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#87 Krankhafte fürsorge

Hallo Frau Wohlers.
Hallo Frau Krasa.
Ich kläre Sie gleich auf.
Sie müssen sich hier nicht selbst belasten, okay?
Aber ich habe Grund zu der Annahme,
dass Sie an einem Entführungsfall beteiligt sind.
Klingelt da was?
Oh Gott, ist das die Katzensache?
Nee, wovon sprechen Sie da?
Also vor einigen Jahren, vielen Jahren,
irgendwann mal in einem Land vor unserer Zeit,
in Japan, habe ich mal eine Katze entführt.
Und das habe ich auch im Podcast erzählt.
Und das hat auch eine Person bei Instagram
richtig sauer gemacht und aufgeregt,
sodass diese Person uns jeden Tag geschrieben hat.
Und an dieser Stelle möchte ich einmal kurz
an diese Person rausgeben, der Katze geht es gut.
Okay, ich wiederhole.
Sie müssen sich hier nicht selbst belasten.
Aber ich nehme das mal zu Protokoll.
Ich zitiere mal eine Meldung der DPA,
um ein wenig Licht ins Dunkle zu bringen.
Okay.
mit dem Diebstahl einer Christkind-Figur
haben Unbekannte kurz vor Weihnachten
die festliche Stimmung auf dem Gendarmenmarkt gestört.
Nun bittet die Polizei bei der Fahndung
um Hilfe aus der Bevölkerung.
Der Diebstahl wurde bereits wenige Tage vor Weihnachten
am 19. Dezember bemerkt.
Die Figur stammt von einem Künstler aus Oberammergau.
Das Christkind hat blau bemalte Augen und braun bemalte Haare.
Oh mein Gott, dieses Christkind habe ich angefasst.
Genau.
Sind da jetzt meine Spuren drauf und deswegen melden Sie sich jetzt bei mir.
Also erst mal finde ich es gut, dass die Polizei hier ihren Job so ernst nimmt
und eine konkrete Personenbeschreibung veröffentlicht.
Das LKA hat übrigens eine Belohnung von 1.000 Euro ausgesetzt.
So, und wer uns auf Instagram folgt, der wird jetzt vielleicht wissen,
dass die wohlmöglich letzten Personen,
die das Christkind noch in der Krippe gesehen haben,
Laura und ich waren.
Wir waren nämlich mit meiner Freundin Tatjana auf dem Weihnachtsmarkt
und zwischen Glühwein und Mandelmutzen störte sich Laura.
Ich möchte fast sagen auffällig doll an diesen gruseligen blauen Augen
des Christkindes und wollte ihm die Decke über den Kopf ziehen.
Und jetzt frage ich mich, war das das erste Anzeichen
einer geplanten Straftat an dem Christkind?
Nein, es muss einfach so sein, dass auch andere Leute
mit diesen Augen nicht klarkamen und deswegen das Christkind entführt haben
und damit eigentlich allen einen Gefallen getan haben.
Also verstehe ich sie auch richtig?
Sie befürworten die Entführung dieses Christkindes, ja?
Okay, also wir wissen jetzt, kurz nachdem Laura sich am Christkind zu schaffen machte,
wovon es Videomaterial online gibt, verschwand das.
Vielleicht gab es auch schon erste Hinweise aus der Bevölkerung.
Zitat, die verdächtigen Frauen wirkten verfressen und ein wenig versoffen.
Hat meine Freundin Tatjana selbst getextet, die übrigens bei der BILD arbeitet.
Und jetzt kommen wir zu den neuen Entwicklungen in diesem vermissten Fall.
Oh mein Gott.
Heute ging nämlich ein Paket bei der BILD-Zeitung ein.
Nicht mit dem Kind drin.
Darin, das Christkind, und zwar jetzt, in einem blau-roten Trainingsanzug, der ein bisschen nach Spiderman aussieht.
Also es hat jemand dieses Christkind entführt, es umgezogen und an die BILD-Zeitung geschickt.
Das ist nicht dein Ernst.
Wie witzig ist das denn?
Und von diesem neuen Outfit gibt es jetzt auch ein BILD?
Es gibt BILD-Material, das stelle ich auch auf Insta bei Mordlust der Podcast.
Aber am besten so ein Vorher-Nachher-Mit-Um-Styling.
Schlafsack gegen Assi-Jogger getauscht.
Ich wollte von dir jetzt einfach wissen, haben wir da was zu befürchten?
Weil die Polizei, wenn das LKA schon eingeschaltet war,
die wird ja vielleicht demnächst auf unseren Instagram-Kanal aufmerksam
und wird dort ein Video einer blonden Frau finden,
die mit massiver Gewalt versucht, dieses Christkind unter seinem Schlafsack zu ersticken.
Ja, es sieht nicht gut aus.
Für dich.
Mehr kann ich dazu nicht.
Aber ich war es nicht.
Ich freue mich aber jetzt, dass das Kind was anderes anhat.
Es ist auch tatsächlich so, dass die jetzt Fingerabdrücke von der Puppe nehmen.
Quatsch.
Ja.
Und deine werden darauf sein.
Tatjana hatte vorsichtig schon mal gefragt, ob wir unsere Aussagen vorher mal abstimmen sollten.
Ja, wäre vielleicht gut, oder?
Ich meine, man will nichts riskieren.
Man kennt das, wie diese Vernehmungen dann laufen.
Dann hat man keinen juristischen Beistand dabei.
Und am Ende sagt Tatjana, ich war's, du sagst, ich war's.
Und das war gar nicht so, nur weil ihr da nicht, weil ihr da eingeknickt seid, weil ihr so mit so viel Druck bearbeitet worden seid.
Geben Sie es doch zu.
Geben Sie es doch zu.
Genau.
Geben Sie es einfach zu, dann können Sie jetzt nach Hause gehen.
Und ich, ja.
Sie hat alles böse getan.
Immerhin eine positive Nachricht, dass dieses Kind da ist.
Und wir hoffen einfach, dass Laura auch in der nächsten Mordlust-Folge herzlich willkommen dazu übrigens einer Produktion der Partner in Crime wieder bei uns ist, um mit uns über andere Vermisstenfälle zu sprechen.
Ich halte mich hier versteckt in einem anderen Land. Ich glaube, ein paar Folgen werde ich noch dabei sein können.
Normalerweise reden wir hier über noch gravierendere wahre Verbrechen und ihre Hintergründe. Mein Name ist Paulina Kraser.
Und ich bin Laura Wohlers. In jeder Folge gibt es ein bestimmtes Oberthema, zu dem wir zwei wahre Fälle nacherzählen, darüber diskutieren und auch mit Menschen mit Expertise sprechen.
Wir reden hier auch ein bisschen lockerer miteinander. Das hat aber nichts damit zu tun, dass uns die Ernsthaftigkeit fehlt,
sondern das ist für uns immer so eine Art Comic-Goo-Leaf, damit wir zwischendurch auch mal durchatmen können.
Das ist aber natürlich nie despektierlich gemeint.
Heute geht es bei uns um das Münchhausen-Stellvertreter-Syndrom.
Und damit sind wir direkt bei der Trigger-Warnung für die gesamte Folge.
Denn das Syndrom gilt als Form der Kindesmisshandlung.
Bei dieser psychischen Störung täuschen Betroffene nämlich Krankheiten bei nahestehenden Personen, meistens eben bei Kindern vor.
Oder reden die denen ein oder erzeugen diese auch aktiv.
In der Regel, also in circa neun von zehn Fällen, handelt es sich bei der Täterin um die Mutter, die das eigene Kind krank macht und oder es so unnötigen Untersuchungen und auch Therapien aussetzt.
Es kann aber auch mal der Vater sein oder die Babysitterin oder die Großmutter.
Erstmals entdeckt hatte dieses Verhalten der britische Kinderarzt Roy Meadow, der 1977 von zwei solcher Mütter berichtet.
Im ersten Fall hatte die Mutter dem Urin des Kindes Blut und Ei dabei gemischt, was dann dazu geführt hat, dass das Kind halt eine Reihe von unnötigen Untersuchungen und Behandlungen über sich ergehen lassen musste.
Und im zweiten Fall hatte die Mutter das Kind immer wieder mit Salz vergiftet, woran das dann auch irgendwann gestorben ist.
Weil es bis dahin aber ja noch keine Bezeichnung dafür gab, behalte sich der Kinderarzt mit dem Begriff Münchhausen-Stellvertreter-Syndrom.
Denn das Münchhausen-Syndrom gab es da schon eine ganze Zeit.
Und dabei handelt es sich um eine Störung, bei der sich die Betroffenen selbst Krankheiten für sich ausdenken oder auch hervorrufen.
So, und dieser Name geht zurück auf den Baron Münchhausen.
Der hat halt immer gebogen, gebogen, dass sich die Balken logen.
Wie wir wissen, der hat dann so erzählt, dass der auf einer Kanonenkugel fliegen kann und eine silberne Axt auf den Mond geworfen hat und so.
Das Münchhausen-Syndrom, bei dem man bei sich selbst Beschwerden erlügt oder hervorbringt, das ist auch eine interessante Krankheit.
Könnte man sich an sich auch mal angucken.
Aber interessiert uns jetzt in diesem Podcast eigentlich weniger, weil die Menschen ja in der Regel kein Verbrechen oder zumindest keine gravierende Straftat begehen, wenn sie sich selbst schaden.
Ja, aber wenn man eben so Lügengeschichten bezogen auf die Gesundheit stellvertretend für andere erfindet oder andere absichtlich krank macht, dann handelt es sich meistens eben schon um eine Straftat.
Und so ist das auch in diesem Fall.
Alle Namen sind geändert und zusätzliche Triggerwarnung findet ihr wie immer in der Folgenbeschreibung.
In großen grünen Buchstaben prangt der Name auf der Vorderseite des Gebäudes.
Helios.
Daneben steht in weißer Schrift Klinikum Berlin Buch.
Hinter der riesigen verglasten Fensterfront des Eingangsbereich wuseln etliche ÄrztInnen und PflegerInnen auf ihren Stationen umher, auf dem Weg, ihre PatientInnen zu versorgen.
2.500 Angestellte und über 1.000 Betten beherbergt das Krankenhaus in Berlin-Pankow.
Eines davon ist schon eine ganze Weile einem Patienten zugeteilt, über dessen Gesundheitszustand sich das Personal den Kopf zerbricht,
dessen Körper von immer wieder neuen Entzündungsherden geplagt wird und deren Ursprünge ein großes Rätsel aufgeben.
Was das Team um diesen Patienten nicht weiß, ist, dass eine Person in seinem Umkreis genau weiß, was die Ursache seiner Leiden ist und keine Absicht hat, die ÄrztInnen darüber aufzuklären.
Es ist Februar 2007, als die kleine Familie Wagner, bestehend aus Mama Bettina, Ende 20, Papa Björn, Ende 30 und Sönchen Jan mal wieder zum Kontrolltermin bei Kinderärztin Frau Dr. Schubert reinschneit.
Frau Dr. Schubert untersucht den einjährigen Jan schon seit seiner Geburt.
Obwohl er ein Frühchen war und die kleine zierliche Bettina mit der Schwangerschaft zu kämpfen hatte, hat er sich bisher gut entwickelt.
Weil die Ärztin Jan also gut kennt, ist sie diesmal überrascht, als sie ihn untersucht.
Der Kleine hat viel zu wenig Muskeln für sein Alter entwickelt und kann sich auch nicht richtig koordinieren.
Frau Dr. Schubert will das im Auge behalten und vereinbart mit Bettina und Björn weitere Termine zusätzlich zu den nötigen Vorsorgeuntersuchungen.
Als das Paar zwei Monate später wieder bei Frau Dr. Schubert im Wartesaal Platz nimmt, hat sich Jans Lage nicht verbessert.
Neun Kilo bringt der Kleine mittlerweile auf die Waage, bei seiner Größe viel zu wenig.
Eine Stoffwechselerkrankung, vermutet Dr. Schubert.
Zur Überprüfung und Kontrolle schickt sie Bettina und Jan in die Helios-Klinik in Berlin-Buch.
Drei Wochen verbringt die Familie dort.
Auch im Krankenhaus ist man sich sicher, dass Jan eine Entwicklungsstörung hat.
Eine organische Ursache lässt sich dafür aber nicht finden.
Die Ärztinnen im Krankenhaus gehen von einer Milcheiweißallergie aus und schlagen einen Termin zur Ernährungsberatung vor.
Die Familie darf also wieder nach Hause.
Doch als beim nächsten Kontrolltermin wieder Kinderärztin Schubert auf Jan schaut, ist sie sichtlich besorgt.
Diesmal wiegt er nochmal ein Kilo weniger und seine Ärmchen sind Spindeldürr.
Doch weil auch sie keine organische Ursache feststellen kann, äußert sie vorsichtig den Verdacht, dass Jan eine geistige Behinderung haben könne.
Die Ärztin weiß, wie schwer Eltern so eine Diagnose treffen kann und bemüht sich daher, ihre Worte behutsam zu wählen.
Jan muss erneut in die Helios-Klinik.
Auf Station 117b versucht man es mit viel Zuwendung und Aufmerksamkeit gegen die Tränen der kleinen PatientInnen.
Auf der Kinderstation des Krankenhauses werden vor allem schwerstkranke Kinder behandelt, die beispielsweise an Krebs leiden.
Die Tapferkeit der Kleinen, die teilweise sehr angsteinflößenden und schmerzhaften Untersuchungen durchzustehen,
wird hier von Zeit zu Zeit mit Seifenblasen, gebastelten Urkunden oder Gummibärchen belohnt.
Auf 117b herrscht ein besonderes Hygienekonzept,
da die meisten, die hier landen, eine Chemotherapie bekommen und damit immungeschwächt sind.
Weil es auf der Station auch ein sogenanntes Rooming-In gibt,
also die Option für Eltern, gemeinsam mit ihrem Kind in ein Zimmer zu ziehen,
um Hospitalismus und damit Schäden, die durch unzureichende soziale Zuwendung bei Kindern entstehen, vorzubeugen,
sieht man neben den Kindern auch einige Erwachsene.
Auch Bettina, die mit 1,45 m und ihrer zierlichen Figur selbst noch manchmal wie ein Kind erscheint,
bezieht am 9. September gemeinsam mit Jan sein Zimmer auf der Station.
Als Mutter und Kind ankommen, leidet der eh schon geschwächte Jan auch noch an einer Infektion mit Rotaviren,
die für Durchfall, Erbrechen und Fieber sorgen.
Chefarzt Prof. Martin ordnet Medikamente an.
Zusätzlich soll Jan eine Magensonne bekommen, weil er die Spezialnahrung, die er zu sich nehmen soll, ständig erbricht.
