt durch das ganze Haus.
00:12:15
Sie ist ganz aufgeregt, stellt die ganze Kita auf den Kopf.
00:12:18
Doch nirgends sind noch zwei aus der kleinen Gruppe zu sehen.
00:12:21
Es sind Mia und Emma, die fehlen.
00:12:24
Praktikantin Sarah ist sich sicher, dass die hier irgendwo sein müssten.
00:12:29
Tabea schnappt sich ihre Jacke und sucht draußen auf dem Kita-Gelände weiter.
00:12:33
Doch nach nur wenigen Minuten kehrt sie ohne Erfolg zurück.
00:12:37
Daraufhin beschließen die beiden Praktikantinnen Sarah und Tabea, nun noch einmal den Rückweg abzulaufen.
00:12:41
Mit schnellen Schritten kommen sie wenige Augenblicke später wieder bei den Garagen an.
00:12:47
Da hört Sarah irgendwas.
00:12:48
Ein ganz gedämpftes Geräusch.
00:12:51
Psst, sei mal leise, raunt sie Tabea an.
00:12:54
Eine zarte Kinderstimme, die wiederholt.
00:12:58
Anja, Anja, ruft.
00:13:01
So laut wie nur irgend möglich.
00:13:04
In den Schreien liegt unglaublich viel Hilflosigkeit und Schmerz.
00:13:09
Sarah und Tabea folgen der Richtung, aus der die Schreie kommen, weg von dem Garagenhof.
00:13:14
Circa 50 Meter laufen sie, bis sie vor einem steilen Abhang stehen, der in einer Tongrube endet.
00:13:20
Dass es sowas hier in der Nähe gibt, wussten sie gar nicht.
00:13:24
Von oben sehen die beiden nun endlich, woher genau die Schreie kommen.
00:13:29
Als sich die Gruppe sammelt und zurück zur Villa Kunterbunt soll, schlibitzen sich Mia und ihre Freundin Emma unbemerkt davon und verstecken sich hinter den Garagen.
00:13:39
Völlig alleine, völlig unbehütet bleiben sie zurück.
00:13:43
Und das Drama nimmt seinen Lauf.
00:13:45
Hinter dem Garagenhof, auf dem die Kinder gerade noch ausgelassen gespielt haben, liegt eine Tongrube.
00:13:52
Von deren Existenz auch Anja und Elke nichts wissen.
00:13:55
Die Tongrube ist bis oben hin mit Wasser gefüllt.
00:13:58
Eine Art Teich, der nun angesichts der frostigen Temperaturen zugefroren und mit Schnee bedeckt ist.
00:14:04
Mia und Emma rutschen einen steilen Abhang hinunter und können sich dann nicht halten.
00:14:09
Sie schlittern auf das Eis und genau da, wo sie aufkommen, ragt ein Rohr in den kleinen See.
00:14:15
Durch diesen Zulauf wird ständig frisches Wasser in die Grube gepumpt, sodass es an der Stelle nicht vollständig gefriert.
00:14:22
Emma und Mia rutschen in das Wasser.
00:14:25
Emma kann sich aber noch irgendwie am Eis festhalten.
00:14:29
Als die Praktikantinnen Emma erblicken, weist Sarah Tabea sofort an, Hilfe zu holen.
00:14:35
Doch Tabea rührt sich nicht.
00:14:36
Keinen Zentimeter.
00:14:37
Sie verfällt in eine Art Schock.
00:14:39
Sarah schreit Tabea aus voller Kehle an.
00:14:42
Wieder und wieder.
00:14:43
Das kostet Zeit.
00:14:44
Dann fängt sich Tabea und rennt los.
00:14:47
Richtig bewegen kann sie sich aber immer noch nicht.
00:14:50
Es dauert, bis sie die wieder kunterbunt erreicht.
00:14:52
Wichtige Minuten verstreichen.
00:14:54
Während Tabea Hilfe holt, läuft Sarah den Abhang hinunter und zieht Emma aus dem Wasser.
00:14:59
Dafür muss sie aber selbst hinein.
00:15:01
Sarah legt ihre Arme um Emma, hat sie fest.
00:15:04
Doch Emma schreit weiter.
00:15:06
Jetzt nicht mehr nach Erzieherin Anja, sondern nach Mia.
00:15:09
Und erst da versteht Sarah, was die kleine Emma versucht ihr mitzuteilen.
00:15:13
Im Wasser schwimmt noch ein zweiter Körper.
00:15:15
Sie sieht Mia mit dem Kopf nach unten im Wasser schwimmen.
00:15:19
Oh mein Gott, das ist ja nur schrecklich.
00:15:22
Doch Sarah ist so eingefroren, dass sie sich jetzt auch nicht mehr bewegen kann.
00:15:25
Sie kann nicht nochmal ins Wasser.
00:15:27
Wo bleiben denn Tabea und der Rest?
00:15:31
Gefühlt dauert es eine Ewigkeit, bis endlich Erzieherin Anja und die anderen eintreffen.
00:15:35
Stopp, also die springt da jetzt nicht rein und holt das Kind raus oder was?
00:15:39
Die steht daneben oder wie?
00:15:40
Ja, also das war nicht so richtig ersichtlich.
00:15:43
Die ist ja schon ins Eiswasser gesprungen einmal.
00:15:47
Und ich weiß nicht, was das physisch mit deinem Körper macht.
00:15:51
Und in so einer Situation.
00:15:52
Und ich weiß auch nicht, wie lange es gedauert hat, von sie rettet Emma bis die anderen treffen ein.
00:16:01
Vielleicht wäre sie ja nachher nochmal gegangen, aber ja, deswegen kann man ihr jetzt erstmal keinen Vorwurf machen, weil man es jetzt einfach nicht weiß.
00:16:10
Sarah teilt Anja sofort mit, dass Mia immer noch im Wasser ist.
00:16:15
Eigentlich lebt los, treibt sie auf der Oberfläche.
00:16:18
Anja fackelt nicht lange, sondern springt direkt ins Wasser, um Mia zu retten.
00:16:22
Als sie sie rauszieht, ist Mia schon blau angelaufen.
00:16:25
Sie regt sich nicht mehr.
00:16:27
Anja versucht, den kleinen Körper wieder zu beleben.
00:16:30
Doch Mia atmet nicht.
00:16:31
Um 11.22 Uhr trifft der Notarzt ein.
00:16:34
Auch der stellt direkt fest, dass Mia weder Puls noch Atmung hat.
00:16:38
Es hat wieder angefangen zu schneien.
00:16:41
Um den kleinen, leblosen Körper stehen etliche RettungssanitäterInnen.
00:16:45
Menschen von der Feuerwehr und der Notarzt.
00:16:48
Mia ist stark unterkühlt.
00:16:50
Ihre Körpertemperatur beträgt gerade nur noch 21,7 Grad.
00:16:54
Mit einem Rettungshubschrauber wird sie in ein nahegelegenes Klinikum nach Berlin geflogen.
00:16:58
Ein paar Tage später sitzen Mias Eltern Doreen und Christian in einem kleinen Raum der Intensivstation.
00:17:06
Beide waren auf der Arbeit, als sie von dem Unglück erfuhren.
00:17:09
Mia ist ihr einziges Kind.
00:17:11
Ihre inneren Verletzungen sind so schwer, dass man sie ins künstliche Koma versetzen
00:17:16
und an eine Herz-Lungen-Maschine anschließen musste.
00:17:18
Über eine Woche wird Mia so am Leben gehalten.
00:17:22
Schrittweise versuchen die MedizinerInnen, ihre Körpertemperatur wieder hochzubekommen.
00:17:26
Doch alle Bemühungen helfen nichts.
00:17:29
Neun Tage nach dem Unglück stirbt Mia, ohne, dass sie nochmal das Bewusstsein erlangt hat,
00:17:33
an den Folgen ihres Sauerstoffmangels.
00:17:35
Nach und nach werden die Geräte, die sie am Leben gehalten haben, nun abgeschaltet.
00:17:41
Und in dem kleinen Raum der Intensivstation kehrt Stille ein.
00:17:45
Ganz Eberswalde ist von Mias Tod tief erschüttert.
00:17:50
Am darauffolgenden Montagabend hält die Stadt eine spontane Trauerfeier für sie auf dem Marktplatz ab.
00:17:55
Rund 350 Menschen kommen und sind gemeinsam untröstlich.
00:18:00
Kerzen werden angezündet, Kuscheltiere und Kinderzeichnungen niedergelegt.
00:18:04
Auf einem rot-goldenen Grablicht klebt ein Zettel.
00:18:07
Mia, wir werden dich nie vergessen.
00:18:09
Du bist immer bei uns als kleiner Stern.
00:18:12
Direkt daneben liegt ein Teddybär.
00:18:15
Er ist von dicken Schneeflocken überzogen.
00:18:16
Doreen und Christian sind nicht da.
00:18:20
Doch am Rand kann man Mias Großeltern erkennen.
00:18:22
Sie haben Tränen in den Augen.
00:18:24
Der Bürgermeister von Eberswalde, Friedhelm Boginski, meint,
00:18:29
Wir haben in der Stadt so gebangt und gehofft und konnten nichts ausrichten.
00:18:33
Wir lassen die Eltern aber niemals allein.
00:18:35
Wir können diese Schmerzen nur aushalten, wenn wir enger zusammenstehen.
00:18:39
Die Turmgrube ist inzwischen abgesperrt und der Zulauf gestoppt.
00:18:42
Mias Freundin Emma überlebt das Unglück und darf nach zwei Tagen im Krankenhaus wieder zurück zu ihrer Familie.
00:18:49
Eigentlich mag Emma ja am liebsten mit Dinosauriern spielen.
00:18:52
Aber mit Mia hat sie auch mit den Puppen gespielt.
00:18:55
Mia mochte Puppen sehr und deswegen liegen jetzt auch viele an ihrem Grab.
00:19:00
Emma besucht noch vor Weihnachten schon wieder die Villa Kunterbunt.
00:19:04
Doch von Anja wird sie dort nicht mehr betreut.
00:19:07
Die Erzieherin ist einen Tag, nachdem die beiden Mädchen aus der Gruppe in die Grube fielen,
00:19:11
wegen psychischer Beschwerden krankgeschrieben.
00:19:14
An diesem Tag titelt die BZ, warum hat kein Erzieher gesehen, wie Mia aufs dünne Eis ging.
00:19:19
Darunter heißt es, die Eltern vertrauen auf erfahrene Pädagogen.
00:19:24
Darauf, dass ihr Töchterchen in guten Händen ist.
00:19:26
Doch die waren gestern bei einem Spaziergang offenbar mehr als unaufmerksam.
00:19:30
Elke arbeitet danach noch genau sechs Tage.
00:19:34
Doch ab dem 17. Dezember ist auch sie krankgeschrieben.
00:19:37
Beide Betreuerinnen werden die Villa Kunterbunt nie wieder betreten.
00:19:42
Beiden wirft man fahrlässige Tötungen von Mia vor.
00:19:45
Im Mai 2012 beginnt der Prozess gegen Anja und Elke vor dem Amtsgericht in Eberswalde.
00:19:51
Im Saal trennen Doreen und Christian nur wenige Meter von Anja und Elke.
00:19:55
Der Blick der Eltern spricht Bände.
00:19:58
Er ist abweisend und ausdruckslos.
00:20:00
Anja und Elke verstecken ihr Gesicht meistens hinter ihren Haaren oder vergraben es in einem Taschentuch.
00:20:06
Zum Blickkontakt zwischen den Eltern und den Erzieherinnen kommt es nicht.
00:20:10
Als die Anklageschrift dann verlesen wird, wirken Anja und Elke fast beschämt.
00:20:14
Sie können sich einfach nicht erklären, wie das passieren konnte.
00:20:18
Das Gericht dagegen ist sich sicher, die Risiken seien für die Erzieherin durchaus vorhersehbar und kalkulierbar gewesen.
00:20:25
Doch in ihrer alltäglichen Routine hätten sich für einen Moment Nachlässigkeiten und Fehler eingeschlichen.
00:20:31
Grobe Nachlässigkeiten.
00:20:33
Und die hätten schlussendlich zu Mias Tod geführt.
00:20:36
Beispielsweise haben Anja und Elke es unterlassen, bei der Rückkehr von dem Garagenkomplex die Kinder ordnungsgemäß zu sammeln und zu zählen.
00:20:44
Deshalb fordert die Staatsanwaltschaft jeweils zehn Monate auf Bewährung.
00:20:48
Doch die beiden Erzieherinnen erklären, dass sie keine Fehler gemacht hätten.
00:20:52
Die Verteidigung spricht von einem unerklärlichen Unglück.
00:20:57
Einer der Anwälte plädiert auf Freispruch.
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Der andere verlangt kein konkretes Strafmaß.
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Anja bittet Doreen und Christian um Verzeihung.
00:21:05
In Tränen aufgelöst wendet sie sich an sie.
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Ihnen ist das Schlimmste passiert, was Eltern erleiden müssen.
00:21:12
Auch ich denke Tag und Nacht an diesen Unfall und kann deswegen nie wieder glücklich sein.
00:21:17
Von Doreen und Christian gibt es darauf keine Reaktion.
00:21:20
Wie versteinert sitzen sie da.
00:21:23
Das Gericht widerspricht den Argumenten der Verteidigung und verurteilt Anja und Elke zu zehn und elf Monaten auf Bewährung.
00:21:30
Anja erhält einen Monat weniger, da sie noch nicht so lange als Erzieherin tätig war, wie Elke.
00:21:35
Obwohl Mia bei ihr in der Gruppe war.
00:21:37
In der Urteilsbegründung heißt es, der folgenschwere Fehler der Angeklagten sei nicht mehr gut zu machen.
00:21:44
Doreen und Christian sind erleichtert.
