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#9 Sieben verhängnisvolle stunden

Hallo und herzlich willkommen zu einer neuen Folge von Mordlust.
Mein Name ist Paulina Kraser.
Und ich bin Laura Wohlers.
Und auf mir drauf sitzt Herr Fussel, der sich entschieden hat, jetzt immer mitzumachen,
weil er offenbar Angst vor Laura hat, weil die entweder laut lacht oder mit den Füßen
wild auf dem Boden stampft.
Deswegen alles, was schmatzt oder fies atmet, gehört zu ihm.
Ich hatte ja schon in der letzten Folge gesagt, dass ich mich eigentlich von so Sexualstraftaten
eher fernhalten möchte.
Und auf meiner Suche nach spektakulären Kriminalfällen bin ich auf die Rentner-Gang aufmerksam geworden.
Vier Rentner hatten ihren Anlageexperten mithilfe eines Komplizen im Juni 2009 entführt und
mehrere Tage in einem Keller gefangen gehalten.
Sie wollten Millionen zurückerpressen, die der Finanzberater in den USA mit hoher Verzinsung
angelegt, aber nicht zurückgezahlt hatte.
Sie hatten das Opfer blutig geschlagen und mit dem Tode bedroht.
Das Opfer hatte dann unter Angst eine Bank in Zürich angewiesen, zwei Millionen Euro auf
die Konten zu überweisen.
Während der Entführung hatte der Anlageberater schon einen Fluchtversuch gestartet, ist damit
aber gescheitert, weil ein Nachbar ihn für einen Einbrecher hielt, ihn überwältigte
und die beiden Männerrentner Roland K. und Wilhelm D. ihn zurückzehren konnten.
Oh Gott.
Aber in seiner letzten Zahlungsanweisung hatte er einen versteckten Hilferuf geschmuggelt.
sell100callpol.ice.
Also call police.
Und das hatte die schlaue Frau, die offenbar am Schalter gesessen hat, gecheckt.
Voll gut.
Gott sei Dank saßen wir da nicht am Schalter.
Wenn wir hätten gedacht, alles klar.
Zwei Millionen Euro, geht rüber.
Stempel drauf.
Noch in derselben Nacht stimmte ein Sondereinsatzkommando das Haus.
Die Männer bekamen sechs und vier Jahre Haft.
Die Frauen kamen auf Bewährung frei.
Und es ist so ein lustiges Bild, wie diese Omas da im Gerichtssaal sitzen mit ihren süßen
Haltstüchern umgebunden.
Sehr niedlich.
Meinst du, wir sind später auch so drauf?
Möchtest du darauf antworten?
Nein.
Ich habe nur gelacht.
Okay.
Ist euch eigentlich aufgefallen, dass wir euch natürlich absichtlich in der letzten Folge
bei Lauras Berlinmörder auf die falsche Fährte geführt haben?
Wer im Geschichtsunterricht aufgepasst hat, weiß, dass ein Mord gar nicht so hätte stattfinden können.
Genau, zugegebenermaßen habe ich mich bei dem Mord in Berlin-Mitte, nämlich im Jahr, vertan.
Der passierte nämlich 1990 und nicht 1984.
Das wäre ja auch gar nicht gegangen, wie einem unserer Hörer auch aufgefallen ist.
Denn da stand ja noch die Mauer und Thomas Rungen hätte nicht einfach von Ost nach West spazieren können.
Mein Fall diese Woche ist ein Mord, der neun Jahre dauert.
Eine Geschichte, die mich persönlich sehr berührt hat und die jeder kennen sollte, wie ich finde.
Sie ist für Frauen, denen Ähnliches passiert und für Männer, damit sie wissen, was ihre Taten mit einem Menschenleben machen können.
Was ist das eigentlich, was du hast, Mama?
Weißt du, Menschen, die solche Dinge wie ich oder Ähnliches erlebt haben, verändern sich.
Gewalt verändert.
Dieses Phänomen hat auch einen langen wissenschaftlichen Namen, aber ich will es mal so erklären.
Ich habe ständig das Gefühl einer diffusen Bedrohung.
Das ist immer da.
Ich habe Angst vor Menschen, vor geschlossenen Räumen, vor allen Situationen, aus denen ich nicht sofort raus kann.
Ich erschrecke schneller als früher.
Ich bin wacher, immer auf der Hut.
Immer auf das Schlimmste eingestellt.
Ich laufe immer zu hochturig.
Manchmal habe ich das Gefühl, den Überblick zu verlieren.
Das Leben, alles fühlt sich anders an.
Das antwortet Susanne Preusker ihrem Sohn in ihrem neuen Leben.
So nennt sie es.
In ihrem alten Leben ist Susanne Preusker eine erfolgreiche, lebensfrohe, intelligente und furchtlose Frau.
Im Jahr 2009 ist sie 49 Jahre alt.
Sie sieht aber jünger aus, frisch und sympathisch.
Sie hat mittellange blonde Haare, blaue Augen und ein offenes Gesicht.
Susanne ist Gefängnispsychologin, gefragte Gutachterin und Dozentin.
Suse, wie sie von ihren Freunden und Familie genannt wird, ist immer busy.
Sie selber sagt später über sich, die alte Susanne war eine Macherin.
Sie mag ihr Leben so, wie es ist.
Manchmal, wenn ihr doch alles zu viel ist, wünscht sie sich, an der Ostsee zu sitzen und Bücher zu schreiben.
Ihr Sohn David aus erster Ehe ist 17 Jahre alt und mit ihrem Lebensgefährten Wolfram ist sie schon viele Jahre glücklich.
Die beiden wollen heiraten, am 17. April 2009.
Jeden Morgen geht Susanne in das Hochsicherheitsgefängnis in Straubing.
Dort leitet sie eine therapeutische Abteilung für männliche Sexualstraftäter.
Es ist Dienstag, der 7. April.
Susanne freut sich auf ihre Hochzeit.
Gestern hat sie die Einladungen verschickt und heute hat sie um halb sechs einen Termin bei der Kosmetikerin,
um sich schön machen zu lassen für den großen Tag.
Deshalb muss sie heute auch etwas früher los.
Um zehn nach fünf packt Susanne ihre Sachen zusammen.
Dann steht plötzlich Roland K., einer ihrer Patienten, in der Tür ihres Büros.
K. sitzt wegen Mordes und Vergewaltigung.
Susanne behandelt ihn schon seit vier Jahren.
K. sagt, ich würde gerne nochmal mit Ihnen sprechen.
Sind Sie morgen oder Donnerstag da?
Susanne erklärt ihm, dass sie jetzt zu einem Termin muss und die nächsten beiden Tage voraussichtlich sehr beschäftigt sein wird.
Sie würde aber versuchen, einen Gesprächstermin einzurichten.
Aber K. bleibt in der Tür stehen.
Susanne, ich muss jetzt wirklich los.
Aber K. macht keine Anstalten zu gehen.
Susanne steht auf und geht auf ihn zu.
Dann plötzlich zieht er die Tür hinter sich zu, hält Susanne fest und hält ihr ein Messer an den Hals.
Er sagt, geben Sie mir die Schlüssel.
Es kommt zu einem Kampf.
Susanne versucht, das Messer abzuwehren, wird dabei mehrfach verletzt.
Dann nimmt K. Susanne in den Schwitzkasten und droht,
Jetzt reicht's mir aber, Schlüssel her, sonst schlage ich zu.
Susanne blutet an drei Stellen, an denen K. sie mit dem Messer verletzt hat.
Sie gibt ihm schließlich ihre Schlüssel.
K. will wissen, welcher der Schlüssel für die Tür ist.
Susanne kann sich nicht erinnern, sie hat Todesangst.
K. findet den richtigen Schlüssel, schließt die Bürotür ab und verbarrikadiert sie mit Möbeln.
Er fesselt Susanne mit mitgebrachtem Klebeband.
Dann sieht Susanne, wie die Türklinke von außen nach unten gedrückt wird.
K. fordert sie aufzurufen, dass ihre Kollegen von der Tür wegbleiben sollen.
Dann versucht jemand, die Tür von außen aufzuschließen.
K. wird nervös.
Er zeigt Susanne eine Flasche Sekundenkleber und droht,
Wenn sie schreien, klebe ich ihren Mund zu.