Für die Schmerz- und Narkosemedikamente wird ein Venenzugang am Arm gelegt.
Doch weil die kleinen Venen noch zu zart und brüchig sind, müssen die ÄrztInnen auf einen Zugang am Hals ausweichen.
Weil der Zustand von Jan für viele Fragezeichen sorgt, hat sich mittlerweile ein ganzes Team rund um Chefarzt Prof. Martin gebildet,
das mit einer Diagnosefindung von Jan beschäftigt ist.
Dass er immer wieder Fieberschübe entwickelt, bereitet dem Team Kopfzerbrechen.
Teilweise hat Jan über 40 Grad Fieber und steht unmittelbar vor einem septischen Schock.
Das Gesicht des Jungen ist mittlerweile eher grau als Hautfarben.
Die Haare sind ausgefallen, sein Kopf und sein Bauch aufgedunsen.
Das ratlose ÄrztInnen-Team muss an dem kleinen, geschwächten Körper unzählige Untersuchungen vornehmen,
die manchmal nur schwer auszuhalten sind.
Sowohl für Jan als auch für seine Liebsten, die sehen, wie eine Nadel nach der anderen in den kleinen Körper wandert,
ohne, dass auch nur eine der Untersuchungen zur Aufklärung beiträgt.
Eigentlich sieht es für die ÄrztInnen sogar so aus, als sei Jan gesund und als hätte er Symptome ohne Ursprung.
Bei den etlichen Blutuntersuchungen stellt sich heraus, dass er alle paar Tage von immer wieder neuen Keimen geplagt wird.
Keime, die üblicherweise in der Darmflora vorkommen.
Also möglicherweise ein Defekt in der Darmwand?
Nach mehreren anstrengenden Darmspiegelungen und Rücksprache mit einem Experten in Mainz
kommt für das Team ein Darmdurchbruch nicht mehr in Frage.
Auch Blutkrebs konnte bereits als Ursache ausgeschlossen werden.
Auf Station 117b herrscht deshalb Ratlosigkeit.
Sogar Jans Zimmerwaschbecken und andere Oberflächen werden untersucht,
um sicherzugehen, dass nicht doch Krankenhauskeime für sein Leiden verantwortlich sind.
Allerdings glaubt auf der penibel sauberen Station 117b eigentlich niemand an diese Erklärung.
Jan ist außerdem der Einzige hier mit diesem Krankheitsbild und bei keinem anderen Kind kam es zu solchen Symptomen.
Aber warum hat Jan dann immer wieder neue Keime im Blut, obwohl er medikamentös behandelt wird?
Während des gesamten Aufenthalts kann man 14 verschiedene Darmkeime ausmachen.
Langsam kommt Unruhe im Ärztinnen-Team auf.
Bei den etlichen Besprechungen, zu denen sie sich zusammentun, äußern sie vor allem Sorge wegen Jans unermüdlichen Fiebers, das gegen alles resistent zu sein scheint.
Chefarzt Prof. Martin setzt weiterhin alles daran, Jan zu helfen und die Ursache zu finden.
Nachdem die seltene Krankheit MAS, also das Makrophagenaktivierungssyndrom, im Raum steht,
bei dem Fresszellen den eigenen Körper angreifen und das durch eine Autoimmunerkrankung verursacht werden kann,
wendet sich Prof. Martin an eine Expertin für diese Krankheit in Ulm.
Nachdem diese Jans Blutproben analysiert hat, ist auch sie der Meinung,
dass die Proben und auch Jans Symptome nicht ins typische Krankheitsbild passen.
Dreimal muss Jan in dieser Zeit wegen seines Fiebers auf die Intensivstation.
Immer zum Entsetzen von Jans Mutter, die den Ärztinnen zu verstehen gibt, dass sie Jan lieber bei sich haben will.
Erstaunlicherweise lässt sich seine Temperatur auf der für andere nicht zugänglichen Intensivstation immer so schnell senken,
dass er meist am nächsten Tag schon wieder zurückverlegt werden kann.
In die Arme seiner Mutter.
Es ist der 7. November. Bettina und Jan sind bereits seit zwei Monaten auf Station 117b.
An diesem Vormittag steht für die beiden wieder ein Untersuchungstermin an.
Bettina ist also nicht im Krankenzimmer, als die Stationsschwester Katrin den Raum betritt, um ihn zu reinigen.
Beim Putzen springt ihr eine geöffnete Waschtasche ins Auge, die auf dem Boden steht.
In der Tasche erkennt die Schwester zwei Einwegspritzen.
Seltsam ist, dass eine der Einwegspritzen eine bräunliche Substanz enthält.
Das kommt Katrin sehr komisch vor und sie informiert daraufhin ihre Vorgesetzte.
Die beiden Frauen nehmen die Spritzen noch mal genauer unter die Lupe und sind sich einig, dass hier etwas nicht mit rechten Dingen zugeht.
Professor Martin schickt die Spritzen inklusive Inhalt in die Mikrobiologie des Krankenhauses.
Ergebnis?
Die bräunliche Substanz enthält unter anderem Darmbakterien.
Solche, wie sie bei Jan im Blut gefunden wurden.
Viele Jahre zuvor.
Bettina wird in der damaligen DDR geboren und wächst mit zwei älteren Brüdern auf.
Beide Eltern sind zu dieser Zeit berufstätig und Bettina deswegen oft im Hort oder in der Kinderkrippe.
Zu Hause hat es das Mädchen nicht sehr schön.
Der alkoholkranke Vater terrorisiert seine Familie von Zeit zu Zeit mit seinen Fäusten.
Als Bettina die mittlere Reife abschließt, will sie eigentlich ihr Abitur nachholen.
Aber den langen Schulweg und das Lernpensum empfindet sie als so anstrengend, dass sie nach der 12. Klasse die Schule abbricht.
Es folgt eine Lehre zur Bürokauffrau, die sie zwar abschließt,
allerdings hat Bettina nicht wirklich Interesse daran, in dem Beruf weiterzuarbeiten.
Mit 20 versucht sie es dann an der Rezeption eines Hotels.
Dieser Job hält sehr viel mehr für sie bereit.
Abgesehen davon, dass sie dort nicht die ganze Zeit herumsitzen muss,
fühlt sie sich von der Hotelleiterin wertgeschätzt.
Offenbar liegt der Chefin was an Bettina.
Die Aufmerksamkeit verstärkt sich, als Bettina ihren KollegInnen von einer angeblichen Herzerkrankung berichtet.
Bettina merkt, dass ihr dieser Umstand einige Vorteile verschafft.
Plötzlich ist die Aufmerksamkeit auf sie gerichtet.
Um sie gesundheitlich nicht noch mehr zu belasten, nimmt das Team ab jetzt besondere Rücksicht auf sie.
Als Bettina später im Hotel ohnmächtig wird und sich bei dem Sturz Blessuren im Gesicht zuzieht,
geht sie zunächst auf Kur und dann zur Reha.
Auch in dieser Zeit wird sie weiter von der Hotelleiterin unterstützt.
Doch Bettina hat nicht vor, ihr die Treue zu halten.
Obwohl ihr niemand jemals ihre Herzkrankheit nachweisen kann,
bezieht Bettina ab dem Jahr 2003 mit einem Alter von 24 Jahren Frührente.
In dieser Zeit lernt sie bei einem Reha-Besuch Björn kennen.
Björn ist neun Jahre älter als sie und hat schon mehr Erfahrung mit dem Frührentner-Dasein.
Rheuma und eine Diabetes-Erkrankung haben auch ihn erwerbsunfähig gemacht.
Als Bettina 2005 mit Jan schwanger wird, heiraten die beiden.
Ein kleines Halbbrüderchen für die sechsjährige Lilly, die Björn aus einer vorherigen Beziehung mitgebracht hat.
Jan kommt am 8. März als Frühchen zur Welt.
Die Schwangerschaft war kompliziert.
Bettina durfte fast sechs Monate nur liegen, bevor Jan geholt wurde.
Ohne erkennbare gesundheitlichen Schäden.
Nur wenige Monate nach der Geburt von Jan wird Bettina erneut schwanger.
Diesmal entschließt sie sich aber dagegen, das Kind zu behalten.
Die Schwangerschaft mit Jan hat alles von Bettinas zierlichem kleinen Körper abverlangt.
Es scheint die richtige Entscheidung gewesen zu sein, wenn man bedenkt, was Bettina ihrem einzigen Sohn später antun wird.
Als Mutter und Sohn Anfang September 2007 auf Station 117b einziehen, gibt sie sich als sorgenvolle Mutter, die ihrem Kind nicht von der Seite rückt.
Sie will sogar mit ihm gemeinsam im Bett schlafen.
Der ein oder anderen Schwester fällt auf, dass all die Dinge, das Sorgen, das Bemuttern und das Umarmen, von einer emotionalen Kälte begleitet werden.
Wie die zierliche Frau ihren Sohn trägt, streichelt, hält.
Es wirkt irgendwie so, als täte sie das mit einem Gegenstand und nicht mit ihrem Kind.
Da ist keine Wärme in den Berührungen.
Als Jan dann das erste Mal auf die Intensivstation verlegt werden soll, tut Bettina alles dafür, dass das nicht passiert.
Nix da, Schatz, sie kommt nicht in Frage.
Dann nehme ich ihn mit nach Hause.
Sterben kann er auch zu Hause, sagt sie zu Björn und lässt sich auch von der Oberärztin nicht überzeugen.
Erst als die ihr damit droht, das Jugendamt einzuschalten, gibt sie klein bei.
Bei einem Gespräch mit Professor Martin, in dem er Björn und Bettina sagt, wie ernst es um Jan stehe, wirkt Björn bestürzt.
Bettina hingegen scheint bei den Krisengesprächen mit den ÄrztInnen regelrecht aufzublühen.
Weil sie den Trubel um Jan und damit auch um sich selbst regelrecht genießt.
So wird es später ein Gericht sagen.
Bei der zweiten Verlegung von Jan auf die Intensiv regt Bettina sich vor dem Rettungsteam darüber auf,
dass nächste Woche ein Urlaub angestanden hätte und dass ich das jetzt wohl erledigt habe.
Die Ärztin, die Jan während des Transports begleitet, schockiert diese Aussage so sehr,
dass sie sich weitere dieser Art verbittet.
Der gesamte Krankenhausaufenthalt ist geprägt von unangemessenen Bemerkungen von Bettina.
Wie, die finden ja sowieso nicht, was er hat.
Oder, jetzt hat er schon wieder hohes Fieber.
Es ist der 6. Oktober.
Jan und Bettina sind bereits einen Monat im Krankenhaus, als sie sich auf eine der allgemein zugänglichen Toiletten begibt.
Mit sich hat sie eine Einwegsspritze.
Dann verrichtet sie ihr Geschäft und zieht ihren eigenen Kot auf die Kanüle der Spritze auf.
Später am Tag spritzt sie Jan den Inhalt über den Venenzugang am Hals.
Kurz darauf geht es Jan sehr schlecht.
Ihn plagen hohes Fieber und Schmerzen.
Sein Zustand wird so dramatisch, dass er auf die Intensivstation verlegt werden muss.
Als er sich davon erholt und wieder zurückkommt, wiederholt Bettina die Injektion.
Ihr gefällt, dass sie durch die Notfälle ihres Sohns im Mittelpunkt stehen kann und die ganze Aufmerksamkeit hat.
So wird es später heißen.
Sie benutzt Jans Krankheit als Bühne, ihren Geltungsdrang zu verwirklichen.
In der Klinik ahnt indessen niemand, dass Jans eigentlicher Krankheitserreger bei ihm mit im Bett liegt.
Was?
Das finde ich echt eine richtige Bezeichnung.
Die ist ein Krankheitserreger, die Frau.
Ja.
Nichts anderes.
Zwar erwähnt Professor Martin bei einer Chefärztinnenvisite Ende Oktober, also nur einige Tage vor dem Spritzenfund,
beiläufig, dass auch das Münchhausen bei Proxy-Syndrom infrage kommen könne.
Allerdings verwirft er diesen Gedanken angesichts der Schwere der Krankheiten von Jan auch schnell wieder.
Professor Martin hatte in seiner langen beruflichen Laufbahn bereits einen Fall einer Mutter,
die ihr Kind wegen bei Proxy Schmerzen zugefügt hatte, aber in einem viel geringeren Ausmaß.
Als ihm von den Spritzen in Jans und Bettinas Zimmer berichtet wird,
ordnet er an, das Mutter-Kind-Gespann nicht mehr aus den Augen zu lassen.
Erst nachdem er das Jugendamt und die Polizei informiert hat,
konfrontiert er Bettina und Björn gemeinsam mit seinem Verdacht,
dass jemand Jan die Darmbakterien von außen injiziere.
Doch teilt er zunächst noch nicht mit, gegen wen sich dieser richtet.
Bettinas Reaktion ist bezeichnend.
Sie springt vom Stuhl auf, flucht, wird ausfallend und rennt aus dem Zimmer.
Sie wolle Jan sofort mit nach Hause nehmen.
Doch das wird ihr verwehrt. Jan bleibt allein im Krankenhaus.
Bettina und Björn haben ab jetzt ein Kontaktverbot.
Und das scheint für Jan jetzt die endlich heilende Medizin zu sein.
In den zwei Monaten, die er noch ohne Bettina auf Station 117b verbringen,
blüht er regelrecht auf.
Er nimmt zu, ist gut gelaunt und zugänglich.
Nicht einmal fragt er traurig, wo seine Mutter denn bleibe.
Noch weiß man nicht, inwieweit vielleicht auch Björn bei der Misshandlung von Jan die Finger mit im Spiel hatte.
Bei Befragung gibt er an seiner Frau die Vorwürfe nicht zuzutrauen
und wirft in den Raum, dass die Keime vielleicht doch aus dem Krankenhaus stammen würden.
Jan kommt nach seinem Aufenthalt zunächst in eine Pflegefamilie
und erst zurück zu Björn, als man sich sicher ist, dass er von all dem nichts wusste.
Bettina darf Jan weiterhin sehen, aber nur unter Beaufsichtigung.
Erst als am 26. Mai 2008 die Handschellen um die dünnen Handgelenke klicken,
bricht der Kontakt vollends ab.
In der Haft verweigert Bettina das Essen und Trinken.
Da ihr Körper eh schon nahezu zerbrechlich wirkt
und ihr Zustand irgendwann besorgniserregend wird,
wird sie in ein Krankenhaus verlegt.
Nachdem sie sich auf 33 Kilo herunterhungert
und kurzzeitig sogar in Lebensgefahr schwebt,
wird sie von der restlichen Untersuchungshaft verschont.
Allerdings unter der Auflage,
dass sie sich in einer psychiatrischen Abteilung weiter behandeln lässt.