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Endlich können sie für einen kurzen Moment durchatmen.
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Wenigstens dieses Kapitel haben sie hinter sich gelassen.
00:21:53
Doch ihre Erleichterung hält nicht lange.
00:21:55
Anja und Elke sind mit dem Urteil des Amtsgerichts überhaupt nicht einverstanden und legen Berufung ein.
00:22:04
Sie sind der festen Überzeugung, dass es sich bei Mias Tod um ein tragisches Unglück handelt und nicht um ein Fehlverhalten ihrerseits.
00:22:12
Der Tag, an dem Doreen und Christian von der Berufung erfahren, ist für sie der schlimmste nach Mias Tod.
00:22:19
Der Prozess geht also in die zweite Runde.
00:22:21
Diesmal wird er vor dem Landgericht Frankfurt-Oder ausgetragen.
00:22:24
Und mehr als zwei Jahre nach dem schrecklichen Eistod ihrer kleinen Tochter müssen Doreen und Christian all die schmerzhaften Details der Katastrophe nochmals durchleben.
00:22:35
Im Gerichtssaal sitzen sie wieder auf der Bank der Nebenklage.
00:22:38
Doreen hält ein hellblaues Kuscheltier in der Hand.
00:22:40
Es sieht etwas abgenutzt aus.
00:22:42
Durch die kleinen Flecken an der Oberfläche wirkt das Tier fast gräulich.
00:22:46
Man kann erkennen, dass es häufig in Gebrauch war.
00:22:49
Zwar Mias Lieblingskuscheltier.
00:22:51
Doreens Finger, Kneten und Streicheln ist den ganzen Prozess lang.
00:22:55
Auf dem Tisch vor den Eltern steht außerdem ein eingerahmtes Bild.
00:22:59
Darauf zu erkennen ist Mia.
00:23:01
Sie trägt ein blau-schwarz gestreiftes Shirt und lächelt schüchtern.
00:23:05
Ihre schulterlangen, blonden Haare sind mithilfe von weißen, flauschigen Haargummis zu zweiseitlichen Zöpfen gebunden.
00:23:11
Ihr Pony fällt ihr ins Gesicht.
00:23:13
In der Rekonstruktion des Tathergangs stellt das Gericht fest, dass Mia und Emma ca. 10 Minuten unbeaufsichtigt waren.
00:23:21
So viel Zeit lag zwischen dem ungeordneten Rückweg und dem Eintreffen der Praktikantinnen.
00:23:25
Zehn Minuten, die über Mias Leben entschieden.
00:23:29
In ihrer Rolle als Beschützergarantinnen hätten Anja und Elke alle erforderlichen Maßnahmen ergreifen müssen,
00:23:34
dass die Kinder nicht unbeaufsichtigt auf dem offenen Gelände des Garagenhofs und des angrenzenden Waldstücks zurückblieben.
00:23:41
Doch das haben Anja und Elke unterlassen und somit ihre Garantenpflicht verletzt.
00:23:48
Das Gericht meint, es handele sich zwar nur um ein schlichtwidriges Augenblick Versagen,
00:23:53
dessen Folgen aber tragischer und schlimmer nicht hätten sein können.
00:23:57
Am Ende kommt auch dieses Gericht auf das gleiche Ergebnis wie bereits die erste Instanz.
00:24:03
Elke und Anja sind der fahrlässigen Tötung schuldig.
00:24:06
Damit bestätigt das Landgericht weitestgehend das vorherige Urteil.
00:24:10
Lediglich eine Strafe wird minimal abgeändert.
00:24:13
Denn die Vorsitzende Richterin meint, Anja und Elke seien gleichermaßen verantwortlich für den Tod von Mia.
00:24:19
Daher sollten sie auch dieselbe Strafe erhalten.
00:24:21
Zehn Monate auf Bewährung.
00:24:25
Bei der Verkündung des Urteils umarmen sich Doreen und Christian.
00:24:28
Doreen lächelt sogar ein bisschen.
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Sie scheint zufrieden.
00:24:31
Obwohl sie das Urteil für sehr milde hält.
00:24:34
Und auf der anderen Seite sind zwei Erzieherinnen, die vor einem kurzen Moment nicht genügend aufgepasst und in der Folge ihre Schuldlosigkeit verloren haben.
00:24:43
Auf deren Schultern eine Verantwortung lastet, die sie für ihr restliches Leben nicht mehr loslassen wird.
00:24:49
Für Elke hat dieser Schuldspruch noch sehr viel weitreichendere Konsequenzen.
00:24:54
Nach der erstinstanzlichen Hauptverhandlung verliert sie ihre Arbeit.
00:24:57
Anja passiert das zwar genauso, aber während sie seit Februar 2013 wieder als Heil-Erziehungspflegerin mit Menschen mit geistiger Behinderung arbeitet,
00:25:06
weiß Elke nicht, wie es für sie beruflich weitergehen soll.
00:25:09
Nur kurz darauf trifft sie dann ein weiterer Schicksalsschlag.
00:25:12
Elkes Freund erkrankt schwer und stirbt.
00:25:15
Für die Mitvierzigerin ist das alles am Ende zu viel.
00:25:19
Als sie wenig später am Grab ihres Freundes steht, bricht sie plötzlich zusammen und erleidet einen Hirnschlag.
00:25:25
Im November 2013, fast drei Jahre nach Mias Tod, wird sie neben ihrem Freund begraben.
00:25:31
In Eberswalde gibt es nun für alle Kindergärten eine 19-seitige Handlungsanleitung.
00:25:37
Sie wurde in zahlreichen Krisensitzungen mit allen Kita-LeiterInnen entwickelt.
00:25:41
Um eine weitere Tragödie, wie in Mias Fall, zu verhindern.
00:25:45
Neue, präzise Vorschriften stecken jetzt die Regeln für die Spaziergänge mit Kindern, Ausflügen und Exkursionen ab.
00:25:52
Die ErzieherInnen müssen nun über genaue Ortskenntnisse des Ziels verfügen und jederzeit telefonisch erreichbar sein.
00:25:59
Ausflüge dürfen außerdem nur mit Kindern über vier Jahren unternommen werden.
00:26:02
Für Mia und ihre Eltern kommen all diese Regelungen zu spät.
00:26:06
Wenn Doreen und Christian heute eine Gruppe von Kindern sehen, haben sie einen ganz anderen Blick auf sie.
00:26:12
In diesen Situationen beobachten sie, wie die Kindergruppe als eine Einheit geht und wie sich ihre ErzieherInnen auf dem Weg untereinander aufteilen.
00:26:20
Warum Mama? Warum Papa?
00:26:23
Hören sie Mia manchmal fragen.
00:26:25
Darauf haben sie selbst keine Antwort.
00:26:28
Im zweiten Vers von Mias Lieblingslied heißt es
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Das ist alles so schlimm.
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Ich finde das so schrecklich, dieser Fall.
00:26:49
Es ist nicht nur traurig, sondern es macht mich auch richtig sauer.
00:26:55
Also sicherlich hat das niemand gewollt und es ist auch eine Tragödie, aber wenn ich schon höre, normalerweise stehen wir alle in zweier Reihen.
00:27:06
Normalerweise passiert das und das denke ich mir so, ja, wieso ist das denn an dem Tag nicht passiert?
00:27:11
Und es sind ja zweijährige Kinder.
00:27:14
Also vor allem bei den ganz Kleinen muss man das doch nochmal durchzählen oder?
00:27:18
Die sagen ja, die haben durchgezählt und das Gericht sagt auch, man kann denen nicht anhängen, dass sie es nicht getan hätten.
00:27:24
Die Frage ist nur, haben sie erstens richtig gezählt und zweitens, wann sind die Kinder wieder verschwunden, weißt du?
00:27:31
Sie hätten halt zählen müssen, als sie vor der Villa Kunterbund nochmal waren, wahrscheinlich, weißt du?
00:27:36
Aber schon beim Hingehen, weißt du, auch wenn die da dann da gewesen wären, wenn man dann sich langsam in Bewegung setzt und mal nach hinten guckt.
00:27:46
Diese Zweijährigen sind ja jetzt auch nicht so schnell, ne?
00:27:49
Die können ja gar nicht so schnell wegrennen, dass man das dann nicht merkt, wenn sich zwei von der Gruppe entfernen.
00:27:55
Also sowieso, also ich habe ja gar keine Ahnung von, wie das an Kitas oder Kindergärten läuft, aber wirklich Zweijährige und dann elf Kinder, die so klein sind, mit einer einzigen Betreuerin.
00:28:09
Also die waren ja fünf Betreuerinnen an dem Tag für 26 Kinder.
00:28:14
Und das war zu der Zeit auch so der Schlüssel.
00:28:16
Also mir als Eltern haben auch gesagt, das ist zu wenig, das ist zu wenig für 26 Kinder.
00:28:23
Also vor allem denke ich halt immer bei diesen Zweijährigen.
00:28:25
Wenn man da sagt, zehn Minuten alleine lassen ist ein Augenblicksversagen, ist für mich überhaupt nicht so.
00:28:33
Ich würde niemals, wenn es nicht mein Kind ist, zehn Minuten weggehen und das als Augenblick bezeichnen.
00:28:38
Ja genau, aber das haben sie ja nicht gemacht.
00:28:40
Die sind ja nicht absichtlich zehn Minuten weggegangen und haben gesagt, ich lasse euch jetzt mal hier alleine.
00:28:45
Sondern die dachten ja, die sind da und die meinen ja mit Augenblicksversagen, dieser eine Moment, wo die beiden entwischt sind, das war deren Augenblicksversagen.
00:28:54
Ja, aber das finde ich eben nicht so, weil wenn man dann noch weitergeht die ganze Zeit, man hat ja die ganze Zeit die Gruppe im Auge und ich kann es irgendwie nicht verstehen, wie man das dann nicht bemerkt, wenn man die so vor sich herlaufen sieht.
00:29:06
Es ist ja nicht nur eine Minute gewesen von dem Ding zu dem, von diesem Garagenplatz zu der Villa Kunterbund, oder? Das war doch schon ein kleiner Weg.
00:29:15
Ja, also 180 Meter, nicht viel, aber mit kleinen Menschen dauert das natürlich eine Zeit.
00:29:21
Also wenn sie die in Zweiergruppen aufgeteilt hätten, dann wären das 13 kleine Glieder gewesen in dieser Kette.
00:29:29
Und wenn die alle hintereinander gestanden hätten, wenn man dann durchgezählt hätte und dann hinten zwei Erwachsene vorne und einer in der Mitte, dann hätte man das sicherlich gesehen.
00:29:40
Und an diesem Tag war es eben nicht so.
00:29:43
Die sind nicht in Zweiergruppen, die sind nicht geordnet gewesen, die haben sich wie Kaugummi auseinandergezogen und, ne?
00:29:51
Genau. Und das ist eben der Fehler, den die begangen haben. Und deswegen finde ich es auch wirklich unter aller Sau, dass sie sagen, sie haben keinen Fehler gemacht.
00:29:59
Dann müssen sie nochmal in Berufung gehen und die Eltern da nochmal. Das ist sowieso schon das Schlimmste, was den Eltern passiert. Das sagen die selber.
00:30:07
Und dann, also ich hätte einfach gesagt, natürlich ist das ganz schlimm, wenn man verurteilt wird und wenn man eine Vorstrafe hat. Aber das finde ich, hätte man dann einfach schlucken müssen für die Eltern.
00:30:22
Und ich finde auch Leute, die solchen Berufen nachgehen, müssen wissen, dass wenn sie es eben einmal nicht so machen, wie die Anleitung ist, dass dann sowas passieren kann.
00:30:31
Und natürlich willst du dir nicht eingestehen, dass du für eine fahrlässige Tötung verantwortlich bist, wenn du das weder beabsichtigt hast, auch sonst immer sehr sorgfältig bist und so, ne?
00:30:42
Also die Eltern von der Emma zum Beispiel, die waren gar nicht sauer auf die Betreuerinnen.
00:30:47
Wobei ich sagen muss, das war auch, also das haben die vor dem, vor mir als Tod gesagt.
00:30:53
Aber die haben zum Beispiel gesagt, wir kennen ja die Anja und die ist so sorgfältig und so gewissenhaft, das hat die niemals einfach so larifari, ach, hm.
00:31:01
Aber wie oft sind die denn dabei gewesen, wenn die den ganzen Tag mit dem Kind ist?
00:31:06
Ja, das ist ja das, was ich am Anfang gesagt habe, dass man ja so auch aussucht und wem man da vertraut und dann vielleicht auch seinen Kindern hingibt.
00:31:14
Und dann will man das natürlich auch, dass die Person eine sorgfältige Person ist.
00:31:19
Und es kann ja auch sein, dass sie jeden Tag, wenn sie die gesehen haben, sehr sorgfältig rübergekommen ist.
00:31:24
Aber du weißt es halt nie und du musst dann irgendwann vertrauen und das ist ja auch, anders funktioniert es auch nicht, aber.
00:31:31
Naja, auf jeden Fall haben ja ErzieherInnen eine krasse Verantwortung und das kann halt dann eben auch tödliche Folgen haben.
00:31:39
Und deswegen haben sie auch eine besondere Aufsichtspflicht und eben auch eine Garantenstellung inne, von der wir im Podcast schon einige Male erzählt haben.
00:31:47
Wenn man sich mit dieser Garantenstellung in Bezug auf ErzieherInnen beschäftigt, dann stößt man immer wieder über einen Satz.
00:31:56
Und zwar, bei der Aufsichtspflicht stehst du immer mit einem Bein im Gefängnis.
00:32:01
Und darüber geht jetzt mal nachher.
00:32:03
Im BGB steht zur elterlichen Sorge und darauf bezieht sich dann diese Aufsichtspflicht.
00:32:07
Die Eltern haben die Pflicht und das Recht, für das minderjährige Kind zu sorgen.