Wissen Sie, was dann passiert?
Susanne antwortet nicht.
Er wird lauter.
Wissen Sie, was dann passiert?
Susanne sagt, ja.
Dann klingelt das Telefon.
K. weiß Susanne an, ranzugehen.
Ihr Kollege R. ist am anderen Ende und fragt, ob alles okay ist.
Susanne antwortet, ja.
Dann wickelt K.
Susanne ihren Schal um den Hals, ganz fest, öffnet gewaltsam ihren Mund und steckt den
Schal ganz tief und langsam in ihren Hals.
Susanne hat Angst zu ersticken.
Sie weiß, dass K.s letztes Opfer an ihrem eigenen Slip erstickt ist.
K. hatte ihre Schreie nicht mehr ausgehalten.
Dann zieht sich der Mann aus.
Ich will von der Sache hier was haben, sagt er.
Er zieht auch Susannes Klamotten aus und dann vergawaltigt er sie.
K. will die Jalousie am Fenster runterlassen, damit niemand von außen etwas sehen kann.
Auf dem Fensterbrett steht ein Foto von Susannes Lebensgefährten Wolfram.
Wenn die Jalousie herunterfällt, wird sie das Bild umwerfen, denkt Susanne.
Sie hat die Jalousie selber noch nie runtergelassen.
Sie findet es immer schön, wenn die Abendsonne in ihr Büro scheint.
K. reißt mit aller Kraft an der Jalousie, kriegt es aber irgendwie nicht hin, sie runterzulassen.
Susanne denkt, bitte lieber Gott, gib mir ein Zeichen.
Wenn das Bild stehen bleibt, komme ich hier lebend raus.
Schließlich fällt die Jalousie auf das Bild.
Der Rahmen wackelt, doch das Foto bleibt stehen.
Dann macht K. weiter mit der Vergewaltigung.
Er zwingt sie zu allem Möglichen, demütigt sie.
Irgendwann zieht er ihr den Schal wieder aus und befiehlt ihr zu stöhnen.
Susanne gehorcht ihm.
Sie weiß, dass sie nur so überleben kann und Susanne will überleben.
Mit aller Macht unterdrückt sie den Brechreiz, weil sie Angst hat,
dass er das als Zeichen ihres Ekels ihm gegenüber deuten könnte.
Irgendwann klingelt wieder das Telefon.
Diesmal ist es der Kollege P.
P. sitzt im Nebenraum und um ihn herum stehen Polizisten und ein SEK.
Er fragt, ist alles in Ordnung, Susse?
Susanne sitzt nackt und gefesselt auf ihrem Bürostuhl und K. steht mit dem Messer vor ihr.
Sie antwortet, ja.
Das Gespräch wird beendet.
Kollege P. versichert den Beamten, dass Susanne den Täter kennt und wisse, was zu tun ist.
Das SEK stürmt das Büro nicht.
Und K. macht weiter.
Also sie wissen ja, dass er sie darin eingesperrt hat.
Mhm.
Und sie machen nichts.
Mhm.
Der Kollege hat denen eben auch versichert, dass sie weiß, was sie tut.
Sie ist die Psychologin seit vier Jahren.
Aber was glauben die denn, was in der Zeit so lange darin passiert?
Mhm.
Hör zu.
Susanne wird vergewaltigt, in allen möglichen Stellungen, bis sie erst Schmerz, dann nichts mehr spürt.
Sieben Stunden lang.
Das ist nicht dein Ernst.
Mhm.
Nur ein paar Meter weiter sitzt ein ganzer Trupp Polizisten.
Aber niemand hilft.
Irgendwann ruft P. wieder an und möchte mit K. sprechen.
P. schlägt Bedingungen für die Entlassung von Susanne vor.
Er verspricht keine Festnahme durch das SEK, Unterbringung in seinem Haftraum und kein Arrest.
K. denkt drüber nach.
Susanne kann nicht glauben, dass K. den Beamten wirklich glaubt.
Schließlich fängt er an, die Barrikaden vor der Tür wegzuräumen.
Die Tür schließt er aber nicht auf.
Susanne darf sich anziehen.
K. sagt, er habe Angst, den Raum zu verlassen.
Susanne hat jetzt das Messer in der Hand, auf Anweisung von Herrn P.
Sie schließt die Tür auf.
Im Türrahmen sagt K. noch mit zynischem Unterton,
Möchtest du mich denn nicht angreifen?
Susanne kommt aus ihrem Büro.
Vor ihr die Polizei, das SEK, ihre Kollegen.
Alle starren sie an.
Susanne greift nach den fremden Händen vor ihr, fällt fast zu Boden und schreit aus tiefster Seele.
Sie kommt in ein Krankenhaus, wird untersucht, bekommt die Pille danach und wird krankgeschrieben.
Susanne wird nie wieder an ihre Arbeitsstelle zurückkehren.
Am nächsten Morgen kommen ihr Sohn David und ihr Lebensgefährte Wolfram.
Als Susanne Wolfram sieht, sagt sie, jetzt können wir nicht mehr heiraten.
Und Wolfram sagt, und nun erst recht.
David sagt später, dass er seine Mutter nicht mehr wiedererkannt hat.
Es war nicht meine Mutter, die ich in Erinnerung hatte.
Sie war irgendwie eine zerstörte Frau.
Total kaputt.
Susanne ist jetzt in ihrem neuen Leben.
Weil Susanne genau weiß, wie wichtig ihre Aussage vor Gericht sein würde,
schreibt sie ein paar Tage nach der Tat alles auf, um sich besser zu erinnern.
Sie muss aussagen, das weiß sie, aber sie hat Angst davor.
Außerdem sind Wolfram und David dafür, dass sie nicht nur als Zeugin,
sondern auch als Nebenklägerin auftreten soll.
Susanne entscheidet sich dafür.
Eins ist ihr aber wichtig, sie möchte auf keinen Fall öffentlich aussagen.
Dann kommt der Tag.
Susanne betritt den Gerichtssaal mit dunkler Sonnenbrille auf der Nase
und Beruhigungspillen in der Hand.
Susanne sieht ihren Peiniger an.
Sieht ihm in die Augen.
Er schaut zurück.
Dann schaut er weg.
Dieser Moment wird für Susannes Heilung sehr wichtig, sagt sie später.
Die Machtumkehr.
Das Machtgefüge wieder richtigstellen.
Dann wird verkündet, der Angeklagte will,
dass die Öffentlichkeit vom gesamten Prozess ausgeschlossen wird,
weil es in dem Verfahren um seine Intimsphäre gehe.
Ja, genau.
Das müssen wir natürlich berücksichtigen.
Ja, Susanne kann es nicht fassen.
Um seine Intimsphäre?
Jemand neben ihr sagt ihr, so ein Antrag wird abgelehnt, wenn sie öffentlich aussagen.
Es gibt eine erste kurze Verhandlungspause.
Susanne will nicht, dass dem Antrag des Angeklagten stattgegeben wird.
Du wirst doch wohl diesem Arsch nicht das Recht geben auf eine geschützte Privatsphäre, sagt David zu ihr.
Susanne fragt, hältst du es denn aus, wenn ich allen davon erzähle?
David nickt und der Prozess geht weiter.
K. wird verurteilt.
Zu 13 Jahren und 9 Monate Haft mit anschließender Sicherungsverwahrung.
Seine Aussichten, je wieder freizukommen, sind schlecht.
K., umgeben von zwei Polizisten, will sich nach der Verurteilung bei Susanne entschuldigen
und fängt an, irgendwas vor sich hin zu stammeln.
David steht neben seiner Mutter und sagt,
meine Herren, darf ich Sie bitten, dafür zu sorgen, dass dieser Verbrecher meine Mutter nicht anspricht?
Und K. wird abgeführt.
Wie alt ist David?
17.
Wow.
Susanne verklagt auch ihre ehemaligen Kollegen wegen unterlassener Hilfeleistung.
Diese Anklage wird aber fallen gelassen und eine Entschuldigung hört sie nie.
Bei solch einer furchtbaren Tat fragen wir uns wie immer, wie konnte es dazu kommen?
Warum?
Wahrscheinlich würden einige Menschen jetzt sagen, Berufsrisiko,
weil Susanne Preusker Gefängnispsychologin war.
Aber so einfach ist es sicher nicht.