Am 23. April 2009 beginnt der Prozessauftakt vor dem Landgericht Berlin
gegen die Spritzenmutter, wie die Zeitschrift Welt sie nennt.
Im Saal 217 wird sich Bettina wegen des Vorwurfs des versuchten heimtückischen Mordes
aus Grausamkeit und niedrigen Beweggründen verantworten müssen.
Die Staatsanwaltschaft wirft ihr vor,
Jan 14 Mal Fäkalien gespritzt zu haben.
Auch Björn ist gekommen, verweigert aber seine Aussage.
Lange hatte er noch zu seiner Frau gehalten
und an ihre Unschuld geglaubt.
Mittlerweile hat er die Scheidung eingereicht.
Bettina sitzt mit gesenktem Kopf und kühlem Gesichtsausdruck
neben ihrer Verteidigerin.
Das Gericht lädt viele ZeugInnen aus dem Krankenhaus,
die von Bettinas Umgang mit Jan berichten.
Je schlechter es Jan ging, umso besser ging es Frau Wagner.
Umso agiler, umso euphorischer wurde sie.
Das fiel auf, sagt jemand.
Und?
Sie habe das Kind monoton auf dem Arm getragen,
als hätte sie eine Einkaufstasche getragen,
so eine Schwester,
die sehr viel Zeit mit Bettina und Jan auf der Station verbrachte.
Anderen Angestellten hingegen
fiel nichts Ungewöhnliches an Bettina auf.
Sie hielten sie für eine gute Mutter.
Kinderärztin Dr. Schubert sagt aus,
dass sie die Reaktion von Bettina
auf Jans vermeintliche geistige Behinderung stutzig machte.
Normalerweise sei das eine Botschaft,
die Eltern nur schwer verkraften.
Bettina hingegen schien das offenbar hinzunehmen,
als hätte man gesagt,
dass das Wetter die nächsten Tage milder werden würde.
Schon nach kurzer Zeit besteht kein Zweifel mehr daran,
dass es Bettina war,
die Jans Gesundheitszustand verursachte.
In den Spritzen aus Bettinas Kulturbeutel
hatte man nicht nur Keime nachgewiesen,
die Jan im Blut hatte,
sondern auch noch Bettinas eigene DNA-Merkmale.
Nach zehn Prozestagen lässt diese
daraufhin von ihrer Anwältin erklären,
es stimmt, dass ich meinem Sohn
meinen eigenen Stuhl gespritzt habe.
Diesen habe ich aus der allgemein zugänglichen Besuchertoilette
auf eine Kanüle gezogen,
sodass ein wässriges Gemisch entstand.
Ich habe das zweimal gemacht.
Kurzer Einwurf,
diese Angabe korrigiert sie schon am nächsten Prozestag
auf dreimal.
Warum und wie ich auf diese Idee kam,
kann ich nicht erklären.
Ich wollte mein Kind keinesfalls töten.
Es war immer so, dass Jan, wenn er Fieber hatte,
von den Schwestern und Ärzten noch mehr Zuwendung bekam.
Von der Intensivstation kam er schnell wieder zurück,
Bettina schreibt weiter, dass sie Schuldgefühle quälen und es Zeiten gab, an denen sie nicht mehr leben wollte.
Sie erklärt, dass sie in ihrer Jugend von einem Onkel über längere Zeit sexuell missbraucht worden sei.
Als sie ihm gedroht habe, ihn deswegen anzuzeigen, soll er sich suizidiert haben.
Ob das stimmt, wird dieses Gericht nicht feststellen können.
Als Jugendliche habe sie sich wegen ihrer Schuldgefühle oft selbst verletzt.
Der vom Gericht beauftragte psychiatrische Gutachter sagt,
Kinder von psychisch kranken Müttern wie Bettina würden von ihnen als Teil des eigenen Körpers empfunden
und darum so benutzt werden, wie sie vorher sich selbst benutzt haben.
Er sagt, es komme vor, dass diese Frauen ihren Opfern das antun, was ihnen angetan wurde,
um so unbewusst ihre traumatischen Erlebnisse auszudrücken.
Seiner Einschätzung nach sei Bettina vermindert schuldfähig,
da sie an einer schweren, kombinierten Persönlichkeitsstörung mit histrionischen und Borderline-Aspekten
sowie Münchhausen-Stellvertreter-Syndrom leide.
Der Sachverständige führt es so an.
Bettina konnte zwar das Unrecht ihrer Tat einsehen,
ihr war es aber nur eingeschränkt möglich, danach zu handeln.
Bettina wird daher nicht wegen versuchten Mordes verurteilt.
Zwar habe sie Jan absichtlich in Gefahr gebracht, um Aufmerksamkeit zu bekommen,
dass sie seinen Tod dabei wollte oder billigend in Kauf nahm, kann ihr aber nicht nachgewiesen werden.
Immerhin hatte Bettina Jan die Keime in einem Krankenhaus verabreicht
und nicht zu Hause, wo er seinem Leiden komplett hilflos ausgeliefert gewesen wäre.
Außerdem brauchte Bettina Jan, um ihre Münchhausen-bal-Proxy-Erkrankung auszuleben.
Ohne Jan wäre das nicht mehr gegangen, meint das Gericht.
Deswegen wird Bettina wegen Misshandlung von Schutzbefohlenen, gefährlicher Körperverletzung
und wegen Verletzung der Fürsorge und Erziehungspflicht
zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren und sechs Monaten verurteilt.
Mehr als die drei Injektionen, die Bettina zugegeben hatte,
können ihr am Ende nicht nachgewiesen werden.
Bettina hat die Inszenierung, die sie sich selbst geschaffen hatte, genossen
und wollte als Zuschauerin in der ersten Reihe dabei sein,
wenn die Ärztinnen um das Leben ihres Sohnes kämpften.
Janns Oma hatte vor Gericht ausgesagt, dass es ihrem Enkel nun besser gehe.
Jan ist, als seine Mutter vor Gericht steht, drei Jahre alt.
Doch auch wenn es ihm jetzt gerade wieder besser geht,
gibt der Vorsitzende Richter zu bedenken,
dass er noch lange mit den Folgen zu kämpfen haben wird.
Irgendwann wird er nach seiner Mutter fragen
und da muss man ihm irgendwie klar machen,
dass seine Mama im Gefängnis sitzt, weil sie keine gute Mama war.
Boah, ist das schlimm.
Also ich sehe das dann immer vor mir,
wie diese Mutter auf die Toilette geht und das dann macht.
Also das ist ja wirklich, weißt du,
dazu muss man sich ja auch erst mal bringen, ja.
Diese Planung, diese Spritze dann da aufzuziehen
und dann mit dieser kontaminierten Spritze mit den Fäkalien
an das Krankenbett zu treten und dem Kind dann da einzugehen.
In den Hals zu spritzen.
Auf dem Weg dahin muss dir 10.000 Mal kommen,
dass du das nicht machen solltest.
Also das ist, das ist so eine perfide Tathandlung, ne?
Also und was ich auch so krass finde,
ist, dass dieses Kind ja auch noch so klein war.
Das war ja wirklich auch, das konnte sich ja gar nicht wehren
und gar nicht verstehen, was so um den herum passiert.
und diese ganzen Ängste und Qualen und was er da hat durchleben müssen,
umsonst sozusagen, ohne Grund, das macht mich so sprachlos.
Was ich richtig gut fand, war, wie die Schwestern gehandelt haben
und auch der Arzt.
Also, dass die Schwester dann da halt drauf aufmerksam wurde,
auf diese Waschtasche, wo dann die Spritzen drin waren,
weil ich meine, keine Ahnung,
ist ja eigentlich nicht ihr Bier, da reinzugucken
oder das zu sehen oder so.
Und nur ganz kurz, also das steht zwar so im Urteil,
dass das ein Zufallsfund war
und dass sie da gerade sauber gemacht hat.
Ich möchte hier natürlich auch niemandem was unterstellen.
Ich würde es allerdings generell sehr nachvollziehbar finden,
wenn man aufgrund des Verhaltens der Mutter irgendwann sagt,
geht doch jetzt mal bitte jemand da rein
und guckt mal, ob da irgendetwas Auffälliges ist.
Ja.
Wie gesagt, offenbar war das hier jetzt nicht der Fall,
Aber ich hätte es auch gefeiert, weil es ja immerhin um das Leben
eines kleinen Menschen ging, der sich nicht selbst äußern konnte,
dazu, was da mit ihm passiert und gemacht wird.
Und auch fand ich interessant, dass der Arzt,
also klar, dass er das Jugendamt und die Polizei angeschaltet hat,
aber dass er dann auch selber die sozusagen konfrontiert hat,
weil ich finde das schon mutig,
weiß auch nicht, ob ich das selber machen würde.
Aber als Arzt bist du wahrscheinlich auch dann richtig sauer,
wenn dich jemand so von vorne bis hinten verarscht.
An seiner Stelle hätte ich das auch unbedingt machen wollen,
vor allem, wenn ich schon im Hintergrund alles organisiert habe.
Dieser Mann, der hat ja wirklich, also deswegen habe ich das auch so erzählt,
der hat halt auch Experten und Expertinnen sonst wo kontaktiert,
um diesen Jungen zu helfen.
Und dann erfährt er, das ist die eigene Mutter die ganze Zeit
und die führt uns hier alle an der Nase rum
und setzt das Leben ihres Sohnes aufs Spiel.
Ja, ich glaube, für das ganze Personal im Krankenhaus
ist das auch so nervenaufreibend.
Die haben ja, also so habe ich das zumindest immer erlebt,
wenn ich im Krankenhaus war,
das ist nicht einfach nur irgendeine random Person,
die dann vor einem liegt und schon gar nicht,
wenn das dann ein Kind ist, das leidet,
die natürlich entwickeln, die da eine Beziehung
und auch den Willen, diesem Kind zu helfen
und so hintergangen zu werden von einer Person,
die dann so tut, als wäre sie hier die fürsorgliche Mutter.
Da hast du doch dann auch kein Vertrauen mehr in Menschen, oder?
Wenn du sowas erlebst.
Ja, und gerade über die Station sagt man halt,
dass die Leute, die da arbeiten, so nett und so zutraulich
zu den Kindern sind, weil die das natürlich noch mal
in einem ganz anderen Umfang nötig haben als erwachsene Person.
Ja.
Und ich kann mir auch vorstellen,
dass es für die Mitarbeitenden da echt schwierig ist,
diese jungen Menschen da teilweise in den Tod gehen zu sehen
und dann da diesem kleinen Jungen, der selber so hilflos ist,
über einen so langen Zeitraum nicht helfen zu können.
Ja.
Und es ist ja dann auch noch zusätzlich so tragisch,
dass das so lange dauert, bis die diese Ursache gefunden haben.
Mhm.
Das ist laut einer Untersuchung der University of Arizona
aber leider auch keine Seltenheit bei Proxim.
In der Regel dauert es nämlich 15 bis 22 Monate,
bis die Diagnose gestellt werden kann.
Das liegt auch daran, dass die Kinder ja nicht immer,
die jetzt im Fall von Jan und Bettina im Krankenhaus sind,
sondern von dem Elternteil erst mal von Arzt zur Ärztin geschleppt werden
und eben im Zweifel häufiger auch wechseln.
Gerade dann, wenn das Elternteil Gefahr läuft, erwischt zu werden.
Ja, und das Problem ist ja auch,
dass diese TäterInnen halt so gute Schauspieler sind,
dass man als Arzt oder Ärztin auch gar nicht erst auf die Idee kommt,
denen das zu unterstellen.
Mhm.
Das kommt halt erschwerend hinzu, diese Diagnose überhaupt zu stellen.
Und davon handelt jetzt mein Aha.
Weil eigentlich ist man ja mit der Diagnose des Kindes beschäftigt.
Und natürlich kann man nicht allein anhand von Symptomen des Kindes
auf eine Krankheit der Mutter schließen.
Oder des Vaters im Zweifel auch mal.
Eine Diagnostik, die sich jetzt bisher durchgesetzt hat, die gibt's nicht.
Einfach, weil Münchhausen bei Proxy eben nicht so häufig vorkommt.
Aber es gibt Hinweise, wie auch bei Bettina.
Halt eben beispielsweise diese andauernde Symptomatik,
ohne dass es dafür wirklich eine erklärbare Ursache gibt
oder die gefunden werden kann.
Oder dass die Symptome wechseln und auch das unerklärbar ist.
Meist will das Elternteil unbedingt Behandlung und gerne auch im Krankenhaus.
Also so ein bisschen, je schlimmer, desto besser.
Und zeigt sich wenig erschüttert, wenn ihnen schwerwiegende Befunde mitgeteilt werden.
Das ist ja eigentlich bei Eltern nicht so.
Eigentlich ist es das Gegenteil, ja.
Wenn es dann eine Besserung gibt oder sogar eine Krankenhausentlassung ansteht,
die ÄrztInnen oder der restlichen Familie Hoffnung gibt,
dann verschlechtert sich der Gesundheitszustand meist wieder rapide.
Ein anderer Hinweis auf Münchhausen bei Proxy ist natürlich auch,
dass die Symptome verschwinden oder schnell besser werden,
wenn Kind und Elternteil getrennt werden.
Das wird das Elternteil aber eben in der Regel nicht zulassen,
weil es natürlich erstens das Kind dann nicht mehr so als Spielball benutzen kann
und wie im Fall von Bettina sich dann halt eben nicht mehr als fürsorgliche Mutter
vor dem ÄrztInnen-Team präsentieren kann.
Und zweitens, weil die Person natürlich auch weiß,
dass sie Gefahr läuft, so entdeckt zu werden.
Deswegen benutzt man diese Trennung halt oft als Diagnosemittel,
zumindest im Krankenhaus oder in England oder den USA
greift man zu so einer versteckten Kameraüberwachung.
Das ist hier in Deutschland aber natürlich wegen unserer rechtlichen Lage nicht möglich.
Oder macht man zumindest nicht.
Bei so einer Diagnose muss man natürlich sau aufpassen,
weil wenn das Elternteil das wittert, dass man ihm auf der Spur ist,
dann kann es halt ganz schnell sein, dass es dann den Arzt oder die Ärztin wechselt
und so ein Ärzte-Hopping macht.
Ja, und ist es dann auch irgendwie die Aufgabe des Arztes oder der Ärztin,
da dann so hinterher zu forschen?
Weißt du, was ich meine?
Weil wenn man vielleicht so einen ersten Verdacht hat,
dann schreibt man das vielleicht in seinen, ne, mit irgendwie auf
oder vielleicht schreibt man es auch nicht auf und verwirft es direkt.