00:32:12
Demnach liegt die Sorge für das Kind bis zum 18. Geburtstag halt eigentlich erstmal bei den Eltern.
00:32:18
Die elterliche Aufsichtspflicht kann aber auf Dritte übertragen werden, wie eben auf die Villa Kunterbund und somit dann auch an sogenannte Erfüllungsgehilfen auf Anja und Elke.
00:32:29
Die müssen in so einem Fall dann darauf achten, dass dem Kind nichts passiert und es weder sich selbst noch anderen schadet.
00:32:37
Die müssen das Kind jetzt aber nicht pausenlos überwachen.
00:32:40
Wie genau man aber überwachen muss, das ist gesetzlich nicht geregelt.
00:32:45
Warum hat uns Rechtsanwältin Nele Trenner erzählt, die seit Jahren im Bereich des Kita-Rechts tätig ist?
00:32:52
Die Aufsichtspflicht ist tatsächlich in Deutschland, was einigermaßen überraschend ist, nicht gesetzlich geregelt, weil der Gesetzgeber gesagt hat, das ist uns alles ein bisschen zu vielschichtig und zu bunt.
00:33:02
Und entsprechend hat es der Gesetzgeber den Gerichten überlassen, die Aufsichtspflicht zu definieren.
00:33:08
Der BGH hat einen Satz sozusagen geprägt zur Aufsichtspflicht, der von allen anderen Gerichten auch so übernommen wird.
00:33:15
Und dieser Satz lautet, es ist das zu tun im Rahmen der Aufsichtspflicht, was ein verständiger Aufsichtspflichtiger nach vernünftigen Anforderungen im konkreten Fall unternehmen würde,
00:33:23
um Schädigungen Dritter durch das Kind oder des Kindes selbst zu verhindern.
00:33:27
Dieser Satz wirkt erstmal relativ unspektakulär, sagen wir es mal so, aber tatsächlich muss man den ersten Halbsatz rückwärts lesen und dann kriegt er eine ganze Menge Pfeffer sozusagen.
00:33:37
Nämlich man guckt sich immer den konkreten Fall an und der konkrete Fall ist tatsächlich jeden Tag anders.
00:33:43
Ist ja auch irgendwie logisch, natürlich ist es was anderes, ob man jetzt, weiß nicht, Zweijährige im Schwimmbad beaufsichtigt oder halt Zehnjährige, die Bücher lesen.
00:33:52
Generell gilt aber, je größer das Gefahrenpotenzial einer Situation oder von der Beschäftigung, desto sorgfältiger ist die Aufsicht zu führen.
00:34:01
Und wenn die nicht erfolgt, auch wenn es nur ein kurzer Moment ist, dann machen sich Personen eben wie im Fall von Anja und Elke auch strafbar.
00:34:09
Aber nicht jeder Schaden, so heißt das ja, zieht direkt einer Aufsichtspflichtverletzung nach sich.
00:34:17
Ein Kind stolpert, fällt hin und schlägt sich das Knie auf.
00:34:22
Das kann immer vorkommen, Lebensrisiko, würde ich jetzt sagen.
00:34:24
Aber sowas wurde auch schon vor Gericht ausgefochten.
00:34:28
2005 fällt ein dreijähriges Mädchen im Kindergarten über eine 15 Kilo schwere Tigerente und bricht sich ein Zeh.
00:34:37
Daraufhin verklagt die Mutter den Kindergarten und die Erzieherin auf Schmerzensgeld.
00:34:43
Die hat sich ein Zeh gebrochen und die Mutter verklagt den Kindergarten.
00:34:49
Hat die nichts Besseres zu tun?
00:34:50
Man kann sich so richtig vorstellen, was das für eine Frau ist, ne?
00:34:54
Die Mutter argumentiert dann, dass die Tigerente, weil die ja so schwer ist, gar nicht als Spielzeug geeignet sei und die Erzieherin ihre Aufsichtspflicht verletzt habe.
00:35:05
Das Gericht teilt aber diese Ansicht nicht und weist die Klage ab.
00:35:08
Mit der Begründung, dass es nicht für jedes Lebensrisiko einen Verantwortlichen gibt.
00:35:14
Wenn es allerdings zu einem Schaden kommt und feststeht, dass die Aufsicht dann unzureichend war in dem Fall, dann muss noch erst geklärt werden, ob der Schaden nicht auch zustande gekommen wäre, wenn die Aufsicht angemessen erfolgt wäre.
00:35:27
Ja, und ganz ehrlich, wenn Kinder hinfallen, also du kannst es ja dann auch nicht, auch wenn du hinschaust, verhindern.
00:35:36
Und die fallen halt oft hin als Kinder.
00:35:38
Ja, ich fall auch als Erwachsene oft hin.
00:35:41
Generell haben ErzieherInnen aber eine sogenannte Beschützergarantenstellung inne.
00:35:46
Und was Garanten sind, das könnt ihr halt in Folge 76 nochmal nachhören.
00:35:50
Aber im Grunde geht es halt darum, dass Menschen in dieser Stellung strafrechtlich belangt werden können, wenn man etwas nicht tut.
00:35:57
Also unterlässt, was man eigentlich hätte tun müssen, um eine Gefahr für die beschützende Person abzuwenden.
00:36:03
Und genau dieser Rolle sind Anja und Elke halt nicht gerecht geworden, weil sie laut Gericht nicht alle erforderlichen Maßnahmen ergriffen haben, damit Mia und Emma nicht unbeaufsichtigt zurückbleiben.
00:36:16
Damit man wegen sowas verurteilt werden kann, muss die notwendige Sorgfalt zumindest fahrlässig außer Acht gelassen werden und die ErzieherInnen nach ihren individuellen Kenntnissen und Fähigkeiten auch in der Lage gewesen sein, diese Sorgfalt zu erbringen.
00:36:31
Rechtsanwältin Nele Trenner hat mir im Gespräch noch erzählt, dass sie meint, dass dieser Satz, mit dem immer mit einem Bein im Gefängnis stehen, nicht stimmt.
00:36:39
Es gibt über 750.000 bis 800.000 Fachkräfte, die sozusagen direkt am Kind arbeiten.
00:36:47
Davon gingen pro Jahr vier, manchmal fünf, manchmal auch acht ins Gefängnis, so Trenner.
00:36:54
Das seien dann aber die, die vorsätzlich Schaden zugefügt haben.
00:36:59
Alle anderen, die jetzt fahrlässig, vielleicht auch grob fahrlässig gehandelt haben, gehen meistens nicht ins Gefängnis, weil solche Delikte halt eher mit Geldstrafe oder Bewährung geahndet werden.
00:37:10
Ja, vielleicht ist es aber nicht schlimm, wenn man diesen Satz mit dem einen Bein im Gefängnis trotzdem irgendwie noch im Kopf hat, weil das vielleicht ja dann nochmal…
00:37:21
Ja, aber das ist nochmal veranschaulicht, hier geht es um wichtige Sachen, ich muss richtig gut aufpassen.
00:37:30
Jemand in meiner Familie, das ist noch nicht allzu lange her, hat so einen Mixer gehabt und das Kleinkind dieser Person…
00:37:41
Hab ich dir das nicht erzählt?
00:37:42
…hat am Stromkabel gezogen in der Küche, um sich da offenbar hochzuziehen.
00:37:48
Und dann ist dieser Mixer und das Mixermesser runtergefallen, auf den Fuß, C, ab.
00:37:57
Ich auch so, das ist gerade mal ein Jahr alt, ne, ist schon kaputt.
00:38:01
Und da habe ich mich jetzt…
00:38:04
Das Kind ist erst mal ein Jahr alt.
00:38:07
Kann man das noch zurückgeben?
00:38:09
Ist die Garantie noch da.
00:38:11
Und da habe ich mich jetzt gefragt, also wenn mein Familienmitglied jetzt zum Arzt gegangen ist mit dem Kind und dem Appen mit C,
00:38:23
Wenn dieser Arzt jetzt zu sehr nachgefragt hätte und das vielleicht dann angezeigt hätte, ob das dann auch strafrechtliche Folgen hätte haben können.
00:38:33
Kann ich mir schon vorstellen, wenn man das dann im Nachhinein beweisen könnte, wie das genau passiert ist.
00:38:39
Dass er nicht aufgepasst hat und deswegen das Kind das da runterziehen konnte.
00:38:44
Oder vielleicht konnte das Kind das da runterziehen.
00:38:46
Dass du auch gleich davon ausgehst, dass das ein Mann war.
00:38:50
Dass er nicht aufgepasst.
00:38:53
Einmal den Vater alleine mit dem Görgelers.
00:38:55
Ja, aber natürlich kann man da auch als Elternteil vor Gericht landen, wenn man da seinen Pflichten nicht nachgeht.
00:39:04
Da muss man seinen Job schon richtig machen.
00:39:07
Also so wie alle anderen auch, die irgendwie mit oder am Menschen arbeiten.
00:39:12
Das fängt zum Beispiel schon bei FriseurInnen an.
00:39:17
Ja, denn da kann ein misslungener Haarschnitt oder die falsche Haarfarbe manchmal ernste, rechtliche Folgen haben.
00:39:24
So war das zum Beispiel.
00:39:25
Als du mit der Blondierung beim Friseur saßt und der dann abgeführt wurde.
00:39:30
Da gab es auch juristische Folgen, ja.
00:39:34
Aber nicht wegen der Haare.
00:39:35
Nee, aber so schön waren die auch nicht.
00:39:38
Der hätte verklagt gehört.
00:39:40
Das war so bei einer Frau aus Köln, die bei einer Blondierung Verbrennung und Verätzungen ersten und zweiten Grades erlitten hat.
00:39:49
Ja, der Grund dafür war, dass sich die Blondiercreme während der viel zu langen Einwirkzeit erhitzte und dann Verletzungen auf der Kopfhaut verursachte.
00:39:58
Bei mir wurde das auch schon mal voll warm, damals als ich noch blond war.
00:40:02
Und da hat meine FriseurIn dann auch total Panik bekommen und jetzt weiß ich wieso.
00:40:08
Ja, die FriseurIn in diesem Fall war ein bisschen anders drauf, weil als die Kundin, die halt darauf hinwies, dass ihr Hinterkopf extrem brennt, meinte die nur, dass das üblich sei.
00:40:19
Und die ließ das Mittel dann auch noch eine halbe Stunde länger einwirken.
00:40:23
Nicht dein Ernst.
00:40:24
Und das stufte das Gericht dann auch später als fahrlässig ein.
00:40:27
Die Kundin musste dann am selben Tag noch ins Krankenhaus und in den Monaten danach immer wieder Schmerzmittel und Antibiotikum nehmen.
00:40:35
Das Landgericht Köln verurteilte den Friseursalon daraufhin dann zu einer Zahlung von 4.000 Euro Schmerzensgeld.
00:40:41
Kann man als Friseurin oder Friseur auch verurteilt werden, weil die Frisur so hässlich ist, dass man gemobbt wird, dann daraufhin?
00:40:52
Ja, also wenn du nachweisen kannst, dass du durch diese Frisur schwere psychische Verletzungen irgendwie bekommen hast, dann kann man schon Schmerzensgeld bekommen.
00:41:03
Weil ich hatte ja früher diesen Schnitt hinten kurz und vorne so kinnlang, so hinten Igel.
00:41:10
Das habe ich mir übrigens bei der Person abgeguckt, wie spät er mit dem Kind und dem Zeh ab, mit dem Mixer.
00:41:18
Das ist ja nur lustig.
00:41:20
Also es war kein Mann.
00:41:20
Und bei der sah das voll cool aus, ne?
00:41:24
Kann ich gar nicht glauben.
00:41:25
Und da hatte ich danach ja dann eine schwere Zeit in der Schule.
00:41:31
Ja, aber du hattest dir ja genau die gewünscht.
00:41:33
Also genau, wenn der Friseur dann oder die Friseurin das dann schon so ausführt, wie du das wolltest, dann ist schwer mit Schmerzensgeld.
00:41:40
Ja, das habe ich mir schon gedacht.
00:41:42
So, und wie verhält sich das jetzt bei den Mädels, die bei Germany's Next Topmodel sitzen, ohne Spiegel davor?
00:41:50
Und dann haben die nachher so was ganz Komisches auf dem Kopf.
00:41:53
Die wissen auch, worauf sie sich einlassen nach der zehnten Folge Germany's Next Topmodel.
00:41:58
Ja, aber die wissen ja nicht, was sie kriegen.
00:42:01
Aber ich glaube, das ist vertraglich so festgehalten, dass die da gar nichts machen können.
00:42:06
So wie wir die kennen, ja.
00:42:07
So wie wir die Heidi kennen bestimmt.
00:42:09
Wie wir die Heidi kennen.
00:42:10
Schon seit so langer Zeit.
00:42:14
Wenn ich jetzt aber so an berufliche Verantwortung denke, würde ich jetzt nicht an FriseurInnen denken, sondern eher so an PolizistInnen, PilotInnen oder ÄrztInnen.
00:42:24
Weil die haben halt ja mit dem Leben von anderen Menschen zu tun und das dann auch in der Hand.
00:42:31
Und im medizinischen Bereich, da können halt Fehler ja richtig krasse Konsequenzen haben.
00:42:40
Eine amerikanische Studie aus dem Jahr 2008 zeigt, dass in einer von 5500 Operationen ein Gegenstand im Körper vergessen wird.
00:42:49
Bei zwei Drittel der Fälle handelt es sich dabei um einen Tupfer.
00:42:54
Und ich kenne selbst eine Person, die mit einer Person verwandt ist, wo so ein Tuch im Körper vergessen wurde.
00:43:02
Ist das noch drin?
00:43:03
Ich glaube, das haben die dann wieder rausgenommen.