Susanne kannte K. gut.
Nach hunderten Gesprächen in vier Jahren dachte sie es zumindest.
Über K. erzählt Susanne später in einem Interview mit der FAZ.
Es gab Gefangene, bei denen stellten sich mir alle Haare auf.
K. K. gehörte nicht dazu.
Von K. fühlte ich mich respektiert, menschlich und professionell.
K. buchte den besten Käsekuchen aller Zeiten.
K. kümmerte sich liebevoll um die Fische im Aquarium und als ein Fisch krepierte, weinte er.
Im Team sagte ich einmal, wenn ein Gefangener mir etwas antut, ist K. der Erste, der sich schützend vor mich stellt.
Während einer Therapiesitzung fragt Susanne K. einmal, ob er Gefühle kennt.
Irgendwann rückt er mit der Antwort raus.
Angst und Ärger.
Zwei Jahre braucht Susanne, um aus K. das Schuldgeständnis am Mord seines Opfers zu bekommen.
Irgendwann sollte er wieder in die Gesellschaft zurückkehren.
Das ist immer das erklärte Ziel.
Als Gutachterin war es Susannes Job, die Gefährlichkeit von Sexualstraftätern einzuschätzen.
Bei K. war sie sich noch nicht sicher, ob er irgendwann entlassen werden könnte.
Aber sie war sich zu 100% sicher, dass er ihr nichts tun würde.
Außerdem dachte sie, wenn sie jemals in ihrer Abteilung angegriffen werden würde, dass sofort Hilfe da wäre.
Wieso ist denn der da eigentlich frei rumgelaufen?
Ja, das war das Konzept von dieser Abteilung, dass die sich da eben frei bewegen dürfen.
Aber Susanne hatte sich getäuscht.
In ihren Kollegen und in einem Psychopathen.
So lautet nach der Tat die Diagnose für K.
Psychopathen können erkennen, was ihr gegenüber erwartet und das problemlos bedienen.
Sie sind höchst manipulativ.
So hat der Kriminalpsychologe Steven Porter in einer Doku mal von einem Kindermörder erzählt,
den er über ein Jahr lang therapiert hatte.
Porter war begeistert über die Fortschritte seines Patienten
und kann sich daran erinnern, dass er ihm ein großartiges Gutachten ausgefüllt hätte, wenn er gemusst hätte.
Doch dann fand er das Tagebuch seines Patienten.
Darin standen Zeilen wie
Ja, ich glaube, das ist was Psychopathen ausmacht.
Ja, es gibt eben scheinbar Menschen, die nicht therapierbar sind.
Und dieser Meinung war auch Susanne, auch schon vor der Tat.
Das schreibt sie 2011 in einem Gastartikel für den Fokus zum Thema Sicherungsverwahrung.
Sie wusste, dass es gefährliche Straftäter gibt, die mit herkömmlichen und heute bekannten psycho- und sozialtherapeutischen Methoden nicht erreichbar sind.
Susanne kritisiert in dem Artikel die Sicherungsverwahrung und die Ansprüche an die Therapeuten.
Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hatte 2011 nämlich entschieden, dass Sicherungsverwahrung verfassungsrechtlich unzulässig ist.
Und dass die Grenzen der Zumutbarkeit für den Verwahrten zu beachten sind.
Das Gesamtkonzept der Sicherungsverwahrung müsste therapeutisch ausgerichtet sein.
Dazu gehört die Betreuung durch ein multidisziplinäres Team, das den Gefangenen motivieren soll.
Susanne Preusker ist irritiert und spricht von einer Botschaft an die Psychologen nach dem Motto
Macht mal ihr Psychologen und Therapeuten und Sozialarbeiter, macht sie mal alle gesund und ungefährlich und entlassungsgeeignet.
Und wenn ihr nicht wisst, wie das gehen könnte, lasst euch mal was einfallen.
Die Botschaft an die Gefangenen sei dagegen, setzt euch hin und fordert Therapie.
Dann zählt sie mehrere Beispiele von nicht therapierbaren Tätern auf, die jahrelang in Behandlung waren und bei der ersten Gelegenheit zugeschlagen haben.
Susanne Preusker schlägt vor, dass bevor neue Gesetze verabschiedet werden, mit Menschen geredet werden sollte,
die tagtäglich mit gefährlichen Straftätern arbeiten, wie Justizvollzugsbeamte oder eben Gefängnispsychologen.
Politiker und Juristen haben nämlich selten direkten Kontakt mit Straftätern in Sicherungsverwahrung, sagt sie.
Preusker kritisiert den unbegründeten Therapieoptimismus der Politik und auch die unüberschaubaren finanziellen Ausgaben.
Geld, das sie besser woanders eingesetzt sehen würde, zum Beispiel im Jugendstrafvollzug.
Darüber haben wir in Folge 7 gesprochen, eben über die mangelnden Resozialisierungsangebote für jugendliche Straftäter.
Die gibt es dafür zu Genüge bei denen, die richtig lange einsitzen und vielleicht einfach nicht therapierbar sind.
Ich habe ihr am Anfang die Antwort von Susanne Preusker vorgelesen auf die Frage ihres Sohnes, Mama, was hast du eigentlich?
Susanne beschreibt darin ihre Psyche.
Seit der Tat ist sie nicht mehr dieselbe.
Sie hat Angstzustände, Panikattacken, ist schnell überfordert und unsicher.
Ein paar Monate nach dem Angriff will sie zum ersten Mal in den Supermarkt, weil ihr Olivenöl leer ist.
Um ihr neues Leben in einer Situation zu verdeutlichen, hier ihre Gedanken dazu.
Gut, ich gehe zum Edeka und kaufe eine Flasche Olivenöl.
Ich war noch nie in dem Laden.
Na und, wie oft hast du schon Lebensmittel eingekauft in allen möglichen Läden?
Wo ist also das Problem?
Ich kann nicht.
Doch ich will.
Du musst.
Das Olivenöl ist doch alle.
Ich kann aber nicht.
Du gehst jetzt los und kaufst ein.
Mir ist aber schlecht.
Ich fühle mich so benommen.
Ich habe Angst.
Du machst mich wahnsinnig.
Ich könnte ohnmächtig werden, einen Panikanfall bekommen.
Und so geht das immer weiter, bis Susanne es schafft, sich zu überwinden.
Der Einkauf ist die Hölle.
Susanne hat schweißnasse Hände, ihr ist schwindelig, sie hat Angst.
Als sie endlich wieder zu Hause ist, setzt sie sich an den Küchentisch,
holt das Olivenöl aus ihrer Tasche und fängt an zu weinen.
Kleine Alltagserledigungen werden für sie zum Kampf.
Außerdem hat sie Angst, sich in Menschen zu irren, vor allem in Männern.
Schließlich hatte sie sich auch in K. geirrt.
Diese Tat hat ihr Urvertrauen erschüttert, sagt sie später.
Als ihr Mann eines Tages in der Küche mit einem Brotmesser ein Brot schneidet,
fängt Susanne an, ihn anzuschreien, legt das Messer weg.
Sie weckt ihn nachts und Wolfram muss ihr versichern, dass er sie niemals angreifen wird.
Sogar vor ihrem Sohn hat sie in manchen Momenten Angst.
Was ist, wenn er mich angreift?
Er ist viel stärker und größer als ich.
Diese Gedanken sind ihr im Nachhinein sehr peinlich, aber in der ersten Zeit nach der Tat ist für sie nichts sicher.
Susanne wendet sich an mehrere Therapeuten und nimmt Antidepressiva.
Wenn man selbst Psychologin ist, ist eine Therapie gar nicht so leicht.
Susanne sagt, die Methoden funktionieren dann einfach nicht so.
Schließlich findet sie eine Therapeutin, die ihr helfen kann.
In den Sitzungen geht sie das Geschehene immer und immer wieder durch,
bis sie darüber nachdenken kann, ohne dabei die Nerven zu verlieren.
Zwei Jahre später schreibt sie ein Buch mit dem Titel
7 Stunden im April Meine Geschichten vom Überleben.
Und daraus habe ich auch sehr viele Infos, vor allem ihre eigene Sicht.
In dem Buch schreibt sie, wie der Titel schon sagt, über ihr Überleben.
Damit möchte sie anderen Frauen helfen, die Ähnliches erfahren mussten.