Und wenn du dann die Mutter aber nie wieder siehst und direkt wieder 100 andere kleine
PatientInnen in deinen Raum da kommen, dann kann ich mir vorstellen,
dass es halt schnell auch nicht vergessen wird, aber dann so im ganzen Wusel untergeht.
Naja, gut, was soll die Person dann ja auch machen?
Ja, die ist ja, genau, also man könnte sich ja beim Jugendamt oder bei der Polizei melden,
aber wenn man nicht richtige, also ich glaube, das ist dann ja auch eine Überwindung,
sowas zu machen.
Naja, und wie gesagt, also du musst ja jemanden lange begleiten,
damit sich so ein Verdacht erstmal erhärten kann.
Ja.
Und das ist ja auch wichtig, weil eins ist auch klar,
eine Fehldiagnose kann zu fatalen Folgen führen,
weil man natürlich Gefahr läuft, fälschlicherweise eine Straftat zu unterstellen
und dann diese Familie eventuell auch auseinander zu bringen.
Und deswegen muss man, selbst wenn vieles auf bei Proxy hindeutet,
sehr gewissenhaft damit sein.
Diplompsychologe Professor Uwe Thewes,
der auch als forensischer Sachverständiger in Familien- und Strafrechtsverfahren tätig war
und auch schon einige bei Proxy-Gutachten geprüft hat,
meint, dass häufig zu schnell die Diagnose Münchhausen bei Proxy gestellt wird,
obwohl es noch andere Erklärungen für die Symptome des Kindes geben kann,
hat er uns im Interview erzählt.
Zunächst einmal fällt dabei auf,
dass der Begriff an sich schon inflationär verwendet wird,
dass praktisch jedes Verhalten,
das die Gesundheit des Kindes beeinträchtigt oder schädigt,
als Münchhausen bei Proxy-Syndrom klassifiziert wird,
das ist ja definitiv nicht so.
Manche Eltern schädigen ja ihre Kinder aus völlig anderen Gründen.
Manchmal ist es unsachgemäßer Umgang mit den Kindern,
mal ist es eine gezielte Kindesmisshandlung,
aus welchen Gründen auch immer,
weil die Eltern ihre Impulse nicht unter Kontrolle haben
oder weil sie besonders rigide und autoritäre Erziehungsvorstellungen entwickelt haben
und meinen, man muss viel Verhalten von Kindern durch schwere Strafen sanktionieren.
Also heißt nur, in Anführungsstrichen,
weil die Eltern das Kind misshandeln,
müssen sie nicht Münchhausen bei Proxy haben.
Das ist halt auch nur dann der Fall,
wenn sie die Krankheit vor allem für Aufmerksamkeit vorgaukeln.
Ja, wenn es jetzt nur um materielle Werte gehen würde,
dann würde es sich nicht um bei Proxy handeln
und es darf auch keine andere psychische Störung vorliegen,
die diese Misshandlung irgendwie anders erklärt.
Der Fall, den ich jetzt erzähle,
zeigt, wie weit eine Mutter geht,
um zu verhindern, dass ihre Lebenslüge auffliegt.
Einige Namen habe ich geändert.
Fünf Jahre später
Mit zitternden Händen und sichtlich nervös
sitzt der kleine blonde Junge neben seiner Mutter.
Die beiden warten schon länger im Flur der Notaufnahme,
bis endlich eine Krankenschwester auf sie zukommt.
Katie, die Mutter, erklärt der Frau aufgeregt,
dass ihr fünfjähriger Sohn Garnett
gerade eine Art epileptischen Anfall hatte.
Die Krankenschwester ist alarmiert
und holt sofort einen Arzt hinzu.
Der will von Katie genau wissen, was passiert ist.
Garnett habe erst starke Kopfschmerzen gehabt,
dann am ganzen Körper gezittert
und seine Augen seien nach hinten gerollt,
so die Mutter.
Der Mediziner fragt, ob das öfter vorkomme,
woraufhin die 27-Jährige
ihm einen kurzen Abriss von Garnetts Krankengeschichte gibt,
die bereits angefangen hatte,
als der noch ein Säugling war.
Katie erzählt von Garnetts ständigem Erbrechen,
das ihm mit nur neun Wochen die erste Operation bescherte.
Von der Magensonde,
die ihm mit nur neun Monaten eingesetzt wurde,
weil er einfach nicht hatte essen wollen.
Von den ständigen schweren Entzündungen seiner Ohren,
der Morbus-Cron-Erkrankung
und der Glutenunverträglichkeit.
Und eben von diesen Anfällen,
die er seit kurzem wieder hat,
die auch schon mal im Säuglingsalter aufgetreten waren,
weil die Natriumkonzentration in seinem Blut zu hoch war.
Der Arzt ist erstaunt über die vielen Leiden des kleinen Jungen
und die Versiertheit,
mit der Katie mit medizinischen Begriffen jongliert.
Garnett wird daraufhin untersucht
und verschiedene Tests werden durchgeführt.
Doch nichts weist auf einen epileptischen Anfall hin.
Um auf Nummer sicher zu gehen,
möchte der Arzt Garnett aber zur Beobachtung
im Krankenhaus lassen und ein EEG durchführen.
Katie stimmt zu.
Heilende Vibes
Garnett wurde gerade ins Krankenhaus eingeliefert.
Dieser Post erscheint am 17. Januar 2014,
kurz nach dem Gespräch mit dem Arzt
auf Katies Facebook-Seite.
Auf diesem Account,
den sie Garnetts Heilungsreise nennt,
lässt sie ihre Followerschaft täglich
an seiner Krankengeschichte teilhaben.
Und es dauert nicht lange,
da prasseln etliche aufmunternde Nachrichten auf sie herein.
Um ihre Online-Freundinnen auch visuell
bei diesem Krankenhausaufenthalt mitzunehmen,
postet Katie kurze Zeit später auch noch ein Foto von ihrem Sohn.
Darauf ist der Fünfjährige zu sehen,
wie er in dem viel zu großen Krankenhausbett liegt
und ein intravenöser Zugang sich seinen Arm hochschlängelt.
Später kommt noch ein Bild dazu.
Zu dem Zeitpunkt wurde das Kind bereits an das EEG angeschlossen
und so sieht man ihn mit einem weißen Verband um den Kopf,
unter dem die kleinen Elektroden kleben,
die seine Gehirnaktivitäten messen.
Neben ihm sitzt seine Mutter
mit den kurzen hellbraunen Haaren,
den braunen Augen
und einem breiten Lächeln,
bei dem man ihre großen, geraden Zähne sehen kann.
In den nächsten Stunden geht es Garnett schon viel besser.
So gut, dass Maria zu Besuch kommen darf,
eine Freundin der Familie und Nachbarin,
die sich oft um Garnett kümmert.
Maria bleibt ein paar Stunden
und beschäftigt sich mit dem Kind.
In dieser Zeit gibt es keine Hinweise auf Krampfanfälle.
Bei der Visite am Sonntagmorgen dann die gute Nachricht.
Auch das EEG zeigt keine abnormalen Aktivitäten.
Jetzt müsste man nur noch auf die Ergebnisse des MRT warten
und sollten die wie erwartet ausfallen,
könnte Garnett schon morgen wieder nach Hause.
Doch eine Stunde nach der Visite geht es dem Fünfjährigen auf einmal schlecht.
Er sitzt vorn übergebeugt auf seinen Knien
und versucht immer wieder, sich zu übergeben.
Aber es kommt nichts raus.
Katie ruft sofort nach einer Krankenschwester.
Als die sieht, wie Garnett sich krümmt und weint,
alarmiert sie die Bereitschaftsärztin.
Garnett bekommt daraufhin ein Mittel gegen Übelkeit
und wird an den Tropf gelegt.
Außerdem wird ihm Blut abgenommen.
Bitte, bitte sendet Garnett eure Liebe.
Es ging ihm gerade noch gut
und jetzt innerhalb von Minuten ist er wieder sehr krank,
fleht Katie bei Facebook,
während sie auf die Ergebnisse des Tests wartet.
Um 14.30 Uhr die Entwarnung.
Die Blutwerte sind im Normalbereich.
Auch der Natriumwert ist bei 144 durchschnittlich.
Garnett geht es mittlerweile auch schon wieder besser.
Kein Würgen, kein Weinen und keine Bauchschmerzen mehr.
Doch gegen Abend fängt der Junge plötzlich wieder an, sich zu winden.
Erneut kriegt er Medikamente,
doch diesmal scheint nichts zu helfen.
Er klagt über starke Kopfschmerzen,
während sich seine Augen immer weiter mit Tränen füllen.
Und um 17.30 Uhr kommt er schließlich.
Der Anfall, der Garnett am ganzen Körper zittern
und seine Augen nach hinten rollen lässt.
Als die ÄrztInnen in sein Krankenzimmer stürmen,
schreit Katie, seht ihr, er hat einen Anfall.
Garnett bekommt sofort ein starkes krampflösendes Medikament.
Doch es rollen immer wieder neue Anfälle über den kleinen Körper hinweg.
Solange bis Garnett nicht mehr selbstständig atmen kann
und intubiert werden muss.
Weil die MedizinerInnen es nicht schaffen,
die Anfälle zu stoppen,
wird eine Spezialkinderklinik in der Nähe alarmiert
und alles für den Transport des Jungen vorbereitet.
Als Garnetts Blut noch einmal gecheckt wird,
ist klar, woher die Krämpfe kommen.
Sein Natriumwert ist innerhalb der letzten viereinhalb Stunden
von 144 auf 182 geklettert.
Nebens gefährlich hoch.
Garnett muss jetzt sofort in das andere Krankenhaus geflogen werden.
Und während Katie neben ihrem mittlerweile bewusstlosen Sohn
im Helikopter sitzt und wartet, dass der abhebt,
schreibt sie, betet für Garnett.
Er ist an lebenserhaltenden Maschinen angeschlossen
und wird in ein anderes Krankenhaus geflogen.
Als sie in der Spezialklinik ankommen,
wartet Maria bereits auf die beiden.
Sie will für ihre Freundin da sein
und begleitet Katie zum Gespräch mit dem Chefarzt.
Auch der möchte alles zu Garnetts Krankengeschichte hören,
um zu verstehen, wie sein Natriumwert
in kurzer Zeit so hoch klettern konnte.
Wann haben sie ihren Sohn denn zum letzten Mal
über die Magensonde gefüttert, fragt er dann.
Das letzte Mal vor einer Woche, antwortet Katie.
Maria, die neben ihr sitzt, stutzt,
hatte sie doch gesehen, wie Katie Garnett
noch Freitagmorgen vor der Fahrt ins Krankenhaus
Flüssigkeit über die Sonde verabreicht hatte.
Sie will Katie daran erinnern und setzt zum Einwand an.
Da dreht sich Katie zu ihr um
und sieht sie so durchdringend an,
dass Maria verstummt.
Ah.
Dass Katie Probleme mit der Wahrheit hat,
wird schon früh in ihrem Leben deutlich.
So erzählt sie als Jugendliche in der Nachbarschaft
Lügengeschichten herum,
wie, dass sie von einem Verwandten
sexuell missbraucht wird
oder bereits mehrere Fehlgeburten erleiden musste.
Als sie volljährig ist und als Babysitterin arbeitet,
gibt sie sich immer wieder als Mutter der Kinder aus.
Auch im Internet.
Dort postet sie hunderte Fotos der Kinder
mit Bildunterschriften wie
Meine Welt, mein Alles
oder Er macht mich vollständig.
Auf einem der Bilder
küsst sie einen kleinen Jungen auf den Mund
und schreibt dazu
Die Liebe einer Mutter ist unerklärlich.
Als Katie im März 2008
dann tatsächlich selbst schwanger wird,
lügt sie dem Vater des Kindes,
ihrem Nachbarn, vor,
dass nicht er der Vater sei,
sondern ihr Ex, Blake.
Einen Ex-Freund Blake
gibt es aber nicht.
Katie war zwar ein paar Monate zuvor
dreimal mit einem Polizisten
namens Blake Roberts aus,
es hatte sich daraus aber nie
wie eine Beziehung entwickelt.
Als ihr Sohn Garnett dann am 3. Dezember 2008
das Licht der Welt erblickt,
wird die Zeile zum Vater in der Geburtsurkunde
einfach leer gelassen.
Katie ist jetzt alleinerziehende Mutter,
die ihren ganzen Stolz
sofort bei Social Media präsentiert.
Er ist ganz meins,
steht neben einem Foto des Neugeborenen.
Das gibt mir schon geiselhaft Vibes.
Ja.
Vor allem auch,
wenn man bedenkt,
dass sie vorher immer
von den anderen Kindern gepostet hat.
Und da waren ja immer noch andere Mütter dabei,
die irgendwie ein Auge auf diese Kinder hatten.
Und jetzt,
es ist ganz meins.
Und sie lässt den Vater ja auch nicht ran.
Als wäre das ein Gegenstand,
der nur ihr gehört.
Ja.
Zwei Tage nach der Geburt
darf Katie Garnett mit nach Hause nehmen.
Mutter und Kind sind wohl auf.
Doch schon zwei Tage später
kommt sie mit ihm zurück in die Notaufnahme.
Sie spricht von Fieber,
Gelbsucht und davon,
dass Garnett sich immer wieder
an den Ohren ziehen würde.
Die Ärztinnen können allerdings nichts feststellen
und so wird Katie wieder weggeschickt.
Kurz nach Weihnachten
steht sie aber schon wieder auf der Matte
und bei Facebook
sind ihre Follower quasi live dabei.
Armes Baby.
Seht seinen Zugang.
Meine ganze Welt.
Erst mein Leben.
Steht neben einem Foto des Säuglings,
der an einen Tropf angeschlossen ist.
In den ersten Wochen seines Lebens
schleppt Katie ihren kleinen Sohn
immer wieder in verschiedene Kliniken.
Entweder mit schweren Ohrenentzündungen,
womit übrigens auch die anderen Kinder
immer wieder zu kämpfen hatten,
die bis Garnetts Geburt
in Katies Obhut waren.
Oder mit der Nachricht,
dass Garnett sich immer wieder übergebe
und nichts bei sich behalten könne.
Doch in den Krankenhäusern
und Praxen angekommen,
kann nie festgestellt werden,
dass er nicht isst.
Bis ein Gastroenterologe
bei dem abgemagerten Säugling
schließlich die sogenannte
Reflux-Krankheit diagnostiziert,
bei der Magensäure in die Speiseräure fließt.
Der Mediziner entscheidet sich daraufhin
für einen folgenschweren Eingriff.
Er führt eine Operation durch,
die Garnett von da an daran hindern wird,
sich zu übergeben.
Offenbar führt dieser Eingriff
aber nicht zum gewünschten Ziel,
weil nur eine Woche später
liegt er schon wieder
dehydriert im Krankenhaus.