00:43:06
Aber, weil die hatte dann ja Beschwerden und da musst du erst mal drauf kommen, was das sein kann, dass da irgendwas im Körper ist, was da nicht sein darf.
00:43:15
Dann rennt man erst mal von einem Arzt zum anderen, bis man irgendwann dann mal gerönt wird und das dann vielleicht sieht.
00:43:21
Ja, und dann hängt da so ein Beatmungsgerät in deinem Bauch.
00:43:26
Das Aktionsbündnis Patientensicherheit schätzt, dass in Deutschland rund 600 bis 700 PatientInnen an den Folgen von solchen Fehlern sterben.
00:43:34
Obwohl es ja Kontrollen gibt, die halt eigentlich genau das verhindern sollen, weil eigentlich nach jeder Operation die genutzten Gegenstände und Werkzeuge, also vor und nach dem Eingriff genau gezählt werden müssten.
00:43:49
Die müssen sich dann auch an den Händen halten und sich in Zweierreihen aufstellen.
00:43:52
Aber wenn so ein Behandlungsfehler passiert, ist ja ganz klar, das kann dramatische Folgen haben.
00:43:59
Und zwar nicht nur für die PatientInnen, sondern auch für das Krankenhauspersonal, weil das natürlich dann im Zweifel auch vor Gericht landen kann.
00:44:09
Und was genau passiert, wenn Personen im medizinischen Bereich nicht wissen, wie sie mit ihrer Verantwortung umzugehen haben, davon erzählt mein Fall heute.
00:44:16
Alle Namen habe ich geändert.
00:44:18
Es ist ein angegrautes Gebäude, mitten in Brücken.
00:44:22
Einer idyllischen Gemeinde mit 6000 EinwohnerInnen, die sich entlang des Niederrheins erstreckt.
00:44:27
Gerade einmal 10 Kilometer von der niederländischen Grenze entfernt.
00:44:32
Überzogen mit seinen dunkelroten Backsteinen und den dicken beigen Fensterrahmen wirkt das Haus ein bisschen wie aus einer anderen Zeit.
00:44:38
Die Hausmitte zieht eine schwere alte Holztür und direkt davor ranken pinke und weiße Blüten strahlend in die Luft.
00:44:46
Doch es ist ein Idyll mit Schattenseiten.
00:44:49
Denn dort, wo früher ein weißer Zettel die Behandlungszeiten aufführte, verschließt jetzt ein leuchtend rotes Polizeisegel die Eingangstür des biologischen Krebszentrums.
00:45:01
Den 15. Juni 2016 wird Juliana nie vergessen.
00:45:06
Es ist der Tag, an dem sie den Knoten in ihrer Brust zum ersten Mal spürt.
00:45:11
Voller Sorge macht sich die 43-Jährige mit ihrem Mann Thomas auf den Weg ins Krankenhaus.
00:45:16
Ungefähr 20 Autominuten von ihrem Wohnort im niederländischen Wieg in Aalburg entfernt.
00:45:22
Dort werden ihre schlimmsten Befürchtungen wahr.
00:45:25
Die ÄrztInnen finden gleich mehrere Knoten und auch bereits Metastasen.
00:45:29
Brustkrebs lautet die niederschmetternde Diagnose.
00:45:32
Juliana kann es nicht glauben.
00:45:34
Sie steht doch gerade mitten im Leben.
00:45:36
Hat mit ihrer 13-jährigen Tochter Sophie, ihrem 15-jährigen Sohn Lars und ihrem geliebten Mann Thomas eine wundervolle Familie.
00:45:43
Ein super Job bei der Stadt und noch dazu ist sie fit wie ein Turnschuh.
00:45:47
Viermal hintereinander ist sie jetzt schon den Kennedy-Marsch gelaufen.
00:45:51
80 Kilometer in 20 Stunden.
00:45:54
Es wird eine Hormontherapie gemacht, anschließend Chemo und Bestrahlung, dann eine Operation, gibt der Arzt wenig empathisch von sich und hält es nicht mal für nötig, dabei aufzusehen, geschweige denn Juliana in die Augen zu blicken.
00:46:08
Das müssen sie tun, ansonsten sind sie in sechs Monaten tot, fügt er noch hinzu.
00:46:12
Juliana will nicht.
00:46:15
Sie will keine Chemotherapie.
00:46:17
Ihrem Körper kein Gift zu führen.
00:46:19
Denn sie kennt das alles schon.
00:46:21
Die ausfallenden Haare, die Erschöpfung, die Übelkeit, die ganze Tortur.
00:46:25
In ihrem Umfeld gab es einfach schon zu viele Fälle.
00:46:28
Und zu oft hat sie miterleben müssen, wie sehr die Menschen unter diesem Kampf litten und ihn schlussendlich ja doch verloren hatten.
00:46:34
Obwohl die Ärztin in Juliana gute Heilungschancen ausrechnen, lehnt sie die Therapie also dankend ab.
00:46:41
Stattdessen macht sie sich sofort auf die Suche nach Alternativen.
00:46:45
Ihr Wunsch, eine sanfte Lösung anstelle der aggressiven Chemotherapie.
00:46:49
Und siehe da, nur wenige Mausklicks später wird sie fündig.
00:46:53
Denn bei den Suchergebnissen nach alternativen Krebsbehandlungen stößt man im Internet schnell auf seine Website.
00:46:59
Und die strahlt genau das aus, was Juliana in der Schulmedizin fehlt.
00:47:04
Geborgenheit, Sanftmut, Verständnis und Zuversicht.
00:47:08
Der 58-jährige Peter Lang kommt für Juliana wie gerufen.
00:47:12
Auf Bildern zeigt sich der Mann mit farblosem Haar und langem Dreitagebart im rein weißen Kittel mit Stethoskop.
00:47:18
Einfühlsam beugt er sich über einen Patienten, untersucht ihn, geht ins Gespräch.
00:47:24
In meiner Praxis widme ich mich ganz dem alternativen Ansatz bei Krebs, steht dort.
00:47:29
Dazu macht Peter Lang Gebrauch von einem Mittel, das sich 3-Bromopyruvat nennt.
00:47:36
Laut seiner Homepage ist es das aktuell beste Präparat zur Tumorbehandlung.
00:47:41
Außerdem heißt es, dass es effektiver als heutige Chemotherapeutika und nicht toxisch für gesunde Zellen ist.
00:47:47
Sprich, schonend für den Körper und das Immunsystem.
00:47:50
Alles auf rein biologischer Basis, ohne drastische Nebenwirkungen.
00:47:54
Und vor allem frei von chemischen Giften.
00:47:58
Das ist es, denkt sich Juliana und nur eine Woche nach ihrer Schreckensdiagnose sitzt sie in Begleitung von ihrem Mann Thomas bei Peter, wie er von seinen PatientInnen genannt werden möchte.
00:48:07
Juliana fühlt sich direkt gut aufgehoben.
00:48:11
Peter fragt viel nach, hat ehrliches Interesse und nimmt sich viel mehr Zeit als die ÄrztInnen in den Niederlanden.
00:48:17
Er erklärt detailliert die Behandlung, spricht von Vitaminen, Calcium und vor allem von diesem Glucoseblocker, der sehr gut gegen Krebs helfen soll.
00:48:25
Nebenwirkungen würden allerhöchstens leicht sein, wie beispielsweise Trunkenheit.
00:48:30
Und die 9.900 Euro für die 10-wöchige Therapie sind Juliana definitiv diesen Versuch wert.
00:48:37
Und so geht es kurze Zeit später auch schon los.
00:48:39
Glücklicherweise fangen genau zu der Zeit die Sommerferien in den Niederlanden an,
00:48:44
sodass die ganze Familie Juliana nach Deutschland begleiten und ihr während ihrer Therapie beistehen kann.
00:48:49
Mit dem Wohnwagen fahren Thomas, Sophia, Lars und Juliana, also Mitte Juli, den Weg in den etwas anderen Familienurlaub,
00:48:56
der dafür sorgen soll, dass sie in Zukunft noch viele andere gemeinsame Reisen unternehmen dürfen.
00:49:02
Ihr erster Behandlungstag ist Montag, der 18. Juli.
00:49:06
Da bekommt Juliana erst einmal eine Mischung aus Vitaminen, Antioxidantien und homöopathischen Mitteln.
00:49:13
Zwei Tage später noch einmal das Gleiche.
00:49:14
Am Freitag soll sie dann auf Peters Empfehlung hin ins Krankenhaus fahren,
00:49:18
damit ihr ein zentraler Venenkatheter gelegt werden kann.
00:49:22
Peter hatte ihr erklärt, dass es wegen des Glucoseblockers 3BP zu Venenverhärtungen kommen könnte
00:49:28
und sie vorbereitet sein sollte für den Notfall.
00:49:31
Und dann bekommt Juliana zum ersten Mal das Mittel gespritzt,
00:49:35
in das sie so viel Hoffnung setzt.
00:49:37
Erstmal in niedriger Dosis.
00:49:38
Die verträgt sie gut.
00:49:40
Und so wird die Behandlung nach dem Wochenende fortgesetzt.
00:49:43
Laut Peters Behandlungsplan täglich zwei Infosionsflaschen A70mg.
00:49:48
Während Juliana in den nächsten Tagen mehrere Stunden in dem Behandlungszimmer des alten Backsteinhauses sitzt
00:49:53
und das Mittel in ihre Venen fließt, füllen sich auch die Plätze neben ihr.
00:49:57
Juliana lernt in dieser Zeit Lieke, Merle und Gabriel kennen.
00:50:01
Peters andere PatientInnen, mit denen sie sich austauscht, Sorgen, aber auch Hoffnung teilt.
00:50:07
Drei ganz unterschiedliche Menschen, die alle aus demselben traurigen Grund wie Juliana hier sind.
00:50:11
Bei Lieke wurde letztes Jahr im Herbst Bauchspeicheldrösenkrebs festgestellt.
00:50:16
Sofort bekam sie Chemo, die OP folgte vor ein paar Monaten.
00:50:19
Nun gilt sie zwar als geheilt, doch gut geht es ihr nicht wirklich.
00:50:23
Täglich hat sie mit Verdauungsbeschwerden zu kämpfen
00:50:26
und auch ihr Gewicht, das immer weiter in den Keller stürzt, macht ihr zu schaffen.
00:50:30
Merle leidet hingegen an einer seltenen Tumorerkrankung, die die Haut befällt.
00:50:35
Nachdem eine Geschwulst in ihrer Schulter entdeckt wurde, beginnt auch sie eine Chemotherapie.
00:50:39
Doch die tut mehr Schlechtes als Gutes für sie.
00:50:42
Für Patient Nummer 4, Gabriel, kann die Schulmedizin nichts mehr tun.
00:50:47
Er ist ebenfalls an Bauchspeicheldrösenkrebs erkrankt, aber an dem inoperablen.
00:50:52
Alle, die hier in dem Behandlungszimmer sitzen, fühlen sich von ÄrztInnen im Stich gelassen.
00:50:57
Bei Peter fühlen sie sich endlich wohl, ihre Ängste und Sorgen ernst genommen.
00:51:02
Jetzt klammern sich die vier mit aller Kraft an den letzten Strohhalm, um den Kampf auf Leben und Tod noch nicht zu verlieren.
00:51:09
Und dieser Strohhalm, glauben sie, ist Peter.
00:51:12
Peter, der zuverlässig ist, der enge freundschaftliche Beziehungen mit ihnen pflegt und der einfach immer für jeden da ist.
00:51:21
Der Peter, der ihre Krankheiten in Wirklichkeit gar nicht heilen kann.
00:51:25
Denn Peter ist kein studierter Onkologe.
00:51:28
Jahrelang arbeitet er als Vertreter für Medizingeräte.
00:51:32
Glücklich macht ihn das aber nicht.
00:51:35
Mit Ende 50 will er sich dann selbst verwirklichen, unbedingt noch einmal aufrichtige Begeisterung spüren,
00:51:42
So wie damals, als er als Rotkreuzhelfer tätig war.
00:51:44
Denn Menschen helfen ist Peters Traum.
00:51:47
Und dafür ist er bereit, einiges aufzugeben.
00:51:50
Also kündigt er seine feste Anstellung und beginnt 2007 die dreijährige Ausbildung zum Heilpraktiker.
00:51:56
Dafür drückt er vier Tage die Woche halbtags die Schulbank der Heilpraktikerschule in Krefeld und fällt dann 2010 in der Prüfung durch.
00:52:04
Im zweiten Anlauf klappt es aber dann doch.
00:52:06
Um den Umgang mit PatientInnen zu lernen, bewirbt er sich für ein Praktikum.
00:52:11
Eine Praxis für klassische Naturheilverfahren bietet ihm eine unbezahlte Stelle an und Peter nimmt an.
00:52:16
Damit bleibt er, obwohl er jetzt minimum acht Stunden pro Tag schuftet, weiterhin abhängig vom Arbeitslosengeld.
00:52:22
In den nächsten Jahren mausert sich Peter aber zum freien Mitarbeiter in der Praxis.
00:52:27
Sein Spezialgebiet?
00:52:29
Bioresonanztherapie.
00:52:31
Oh, nee. Das ist doch das, wo die das messen im Gerät.
00:52:35
Darüber habe ich doch auch mal eine Reportage gemacht.
00:52:38
Nee, nee, nee, nee. Da muss ich ja nachher noch ganz viel zu sagen.
00:52:43
Ja, ich musste das auch mal machen.
00:52:46
Mit 14 erzähle ich dir dann gleich.
00:52:49
Das Wissen darüber eignet er sich auf Fortbildungen an.
00:52:53
Peter arbeitet sorgfältig und ist engagiert.
00:52:56
Bei seinen PatientInnen ist er sehr beliebt. So sehr, dass man sogar überlegt, ihn als Partner in der Praxis aufzunehmen.