Dort ist auch ein Brief an ihren Täter abgedruckt, in dem sie schreibt
Sie haben mich nicht zerstört.
Hat sie den auch abgeschickt?
Sie hat ihn abgeschickt, aber die Beamten haben ihn zurückgehalten.
Also er hat ihn nie bekommen.
Und deswegen, sie hat sich auch lange Gedanken gemacht,
ob sie den abdrucken will in dem Buch, weil es sehr privat ist,
weil sie auch ihm sehr private Sachen über ihn geschrieben hat.
Aber weil der zurückgehalten wurde im Gefängnis,
weil die Beamten wohl gedacht haben, das könnte er nicht verkraften.
Ach nö, ja, das finde ich auch.
Das ist auch ein bisschen fies von der.
Und er hackt.
Ja, genau.
Und deswegen hat sie das so gemacht, weil sie gehofft hat,
dass er das vielleicht dann doch irgendwie mal erhält.
Am Ende des Buches schreibt sie,
Das, was ich erlebt habe im April 2009, werde ich nie vergessen.
Es ist der Rucksack, den ich fortan mit mir rumtrage.
An mir liegt es nun, einen Weg in meinem neuen Leben zu finden,
der mit diesem Rucksack zu bewältigen ist.
Nicht zu steil, nicht zu holprig.
Es wird Abschnitte auf dem Weg geben, die ich nur sehr langsam beschreiten kann,
Umwege und Rückschritte inbegriffen.
Aber aufhören zu gehen?
Niemals.
Durch das Buch schafft Susanne Distanz.
Sie kann die Geschichte buchstäblich in eine Schublade stecken, sagt sie.
In einem Radiointerview erzählt sie später,
dass es bei der Tat nicht um Sex ging, sondern um die Demütigung.
Und das, auch wenn es sich komisch anhört,
die Todesangst schlimmer war als die Vergewaltigung.
Das versucht Susanne jeden Tag.
Nach ihrem ersten Buch schreibt sie noch fünf andere,
darunter Ratgeber und Krimis.
Als Psychologin arbeitet sie nicht mehr.
In ihrem neuen Leben hält sie Lesungen,
diskutiert auf Kongressen über Opferrechte
und fordert mehr Hilfsangebote.
Susanne Preusker wird auch oft von Medien als Expertin herangezogen.
So auch in einem Sterninterview vom 5. Februar 2018.
Dort wird sie auf die Frage nach dem Enden der Schuld befragt.
Susanne erklärt, dass die Schuld ewig wehrt.
Sie sagt,
Dieser Mann hat mein Leben maßgeblich verändert.
Gegen meinen Willen.
Und er hat, und das macht die Schuld auch aus,
Menschen, die mir nahestehen und die ich liebe, verletzt.
Auf immer.
Mein Sohn.
Kein 17-Jähriger sollte so etwas erleben müssen.
Er hat ihm ein Stück Jugend genommen.
Das wird Susanne ihm nie verzeihen.
Der Journalist fragt sie auch,
Wie geht es Ihnen heute, Frau Preusker?
Susanne antwortet,
Ich habe mich relativ erfolgreich in diesem neuen Leben eingerichtet.
Ich denke, sagen zu können,
dass ich etwas Gutes daraus gemacht habe.
Ich schreibe ein Buch nach dem anderen.
Das ist mein neuer Job.
Natürlich vermisse ich mein altes Leben,
aber es tut nicht mehr so weh,
wie es einmal weh getan hat.
An diesem Tag wird sie von dem Stern-Redakteur
Dominik Stavsky interviewt.
Er schreibt später, dass er eine gefasste,
freundliche, lustige Frau vorgefunden hat.
Eine Frau, die deutlich jünger wirkte als 58.
Am Ende des Gesprächs macht Stavsky mit Susanne Preusker aus,
dass der Fotograf in einigen Tagen vorbeikommen würde,
um Fotos für den Artikel zu schießen,
und sie verabschieden sich.
Als der Fotograf zehn Tage später an der Haustür
von Familie Preusker klingelt,
erfährt er, dass sich Susanne zwei Tage zuvor das Leben genommen hat.
Ich habe es mir gerade schon gedacht,
das ist nicht dein Ernst.
Nach neun Jahren hat sie den Kampf verloren.
K. hat sie am Ende doch zerstört.
Es ist für einen Journalisten oder für uns auch immer
eine bewusste Entscheidung, über einen Selbstmord zu sprechen,
wegen des schon von Paulina in Folge 6 erklärten Werter-Effekts.
Und deshalb möchte ich an dieser Stelle
alle, die mit Selbstmordgedanken zu kämpfen haben,
auf die Telefonseelsorge aufmerksam machen.
Sie ist anonym, kostenlos und rund um die Uhr
unter 0800 111 0111 erreichbar.
Und bei Instagram verlinken wir euch dann noch
die Mailadresse und eine Liste mit bundesweiten Hilfstellen.
Oh Mann.
Ich fand das so heavy, als ich das gelesen habe.
Weil das Buch im Buch ist sie halt so hoffnungsvoll
und schreibt ja auch am Ende.
Aber aufhören zu gehen, niemals.
Und dann ist es halt doch, dann hat sie es doch gemacht.
Neun Jahre danach.
Ja, was für Kämpfe, die in der Zeit alles mit sich ausgefochten hat.
Ja, und am Ende hat es dann eben doch nichts gebracht.
Und das passt eigentlich auch ganz gut zu meinem Aha,
weil Susanne Preusker eben in ihrer Geschichte von zwei Leben erzählt,
dem alten und dem neuen und sieben Stunden, die dazwischen liegen und alles verändert haben.
Susanne Preusker ist danach ein anderer Mensch.
Aber warum ist das so?
Was passiert im Gehirn der Menschen, die Opfer von Vergewaltigungen geworden sind?
Warum kommt es manchmal sogar zum Selbstmord?
Die menschliche Psyche hat die Aufgabe, uns vor seelischer Überforderung in und nach extremer Belastung,
beispielsweise einer Vergewaltigung, zu schützen.
Verschiedene Schutzmechanismen führen dazu, dass man nicht nur die Situation psychisch überlebt,
sondern danach auch noch weiter funktionieren kann.
In traumatisierenden Situationen wie den sieben Stunden Todesangst und Vergewaltigung
muss das Gehirn in sehr kurzer Zeit sehr viele unterschiedliche und stark angsterfüllende Eindrücke aufnehmen.
Da die Verarbeitungskapazität des Gehirns aber begrenzt ist,
kann vieles dabei nur aufgenommen, aber nicht verarbeitet werden.
Und für die vielen Informationen in solch einem Moment gibt es einen speziellen Speicher,
das Traumagedächtnis.
Das funktioniert aber nicht wie unser normales Gedächtnis,
so kann man sich an die Inhalte dort nicht gewollt erinnern.
Die Erinnerungen kommen stattdessen zurück, wenn bestimmte Auslöser auftreten.
Das sind zum Beispiel Gerüche, Bilder oder Geräusche, die denen während der Tat ähneln.
Bei Susanne sind diese Auslöser beispielsweise das Brutmesser,
das Wolfram benutzt und das in ihr Panik auslöst.
Oder wenn sie beim Einkaufen an dem Regal mit Klebstoff vorbeikommt,
da hat sie direkt Angst und Panik bekommen.
Außerdem werden alle Reize im Traumagedächtnis nicht als zusammenhängende Geschichte,
sondern als Sammlung einzelner, unverbundener Sinneswahrnehmung gespeichert.
Die Art der Speicherung ist zunächst ein sehr sinnvoller Schutzmechanismus.
Sie kann aber nach einiger Zeit, wenn die Verarbeitung der Informationen nicht nachgeholt wird,
zum Beispiel durch eine Therapie, zu Beeinträchtigungen führen.
So kann sich eine posttraumatische Belastungsstörung entwickeln,
dieses Leben der Opfer zum Teil sehr einschränken kann.
Bei mehr als der Hälfte der Betroffenen einer Vergewaltigung tritt so eine posttraumatische Belastungsstörung auf.
Dabei wird das Erlebnis immer wieder erlebt in sogenannten Flashbacks.
Der Betroffene spürt in der Regel panische Angst, große Traurigkeit, intensiven Ärger,
emotionale Taubheit und starke Schuld- und Schamgefühle.