Eine Schwester schafft es dort schließlich,
den Kleinen mit der Flasche der Mutter
zum Trinken zu bringen,
doch kurze Zeit später
wirkt das Baby teilnahmslos.
Bluttests zeigen eine erhöhte
Natriumkonzentration,
einen Wert von 166.
Garnett bekommt Krampfanfälle
und hört auf zu atmen.
Das neun Wochen alte Kind
wird in ein anderes Krankenhaus geflogen,
in dem es die Ärztinnen schaffen,
es zu stabilisieren.
Neun Wochen.
Ja, das ist halt ganz, ganz mini.
Woher der hohe Natriumwert kam,
kann sich hier niemand erklären.
In den nächsten Monaten
klagt Katie weiterhin darüber,
dass Garnett nichts essen würde.
Bei mehreren Ärztinnen
ist sie vorstellig,
schlägt irgendwann sogar vor,
dem Kind eine Magensonde
einsetzen zu lassen.
Niemand sieht das als notwendig an.
Erst nach einem halben Jahr
findet Katie einen Mediziner,
der sich darauf einlässt.
Und so wird einem neun Monate altem Kind
schließlich eine Magensonde gelegt.
Minuten nach der Operation
Mami, ich fühle mich schlecht
und mein Bauch tut weh,
erscheint neben einem Foto
eines frisch operierten Garnett.
In den nächsten Jahren
gibt es etliche solcher Posts.
Texte wechseln sich ab wie
Bitte betet für meinen kleinen Prinzen.
Er hat schon wieder
eine Ohrenentzündung, armes Baby.
Ugh, Garnett will einfach nicht essen.
Ich kämpfe mit ihm
um ein oder zwei Bissen.
Aber das ist schon ein Kampf.
Wenn das so weitergeht,
wird er auch mit 40
noch seine Magensonde brauchen.
Zu ihren zwei Facebook-Accounts
Katie33 und Katie16
gesellt sich mit der Zeit
noch Garnetts Heilungsreise
und der Blog Garnettsreise.
Der erste Blog-Eintrag
am 3. Juni 2011
betrifft ihren angeblichen
Verlobten Blake.
Darin berichtet Katie zunächst davon,
dass Blake vor ein paar Monaten
während eines Polizeieinsatzes
bei einem Autounfall
tödlich verunglückt sei.
Sie beschreibt dann eine Situation,
in der Garnett sie fragt,
wo denn sein Vater sei
und sie ihm erklärt,
dass er in ihm lebe.
Kommentare wie
Du bist wundervoll,
tolle Antwort
und
Du bist eine großartige Mutter
ploppen darunter auf.
Immer wieder erscheinen
ab jetzt Beiträge
zu Katies angeblich
verstorbenem Seelenverwandten
inklusive Fotos,
die diesen
Blake Roberts zeigen,
mit dem Katie ja
am Ende nur dreimal
aus war
und der auch übrigens
nicht tot ist.
Und kriegt er das
nicht mit?
Also ich stelle mir das so vor,
das kann ihm doch mal
jemand schicken.
Also er kriegt es nicht mit
in diesen paar Jahren,
in denen die das macht,
aber natürlich danach
und
ja,
der war ziemlich geschockt,
dass er,
dass einfach Fotos
von ihm verwendet wurden
und dazu geschrieben wurde,
dass er
nicht mehr lebt.
Also
da hast du dich einmal
mit jemandem getroffen,
dreimal
und dann passiert sowas.
Also das passt
in die Kategorie
hätte ich die Hose mal
angelassen.
Ja.
Ich meine,
bei denen ging es gar nicht,
also da kam es gar nicht
erst zum Sex.
Nicht dein Ernst?
Doch,
weil er ist auch so,
sehr religiös.
Also da tut man einfach
nur leid.
Nee,
jetzt nicht wegen der Religion,
sondern weil er ja auch dann,
weißt du,
dann ging es ihm ja nicht
mal darum.
Der wollte die dann halt
kennenlernen.
Oder was?
Ja.
Boah.
Auf ihren anderen Accounts
erwähnt Katie
diesen Blake übrigens
nicht mit einem Wort.
Wahrscheinlich,
weil ihr da auch
Familienmitglieder folgen.
Als Garnett vier Jahre alt ist,
entscheidet sich Katie
in die Nähe von New York City
umzuziehen.
Von einer Freundin
hat sie von der
Fellowship Community gehört,
in der um die 80 Menschen
zusammenleben
und sich selbst versorgen.
Farm-to-Table-Style,
ohne Gluten,
ohne raffinierten Zucker,
ohne Milchprodukte.
Auch eine Waldorfschule
gehört zu der Gemeinde.
Die perfekte Umgebung
für Garnett,
um endlich gesund zu werden,
erklärt Katie ihren Umzug.
Und tatsächlich
entwickelt sich Garnett
dort prächtig.
Tagsüber rennt der
Vierjährige über das
große Gelände,
genießt die Natur
und ist der Sonnenschein
der Gemeinde.
Alle lieben den
aufgeweckten,
quasselnden Jungen
mit den strahlenblauen Augen,
der neugierig und aktiv
seine neue Umgebung
kennenlernt.
Garnett verbringt auch
immer mehr Zeit
mit den anderen
Mitgliedern der Community,
besonders mit Maria,
die zu einer guten Freundin
von Katie wird.
Von Garnetts vielen Krankheiten
und den Schwierigkeiten
bezüglich der Nahrungsaufnahme
von der Katie ihnen erzählt,
bekommen die anderen
aber nichts mit.
Nur, dass sie ihm abends
manchmal über seine Magensonde
eine milchige Flüssigkeit gibt.
Nährstoffe und Vitamine,
erklärt die Mutter,
wenn jemand fragt.
Und dann kommt Freitag,
der 17. Januar 2014.
Der Tag, an dem Katie
Garnett mit Anfällen
ins Krankenhaus bringt.
Zwei Tage später
liegt er in der Spezialklinik.
Hier wird der 5-Jährige
untersucht
und eine Diagnose gestellt.
Hypernatriämie,
eine seltene Elektrolytstörung,
bei der die Natriumkonzentration
im Blut zu hoch ist.
Ursache dafür,
meist starke Dehydrierung.
Hypernatriämie ist gefährlich,
denn sie kann dafür sorgen,
dass das Gehirn anschwillt.
Mit allen Mitteln
wird also nun versucht,
die Natriumkonzentration
zu verringern
und in den nächsten 24 Stunden
schaffen die Ärztinnen
es auch ganz langsam
den Wert runterzubringen.
Soweit,
dass Garnett am Montagnachmittag
von der Beatmungsmaschine
abgeschlossen werden kann.
Langsam kommt das Leben
zurück in den kleinen Mann,
der den Umstehenden
daraufhin erklärt,
er würde jetzt gerne
nach Hause gehen.
Doch dieser Wunsch
kann ihm nicht mehr
erfüllt werden.
Um kurz nach 10 Uhr
am nächsten Morgen
schrillt der Alarm
aus seinem Krankenzimmer.
Garnett reagiert nicht mehr.
Das Natrium
hatte bereits
zu großen Schaden
angerichtet
und sein Gehirn
anschwellen lassen.
Um 10.38 Uhr
wird er offiziell
für Hirntod erklärt.
Minuten später.
Mein süßes Baby Garnett
wurde für Hirntod erklärt.
Das kann gar nicht
möglich sein.
Das ist mein Baby.
Ich bin nicht bereit,
ihn loszulassen.
In der Kinderklinik
ist man völlig geschockt
und ratlos.
Wie konnte sich
die Natriumkonzentration
in Garnetts Blut
innerhalb von so kurzer Zeit
so drastisch erhöhen?
Medizinisch sei das
nicht zu erklären.
Nach mehreren Gesprächen
wird die Vermutung geäußert,
dass jemand dem Kind
Salz gegeben haben muss,
um diesen Wert
erzeugt zu haben.
Der Verdacht fällt
auf die Mutter
und so wird noch am Tag
von Garnetts Hirntod
die Polizei alarmiert.
Ermittler Daniel Kaffi
ist der Erste,
der im Krankenhaus ankommt.
Sein Weg führt ihn
zunächst zur trauernden Mutter,
die auch ihm
die komplette Leidensgeschichte
ihres Sohnes erzählt.
Nach Garnetts Vater
gefragt,
berichtet Katie
von ihrem toten,
verlobten Blake.
Der Ermittler ist schockiert
angesichts der vielen
Schicksalsschläge,
die die junge Mutter
in ihrem Leben schon hat
verkraften müssen.
Während sich die beiden
unterhalten,
kommen Katies Eltern
in der Klinik an.
Sie waren 14 Stunden
durch die Nacht gefahren,
um für ihr einziges
Enkelkind da zu sein,
nur um jetzt zu erfahren,
dass sie zu spät gekommen sind.
Als Daniel Kaffi
daraufhin kurz mit Katies
Vater alleine ist,
spricht er auch ihm
sein Beileid
bezüglich Katies
totem,
verlobten Blake aus.
Darauf schaut ihn
Katies Vater verwirrt an
und fragt,
wer ist Blake?
Das ist ja das
Allerschärfste.
Mhm.
Nach diesem
merkwürdigen Gespräch
fährt Ermittler
Daniel Kaffi
zurück ins Präsidium
und kümmert sich
um einen
Durchsuchungsbefehl
für Katies
und Garnetts
Zuhause.
Als sein Team
die kleine Wohnung
auf dem großen Gelände
der Fellowship Community
betritt,
entdecken die Ermittelnden
in der Küche
einen Tisch voller
kleiner Medikamentendöschen.
Unmittelbar davor
steht eine große
Packung Speisesalz.
Alles wird sorgsam
in Plastikbeutel
verstaut und mitgenommen.
Zwei Tage später
entscheidet Katie,
dass die lebensverlängernden
Geräte
abgeschaltet werden.
Garnett
stirbt.
An diesem Tag
meldet sich dann noch
ein Mitglied der Community
bei der Polizei.
Lisa,
eine Freundin von Katie
erzählt,
dass Katie sie am Tag
der Hausdurchsuchung
darum gebeten hatte,
in ihre Wohnung zu gehen
und einen von Garnetts
Fütterungsbeuteln
verschwinden zu lassen.
Das hatte Lisa getan,
weil sie so geschockt
von Garnetts Zustand war
und der trauenden Mutter
nichts hatte abschlagen wollen.
Sie hatte den Beutel
aber nicht weggeschmissen,
sondern mit nach Hause genommen
und sich zunächst
mit den anderen BewohnerInnen
ausgetauscht.
Gemeinsam hatten sie entschieden,
der Polizei davon zu erzählen.
Sofort machen sich die
Ermittlerinnen auf den Weg,
um das mögliche Beweisstück
abzuholen,
das mit einer milchigen
Flüssigkeit gefüllt ist.
Dabei finden sie auch
noch einen zweiten Beutel
im Mülleimer von
Katies Wohnung.
Sofort lassen sie
beides untersuchen.
Ergebnis,
die Flüssigkeit
ist voller Salz.
Der Verdacht,
Katie könne etwas
mit dem Tod
und den Krankheiten
ihres Sohnes zu tun haben,
erhärtet sich.
Bei den darauffolgenden
Vernehmungen
früherer behandelnder
ÄrztInnen wird klar,
dass es solche Gedanken
schon früher gab.
Manche MedizinerInnen
hatten schon vor Jahren
in ihren Berichten
den Verdacht
auf Münchhausen
bei Proxy geäußert
und sich Sorgen
um Katies
mentale Gesundheit gemacht.
Es ist von postnatalen
Depressionen die Rede
und von einer jungen Mutter,
die geäußert hatte,
sie wolle ihrem Sohn
etwas antun.
Die Ermittlerinnen
finden auch mehrere Berichte
von Jugendämtern,
die im Laufe der Jahre
eingeschaltet worden waren.
Entweder, weil Personen
mitbekommen hatten,
wie Katie Garnett
anschrie,
am Arm riss
und zum Weinen brachte,
nur um ihn daraufhin
zu trösten.
Oder weil sie sich
darüber gewundert hatten,
wie häufig das kleine
Kind krank ist.
Ja, und all die
Jugendämter
und all die ÄrztInnen
waren nicht miteinander
connected,
durften das wahrscheinlich
auch rechtlich nicht
und so ist das dann
nie aufgeploppt
für längere Zeit.
Ja, alle Berichte
dieser Jugendämter
wurden quasi
ohne Konsequenzen
geschlossen,
was auch zum Beispiel
damit zu tun hatte,
dass die Katie
dann einfach nicht da war,
wenn die vorbeigekommen sind
oder sich nicht mehr
gemeldet hat und so.
Hm.
Sie ist ja aber auch
offenbar häufiger umgezogen,
oder nicht?
Ja, genau.
Für die Ermittelnden
wird das Bild
einer Mutter,
die ihr eigenes Kind
krank macht,
immer deutlicher.
Doch sie brauchen
mehr Beweise.
Daher werden zunächst
Katies Handydaten
ausgewertet.
Verschiedene alarmierende
Suchanfragen kommen
zutage.
So hatte Katie
einige Tage,
bevor sie Garnett
ins Krankenhaus
gebracht hatte,
unter anderem
folgende Worte
in ihre Google-Zeile getippt.
Normaler Natriumwert
bei einem Kind.
Symptome von
erhöhter Natriumkonzentration
bei einem Kind.
Oder was passiert,
wenn jemand
hohe Natriumkonzentration
im Blut hat?
Während Katie
dann schon mit Garnett
im Krankenhaus war,
googelte sie noch einmal,
fragte,
was Jodsalz ist
und warum man das
kaufen sollte.
Als das Team
rund um Daniel Kaffi
im Zuge von Befragungen
dann noch herausfindet,
dass während des EEGs
eine Kamera
in Garnetts
Krankenzimmer lief,
steigt die Hoffnung,
Katie auf frischer Tat
zu ertappen.
Die Kamera hatte,
allerdings ohne Ton,
fast den kompletten
Krankenhausaufenthalt
aufgezeichnet,
von dem Moment an,
als am Freitagabend
das EEG
angeschlossen wurde,
bis zum Sonntagabend,
als Garnett
aufgrund seiner Anfälle
in das Spezialkrankenhaus
verlegt wurde.
Am Sonntagmorgen
zeigt das Video
zunächst die Visite,
in der Katie
mitgeteilt wird,
dass Garnett voraussichtlich
am nächsten Morgen
wieder nach Hause darf.
Eine Stunde später
kann man dann beobachten,
wie Katie ihren Sohn
aus dem Bett hebt
und auf die Toilette bringt,
die außerhalb
des Kamerabildes liegt.