00:53:02
Doch kurz darauf hört er, dass eine neu gegründete Praxis in Brüggen HeilpraktikerInnen sucht.
00:53:08
Diese Praxis hat sich auf alternative Krebsbehandlung spezialisiert.
00:53:11
Peter bewirbt sich und wird genommen.
00:53:14
In den folgenden Jahren spezialisiert er sich also auf Krebsheilung.
00:53:17
Er besucht Fortbildungen der Gesellschaft für biologische Krebsabwehr und hört dort von vielversprechenden Substanzen wie Kurkuma und Vitamin C.
00:53:25
Da fängt sie schon fast an zu lachen.
00:53:27
Kennst du dieses Vitamin C? Das soll voll gut gegen Krebs helfen.
00:53:32
Er lernt auch alternativmedizinische Erklärungsansätze für die Behandlung kennen, wie beispielsweise das Unterbinden der Energieversorgung der Krebszelle oder das Aufheben eines sauren Körpermilieus.
00:53:44
Anfang 2015 wird er dann sogar Leiter des biologischen Krebszentrums und zu etwa dieser Zeit hört er auch zum ersten Mal von 3BP.
00:53:53
Und zwar durch einen gewissen Herrn Braun, der mit seiner an Nierenkrebs erkrankten Frau eines Morgens in seine Sprechstunde kommt.
00:54:00
Herr Braun hatte von der synthetisch hergestellten Chemikalie im Internet gelesen.
00:54:04
3BP solle verhindern, dass Krebszellen Zucker verarbeiten.
00:54:08
Den Zellen soll vorgestäuscht werden, sie seien bereits ausreichend mit Energie versorgt.
00:54:12
Das soll dann ihr Wachstum hemmen und sie schlussendlich aushungern.
00:54:16
Denn vor allem die aggressiven Tumore brauchen Zucker, um zu wachsen.
00:54:19
Soweit die Theorie.
00:54:21
Forschungen zu 3BP fanden auch bereits schon in den USA und in Deutschland statt.
00:54:25
In Experimenten mit Ratten gab es Hinweise darauf, dass das Mittel gegen Krebs helfen könnte.
00:54:31
Die Tiere hatten es bei geringer Dosierung auch gut vertragen.
00:54:34
Zu hoch dosiert führte es aber schnell zum Tod.
00:54:37
Eine Studie zu der Wirkung an Menschen gibt es bisher noch nicht.
00:54:41
Weshalb es auch in keinem Land der Welt als Arzneimittel zugelassen ist.
00:54:44
Doch Herr und Frau Braun würden es einfach gerne versuchen und bitten Peter, der kranken Frau, das Mittel zu verabreichen.
00:54:51
Peter recherchiert daraufhin selbst dazu und belegt schließlich ein.
00:54:55
Als er merkt, dass das 3BP gut anzuschlagen scheint und sich Frau Brauns Gesundheitszustand verbessert, ist sein Interesse geweckt.
00:55:02
Er beschließt auch andere Patientinnen mit 3BP zu behandeln.
00:55:06
Nach und nach entwickelt Peter so sein eigenes alternativmedizinisches Behandlungsprogramm für alle Arten von Krebs.
00:55:13
Über einen Zeitraum von 10 Wochen sollen seine Patientinnen dabei Infusionen mit 3BP, Dichlor-Essigsäure, Vitaminen, homöopathischen Mitteln, Kurkuma, Antioxidantien, Magnesium und einigen anderen Substanzen erhalten.
00:55:29
Juliana steht jetzt noch ganz am Anfang dieser Therapie.
00:55:32
Mittlerweile, es ist der 27. Juli, soll sie ihre vierte Behandlung mit 3BP starten.
00:55:37
Sie ist die erste in der Praxis.
00:55:40
Gegen 10 Uhr erscheint Lieke.
00:55:42
Anschließend Gabriel, dann Merle.
00:55:44
Alle vier erhalten ihre Infusionen.
00:55:47
Die erste ist noch nicht einmal ganz durchgelaufen.
00:55:49
Da steht Lieke auf.
00:55:51
Ihr ist schlecht.
00:55:52
Sie will zur Toilette, doch schafft es nicht, so wackelig sind ihre Beine.
00:55:56
Als Peter das mitkriegt, bringt er Lieke in ein anderes Zimmer.
00:56:00
Auch Juliana wird plötzlich immer übler.
00:56:03
Erschrocken rennt sie ins Badezimmer, wo sie sich erbrechen muss.
00:56:06
Als sie zurückkehrt, schließt Peter sie wieder an den Tropf an.
00:56:10
Juliana wird immer schlechter.
00:56:12
Sie übergibt sich nun am laufenden Band.
00:56:15
Zwei, drei, viermal.
00:56:16
Genau weiß sie es nicht.
00:56:18
Immer wieder greift sie aus Reflex einfach zur nächsten Nierenschale, die man für den Notfall neben sie bereitgelegt hat.
00:56:24
Nur wenige Minuten später macht auch Gabriel sich bemerkbar.
00:56:28
Er habe einen unangenehmen Geschmack im Mund und irgendwie kribbelte seine Lippe so komisch.
00:56:32
Außerdem sei auch ihm übel.
00:56:34
Peter stoppt Gabriels Infusion.
00:56:37
Merle ist die einzige, die die Infusionen über die sechs Stunden durchziehen kann, wenn auch unter starkem Unwohlsein.
00:56:43
Gegen 16 Uhr trifft Liekes Ehefrau ein, um sie abzuholen.
00:56:48
Die ist geschockt, als sie ihre Partnerin entdeckt, die kaum noch gehen kann.
00:56:53
Als Thomas schließlich die Praxis betritt, um Juliana abzuholen, kommt die gerade wieder von der Toilette.
00:56:58
Sie fühlt sich elend, wie bei einer Grippe.
00:57:01
Thomas macht sich Sorgen.
00:57:03
Deshalb fährt er sie danach schnell zurück nach Hause, zu den Kindern.
00:57:06
Am Abend kommt dann Gabriel mit seiner Frau zu Besuch auf den Campingplatz.
00:57:11
Juliana freut sich.
00:57:13
Doch so richtig Stimmung mag irgendwie nicht aufkommen, denn Gabriel und Juliana steckt die Behandlung von heute noch ziemlich in den Knochen.
00:57:20
Als sich der Besuch schließlich verabschiedet, kann Juliana kaum noch die Augen offen halten.
00:57:24
Sie ist todmüde und erschöpft.
00:57:27
Außerdem hat sie das Gefühl, ihr Kopf könnte jeden Moment platzen.
00:57:30
Daher nimmt sie eine Schmerztablette und geht ins Bett.
00:57:33
Doch Schlaf findet Juliana in dieser Nacht kaum.
00:57:36
Sie ist sehr unruhig.
00:57:37
Am nächsten Morgen geht es ihr nicht besser.
00:57:40
Trotzdem will sie wieder zu Peter in die Praxis.
00:57:43
Davor versucht Juliana aber noch etwas zu essen.
00:57:45
Doch sie bekommt nur ein bisschen Suppe und Obst drunter.
00:57:49
Während des Essens kann sie plötzlich nicht mehr klar sprechen.
00:57:53
Um zu kommunizieren, muss sie ihre Hände zur Hilfe nehmen.
00:57:56
Wenn sie etwas gefragt wird, nickt sie einfach nur noch stumm.
00:57:59
Dann bringt Thomas sie zu Peter.
00:58:03
Zwar kann sie dort die Treppe zum Behandlungszimmer alleine hochgehen,
00:58:06
aber dabei bewegt sie sich ganz komisch, kann nur noch kleine Trippelschritte machen.
00:58:11
Du läufst wie Donald Duck, witzelt Thomas noch.
00:58:14
Oben angekommen empfängt sie Peter.
00:58:18
Er teilt ihr direkt mit, dass heute niemand mehr 3 BP erhalten wird.
00:58:21
Denn irgendetwas stimme mit dem Mittel nicht, meint er.
00:58:25
Also bekommt Juliana ausschließlich Vitamine und Antioxidantien, wie zu Beginn ihrer Behandlung.
00:58:30
Danach gibt er ihr noch ein Rezept über Bachblütentropfen mit und schickt sie nach Hause.
00:58:35
Der Weg zum Auto fällt Juliana schwer.
00:58:38
Die Behandlung jetzt hatte ihr irgendwie auch nicht geholfen.
00:58:41
Zurück auf dem Campingplatz verschlechtert sich ihr Zustand immer weiter.
00:58:44
Thomas fährt zur Apotheke, um ihr die verschriebenen Tropfen zu holen.
00:58:48
Als er zurückkommt, lehnen seine Kinder Lars und Sophie besorgt über der Mutter.
00:58:52
Sind das verschriebene Tropfen oder hat er das aufgeschrieben?
00:58:56
Er hat ihr das aufgeschrieben, dass sie es holen soll.
00:58:59
Ja, also nicht wirklich verschrieben, sondern ja.
00:59:01
Ja, von ihm verschrieben.
00:59:03
Juliana zuckt ganz unkontrolliert, wie bei einem epileptischen Anfall.
00:59:07
Ihre Zunge ist geschwollen und hängt aus dem Mund.
00:59:11
Thomas will Juliana die Tropfen geben, doch sie schafft es nicht mehr, sie zu schlucken.
00:59:16
Kann der bitte diese lächerlichen Bachblüten jetzt sich mal schenken und seine Frau ins Krankenhaus fahren?
00:59:21
Das hätte der schon machen müssen, als die nicht mehr reden konnte.
00:59:24
Das sind doch voll die Anzeichen, auch für einen Schlaganfall.
00:59:27
Also ich kann nicht mehr.
00:59:28
Thomas, mach was!
00:59:30
Ja, irgendwie kriegt er es erst jetzt so richtig mit der Angst zu tun.
00:59:37
Thomas bringt Juliana in die Notaufnahme im nahegelegenen Krankenhaus in Nettetal.
00:59:41
Dort muss sie dann sogar mit einer Trage aus dem Auto geholt werden.
00:59:45
Die 43-Jährige ist nicht mehr ansprechbar.
00:59:48
Die ÄrztInnen vermuten jetzt eine neurologische Störung.
00:59:52
Juliana wird mit dem Krankenwagen sofort in die besser ausgestattete Klinik in München-Gladbach verlegt.
00:59:57
Hier erleidet sie kurz nach der Einlieferung mehrere schwere Krampfanfälle.
01:00:01
Dann wird Juliana ein ausgeprägtes Hirnödem und eine Schwellung in mehreren Hirnregionen diagnostiziert.
01:00:07
Außerdem stellen die ÄrztInnen Vergiftungserscheinungen fest und versetzen sie in ein künstliches Koma.
01:00:13
In dieser Nacht weicht Thomas nicht von Julianas Bett.
01:00:17
Gegen drei Uhr klingelt dann sein Telefon.
01:00:20
Peter, Julianas Heilpraktiker, ist am anderen Ende.
01:00:23
Er will sich nach Julianas Zustand erkundigen, macht sich Sorgen.
01:00:27
Thomas gibt das Telefon direkt an eine Krankenschwester weiter.
01:00:31
Am nächsten Tag werden in Julianas Gehirn eine Hirnblutung und Wasseransammlungen festgestellt.
01:00:37
Ein Arzt sagt Thomas daraufhin ganz deutlich und unverblümt, dass ihr Zustand sich nicht mehr verbessern wird.
01:00:43
Zwei Tage lang liegt Juliana auf der Intensivstation.
01:00:47
Thomas hofft auf ein Wunder.
01:00:49
Am Samstag um 15.38 Uhr stirbt Juliana und mit ihr seine Hoffnung.
01:00:56
Nach sieben Behandlungstagen bei Peter Lang war Juliana an einer Überdosis 3 BP gestorben.
01:01:02
Sie hatte sich gegen die Chemotherapie entschieden, weil sie sich eine sanftere Methode der Heilung gewünscht hatte.
01:01:07
Am Ende hatte eine nicht erprobte, synthetisch hergestellte Chemikalie den Tod schneller als jeder Krebs gebracht.
01:01:14
Und nicht nur für Juliana.
01:01:16
Lieke starb bereits am Donnerstag, nur einen Tag nach Peters Behandlung.
01:01:20
Gabriel verlor am Freitag seinen Lebenskampf.
01:01:23
Nur Merle überlebte die Vergiftung wie durch ein Wunder.
01:01:27
Das war die, die das auch vertragen hat.
01:01:31
Ende März 2019 beginnt schließlich der Prozess gegen Peter am Landgericht Krefeld.
01:01:37
Das Medieninteresse ist groß.
01:01:39
Gleich mehrere Kamerateams rollen an und zahlreiche JournalistInnen haben sich in dem holzgetäfelten Verhandlungssaal versammelt.
01:01:45
Viele von ihnen kommen aus den Niederlanden.
01:01:48
Auch Thomas ist von dort angereist.
01:01:50
Er ist Nebenkläger, möchte der Anklage dadurch Nachdruck verleihen, zeigen, was der Tod von Juliana für seine Familie bedeutet.
01:01:59
Liekes Frau und Gabriels älterer Bruder sitzen nicht weit von ihm entfernt.
01:02:03
Gabriels Ehefrau konnte nicht mehr kommen.
01:02:05
Sie hatte den Tod ihres Mannes nicht verkraftet und zwei Wochen nach seinem Ableben Suizid begangen.
01:02:11
Dein Rucksack war zu schwer.
01:02:13
Du hast mit und für Gabriel gekämpft.
01:02:15
Nun seid ihr beiden wieder zusammen, wie du es wolltest, hatte damals auf einer beige-weißen Trauerkarte gestanden.
01:02:22
Ganze zwei Jahre und acht Monate später soll hier vor Gericht jetzt geklärt werden,
01:02:27
wie es zu den Todesfällen kommen konnte.