Oft beschäftigen sich die Betroffenen nach der Tat auch übermäßig mit dem Täter.
Ihre Fähigkeit zu sozialen Beziehungen ist manchmal gestört.
Vergewaltigungsopfer haben auch oft mit dem Verlust der Selbstachtung zu kämpfen,
Konzentrationsstörungen und depressive Stimmungen, die mit Selbstmordgedanken einhergehen können.
Die posttraumatische Belastungsstörung ist umso ausgeprägter, je größer die eigene Gefährdung war,
je mehr Todesgefahr direkt erlebt wurde, je enger und intimer die Beziehung zum Täter war
und je länger das traumatische Geschehen andauerte.
Ja, und ich habe ja auch schon oft über Fälle gesprochen, in denen Frauen vergewaltigt wurden,
bevor sie ermordet wurden.
Und dabei erzähle ich das, wie zum Beispiel in meinem letzten Fall, häufig so schnell,
als wäre es nicht wichtig oder so.
Aber das ist mir halt jetzt erst bei dieser Recherche so richtig aufgefallen,
weil die mir eben so nahegegangen ist, weil man aus ihrer Sicht hört,
was das im Nachgang mit ihr gemacht hat.
Und eben was Vergewaltigungen mit Frauen machen können, finde ich halt sehr wichtig,
in einer Zeit, in der ein Mann Richter am obersten Gericht der Vereinigten Staaten wird,
dem eben sexuelle Übergriffe in drei Fällen und darunter eben auch eine versuchte Vergewaltigung vorgeworfen werden.
Wahnsinn.
Da kann man sich nur am Kopf fassen.
Ich finde es aber gut, dass du den Fall trotzdem gemacht hast.
Ich verstehe die Kritik an Medien, wenn es darum geht, Schlagzeilen zu generieren.
Aber ja, weil wir sonst nie wissen, wie das, was wirklich im Kopf passiert,
was das für einen Menschen bedeutet.
Und die Susanne Preusker war anscheinend ein komplett anderer Mensch vorher.
Ich finde es auch trotzdem immer wichtig, darüber zu berichten,
weil das nicht nur triggert,
sondern manche Menschen werden dann vielleicht wachsamer,
was Anzeichen angeht, auch in ihrem Umfeld.
Deswegen bin ich eigentlich immer,
also nicht dafür natürlich irgendwie wegen Sensationslust zu berichten darüber,
aber das nicht einfach tot zu schweigen,
weil das ist ja auch in unserer Gesellschaft unfassbar verankert,
nicht über Tod zu reden und über Selbstmord dann schon gar nicht,
weil dann diese Fassade von das Leben ist doch schön und so,
das können so viele Menschen nicht nachvollziehen.
Ich finde es gut, dass du den Fall gemacht hast.
Wir haben euch vor kurzem gefragt, warum ihr True Crime so liebt,
weil wir das wissen wollen, warum ihr uns hört
und was ihr vor allem auch gerne hört.
Das ist uns wichtig.
Und nachdem ihr so nett wart, uns in eure fiesen Höhne reingucken zu lassen,
haben uns einige von euren Nachrichten halt sehr beschäftigt
und wir haben uns jetzt so ein bisschen damit auseinandergesetzt
und ein paar Punkte herausgearbeitet,
was ihr am meisten geschrieben habt
und worin sich vielleicht auch viele wiedererkennen können.
Mir ist erst mal aufgefallen, dass viele von euch sich gar nicht richtig erklären können,
warum sie eigentlich so auf True Crime abfahren
und dass manche von euch sich auch etwas über sich selber wundern.
Die erste Rubrik, zu denen es sehr viele ähnliche Antworten gab,
haben wir jetzt mal Psyche genannt
und dazu hat uns unsere Zuhörerin Josefine geschrieben.
Ich liebe True Crime, weil ich versuchen möchte zu verstehen,
warum ein Mensch eine bestimmte Tat begeht
beziehungsweise was ihn dazu getrieben hat.
Ich versuche mich generell immer in Menschen hineinzudenken
und möchte einfach gerne verstehen, warum.
Und so geht es mir ja auch immer.
True Crime ist für mich nämlich kein Genre,
das man einfach so nebenbei konsumieren kann,
da ich immer mit Fieber und mit Rätsel,
wer der Täter sein könnte, warum der Täter was getan hat,
ob es eventuell mit seiner Kindheit zusammenhängt
oder und so weiter.
True Crime ist quasi Denksport
und die Psychologin Meredith Fuller erklärt das damit,
dass der Mensch ein grundlegendes Bedürfnis hat,
sich Dinge zu erklären
und vor allem solche, die mit unserer Psyche zu tun haben.
Also in dem Fall, wie konnte das passieren?
Die Frage, die Paulina und ich uns auch immer nach den Fällen stellen
und auch versuchen zu beantworten.
Und da wir True Crime Fans dann auch immer so wild
auf die Antwort dieser Frage sind,
wollen wir immer schnell zum Ende, also zur Aufklärung kommen
und deshalb bingen wir irgendwie an einem Abend
das Staircase oder Serial.
Eine andere Zuhörerin hat uns geschrieben,
ich finde es immer wieder bemerkenswert,
wie verständlich oder zumindest nachvollziehbar
die meisten Taten werden,
wenn man die Lebensgeschichte des Täters,
die Ausweglosigkeit und die Tatumstände näher betrachtet.
Das schließt sich ja an, an dem, was du gerade gesagt hast.
Ich finde, wenn es um die Psyche geht,
ist auch immer noch interessant,
was macht die Tat mit den Opfern,
was ja auch sehr gut zu deinem Fall jetzt passt.
Und auch, was macht die Rechtsprechung
mit den Angehörigen im Nachhinein.
Zum Beispiel, in meinem Fall hatten die Eltern von Christine gesagt,
natürlich kann nichts wieder die Sonne zurückbringen,
die Christine ihnen jetzt nicht mehr gibt.
Aber diese hohe Rechtsprechung zum Beispiel
war für die der erste Baustein
und der Richter wollte auch genau das für die Familie tun,
ihnen eben einen ersten Anschub wieder ins Leben damit geben.
Ein weiterer Punkt, der sich an dem anschließt,
über das wir eben gesprochen haben,
ist, das könnte ich sein.
Also mal ganz abgesehen davon,
dass man natürlich immer mitfiebert,
weil man immer denkt,
ich könnte das Opfer gewesen sein.
Wir alle sind uns ja bewusst,
dass wir immer irgendeiner Gefahr ausgesetzt sind.
Deswegen schließen wir auch nachts die Haustür ab.
Aber was ist mit der Frage,
könnte ich auch der Täter sein?
Per E-Mail haben wir dazu eine Nachricht bekommen.
Ich will nicht so viel davon erzählen,
weil sie sehr, sehr persönlich war.
Aber dort hat eine Frau geschrieben,
die schon sehr viel in ihrer Kindheit erlebt hat
und dann später auch wieder.
Und sie fragt sich selbst,
was muss in meinem eigenen Leben eigentlich noch passieren,
bis es kippt?
Jemand anders schreibt noch,
häufig sind die Begriffe Täter und Opfer
ja gar nicht so weit voneinander entfernt.
Viele Täter waren ja selbst mal Opfer.
Und ich glaube,
dass die Menschen unterschätzen,
wer in welchen Situationen zum Täter wird.
Der Fall, der mich da wachgerüttet hat,
ist zum Beispiel der von Marianne Bachmeier,
die sicherlich nie zur Täterin geworden wäre,
wenn ihr Kind nicht ermordet worden wäre.
Zu, das könnte ich sein,
dadurch, dass im True-Crime-Genre
jedes erdenkliche Szenario auftritt,
denkt man auch eben schnell,
das kann auch mir passieren
oder meiner Freundin oder Oma
oder was auch immer,
wenn ich Aktenzeichen XY sehe,
das ist ja auch oft,
dass Omas überfallen werden oder sowas
und alte Leute halt ausgeraubt
und dann denen irgendwas Schlimmes zutrifft,
da denke ich auch immer sofort an meine Oma.
Es ist halt eben kein Science-Fiction-Film
oder eine ausgedachte Gruselgeschichte,
sondern halt eben die Wirklichkeit
und deshalb sind wir auch immer näher dran.