37 Sekunden später
sieht man Katie wieder,
mit Garnetts Magensonde
in einer Hand
und einem großen Becher
in der anderen.
In den nächsten drei Minuten
ist nur das leere
Krankenhausbett im Bild.
Dann tauchen Mutter und Sohn
wieder zusammen auf.
Der Junge wirkt jetzt lethargisch,
immer wieder reibt er seine Nase
und es dauert nicht lange,
da setzt sich Garnett
auf seine Knie,
beugt sich nach vorne
und versucht sich immer wieder
erfolglos zu übergeben.
Zehn Minuten,
nachdem Katie ihn
auf die Toilette gebracht hat,
ruft sie nach Hilfe.
Im Bild erscheinen
mehrere Menschen,
die sich um Garnett kümmern
und über die nächsten Stunden
kann man verfolgen,
wie es dem Kind
langsam besser geht.
Um 16 und 19
ist Katie dann wieder zu sehen,
wie sie Garnett
ins Badezimmer bringt.
Dieses Mal
drückt sie elf Minuten später
den Knopf,
um Hilfe zu holen.
Fünf Monate nach Garnetts Tod
haben die Ermittelnden
genug Beweise zusammen,
um Katie festzunehmen.
Ein halbes Jahr später
beginnt ihr Prozess.
Als Katie am 3. Februar
2015 in den Verhandlungssaal
geführt wird,
steht sie neben sich
und wirkt aufgelöst.
Nachdem sie sich
neben ihre zwei Verteidiger
gesetzt hat,
nimmt sie ihre schwarze Brille ab
und wischt sich
ihre Augen trocken.
Kurz danach
beginnt die Staatsanwältin
mit ihrem rund
einstündigen Opening Statement,
währenddem sie vor der Jury
hin und her schreitet.
Katie ist keine
unschuldige Mutter,
die den Tod
ihres Sohnes betrauert.
Sie ist eine
kalkulierende
Kindermörderin,
die den Tod
ihres Sohnes
mit Hilfe von Salz
geplant und durchgeführt hat.
Sie ist nicht mehr länger
die Mutter von Garnett,
weil sie ihn umgebracht hat,
erklärt sie den zwölf Geschworenen.
Aus Angst,
Garnett aufgrund seines Alters
nicht länger kontrollieren zu können,
habe Katie ihm
im Januar 2014
eine Überdosis Salz
über seine Magensonde
eingeführt.
Mit dem Wissen,
dass er daran sterben würde.
Als die Staatsanwältin fertig ist,
steht Katies Verteidiger auf.
Er stellt sich 15 Sekunden lang
vor die Jury,
ohne ein einziges Wort zu sagen.
Dann erklärt er...
Mäh!
Dann erklärt er,
liebe Jury,
das, was Sie gerade gehört haben,
diese ohrenbetäubende Stille,
steht für die direkten Beweise
in diesem Fall.
Nicht eine einzige Person
werde in diesem Prozess auftreten,
die gesehen hat,
wie Katie ihrem Sohn
irgendetwas gegeben hat,
das ihn hätte töten können.
Nicht sein fucking ernst.
Ich habe gedacht,
der sagt nichts,
weil das so eine Art
Eingeständnis sein soll,
so nach dem Motto,
ich kann dazu nichts mehr sagen,
bitte verurteilen Sie meine Mandantin.
Ja, aber das ist ja noch
vor den ganzen Beweissachen,
das ist ja ganz am Anfang.
Ich weiß.
Ja.
Außerdem sagt er dann noch,
es werde nicht ein einziger
forensischer Beweis
von dem besagten Tag präsentiert.
Katie sei eine liebende Mutter gewesen,
die alles dafür getan habe,
ihrem Sohn die beste
medizinische Versorgung zu geben.
In den nächsten Tagen
werden insgesamt 35 ZeugInnen gehört,
darunter ÄrztInnen,
Krankenhauspersonal
und Menschen wie Maria und Lisa,
die Katie und Garnett kannten.
Allerdings keine
psychiatrischen Sachverständigen.
Katies Verteidiger haben durchgesetzt,
dass das Thema Münchhausen
bei Proxy während des Prozesses
keine Rolle spielen darf,
weil Katie bisher nicht
mit der Störung diagnostiziert wurde.
Und solange die Verteidigung
Katies mentalen Gesundheitszustand
nicht selbst zum Thema macht,
was nicht passieren wird,
weil Katie ein Recht darauf hat,
sich nicht selbst zu belasten,
sind der Staatsanwaltschaft
die Hände gebunden.
Doch auch ohne diese Komponente
kommt die Jury
einen Monat nach Prozessbeginn
auf ein einheitliches Urteil.
Schuldig im Sinne der Anklage
des Second-Degree-Mörder.
Ein Urteil,
bei dem der Strafrahmen
bei bis zu 25 Jahren liegt.
Der Richter entscheidet sich für 20
und begründet das mit
Katies mentaler Gesundheit.
Zitat
Anstatt ein wundervolles Kind
zu beschützen und zu versorgen,
haben sie es fünf Jahre lang gefoltert.
Indem ich ihnen heute
nicht die Höchststrafe auferlege,
verbinde ich die Bestrafung mit etwas,
das sie ihrem Sohn gegenüber
nicht gezeigt haben.
Gnade.
Weiter erklärt er,
man müsse kein Psychiater sein,
um zu sehen,
dass Katie an Münchhausen
bei Proxy leide.
Ich hoffe,
sie werden die Erkrankung
in den nächsten Jahren akzeptieren
und jede Behandlung annehmen,
die ihnen angeboten wird.
Meine Hoffnung ist auch,
dass die Öffentlichkeit,
die dieser Fall gebracht hat,
ein Licht auf diese Erkrankung
scheinen lässt,
um die Menschen dafür
sensibler zu machen
und nicht vor Anzeigen
zurückschrecken zu lassen.
Katie hat in ihrem Leben
nur sehr selten
die Wahrheit gesagt,
vor allem nicht online.
In einem Post von 2012,
in dem sie darüber berichtet,
dass sie Garnett angeschrien hat,
weil er sich nicht die Zähne putzen wollte,
wird sie aber ehrlicher,
als sie wahrscheinlich wollte.
Ich bin die schlimmste Mutter ever.
Ich habe kläglich versagt.
Nicht nur werde ich mir selbst
niemals vergeben.
Mein Kind wird mir höchstwahrscheinlich
auch niemals vergeben.
Als er mir sagte,
dass er mich hasst,
habe ich das komplett verstanden.
Ich hasse mich selbst.
Ja, da gibt es auch nicht viel zu lieben.
Und ich hoffe,
dass ihr das niemals
jemand verzeihen wird,
weder ihr totes Kind
noch sonst jemand aus ihrer Familie.
Ja, diese Frau war bei der Recherche
echt schwierig zu ertragen,
da ich ja jetzt durch
dieses Video,
was es gab,
auch sie gesehen habe,
wie sie
neben diesem Kind saß
und das so beobachtet hat,
nachdem sie ihm was gegeben hat,
als wäre das irgendwie ihr Experiment.
Und man sieht auch,
wie sie den Knopf,
wo man die Krankenschwester ruft,
schon so bereitlegt
und dann so sitzt
und wartet
und dann irgendwann drückt.
Und danach hat sie im Gefängnis
auch noch ein Interview gegeben.
Bis heute war sie das nicht.
Sie hat ihrem Kind nie Salz gegeben.
Das ist nicht ihr Ernst.
Es muss irgendjemand anderes gewesen sein,
der dann auch Salz
in diesen Fütterungsbeutel getan hat
und so.
Also es war auf jeden Fall
jemand anderes.
Also, sorry,
wie viele Jahre hat die noch mal bekommen?
20.
Und da hat der Richter
von Gnade gesprochen.
Die hat es fünf Jahre
unter dem Höchst.
Ja, okay,
aber ich finde es auch richtig.
Also, sie sieht es ja noch nicht mal ein
und ich hoffe ganz arg,
dass sie nicht noch einmal
ein Kind bekommen wird,
was man ja leider nicht verbieten kann.
Aber diese Frau ist gefährlich
für jedes Kind,
das eventuell mal
in Anführungsstrichen
ihr gehören sollte.
Ja,
und natürlich ging es jetzt hier
in dem Fall vor Gericht
um diese Tage
in dem Krankenhaus
im Januar 2014.
Es ging um den Tod.
Aber wie wir jetzt gehört haben,
hatte das Kind
von Geburt an
immer irgendwelche Probleme
und zum Beispiel häufig
ja diese Ohrenentzündungen.
Weiß man,
woher die die hatten,
wie sie die herbeigeführt hat?
Ja, also die vermuten,
dass es so war,
weil sie auch
online mal geschrieben hatte,
dass sie Garnett
bestraft hat
für irgendwas
mit einem eiskalten Bart.
Und von anderen,
die auch in dieser Community
gewohnt haben,
weiß man,
dass sie ihn ziemlich
oft gebadet hat
und da auch
ziemlich viel Schreierei
immer war.
Also es kann sein,
dass sie diesen Jungen
in das eiskalte Wasser
untergedrückt hat
und er deswegen
immer diese Entzündung hatte.
Scheiße.
Also das ist wirklich
unglaublich.
Und dieses Kind,
weißt du,
das war ja dann auch schon fünf
und andere erzählen,
dass er ein richtig
tolles Kind war,
alles gemacht hat,
wahrscheinlich ja auch
einfach immer aus Angst
vor der Mutter
und immer freundlich,
nie weint,
nie sauer oder so.
Also was ich an diesem Fall
auch so schlimm finde,
ist, dass die Leute,
die dachten,
sie ist eine tolle Mutter
und ihr die Aufmerksamkeit
dafür geben,
die eine Mutter,
die wirklich toll ist
und die sich wirklich
aufopferungsvoll
um das Kind kümmert,
verdient,
dass die das
im Grunde genommen
ja dann auch noch
unwissend unterstützt haben
und supportet haben.
Ja, das stimmt.
Weil das ist ja das,
was sie wollte.
Sie wollte die Aufmerksamkeit
und die hat sie halt eben
online bekommen
von wahrscheinlich
auch nicht nur
ihrem Freundeskreis,
sondern von der ganzen Welt.
Ja, da waren so viele Frauen,
die da wirklich
auch emotional eine Bindung
zu diesem Kind aufgebaut haben,
immer gebetet haben
und die alles geschickt haben
und so.
Also man kann das
gar nicht glauben, wirklich.
Ich finde,
das ist halt generell
eigentlich ein Problem
mit Social Media.
Du bist ja da,
um irgendwas in die Welt zu geben
und um dafür auch irgendwie
was zurückzubekommen
und manchen gibt das ja
ganz viel,
wenn sie Aufmerksamkeit kriegen
und manche posten dann
vielleicht auch extra
was Freizügigeres
oder extra was,
wo sie,
obwohl sie das eigentlich
so gar nicht sind
oder posten irgendein Bild,
wo sie drauf lächeln,
obwohl es ihnen gerade
ganz schlecht geht,
nur um irgendeinen
seelenlosen Like
dafür zu bekommen.
Ja.
Und ich finde das generell,
ich beobachte das immer
ganz viel bei Leuten,
die ich kenne,
jetzt nicht so bei Privatpersonen,
die ihr Profil
auf Privat gestellt haben
oder die jetzt irgendwie,
weiß ich nicht,
100 Follower haben.
Aber wir arbeiten ja
in der Medienwelt
und kennen ja dementsprechend
auch viele Leute,
die in der Öffentlichkeit sind.
Wenn man selber
eine Erkrankung hat
und das teilt,
finde ich das absolut unbedenklich
und finde das auch gut,
dass man so irgendwie
seinen Weg sucht,
damit umzugehen
und vielleicht auch andere
mitzunehmen auf die Reise,
die eine ähnliche Diagnose
bekommen haben
oder die aufzuklären
oder beispielsweise
wie bei Visavi,
die eine ganz schlimme
Covid-Erkrankung hatte,
einfach um den Leuten
zu zeigen,
was passieren kann.
Ja.
Was ich aber
in den meisten Fällen
echt problematisch finde,
ist,
wenn Leute die Krankheiten
anderer Leute benutzen
oder deren Tod
oder irgendein Leid von denen.
Weißt du,
also weiß ich nicht,
ob ich das schon mal hier gesagt habe,
aber ich finde das irgendwie doof,
wenn Leute,
die in der Öffentlichkeit stehen,
ihre 100-jährige Oma
im Rollstuhl
durch die Gegend fahren
und auf Social Media
zeigen,
was für ein toller Enkel die sind
oder Urenkel
oder was weiß ich.
Oder Bilder von
kranken Familienangehörigen
am Schläuchen
im Krankenhaus,
die das vielleicht gar nicht wollen
oder nicht bei Bewusstsein sind
oder so
und dann da einen Text schreiben,
wie schlecht es denen geht.
Ich kann das verstehen,
dass es denen schlecht geht,
aber am Ende bleibt bei mir
immer dieser Beigeschmack.
Aufgefangen werden sie da
sowieso nicht.
Keine fremden Menschen
werden denen wirklich
ernsthaft Trost spenden können
und dass es vor allem
auch darum geht,
Feedback zu bekommen
von irgendeiner Community.
Ja, und tatsächlich
sieht man auch,
dass durch
dieses ganze
Social Media-Ding
dass Leute,
die bei Proxy haben,
dass sich das
nochmal verstärkt
bei denen
und es gibt auch tatsächlich
den Begriff Münchhausen
bei Internet.
Den hat der Psychiater
Dr. Mark Feldman erfunden,
weil der eben das erkannt hat,
dass es da
diesen Verstärkungseffekt gibt.
Das Ding ist natürlich,
das siehst du bei den
bei Proxy-Eltern teilen
ja häufig,
die suchen ja ganz oft
den Weg nach draußen.
Also sei es jetzt im Internet
oder in den anderen Fällen,
die wir so kennen,
die setzen sich dann halt
in eine Fernsehtalkshow
und reden dann darüber,
wie schlecht das Ding geht.
Die finden irgendwie
den Weg in die Öffentlichkeit,
um noch ein größeres Publikum
abzugreifen,
was denen noch applaudiert.
Ja, und wie man ja schon
so an unseren Reaktionen
hier merkt,
ist es einfach
nicht nachvollziehbar,
wie eine Mutter
ihr eigenes Kind
krank machen will
und auch leiden sehen will.
Wir sind ja jetzt
keine Mütter,
aber...
Das sieht Fussel
sicherlich anders.
Also Mütter
von menschlichen Kindern.
Ja.
Aber man kriegt das ja schon mit,
dass diese Mütter
dann nicht ertragen können,
wenn das Baby
seine erste Spritze bekommt
oder so, ne?