01:02:29
Angeklagt ist Peter wegen der fahrlässigen Tötung in drei Fällen und fahrlässigen Verstößen gegen das Arzneimittelgesetz in vier Fällen.
01:02:36
Direkt zum Prozessauftakt meldet sich der Angeklagte sichtlich nervös und mit ernstem Blick zu Wort.
01:02:42
Es tut mir sehr leid, was passiert ist.
01:02:44
Aber ich habe dafür keine Erklärung.
01:02:47
Ich habe ein gutes Gefühl, richtig und sauber gearbeitet zu haben.
01:02:52
Doch in den nächsten Prozesstagen wird deutlich, dass so ein Gefühl nicht reicht.
01:02:56
Denn die vorliegenden Laboruntersuchungen zeigen, dass Juliana, Lieke und Gabriel die bis zu sechsfache Dosis an 3 BP erhalten haben.
01:03:04
Nur so hoch dosiert konnte das Mittel ihre Blut-Hirn-Schranken überwinden und sie schlussendlich töten.
01:03:11
Peter erklärt zu seiner Verteidigung, dass das an der Substanz gelegen haben muss, an dessen Qualität oder Zusammensetzung.
01:03:17
Doch der Staatsanwalt ist anderer Meinung, gibt Peters sorglosem Umgang mit dem nicht zugelassenen Mittel die Schuld.
01:03:24
Denn Peter hatte seine Infusion zum Beispiel nicht in einem sterilen Labor angemischt, sondern zu Hause in der Küche.
01:03:30
Er hat dies auch stets alleine gemacht und nicht unter dem verpflichtenden Vier-Augen-Prinzip.
01:03:35
Beim Wiegen hat er sich an der zulässigen Höchstdosis orientiert, die er aus dem Tier versuchen kannte.
01:03:40
Und war damit der Daumenregel gefolgt, nicht mehr als 2,5 Milligramm pro Kilogramm Körpergewicht einzusetzen.
01:03:46
Gewogen hatte er seine Patientinnen aber nie.
01:03:49
Und Peter hat auch keine Kontrollschritte durchgeführt, wie zum Beispiel erstmal kontrollieren,
01:03:54
ob es sich bei dem Produkt, das er zugeschickt bekommen hatte, überhaupt um 3 BP handelt oder ob er es richtig abgewogen hatte.
01:04:01
Beschriftet hatte er die verschiedenen Produkte auch nicht ordnungsgemäß.
01:04:05
Es wird außerdem bekannt, dass Peter in seinem Krebszentrum auch andere umstrittene Therapien angeboten hatte.
01:04:11
So finden wir auch die Behandlung mit sogenannten Miracle Mineral Supplements,
01:04:15
die das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte erst im Februar 2015 als gefährlich und zulassungspflichtig eingestuft hatte.
01:04:22
Im Laufe des Prozesses sackt Peter immer weiter in sich zusammen.
01:04:27
Er erklärt am Ende nochmal, dass es nie seine Intention gewesen war, Menschen zu schaden.
01:04:32
Ganz im Gegenteil, er habe ja eigens zum Dienst am Menschen Heilpraktiker werden wollen.
01:04:36
In seinem Abschlussplädoyer erklärt der Staatsanwalt, Peter hätte die Überdosierung erkennen und verhindern können.
01:04:42
Er habe eine besondere Sorgfaltspflicht gehabt, da es sich bei 3 BP um einen nicht zugelassenen Stoff handelt.
01:04:48
Und dennoch habe er bei der Behandlung mit dem hochwirksamen Zellgift alle Pflichten missachtet.
01:04:53
Daher beantragt der Staatsanwalt für ihn drei Jahre Haft.
01:04:57
Peters Verteidigerin hingegen fordert Freispruch.
01:04:59
Denn es sei nicht nachgewiesen, dass Peters Behandlung den Tod der Patientinnen verursacht habe.
01:05:04
Alle drei seien schwer krebskrank gewesen und hätten zusätzlich eine klassische Chemotherapie abgelehnt.
01:05:10
Sie waren sich durchaus bewusst, dass sie sich auf eine experimentelle Therapie einließen.
01:05:15
Sie spricht von einer angeblichen Überdosierung, für die ein kausaler Zusammenhang fehle.
01:05:21
Doch diese Auffassung teilt das Gericht nicht.
01:05:23
Der Vorsitzende Richter attestiert Peter eine schwere Verletzung der Sorgfaltspflicht.
01:05:27
Der Heilpraktiker habe erheblich fahrlässig gehandelt.
01:05:30
Fast genau drei Jahre, nachdem Juliana ihre Therapie bei Peter begonnen hatte,
01:05:35
wird der wegen fahrlässiger Tötung in drei Fällen zu zwei Jahren Haft auf Bewährung verurteilt.
01:05:41
Nicht dein fucking Ernst. Es ist nicht dein Ernst.
01:05:45
Thomas und die Kinder sind schockiert über dieses milde Urteil.
01:05:50
Über das deutsche Strafrecht, das ihrer Ansicht nach die HeilpraktikerInnen fast besser schützt als die PatientInnen.
01:05:55
Thomas meint nach der Gerichtsverhandlung, dass eine richtige Strafe schon gerechter wäre.
01:06:01
Man kann für die Familie nur hoffen, dass es ihnen zumindest etwas Trost spendet,
01:06:06
dass das rote Backsteinhäuschen in Brüggen heute kein Schild mit der Aufschrift Biologisches Krebszentrum mehr trägt.
01:06:13
Nachdem das leuchtende Polizeisiegel an der schweren Holztür verschwand,
01:06:17
ist hier nämlich eine kleine Praxis für Physiotherapie eingezogen.
01:06:21
Hier wird nun wirklich Menschen geholfen.
01:06:25
Also ich finde es ganz, ganz schlimm, dieses milde Urteil.
01:06:29
Der ist nicht mal in Haft gekommen dafür, dass er im Grunde genommen vorgegaukelt
01:06:36
und ja, vielleicht auch selber gedacht hat, dass er Menschen heilen kann,
01:06:39
aber Sachen zusammenbraut, die Menschen irgendwie verabreicht und spritzt und die dann sterben.
01:06:46
Und die eh schon todkrank sind und Hoffnung haben und sich, wie du ja sagst,
01:06:52
an jeden Strohhalm klammern und so auf deren Hoffnung rumzureiten und daraus einen Beruf zu machen.
01:07:00
Und dafür 9.900 Euro für die Therapie nehmen.
01:07:04
Also ich kann mir schon vorstellen, dass er irgendwie an die Wirkung von 3BP geglaubt hat,
01:07:12
aber er wusste ja auch ganz klar aus diesen Tierversuchen,
01:07:16
dass bei einer Dosierungssteigerung diese Tiere ganz schnell gestorben sind.
01:07:22
Das heißt, dass man bei einer höheren Dosierung krass aufpassen muss
01:07:26
oder sowieso bei Dosierungen von diesen Mitteln.
01:07:28
Und wenn man da das einfach mal per Daumenregel macht und nicht nochmal nachwiegt
01:07:34
und alles alleine macht, nichts kontrolliert, das ist einfach fahrlässig
01:07:39
und das ist einfach so arrogant, mit dem Leben anderer Menschen so umzugehen.
01:07:45
Aber ich finde ja fahrlässig fast schon zu wenig dafür.
01:07:49
Und ich meine, die Opfer sind wirklich die gefundenen Opfer.
01:07:57
Die haben im Grunde genommen wenig zu verlieren.
01:08:00
Ja, und deren Vertrauen halt so auszunutzen.
01:08:04
Ja, und ich meine, auf was kannst du mehr hoffen als auf das Leben?
01:08:07
Und wenn du das Gefühl hast, du hast ja schon alles durchgelebt und, weißt du,
01:08:13
die hätte ja wahrscheinlich noch eine Chance gehabt, hat der Arzt ja gesagt.
01:08:16
Also, das ist ja noch schlimmer, wenn du gesagt bekommst, ja, das können wir damit wieder in den Griff kriegen.
01:08:22
Und dann, weißt du, dann muss er doch sagen, nein, nein, sie machen jetzt eine Chemo.
01:08:29
Und wenn dann nichts mehr funktioniert, weißt du, aber doch nicht als Behandlung, als richtige Behandlungsalternative für, ich mach dich wieder gesund.
01:08:38
Und vor allen Dingen hat er ja auch gelogen.
01:08:40
Er hat ja auch gesagt, es wäre ein biologisches, also quasi ein mildes Mittel und so weiter.
01:08:47
Dabei war das genauso eine Chemiekeule wie eine Chemotherapie.
01:08:50
Also, es war überhaupt nicht eine sanftere Methode, auch wenn sie jetzt davon nicht gestorben wären.
01:08:55
Genau, es hört sich ja nur erstmal so an, weil, ja, Krebszellen ernähren sich ja von Zucker.
01:09:00
Und wenn man jetzt gesagt bekommt, ja, wir stoppen einfach diese Zucker- und Energiezufuhr,
01:09:05
dann hört sich das ja erstmal so mild an, wie wir kappen einfach die Energiequelle und dann wächst der Tumor erstmal nicht weiter.
01:09:11
Ja, aber er hat ja zum Beispiel auch gesagt, es wäre ganz ohne Chemie.
01:09:14
Und das stimmte halt einfach schon mal gar nicht.
01:09:17
Also, er hat dich schon verarscht auch.
01:09:18
Der Fall hat mich auch so ein bisschen an die Onko-Mädels erinnert, die da sitzen, Hoffnung auf das Leben haben und denken,
01:09:25
ich bin hier in einer guten Obhut und ich kriege hier was, was mir vielleicht wirklich helfen kann, in meine Venen gepumpt.
01:09:32
Und, ja, bei den Onko-Mädels war es dann ein Typ, der irgendeine Salzlösung da ausgetauscht hat, um Geld zu machen.
01:09:40
Und, ja, was auch immer seine Intention war, aber er hat ja auch Geld dafür genommen.
01:09:45
Also, bei solchen Versprechungen muss man halt wirklich aufpassen.
01:09:49
Ich habe mal ja auch so eine Reportage fürs Frühstücksfernsehen gemacht über so einen Wunderheiler aus Russland,
01:09:54
ein selbsternannter Apostel.
01:09:57
Und der hat halt auch gesagt, der kann Krebs heilen, Aids heilen, Depressionen, alles heilen durch die Hand Gottes.
01:10:03
Und dann war ich da an einem Sonntag in Berlin und mit über tausend Menschen in so einer Halle.
01:10:11
Und darunter natürlich gelähmte, einbeinige, krebserkrankte, also wirklich ganz großes gesundheitliches Leiden.
01:10:22
Und du verstehst ja auch, wenn du die siehst, dass die alles bereit sind anzunehmen, was irgendwie Hilfe verspricht.
01:10:30
Naja, und dann ist da nachher jemand auf der Bühne umgekippt.
01:10:33
Damit wirbt der sogar, dass es immer ein Wunder gibt und dass der Heilige Geist immer vorbeikommt und die Leute berührt.
01:10:40
Und offenbar war das für die Leute an dem Tag auch so.
01:10:44
Und das hier ist der Beweis dafür gewesen, für die.
01:10:47
Ich habe den, ich habe, ich nehme mal an, die Gegenwart des Heiligen Geistes gespürt.
01:10:54
Es war auch ein ziemlich starker Windhauch, der an mir vorbeiging.
01:11:00
Also die Leute, die glauben das dann und sind im Zweifel dann halt auch nicht mehr bereit, sich anders helfen zu lassen.
01:11:06
Wir könnten keine Kinder kriegen.
01:11:08
Und wir sind zu verschiedenen Ärzten gegangen.
01:11:11
Ärzte konnten nicht das sehen.
01:11:12
Warum können wir keine Kinder kriegen?
01:11:14
Und das lag Probleme bei Fluch, Erbfluch von den Eltern.
01:11:18
Zum Arzt kann man auch gehen, aber Kirche ist auch sehr gut.
01:11:23
Und das ist ja das Ding, du kannst ja in die Kirche gehen, wenn du dich dann behandeln lässt noch, aber nicht anstatt.
01:11:29
Ja, und Juliana kam ja nach Deutschland, um sich von einem Heilpraktiker behandeln zu lassen.
01:11:35
Und zwar, weil der Beruf in ihrer Heimat so nicht existiert.
01:11:39
Europaweit sind HeilpraktikerInnen nämlich gar nicht so verbreitet, was mir gar nicht bewusst war.
01:11:45
In Österreich und Frankreich ist der Beruf zum Beispiel komplett verboten.
01:11:49
Dafür gehen bei uns jeden Tag mehr.
01:11:52
Dafür gehen bei uns aber täglich mehr als 128.000 Menschen zu einem Heilpraktiker oder einer Heilpraktikerin.
01:11:59
Also das wundert mich wirklich total, weil das bei uns so anerkannt ist.
01:12:03
Und da gibt es das.
01:12:05
Ja, das ist ganz verboten und in den Niederlanden zum Beispiel sehr restriktiert.
01:12:11
Weil so viele Menschen halt hier diesem Berufsbild vertrauen, geht es jetzt in meinem Aha um diese Arbeit und die juristische Verantwortung dahinter.
01:12:19
Schon 1939 wurde das sogenannte Heilpraktikergesetz verabschiedet.
01:12:23
Daran heißt es, dass jede berufs- oder gewerbstätige Tätigkeit zur Feststellung, Heilung oder Linderung von Krankheiten, Leiden oder Körperschäden bei Menschen unter die Ausübung der Heilkunde fällt.
01:12:35
Damit gewährt der Paragraf den HeilpraktikerInnen seitdem ziemlich viele Freiheiten.