Ein weiterer Grund für die True-Crime-Faszination
ist laut unseren Hörern der Gruselfaktor.
So schreibt Sophie zum Beispiel,
ich liebe das Gefühl,
was schön und schrecklich zugleich ist,
wenn ihr malerisch auf den Höhepunkt der Geschichte kommt
und sich meinen Bauchraum so richtig zusammenzieht
und ich mal wieder verblüfft bin,
wie tief die Abgründe der Menschen sind.
Und Paulina hatte diese Rubriken schon mal angelegt
und ich muss zugeben,
dass ich lange darüber nachgedacht habe,
was eigentlich mit Gruselfaktor gemeint ist
und ob das auch auf mich zutrifft,
weil ich beispielsweise gar nicht so gerne Horrorfilme schaue
und mich so grusel.
Aber ich bin ja total der True-Crime-Fan
und kann mir auch jede blutverschmierte,
echte Leiche anschauen.
Deshalb ist der Gruselfaktor wohl einfach dieser Kick,
dieses Gefühl,
oh mein Gott, das gibt's doch gar nicht.
Also quasi Paulinas und meine Reaktion
während der Fälle des jeweils anderen.
Und dieses Gefühl entsteht eben,
wenn sich bei uns das Hormon Adrenalin freisetzt.
Und das schaffen eben die True-Crime-Formate.
Und da wir dieses Gefühl so gern mögen,
macht es auch schnell süchtig,
weshalb wir die True-Crime-Serien oder Podcast
eben am liebsten an einem Abend durchgucken
oder durchhören würden.
Vor allem geht es darum,
sich sicher von zu Hause aus,
beispielsweise auch bei ganz banalen Alltagsdingen,
zu gruseln.
Also aus einer sicheren Distanz heraus.
So, wie du eben schon gesagt hast,
wenn man einen Film sieht.
Du sitzt zu Hause auf deiner Couch
und guckst in die Röhre und denkst dir,
oh mein Gott,
aber eigentlich kuschelst du dich unter deiner Decke
und willst dich nur sicher dabei fühlen.
Bei mir ist Horror übrigens auch die Grenze.
Mit Geistern kann ich gar nichts,
aber True-Crime ziehe ich mir rein,
bis ich platze.
Ein weiterer Punkt,
woran ich ehrlich gesagt null gedacht habe,
worüber ich mich auch tatsächlich gewundert habe,
weil das öfter genannt wurde,
ist die Sensationslust.
Ich bin geschockt von eurer Ehrlichkeit,
ich will das im Anschluss aber nochmal einordnen.
Eine Zuhörerin schreibt,
letztendlich muss ich widerstreben zugeben,
dass es eine Art von Sensationsgier ist,
was mir eigentlich total wesensfremd ist
und deswegen bin ich da wohl nicht so ganz stolz drauf.
Aber mich fesseln menschliche Abgründe einfach,
zu was Menschen fähig sind
und wie sie dazu geworden sind.
Also ich sehe das mal so.
Dein Interesse an der Psychologie ist einfach sehr hoch.
Solange du dich nicht an dem Leid anderer ergötzt,
ist mit dir alles in bester Ordnung.
Außerdem brauchst du nämlich ganz schön viel Empathie für diese Geschichten,
weil du fieberst ja mit.
Du hörst den Podcast ja nicht,
weil du dich langweilst
oder weil du denkst,
wann sticht er die Tante endlich ab.
Klar, wir lieben alle gut erzählte Gruselgeschichten,
aber in der Regel fiebert man ja eben ständig mit,
weil man hofft, dass der Täter geschnappt wird
oder dass ein Opfer überlebt.
Also für mich ist es so,
wir sind nicht verrückt nach den Mördern.
Wir sind verrückt danach, die Mörder zu hassen.
Laura, meinst du, wir belügen uns jetzt selbst?
Ist es auch ein bisschen Sensationsgier?
Was ich glaube,
was mit der Sensationslust zusammenhängt
oder für was sie das halten,
diese Sensationsgier,
ist der Voyeurismus,
der mit dem Genre eben bedient wird.
So wie zum Beispiel bei The Staircase,
da sind wir ja als Zuschauer mittendrin
im Leben der Familie Peterson.
Also wir sind mit in dem Haus,
sehen Michael und seine Kinder
in Interaktionen und so weiter.
Und das sehen wir halt so normalerweise nie.
Wir sind nie so nah bei einer Familie,
der auch noch so was Schlimmes passiert ist
oder auch zum Beispiel die Tatortfotos.
Die sind überall im Internet zu sehen
und das kriegen wir auch sonst nie im Alltag zu Gesicht.
Und das ist dann schon eine Art Sensation,
die wir ganz toll finden.
Also sind wir jetzt sensationsgierig oder nicht?
Ein bisschen vielleicht.
Es ist ja eine Sensation, so was.
Es ist ja nichts Alltägliches.
Man muss es vielleicht nicht sensationsgier,
sondern sensationslust bezeichnen
und dann ist es auch nicht mehr so negativ konnotiert.
Ja, vielleicht stört mich der Begriff einfach,
weil ich das einfach viel mehr mit der Psyche
und mit diesem Entsetzen darüber,
zu was Menschen in der Lage sind
und Verbindung bringe.
Nächster Punkt.
Und dann ein wichtiger,
wenn nicht gerade überlebenswichtiger Punkt,
das Vorbereitetsein.
Dazu hat uns Jess geschrieben,
der Hintergrund ist, glaube ich,
dass man sich eben irgendwie vorbereitet fühlt,
sodass man sich Chancen und Taktiken
im Fall der Fälle zurechtlegen kann
und man quasi vermeiden kann,
selbst zum Opfer zu werden.
Die Psychologie-Professorin Amanda Vickery
hat zu genau dem Thema geforscht
und herausgefunden,
dass vor allem Frauen versuchen,
Hinweise auf Bedrohungen
aus diesen Kriminalfällen herauszulesen,
um sie dann auf ihr eigenes Leben zu übertragen
und sich dadurch zu wappnen.
Das haben uns auch wirklich viele,
vor allem weibliche Zuhörer, geschrieben.
Dazu muss ich allerdings sagen,
dass ich durch meine langjährige True-Crime-Sucht
ja auch schon vieles gelernt habe,
wie zum Beispiel nicht per Anhalter zu fahren,
aber leider wende ich die Erkenntnisse nicht immer an.
Und so bin ich mit meiner Freundin in Australien
zweimal per Anhalter gefahren.
Wir haben uns aber vorher gesagt,
wir steigen nicht bei Männern ein.
Unsere erste Erfahrung war,
eine Frau hält an, wir steigen ein, sie.
Ich bin gerade auf dem Weg,
mich mit meiner Nichte bei McDonalds zu treffen.
Wollt ihr mit?
Wir?
Okay.
Am Ende saßen wir mit dieser Frau
und der Nichte bei McDonalds,
haben Essen ausgegeben bekommen
und einen richtig netten Nachmittag gehabt.
Und beim zweiten Mal sind wir sogar bei einem Mann eingestiegen,
der uns bis direkt vors Hostel gefahren hat.
Und was ich damit sagen will,
man sollte sich nicht zu doll in seine Angst reinsteigern,
denn durch True-Crime können Ängste größer werden.
Und das wollen wir natürlich nicht unterstützen.
Oder, Paulina?
Du spinnst wohl.
Du kannst doch hier nicht unseren Zuhörern
so tolle Geschichten über das Hitchhiking erzählen.
Dann denken die, das mache ich auch.
Macht es nicht!
Laura,
erlebt die verrücktesten Sachen.
Nehmt euch bitte kein Beispiel an ihr.
Aber du hast natürlich recht.
Paradoxerweise kann das Lesen von solchen Geschichten,
nämlich die Angst vor Gewaltverbrechen,
natürlich erhöhen.
Die Universität von Illinois hat nämlich eine Befragung durchgeführt
und da ging es um Bücher.
Frauen entscheiden sich nämlich häufiger für Bücher,
das einen Trick zum Entkommen beschreibt,
als für das gleiche Buch, wo dieser Trick nicht erwähnt wurde.
71 zu 29 Prozent.
Und sie entscheiden sich auch häufiger für ein Buch,
das das psychologische Profil eines Mörders beschreibt,
als ein Buch ohne ein solches Profil.