Und so richtig gibt es auch
bis heute keine allgemein
anerkannte Erklärung
für diese Verhaltensweisen
in der medizinischen Fachliteratur.
Man geht aber davon aus,
dass es halt eben
irgendwie mit der Aufmerksamkeit
zu tun hat.
Mit dieser Rolle
der aufopferungsvollen Mutter,
die dann Sympathie,
Unterstützung
und Anerkennung bekommt.
Und das hat man ja jetzt
auch an Katie krass gesehen.
Aber die hat sich nicht nur
emotionaler Aufmerksamkeit
ergaunert,
sondern auch finanzielle.
Die ist nämlich immer wieder
von einer Kirchengemeinde
zur nächsten gehopst
und hat da Spenden bekommen
und auch im Internet
wurde ihr viel überwiesen.
Und da hat die dann auch
nochmal richtig Geld gemacht.
Ja.
Und die Leute,
die denken,
die unterstützen da was Gutes.
Es ist wirklich so perfide.
Diese finanzielle Komponente,
die spielt immer mal wieder
eine Rolle bei solchen Fällen.
So war das auch bei Maike B.,
die ihre Kinder
über Jahre lang krank gemacht hat,
sich für sie Arthritis
und die Glasknochenkrankheit
ausgedacht hat
und ihre Söhne
bis ins Teenager-Alter
in den Rollstuhl gezwungen hat.
Für die war auch
Aufmerksamkeit ganz wichtig.
Die hat sich auch
von Stern TV begleiten lassen
und sich im Live-Fernsehen
als selbstlose Mutter,
die Unglaubliches
für ihre Krankenkinder
geleistet hat, dargestellt.
Aber bei der ging es auch
ganz klar um Geld.
Und das ging bei ihr sogar
dann so weit,
dass sie ihre Kinder
vor so einer Begutachtung
durch den medizinischen Dienst
gebrieft hat.
Also so nach dem Motto,
ihr müsst jetzt heute
ganz doll krank tun,
weil ich euch sonst bald
nicht mehr so viele schöne
Dinge kaufen kann.
Und so hatten alle drei Söhne
am Ende
Pflegestufe 1
und Maike B.
damit knapp 500 Euro
Pflegegeld im Monat
pro Kind.
Zusammengerechnet
soll sie damit
Krankenkassen und Ämter
um mehr als
140.000 Euro
betrogen haben.
Wahnsinn.
Ja, und hinter diesen
egoistischen Motiven
stehen in der Medizin
natürlich auch
mögliche Ursachen,
von denen uns auch
Professor Uwe Thewes
erzählt hat.
Diese Täter oder Täterinnen
leiden ja selbst
an Defiziten,
an psychischen Defiziten,
sind häufig
selbstbindungsgestört,
haben eine schwierige
Biografie aufzuweisen
mit enormen Belastungen
in den Herkunftsfamilien
und es werden häufig
Fälle berichtet,
darüber, dass diese Eltern
sich in selbst
in helfenden Berufen
befinden,
die sich also sehr stark
für andere aufopfern
und immer dieses Gefühl
haben,
ich mache viel durch,
ich tue viel für andere,
ich selbst bekomme
keine Anerkennung
von anderen dafür
und dann versuchen
sie sich
diese Zuwendung
zu erschleichen,
diese Fürsorge,
das Mitleid,
das Mitgefühl
als Entschädigung
für das,
was sie selbst
in ihre sozialen
Beziehungen
vergeblich investiert haben
und das kann sich
verselbstständigen,
das kann jeder bestätigen,
der sich über die
freundliche Zuwendung
von professionellen
Helfern fühlt,
das genießt.
Ja, wenn man sich
die Vergangenheit
von Betroffenen
anschaut,
findet man tatsächlich
überdurchschnittlich häufig
emotionale Vernachlässigungen
und Einsamkeitsgefühle
in der Kindheit.
Bei einer Untersuchung
des Psychologen
Gregory Yates
und seinem Team
aus dem Jahr 2017
kam heraus,
dass ein Drittel
der Betroffenen
als Kind
selbst misshandelt wurde.
Außerdem hatten
genauso viele
selbst schon einmal
eine Krankheit
vorgetäuscht
und gelogen.
Ja, so wie Bettina
eben auch,
weil offenbar
hatte die ja schon
in jungen Jahren
gelernt,
dass diese Krankheiten
ihr Aufmerksamkeit
und Vorteile
verschaffen.
Ja, und oft
ist dann halt eben
der Übergang
zwischen dem Münchhausen
und dem Münchhausen
Stellvertreter-Syndrom
fließend
und dahinter
vermutet man
eine gestörte
Identität der Betroffenen
die zu ihren Kindern
eine so enge
und symbiotische
Beziehung haben,
dass sie sich selbst
da gar nicht
abgrenzen können.
Das hatte ja auch
der Gutachter
in deinem Fall
auch schon erklärt.
Was auch oft
im Zusammenhang
mit bei Proxy
vorliegt,
ist eine
Persönlichkeitsstörung,
weil häufig
leiden die Betroffenen
unter Störungen,
die gekennzeichnet sind
durch impulsives,
dramatisierendes,
antisoziales
oder narzisstisches
Verhalten.
Auch Depressionen
oder Essstörungen
finden sich
überdurchschnittlich häufig.
Quasi bis
das Münchhausen-Stellvertreter-Syndrom
diese ganzen Leiden
dann für einen Moment
aus dem Blick rückt,
weil es dann halt
nur noch um das Kind geht
und ihre Rolle
als aufopfernde Mutter.
Wir wissen,
dass unser Experte
für diese Folge
vor zu voreiligen
Diagnosen warnt,
weil so häufig
ist das Münchhausen
bei Proxy
nicht.
Ich könnte mir auch
vorstellen,
dass eventuell
Crime-Podcasts
den Eindruck erwecken,
dass das häufig
vorkommt.
Das ist aber
nicht so.
Zahlen aus Deutschland
gibt es leider hauptsächlich
zu Münchhausen-Bei-Proxy
und Münchhausen-Syndrom
zusammen.
Eine Studie aus dem
Fachmagazin
Psyk
kommt 2015
zu dem Ergebnis,
dass zwischen
einem und
1,5 Prozent
der Krankenhausaufenthalte
auf eines
dieser beiden
Syndroms-Syndromen
zurückzuführen
sind.
Aber wie gesagt,
da sind halt eben
dann auch die dabei,
die sich selbst
krank machen.
Die forensische
Psychiatrie der
Universität Würzburg
hat vor zehn Jahren
an 379
Kinderkliniken
einen Fragebogen
zum Münchhausen-
Stellvertreter-Syndrom
rumgeschickt.
Und zurück kamen
203
Antwortschreiben.
Und die ergaben,
dass es 99
gesicherte
und mindestens
noch 91
Verdachtsfälle
in 96
Kliniken gab.
Und das in einem
Zeitraum von
im Schnitt
elf Jahren.
Der Psychiater
Martin Krupinski
schreibt aber selber,
dass diese Zahlen
sehr niedrig
erscheinen
und wohl
nicht das gesamte
Spektrum abbilden.
Wir wissen,
dass es immer
diese Dunkelziffern
Prof. Uwe Thewes
hat uns aber auch
erzählt,
dass Schätzungen
von zwei bis drei
Fällen auf
eine Million
Menschen ausgehen.
Das ist also
doch recht
ungewöhnlich,
dass der Arzt
Prof. Martin
aus meinem Fall
in seinem Leben
zwei solcher
Mütter begegnet ist.
Ja, und laut
Untersuchung sterben
in Anführungsstrichen
nur sechs bis
zwölf Prozent
der betroffenen
Kinder an den
Folgen der
Misshandlung.
Weil, und das
haben wir ja jetzt
auch gelernt,
die wollen das ja
eigentlich nicht.
Die brauchen das ja.
Ansonsten können
sie die Krankheit
halt nicht ausleben.
Genau, und deswegen
kann man auch von
einer sehr hohen
Dunkelziffer ausgehen,
weil sie eben
versuchen, dass
natürlich, dass
es nicht rauskommt.
Wenn Personen
mit Münchhausen-
Stellvertreter-Syndrom
aber dann
vor Gericht landen,
können da ganz
unterschiedliche Taten
im Urteil stehen,
wie eben
Misshandlung
von Schutzbefohlenen,
Verletzung der
Erziehungspflicht,
gefährliche
Körperverletzung,
versuchter Totschlag
und theoretisch ja auch
Mord, auch wenn ich
so einen Fall aus
Deutschland jetzt nicht
gefunden habe.
Aber wichtig wird
das Syndrom erst
bei der
Strafzumessung.
Dazu muss dann aber
erstmal durch
psychiatrische
Sachverständige
festgestellt werden,
ob es überhaupt
vorliegt und dann
in einem zweiten
Schritt, ob es
Ausdruck einer
psychiatrischen
Störung ist.
Im Fall von
Maike B.
zum Beispiel,
der Mutter, die
ihre Söhne in den
Rollstuhl gezwungen
hat, bejahte das
die Sachverständige
und diagnostizierte
auch eine kombinierte
Persönlichkeitsstörung.
Aber die kam zu dem
Schluss, dass sich
diese Störung nicht
in dem Maße
ausgewirkt hat,
dass Maike B.
jetzt vermindert
schuldfähig oder gar
schuldunfähig war.
Also die
Persönlichkeitsstörung
hatte bei ihr nicht
dafür gesorgt,
dass sie das Unrecht
der Tat nicht hatte
einsehen oder
nachhandeln können.
Also sie wusste
genau, was sie tut.
Und es ist auch
in der Regel so,
dass so eine
Persönlichkeitsstörung
eher selten zu einer
völligen Aufhebung
der Schuldfähigkeit
führt und auch nicht
so oft zu einer
sicher feststellbaren
verminderten
Schuldfähigkeit, wie
das jetzt in deinem
Fall war.
Die RichterInnen
berücksichtigen das
Syndrom dann aber
trotzdem in der Regel
bei der Strafzumessung
als strafmildernd.
So war das dann
auch bei Maike B.
Aber das heißt
natürlich, dass die
TäterInnen fast immer
ins Gefängnis
kommen und nicht in
eine psychiatrische
Einrichtung.
Ja, und nur ganz
kurz dazu, bei meinem
Fall, den ich
recherchiert habe, war
das so, dass die
Bettina auch nicht in
die forensische
Psychiatrie gekommen ist,
weil das Gericht
halt eben auch gesagt
hat, dass Bettina
infolge ihrer
Erkrankung nicht für
die Allgemeinheit
gefährlich sei.
Und deswegen hat die
am Ende auch diese
vier Jahre bekommen.
Das ist ja jetzt
nicht sehr viel für
das, was die gemacht
hat.
Aber sie stellt
im Grunde genommen
ja nur eine Gefahr
für ihr eigenes
Kind dar.
Und jetzt nicht,
die haben auch gesagt,
weil die Stieftochter
schon zu alt war,
also die von dem
Björn, von dem
Vater auch von Jan,
dass sie das bei der
nicht hätte ausleben
können.
Ja.
Ja, und ich finde das
wichtig, dass man das
klarstellt, dass
natürlich, das ist ein
Syndrom, das oft in
Zusammenhang mit
schweren
Persönlichkeitsstörungen
auftritt, für die
niemand was kann und die
für die Betroffenen auch
unglaublich belastend
sind.
Aber die Frauen sind in
der Regel schuldfähig,
was ja bedeutet, dass sie
wissen, was sie tun, wenn
sie ihre Kinder quälen, um
sich selbst dann besser
zu fühlen.
Ja, also da kann sich
jetzt meistens keine
hinstellen und sagen, ich
bin so krank, ich habe ja
gar nicht anders
können.
Nee.
Und deswegen müssen sie
dann eben auch alle
Konsequenzen tragen, inklusive
dass ihnen wegen der
Kindesmisshandlung die
elterliche Sorge nach
Paragraph 1666 und
1666a bürgerliches
Gesetzbuch entzogen und
eventuell dann eben auf das
Jugendamt übertragen werden
kann.
Das passiert natürlich
besonders dann, wenn die
Mutter keine
Krankheitseinsicht zeigt
und halt dementsprechend
auch sich ja nicht
psychotherapeutisch jetzt
behandeln lassen kann.
Und gerade dann ist das
Kind natürlich weiterhin
immens gefährdet, wenn es
bei der Mutter
bleiben würde.
Man wage sich gar nicht
vorzustellen, wenn es auch
noch halt eine
alleinerziehende Mutter ist,
wie in deinem Fall.
Und wenn von einer
erheblichen Gefährdung des
Kindes wohl ausgegangen
wird, dann kann dem
Elternteil sogar das
Umgangsrecht entzogen
werden, also dass sie gar
keinen Kontakt mehr haben
dürfen.
Eine Studie, zugegeben,
aus dem Jahr 93 aus
England ergab, dass es
fast bei der Hälfte der
Bei-Proxy-Opfer zu erneuten
Übergriffen der Eltern
kamen, wenn sie zurück in
die Familien gegeben
wurden.
Und das ist natürlich fatal,
weil das reicht ja schon,
wenn die einmal von diesen
Bei-Proxy-Elternteilen
misshandelt wurden.
Das reicht ja, um ganz
massive Folgen
anzurichten.
Wie beispielsweise eben
diese Behandlung.
Die sind für Kinder
schmerzhaft, im Krankenhaus
eh schon total schlimm.
Aber wenn sie wirklich
krank sind, dann werden
sie ja auch von den
Eltern wirklich getröstet
und wissen, dass das
dazu dient, dass die dann
gesund werden, wenn die
das jetzt überstehen.
Und bei den Opfern von
Münchhausen bei-Proxy kommt
es dann aber noch zusätzlich
zu diesen schmerzhaften
Behandlungen noch dazu,
dass die eben gar nicht
notwendig gewesen wären.
Und das muss ein Kind ja
auch erst mal verstehen.
Wenn uns das schon so
schwer fällt, wie soll
ein Kind begreifen, dass
die Mutter einem erst
schadet, um dann so zu tun,
als würde sie es pflegen?
Ja, das kann man sich
nicht vorstellen.
Und das Problem bei
diesen Familienkonstellationen
ist, dass diese
Verbindung, die die haben,
eigentlich noch stärker ist,
als bei anderen
Müttern und ihren Kindern,
weil diese Mütter
Erzwungenermaßen.
Ja, erzwungenermaßen,
weil die Mütter ja sozusagen
dafür sorgen,
dass die Kinder
absolute Abhängigkeit
von denen haben.
Die wollen ja gar nicht,
dass die sich irgendwie
zu Individuen entwickeln
oder so.
Und können sie ja auch
nicht, wenn sie entweder
im Rollstuhl sitzen müssen
oder, keine Ahnung,
mit Medikamenten so
vorgepumpt werden,
dass sie sich gar nicht
entwickeln können oder so.