01:12:39
Während beispielsweise Physio- und Ergotherapeuten nur auf ärztliche Anweisungen hin tätig werden dürfen,
01:12:45
dürfen HeilpraktikerInnen zum Beispiel Akupunkturnadeln setzen, Infusionen legen, Spritzen geben und auch Eigenbluttherapien durchführen.
01:12:53
Sie dürfen alle erdenklichen naturheilkundlichen Methoden anwenden, Krankheiten diagnostizieren und auch selbstständig behandeln.
01:13:00
Also fast wie ärztliches Fachpersonal, nur eben ohne deren Ausbildung.
01:13:05
Um ihre Zulassung zu erhalten, müssen HeilpraktikerInnen nämlich nur genau eine einzige Prüfung bestehen,
01:13:11
die sich zusammensetzt aus einem Multiple-Choice-Test über schulmedizinisches Grundwissen,
01:13:16
bei dem 45 von 60 Fragen richtig beantwortet werden müssen und einer mündlichen Prüfung.
01:13:22
Um sich auf diese Prüfung vorzubereiten, können HeilpraktikerInnen eine Schule besuchen, müssen sie aber nicht.
01:13:28
Sie können das Wissen auch einfach zu Hause im Selbststudium sich aneignen.
01:13:32
Eine einheitliche und staatlich geregelte Ausbildung gibt es also nicht.
01:13:36
Um für diese Prüfung zugelassen zu werden, muss man ein paar Bedingungen erfüllen,
01:13:41
und zwar über 25 Jahre alt und deutscher Staatsbürger oder deutsche Staatsbürgerin sein,
01:13:46
mindestens einen Hauptschulabschluss und ein Gesundheitszeugnis mitbringen
01:13:49
und polizeilich bisher unauffällig gewesen sein.
01:13:52
So, und das kann ich jetzt alles erfüllen.
01:13:55
Und wenn ich dann weiß, dass der große Zeh beim rechten Fuß links ist, ist das dann genug?
01:14:01
Also ganz so einfach ist es offenbar nicht.
01:14:03
Zumindest fallen immer sehr viele Personen durch.
01:14:06
Du kannst ja offenbar auch einmal durchfallen, weil Peter ist ja auch beim ersten Mal durchgefallen.
01:14:12
Was sie nicht dürfen, und zwar aufgrund des Arznei- und Betäubungsmittelgesetzes,
01:14:16
ist rezeptpflichtige Medikamente oder Betäubungsmittel verordnen oder herstellen.
01:14:21
Oder bestimmte Infektionskrankheiten, die unter das Infektionsschutzgesetz fallen,
01:14:25
behandeln wir jetzt zum Beispiel Masern.
01:14:27
Außerdem dürfen die ihre PatientInnen nicht dazu motivieren, ärztliche Behandlung zu unterlassen.
01:14:32
Also dürfen jetzt nicht zu denen sagen, mach dann lieber die Chemotherapie nicht.
01:14:38
Und die dürfen keine Geburtshilfe leisten, keine Zahnheilkunde ausüben,
01:14:42
den Tod nicht feststellen oder röntgen.
01:14:44
Was sie aber ja dürfen, ist Substanzen verabreichen, die in Deutschland nicht als Medikamente gelten,
01:14:49
weil sie zum Beispiel nicht ausreichend erforscht sind.
01:14:52
Also das 3 BP dürfte der schon vergeben und spritzen.
01:14:57
Und für mich klang das bei der Recherche alles so absurd,
01:15:01
dass ich mit Professor Alexander Ehlers gesprochen habe.
01:15:05
Der ist Fachanwalt für Medizinrecht und Facharzt für Allgemeinmedizin.
01:15:10
Also Anwalt und Arzt in allem.
01:15:12
Ihn habe ich gefragt, wie es denn mit der rechtlichen Verantwortung von Heilpraktikern aussieht,
01:15:17
wenn die so viele Freiheiten haben.
01:15:19
Grundsätzlich wird natürlich zwischen dem Heilpraktiker und seinem Patienten
01:15:24
ebenfalls wie beim Arzt ein Behandlungsvertrag abgeschlossen.
01:15:28
Und dieser Behandlungsvertrag bedeutet, dass die Behandlung nach den zum Zeitpunkt der Behandlung
01:15:36
bestehenden allgemein anerkannten fachlichen Standards zu erfolgen hat.
01:15:41
Nun ist das Problem, dass das Heilpraktikergesetz selber keinen eigenen Sorgfaltspflichtmaßstab definiert.
01:15:52
Es fehlt also schlichterdings an einer objektiven Regelung vergleichbar dem medizinischen Standard.
01:15:59
Also da es keine staatliche Ausbildung gibt oder staatlich geregelte Fortbildung,
01:16:04
ist ein Standard halt nicht wirklich vorhanden.
01:16:07
Und deshalb ist es im Nachhinein auch schwierig, irgendwas zu beanstanden.
01:16:13
Weil HeilpraktikerInnen unterliegen so halt keinen besonderen Anforderungen,
01:16:17
sondern die werden so behandelt wie jetzt du oder ich vor Gericht.
01:16:21
Und das führt laut Ehlers zu großen Schwierigkeiten,
01:16:24
sowohl in zivilrechtlichen als auch strafrechtlichen Verfahren.
01:16:28
Generell gibt es rechtlich hier laut Professor Ehlers eine viel zu große Grauzone.
01:16:33
Ohne dass das Gesetz geändert wird und klare Regulierungen in Bezug auf die Ausbildung geschaffen werden,
01:16:38
kann es halt auch in Zukunft immer wieder zu solch milden Urteilen wie im Fall von Peter kommen.
01:16:43
Also so wie ich das verstanden habe, hatte das Gericht auch nicht so viele Mittel, das viel höher anzusetzen.
01:16:51
Er durfte das ja verschreiben und hat halt nur nicht richtig dosiert.
01:16:59
Warst du denn schon mal bei einem Heilpraktiker oder HeilpraktikerInnen?
01:17:02
Ja, bei einer HeilpraktikerInnen.
01:17:03
Und ich muss sagen, dass ich, also ich persönlich da jetzt nur gute Erfahrungen gemacht habe.
01:17:09
Und ich habe auch in meinem Umfeld wirklich ganz viele positive Berichte gehört.
01:17:14
Also bei meiner zum Beispiel, die hat mit mir Akupunktur gemacht.
01:17:17
Und die hat halt, ja, so von außen versucht, was von innen zu behandeln, ne, durch so Druckmethoden und so.
01:17:24
Und die hat aber bei mir auch, jetzt keine Diagnose, aber die hat was festgestellt von außen,
01:17:30
was man erst Jahre später per Röntgen bei mir festgestellt hat.
01:17:34
Was ich schon beachtlich fand, weil das ist nicht was, von dem ich gedacht hätte, dass man das erfüllen kann.
01:17:39
Und mir ging es danach auch gut, also oder besser.
01:17:43
Das hat schon was ausgelöst.
01:17:45
Ich hatte halt überhaupt keine guten Erfahrungen bisher.
01:17:48
Also wirklich total gar nicht.
01:17:51
Und haben auch eben gar nicht geholfen.
01:17:54
Einmal eben diese, war ich bei einer mit 14 oder 15, die hat dann diese Bioresonanztherapie mit mir gemacht.
01:18:02
Das war für mich so absurd.
01:18:04
Das war in so einer Praxis, die in so einem riesigen Altbauhaus war, richtig teures Ding.
01:18:09
Ich saß dann da in so einem weißen Sessel, hatte diese beiden Elektroden in der Hand.
01:18:14
Und sie hat ja dann halt eben mit ihrem Stöckchen da, wie auf so einem Xylophon da hin und her.
01:18:19
Und ich dachte mir nur so, was ist hier los?
01:18:22
Und dann nach einer halben Stunde, dreiviertel Stunde, soll ich ja dann meine Hände aufmachen.
01:18:25
Dann waren sie ja ganz schwarz.
01:18:26
Und dann waren alle toxischen Sachen, sind ja dann offenbar, so wurde mir das erklärt, in durch meine Hand geflossen sozusagen.
01:18:34
Ach, oh Gott, okay.
01:18:35
So kenne ich das gar nicht, aber ja.
01:18:37
Das war wahrscheinlich ihre eigene Interpretation davon.
01:18:40
Dafür, dass das schon so rostig war, die Stäbe von dem Schweiß der Vorpatientinnen.
01:18:47
Also das war das Erste. Ich war ein paar Mal da, hat mir nichts gebracht, habe mich wieder aufgehört.
01:18:52
Ja, das ist ja auch kein Wunder, weil das Gerät, also das soll ja eigentlich anhand von Schwingungen und Wellen herausfinden, woran es deinem Körper mangelt.
01:19:00
Und das kann es nicht.
01:19:02
Ich habe ja diese Reportage gemacht und da war ich bei einem Typen, der hat diesen ganzen Apparat auseinandergenommen.
01:19:10
Und ja, Resultat, da ist nichts drin. Also da ist schon ein Chip drin, aber der macht im Grunde genommen nichts.
01:19:16
Und das ist quasi, funktioniert wie so ein Zufallsgenerator und der spuckt immer irgendwas aus.
01:19:20
Und dann haben wir auch an diese beiden Enden, haben wir auch mal eine Kartoffel oder eine Wurst angeschlossen.
01:19:26
Hat ja auch Vitamin E-Mangel festgestellt.
01:19:29
Und das Ding ist, ich hätte lieber eine Kartoffel in der Hand gehabt, als diese anderen Dinger.
01:19:33
Und das Ding ist, ich habe diese Auswertung von diesen Geräten, habe ich bei ihm gemacht.
01:19:39
Ich bin danach in drei Apotheken oder Heilpraktika.
01:19:43
Ich war nur bei einem Heilpraktika und das andere waren Apotheken oder so Ergänzungsdingen.
01:19:50
Ist ja auch egal.
01:19:51
Hä? Und die hätten das auch oder was?
01:19:52
Ja, kannst du auch in der Apotheke machen, teilweise.
01:19:54
Was ist das denn für eine Scheiße?
01:19:56
Ja, weil es ist natürlich wichtig, dass du es immer da machst, wo denn gleich der Shop nebenbei ist.
01:20:03
Ja, klar. Hier ist die Mangel.
01:20:05
So und das Ding ist, ich hatte natürlich, ich habe das vielleicht am Ende fünfmal gemacht und hatte natürlich fünf verschiedene Ergebnisse.
01:20:12
Und wenn du jetzt aber einen Mangel an Vitamin E XY hast und der sagt dir aber, du hast Eisenmangel, dann hilft es dir ja auch nicht wirklich.
01:20:20
Du fühlst dich vielleicht besser, weil du denkst, ach, ich habe ein bisschen mehr Energie jetzt oder so oder mir geht es besser.
01:20:26
Aber das hilft deinem Körper ja nicht, wenn du tatsächlich Beschwerden hast, weil du irgendeinen Mangel hast.
01:20:31
Das zweite war eigentlich noch besser, meine zweite Erfahrung.
01:20:35
Die war Jahre später.
01:20:38
Da war ich auch bei einer Heilpraktikerin und die wollte testen, ob ich glutenintolerant bin.
01:20:43
Und dafür hat sie so ein kleines Gläschen mit ein bisschen Weizen vor mir auf den Tisch gelegt.
01:20:51
Und dann hat sie so ihre Rute rausgeholt und hat sie so gependelt und danach hat sie gesagt, ja, habe ich.
01:20:57
Und dann habe ich Weizen weggelassen.
01:21:01
Hat mir aber auch nicht geholfen.
01:21:04
Ich finde es aber gut, dass du der Rute erst mal Vertrauen geschenkt hast.
01:21:07
Ja, also ich denke, man kann sagen, solche gibt es, aber halt auch welche, die wirklich helfen können.
01:21:13
Also ich würde das wirklich immer wieder machen bei lebensbedrohlichen Krankheiten, jetzt allerdings nur ergänzend zur Schulmedizin.
01:21:20
Ja, wo es hilft, go for it.
01:21:23
Aber wohler wäre mir bei dieser ganzen Sache, wenn es halt irgendwie einheitliche Ausbildungen und auch Regeln geben würde.
01:21:32
Wir haben ja jetzt heute über zwei fahrlässige Tötungen gesprochen.
01:21:36
Normalerweise geht es bei uns ja über Mord und Totschlag und deswegen eben auch über Delikte, die vorsätzlich begangen wurden.
01:21:42
Also ich meine jetzt die innere Einstellung des Täters oder der Täterin und die Verschuldensform.
01:21:48
Bei Taten wie Mord und Totschlag wollen die TäterInnen oft die Tat, also die wollen die oder die nehmen sie zumindest billigend in Kauf.
01:21:56
Bei Fahrlässigkeit ist es eben in der Regel so, dass man die erforderliche Sorgfalt außer Acht lässt.
01:22:03
Also das ist ja was ganz anderes dann von der Einstellung her.
01:22:06
Und die Tat passiert dann unachtsam.
01:22:08
Dieser Schaden, da haben wir es wieder, hätte vermieden werden können, wenn die Person besser aufgepasst hätte.
01:22:15
Paragraf 15 vom StGB sagt, strafbar ist nur vorsätzliches Handeln, wenn nicht das Gesetz fahrlässiges Handeln ausdrücklich mit Strafe bedroht.
01:22:25
Und das bedeutet, grundsätzlich ist nur vorsätzliches Verhalten strafbar.
01:22:30
Eine fahrlässige Tat ist dann strafbar, wenn das dann auch jeweils ausdrücklich im Gesetz so steht.
01:22:36
Also wenn Laura jetzt beispielsweise etwas fahrlässig, sagen wir mal jetzt im Vase kaputt macht, dann kann sie dafür keine Strafe erhalten.
01:22:44
Also sie muss sie dann vielleicht schon bezahlen, im besten Fall von der Haftpflicht, aber es gibt keine Strafe dafür.