Bei den befragten Männern gab es entweder keine
oder nur ganz geringe Unterschiede bei der Wahl der Bücher.
Und dann haben wir uns ja noch gefragt,
warum hören uns eigentlich so viele Frauen?
Und offenbar ist genau der vorherige Grund
der Grund, warum die meisten unserer Zuhörer weiblich sind.
Weil sie sich denken,
je mehr ich über Mörder und Kriminalität weiß,
desto weniger machtlos fühle ich mich nachher.
Dr. Marni Feuermann, Psychotherapeutin, sagt,
dass Frauen außerdem sehr mit weiblichen Opfern,
von denen es bei diesen True-Crime-Geschichten
ja die meisten gibt,
mehr empathisieren.
Und so werden sie emotional
mehr von der Geschichte mitgerissen.
Zu dem Punkt hat uns Anne
auch eine interessante Antwort geschickt.
Sie schreibt,
wenn ich nachts alleine nach Hause gehe,
habe ich Angst.
Ich weiche gefährlich aus in den Menschen aus.
Ich merke mir Kennzeichen.
Ich schreibe immer einer Freundin, wo ich bin.
Kurz gesagt, ich weiß immer,
was alles schiefgehen kann.
Viele Männer aus meinem Umfeld
haben da kein Gespür für.
Vielleicht lernen Männer das auch nicht so.
Und da fand ich eben genau diesen letzten Satz.
Vielleicht lernen Männer das auch nicht so interessant,
weil dann habe ich mich nämlich gefragt,
wie war das eigentlich früher?
Weil meine Eltern haben oft zu mir gesagt,
oder meine Mama und vor allem meine Oma
haben oft zu mir gesagt,
pass auf,
nicht im Dunkeln nach Hause gehen und so weiter.
Aber zu meinem Bruder
hat das eigentlich nie jemand gesagt.
Und mein Papa hat auch nie Angst um mich.
Und vielleicht hat es also wirklich auch
ein bisschen was mit der Erziehung zu tun.
Interessant.
Aber die eigentlich richtige Antwort
zum Thema Frauen und True Crime
kam von Cheyenne.
Sie schreibt,
ich glaube,
Frauen interessieren sich besonders für True Crime,
weil wir so neugierige Wesen sind
und uns das Böse anzieht,
weil wir selber so etwas nicht tun würden.
Und bekannterweise ziehen sich
gegensätzliche Dinge an.
Eben.
Wir sind einfach viel zu lieb.
Wir sind die Engel.
Genau.
Wir wollen mal gucken,
was auf der anderen Seite so los ist.
Eine Theorie soll noch nicht unerwähnt bleiben.
Vorsicht,
das trifft sicherlich nicht auf alle zu.
Aber doch auf einige.
Es gibt nämlich Frauen,
die Gewalt- und Vergewaltigungsfantasien haben.
Das heißt nicht,
dass sie wollen,
dass es ihnen oder anderen Frauen
im Realleben wirklich passiert.
Auf keinen Fall.
Gerade im Gegenteil.
Aber es gibt diesen Effekt,
dass der Gedanke daran
einen kleinen Extra-Thrill bewirkt.
Das hat was mit Sexualität zu tun
und es sind nicht wenige.
Das kann jetzt nicht jeder nachvollziehen.
Aber das ist menschlich
und das ist auch völlig okay.
Und das ist, glaube ich,
auch der Grund,
ich habe es nie gelesen,
aber warum Shades of Grey
so erfolgreich war.
Ja, klar.
Und das ist ja auch
voll die schöne Liebesgeschichte.
Viele Forscher sind auch der Auffassung,
dass die Crime-Faszination
in der Geschichte der Menschen
begründet ist.
Das fundamentale Tabu-Mord
ist ja in unserer heutigen Gesellschaft
eine Faszination,
weil wir in unserem Alltag
eben so seltener mit in Berührung kommen.
Aber früher waren antisoziale Verhaltensweisen
keinesfalls schlecht
und sie haben auch oft
zu Fortpflanzungs- und Überlebensvorteilen geführt.
Also wenn du beispielsweise
egoistisch warst
und in einer Gefahrensituation
anderen nicht geholfen hast,
war die Wahrscheinlichkeit eben höher,
dass du überlebst.
Und der Wissenschaftler Thomas Nesseler
erklärt in einem Interview mit Fokus,
dass die Aggression,
genau wie der Sexualtrieb,
ein Teil der anthropologischen
Grundausstattung des Menschen ist
und deshalb genauso zu unserem Alltag gehört
wie das Bedürfnis nach Hunger oder Sex.
Aber da Gewalt in unserer Gesellschaft
verpönt ist,
können wir die trotzdem ausleben,
indem wir sie eben in Filmen,
Serien, Büchern oder PC-Spielen konsumieren,
sozusagen als Kompensation.
Und durch die medialen Inhalte
können dann Extremsituationen
emotional ausgetestet werden.
Also vielleicht auch wie
eben Aggressivität
in Bezug auf Sex,
wie du es eben gerade genannt hast.
Und so erklärt sich auch,
warum Menschen,
die Gewalt prinzipiell verabscheuen,
trotzdem eine große Faszination
für True Crime haben können.
Verstehe.
Laura, welcher von unserem Punkt
passt denn eigentlich am besten auf dich zu?
Ich würde sagen,
dass mich auch am meisten
diese Psyche
hinter den Tätern interessiert.
Dass ich immer wissen will,
wie man zu so einem Menschen wird
und
genau,
was die wirklichen Motive waren.
glaube ich,
dass das das ist.
Wahrscheinlich ist es ein Mix aus allem,
was wir jetzt hatten.
Ja, glaube ich auch.
Für mich ist noch eine andere Sache wichtig.
Das ist mir auch erst klar geworden,
nachdem wir mit unserem Podcast
eher so in die Richtung
des Rechtsverständnisses
gedriftet sind,
so ein bisschen,
zum Glück ehrlich gesagt.
Denn anhand unserer Fälle
lerne ich,
wie unser Rechtssystem funktioniert.
Das verstehe ich nämlich
viel besser
anhand von richtigen Beispielen.
Und nur so kann ich es mir übrigens auch merken.
Nur so kann ich es verstehen,
wenn ich weiß,
was bestimmte Personen gemacht haben
und was sie dann dafür bekommen.
Wenn ich einen Blick
ins Strafgesetzbuch werfe,
kann ich damit wenig anfangen.
Und dann haben wir noch ein paar
total lustige Nachrichten für euch,
die wir euch nicht vorenthalten wollen.
Ich finde es aber auch witzig.
Was zu eurer Frage,
woher dieses Interesse an True Crime kommt,
weiß ich nicht.
Vielleicht sowas wie eine Art Störung.
Die finde ich auch gut.
Oder um denken zu können,
ich bin normal.
Ich mache sowas nicht.
Auch wenn man nicht normal ist.
Das finde ich auch richtig gut.
Und dann hat uns noch jemand geschrieben,
seitdem ich euren Podcast höre,
habe ich keine Angst mehr
auf dem Nachhauseweg angegriffen
und abgestochen zu werden.
Weil ich dann denke,
dann können wenigstens Paulina
und Laura darüber berichten.
Wir hoffen nicht,
weil wir verlieren wirklich
nur sehr ungern Zuhörer an Mörder.
Aber vielen Dank für dein Vertrauen,
dass wir das dann gut aufbereiten werden.
Wir haben ja gesagt,
dass wir euch zu dem Schackendorf-Fall
updaten wollen.
Und deshalb fassen wir euch jetzt kurz
die ersten beiden Prozesstage zusammen.
Am Freitag, den 26. Oktober,
war um 15 Uhr Prozessauftakt
am Kieler Landgericht.
Zunächst wurde die Anklage
von der Staatsanwältin
Hannah Schmücker-Borgwart verlesen.
Darin wird Volker L. vorgeworfen,
seine Frau Nadine
am 1. November 2017
während eines Spaziergangs
mit ihrem gemeinsamen Sohn
mit einem Zaunfall erschlagen
und ihr mit einem scharfen Gegenstand
den Hals aufgeschlitzt zu haben.
Um es wie einen Sexualmord
aussehen zu lassen,
soll er anschließend
ihre Klamotten ausgezogen haben.