Diese Krankheiten
beziehungsweise
Verletzungen, die da
von der Mutter kommen,
beeinflussen deren Leben
ja extrem.
Genau, um sie eben
halt so klein zu halten.
Und es ist auch so,
dass in mindestens
jedem zweiten Fall
von Byproxy
die Täter in
nicht nur falsche Angaben
zu angeblichen Symptomen machen,
sondern eben auch
halt selbst welche
beim Kind herbeiführen.
Also halt beispielsweise,
wie bei Bettina,
dass sie dem Kind
Fäkalien injizieren
oder dem Kind
auch ein Kissen
aufs Gesicht drückt,
um einen Atemstillstand
herbeizuführen.
Und das hat,
ganz abgesehen
von körperlichen
Folgeschäden,
die bei diesen Übergriffen
entstehen können,
natürlich auch
psychische.
Also diese Opfer
haben einfach mit dieser
Widersprüchlichkeit
zu kämpfen,
dass die Person,
die einem eigentlich
den meisten Schutz geben
sollte,
sie krank macht
und als Objekt
benutzt,
um so von
dem Schmerz
dieser Kinder
zu profitieren.
Und diese Betroffenen,
die berichten im Nachhinein
von einem Gefühl
der Ohnmacht,
dass man versucht
loszuwerden vielleicht auch,
indem man die Schuld
bei sich selber sucht,
um sich selbst
einen aktiveren Paar
zuzuschreiben,
den man ja gar nicht hatte,
um dann vielleicht
ja auch noch die Mutter
irgendwie mitzuschützen.
Ja, ich habe bei
Spiegel TV auch
einen Beitrag gesehen,
wo zwei Betroffene
sprechen über ihre Mutter
und denen wurde quasi
ihr ganzes Leben lang
geredet,
dass sie schwerbehindert sind
und die sagen,
dass das Problem war,
dass sie als Kind
überhaupt nicht in Betracht
ziehen konnten,
dass die eigene Mutter
etwas Schlechtes für die will
und obwohl die dann auch
zwischenzeitlich mal
vom Jugendamt
rausgenommen wurden,
also wollten die immer
wieder zurück,
weil sie eben
dachten,
das, was die Mama
sagt und will,
das wird schon richtig sein
und erst wirklich,
als sie erwachsen waren,
haben die drei Söhne,
haben sie zusammen
das realisiert
und für sie ist es
jetzt besonders schlimm,
dass ihre Mutter eben
keine Verantwortung übernimmt,
sie sagt nämlich nichts
und leugnet alles
und dass sie deswegen
nicht,
weißt du,
nicht weiterkommen,
weil sie sie nicht
fragen können
und nach dem Warum
und das ist auch so schlimm,
weil das würde denen
sicher sehr,
sehr weiterhelfen,
wenn man da mal
eine Reue zeigt.
Ja und es hilft,
glaube ich,
auch einfach,
wenn das Elternteil
diese Täterschaft zugibt,
weil sie dann selber
viel einfacher
dem Elternteil
diese Täterschaft
auch unterstellen können.
Genau.
Worauf ich nochmal zurück will,
du hast vorhin ja gesagt,
dass die Elternteile
ja nicht wollen,
dass sich die Kinder
zu so eigenständigen
Individuen entwickeln.
Das kann teilweise
für die halt auch
gefährlich werden.
Also wie bei deinem Fall
mit der Katie,
stand ja auch im Raum,
dass sie das gemacht hat,
weil das Kind zu groß wurde,
um weiterhin das perfekte
Opfer zu sein sozusagen.
Genau,
weil er auch schon anfing
halt so viel zu quasseln
und so und dass sie Angst hatte,
dass er sonst erzählt,
was die halt mit ihm macht.
Genau und da sieht das Elternteil
sich natürlich bedroht
und deswegen,
wenn so ein Kind älter wird
und sie weiterhin
diese Biproxy-Erkrankung
an dem Kind ausleben,
dann kommt das teilweise
zu ganz absurden Situationen.
wie uns der Fall
Gypsy Rose Blanchard zeigt.
Und bei Gypsy war das nämlich so,
die ist 1991 geboren
und seitdem war die immer krank,
also zumindest hat ihre Mutter Didi
sie das glauben lassen.
Und das war genauso wie
bei den Kindern von Maike B.,
also dass Gypsy
schon immer im Rollstuhl saß
und Didi halt behauptet hat,
dass Gypsy an Muskelschwund leide.
Und im Laufe der Jahre
kamen dann aber immer
neue Krankheiten dazu,
zum Beispiel Leukämie
und deswegen darf Gypsy
damals halt nie ihre Haare behalten
und muss sie immer abrasieren lassen
von ihrer Mutter.
Und ihre Zähne,
die verfaulen auch,
also entweder durch diese Medikamente,
die sie dann nehmen muss,
beispielsweise gegen Epilepsie
oder halt auch,
weil die natürlich vernachlässigt wurde
durch diese Misshandlung
und auch unterernährt wurde.
Und diese Zähne,
die müssen ihr dann irgendwann gezogen werden
und es gibt diese Bilder
von Gypsy mit ihrer Mutter,
wie dieses Kind lächelt
und halt einfach keine Zähne hat
und aber so glücklich ist,
weil sie offenbar gerade
einen glücklichen Moment
mit der Mutter erlebt hat
oder was auch immer
diesem Kind da erzählt wurde
und sie lächelt so
und da sind halt keine Zähne drin
und ich finde,
dieses Bild ist halt,
das bleibt einem so im Gedächtnis
bei diesem Fall.
Und bei Gypsy geht die Mutter auch so weit,
die muss auch nachts alleine,
also auch wenn niemand dabei ist,
an so eine Beatmungsmaschine
angeschlossen werden,
was, finde ich, ganz gut zeigt,
dass die Gypsy halt wirklich
selber eingeredet hat,
dass sie so krank ist.
Obwohl Gypsy natürlich
die ganze Zeit alleine atmen konnte.
Und immer,
wenn jemand Verdacht geschöpft hat,
dann wechselt die halt
entweder die Praxis,
weil bei der das auch schon
ein paar Mal irgendwie aufploppte
oder zieht halt dann mit Gypsy um.
Die darf natürlich auch
keine FreundInnen haben,
weil die Chance,
dass dieser Schwindel auffliegt,
halt zu groß ist.
Und natürlich vereinsamt
so ein Kind dann total.
Und das versteht ja auch nicht,
warum das die ganze Zeit
im Rollstuhl sitzen muss,
obwohl das eigentlich laufen kann.
Ja, und vor allen Dingen,
wenn du langsam dann auch
in dieses Teenager-Alter kommst,
in das sie dann kommt,
wo man nochmal ganz andere Interessen hat
und auch vielleicht an Jungs oder so.
Ja, so ist das ja auch.
Und das entwickelt sich bei Gypsy,
aber sie darf das nicht ausleben.
Und die Didi,
die setzt sich die ganze Zeit
mit ihrer Tochter
gemeinsam in so Fernsehsendungen
und spricht darüber,
wie schlimm die beiden es haben.
Und eigentlich hat es ja
nur eine Person von den beiden
sauschlimm.
Aber wie schlimm,
das ahnt ja auch irgendwie keiner.
Also, naja.
Und Didi,
die gibt dann auch an,
dass angeblich ihr Haus
vom Hurricane Katrina
zerstört wurde.
Und daraufhin bekommen
die beiden dann durch Spendengelder
ein komplettes behindertengerechtes Haus
von so einer Hilfsorganisation gebaut.
Und es ist so,
dass in der Zeit
bei den Behörden
mehrere Meldungen eingehen,
dass Gypsys Krankheiten
keine Befunde zugrunde liegen.
Es kommt auch mal jemand vorbei,
aber Didi ist dann auch in der Lage,
Sozialarbeiter davon zu überzeugen,
dass ihre Tochter
wirklich total krank ist.
Und als Gypsy dann halt langsam
auch in die Pubertät kommt
und in so einem geschlechtsfähigen Alter ist,
dann lernt sie einen Mann kennen
und sie versucht dann,
denen zu überreden,
dass er ihr helfen soll,
von der Mutter zu fliehen.
Und Didi kommt dann aber dahinter
und fesselt dann Gypsy
als Strafe an ihr Bett.
Das ist einfach so absurd.
Es ist halt wirklich
wie eine Entführerin
mit ihrer Geisel.
Ja, so ist das.
Ja, so ist das wirklich.
Weil es ja zu der Zeit
dann auch schon das Internet gibt
und so sucht Gypsy dann natürlich
nachts, wenn ihre Mutter schläft,
heimlich nach Freundschaften online,
die sie ja sonst nicht haben darf.
Und dabei lernt sie irgendwann
Nikolas kennen.
Und am 14. Juni 2015
findet dann die Polizei
Mutter Didi Blanchard
in einer Blutlache
in ihrem Bett.
Und im Haus finden die ErmittlerInnen
dann halt alle Überbleibsel von Gypsy,
also einen Rollstuhl,
ganz viele Medikamente.
Aber Gypsy ist halt nicht da.
Und die suchen dann quasi
nach einer schwer kranken
und denken sich,
na ja, die kann ja nicht irgendwie
hier über alle Berge sein.
Und einen Tag später
nehmen sie dann ein
offenbar ganz normales Mädchen fest,
was halt auch gar nicht
in dieses Bild gepasst hat,
was die Öffentlichkeit
bis dahin von Gypsy hatte.
Ja.
Und es war am Ende so,
ihr Online-Freund Nick,
den hatte Gypsy dann überredet,
Didi für sie zu töten,
während sie im Badezimmer saß
und sich die Ohren zuhielt.
Und Gypsy wird dann
wegen Beihilfe zum Mord
zu zehn Jahren Gefängnis verurteilt.
Und sie sagt dazu,
besser Gefängnis
als zehn Jahre mit meiner Mutter.
Und 2024 könnte sie
auf Bewährung freikommen.
Und dann wäre Gypsy 32 Jahre alt
und ich glaube,
das erste Mal in ihrem Leben
wirklich frei.
Ja, das würde ich ihr sehr wünschen,
dass sie dann schon rauskommen kann.
Weil, also sie ist hier
ja ganz offensichtlich das Opfer.
Dass ich nicht anders
zu helfen wusste,
als sich irgendwen zu suchen,
der selber offenbar
sehr große Probleme hatte,
diese Frau umzubringen.
Weil ich glaube auch nicht,
dass Gypsy das hätte
selber machen können.
Weil diese Beziehung,
ich glaube,
da kann man sich ja gar nicht
reinversetzen.
Also natürlich hasst sie ihre Mutter
dafür, was die alles ihr angetan hat.
Aber es ist ja immer noch
ihre Mutter auch.
Und eben die einzige Bezugsperson,
die die jemals hatte.
Was ich an dem Fall schlimm fand,
war, dass man am Anfang
das noch nicht so richtig
offen gesagt hat,
dass Gypsy hier das Opfer
von dieser Mutter ist.
Sondern dass sie,
dann hieß es quasi,
die haben zusammen
diese Krankheiten vorgespielt
und sich Geld ergaunert
und so weiter.
Ja, also als ob sich ein Kind
und später eine Jugendliche
das ausdenkt,
damit sie ihr Leben lang
in Geiselhaft gehalten wird,
in physischer und mentaler Geiselhaft.
Diese Mutter hat ja auch immer gesagt,
dass Gypsy minder intelligent sei
und irgendwie die Reife
einer Siebenjährigen hätte,
obwohl das ein ganz normales Mädchen war.
Ja.
Und die Mutter
hat ihr ja auch gedroht.
Also als sie dann das erste Mal
irgendwie da ausgebüxt ist,
hat sie ja gesagt,
sie wird ihr ihre Finger zertrümmern
und so.
Also normalerweise
kommentieren wir ja Urteile
nicht so doll.
Aber ich finde auch
zehn Jahre
einfach zu viel.
Also das kann man ja nahezu
in Deutschland
mit so einem Haustüranenfall vergleichen.
Da hat es bei uns
eine Rechtsfolgenlösung gegeben,
weil ungewöhnliche Umstände vorlagen
und statt lebenslang
waren das 4,5 Jahre
und die Frau hat selber
im Schlaf abgedrückt,
die Waffe
gegen ihren Mann da gerichtet.
Genau.
Ich sehe das genauso.
Es ist halt,
dass sie sich gewehrt hat
gegen Straftaten,
die ihr die ganze Zeit
zugefügt wurden.
Ja, also schlimmer Fall,
bei dem es zwei
tragische Schicksale gibt.
Ja, das Thema an sich
war irgendwie jetzt auch
sehr schwer auszuhalten.
Ich hoffe aber,
dass viele von euch
es trotzdem bis hierhin
geschafft haben.
Wir haben nämlich noch
ein wichtiges Update zur Tour.
Was sollen wir sagen?
Die Zahlen sind gerade
so hoch wie noch nie
und deshalb können wir
im Februar leider nicht auftreten.
Das ist einfach unverantwortlich gerade.
Es tut uns wahnsinnig leid
und schmerzt auch sehr,
weil wir es ja auch nicht mehr
abwarten können,
euch endlich wieder live zu sehen.
Aber wir wollen es halt machen,
wenn es sicher ist.
Und damit meinen wir
nicht nur sicher im Sinne
von einem nicht mehr
so hohen Ansteckungsrisiko,
sondern auch sicher,
dass das alles überhaupt
behördlich stattfinden darf.
Also bezogen auf
Planungssicherheit.
Ihr bekommt auf jeden Fall
eine Mail von unserem Veranstalter
mit allem,
was ihr wissen müsst
und auch den Infos
zu Ersatzterminen.
Was die März-Termine angeht,
die wackeln,
sind aber noch nicht verschoben.
Hier müssen wir erst noch
auf die Entwicklung
und die politischen Bestimmungen warten.
Unterhalten wir euch aber
auf jeden Fall
auch auf dem Laufenden.
Und bis dahin
kann ich euch noch
eine Empfehlung mitgeben.
Unser Kollege Frank
hat nämlich in seinem Podcast
Die Frage
eine Folge produziert,
die euch,
wenn ihr gerade
diesen Podcast hört,
sehr gefallen wird.
Und zwar ist Frank
da in der forensischen Psychiatrie
und spricht dort
mit dem Chefarzt
dieser forensischen Klinik.
Und die beiden reden halt
auch darüber,
warum so eine Unterbringung
nichts mit Kuscheljustiz
zu tun hat
und was die Probleme sind
mit denen eben auch
die Menschen,
die da Arbeiten
zu kämpfen haben.
Link dazu findet ihr auch
in unserer Folgenbeschreibung.