01:22:49
Es gibt nämlich kein Gesetz für fahrlässige Sachbeschädigungen.
01:22:53
Sehr wohl aber für fahrlässige Brandstiftungen, fahrlässige Körperverletzungen oder eben für fahrlässige Tötungen.
01:22:59
So, ich mache es jetzt mal ganz einfach.
01:23:01
Im Recht, da gibt es so ein Problem.
01:23:03
Und zwar die stärkste Form, so sage ich das jetzt, der Fahrlässigkeit, also die bewusste Fahrlässigkeit, von der schwächsten Form des Vorsatzes, also diesem Eventualvorsatz, voneinander zu unterscheiden.
01:23:16
Weil das nämlich so ist, bei der bewussten Fahrlässigkeit, da denkt sich die handelnde Person, wird schon gut gehen.
01:23:23
Und beim Eventualvorsatz, da denkt sich die Person, und wenn schon.
01:23:31
Und diese Sachen, also dieses, ach, das wird schon gut gehen, und ach, und wenn schon, diese Sachen voneinander zu unterscheiden, ist in der Praxis recht schwer, weil sie quasi vom inneren Willen der handelnden Person abhängt.
01:23:43
Und dieser Person, der kann man ja nicht in den Kopf gucken.
01:23:47
Und vor Gericht muss aber genau dieser innere Wille irgendwie festgestellt werden, der dann über die Höhe des Strafmaßes entscheidet.
01:23:57
Und da macht das nämlich einen enormen Unterschied im Zweifel, ob man jetzt nämlich wegen einer fahrlässigen Tötung höchstens fünf Jahre in Haft muss, oder beispielsweise wegen Mordes mindestens 15 Jahre.
01:24:10
Das Problem kennen wir schon so ein bisschen aus diesen Raserfällen, über die wir in Folge 49 gesprochen haben.
01:24:15
Fahrlässigkeitsdelikte finden sich nämlich besonders häufig im Straßenverkehr.
01:24:20
2019 hat der BGH bei erstmals in Deutschland ein Mordurteil gegen einen Raser bestätigt, und da ging es um den Taxidieb von Hamburg, der im Mai 2017 ein Taxi gestohlen hatte und betrunken und ohne Führerschein unterwegs war.
01:24:32
Bei der Flucht vor der Polizei raste der Mann mit bis zu 155 Stundenkilometer und ohne Licht durch Hamburg.
01:24:39
Der überfuhr dann Ampeln und lenkte das Auto schließlich auf eine dreispurige Gegenfahrbahn.
01:24:44
Er verlor die Kontrolle und rammte mit mindestens 130 kmh ein anderes Taxi.
01:24:50
Dabei kam ein 22-jähriger Fahrgast ums Leben und der Fahrer und ein weiterer Insasse überlebten mit schwersten Verletzungen.
01:24:57
Der Verteidiger plädierte vor Gericht auf fahrlässige Tötung und gefährliche Körperverletzung.
01:25:02
Das Gericht folgte allerdings der Argumentation der Staatsanwaltschaft und verurteilte ihn wegen Mordes sowie zweifachen Mordversuchs zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe.
01:25:11
Und zwar, weil der Richter den bedingten Tötungsvorsatz, also diesen Eventualvorsatz, als belegt ansah.
01:25:17
Als der Täter das Taxi in den Gegenverkehr lenkte, habe er billigend in Kauf genommen, dass aufgrund der hohen Geschwindigkeit Unbeteiligte bei einer Kollision mit großer Wahrscheinlichkeit zu Tote kommen würden, so der Richter.
01:25:28
Und darin finden wir also dieses, ja, und wenn schon.
01:25:32
Genau, also diesen Eventualversatz. Aber wir wissen ja auch aus anderen Raserfällen, dass da am Ende oft nicht Mord beim Urteil rauskommt, sondern eben fahrlässige Tötungen.
01:25:45
Mehrlässig kann man auch jemanden durch Unterlassen töten.
01:25:49
Und hier gibt es gerade aktuellen Fall, dass die Staatsanwaltschaft Koblenz gegen den Landrat des Kreises Ahrweiler und eine andere Person aus Rheinland-Pfalz ermittelt.
01:25:59
Und zwar wegen der Flut in diesem Jahr.
01:26:02
Und da steht nämlich die Frage im Raum, ob die zuständigen Behörden vor den drohenden Überschwemmungen zu spät gewarnt haben.
01:26:09
Denn, wie jetzt bekannt wurde, wurde die Kreisverwaltung bereits um 15.30 Uhr des Katastrophentages, also Stunden vor dem Höhepunkt der Flutwelle, durch das Landesamt für Umwelt alarmiert.
01:26:22
Und trotz mehrerer präzisen Warnungen vor einem extremen Pegelanstieg wurde erst mal keine Evakuierung eingeleitet.
01:26:30
Ja, und dann gab es da halt noch so ein paar Sachen, die irgendwie verpatzt wurden.
01:26:34
Und deswegen traf die Flut dann halt so viele Menschen total unvorbereitet.
01:26:38
Und ob diese Ermittlungen jetzt dann aber am Ende erfolgreich sein werden, ist eher fraglich, weil man dann erst mal nachweisen muss, dass das Unterlassen dann auch dazu geführt hat, dass bestimmte Menschen deswegen gestorben sind.
01:26:52
Und das ist halt immer schwierig.
01:26:54
Das sieht aber anders aus in Fällen, wo medizinische Betreuung vernachlässigt wurde, beispielsweise jetzt bei einer Ärztin, die einen akuten Notfall nicht erkannt hat oder einen Gips nicht geöffnet hat, wenn er zu eng war oder so.
01:27:07
Ja, und da war was, was ich in meinem Fall irgendwie ein bisschen komisch finde und was auch da vor Gericht diskutiert wurde.
01:27:15
Und zwar ging es um die Frage, ob Peter sich nicht des Totschlags durch Unterlassen schuldig gemacht hat.
01:27:20
Weil als Juliana am nächsten Morgen nach der Behandlung mit dem 3BP ja bei ihm war, ging es ihr ja schon super schlecht.
01:27:27
Also das war ihr alles schon anzusehen, die konnte nicht mehr richtig gehen und nicht mehr richtig sprechen.
01:27:31
Und Peter hat ja trotzdem keinen Krankenwagen gerufen.
01:27:34
Der hat ja dann doch Vitamine und so gegeben.
01:27:37
Aber ganz kurz, das hätte man dann ja auch für ihren Mann fragen können, ne?
01:27:41
Also ich meine, der hat ja dann Vitamine gegeben und so, aber...
01:27:44
Ja, der Mann weiß ja natürlich auch nicht, ob das normal ist bei dieser Therapie, ne?
01:27:48
Ich lese jetzt mal vor, was dazu im Urteil steht, weil das fand ich irgendwie ein bisschen...
01:27:53
Ein Totschlag durch Unterlassen, in dem der Angeklagte nicht unmittelbar einen Notarzt rief, als sie am 28. Juli 2016 in die Praxis in Brücken kam, scheidet jedenfalls deshalb aus, weil nach der überzeugenden Einschätzung des Sachverständigen Juliana auch durch einen sofortigen Transport ins Krankenhaus nicht hätte gerettet werden können.
01:28:13
Das heißt also, die Sachverständigen haben festgestellt, okay, Juliana hätte zu dem Zeitpunkt sowieso nicht mehr gerettet werden können.
01:28:20
Also die Vergiftung war da bereits zu stark vorangeschritten, als dass man sie noch hätte retten können.
01:28:25
Aber ich denke mir, das weiß ja Peter in dem Moment gar nicht, dass sie nicht mehr gerettet werden könnte.
01:28:33
Also mich hat das total verstört.
01:28:37
Also wenn ich jetzt hier umkippe oder hier irgendwo hinfalle mit dem Kopf so doll aufknalle, dass ich eh nicht mehr gerettet werde und du denn niemanden anrufst...
01:28:49
Da sag ich, da kommt jetzt was im Fernsehen, das gucke ich jetzt.
01:28:53
Und dann sagen die, ach, von ihr war nicht schlimm, dass sie nicht den Arzt gerufen haben, weil die wäre eh gestorben.
01:28:59
Ein paar Monate auf Bewährung.
01:29:01
Kann ich mit leben.
01:29:02
Hauptsache die Sendung geguckt.
01:29:06
Was besonders häufig bei Fahrlässigkeitsdelikten vorkommt, ist die fahrlässige Körperverletzung.
01:29:12
2019 wurden in Deutschland 3.100 Menschen deswegen verurteilt, wobei hier nicht die mit drin sind, die im Straßenverkehr Menschen verletzt haben.
01:29:22
Da kommen dann für 2019 nochmal 12.500 Verurteilungen obendrauf.
01:29:28
Nicht so häufig kommt die fahrlässige Brandstiftung vor, aber das kann natürlich auch halt richtig krasse Konsequenzen nach sich ziehen.
01:29:36
Also zum Beispiel, wenn man jetzt überall Kerzen im Haus anhat und dann aber das Haus verlässt, ohne die vorher auszupusten.
01:29:42
Dann fängt das ganze Haus flammen und es noch irgendwie noch andere Häuser und so weiter.
01:29:48
Ja, oder wenn man in der Gastro arbeitet und ich bin jetzt Chefin und muss am Ende alles kontrollieren und sorgt dann nicht dafür, dass die Zigaretten ordnungsgemäß irgendwie entsorgt werden und die fangen dann im Mülleimer an zu kuckeln.
01:30:01
Deswegen mussten wir damals nämlich immer, als ich in der Gastro gearbeitet habe, den letzten Mülleimerbeutel, alle Zigaretten, die da reingingen und den wir quasi nicht mit rausgenommen haben.
01:30:09
Da mussten wir dann immer alles ins Wasser trunken.
01:30:13
Ein richtig schlimmer Fall von fahrlässiger Brandstiftung gab es in der Silvesternacht zu 2020 in dem Affenhaus des Krefelder Zoos.
01:30:26
Und dabei starben mehr als 50 Tiere und besonders schlimm war dabei der Tod des 48 Jahre alten Gorillas Masser.
01:30:36
Der war nach dem Brand so schwer verletzt, dass man ihn nicht einschläfern konnte und deshalb wurde der dann von einem Polizisten erschossen.
01:30:43
Ich erinnere mich noch ganz genau daran, weil, also erstmal weil es so schlimm war und dann weil man ja auch gemutmaßt hat, dass jemand das Affenhaus absichtlich in Brand gesteckt hat und man schon so dachte so, ey, was gibt's für Menschen?
01:30:56
Oder mit Raketen halt auf die geschossen hat und kurz darauf haben sich dann ja aber diese drei Frauen bei der Polizei gestellt, also eine Mutter mit ihren zwei erwachsenen Töchtern, weil die diese Himmelslaternen zu Silvester haben steigen lassen, also diese Lampillons aus Papieren, wo dann dieses Feuer drin durdert und die sind ja verboten und die dachten sich dann aber ja, zu Silvester kann man ja mal machen und dann direkt damit aufs Affenhaus.
01:31:22
Das ist so schlimm.
01:31:23
Ja, und die mussten dann ja irgendwie 15.000 Euro zahlen, weil die diesen Strafbefehl angenommen haben, die haben ja nicht mehr einen Prozess bekommen, aber ja, einfach nur schlimm.
01:31:34
Apropos tot. Wisst ihr, wer sich noch tot stellt? Kevin. Er hat nicht geschrieben. Kevin hat sich nicht gemeldet.
01:31:47
Also das ist der, von dem wir in der letzten Folge gesprochen haben, unser erster Hater in Anführungsstrichen, weil das war einfach die häufigste Nachricht, die wir jetzt in den letzten zwei Wochen bekommen haben.
01:31:59
Es interessiert euch offenbar brennend, aber ich glaube, er hört uns einfach nicht mehr auf.
01:32:05
Ich glaube schon, dass er es hört, aber dass ihm das jetzt auch einfach unangenehm ist und er sich jetzt nicht nochmal outen will.
01:32:12
Ja, vor allem, weil wir den halt so als Hater darstellen, ne? Und das will man ja nicht sein.
01:32:18
Also Kevin, wir würden niemals deine Identität verraten. Du wärst schon bei uns sicher. Wir wollen ja eigentlich nur Frieden. Ich hatte eigentlich gedacht, weil ich habe ja eine gemeinsame Bekannte mit dem Kevin zusammen. Und ich dachte, vielleicht trägt die das dann an den ran.
01:32:31
Du denkst wirklich, dass der das, also auch wenn die das an ihm herangetragen hätte, kann das ja sehr gut sein, dass ihm das scheißegal ist.
01:32:39
Ne, das habe ich ja auch gesagt.
01:32:40
Also letztes Mal, ja genau.
01:32:41
Aber ich glaube auch, dass er uns boykottiert generell. Der hört uns nicht mehr. Der möchte auch, wenn er jetzt möglicherweise davon weiß, dass wir gerne eine Entschuldigung haben.
01:32:52
Sag nicht immer wir.
01:32:53
Ich will überhaupt keine. Aber du findest den jetzt, nachdem ich dir dein Insta mal gezeigt habe, auch ganz lustig, oder?
01:33:01
Ja, schon ganz nett. Aber jetzt nicht so lustig wie du. Hier mal, wie lustig Paulina diese Story von ihm fand als Sprachnachricht.
01:33:19
Ja, also es ist irgendwie schade, dass wir so einen schlechten Start mit ihm hatten, oder?
01:33:38
Vor allem auch Start, weil wir die einzigen sind, die die Beziehung danach noch weitergeführt haben eigentlich.
01:33:46
Ja, und wenn das hier jetzt nur einseitig ist, dann ist es jetzt auch das letzte Mal, dass wir über den reden.
01:33:51
Es sei denn, er meldet sich.
01:33:56
Das war ein Podcast von Funk.