Hierbei ist das Interessante ja,
dass die Staatsanwaltschaft
davon ausgeht,
dass der gemeinsame Sohn
bei der Tat dabei war.
Uns hat die Staatsanwaltschaft gesagt,
dass die eingesetzte
Ergänzungspflegerin des Jungen
aber einer Zeugenbefragung
widersprochen hat.
Grundsätzlich wäre so eine
Befragung des Kindes,
wenn es denn in der Lage ist,
Angaben zu machen,
aber schon möglich.
Ja.
Aber sollte das stimmen,
wovon die Staatsanwaltschaft ausgeht,
dann kann man ja auch verstehen,
dass das Kind nicht aussagen soll.
Weil wie traumatisiert
muss dieses Kind
bitte sein,
wenn es das wirklich
mit angesehen hat.
Genau.
Und das ist ja auch erst
drei Jahre alt.
Naja, auf jeden Fall,
Hintergrund für die Tat
sollen Eheprobleme gewesen sein.
Der Angeklagte habe seine Frau
verdächtig,
eine Affäre
mit ihrem Fitnesstrainer
zu haben.
So die Version
der Staatsanwaltschaft.
Und nach der Anklageverlesung
gab es dann die Erklärung
des Angeklagten.
Ich bin unschuldig,
ich habe meine Frau
nicht umgebracht.
Die wurde allerdings
nicht von dem Angeklagten
selbst gesagt,
sondern der ließ es
über seinen Verteidiger
Jonas Hennig erklären.
Und in der Regel
möchte Hennig nämlich nicht,
dass seine Mandanten aussagen,
zumindest wenn es
um ein Freispruchverfahren geht.
In der Regel
kommen die Medien
nur zum ersten
und letzten Prozestag.
Und deshalb
hielt Hennig diesmal
ein über 30 Minuten
langes Opening Statement.
Auf Deutsch
ist das die Gegenrede
zur Anklage.
Darin
beschrieb er
den Anwesen
im Gerichtssaal
eine andere Version.
Demnach kam es
zwischen Volker
und Nadine L
beim gemeinsamen
Spaziergang
zur Diskussion,
als der Familienhund
weggelaufen war.
Nadine L
habe den Hund
deswegen alleine gesucht
und Volker
ist mit dem Sohn
nach Hause gegangen.
Nachdem seine Frau
nicht zurückgekommen war,
suchte Volker L
sie und kontaktierte
dann später
die Polizei,
so Hennig.
Gegen 8 Uhr morgens
habe er einen Bekannten
gebeten,
ihm bei der Suche
zu helfen.
Beide seien
wenig später
dann auf die Leiche
gestoßen.
Aber das ist
nicht alles,
was Hennig
in seinem Opening Statement
erklärt,
denn er kritisiert
die Polizeiarbeit,
sagt,
die Beamten seien
von der Tatort-Weisheit
ausgegangen,
wonach der Ehemann
auch der Täter
sein müsse.
Außerdem wirft er
der Polizei vor,
schlampig,
einseitig
und mit verbotenen
Methoden gearbeitet
zu haben.
So haben sie
seinen Mandanten
verhört,
obwohl der 24 Stunden
nicht geschlafen hatte.
Ein Anwalt sei auch
erst mit mindestens
drei Stunden
Verzögerung
kontaktiert worden.
Aus Hennigs Sicht
gibt es für die Schuld
seines Mandanten
keinen Beweis.
Im Gegenteil
sprechen die Indizien
sogar für Volker L.
Denn sein Mandant
sei schwer krank.
Er leide
an Morbus Crohn
und hat einen
implantierten
Defibrillator.
Dieser Defibrillator
wurde nach der Tat
von der Polizei
sogar ausgewertet.
Das durften sie
nach der Zustimmung
von Volker L.
Dies hat ergeben,
dass es in dem
Tatzeitraum
zwar eine besondere
emotionale Anspannung,
aber keine Anzeichen
auf hohe körperliche
Anstrengungen gegeben hat.
Hennig sagt außerdem,
dass Volker L.
es in seinem Zustand
gar nicht mit seiner Frau
hätte aufnehmen können,
die körperlich sehr fit
und noch deutlich jünger war
als sein Mandant.
Weitere Zweifel
an der Anklage
streut Hennig,
als er über die
Mordwaffen spricht.
Die Waffe,
mit der der Hals
des Opfers
verletzt wurde,
wurde nie gefunden.
Auf der anderen
Mordwaffe,
dem abgebrochenen Pfahl,
gäbe es keine
belastbaren DNA-Spuren,
die L.
zugeordnet werden können.
Stattdessen
seien aber Spuren
von einem
bei der Polizei
wegen Gewaltdelikten
und anderen Straftaten
gesuchten
bekannten
polnischen Staatsbürger
gefunden worden.
Genau,
und in diese Richtung
hatte die Polizei
wohl auch ermittelt.
Bisher hat die
Staatsanwaltschaft
dazu aber noch
nichts gesagt.
Genau.
Und nach
eineinhalb Stunden
war dann dieser
erste Prozestag
auch schon zu Ende.
Am zweiten
Verhandlungstag,
der heute,
also am Dienstag,
den sechsten
stattgefunden hat,
waren elf Zeugen
und Sachverständige
geladen.
Gehört wurden
aber nur drei.
Darunter die
Kriminalbeamtin,
die Volker L.
verhört hatte
und eine
Rechtsmedizinerin.
Die anderen
wurden wieder
nach Hause geschickt
und darunter
war auch der
Nachbar,
der zusammen mit
Volker L.
die Leiche von
Nadine L.
gefunden hat.
Ja, das heißt
wohl, dass die
angesetzten acht
Verhandlungstage
auf keinen Fall
ausreichen werden.
Die Kriminalbeamtin
schilderte heute
die Vernehmung
des Angeklagten.
Der habe die Tat
von Anfang an
bestritten.
Mindestens sieben
kräftige Schläge
haben das Gesicht
und den Schädel
von Nadine L.
zertrümmert,
so die Rechtsmedizinerin.
Ob dazu aber auch
eine Person
imstande gewesen wäre,
die gesundheitlich
eingeschränkt ist,
ließ sie offen.
Und auch die Beziehung
der beiden
wurde vor Gericht
erörtert.
Dabei kam heraus,
dass die beiden
eine offene Ehe
geführt haben sollen.
Volker L.
behauptet,
er habe an dem Abend
noch nach seiner Frau
gesucht.
Jetzt aber kam die Frage
auf, warum er denn
genau dort nicht
gesucht habe,
wo sich die beiden
nach seinen Angaben
getrennt hatten.
Und die Frage
beantwortet uns jetzt
Dr. Jonas Hennig,
der Verteidiger
von Volker L.
Der hat schon
in dem Gebiet gesucht
und an der einen Stelle,
um die es da geht,
lediglich zu einem
späteren Zeitpunkt,
was meines Erachtens
aber auch naheliegend ist.
Und der spätere
Zeitpunkt war
am Tag danach
mit seiner Begleitung?
Ja.
Okay.
Ja.
Aber ich wäre auch
nachts nicht davon
ausgegangen,
dass die Person
sich dann dort
noch befindet.
Das Sexualleben
von Volker L.
hat ja im heutigen
Prozestag auch
eine Rolle
gespielt.
Ganz am Rande,
ja.
Warum?
Weil es
aktenkundig ist
und weil es
auch Gegenstand
der Vernehmung war.
Aber es
spielt meines Erachtens
für den
Tatvorwurf
in der Tat
keine Rolle.
Könnte das
irgendeine Strategie
der Staatsanwaltschaft
sein,
dass sie
dieses Thema
aufbringt?
Nein,
denke ich nicht.
Ja,
vielleicht wird das ja
auch nochmal
Gegenstand der Verhandlung.
Der nächste
Verhandlungstag
ist auf jeden Fall
am 15. November.
Und in der nächsten
Folge geben wir euch
natürlich auch
wieder ein Update
dazu.
Das war Folge 9.
In der nächsten
könnt ihr euch
übrigens auf ein
Spezial freuen.
Wir sagen aber
noch nicht warum.
Es hat nämlich auch
irgendwie einen
traurigen Grund.
Ja,
genau.
Bis dahin?
Ja,
wir haben ja
keinen Spruch.
Auf Wiedersehen.
Auf Wiederhören.